Jede Chance werd ich nutzen

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Als der Kripobeamte Truman West sie bittet, ihm zu helfen, ist Katie begeistert. Endlich bewegt sich mal etwas in ihrem langweiligen Leben - Abenteuer pur erwartet sie an Trumans Seite. Mit diesem tollen Mann, für den sie schon als Teenager schwärmte, einen Undercover-Einsatz zu wagen, muss einfach aufregend sein. Katie sieht ihre große Chance, Truman für sich zu erobern, greifbar nahe. Denn Truman und sie werden zwei Nächte zusammen in einem Hotelzimmer verbringen …


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756963
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Katie Prentiss eilte in ihrem knöchellangen seidenen Brautjungfernkleid den prächtigen Weg im Botanischen Garten von Fort Worth entlang. Plötzlich sprang ein Mann sie von hinten aus dem Unterholz an und versuchte, ihr die seidene Handtasche zu entreißen.

Sie begriff sofort, was der Mann mit der Skimaske im Sinn hatte, und wollte nach rechts ausweichen. Dabei stolperte sie über ein Beet mit rosa Geranien. Der Räuber machte einen Satz vorwärts und versperrte ihr den Weg.

Ihr erster Impuls war zu fliehen. Aber sie wollte Mut beweisen wie die Heldin ihrer Lieblingskriminalromane, die unerschrockene Tess Dupree. Tess würde sich niemals ohne Gegenwehr in ihr Schicksal ergeben. Also biss Katie die Zähne zusammen und hielt ihre Handtasche am perlenbestickten Griff mit aller Kraft fest.

„Geben Sie auf“, forderte der Räuber. „Ich möchte Ihnen nicht wehtun müssen.“

„Hilfe!“, schrie Katie. „Hilfe, Raubüberfall!“

Die Handtasche hatte sie fast hundert Dollar gekostet. Keinesfalls wollte sie sich einschüchtern lassen und sie dem Kerl kampflos überlassen. Einen Moment lang kämpften sie verbissen. Der Räuber zog in die eine Richtung, Katie in die andere.

„Lassen Sie los“, verlangte der Mann wütend.

Aber mit dem Widerstand wuchsen auch Katies Kräfte. Verflixt, sie würde den Gangster nicht mit ihrer Tasche entkommen lassen.

Plötzlich ertönte ein Pfiff. Hufschlag folgte, und als Katie sich den Bruchteil einer Sekunde umschaute, sah sie einen Polizisten auf sie zu galoppieren.

„Halt! Polizei.“

Mit einem letzten kräftigen Ruck entwand der Räuber Katie die Tasche und rannte mit der Beute auf das dichte Gebüsch zu. Katie verlor die Balance und fiel rückwärts in ein Blumenbeet.

Auf der Jagd nach dem Dieb sausten Pferd und Reiter an Katie vorbei. Von ihrem Platz am Boden schaute sie interessiert hinterher. Der Dieb erreichte das Dickicht kurz vor dem Reiter und verschwand im Unterholz.

Das dichte Blattwerk zwang den Reiter zur Umkehr. Mühsam rappelte sich Katie vom Boden auf. Zu ihrem Ärger war ihr schönes Kleid vom feuchten Gras und von der Erde verschmutzt.

Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Wieder einmal war sie durch ihre Tendenz, zu spät zu kommen, in Gefahr geraten. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Genau jetzt hätte sie am Amon Carter Park sein sollen, eine halbe Meile weiter die Straße aufwärts. Dort sollte sie eigentlich ihre kleine Schwester Jenny zur Trauung führen. Stattdessen stand sie hier, schmutzig und von Schuldgefühlen geplagt, während die Hochzeitsgesellschaft bestimmt voller Sorge auf sie wartete.

Katie zog eine Grimasse und versuchte, ihr Kleid zu säubern. Wie hatte sie nur so gedankenlos sein können? Bei ihrem Eintreffen waren alle Parkplätze in der Nähe des Parks bereits besetzt gewesen. Wäre sie rechtzeitig gekommen, hätte sie nicht unendlich weit weg parken müssen.

„Anscheinend lernst du es nie, Katie Prentiss“, murmelte sie vor sich hin.

Ihre schlechte Angewohnheit, stets fünf bis zehn Minuten zu spät zu kommen, hielt ihr Vater, der Psychologe, für eine unbewusste Rebellion. Die chronische Verspätung würde als Kraftprobe benutzt, meinte er. Katies Mutter hingegen, die aus einer reichen Familie stammte, fand Katies Verhalten einfach nur ungehörig.

Tess Dupree, Katies Vorbild Nummer eins, wäre stolz auf Katie gewesen. Tess richtete sich niemals nach allgemeingültigen Regeln.

Plötzlich war das Hufeklappern wieder zu hören. Katie hob den Kopf. Ihr stockte der Atem. Die Sonnenstrahlen, die durch die dichten Blätter der Eichen und Nussbäume des Parks drangen, verliehen dem Reiter eine rosige, geradezu mystische Aura. Katie fragte sich, ob der Himmel den geheimnisvollen Reitersmann wohl speziell zu ihrer Rettung auf die Erde geschickt hatte …

Du liebe Güte, dachte sie, dieser Bursche ist ja attraktiver als Tess’ Ehemann Zack. Wenn Tess die perfekte Ehefrau war – tapfer, intelligent und unglaublich schlagfertig –, dann stellte Zack Dupree den perfekten Ehemann dar. Neben seiner Attraktivität und seiner Intelligenz war er umwerfend charmant und liebenswert. Als Detektive bildeten die beiden Romanfiguren Tess und Zack das Supergespann gegen die Kriminalität.

Dieser Cowboy-Polizist, der so lässig auf seinem hohen Hengst saß, erinnerte Katie an Zack.

Sie sah, dass der Reiter mit leeren Händen zurückkehrte. Ihr Mut sank. „Wo ist meine Handtasche?“, fragte sie, als er das Pferd neben ihr zum Stehen brachte.

Er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Ich fürchte, der Gauner konnte entkommen. Er hatte sein Motorrad an der Straße geparkt.“

„Mist!“ Obgleich sie wenig Geld eingesteckt hatte, befanden sich doch Schlüssel samt Führerschein in dieser Handtasche.

Der Cowboy schwang sich vom Pferd und trat näher. Er trug schwarze Jeans und Stiefel. Auf seinem schwarzen Hemd stand vorn und hinten in weißen Großbuchstaben „Polizei“. Die silberne Trillerpfeife um seinen Hals glänzte in der Sonne. Ein Pistolenhalfter quer über der Hüfte war nicht zu übersehen. Unter einem braunen Cowboyhut lugte dichtes, honigfarbenes Haar hervor.

Aus seinen eindringlichen haselnussbraunen Augen sah der Mann Katie an. Sein Blick hielt ihrem stand. Irgendetwas an ihm kam Katie bekannt vor, und auf einmal wurde ihr ganz flau im Magen.

„Sind Sie verletzt?“ Seine Stimme klang professionell, zugleich aber sehr besorgt.

„Nein.“ Katie schüttelte den Kopf. „Ich bin nur wütend auf mich.“

„In diesem Sommer hatten wir eine ganze Reihe von Taschendieben hier im Park. Der Räuber hätte Sie verletzen können. Sie hätten sich nicht wehren dürfen.“

„Ich hasse es, Opfer zu sein.“

„Lieber eine Handtasche verlieren als das Leben. Der Kerl hätte auch zu den brutalen Typen gehören können.“

Als er den Stetson vom Kopf nahm, fiel es Katie wie Schuppen von den Augen. „Truman West?“

„Richtig. Kennen wir uns?“

Er erkannte sie nicht wieder. Seltsam, dass es sie enttäuschte, obwohl es eigentlich keinen Grund gab, sich an das pummelige fünfzehnjährige Mädchen zu erinnern, das damals in der Highschool so hoffnungslos in diesen Mann verliebt war.

Als Klassenvertreter und Meister im Rodeo-Reiten hatte er nie auch nur einen Blick an das wenig attraktive Mädchen aus der Nachbarschaft verloren. Noch heute wagte Katie nicht, daran zu denken.

Sie reichte ihm die Hand. „Ich bin es, Katie Prentiss. Ich wohnte mit meiner Familie neben Ihnen in der Lee Street in Weatherford.“

„Katie?“ Ungläubig schaute er sie an. Plötzlich flog ein Lächeln über sein Gesicht. „Die kleine Katie Prentiss?“

„Ja. Das bin ich.“

„Meine Güte.“ Bewundernd ließ er den Blick über ihren Körper wandern und lächelte. „Sie waren damals so …“

„Fett.“ Katie beendete den Satz für ihn. Sie kannte seine Gedanken. Als Teenager hatte sie fünfunddreißig Pfund Übergewicht, trug Zahnspangen und eine Brille. Niemand hatte sie ein zweites Mal angesehen, es sei denn, um hinter ihrem Rücken zu tuscheln.

„Verblüffend.“ Truman konnte den Blick nicht von ihr wenden. „Ich hätte Sie, ich meine, dich, niemals wieder erkannt.“

Katie freute sich über seine Reaktion. Sie hatte sich ihr attraktives Äußeres mühsam erarbeitet. Täglich machte sie Gymnastik, lebte kalorienarm, kleidete und frisierte sich nach der neuesten Mode und trug Kontaktlinsen. Es machte ihr Spaß, jemanden aus den alten Tagen in Erstaunen zu versetzen. Das milderte ein wenig den Schmerz jener Zeit, als sie noch ein hässliches Entlein war.

„Vielen Dank.“

„Katie Prentiss.“ Truman schüttelte den Kopf. „Wirklich erstaunlich.“

Ein freudiger Schauer rieselte Katie über den Rücken. Zwar hatte sie ihre Erscheinung von Grund auf verändert, tief in ihrem Inneren war sie jedoch noch immer das nervöse fünfzehnjährige Mädchen, das Freunde nur in seinen Büchern fand. Ohne Tess Dupree, die von ihr bewunderte Heldin aus den Kriminalromanen ihrer Mädchenzeit, wäre sie heute sicher nicht fähig, hier zu stehen und sich normal mit diesem aufregenden Mann zu unterhalten.

Truman West war äußerlich unverändert. Sicherlich beflügelte sein Anblick noch immer die romantischen Fantasien der Frauen. Mit seinen breiten Schultern, den schmalen Hüften und den muskulösen Armen war ein wirklicher Traummann. Nur die feinen Linien um die Augen sowie seine selbstbewusste Haltung überzeugten Katie, dass er erwachsen und reifer geworden war.

„Also, was soll ich wegen meiner Handtasche unternehmen?“

„Ich nehme deinen Bericht auf. Zuvor musst du mir aber noch ein paar Fragen beantworten.“

„Ehrlich gesagt …“ Katie klopfte etwas Erde von ihrem Kleid. „Ich komme schon jetzt reichlich spät zu Jennys Hochzeit.“

„Jenny? Deine kleine Schwester heiratet? Komm, du willst mich wohl verulken.“

„Doch, ich kann es zwar selbst kaum glauben, aber Jenny ist dreiundzwanzig. Und ihr Bräutigam, Mark Barrington ist ein toller Mann.“ Katie blickte auf ihre Armbanduhr. „Oh verflixt, sie machen sich bestimmt schon Sorgen.“

„Wo findet denn die Zeremonie statt?“

„Im Amon Carter Park.“

„Das ist noch ein ganzes Stück zu laufen. Ich bringe dich gern auf meinem Pferd dorthin.“

Voller Zweifel schaute Katie das Pferd an. Vor zehn Jahren hätte sie alles dafür gegeben, von Truman West zu einem Ritt auf seinem Pferd eingeladen zu werden. Schon regten sich die kleinen Schmetterlinge in ihrem Bauch bei der Aussicht, die Arme um seinen schlanken Körper zu legen. Der Gedanke, in ihrem knöchellangen Kleid ein Pferd zu besteigen, ließ sie allerdings zögern.

Truman bemerkte ihre Unentschlossenheit. „Es wird schon gehen, wenn du den Rock ein wenig hochziehst.“

Warum nicht? Tess nähme so eine Gelegenheit sofort beim Schopf.

„Also gut.“ Katie stimmte zu. Ihr Auftritt würde unvergessen bleiben, und je eher sie am Ziel war, desto besser.

Truman reichte ihr die Hand.

Katie legte die ihre hinein. Sie war allerdings in keinster Weise auf die überwältigenden Gefühle vorbereitet, die sie in diesem Moment durchströmten. In der Erinnerung an ihre frühere Verliebtheit errötete sie tief. Stundenlang hatte sie damals auf dem Bett gelegen, an die Decke gestarrt und an Truman West gedacht.

„Schon mal auf einem Pferd gesessen?“, fragte Truman, als er sie zur linken Seite des Pferdes führte.

„Nur als Kind auf einem Pony.“

„Stell einfach deinen Fuß in den Steigbügel.“ Truman legte dem Tier beruhigend eine Hand auf den Nacken. „Halte dich am Sattelhorn fest, und schwing dein rechtes Bein über den Rücken. Ja, sieh mich nicht so zweifelnd an. Du schaffst es.“

Katie fasste den Rock seitlich mit einer Hand zusammen und raffte ihn hoch. Mein Kleid wird nicht nur schmutzig, sondern auch noch völlig zerknittert sein, dachte sie unglücklich. Aber vielleicht merkten die meisten es gar nicht. Die Aufmerksamkeit der Gäste sollte schließlich auf Jenny gerichtet sein.

Zögernd hob sie den linken Fuß und steckte ihn in den Steigbügel. Mit der freien Hand packte sie das Sattelhorn, brachte es aber nicht fertig, sich aufzuschwingen. Als das Pferd einen Schritt vorwärts machte, verlor Katie den Halt, ihr Fuß blieb jedoch im Bügel stecken.

„Hilfe!“, rief sie in Panik. Sie sah sich schon durch den Park über den Boden schleifen.

Truman zügelte das Pferd. „Ganz ruhig. Das Tier fühlt deine Nervosität.“

„Kein Wunder. Es ist gar nicht so leicht“, bemerkte Katie kleinlaut. „Bei dir sieht es ganz einfach aus.“

„Nun“, lächelte Truman, „du bist durch dein Kleid ziemlich behindert. Soll ich dir nicht helfen?“

Oh nein! Er wollte sie wieder berühren? Doch ehe sie es sich versah, umfasste er ihre Taille und hob sie auf den Sattel, als sei sie leicht wie eine Feder.

Katie fühlte sich gar nicht wohl auf dem Pferderücken. Ihr Rock hatte sich bis zu ihren Schenkeln hinaufgezogen und bauschte sich um ihre Taille, während sie zaghaft mit beiden Händen das Sattelhorn umfasste. Als sie sich dann umdrehte und in Trumans scharf geschnittenes, attraktives Gesicht hinunterschaute, hatte sie auf einmal das Gefühl, die Welt höre auf, sich zu drehen.

„Rutsch ein wenig vor“, forderte Truman sie auf und schwang sich hinter sie aufs Pferd. Als er seine starken Arme um sie legte und die Zügel ergriff, berührte er versehentlich ihre Brüste. Er schnalzte mit der Zunge. Sogleich warf das Pferd den Kopf zurück und folgte dem Kommando Trumans zum Amon Carter Park, das tiefer im Botanischen Garten gelegen war.

„Wie geht es deiner Familie?“, fragte Katie, um sich abzulenken. „Nachdem deine Eltern sich scheiden ließen, hat meine Mutter deine Familie aus den Augen verloren.“

„Dad ist vor sieben Jahren gestorben.“

„Oh Truman, das tut mir leid. Was ist passiert?“

„Er wurde im Dienst erschossen, als er versuchte, ein paar Ganoven zu verhaften, die unter Drogen standen.“

„Das ist ja entsetzlich!“ Katie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fragte sich, ob der Tod seines Vaters etwas mit seiner Entscheidung, Polizist zu werden, zu tun hatte.

„Und deine Mutter?“

„Mom zog nach Florida zu ihrer Schwester. Wir pflegen keinen besonders engen Kontakt.“

Katie spürte die Feindseligkeit, die in seiner Stimme mitschwang. Machte er seine Mutter für die Scheidung verantwortlich? Nach all dieser Zeit? Aber seine Trauer ging ihr nahe. Am liebsten hätte sie ihn berührt. Warum? Konnte es sein, dass sie noch immer etwas für diesen Mann empfand?

Unsinn. Ihre Gefühle für ihn waren nichts als Teenagerträume gewesen. Dabei hatte er sie niemals ermutigt. Und außerdem war er zu der Zeit mit der fantastischen Rhonda McKnigth liiert gewesen.

Verstohlen schaute Katie auf seine Hand. Ihr Herz schlug schneller, als sie sah, dass er keinen Ring trug. „Hast du Rhonda McKnight geheiratet?“

„Nein.“ Trumans Stimme klang scharf. „Rhonda ließ die Verlobung platzen. Sie konnte sich nicht damit abfinden, dass sie Ehefrau eines Polizisten geworden wäre. Aber wahrscheinlich bewahrheitete sich in meinem Fall das alte Sprichwort vom Sohn, der in die Fußstapfen des Vaters tritt. Ich konnte mir für mich keinen anderen Beruf vorstellen als den eines Polizisten. Vor allem, nach Daddys Ermordung. Ich hatte das Gefühl, ihm das irgendwie schuldig zu sein.“

Eigentlich sollte Katie nicht froh darüber sein, aber die Nachricht, dass Truman und Rhonda nicht geheiratet hatten, machte sie doch ein wenig glücklich. „Wie schade“, sagte sie allerdings laut.

„Nicht wirklich. Rhonda und ich passten im Grunde nicht zusammen.“

Womit er recht hat, dachte Katie, er braucht jemanden wie mich. Jemanden, der die harte Arbeit eines Polizisten respektiert und bewundert.

„Mein Beruf bedeutet mir sehr viel“, erklärte Truman.

Offensichtlich mehr als jede Frau. Immerhin war er mit neunundzwanzig noch unverheiratet. Dabei wirkte er unglaublich sexy in seinen knappen Jeans und den bis zum Knie reichenden Stiefeln.

Selbstverständlich hätte sich Tess Dupree von keinerlei Tricks abweisen lassen. Was eine Frau wollte, verfolgte sie energisch. War Zack nicht auch überzeugter Junggeselle gewesen, bevor Tess ihn für sich gewann? Vielleicht sollte Katie die Tatsache, dass Truman Single war, als Herausforderung ansehen. Aber würde sie es wagen, ihre Mädchenträume wahr werden zu lassen?

Truman wechselte das Thema. „Und wie steht es bei dir, Katie Prentiss?“

„Bei mir?“

„Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?“

Katie runzelte die Stirn. Es war ihr eine wenig peinlich, ihm die Wahrheit zu gestehen. Sie bot nämlich keinerlei Überraschung: Ein Bücherwurm wurde Bibliothekar. Sie wünschte, sie könnte ihm erzählen, dass sie Spionin, Privatdetektivin oder etwas ähnlich Aufregendes war.

„Ich bin Bibliothekarin.“

„Du hast ja schon damals deine Nase immer in Bücher gesteckt.“ Er lächelte. „Ich sehe dich noch ständig oben in dieser Kastanie im Garten deiner Eltern hocken.“

Himmel, wie langweilig. „Ich habe mich entschlossen, meinen Beruf zu wechseln“, setzte sie schnell hinzu.

„Wirklich? Welche Branche denn?“

„Ich denke, ich habe Talent, Nachforschungen zu betreiben.“

„Du meinst, als Detektivin?“

„Ja. Ich weiß, es klingt albern, aber …“

„Absolut nicht.“

„Meinst du?“

„Das bedeutet allerdings eine Menge Arbeit.“

„Oh, davon gehe ich aus“, sagte Katie hastig.

„Ich bin Detektiv.“

„Wirklich? Seit wann sitzen Detektive denn hoch zu Ross?“

„Da bekannt ist, dass ich reiten kann, schickte mein Vorgesetzter mich für einige Wochen zur berittenen Polizei, bis wir diese Raubüberfälle im Griff haben. Normalerweise bin ich mit der Aufklärung von Betrugsdelikten beschäftigt.“

Trumans Oberkörper berührte beim Reiten Katies Rücken. Ein Traum erfüllte sich. Nächtelang hatte sie im Bett ihr Kopfkissen umarmt und sich eingeredet, Truman West in den Armen zu halten. Unzählige Male hatte sie samstagmorgens früh aus dem Schlafzimmerfenster geschaut und beobachtet, wie Truman mit nacktem Oberkörper den Rasen im Garten seiner Eltern mähte oder seinen Pick-up wusch. Wenn sie an die einsamen Tage von damals dachte, schoss ihr noch heute die Röte ins Gesicht. Ein Glück, dass Truman hinter ihr saß und sie nicht sehen konnte.

„Danke für den Ritt“, murmelte sie, als ihr nichts anderes zu sagen einfiel.

„Kein Problem. Das ist das Mindeste, wenn ich schon nicht in der Lage bin, deine Handtasche zurückzuholen.“

Trumans warmer Atem strich über ihre Wangen, und sie konnte sich nicht davon ablenken, das Spiel seiner Muskeln wahrzunehmen, während er das Pferd die leichte Anhöhe hinaufführte.

Himmel, noch mal, Katie, hör auf damit. Offensichtlich hatte sie ihre Reaktion nicht unter Kontrolle. Wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr Puls wie wild raste. Trumans Männlichkeit erregte sie, obwohl es völlig aussichtslos war, etwas mit diesem Mann zu beginnen.

Feigling! Sie konnte Tess Duprees Herausforderung geradezu hören. Was würde geschehen, wenn sie einen Schritt auf ihn zu machte, und er nicht interessiert war?

Das wirst du nie herausfinden, wenn du es nicht versuchst, kam die Antwort ihrer inneren Stimme.

Aber Katie hatte als Teenager zu sehr unter der unerwiderten Liebe zu ihm gelitten.

Das ist Jahre her. Lange, bevor du abgenommen und gelernt hast, dich zu präsentieren, wandte das andere Ich ein.

Um sich abzulenken, schaute Katie sich in dem herrlich blühenden Park um. Jenny hatte sich einen wundervollen Ort für ihre Hochzeit ausgewählt. Rosen jeder Schattierung und Farbe parfümierten die Luft mit ihrem süßen Duft. Gelbe, weiße, purpurfarbene und blutrote Iris schwankten leicht in einer sanften Brise. Tulpen, Narzissen und Gladiolen streckten ihre Blüten der Sonne entgegen.

Als sie eine Brücke überquerten, die über einen schmalen Bach führte, hörte Katie das Wasser über flache, moosbedeckte Steine plätschern. Ihr Herz schien im Rhythmus des Hufschlags zu klopfen. Dieser Ritt erschien ihr seltsam unwirklich, als sei sie mit ihrem Märchenprinzen auf dem Weg durch einen Zauberwald.

Bald erreichten sie den Gipfel des Hügels und sahen den Amon Carter Park, eine wunderbare Anlage mitten in einem üppig grünen Tal, vor sich liegen. Eine von Bäumen beschattete Aussichtsstätte war in einen Altar verwandelt worden, den zu beiden Seiten Hochzeitsglocken schmückten. Klappstühle mit Kissen standen bereit, während die Familie und Freunde in eleganter, farbenfroher Kleidung in Gruppen herumstanden. Offensichtlich ratlos.

Katie fühlte sich schuldig. Sie war für die Verspätung der Hochzeitsfeier und das Durcheinander verantwortlich, das sich anstelle einer perfekten Zeremonie für ihre kleine Schwester bot. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe, hörte jedoch sofort damit auf, um nicht auch noch ihr Make-up zu verderben. Wie sehr sie sich auch bemühte, kein Aufsehen zu erregen, wieder einmal geriet sie mit nachtwandlerischer Sicherheit in Schwierigkeiten.

Während sie den Hügel hinabritten, sah Katie, wie sich ihre Eltern aus einer der Gruppen entfernten und ihnen entgegenkamen. Gleich darauf zügelte Truman den Hengst direkt vor dem Laubengang und den staunenden Gästen.

Kaum war Truman abgestiegen, wurde es Katie bewusst, wie sehr sie den Ritt in seinen beschützenden Armen genossen hatte.

Arm in Arm traten ihre Eltern näher.

„Endlich, Katie! Wie kommst du denn auf das Pferd?“, fragte Grace Prentiss entsetzt.

Truman grüßte Katies Mutter und berührte seinen Stetson mit dem Zeigefinger. Lächelnd reichte er Katies Vater die Hand. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Katie Opfer eines Raubüberfalls geworden ist. Bedauerlicherweise konnte ich den Mann, der ihr die Handtasche entrissen hat, noch nicht festnehmen.“

„Nun, ich bin froh, dass Sie meine Tochter beschützen konnten, Officer.“ Roger Prentiss schüttelte Truman die Hand. Einen Moment blickte er ihn forschend an. „Kennen wir Sie nicht irgendwoher?“

„Ja, Sir. Wir waren Nachbarn in Weatherfort. Ich bin Truman West.“

„Ach, der junge Truman! Wie nett, Sie wieder zu sehen.“ Grace Prentiss klopfte Truman mütterlich auf die Schulter.

Katie räusperte sich und rutschte im Sattel hin und her. „Entschuldigt, wenn ich die Unterhaltung störe, aber könnte mir jemand herunterhelfen?“

Katie gefiel die Art, mit der Truman sie aus fröhlichen Augen anschaute. Wenn er lächelte, war das unwiderstehliche Grübchen auf seiner rechten Wange besonders gut zu sehen.

„Mit Vergnügen.“

Seine tiefe Stimme weckte in Katie Bilder von heißen Küssen in warmen Sommernächten. Und als er sie vom Pferd hob, hielt sie vor Glück den Atem an. Doch kaum hatte sie wieder festen Boden unter den Füßen, fühlte sie sich verwirrt und traute sich nicht, seinem Blick zu begegnen.

„Was ist passiert?“ Trotz der Sorgenfalten auf der Stirn, sah Jenny wie eine Märchenprinzessin aus in ihrem Hochzeitskleid aus Chiffon und kostbarer Spitze, dessen Rock sie graziös mit beiden Händen leicht anhob.

Katie war dankbar für die Unterbrechung und wandte sich ihrer Schwester zu.

„Katie ist überfallen worden“, klärte ihre Mutter sie auf.

„Um Himmels willen, Katie. Bist du okay?“

„Es geht mir gut. Aber dieser miese Kerl ist jetzt im Besitz meiner Schlüssel und Kreditkarten.“

„Oh, ehe ich es vergesse“, unterbrach sie Truman, „ich brauche noch eine offizielle Bestätigung des Unfallhergangs von dir, Katie.“

„Du erinnerst dich an Truman West, Jenny?“, fragte Katie. „Er hat mich gerettet.“

Jenny blickte Truman an. Ihre Augen wurden groß. „Oh. Selbstverständlich. Wer könnte Truman West vergessen? Katie hat zwei Jahre um dich getrauert. Wochenlang starrte sie aus dem Schlafzimmerfenster und hoffte, du würdest dich draußen zeigen. Hinterher musste ich mir immer ihre Begeisterungsausbrüche anhören.“

„Tatsächlich?“ Truman schaute Katie an.

Verlegen nahm Katie Jennys Hand. „Komm. Mark und der Priester warten. Wir haben keine Zeit, über alte Geschichten zu plaudern.“

„Richtig.“ Sogleich versuchte Roger Prentiss, die Gäste in Richtung Altar zu dirigieren. „Lasst uns anfangen.“

Jenny zögerte. „Einen Moment. Ich möchte Truman zu unserem Empfang einladen. Kannst du kommen, oder bist du im Dienst?“

Truman schaute auf seine Armbanduhr. „In einer Stunde bin ich frei.“

„Großartig. Der Empfang findet um fünf im Ridglea Country Club statt. Dann bekommst du auch Katies Bericht.“

„Ich fühle mich geehrt“, freute sich Truman. „Bis nachher, also.“

Er hob eine Hand, stieg aufs Pferd und nahm den Weg, den er gekommen war. Katie folgte ihrer Familie zu der Andachtsstätte, schaute sich aber noch ein paar Mal um, bis Truman nicht mehr zu sehen war.

Gewissensbisse wegen ihrer Verspätung plagten sie. Beinahe hätte sie den glücklichsten Tag in Jennys Leben ruiniert. „Es tut mir leid“, flüsterte Katie ihrer Schwester zu.

„Du kannst doch nichts dafür, wenn dir deine Handtasche geraubt wird“, tröstete Jenny wie immer großzügig.

In wenigen Minuten hatte der Zeremonienmeister die Situation wieder im Griff. Platzanweiser wiesen den Gästen ihre Plätze zu, während die Schwester des Bräutigams hinter dem Altar einhundert, nach Pfirsich duftende Kerzen in einem kunstvoll gearbeiteten Armleuchter anzündete. Der Zeremonienmeister reichte jeder Brautjungfer ein Bouquet pfirsichfarbener Orchideen umgeben von Tausendschönchen und zarten weißen Blütenrispen. Die ersten Klänge des Hochzeitsmarsches erklangen, als die erste Brautjungfer sich langsam den Gang hinunter zum Altar bewegte. Mit Tränen in den Augen ergriff Katie Jennys Hand und drückte sie.

Beim Anblick von Jennys strahlenden blauen Augen empfand Katie plötzlich ein Gefühl der Eifersucht, das sie jedoch sogleich ärgerlich verdrängte. Welchen Grund hatte sie, eifersüchtig zu sein? Ihr blieb noch genügend Zeit, den richtigen Mann zum Heiraten zu finden. Ehrlich, ihrem Prinzen gerade zu diesem kritischen Zeitpunkt ihres Lebens zu begegnen, wäre sogar höchst unpassend. War sie doch gerade drauf und dran, eine neue Karriere zu beginnen. Eine wichtige Aufgabe wie Verbrecher fangen und hinter Gitter bringen. Was sie vom Leben erwartete, waren: Aufregung, Anregung und Abenteuer.

„Hei, Kleines, du bist im Begriff Mrs. Mark Barrington zu werden, und ich werde dich bestimmt unsäglich vermiss …“ Vor Rührung blieben Katie die Worte im Hals stecken.

Jennys Unterlippe zitterte. „Ich heirate doch bloß, Katie. Hör auf zu weinen, sonst fange ich auch gleich an zu flennen.“

Autor

Laura Anthony
Eigentlich heißt sie Laura Blabock Möller und schreibt nun unter dem Pseudonym Lori Wilde moderne Romances, mittlerweile sind es schon über 60 Stück. Laura war schon zweimal für den RITA- Award nominiert und hat bereits diverse andere Preise gewonnen, und dass, obwohl sie eigentlich Krankenpflege studiert hat und auch ein...
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