Insel der Versuchung

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Auf der Yacht des Tierfilmers Steven Dare verliebt sich die hübsche Therapeutin Linden Taylor unsterblich in den attraktiven Mann. Doch als sie sieht, dass er eines Abends heimlich in die Kabine des schönen Models Kitty geht, glaubt sie, dass er sein Herz der anderen geschenkt hat ...


  • Erscheinungstag 12.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777197
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Himmel über Derby war strahlend blau. Wäre es nach Linden Taylors Stimmung gegangen, dann hätten Gewitterwolken den Postkartenhimmel verdunkeln und heftige Regengüsse die Stadt an der westaustralischen Kimberleyküste heimsuchen müssen.

Stattdessen schien die Sonne hell und ungetrübt, Lindens schlechter Laune zum Trotz. So jedenfalls empfand sie es, als sie vor dem Eingang der eleganten Villa von einem großen, bulligen Mann aufgehalten wurde, der sich als Butler ausgab. Linden war irritiert. Bestimmt war dieser angebliche Türhüter in Wirklichkeit ein Leibwächter. Eine verdächtige Ausbeulung unter seinem Jackett ließ sie eine versteckte Waffe vermuten.

Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einssiebzig auf. Trotzdem blieb der Mann ein Riese, gegen den sie keine Chance hatte. „Wenn Greg Hamil erfährt, dass Sie mich nicht hereinlassen wollten, könnte es Sie Ihren Job kosten.“

Das war natürlich ein Bluff. Greg hatte keine Ahnung, dass sie vor der Tür stand, und eine Einladung zur Party hatte sie nicht bekommen. Sie hatte allen Mut zusammennehmen müssen, um hierher zu kommen, aber sie hatte keinen anderen Ausweg gewusst. Sie musste mit Greg reden. Er war ihr eine Erklärung schuldig.

Der Butler ignorierte ihre Drohung. „Es tut mir leid, Miss, aber ich habe Anweisung, nur die eingeladenen Gäste hereinzubitten.“

Linden hielt ihm ein Päckchen unter die Nase. „Und warum würde ich ein Geschenk mitbringen, wenn ich nicht wüsste, dass Greg seinen dreißigsten Geburtstag feiert?“ Sie sah den Butler mit großen Augen unschuldig an. Sie wusste, dass sie jünger als fünfundzwanzig aussah mit ihrer zierlichen Figur und den blonden Locken. Aber es war vergeblich. Der Mann blieb stur.

„Sie hätten es in der Zeitung lesen können.“

Linden erschrak. Sie fühlte sich ertappt. Sie hatte tatsächlich die Nachricht von der geplanten Party in der Zeitung gelesen, wenige Tage, nachdem Greg sang- und klanglos aus ihrem Leben verschwunden war. Trotzdem wäre sie nicht uneingeladen hier aufgetaucht, wenn Greg sich anders verhalten hätte. Er war für sie nicht mehr zu erreichen gewesen. Nun kam sie auch hier nicht weiter. Vielleicht sollte sie alles vergessen und einfach wieder nach Hause fahren.

Nein, sie würde sich diesmal nicht wegschicken lassen. Man hatte sie in ihrem Leben oft genug verlassen. Sie wollte von Greg wenigstens eine Erklärung. Warum hatte er sich so verhalten, als ob sie ihm etwas bedeutete, und sie dann einfach im Stich gelassen? Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin erst kurz in der Stadt. Vermutlich ist meine Einladung zur Party noch unterwegs.“ Sie kam einen Schritt näher. „In Perth waren Greg und ich … nun ja, Sie wissen schon, nicht wahr?“

„Nein, aber sprechen Sie es aus!“ Eine unbekannte männliche Stimme hinter ihr hatte geantwortet.

Erschrocken fuhr Linden herum. Ihr fiel das Päckchen aus der Hand. Der Fremde bückte sich und fing es auf. Er war ihr so nah, dass sie sein After Shave riechen konnte, einen herben, männlichen, sehr verführerischen Duft.

Der Mann war ungewöhnlich groß und athletisch. Er hatte ein markantes Gesicht und braune Augen, mit denen er Linden scharf fixierte. Sie hatte Mühe, Haltung zu bewahren und sich nicht in seinem Blick zu verlieren.

„Danke, dass Sie … mein Päckchen gerettet haben“, sagte sie stockend. „Der Inhalt ist zerbrechlich.“

Der Fremde studierte ungeniert Lindens handgeschriebene Karte. „Für meinen lieben Greg von seiner Linden“. Die Züge des Mannes verhärteten sich. „Dann sind Sie Linden?“

„Ja.“ Sie bemühte sich, ihre Nervosität zu verbergen. „Kann ich das Päckchen zurückhaben?“

Der Mann zog sarkastisch die Augenbrauen hoch. Plötzlich sah er richtig gefährlich aus. „Ich könnte Greg Ihr Geschenk übergeben“, schlug er vor.

Linden musterte ihn unauffällig. Er erinnerte sie an einen Cowboy aus einem Wildwestfilm, obgleich er für den Anlass korrekt gekleidet war. Er trug den üblichen leichten Abendanzug mit weißem Hemd, Krawatte und dunkler Hose. „Sie gehen also auf die Party?“

„Das habe ich vor.“ Er verbarg nur mühsam seine Ungeduld.

„Ich will Sie nicht länger aufhalten. Tatsache ist, dass ich Greg persönlich treffen muss.“

Wieder zog er die Brauen hoch. „Hat er Sie eingeladen?“

Linden trat von einem Bein auf das andere. „Nicht ausdrücklich. Er hatte keine Ahnung, dass ich in der Stadt sein würde. Sie müssen wissen, dass Greg und ich befreundet sind. Als er in Perth war, nun … jedenfalls sind wir sehr oft miteinander …“

„Ich weiß. Ersparen Sie mir Einzelheiten.“

Linden war empört. Was fiel diesem Mann ein? Er hatte kein Recht, sie zu beleidigen. „Ich weiß nicht, warum Sie verärgert klingen. Greg und ich waren in Perth sehr gut befreundet, und so beschloss ich, hierher zu fliegen und ihn zu überraschen.“

„Das wird Ihnen sicher gelingen.“

„Was meinen Sie damit?“ Linden fand, dass seine Bemerkung verletzend klang. „Greg hat selber vorgeschlagen, dass ich eines Tages mal die Kimberleyküste besuchen soll.“

„Eines Tages“, wiederholte der Mann, „was heißt das schon? Das sagt man so daher. Es ist vollkommen unverbindlich, keine richtige Einladung, mehr eine Höflichkeitsfloskel.“

Lindens Empörung wuchs. Die herablassende Art ihres Gegenübers war demütigend. „Sie müssen es ja wissen“, versetzte sie hitzig.

„Das weiß ich auch“, schoss er zurück. „Wenn ich Sie nach Derby eingeladen hätte, dann würden Sie auch wissen, dass Sie willkommen sind. Ich hätte Sie an Ihrer Haustür in Perth abholen und zum Flugplatz bringen lassen. Und dort hätten Sie eine Privatmaschine bestiegen, um zu mir zu fliegen.“

Einen Augenblick lang stellte sich Linden diesen unglaublichen Luxus vor. Sie würde ihn gern einmal genießen. „Vielleicht liegt mir nichts daran, wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe in Watte verpackt zu werden.“

Der Mann lächelte ironisch. Er wusste genau, dass sie nicht die Wahrheit sagte. „Wer redet von Watte? Meine Frauen tragen Seide und Samt. Im Übrigen wäre die Reise am Flughafen keineswegs zu Ende“, fuhr er fort. „Eine klimatisierte Limousine würde Sie am Flughafen abholen und Sie zum Kai bringen, wo meine Yacht auf Sie warten würde. Der Champagner wäre eisgekühlt und der Hummer schon zubereitet. Anschließend, als Nachtisch sozusagen …“

„Hören Sie auf“, rief Linden fast panisch. Sie fürchtete, dass die Fantasie mit ihm durchging, und sie wollte sich keinen weiteren Peinlichkeiten aussetzen. „Was bezwecken Sie mit Ihren Märchen?“

„Ich will Ihnen nur sagen, wie es ist, wenn man wirklich willkommen ist.“

„Was bringt Sie auf den Gedanken, dass ich Greg nicht willkommen bin?“

„Ganz einfach. Sie stehen hier vor seiner Tür. Seien Sie ehrlich, Linden, haben Sie Gregs hingeworfene so genannte Einladung nicht etwas zu wörtlich genommen?“

„Nein! Ich muss mit Greg reden und ein paar Missverständnisse klären. Bitte geben Sie mir das Geschenk zurück. Ich werde es ihm persönlich überreichen, und zwar ungestört!“

Linden warf einen zornigen Blick auf den Butler und den arroganten Fremden.

„Nicht so hastig“, beschwichtigte sie der Mann. „Vielleicht sollten Sie tatsächlich auf der Party erscheinen. Das würde uns spätere Probleme ersparen.“

Linden stutzte. Warum plötzlich die Kehrtwendung? Sie warf einen flüchtigen Blick auf den Butler. Aber der tat so, als überhörte er die Unterhaltung. Sie räusperte sich. „Ich komme ja nicht herein. Wie Sie wissen, bin ich kein offizieller Gast, obwohl ich mit Greg befreundet bin.“

„Aber ich stehe auf der Gästeliste, und ich darf eine Begleiterin mitbringen.“

Lindens Zorn steigerte sich. „Ich verstehe“, konterte sie, „Sie brauchen mich, weil es Ihnen peinlich ist, ohne eine Frau an Ihrer Seite zu erscheinen. Das ist es doch, oder?“ Sie konnte eine gewisse Befriedigung nicht verbergen.

„Überschätzen Sie sich nicht“, riet der Mann. „Wenn ich mit Ihnen auftauche, werde ich mehr Probleme haben, als wenn ich solo erscheine. Ich weiß, warum auf meiner Einladung die Anwesenheit einer Dame so dringend gewünscht wurde.“

Linden verstand gar nichts mehr. „Hat Greg das so formuliert?“, fragte sie neugierig.

Der Mann schüttelte unwillig den Kopf. „Nicht Greg“, sagte er, „sondern meine Cousine Sandra Cochran. Sie hat mir die Einladung geschickt. Und ihr Wunsch ist es, dass ich in Begleitung komme. Vermutlich hält sie mich für den einsamen Wolf.“

Linden begriff immer weniger. Wer war Sandra Cochran? Sie hatte noch nie von ihr gehört. Allerdings hatte Greg kaum von seiner Familie gesprochen. Sie wusste nur, dass er aus Industriellenkreisen kam und sehr vermögend war. „Ich kenne Sandra Cochran nicht“, sagte sie laut.

„Das glaube ich Ihnen aufs Wort“, erwiderte der Mann scharf. „Ich denke, es wird höchste Zeit, dass Sie sie kennen lernen. Kommen Sie.“

Linden wusste nicht, wie ihr geschah. Der Mann packte sie fest am Arm und zog sie mit sich. Der Butler machte diesmal keine Einwände. Linden blieb stehen. „Wir sollten wenigstens unsere Namen kennen, wenn wir als Paar hier aufkreuzen. Was meinen Sie?“ Sie sah den Fremden neugierig an.

„Meinetwegen.“ Er machte ein unwilliges Gesicht. „Ich bin Steven Dare. Meine Freunde nennen mich Steed.“

„Dann sollte ich Sie wohl besser Steven nennen, nicht wahr?“ Linden bedauerte bereits, dass sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte. Wäre sie doch lieber wieder gegangen, nachdem der Butler ihr den Zutritt verweigert hatte. Dieser Mensch benahm sich unmöglich.

„Wenn Sie mich Mr. Dare nennen, verraten Sie Ihre Tarnung, ist es nicht so?“

Ihre Tarnung? Schließlich hatte er eine Begleiterin gebraucht, damit sein Machobild der Gesellschaft erhalten blieb! Sie blickte zu ihm auf. „Ich habe keine Tarnung nötig, wie Sie es nennen. Ich bin nur gekommen, um mit Greg zu sprechen. Es gibt da ein paar Dinge zu klären.“

Ja, sie würde Greg fragen, warum er ihr eine Reise nach Derby vorgeschlagen hatte, wenn er sie in Wirklichkeit gar nicht sehen wollte. Natürlich hatte sie versucht, ihn von Perth aus anzurufen, aber Greg hatte das Telefonat sehr schnell beendet, weil er angeblich zu einem dringenden geschäftlichen Treffen verabredet war. Sie hatte ihn nicht mehr erreichen können, obgleich sie sich schon drei Tage in Derby aufhielt. Und wenn Steven Dare am Ende mit seiner Vermutung recht behielt, dass Gregs Einladung nach Derby nur reine Höflichkeit gewesen war?

Linden unterdrückte einen Seufzer. Diese Haltung hätte gar nicht zu dem Mann gepasst, der sich so auffällig in Perth um sie bemüht hatte. Linden arbeitete in einem Schlaflabor als Therapeutin, und dort war Greg ihr begegnet. Er hatte eine beträchtliche Summe für das Schlafzentrum gestiftet und darauf bestanden, einige Nächte dort zu verbringen, um Linden bei der Arbeit zuzusehen. Aber das war nicht alles. Er hatte sie mit Einladungen in teure Restaurants bombardiert und so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen wollen.

Linden war keine verwöhnte Frau, und Greg war der erste Mann, der sie so stürmisch umwarb. Sie musste zugeben, dass sie es sehr genoss, denn nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, wirklich die Nummer eins im Leben eines anderen Menschen zu sein. Sie war in Kinderheimen aufgewachsen, und nun bemühte sich ein so mächtiger und wohlhabender junger Mann um sie.

Und dann hatte Greg Hamil ihr eines Tages vorgeschlagen, das Wochenende mit ihm auf seiner Yacht zu verbringen. Die Einladung hatte sie in ein Gefühlschaos gestürzt, weil sie natürlich wusste, was Greg von ihr erwartete. Aber sie bekam Angst. Sie fürchtete sich nicht vor Greg und seinen Umarmungen, sondern vor der Unsicherheit, die damit verbunden war. Wie würde sich ihre zukünftige Beziehung gestalten, wenn sie seinem Wunsch nachgab? Glücklicherweise nahm ihr das Schicksal die Entscheidung ab. Sie bekam eine starke Erkältung und musste das Bett hüten. Und Greg musste zurück nach Derby, bevor er eine zweite Einladung aussprechen konnte. Aber hatte er das überhaupt vorgehabt? Auch darüber wollte sie heute mit ihm sprechen …

„Steven, du bist also doch gekommen und sogar in Begleitung. Das finde ich ganz toll!“

„Sandy, das ist Linden. Sie kommt aus Perth. Linden, dies ist unsere Gastgeberin Sandy Cochran.“

Sandy umarmte Steven temperamentvoll und küsste ihn stürmisch. Sie hatte leuchtend rotes Haar, und ihre grünen Augen blitzten vor Freude. Ihre Begeisterung über Stevens Kommen war groß, und so fiel es gar nicht auf, dass er Linden ohne Familiennamen vorgestellt hatte.

Linden zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Sandra.“

Cousin und Cousine tauschten in aller Eile ein paar Familienneuigkeiten aus. Dabei entging Linden nicht, dass Sandra sie immer wieder neugierig betrachtete. Schließlich machte Steven der Unterhaltung ein Ende.

„Geh ruhig zurück zu den anderen Gästen, Sandy. Ich kümmere mich um Linden.“ Dabei legte er wie selbstverständlich den Arm um sie.

Sandra lachte. „Du scheinst diese Aufgabe sehr gern zu übernehmen.“

„Und ob!“ Er lächelte und begann, mit Lindens Haar zu spielen. Es war eine kleine Geste, und doch zuckte Linden zusammen. Die zarte Berührung ließ sie erschauern, und irritiert sah sie zu ihm auf. Erst dann begriff sie, dass er wegen Sandra diese Komödie spielte. Zu ärgerlich, dass sie trotzdem ein auffälliges Zittern nicht unterdrücken konnte.

Rasch löste sie sich von ihm, um sich ein paar Bilder anzusehen. Sie hatte ihr Ziel erreicht und war an Stevens Arm in die Villa gelangt. Nun musste das Spiel ein Ende haben. Sie hatte eine andere Aufgabe.

„Wie geht es dem Geburtstagskind?“, fragte sie Sandy und gab sich keine Mühe, ihren Groll auf Greg zu verbergen.

Sandras Lächeln gefror. „Sie kennen Greg?“

„Ich habe Linden von ihm erzählt.“ Steven stand urplötzlich wieder neben ihr und antwortete, bevor sie etwas sagen konnte. „Wir haben ihm ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht“, fuhr er fort, und Linden sah, wie er die Glückwunschkarte in der Hand behielt, während er das Päckchen an Sandy weitergab.

Sandy lächelte wieder strahlend. „Noch ein Geschenk! Ihr verwöhnt ihn. Ich lege es auf seinen Geburtstagstisch zu den anderen Päckchen. Und nun fühlt euch ganz wie zu Hause.“

Sie ging davon, und Linden drehte sich wütend um. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das Geschenk gemeinsam gekauft haben“, sagte sie. „Außerdem haben Sie die Karte entfernt. Es ist mir nicht entgangen. Warum haben Sie das getan? Was haben Sie vor?“

Steven ignorierte ihren Ärger. „Vergessen Sie nicht, dass Sie mit mir hier sind.“

„Wir haben gemeinsam das Haus betreten. Das ist alles!“

„Sie sind zu optimistisch. Sie sind hier, weil ich Sie mitgenommen habe. Daran sollten Sie denken, bevor Sie etwas Dummes tun oder sagen. Sie wären schneller wieder draußen, als Ihnen lieb sein könnte.“

Linden riss sich zusammen. „Sie drohen mir also?“

Steven zuckte die Schultern. „Sie haben die Wahl. Benehmen Sie sich wie meine Begleiterin, und Sie haben keine Probleme.“

Was blieb ihr anderes übrig? Sie wollte Greg unbedingt sprechen. Ihr dämmerte, dass das gar nicht so einfach sein würde. Greg war ein schwerreicher Mann, und diese Tatsache trennte ihn von den meisten Menschen. Sie dachte an den Koloss von Bodyguard, der vor der Villa Wache schob. Resigniert ergab sie sich in ihr Schicksal. „Okay, Sie haben gewonnen.“

Er nickte grimmig. „Das tue ich meistens.“

„Aber nur so lange, bis ich mit Greg gesprochen habe.“

„Sie werden sich gedulden müssen. Die halbe Provinz ist heute hier zu Gast.“

Die Reichen und die Schönen, dachte Linden, als sie langsam durch die Räume schritten.

Sie hatte sich für die Party in Schale geworfen und dafür ein Wochengehalt investiert. Sie trug ein modisches, kniefreies weißes Kleid mit großem Ausschnitt, das ihre zierliche Figur sehr vorteilhaft zur Geltung brachte. Dennoch fühlte sie sich nicht elegant genug, als sie die anderen Frauen betrachtete. Die meisten trugen Modellkleider mit edlem Schmuck. Zum ersten Mal wurde sie wirklich unsicher. Vielleicht hatte Greg sie nicht eingeladen, weil sie nicht in diese Kreise passte.

Steven schien gut bekannt zu sein. Immer wieder blieb er stehen, stellte Linden vor, ohne seinen festen Griff zu lockern. Sie spielte mit, so gut sie konnte, und zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. Schließlich zogen sie sich in eine ruhige Ecke zurück, um ein Glas Champagner zu trinken.

„Müssen Sie unbedingt eine solche Schau abziehen?“, fragte Linden und genoss das kühle, prickelnde Getränk. „Sie machen mich mit Hinz und Kunz bekannt. Was werden Sie denen sagen, wenn ich plötzlich wieder aus Ihrem Leben verschwunden bin?“

„Ich pflege niemals Erklärungen abzugeben, was mein Privatleben betrifft. Und zudem sind Sie ja noch da.“

Linden stellte ihr Glas ab. „Aber nicht mehr lange. Ich verschwinde, sobald ich mit Greg gesprochen habe.“

„Sie glauben immer noch, dass Sie Erfolg haben werden, nicht wahr? Wenn er Sie ernsthaft sehen wollte, dann wäre er doch schon längst gekommen.“

Insgeheim musste sie ihm recht geben. Schon seit dem letzten, kurzen Telefonat mit Greg quälten sie die Zweifel. Natürlich behielt sie ihre Bedenken für sich. Steven Dare war nicht der Mann, bei dem sie sich ausweinen würde. „Greg ist ein viel beschäftigter Mann. Vielleicht hatte er noch keine Zeit“, sagte sie.

„Jeder Mann hat Zeit für eine schöne Frau“, erwiderte Steven mit seidenweicher Stimme.

„Dann bin ich also Ihrer Meinung nach für Greg nicht schön genug.“

„Im Gegenteil, ich finde Sie sehr schön, und jeder Mann wird mir zustimmen.“ Er fuhr mit dem Zeigefinger über ihre Wange.

Linden zuckte zusammen. „Lassen Sie das. Man sieht uns.“

„Gönnen Sie den Leuten ihren Spaß“, sagte Steven und machte weiter, als ob sie allein wären.

Linden war wie gelähmt. Was ging hier vor? Sie war gekommen, um Greg zu sehen, und plötzlich war sie Steven ausgeliefert. Er hatte den Arm um sie gelegt und stand so dicht vor ihr, dass sein Körper ihren berührte.

Linden spürte, wie er sich an ihre Brust presste, und eine Mischung aus Panik und Erregung erfüllte sie. Instinktiv versuchte sie, ihn von sich wegzuschieben, aber stattdessen rückte er noch näher.

Ihre Aufregung wuchs. Was geschah nur mit ihr? Ihr Herz pochte wild, und sie atmete hörbar. Plötzlich war ihr, als ob es nur noch sie beide auf der Welt gäbe. Wie gebannt sah sie Steven an, unfähig sich seiner männlichen Ausstrahlung zu entziehen.

Irgendetwas brachte sie zurück in die Realität. Sie schaute sich um. „Greg kommt“, stieß sie hervor.

„Und?“

„Lassen Sie mich vorbei. Ich muss ihn unbedingt sprechen.“

Es war unglaublich. Steven zog sie fest in die Arme, und ehe Linden reagieren konnte, spürte sie seinen Mund auf ihren Lippen.

Sie war so überrascht, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ihre Gefühle waren ein Chaos, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und alles schien sich wie in einem Wirbel um sie zu drehen. Es hatte keinen Zweck, sich zu wehren, und so hielt sie still, bis es Steven gefiel, sie wieder freizugeben. Er schien es sehr ungern zu tun, aber Greg war schon fast bei ihnen.

Linden war so außer sich, dass sie Steven am liebsten angeschrien hätte. Mit hochroten Wangen und blitzenden Augen dachte sie an die Schimpfnamen, die ihr auf der Zunge lagen und die sie loswerden musste. Aber dazu kam es nicht. Steven legte den Arm um ihre Taille und zog sie fest an sich. Er nickte, als Greg dazukam. „Oh, die Hauptperson des Abends“, bemerkte er.

Greg kniff die Augen zusammen, und Linden hätte schwören können, dass er erleichtert aussah, als er sie in Stevens Armen fand. Dabei hätte er doch empört sein müssen … „Aber nicht überall, wie man sieht“, entgegnete Greg.

Steven gab sich beschämt, aber Linden sah sofort, dass es gespielt war. „Man kann eben nicht immer dabei sein“, sagte er tröstend und warf Linden einen amüsierten Blick zu.

Greg lachte herzlich, als ob Steven einen besonders guten Witz gemacht hätte. Linden griff ein.

„Greg, es ist nicht so, wie du denkst“, begann sie, aber Greg schüttelte den Kopf.

„Was ich denke, spielt wirklich keine Rolle, Linden. Ich freue mich, dass du den weiten Weg hierher nicht nur meinetwegen, einem alten Geschäftsfreund zuliebe, gemacht hast. Ich wünsche dir noch einen wunderschönen Aufenthalt in Kimberley.“

Einem alten Geschäftsfreund? Linden schluckte. Greg hatte gelogen, ohne rot zu werden. Das einzig Geschäftliche an ihrer Freundschaft war der Ort der Begegnung gewesen. Was danach geschehen war, war eine rein private Angelegenheit gewesen.

„Sie sind ein stilles Wasser, Dare“, bemerkte Greg. „Wie lange geht das schon?“

Linden überließ Steven die Antwort. Auf diese Weise würde er sich am schnellsten verraten. Aber sie hatte sich wieder einmal getäuscht. „Ich wollte Lin erobern, nachdem ich sie zum ersten Mal gesehen hatte“, konterte Steven mühelos.

„Also kennen Sie sich schon eine ganze Weile?“

„Wir haben uns gerade …“

„Ja, gerade haben wir uns eingestanden, was wirklich los ist.“ Steven hatte Linden einfach unterbrochen und den Satz in seinem Sinne vollendet. Sie hätte ihn umbringen können. Ein unbändiger Hass ergriff sie. Greg hätte nur ihren wütenden Gesichtsausdruck sehen müssen, und er hätte die Lüge entlarvt. Stattdessen akzeptierte er Stevens Erklärung. Und wieder sah Linden, wie erleichtert er schien.

Er drückte zerstreut Lindens Arm. „Amüsier dich gut“, sagte er. Dann war er schon in der Menge verschwunden.

Sie wollte sich von Stevens Arm losmachen, aber er hielt sie fest. „Sie gehen nirgendwohin“, befahl er.

„Lassen Sie mich los, oder ich …“

„Was? Sie wollen schreien oder nach Hilfe rufen? Nachdem jeder gesehen hat, wie hingebungsvoll Sie in meinen Armen dahingeschmolzen sind? Niemand würde Ihnen glauben.“

„Das haben Sie absichtlich inszeniert. Sie wollten Greg glauben machen, dass wir ein Liebespaar sind.“ Linden fröstelte bei der Vorstellung. „Lügen haben Sie ihm aufgetischt und ihm zu verstehen gegeben, dass wir uns schon länger kennen. Dabei haben Sie mich vor einer knappen Stunde zum ersten Mal gesehen!“

„Sie irren sich. Ich war in Perth während der letzten Monate. Geschäftlich. Ich habe Augen und Ohren offen gehalten und gesehen, was ich sehen wollte. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass Sie ausgerechnet heute hier persönlich auftauchen würden.“

Linden war schwindelig. Was hatten Greg und sie getan, dass er sie so verachtete? Greg war ein paar Nächte lang bei ihr im Schlafzentrum gewesen, um ihr bei der Arbeit zuzusehen, aber davon konnte Steven nichts wissen. Sie hatten sich kaum geküsst, bis auf jenen Abend, als Greg sie auf die Yacht zum Wochenende einlud.

Okay, ihre Treffpunkte waren meist etwas abseits der üblichen Szene gewesen, weil Greg Angst vor Klatschreportern hatte. Sie hatte seine Gründe sehr gut verstanden und ihn unterstützt. Einmal waren sie in einem kleinen französischen Restaurant gewesen, als Greg einen Reporter erkannte. Rasch hatte er ihr Geld für die Rechnung in die Hand gedrückt und sich so unauffällig wie möglich davongemacht. Sie war später nachgekommen, und beide hatten furchtbar gelacht und sich wie Kinder nach einem gelungenen Streich gefühlt.

Ob Steven sie bei diesen Eskapaden gesehen hatte und ihnen schlechtes Benehmen in der Öffentlichkeit nachtrug? Wenn es so war, dann war es sein Problem. Sie jedenfalls hatte keinen Grund, sich zu schämen. „Ich glaube nicht, dass mein Privatleben Sie etwas angeht“, erwiderte sie trotzig.

„Wie viel?“, erkundigte sich Steven. Er machte eine entschlossene Miene.

„Was meinen Sie?“

„Was immer Greg Ihnen für Ihre Dienste gezahlt hat, ich zahle das Doppelte.“

Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Linden den Inhalt der Botschaft begriff. Aber dann reagierte sie impulsiv. Sie hob die Hand und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Sekunden später erschrak sie. So etwas hatte sie noch nie getan. Sie hatte ihre Beherrschung verloren und Steven Dare geschlagen.

Stevens Gesicht war völlig ausdruckslos. Er rührte sich nicht. Seine Beherrschung war perfekt.

Linden riss sich aus ihrer Starre, hob den Kopf und ging davon. Jetzt musste sie unbedingt allein sein. Zum Glück wusste sie, wo die Gästetoiletten waren. Steven sah ihr nach, und Linden spürte seine bohrenden Blicke wie Messerstiche im Rücken.

2. KAPITEL

Linden lehnte sich erschöpft an die kühle Marmorwand. Steven Dare hielt sie also für eine Frau, die sich von Greg Hamil hatte aushalten lassen. Er glaubte, Greg habe für ihre Gesellschaft mit barer Münze bezahlt. Es war nicht zu fassen … Wie konnte Steven nur so etwas annehmen?

Plötzlich erinnerte sie sich an Momente, in denen Greg ihr Geld gegeben hatte, damit sie Rechnungen bezahlen konnte, während er im Hintergrund blieb. Einmal waren sie bei einem Immobilienhändler gewesen, von dem Greg ein Apartment gekauft hatte. Sie hatte in seinem Auftrag die finanzielle Seite geregelt, weil er nicht in Erscheinung treten wollte. Dinge dieser Art musste Steven Dare beobachtet und er musste falsche Schlüsse daraus gezogen haben.

Die Tür wurde geöffnet, und Linden griff rasch nach ihrer Puderdose. Sandy Cochran stellte sich neben sie und ordnete ihr Haar. „Gefällt Ihnen die Party?“, fragte sie höflich.

„Ja, danke.“ Linden konzentrierte sich auf ihr Make-up.

„Ich bin sehr froh, dass Sie Steven begleitet haben“, fuhr Sandy fort, „er scheint total verliebt zu sein. Jedenfalls haben Sie ihn erobert.“

Linden zog die Lippen nach. „Sie übertreiben, Sandra.“

„Bestimmt nicht. Ich kenne Steven doch! Er ist für mich mehr ein Bruder als ein Cousin. Als ich elf Jahre alt war, starben meine Eltern, und ich kam zu meinen Verwandten. Steven und ich sind viele Jahre zusammen aufgewachsen. Ich habe immer gehofft, dass er eines Tages eine Frau trifft, die ihn von seinen ewigen Expeditionen kuriert! Er ist schon viel zu lange allein.“ Sandy lächelte verschwörerisch und verschwand wieder.

Linden sah ihr nach. Expeditionen? Dann war er tatsächlich der bekannte Steven Dare, Autor vieler Bücher und Produzent von Filmen über das australische Outback? Sie war erstaunt, dass sie ihn nicht wieder erkannt hatte.

Trotzdem, sagte Linden sich selbstbewusst, hat er kein Recht, mich zu beleidigen. Sie verließ die Toilette und beschloss, Steven Dare unter allen Umständen zu meiden. Aber sie hatte kein Glück. Er erwartete sie bereits.

Autor

Valerie Parv
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