Ivy und der Kalenderboy

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Erotische Funken sprühen, als Traummann Cade Hardesty für ein sexy Kalenderfoto vor Ivys Kamera posiert. Aber kaum entbrennt tatsächlich die Leidenschaft zwischen ihnen, erklärt Cade plötzlich öffentlich, Ivy sei für ihn nur eine gute Freundin. Spielt er bloß mit ihr?


  • Erscheinungstag 17.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719067
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Cade Alexander Hardesty! Schaff deinen halbnackten Arsch hier raus, sonst komm ich rein und zieh dich eigenhändig aus!“

Cade starrte auf das Outfit zwischen seinen Fingern – sofern man einen roten Satin-String als Outfit bezeichnen wollte. Glaubte Ivy wirklich, dass er das anziehen würde? Er hatte erwartet, dass sie ihn in seiner Feuerwehrmontur fotografierte, vielleicht mit nacktem Oberkörper und offener, tief auf der Hüfte sitzender Schutzhose. Immerhin war der „Kerle mit flammender Leidenschaft“-Kalender eine Institution in Stockton; die besten Feuerwehrmänner der Stadt präsentierten sich dort alljährlich in verschiedenen Stadien der Nacktheit, stets für einen guten Zweck. Diesmal ging der Erlös ans Tierheim, was er von ganzem Herzen befürwortete.

Aber ein String? Wofür hielt sie ihn? Er war doch kein Stripper.

„Halbnackt ist ja wohl untertrieben.“ Er ließ das winzige Teil an einem Schnürchen vom Finger baumeln und hielt es über den Rand des Paravents, hinter dem er sich um- oder besser gesagt ausziehen sollte.

„Ich mein’s todernst, Mr. Dezember, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Rein in das Ding und dann raus.“

Cade stöhnte und streifte die Sneakers von den Füßen.

„Ich zähl bis drei, dann bist du hier. Eins …“

Er zog sich das Shirt über den Kopf. „Zwei …“

Hose und Boxershorts fielen zu Boden.

„Drei!“

So vorsichtig wie möglich zog er den String über. Mist. Der lächerliche Fetzen verdeckte so gut wie nichts. Erfolglos versuchte er, den Stoff möglichst effizient zu verteilen.

„Ähm, Ivy? Es gibt da ein Problem.“

„Klar gibt es das: Ich bin längst bei ‚drei‘ und du versteckst dich noch immer, als müsstest du in dem Aufzug beim Schultheater auftreten.“

Trotz seiner misslichen Lage musste Cade kichern. Ivy hatte ihn schon immer zum Lachen bringen können. Als Kinder hatten sie eine Menge Unsinn angestellt; er, Ivy und sein bester Freund, Ivys Zwillingsbruder Gabe. Im Kindergarten hatten sie sich Buntstifte in die Nasenlöcher gesteckt. Auf der Highschool rauchten sie heimlich hinter der Turnhalle. Und ihrem Erzrivalen im Football hatten sie mal das Maskottchen geklaut: eine störrische Ziege, die sie im Baumhaus der Nelsons verstecken wollten – ohne Erfolg.

Okay, also die letzten zwei Aktionen gingen eigentlich auf Ivys und seine Kappe. Sie war furchtlos, stellte sich jeder Gefahr, solange sie nur mitmachen durfte.

„Also, du Held. Ob du nun fertig bist oder nicht, ich komm jetzt rein.“

„Bin schon fertig, bin fertig!“

Cade atmete einmal tief durch und erinnerte sich zum hundertsten Mal daran, dass er das alles für einen guten Zweck tat. Dann trat er hinter dem Wandschirm hervor.

„Warte, hab noch was vergessen.“ Er sah gerade noch, wie Ivys Apfelpo im Büroraum des Fotostudios verschwand. Dort war sie auch gewesen, als er ankam, und hatte ihm aus dem Kabuff zugerufen, dass er sich umziehen und auf sie warten solle.

Er runzelte die Stirn und sah sich um: Holzboden, kahle Wände, weiße Leinwand, ein paar Fotoleuchten. Im Zentrum stand ein Stativ, auf dem Ivys Kamera thronte, bereit zum Einsatz. Was brauchte sie denn noch? „Was fehlt denn?“

„Der letzte Schliff für dein Kostüm.“

„Ich darf also doch mehr anziehen als dieses Bändergewirr?“

„So würde ich das nicht sagen.“ Sie trat aus der Tür und hielt in der einen Hand eine Weihnachtsmannmütze und in der anderen eine grauweiße Katze. Aber weder Mütze noch Mieze zogen Cades Aufmerksamkeit auf sich. Sondern Ivy selbst.

Heiliger Feueralarm!

Es war zwölf Jahre her, seit Ivy Stockton verlassen hatte, und der letzte ihrer seltenen Besuche lag fast drei Jahre zurück. Die Zeit hatte es definitiv gut mit ihr gemeint.

„Was hast du denn für Klamotten an?“ Sein Herz schlug ein wenig schneller, als er sie genauer musterte und die knappen Shorts und das enge Shirt registrierte, das sich an ihre üppigen Kurven schmiegte. Quer über die Brust verliefen die Worte „I Like To Flash People“. Wo waren die schlabbrigen Jeans und übergroßen Sweatshirts geblieben?

„Ich trag jedenfalls mehr als du.“ Sie drückte ihm die Katze in den Arm und setzte ihm die Weihnachtsmannmütze schräg auf den Kopf.

„Ist nicht meine Schuld. Du hast das ausgesucht.“ Er zupfte am hauchdünnen Bund seines Strings, während sich in seiner anderen Hand die Katze wand und ihn mit ihrem weichen Fell kitzelte. Er drückte sie gegen die Schulter und sie schmiegte sich sofort an ihn.

„Eigentlich war es Hanks Idee.“ Ivy zog bei Erwähnung des Fotografen, der normalerweise und schon seit Ewigkeiten die Aufnahmen für den Kalender machte, besorgt die Brauen zusammen. Er hatte sich den Rücken verrenkt, und es war ein Glück, dass Ivy in der Stadt war und einspringen konnte. „Ich setz das nur für ihn um.“

„Die anderen mussten sich nicht wie Stripper anziehen.“

„Die anderen haben auch nicht deinen Body.“ Sie wandte sich ihrer Kamera zu, doch ihm entging nicht, wie sie zuvor einen schnellen Blick auf den quasi nicht existenten String warf. Interessant. Sie hatte in ihm doch immer einen zweiten Bruder gesehen. Oder etwa nicht?

„Ich hab gehört, dass sie dich schon seit Jahren überreden wollen, beim Kalender mitzumachen“, bemerkte Ivy und riss ihn aus seinen Gedanken. „Woher der plötzliche Sinneswandel?“

Cade zuckte die Achseln und stellte sich vor die weiße Leinwand. „Meine Mom fand die Vorstellung nicht so toll, dass mich ihr gesamter Gartenverein nackt an die Küchenwand pinnen kann, aber sie und Dad sind letztes Jahr in Rente gegangen und nach Chapel Hill gezogen, also …“

Ivy kicherte. „Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß?“

„So ungefähr. Und falls sie es rauskriegen sollte, sind die beiden immer noch tausend Meilen weit weg.“ Er war sich allerdings ziemlich sicher, dass seine Mutter ihn auch aus der Ferne mit Verachtung strafen würde.

Ivy blickte durch den Sucher und stellte auf weiß Gott was scharf, dann richtete sie sich auf und stützte die Hände in die Hüften. Die Bewegung betonte ihre ohnehin unübersehbaren Brüste noch zusätzlich. Verboten heiß. War sie schon immer so … wohlbestückt gewesen? Hatte sie das all die Jahre unter den weiten Klamotten verborgen?

Okay, ganz ruhig, Junge. Jetzt bloß nichts riskieren. Sie ist quasi deine Schwester. Allerdings bestand zwischen „quasi“ und „tatsächlich“ ein beträchtlicher Unterschied …

„Also.“ Sie stieß die Luft aus und strich sich einige lose Strähnen ihrer rotbraunen Locken aus der Stirn, die zu einem sexy Knoten gewunden waren. „Dann wollen wir mal.“

Cade streichelte das Kätzchen mit dem Finger. „Wo willst du uns hin haben?“

Ivy wedelte vage durch die Luft. „So ist es für den Anfang schon gut. Ich muss noch die Lichter ausrichten.“

Er trat von einem Fuß auf den anderen, kraulte die Katze und bemühte sich, nicht auf Ivys Knackarsch zu starren. „Wie heißt die Kleine?“

„Bilbo.“

„Da ist wohl einer Tolkien-Fan.“

„Der Tierheimleiter. Braucht ein neues Zuhause.“

„Wer, der Heimleiter?“ Cade grinste.

„Bilbo natürlich.“ Ivy unterbrach kurz ihre Arbeit und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

„Nein, danke. Ich bin mehr so der Hundetyp.“ Er strich Bilbo über das weiche Fell. „Hätte mir das Tierheim nicht einen Rottweiler zuteilen können? Oder von mir aus auch einen Chihuahua?“

„Nichts verkauft sich besser als ein großer, starker Kerl, der ein süßes Kätzchen knuddelt.“ Sie brachte die letzte Leuchte in Position und ging zurück zum Stativ. „Außerdem hat dein Chef den Rottweiler gekriegt.“

„Du findest also, dass ich groß und stark bin?“ Er konnte dem kleinen Flirt nicht widerstehen und spannte seinen Bizeps an.

„Ach bitte.“ Sie rollte die Augen. „Du hast die gesamte weibliche Bevölkerung von Stockton, um dein Ego zu streicheln. Da brauchst du mich nicht auch noch.“

Cade zog Bilbo zurück, der über seine Schulter gekrabbelt war und jetzt auf seinem Nacken herumturnte. „Du meinst Maude von der Imbissbude, die letzte Woche 85 geworden ist? Oder Mrs. Frazier, die Bibliothekarin? Sie kann ‚Bohemian Rhapsody‘ durch ihr Gebiss pfeifen.“

„Gabe hat erzählt, dass du dich im Moment mit der neuen Kassiererin von Gibson’s triffst. Die mit dem geilen …“

„Lächeln?“ Er zog eine Braue hoch. „Haarschnitt? Talent, dreistellige Summen im Kopf zu addieren?“

„Genau die.“ Sie ging auf einen Tisch hinten im Studio zu. „Setz Bilbo mal kurz ab und stell dich breitbeinig hin, Arme weg vom Körper.“

Er setzte den Kater auf den Boden und kreuzte die Arme vor der Brust. „Wozu?“

Sie schnappte sich eine Sprühflasche mit klarer Flüssigkeit und setzte ein harmloses Gesicht auf. Es schien fast, als wolle sie ihn durch ihr unschuldiges Verhalten in Sicherheit wiegen, wie eine Löwin, die sich an ihre Beute pirscht. War das irgendein komisches Körperöl? Sie würde doch nicht …

„Wozu wohl? Damit ich das hier auf dir verteilen kann. Jetzt mach schon.“

Mist.

Ivy Nelson bemühte sich um ein cooles, professionelles Auftreten, als sie sich Cade näherte. Die Flasche mit der Wasser-Glyzerin-Mischung hielt sie auf ihn gerichtet wie eine tödliche Waffe. Und es war gar nicht so einfach, unbeteiligt zu wirken. Cade Hardesty war in all seiner prachtvollen Nacktheit noch heißer, als sie es sich ausgemalt hatte. Und sie hatte es sich wirklich oft ausgemalt.

Sie blieb vor ihm stehen, und ihre Beine verwandelten sich in Wackelpudding. Sie ließ die Sprühflasche sinken und schluckte. Mit der freien Hand zog sie den Saum ihres Shirts ein wenig tiefer, um den Streifen blasser Haut über ihrer Shorts zu verdecken.

Schluss damit. Du hast zwar nicht Größe 34, vielleicht nicht mal 38, aber du bist nicht mehr Schlabber-Jabba mit den Zeltklamotten.

Sie umfasste die Flasche fester, sodass das Plastik in ihrer Hand knackte, und sprach sich Mut zu. Sie hatte unzählige sexy Models fotografiert, sowohl Frauen als auch Männer. Sie hatte die heißesten Körper der Branche in Pose gebracht. Cade war überhaupt nichts Besonderes für sie.

Doch das stimmte nicht. Er war ihre erste Liebe, der Junge, von dem sie in ihrem Tagebuch geschwärmt hatte, und das obwohl er in ihr immer nur die nervige Schwester seines besten Freundes gesehen hatte; jederzeit für eine Mutprobe zu haben und für einen Witz auf ihre Kosten gut.

„Packen wir’s an oder nicht?“ Dieser Junge war jetzt ein Mann, und was für einer – die Arme über der breiten, gebräunten Brust gekreuzt, schien er nur aus harten Konturen und wohlgeformten Muskeln zu bestehen. Der viele Sport in der Highschool und auf dem College und die anschließende Karriere bei der Feuerwehr hatten seinen Körper zu maskuliner Perfektion gestählt: mächtiger Bizeps, Waschbrettbauch, prächtige Schenkel und feste, muskulöse Waden. Sogar seine nackten Füße sahen sexy aus. Ganz zu schweigen von dem Teil seines Körpers, den der String wirklich kaum verdecken konnte …

Gänsehaut kroch Ivy über Arme und Nacken.

Verdammt, das packen wir jetzt so was von an.

„Erde an Ivy.“ Cade strich sich eine Strähne seines honigblonden Haars aus der Stirn, und sie sah in seine tiefblauen Augen mit den unwahrscheinlich langen Wimpern. Jede Frau hätte ihn um diese Augen beneidet; bei einem Mann waren sie einfach verboten sexy. „Ich frier mir hier den Hintern ab.“

Sie reckte den Hals, um einen Blick auf seine Rückseite zu riskieren. Nein, sein absolut göttlicher Hintern war eindeutig noch an Ort und Stelle.

„Ich dreh die Klimaanlage runter.“ Ihr vorgetäuschtes Selbstbewusstsein spielte endlich wieder mit, und sie wand sich an ihm vorbei und schaltete die Lüftung aus.

Toll. Ihr war schon jetzt unfassbar heiß. Ohne Kühlung würde sie bald schmelzen.

Warum musste Hank sich auch den Rücken verknacksen? Und warum hatte sie eingewilligt, ihn zu vertreten? Sie war nicht mal seit einer Woche zu Hause. Sie sollte sich nach dem Herzinfarkt ihres Vaters um die Familie kümmern und nicht mit spärlich bekleideten Feuerwehrmännern turteln.

Egal, nach diesem Shooting war die Sache gegessen. Sie würde die restliche Zeit ihres Aufenthalts in der Gärtnerei ihrer Eltern verbringen und aufpassen, dass ihr Dad seine Medikamente nahm und auf seine Cholesterinwerte achtete. Es blieb also gar keine Zeit, ihren besten Freund aus Kindheitstagen anzuschmachten.

„So besser?“ Ivy wandte sich ihrem Modell zu, das schon wieder Bilbo im Arm hielt. Das laute Schnurren des Katers hallte im nahezu leeren Studio wider, während Cade dem Tier in kreisenden Bewegungen über den Bauch strich.

Yes. Das Beste hatten sie sich eindeutig für den Schluss aufgehoben.

„Sorry.“ Cade lächelte verlegen, und Ivys Herz machte einen Satz. „Der kleine Kerl war etwas einsam.“

„Willst du ihn wirklich nicht aufnehmen?“

„Geht nicht. Wie gesagt: Hundetyp.“

Sie betrachtete den Kater, der mit dem Bauch zur Decke in Cades Armen lag; ein Abbild kätzischer Glückseligkeit mit zurückgelegtem Köpfchen und geschlossenen Augen. „Ich glaube, Bilbo sieht das anders.“

„Der findet doch in null Komma nichts ein neues Zuhause. Vermutlich bei einer netten Familie mit Kindern, die ihn mit Liebe überschütten.“

Da hatte er vermutlich recht. Welpen und Kätzchen schienen sich im Tierheim in Luft aufzulösen, kaum dass sie abgegeben wurden. Bei ausgewachsenen Tieren war es deutlich schwieriger, einen neuen Besitzer zu finden. Sie hätte selbst eines aufgenommen, wenn sie nicht so viel unterwegs wäre. Aber Cade …

„Wie wär’s mit einem älteren Tier? Im Tierheim gibt’s viele, die lassen sich nicht so leicht vermitteln.“

„Vielleicht später. Im Moment hab ich zu viel zu tun auf der Arbeit und mit … anderen Dingen.“

„Zum Beispiel mit der Kassiererin bei Gibson’s?“ Sie biss sich auf die Lippen. Sie hatte kein Recht, eifersüchtig zu sein. Cade war Single, gerade mal dreißig und überdurchschnittlich attraktiv. Er konnte treffen, wen er wollte.

Leider wollte er nicht sie treffen. Nun ja, qué será, será. Viele Mütter hatten schöne Söhne und dieser ganze Humbug.

„Was ist das hier? Ein Fotoshooting oder die spanische Inquisition?“ Das Grinsen, das sich auf sein Gesicht stahl, nahm seinem Kommentar die Spitze. „Ich dachte, Gabe ist der Meister im Kreuzverhör.“

„Ach was.“ Sie ging wieder zum Stativ und tätschelte ihre Nikon D3. „Er ist zwar Anwalt, aber durch diese Linse kann ich mindestens so viel ans Licht bringen wie er im Gerichtssaal.“

„Dann lass uns mal loslegen.“ Er wies mit dem Kopf auf die Flasche in ihrer Hand. „Benutzt du dieses Zeug jetzt, oder nicht?“

Sie trat zurück und musterte ihn so objektiv wie möglich, setzte die rosarote Schulmädchenbrille ab und versuchte, ihn als die preisgekrönte Fotografin zu beurteilen, die sie war. Sie legte sich nachdenklich einen Finger an die Wange und nickte, als sie sah, wie das Licht über seinen wohlgeformten Brustkorb und die goldenen Härchen spielte, die sich bis zum Bauchnabel kräuselten.

„Nö.“ Sie stellte die Sprühflasche ab, nahm die Kamera vom Stativ und steckte sich den Objektivdeckel in die Gesäßtasche. Cade war ein handfester, scharfer amerikanischer Prachtkerl. Der Traum einer jeden Frau. Er hatte künstlichen Firlefanz und die Tricks der Fotobranche nicht nötig. Er sah auch so perfekt aus. Dieses Shooting musste anders sein, gewagt … echt.

„Dreh dich um.“

„Was?“

„Du hast mich schon verstanden. Dreh dich um. Und setz dir Bilbo auf die Schulter.“

Er drehte sich mit dem Gesicht zur Leinwand und hob die Katze auf seine linke Schulter. „Suchst du meine Schokoladenseite?“

„Kann man so sagen.“ Sie schaltete die Nikon ein und blickte durch den Sucher. „Gut, jetzt schau Bilbo an.“

Cade drehte umständlich den Kopf und starrte das Kätzchen an.

„Entspann dich.“ Ivy ließ die Kamera sinken. „Streichle ihn. Rede mit ihm.“

Er kraulte den Kater zwischen den Ohren. „Was soll ich denn sagen?“

„Völlig egal.“ Sie hob erneut die Nikon und ermahnte sich, jetzt voll und ganz auf die Interaktion zwischen Mann und Katze zu achten und nicht auf Cades stahlharte Pobacken in diesem obszönen String. „Sag ihm, wie süß er ist. Erzähl ihm von deiner letzten Heldentat. Sing ein Kinderlied. Habt einfach Spaß.“

„Hast du das gehört, mein Kleiner?“ Er strich dem Kater über den Rücken. „Wir zwei sollen Spaß haben.“

Bilbos lautes Schnurren nahm noch zu und seine rosarote Zunge schnellte hervor und fuhr über Cades sexy Bartstoppeln. Cade warf den Kopf in den Nacken, lachte und schenkte der Kamera ein unwahrscheinlich strahlendes Lächeln, das sein ohnehin schon anziehendes Gesicht noch schöner machte.

„Super, so ist es perfekt!“ Ivy schoss ein Bild nach dem anderen; sie umkreiste Cade, um jeden Winkel auszutesten. „Mach nur weiter. Dieser Blick wird sich verkaufen wie warme Semmeln.“

Die ganze nächste Stunde ließ sie ihn posieren. Stehend, sitzend, zurückgelehnt auf einem alten Sofa. Das hieß, dass sie seine festen sexy Muskeln ständig berühren musste, um ihn in die richtige Position zu bringen. Die Hitze schoss jedes Mal wie Flammen durch ihre Handflächen, wenn sie seine Arme oder Beine zurechtrückte.

Ganz normaler Arbeitsalltag eben.

Genau. Warum hatte dann keines der professionellen Models, die sie über die Jahre fotografiert hatte – Männer, mindestens so muskulös und männlich wie Cade –, ihr Herz derart zum Flattern gebracht, ihr den Atem geraubt und die Finger bei jeder Berührung kribbeln lassen?

Zum Glück – oder Unglück – entspannte Cade sich im Laufe des Shootings, sodass immer weniger Berührungen notwendig waren. Er war ein Naturtalent, besser als einige der Models, mit denen sie gearbeitet hatte. Und Bilbo zog eine oscarreife Show ab, als sei er für die Kamera geboren.

Sie waren das perfekte Paar. Die Frauen würden durchdrehen bei ihrem Anblick.

Bei seinem Anblick.

Ivy drückte den Objektivdeckel mit mehr Kraft als nötig auf die Linse und versuchte, die kleinen missgünstigen Stiche nicht zu beachten, die ihren Magen durchzuckten und sich in ihr Herz bohrten.

„Okay.“ Sie setzte die Kamera wieder auf das Stativ und streckte die Hand nach der Katze aus. „Ich glaube, das Ding ist im Kasten. Und Bilbo muss zurück ins Tierheim, bevor es zumacht.“

„Ich kann ihn vorbeibringen.“ Cade stand da und gab das zappelnde Tierchen nicht aus der Hand. „Liegt auf dem Weg.“

„Auf welchem Weg? Die Feuerwehr ist doch in die andere Richtung.“

„Ich bin heute nicht im Dienst. Hab ein Date.“

„Das Mädel von Gibson’s mit den fantastischen … Mathefähigkeiten?“

Er zog sich die Weihnachtsmütze vom Kopf und drückte sie in gespieltem Entsetzen an die Brust. „Ein Gentleman genießt und schweigt.“

„Seit wann bist du ein Gentleman?“ Sie nahm ihm die Katze ab und schubste ihn auf die Trennwand zu. „Los, zieh dich an. Ich setze Bilbo in seine Transportbox, dann kannst du ihn wegbringen und bist im Handumdrehen bei deinem Date.“

Und sie konnte zurück zu ihrem Dad und zur Gärtnerei und das größte Geschenk an die weibliche Welt wieder aus ihren Gedanken verbannen.

Als ob.

2. KAPITEL

„Sie ist wunderschön, Hols.“ Ivy sah auf ihre kleine Nichte hinab. „Ein perfekter kleiner Engel.“

„Klar, jetzt wo sie schläft.“ Holly ließ sich in ihren Gartenstuhl fallen. „Es ist total unfair: Ich wiege sie stundenlang ohne Erfolg, und du nimmst sie, und nach zwei Sekunden ist sie weg.“

Ivy betrachtete die dunklen Ringe unter den Augen ihrer Schwester. Jede andere Frau an Hollys Stelle – erfolgreiche Dramatikerin am Broadway, verheiratet mit einem Filmstar – hätte die Planung für die Taufe ihrer Tochter aus der Hand gegeben. Aber Holly hatte im kleinen Kreis gefeiert und alles selbst organisiert.

„Das ist wohl die geheimnisvolle Macht der Tanten.“ Ivy wickelte die Decke fester um ihre Nichte. Es war zwar Frühling, aber die Abende waren noch empfindlich kühl in Connecticut, selbst hier an der Feuerstelle im Garten.

„Schade, dass du so selten da bist. Von der geheimnisvollen Macht könnte ich manchmal etwas mehr gebrauchen.“

Hollys Mann Nick trat zu ihnen und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn. „Und was ist mit dieser geheimnisvollen Macht?“

„Auch nicht schlecht.“ Holly zog ihn zu sich und küsste ihn ausgiebig.

Ivy versetzte es einen kleinen Stich, sie so zu sehen. Nicht dass sie ihrer Schwester ihr Glück geneidet hätte, aber ein Teil von ihr – der Teil, der sich fragte, wie lange sie noch kreuz und quer durch die Welt reisen wollte – wünschte sich etwas von diesem Glück für sich selbst.

Sie kaschierte ihre Melancholie mit einem halbherzigen kleinen Lachen. „Wollt ihr zwei euch vielleicht ein Zimmer nehmen?“

Nick richtete sich auf und wedelte mit der Hand Richtung Haus. „Wir hätten genug zur Auswahl, wenn die Gäste nicht wären.“

„Apropos: Wir sollten Joy in ihr Bett bringen; es war ein langer Tag für sie, und es ist ganz schön kalt hier draußen.“

Holly wollte aufstehen, doch Nick legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Bleib sitzen, ich nehm sie. Du hast heute schon genug getan.“

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du Dads bescheuerte Namensserie fortgeführt hast“, meinte Ivy und schüttelte den Kopf. Ihr Vater liebte Weihnachten, und solange die Einwohner Stocktons zurückdenken konnten, war er bei der Feiertagsparade der Weihnachtsmann gewesen. Die Namen seiner Kinder spiegelten diese Begeisterung wider: Holly, Ivy, Gabriel und Noelle. Früher hatten sie sich fürchterlich dafür geschämt. Und jetzt hatten Holly und Nick mit Joy noch eins draufgesetzt.

„Wir hatten im Grunde keine Wahl.“ Holly wechselte einen wissenden Blick mit ihrem Mann. „Schließlich habe ich einen Typen geheiratet, der wie der heilige Nikolaus heißt.“

„Und Joy ist an Heiligabend geboren“, ergänzte Nick und nahm Ivy das schlafende Baby ab. Joy regte sich sanft und kuschelte sich dann in die Arme ihres Vaters. Er verschwand mit ihr in der Dämmerung.

„Schade, dass Noelle nicht zum Nachtisch bleiben konnte.“ Ivy schaute über den Rasen zu der kleinen Anlegestelle von Leffert’s Pond. Ein Ruderboot schaukelte auf dem Wasser und kräuselte die Spiegelung des Mondes auf dem ruhigen, schimmernden Teich. Zum zweiten Mal verspürte sie einen Funken Neid. Toller Mann. Tolles Kind. Tolles Haus.

„Find ich auch“, meinte Holly. „Aber sie musste zurück in die Stadt. Hat morgen früh eine Probe.“

„Und Mom hat Dad endlich vor die Tür gekriegt?“

„Ja, ich war überrascht, wie lange er durchgehalten hat. Wir hatten angeboten, die Taufe zu verschieben, aber er wollte partout nichts davon wissen. Sturer Bock.“ Holly zuckte leicht die Schultern und sah zum Himmel auf.

„Oh, fast vergessen: Cade sollte jeden Augenblick hier sein.“

Ivy fuhr unweigerlich zusammen. Sie hatte Cade seit ihrer Session im Studio vor zwei Wochen nicht mehr gesehen. Sie starrte weiter mit unbewegter Miene auf den Teich. „Hast du nicht gesagt, er hat Dienst?“

„Nur bis sieben. Deshalb war er nicht in der Kirche. Aber er wollte heute nach der Arbeit noch kommen.“

Ivy schloss die Augen und versuchte, das Bild von Cade beim Kommen aus dem Kopf zu kriegen. Unter der Dusche, mit zurückgelegtem Kopf, einen Arm gegen die Wand gestützt, während er sich selbst zum Höhepunkt brachte. In ihrem Bett, über ihr, unter ihr, in ihr, bis sie beide kaum mehr konnten, erschöpft, aber glücklich.

Verdammt. Sie hatte geglaubt, ihre Fantasien seien früher schon übermächtig gewesen, aber sein fast nackter Anblick hatte sie geradewegs in einen Ozean der Lust gespült, aus dem sie kaum mehr die Nase recken konnte.

„Alles in Ordnung? Du bist auf einmal so rot.“

Autor

Regina Kyle
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