Jahre der Sehnsucht

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Die wagemutige Hubschrauberpilotin Bliss riskiert viel in ihrem gefährlichen Beruf, aber privat vermeidet sie jegliche Turbulenzen. Erst als sie Logan, mit dem sie zusammen aufgewachsen ist, wieder sieht, weiß Bliss, warum sie sich bisher nie auf eine feste Bindung einließ. Ihr Herz hat nur auf Logan gewartet …


  • Erscheinungstag 07.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756383
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Jack, kommst du herein?“

„Sofort, Schatz.“

Zufrieden lächelnd legte „Black Jack“ Campbell die nackten Füße auf die Balkonbrüstung seiner Luxusvilla in Acapulco und schaltete sein Handy aus. Tief unter ihm schimmerte der Pazifik im Schein der untergehenden Sonne, während sich hinter ihm im Haus eine schöne Frau für den Abend zurecht machte und dabei ein altes spanisches Liebeslied summte.

Jack strich sich über den grauen Schnurrbart und zog an der Zigarette. Mit seinen fünfundsechzig Jahren genoss der Ölmagnat das Leben noch genauso wie vor dreißig Jahren. Er hatte Campbell-Drilling zu einem mächtigen Unternehmen aufgebaut und verdiente es, sich gelegentlich zu verwöhnen.

Natürlich kam jedes Mal, wenn er sich für ein paar Tage im Jahr mit einer reizvollen Frau zurückzog, irgendeine Krise dazwischen – so auch jetzt.

Kinder! Jack schüttelte den Kopf.

Mittlerweile war sein dichtes schwarzes Haar silbern geworden, doch er hatte sich jedes graue Haar verdient. Wer ihn in Khaki-Shorts mit der gebräunten Brust und der hohen schlanken Gestalt sah, traute ihm noch so manche Eroberung zu.

Allerdings hatte es ihn viel Kraft gekostet, die Zwillinge und seine Pflegetochter großzuziehen. Er war stolz auf seine beiden Söhne und das Mädchen. In ihren Berufen waren sie sehr tüchtig, doch ihr Privatleben bereitete ihm Sorgen.

Jack schnippte die Zigarette über die Brüstung. Bei den Jungen war es einfach gewesen. Logan und Russ hatten nur manchmal eine strenge Hand gebraucht. Natürlich hatte er bei Logan nicht mehr viel bewirkt, weil der Junge seit der Scheidung bei seiner Mutter lebte. Logan, der Goldjunge der High Society. Als Anwalt hatte er vor Gericht mehr als einmal bewiesen, was er konnte. Ja, bei ihm war alles gut gelaufen.

Mit Töchtern war das eine ganz andere Sache. Ziemlich oft war Jack von seiner Pflegetochter völlig überrascht worden, aber diesmal …

Er lächelte. Diesmal sollte es anders laufen. Bliss brauchte nur einen Anstoß, und dann musste man eben abwarten, was dabei herauskam.

„Jack?“ Die Stimme klang sinnlich. „Wenn du jetzt nicht duschst, kommen wir zu spät.“

Er stand auf und trat zu der attraktiven Dunkelhaarigen in dem dünnen weißen Negligee. „Liebling“, sagte er heiser, „ich glaube, wir kommen auf jeden Fall zu spät.“

Ihre dunklen Augen leuchteten einladend.

1. KAPITEL

„Hast du nicht gehört, Logan? Ich finde, wir sollten heiraten.“

Logan Campbell betrachtete amüsiert die Frau an seinem Arm. „Aber, Cammela! Dann müsste ich dir ja mehr Beachtung schenken.“

Die Blondine schmollte. „Du bist ein Scheusal!“

„Wäre ich keines, würdest du dich nicht für mich interessieren.“

Cammela Chastan warf ihm einen scharfen Blick zu, beherrschte sich jedoch. „Es muss lästig sein, immer recht zu haben“, bemerkte sie lachend. Die Smaragde an Ohrläppchen und Hals funkelten mit ihren Augen um die Wette.

Logan betrachtete die vornehmen Gäste, die sich im Gaspard House in der historischen St. Charles Avenue von New Orleans eingefunden hatten und sich in den weitläufigen Räumen und dem gepflegten Park aufhielten. Jedes Jahr im September wurde die Spendengala seiner Mutter für die New Orleans Symphonie ein rauschender Erfolg. Valerie Gaspard Campbell war nach wie vor die Königin der Gesellschaft im „Big Easy“, und Logan hatte sich daran gewöhnt, dass wegen eines guten Zweckes die häusliche Ruhe gestört wurde.

Lästig dagegen war Cammelas zunehmend besitzergreifende Art. Es war höchste Zeit, diese Beziehung wie alle anderen in den fünfunddreißig Jahren seines Lebens zu beenden. Daran änderte auch nichts, dass Freunde und Angehörige fanden, sie beide wären ein perfektes Paar. Perfektion langweilte Logan, und Gefühle spielten für ihn keine Rolle. Viele Frauen hätten sogar geschworen, dass er gar kein Herz besaß.

Es sollte ihm nicht schwerfallen, mit Cammela ganz zivilisiert Schluss zu machen. Schließlich war er von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen, und sie hatte gewusst, dass er kein Mann für die Ehe war. Wieso glaubten Frauen eigentlich immer, einen Mann bekehren zu können, bloß weil sie sich selbst nach einem Nest sehnten? Natürlich war es Cammela nur darum gegangen, dass Logan ihr ein goldenes Nest bieten konnte. Insofern brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben.

Er nahm zwei Sektkelche vom Tablett eines Kellners und reichte einen seiner Begleiterin. „Es hat auch Vorteile, wenn man recht hat“, bemerkte er lächelnd.

„Zum Beispiel ein Vergleich über eins Komma zwei Millionen Dollar mit Merchant Petroleum?“, fragte eine vertraute Stimme hinter ihm.

Ein Mann mit dunkler Haut, dunklem Haar und dunklen Augen, ein typischer Nachfahre der Kreolen von Louisiana, klopfte Logan auf die Schulter. Der maßgeschneiderte Abendanzug passte zwar nicht zu ihm, doch das überspielte er mit Herzlichkeit und Temperament.

„Hallo, Remy“, begrüßte Logan seinen alten Freund Remy Hebert, der eine sehr erfolgreiche PR-Firma besaß.

„Gratuliere! Habe gehört, der Goldjunge hat wieder zugeschlagen.“

„Danke. Ich habe nur meine Arbeit erledigt.“ Den Beinamen „Goldjunge“, der noch aus der Hochblüte seiner Tenniskarriere stammte, hatte Logan nie gemocht. Vielleicht deshalb, weil darin der Spott seines Vaters anklang, der Tennis als Sport für „Weichlinge“ betrachtete.

„Black Jack“ Campbell ließ nur Football gelten und war enttäuscht, dass keiner seiner beiden Söhne sich dafür entschied. Logans Bruder Russ hatte gar keine Zeit für Sport gehabt. Die Brüder waren erst neun gewesen, als Jack und Valerie sich trennten. Danach war Russ mit seinem Vater von einer Ölbohrstelle zur anderen gezogen.

Logan war als Amateursportler ein Champion gewesen und hätte sogar Profi werden können. Wegen Jacks offener Ablehnung hatte er stattdessen Jura gewählt. Doch Jack war auch damit nicht einverstanden gewesen. Letztlich hatte Logan irgendwie sein Leben lang um Anerkennung durch seinen Vater gerungen.

Er schob diese unangenehmen Gedanken beiseite. Schließlich konnte er froh sein, in geordneten Verhältnissen aufgewachsen zu sein. Er hatte die besten Schulen von New Orleans besucht und reiche und mächtige Leute kennen gelernt.

Auf Wunsch der geschiedenen Eltern hatten die Zwillingsbrüder jeweils im Sommer die Plätze getauscht. Ihre Mutter hatte dann vergeblich versucht, Russ etwas zu zähmen. Logan hatte Jacks wildes Leben mitgemacht. Letztlich hatte das alles nicht geklappt. Vielleicht kamen er und Russ deshalb nicht miteinander aus.

Remy strahlte Cammela an. „Du bist heute Abend ganz besonders schön, Cammie. Behandelt dich dieser Ladykiller anständig?“

„Logan behandelt keine Frau gut“, antwortete sie spröde.

Remy betrachtete sie anerkennend. „Vielleicht solltest du dich nach einem Mann umsehen, der dich zu schätzen weiß, ma chère.“

Cammela legte die Hand auf seinen Arm. „Du hast recht. Ich möchte tanzen.“

„Sehr gern.“ Remy wandte sich fragend an ihren Begleiter.

Logan nahm ihr das Glas ab. „Viel Vergnügen.“ Wenn sie mit Widerspruch gerechnet hatte, wurde sie enttäuscht. Ihm war es nur recht, wenn Remy sich für sie interessierte. Morgen wollte er ihr Rosen schicken. Niemand sollte behaupten, er würde eine Beziehung nicht mit Stil beenden.

Logan mischte sich in seiner Eigenschaft als Gastgeber unter die eleganten Gäste, plauderte hier und scherzte dort und verbarg seine wachsende Ungeduld. Die herausragenden Bürger dieser Stadt standen unter dem Kristall-Lüster des ganz in Marmor gehaltenen Foyers, doch sie wirkten auf Logan wie blutleere Karikaturen. Er selbst gehörte zu dieser Gesellschaft und brauchte die Kontakte, die bei solchen Ereignissen geknüpft wurden. Außer Remy waren jedoch nur wenige Leute anwesend, mit denen er gern zusammen war.

Im Moment hätte er sich viel lieber in seinem Büro mit den neuesten Informationen seines Detektivs beschäftigt. Es ging dabei um eine alte Rechnung, die sein Vater beglichen sehen wollte. Wenn Thomas Barnette, Kandidat für den Senat von Texas, glaubte, die Campbells würden den Verlust einfach so hinnehmen, den sie durch seinen Versicherungsbetrug vor zehn Jahren erlitten hatten, hatte er sich geirrt.

Während Logan mit einem älteren Paar plauderte, dessen Vermögen mit dem der Rockefellers mithalten konnte, freute er sich schon darauf, Barnette als Lügner und Betrüger zu entlarven.

„Entschuldigen Sie, Sir“, flüsterte ihm ein livrierter Diener zu.

„Was gibt es, Dalton?“

Der Mann war sichtlich verlegen. „Eine kleine … Auseinandersetzung am Eingang. Wenn Sie sich darum kümmern könnten.“

Logan entschuldigte sich irritiert. Eigentlich hatten sie genug Angestellte, die für solche Vorfälle zuständig waren. Warum wurde er gerufen?

Er wich einigen jungen Frauen aus, die ihn anhimmelten, und eilte zum Portal. Etliche sichtlich verstörte Angestellte drängten sich hier. Langsam wichen die Leute zur Seite, und Logan traf es wie ein Schlag.

Die Frau war fast so groß wie er, und die gebleichte Jeans unterstrich ihre Kurven. Ihr schimmerndes platinblondes Haar reichte ihr bis zur Taille. Aus dem Chambray-Hemd waren die Ärmel herausgerissen worden. Die große silberne Gürtelschnalle und die Ohrringe glitzerten im Licht. An einem Knie klaffte ein Loch in der Jeans, und die Stiefel waren mit roten und grünen Chilischoten verziert.

Von so einem Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und einem üppigen Mund träumten Männer. Am beeindruckendsten war jedoch die Mischung aus Selbstbewusstsein und Provokation, die sie zur Schau trug, und als sie das Haus betrat, als gehörte es ihr, verblasste neben ihr jede andere Frau.

„Von mir aus können Sie der Kaiser von Amerika sein, Charlie“, erklärte sie dem Butler mit einer Stimme, die den härtesten Mann verzaubern konnte. „Ich habe eine Einladung.“

Von Langeweile war keine Rede mehr. Logans Blutdruck schoss in die Höhe, in ihm begann es zu sieden.

Verdammt – Bliss!

Bliss Abernathy hörte gar nicht, was der Butler einwandte, als sie der abweisende Blick aus Logans goldbraunen Augen traf. Spöttisch lächelnd schlenderte sie auf ihn zu. „Es ist schwer, einen Termin bei dir zu bekommen, Herr Anwalt“, sagte sie leise und sinnlich und so sanft, dass es sich geradezu wie das Schnurren einer Katze anhörte.

„Bliss! Was für ein unerwartetes … Vergnügen.“

Lachend strich sie über sein Seidenrevers. „Aalglatt wie eh und je.“

„Aufreizend wie eh und je, vor allem, wenn du ein Fest störst.“ Er schickte den erleichterten Butler weg und ließ den Blick über ihre Aufmachung gleiten. „Besitzt du kein Kleid?“

Sie zuckte bloß mit den Schultern. „Ich dachte, wenn Campbell-Drilling schon so viel springen lässt, spielt es keine Rolle, was ich trage. Ich war schließlich nie der Typ für Perlen und Pailletten, oder?“

„Eher für Ölschlamm und Schlick.“

Bliss lachte schallend. „Sieh an, der Goldjunge hat seine Wurzeln doch nicht vergessen.“ Sie strich ihm spielerisch über die Wange. „Übrigens … schön, dich zu sehen, Amigo.“

Logan hielt ihre Hand fest. Bliss hoffte inständig, dass er nicht merkte, wie es ihr unter die Haut ging, als ihre Blicke sich begegneten. Das wäre schrecklich demütigend gewesen. Doch sie war nicht umsonst zusammen mit harten Männern aufgewachsen. In unzähligen Spelunken und auf Ölfeldern hatte sie gelernt, sich selbst zu schützen. Es kam nur auf Haltung an. Zeigte man die geringste Schwäche, war man verloren.

Bliss hatte nicht die Absicht, Logan Campbell zu zeigen, dass er ihr Schwachpunkt war. Lieber hätte sie Gift geschluckt. Hätte er auch nur geahnt, dass sie verletzlich war, hätte sie bei ihm nichts erreicht. Und sie hatte keine Lust, noch mehr Zeit zu verlieren.

Logan hatte sich in den anderthalb Jahren, seit sie sich nicht gesehen hatten, kaum verändert. Er sah unverschämt gut aus. Die kräftige Nase und das kantige Kinn, eine Gemeinsamkeit mit seinem Bruder, unterstrichen seine maskuline Ausstrahlung. Er war bei weitem nicht so massig wie die Ölarbeiter, mit denen sie sonst zu tun hatte, sondern schlank, und er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers.

Kein Mann sollte in einem Smoking so gut aussehen wie er!

Sie war neun Jahre alt gewesen, als ihr Vater bei einem Unfall auf einem Ölfeld starb. Damals hatte Jack Campbell die verzweifelt schluchzende Tochter seines Partners Chuck Abernathy in die Arme genommen und ihr versprochen, sie nie allein zu lassen. Sie sollte für immer zu seiner Familie gehören, genau wie die damals vierzehnjährigen Zwillinge.

Russ Campbell war schon vor dieser Tragödie wie ein großer Bruder für sie gewesen, ihr Beschützer. Logan dagegen hatte sie stets als Außenseiterin behandelt. Seit sie ihm Juckpulver ins Bett gestreut hatte, waren sie ständig aufeinander losgegangen. Im Lauf der Jahre hatten sich nur die Regeln des Kampfes geändert.

Natürlich war sie nicht begeistert, dass sie den Löwen in seiner Höhle aufsuchen musste, doch es war Jacks Idee gewesen. Sie hatte den Firmenjet nicht von Alamagordo hierher geflogen, um sich von einer eleganten Gesellschaft abschrecken zu lassen.

„Wo ist denn deine Mom?“, fragte sie und entzog ihm ihre Hand. „Ich würde ihr gern hallo sagen. Außerdem habe ich Hunger. Gibt es hier auch was zu futtern?“

Bevor Logan überhaupt zu Wort kam, ging sie schon zum Speisezimmer und genoss es, dass er ihr folgen musste, während sie verstohlene, geschockte Blicke auf sich zog. Sie hielt den Kopf stolz hoch. Schließlich war sie daran gewöhnt, Aufsehen zu erregen.

Sie war oft genug mit Russ und Jack im Gaspard House gewesen, um sich hier auszukennen. Beim ersten Besuch hatte sie dieses historisch bedeutende und elegante Haus für ein Märchenschloss gehalten. Valerie hatte seit dem letzten Mal einige Veränderungen vorgenommen, und Blumenarrangements und Zimmerpalmen dienten eigens für diesen Abend als Schmuck. In erster Linie merkte man allerdings, dass es sich um das Zuhause einer glücklichen Familie handelte. Bliss unterdrückte den unvermeidlich aufkommenden Neid und griff nach einem Teller.

„Bin ich froh, dass deine Mutter Wert auf nahrhaftes Essen legt.“ Sie füllte ihren Teller mit kräftig gewürztem Hühnchen und Wursteintopf. Kerzen flackerten in silbernen Haltern, und eine Eisskulptur zierte den Tisch. „Ich kann diese zickigen und zimperlichen Scarlett O’Haras nicht ausstehen, die kein Steak hinunterbringen, weil es undamenhaft sein könnte. Du vielleicht?“

„Darüber habe ich nie nachgedacht“, erwiderte Logan und reichte ihr eine Serviette.

Bliss ließ den Blick über einige Frauen gleiten, die sich mit feinem Gebäck, kleinen Sandwiches und Champagner begnügten. „Nervtötende Kühe.“

„Deine Ausdrucksweise hat mich schon immer beeindruckt.“

„Ich kann in über zwanzig Sprachen fluchen. Kleine Kostprobe gefällig?“

„Verschone mich oder wenigstens die Gäste meiner Mutter“, warnte Logan.

Lächelnd nahm sie von einem Kellner einen Teller mit Schellfisch entgegen, tauchte einen Bissen in Meerrettichsoße, schob ihn sich in den Mund und schloss verzückt die Augen. „Wie konnte ich dieser Stadt nur so lange fernbleiben?“

Logan beobachtete sie, doch Bliss konnte nicht sagen, ob das Funkeln in seinen Augen Verachtung oder Bewunderung ausdrückte. „Wie ich sehe, scheinst du immer noch eine Frau mit beachtlichem … Appetit zu sein.“

Sie verstand die Anspielung und lächelte sinnlich und herausfordernd. „Das kannst du ganz leicht herausfinden, Amigo.“

„Allmählich reicht …“

„Bliss!“ Eine dunkelhaarige Frau in einem langen grünen Satinkleid eilte durch den Raum und umarmte Bliss. „Lieber Himmel, bist du direkt vom Himmel gefallen?“

„Könnte man sagen.“ Lachend stellte Bliss den Teller weg, drückte Valerie Gaspard Campbell an sich und erwiderte voll Zuneigung die Wangenküsse. „Du siehst toll aus, Val!“

„Und du bist eine geborene Schwindlerin!“

„Nein, ich meine es ernst. Du wirst immer jünger.“

Sogar viele junge Frauen hätten Valerie um die dunklen Augen und die schlanke Figur beneidet. Ihr lebhaftes Wesen und ihre Talente als Gastgeberin täuschten außerdem über einen messerscharfen Verstand und einen klaren Instinkt fürs Geschäft hinweg, mit dem sie jahrelang die weitverzweigten Gaspard Enterprises geleitet hatte. Seit Logan die Zügel übernommen hatte, gab Valerie sich mehr den Genüssen des Lebens hin.

„Sehr nett von dir, das zu sagen“, antwortete Valerie. „Ich habe gerade einen kurzen Urlaub hinter mir.“

„Hat dir gut getan. Hey, ich habe dir was mitgebracht.“ Bliss drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange. „Der ist von Jack.“

Valerie lächelte bei der Erwähnung ihres Exmannes. „Wie geht es dem alten Raubein?“

„Er steht wie immer unter Dampf. Russ und er sind unten in Alamagordo. Vielleicht suchen sie jenseits der Grenze nach Öl.“

„Ach, dieser Jack! Ständig auf der Suche nach dem Gold am Ende des Regenbogens.“

„Meistens findet er es auch, was der Firma Campbell-Drilling gut tut, nicht wahr, Logan?“

„Dad hatte immer Glück“, räumte er ein. „Ich wundere mich nur, dass er auf die Firmenpilotin verzichten kann.“

„Auch ich habe Anspruch auf Freizeit“, entgegnete Bliss.

Mit sechzehn hatte sie den Pilotenschein gemacht und flog seither die Leute von Campbell-Drilling. Mit dreißig hatte sie mehr Flugstunden hinter sich als die meisten Berufspiloten ihres Alters. Und weil Jack und Russ einen Hang zu den gefährlichsten Gegenden der Welt hatten, war sie mehr als einmal haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.

„Da kann ich dir nur recht geben.“ Valerie hakte Bliss unter. Ein beliebtes Tanzorchester der Stadt spielte Melodien aus den vierziger Jahren. Alle lächelten, nur Logan nicht. „Also, Bliss, was führt dich nach New Orleans? Wie lange bleibst du?“

Bliss warf ihm einen abschätzenden Blick zu. „Kommt darauf an.“

„Du wohnst natürlich hier“, erklärte Valerie.

„Ich möchte euch nicht zur Last fallen“, wehrte Bliss ab. „Ich habe mir eine Suite im Royal Orleans genommen. Du weißt schon, wegen des Nachtlebens im Quarter.“

„Kommt überhaupt nicht in Frage. Kein Familienmitglied wohnt in einem Hotel, wenn wir hier jede Menge Zimmer …“

„Mutter, aber wenn es Bliss lieber ist …“, warf Logan ein.

„Ich habe nicht behauptet, dass es mir lieber ist“, fiel Bliss ihm ins Wort, nur um ihm zu widersprechen. Auch das gehörte zu ihrem Spiel, und Bliss fragte sich, ob sie sich damit nicht soeben in die Nesseln gesetzt hatte.

„Dann ist das also geklärt.“

„Mutter, wenn Bliss aber doch …“

Bliss stützte die Hand in Hüfte. „Mach du mir bloß keine Vorschriften, Goldjunge!“

Valerie seufzte. „Es reicht, Kinder. Hört auf zu streiten! Heute ist mein großer Abend. Darum werdet ihr euch gefälligst benehmen.“

Beide warfen einander böse Blicke zu.

Valerie tätschelte Bliss die Hand und sah Logan strafend an. „Also, Bliss, welchem glücklichen Umstand verdanken wir deinen Besuch?“

Bliss holte tief Atem. „Na ja, man könnte sagen, ich feiere meinen Rückzug in den Ruhestand.“

„Was?“, riefen Valerie und Logan gleichzeitig.

Bliss nickte. „Ich steige bei Campbell-Drilling aus.“

Valerie war sichtlich verwirrt. „Aber …“

Logan ließ sich nichts anmerken. „Weiß Dad Bescheid?“

„Natürlich“, antwortete Bliss. „Was meinst du denn, wer mich hergeschickt hat?“

„Er hat dich hergeschickt?“

Sie sprach langsam und deutlich, als hätte sie es mit einem Minderbemittelten zu tun. „Ich ziehe mich aus der Firma zurück, Partner.“

„Aber du …“

„Und ich nehme den Anteil meines Vaters an Campbell-Drilling mit“, fügte sie lächelnd hinzu. „Ich habe nur noch nicht entschieden, ob ich einen Scheck oder Bargeld will.“

Autor

Suzannah Davis
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