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Josie will nur einen Diebstahl melden - und steht dem attraktivsten Mann gegenüber, dem sie je begegnet ist. Es knistert und kribbelt sofort. Und als er sie ein paar Tage später küsst, muss Josie sich eingestehen: Sich nicht in Polizeichef Dan Duvall zu verlieben, ist unmöglich…


  • Erscheinungstag 09.09.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753047
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Polizeichef Dan Duvall ging der jährlich stattfindende Rocky Top Chili – Kochwettbewerb ziemlich auf die Nerven.

Das lag nicht nur an den Betrunkenen, von denen es immer reichlich gab, weil das Ereignis von der Rocky-Top-Brauerei gesponsert wurde, sondern auch an den Touristen. Jeder Einwohner der Kleinstadt Beldon in North Carolina wollte den Besuchern alles Mögliche anbieten.

„Wahrscheinlich verkaufe ich nur Bohnen“, sagte Dans Bruder Jerry, als sie die Main Street entlanggingen. Bis zum Wettbewerb war noch eine Woche Zeit, und Jerry suchte wie üblich nach einer Möglichkeit, um schnell reich zu werden. „Was braucht man schließlich, um ein Chili zuzubereiten? Bohnen. Damit werde ich ein Vermögen machen.“

Ungläubig schaute Dan seinen Bruder an. „Das ist die tolle Geschäftsidee?“ Er schaute auf die baufällige Gartenlaube, die Jeb Currier Jerry zum günstigen Preis von neunhundert Dollar die Woche vermieten wollte.

„Jawohl. Du könntest endlich einen ungefährlichen Job haben. Einmal hat man dir doch schon im Dienst in den Hintern geschossen …“

„Es war die Hüfte“, erinnerte Dan ihn unwirsch.

„Wohin auch immer. Bist du nun interessiert?“

„Nein.“ Wie oft musste er das noch sagen? „Ich wünsche, dass den Touristen nicht ständig mehr geboten wird, denn sonst kommen sie immer wieder.“

„Das wollen wir doch“, erwiderte Jerry und strich sich das Haar zurück. „Du weißt eben nicht, worauf es ankommt, Bruder.“

„Und ob ich das weiß. Jedes Jahr wird die Stadt von herrischen, ungeduldigen und manchmal bewaffneten Besuchern überrannt, und alle hier springen, um sie zu bedienen. Ich verstehe durchaus, dass jeder ein gutes Geschäft machen will, aber durch jeden illegalen Getränkestand, T-Shirt- oder Bohnenverkauf wird die Arbeit für uns Polizisten schwieriger. Wir reden von sechs überlasteten Männern und Frauen, die rund um die Uhr arbeiten müssen, ohne ein Dankeschön zu erhalten. Kapierst du das nicht?“

Einen Moment lang schaute Jerry ihn an. „Ich steige in das Geschäft mit Bohnen ein, ob du mitmachst oder nicht.“

„Bemühe du dich lieber um einen richtigen Job.“

„Okay, dann besorge mir einen. Mach mich zu deinem Stellvertreter.“

Damit hatte Dan schon gerechnet, denn diese Bitte hörte er jedes Jahr. „Das wird nicht geschehen, Jerry.“

„Stell dich nicht so an. Du hast doch gerade gesagt, dass ihr unterbesetzt seid. Ich bin der Richtige für den Job. Gib mir eine Chance, und stecke mir eine Plakette an. Dann werden die Frauen auf mich fliegen.“

„Vergiss es. Wenn du ohne Plakette keine Frauen bekommst, dann gelingt dir das auch nicht mit einer.“

„Du hast gut reden“, verteidigte sich Jerry. „Alle Frauen stehen auf dich.“

Dan hob die Hand. „Sag jetzt bitte nichts mehr.“

„Danny Duvall!“, ertönte eine Stimme hinter ihnen.

Buzz Dewey, Vorstand der Rocky-Top-Brauerei, näherte sich eilig auf seinen kurzen Beinen. Als er die Straße überquert hatte, war er völlig außer Atem.

„He, Buzz.“ Beim Anblick des blassen Mannes musste Dan immer an eine Zeitbombe denken, die jeden Moment explodieren konnte. „Mach langsam.“

„Alles in Ordnung“, japste Buzz. „Lass uns etwas gehen. Der Doc meint, dass ich mich jeden Tag bewegen soll.“

„Einverstanden.“

„Wie steht es um die Sicherheit in diesem Jahr, Danny?“

„So wie immer“, erwiderte Dan und blieb stehen, damit Buzz sich nicht zu sehr anstrengte.

„Ich frage deshalb, weil das Thema Sicherheit in diesem Jahr besonders wichtig ist“, erklärte Buzz.

„Warum?“

„Die bekannte Kochbuchautorin Beatrice Beaujold kommt zu uns. Sie hat Rezepte aufgeschrieben, mit denen eine Frau die Liebe eines Mannes gewinnen und sogar einen Heiratsantrag bekommen kann.“

„Ach, das Buch.“ Vor einigen Wochen hatte Dan in der Zeitung einen Bericht über die heftige Reaktion der Feministinnen auf dieses Kochbuch gelesen.

Buzz nickte. „Ich habe das Gefühl, dass die Autorin eine echte Dame ist. Sie soll nicht durch das ungezügelte Verhalten unserer Leute belästigt werden.“

Wenn eine Brauerei als Sponsor für einen Chili-Kochwettbewerb auftritt, dann muss man mit unfeinem Benehmen rechnen, dachte Dan. Auf der Wache gingen die ganze Nacht Beschwerdeanrufe von Bewohnern der Stadt ein, die sich über den Lärm beklagten. Es würde ihm nicht gelingen, die Stadt für eine zickige Lady ruhig zu halten.

Das aber wollte er Buzz, der so aussah, als würde ihn eine weitere Sorge in den unvermeidlichen Herzinfarkt treiben, nicht mitteilen.

„Sieh dir das an“, meinte Buzz und holte eine zusammengerollte Zeitschrift aus der Hosentasche. „Das ist ihr einziger Schutz.“

Zu sehen war das Foto einer schönen, gertenschlanken Frau mit rötlich blondem Haar und einem strahlenden Lächeln. Die Bildunterschrift lautete: Das neueste Mitglied der Page-turner Promotions, Josephine Ross, bei einem Empfang.

„Sieht nicht gerade wie eine Leibwächterin aus“, meinte Dan. Ihm erschien sie wie eine typische Frau aus der Großstadt, die allerdings sexy aussah. Wenn er nicht wüsste, dass er sich mit solchen Frauen nicht einlassen dürfte, wäre er wahrscheinlich Wachs in ihren Händen. Er hatte jedoch seine Erfahrungen gemacht. Als er auf dem College gewesen war, hatte er den Fehler begangen, sich in ein Mädchen aus der Stadt zu verlieben. Sie jedoch hatte ihn ausgenutzt und dann fallen lassen. Seitdem war er bei cleveren Städterinnen sehr vorsichtig.

„Genau! Schau sie dir an, sieht nicht älter aus als fünfundzwanzig, und wenn sie mehr wiegt als mein linkes Bein, dann fresse ich einen Besen. Wahrscheinlich wird sie noch mehr ungebührliches Verhalten auf sich ziehen.“

Als ob die wenigen Polizisten nicht schon genug zu tun hätten. Um einer Autorin als Wachpersonal zu dienen, fehlte ihnen die Zeit. Wenn Dan von den Kollegen noch mehr Überstunden verlangte, würde er sicher Kündigungen bekommen. Um diese Sache kümmerte er sich am besten persönlich.

„Was hältst du von folgender Idee, Buzz? Ich kümmere mich um diese Kochbuchschreiberin.“ So konnten sich die übrigen Polizeibeamten anderen Aufgaben widmen. Wie viel Aufmerksamkeit brauchte außerdem eine kleine Autorin?

Buzz wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn und bedankte sich. „Das wäre sehr nett von dir. Du bist ein guter Kerl, Danny, genau wie dein Vater.“

„Danke, Buzz.“

„Miss Beaujold kommt am Donnerstag“, fuhr Buzz fort. „Es wäre schön, wenn du im Silver Moon Inn sein könntest.“

„Mach dir keine Sorgen, ich werde da sein“, meinte Dan resigniert.

Als er an das Bild von Josephine Ross dachte, überkam ihn die Vermutung, dass es in diesem Jahr noch mehr Schwierigkeiten als sonst geben würde. Er musste sich auf jeden Fall von dieser Frau fern halten.

1. KAPITEL

Am späten Donnerstagnachmittag stand Josie Ross in der Eingangshalle des Silver Moon Inn. Mit Mobiltelefon, Aktentasche und Laptop ausgestattet, fragte sie sich, ob sie wirklich hier wohnen sollte oder ob jemandem bei Page-turner Promotions ein Fehler unterlaufen war.

Hoffentlich stimmte Letzteres nicht. Wenn jemand bei der Agentur einen Fehler gemacht hatte, dann war sie es wahrscheinlich selbst gewesen, da sie noch nicht lange zum Team gehörte. Sie durfte Beatrice Beaujold, eine Kochbuchautorin und eine der wichtigsten Kundinnen von Page-turner, an diesem Wochenende beim Rocky Top Chili – Kochwettbewerb betreuen. Deshalb war es sehr wichtig, dass sie korrekt arbeitete.

Keinesfalls wollte sie den Job verlieren, weil sie sich nicht genügend bemüht hatte.

Als Vorbereitung hatte sie sich ausgiebig über die Geschichte des Wettbewerbs, die Stadt und die Autorin informiert. Bei der Redakteurin hatte sie sich nach ihrem Eindruck von Beatrice Beaujold erkundigt sowie nach Besonderheiten, die sie wissen musste. Noch heute Morgen hatte sie von ihr ein Schreiben bekommen, das nun gemeinsam mit dem Scheck der Brauerei in einem großen Umschlag im Koffer lag.

Josie war vorbereitet, und das gefiel ihr.

Mit frischem Selbstvertrauen ging sie durch die Eingangshalle und hielt nach dem Empfang beziehungsweise nach Beatrice Beaujold Ausschau.

„He, Baby“, sagte ein dunkelhaariger, bärtiger Mann mit Schaum am Mund. Er hob ein Bierglas, wobei er etwas verschüttete. „Ist es hier so heiß, oder bist du das?“

Josie ging einfach weiter und fragte sich, warum so unmögliche Typen überall auftauchten.

Was würde Lyle denken, wenn er sie jetzt sähe? Lyle Bancroft war fast fünf Jahre lang mit Josie verlobt gewesen. Am Vorabend der Hochzeit hatte er sie verlassen. Als Grund gab er an, dass Josie zu bürgerlich sei. Sie sei einfach nicht die geeignete Frau für einen Bancroft, da sie nicht aus den passenden Kreisen stammte.

Wäre Lyle jetzt hier in diesem schäbigen Hotel, umgeben von Betrunkenen und dem Geruch von Zwiebeln und Chiligewürz, würde er sich sicher in seiner Meinung über sie bestätigt fühlen.

Nachdem sie ziellos durch die Halle gegangen war, hielt sie eine Frau mit gefärbtem blonden Haar an. „Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo die Rezeption ist?“

„Die was?“, wollte die Frau wissen.

Josie zögerte. „Ich suche die Rezeption.“ Sie sprach laut und deutlich wie mit einer Person, die schwer von Begriff ist. „Wissen Sie, den Schlüssel“, erklärte sie und imitierte mit der Hand das Aufschließen einer Tür.

Eine Minute lang starrte die Frau auf Josies Hand. „Den Schlüssel bekommen Sie da hinten beim Eingang.“

„Aha“, erwiderte Josie und fühlte sich kein bisschen schlauer. „Vielen Dank.“ Sie ging in die Richtung, in die die Frau gezeigt hatte und befand sich bald in einem dunklen Flur. Nach einigen Schritten war sie wieder da angekommen, wo sie losgegangen war.

Sie lächelte die überraschte Frau höflich an und folgte nun einigen Leuten zu einer Tür, die vor wenigen Minuten noch geschlossen war. Jetzt konnte man eine Rezeption erkennen.

In dem Raum waren die Kochbücher von Beatrice Beaujold auf einem Tisch arrangiert. Der Titel des neuesten Werkes Der Weg zum Herzen der Männer: 100 verlockende Rezepte war gut sichtbar.

Nachdem sie die Anordnung einiger Exemplare leicht verändert hatte, ging sie zur Rezeption und stellte sich an das Ende der Schlange. Sie nutzte die Wartezeit, um in ihren Kalender zu schauen.

„Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

Josie sah auf und blickte auf eine blasse, zarte Brünette, die an der Rezeption saß. „Ja.“ Josie schloss den Terminkalender und steckte ihn in die Tasche. „Können Sie mir sagen, ob Beatrice Beaujold schon angekommen ist?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete das Mädchen unsicher.

Da sie keinen starken Südstaatenakzent hatte, konnte Josie sie problemlos verstehen, aber als sie gar nichts mehr sagte, fragte Josie sich, ob das Mädchen sie nicht verstanden hatte.

„Der Name ist Beaujold, B-E-A-U-J-O-L-D“, buchstabierte sie.

Schweigen.

„Könnten Sie bitte einmal nachsehen?“

„Ja, ja, das kann ich.“

Wieder wartete Josie, während nichts geschah.

„Würden Sie, bitte …“, fragte sie endlich und erkannte, dass es bei diesem Spiel darum ging, die richtigen Worte zu finden.

„Selbstverständlich“, antwortete das Mädchen und blickte auf den Computerbildschirm, der vor ihr stand. „Nein, sie ist noch nicht angekommen.“ Sie nickte bedächtig mit dem Kopf. „Das hatte ich mir schon gedacht.“

„Danke fürs Nachsehen“, antwortete Josie leicht verärgert. Sie stellte ihre Taschen ab und holte die Brieftasche heraus. „Dann sollte ich mich jetzt anmelden.“

Ein ausdrucksloses Starren.

„Ich bin Josephine Ross.“ Sie wies auf den Computer. „Mein Zimmer liegt neben der Suite von Miss Beaujold. Da ich die Räume reserviert habe, kann ich jetzt auch die Anmeldung für uns beide erledigen. Wenn Miss Beaujold kommt, gebe ich ihr den Schlüssel.“ Josie holte die nagelneue Kreditkarte der Firma heraus, legte sie auf den Tisch und trat einen Schritt zurück.

Das Mädchen nahm die Karte, zog sie durch das Lesegerät und bediente die Tastatur des Computers mit einem Finger. Sie benötigte zehn Minuten, bis sie endlich aufschaute und verkündete: „Diese Karte wird nicht angenommen.“

„Was?“

„Sie wurde abgelehnt.“

„Warten Sie eine Minute!“ Josie holte sich die Karte zurück. „Ein Fehler muss vorliegen. Ich rufe die Firma an, und Sie benutzen solange diese.“

Sie kramte in der Handtasche auf der Suche nach ihrer persönlichen Kreditkarte und hoffte, dass ihr Konto ausreichend gedeckt war. Während sie einen Job gesucht hatte, waren ihre Ersparnisse geschrumpft. Gerade rechtzeitig war sie von Page-turner eingestellt worden.

Unbehaglich wartete sie weitere fünf Minuten, bis sie ihre Karte mit dem Unterschriftsbeleg zurückbekam. „Jetzt sind Sie angemeldet. Ich hole die Schlüssel.“

Als sie die großen Messingschlüssel bekam, bedankte Josie sich und steckte die Schlüssel in die Tasche. Dann holte sie die Firmenkreditkarte wieder hervor und klappte ihr Handy auf, weil sie sich nach dem Problem mit der Karte erkundigen wollte.

Leider bekam sie keinen Empfang, so dass sie zuerst im Zimmer herumging und dann draußen ihr Glück versuchte. Auch dort hatte sie keinen Erfolg.

„Hier bekommen Sie keinen Empfang“, verkündete eine freundliche Frau mit leuchtend blauen Augen und roten Wangen.

„Haben Sie es schon versucht?“

Die Frau lächelte und holte ein ähnliches Telefon aus der Handtasche. „Schon zehn Meilen vor der Stadt hat es nicht funktioniert.“

Nun steckte Josie das Telefon weg. „Wahrscheinlich komme ich auch einige Tage ohne das Gerät aus.“ Die schweren Taschen stellte sie auf den Boden und streckte die Hand aus. „Josie Ross.“

Die Frau ergriff die Hand und lächelte. „Dolores Singer, aber Sie können mich Buffy nennen.“

„An Ihrem Akzent merke ich, dass Sie nicht von hier sind.“

„Nein, ich komme aus Cleveland. Und Sie?“

„Manhattan. Man glaubt, auf einem anderen Planeten zu sein.“

„Verstehe, was Sie meinen“, stimmte Buffy zu. „Es gefällt mir hier, weil alles viel entspannter und ruhiger abläuft.“

Josie war der Meinung, dass eine erzwungene Entspannung alles andere als entspannend war, aber sie behielt diese Ansicht für sich. „Sind Sie wegen des Chili-Wettbewerbes hier und vertreten Ohio?“

Buffy schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich bin ich gekommen, um Beatrice Beaujold kennen zu lernen. Sie hat dieses wunderbare Kochbuch geschrieben, für das ich ihr sehr dankbar bin.“

„Tatsächlich? Warum?“

„Ihretwegen werde ich bald heiraten.“

„Ehrlich?“, fragte Josie, die immer ein offenes Ohr für Romanzen hatte, solange ihr Herz nicht gebrochen wurde.

„Wegen der Rezepte?“

„Ich glaube schon“, erwiderte Buffy und errötete. „Bei einem Picknick fiel mein Freund vor mir auf die Knie, nachdem er zwei Löffel von dem Pudding probiert hatte. Da ich niemals mit dieser Reaktion gerechnet hatte, führe ich sie auf das Rezept zurück.“

Josie war sehr skeptisch, aber sie wusste, dass sie diese Ansicht unterstützen und nicht ablehnen sollte. Statt zu lügen, schwieg sie lieber.

„Diese Geschichte klingt verrückt, aber es sind schon andere Dinge geschehen.“

Nun lächelte Josie. „Gratuliere. Hoffentlich bleiben Sie lange glücklich.“ Sie schaute auf die Uhr. „Es war nett, mit Ihnen zu reden, aber ich muss in meinem Zimmer telefonieren.“

„Die Zimmer hier haben kein Telefon.“

„Wie bitte?“

„Kein Telefon auf dem Zimmer.“

Einen Moment schloss Josie die Augen und atmete tief ein. „Wahrscheinlich gibt es auch kein Fax.“

„Genau.“ Buffy lächelte verständnisvoll. „Man verliert vielleicht etwas Zeit, aber es passt zu der friedlichen Atmosphäre hier.“

Josie seufzte.

„Neben der Eingangstür steht ein öffentlicher Fernsprecher. Probieren Sie den doch mal“, schlug Buffy vor.

Josie bedankte sich und trug ihr Gepäck zum Telefon. Es schien hundert Jahre alt zu sein, und noch bevor sie ein Amt wählen konnte, knisterte es in der Leitung. Sie bewegte das Kabel in der Hoffnung, einen Anruf machen zu können, aber es half nichts.

Verzweifelt hängte sie den Hörer ein. Vielleicht funktionierte das Handy in ihrem Zimmer. Sie würde schnell nach oben gehen und telefonieren, damit sie Beatrice’ Ankunft nicht versäumte. Zufrieden mit ihren Plänen, ging sie zu ihrem Koffer.

Er war weg.

Wie konnte jemand ihn genommen haben? Sie war doch nur wenige Meter von ihm entfernt gewesen.

Sie schaute sich um, weil sie feststellen wollte, ob jemand den Koffer nur verschoben hatte. Leider war er nirgends zu sehen. Josie lief nach oben, um in Beatrice’ und ihrem Zimmer nachzusehen, und ließ bei der Gelegenheit ihre übrigen Sachen gleich dort. Wieder an der Rezeption, fragte sie das Mädchen, ob ein Angestellter des Hotels den Koffer vielleicht in einen Gepäckraum gebracht hätte, aber als Antwort erhielt sie nur ein ausdrucksloses Starren und die Auskunft, dass es keinen Gepäckraum gebe.

„Könnte ich den Geschäftsführer sprechen?“, fragte Josie und bemühte sich um einen höflichen Tonfall, obwohl sie das Mädchen am liebsten angeschrien hätte.

„Die Besitzerin ist da. Wahrscheinlich würden Sie sie Geschäftsführerin nennen.“

„Gut“, erwiderte Josie und versuchte, Herrin der Lage zu werden. Ihr fiel der Scheck für Beatrice ein. Der Brief von ihrer Lektorin. „Würden Sie sie bitte rufen?“, fragte sie, wobei ihre Stimme lauter wurde. „Vielleicht kann sie mir helfen, die Situation zu klären.“

„Okay.“ Lächeln. Nicken.

Jeder Muskel in Josies Körper spannte sich an. „Könnten Sie es sofort veranlassen?“

„Oh, okay.“ Sie verschwand in einem Raum hinter dem Empfang, und Josie schaute sich um. Nirgendwo ein Koffer. Gerade wollte sie auf der Veranda nachsehen, als sie von einer freundlichen Stimme mit Südstaatenakzent, die sie an die Personen aus Vom Winde verweht erinnerte, unterbrochen wurde.

„Entschuldigen Sie, Miss Ross?“

Sie drehte sich um und sah eine Frau an der Rezeption, die aussah, als würde sie in einem Film die Rolle einer Südstaatenlady spielen. Mit den Fingerspitzen berührte sie den Oberarm eines unverschämt gut aussehenden Mannes.

„Miss Ross, ich bin Myrtle Fairfield, und das ist Dan Duvall“, stellte die Frau mit der angenehmen Stimme vor. „Er arbeitet bei der Polizei. Ich habe gehört, dass Sie ein kleines Problem mit Ihrem Koffer haben. Mr. Duvall kann Ihnen helfen.“

Wie ein Polizist sah ihr Begleiter nicht aus. Eher wie ein Filmstar. Er war groß, hatte gewelltes dunkles Haar und blaue Augen, die an die Farbe des Sommerhimmels erinnerten. Kleine Fältchen um die Augen kennzeichneten ihn als einen Mann mit Humor.

„Danke für die Mühe“, antwortete Josie und war sich peinlich bewusst, dass sie sich seit der fünfstündigen Anreise am Morgen noch nicht frisch gemacht hatte. Dabei sollte es ihr eigentlich egal sein, was dieser Adonis von ihr dachte. Über ihre Reaktion auf ihn war sie nicht nur verärgert, sondern auch überrascht. Schon seit Jahren hatte ein Mann nicht mehr solche Gefühle in ihr geweckt, aber dieser Mann, der schon so aussah, als würde er sich vor Frauen nicht retten können, sollte nicht das Ziel ihrer romantischen Wunschträume sein.

Als er lächelte, zeigten sich gleichmäßige weiße Zähne und Grübchen. „Nennen Sie mich bitte Dan.“

Josie musste schlucken. „Gut, Dan.“

Er kam einen Schritt näher. Dabei stellte sie fest, dass er angenehm nach Seife und frischer Kleidung roch.

„Ihre Tasche wurde also gestohlen. Wurden Sie dabei verletzt?“

„Nein, es war kein Überfall.“ Sie versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen. „Ich war nicht da.“

„Sie waren nicht da.“

„Nein, doch, ja.“ Nun war sie völlig durcheinander, was überhaupt nicht gut war. „Ich will sagen, dass ich nur ein paar Schritte entfernt war. Ich hatte den Koffer kurz abgestellt, weil ich den öffentlichen Fernsprecher benutzen wollte. Da das Telefon nicht funktionierte, war ich nicht mehr als eine Minute weg, aber als ich den Hörer auflegte, war der Koffer verschwunden.“ Sie warf Myrtle einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir Leid, dass ich Sie damit belästigen muss, aber es gibt sicher eine logische Erklärung.“

„Kein Problem“, erwiderte Myrtle, aber sie sah sehr besorgt aus.

„Da hinten haben Sie ihn stehen lassen?“, fragte Dan und zeigte auf die Eingangshalle.

„Ja, genau“, entgegnete Josie.

Dan Duvalls Stimme klang nun nicht mehr so freundlich. „Und Sie hatten das Gepäck nicht im Blick?“

„Ich war ungefähr eine Minute lang abgelenkt. Aber wie ich schon sagte, war ich nicht weit entfernt.“

„Sie hätten Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt stehen lassen sollen. Jeder hätte es mitnehmen können.“

„Jetzt ist mir das klar.“

„Haben Sie jemand Verdächtigen bemerkt?“, wollte Myrtle wissen.

„Um die Details kümmere ich mich“, sagte Dan und klopfte der älteren Dame auf die schmale Schulter. „Es sieht so aus, als könnte Lily Rose etwas Hilfe am Empfang gebrauchen.“ Er zeigte auf das Mädchen an der Rezeption, das nun unruhig aussah und ihre Hände verschreckt bewegte, während sie versuchte, den ungeduldigen Gästen zu helfen.

Sofort ging Myrtle zu Lily Rose.

Dan Duvall hatte ihr hinterher gelächelt, aber das Lächeln verschwand, als er sich wieder an Josie wandte und sie um eine Beschreibung der fehlenden Gegenstände bat.

Sie nannte sie ihm, wobei ihr auffiel, dass er sich keine Notizen machte. „In der Seitentasche befand sich ein Umschlag mit der Aufschrift Beatrice Beaujold“, erklärte sie. „Zuerst dachte ich, dass jemand vom Hotel den Koffer in Beatrice’ Zimmer gebracht hatte, aber als ich nachschaute, war er nicht dort.“

„Was befand sich in dem Umschlag?“

„Beatrice’ Lebenslauf und Foto sowie einige Prospekte und Informationen über den Kochwettbewerb. Meine eigenen Notizen. Außerdem ein Scheck von der Brauerei für Beatrice.“

„Den kann ja niemand einlösen.“

„Vielleicht nicht, aber sie erwartet, dass sie ihn bei der Ankunft erhält.“

„Verstehe. Vermissen Sie auch Bargeld?“

„Nein.“

„Das ist gut. Ich bin nicht sicher, wie wir Ihnen helfen können, aber wir werden uns sicherlich umschauen.“

„Soll ich eine Liste schreiben?“, fragte sie und versuchte, hilfsbereit zu klingen, obwohl sie verärgert war, weil ihn ihr Problem so wenig zu treffen schien. „Damit Sie nichts vergessen.“

„Nicht nötig. Wir informieren Sie, sobald wir etwas gefunden haben.“ Er nickte kurz und drehte sich um.

„Einen Moment noch.“

Betont geduldig blickte er sie an. „Ma’am?“

„Was soll ich jetzt machen?“

Er hob die Braue, als wartete er noch auf weitere Fragen.

„Die Sachen sind schließlich wichtig für mich, selbst wenn sie sonst niemanden interessieren.“ Besonders dachte sie dabei an den Brief von Susan Pringle. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, ihn ganz zu lesen, aber schon im ersten Abschnitt gab es einen Hinweis auf besondere Herausforderungen bei der Behandlung von Beatrice. Außerdem war die Rede von vertraulichem Material, das Josie nicht aus den Händen geben sollte. Bevor sie noch weiterlesen konnte, war ihr Flug angekündigt worden, und sie hatte den Brief weggesteckt.

Damals hatte Josie nicht an außergewöhnliche Eigenheiten gedacht, aber nun malte sie sich die schlimmsten Dinge aus.

„Ich brauche den Koffer wirklich“, betonte sie. „Soll ich den Diebstahl auf der Polizeiwache melden?“

„Das können Sie, aber es bringt nicht viel“, erwiderte er.

„Wenn alles ordnungsgemäß gemeldet wird, fühle ich mich wohler.“

„Aber Sie haben doch gerade alles aufgeführt.“

„Ich schon, aber was ist mit Ihnen?“

Nun zeigte er ein überlegenes Lächeln. „Natürlich habe ich alles aufgenommen, Ma’am. Ich habe nur keine Zeit, zur Wache zu gehen, aber das werde ich so bald wie möglich tun.“

Josie hatte das Gefühl, herablassend behandelt zu werden. „Schauen Sie, in diesem Umschlag waren wichtige Papiere, und mir wäre einfach lieber, wenn jemand meine Diebstahlsanzeige niederschriebe. So wie es die meisten Polizisten tun würden“, musste sie noch hinzufügen.

„Verstehe.“

„Wo ist die Wache?“

„An der Kreuzung von Elm Street und Magnolia Street. Aber wir haben im Moment nicht genügend Personal, so dass Sie warten müssen, bis der Polizeichef kommt, und das …“

„Gut“, sagte sie angespannt. „Mit ihm möchte ich unbedingt reden.“

Wieder lächelte er. Nicht gerade freundlich, sondern eher amüsiert. „Ich habe so das Gefühl, dass Sie Ihre Meinung noch ändern werden.“

„Bestimmt nicht.“ Sie lächelte höflich und ging aus dem Hotel. Draußen schien die Sonne, und Josie ging energisch die Straße entlang. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sie landen würde, aber sie wollte auf Dan nicht unsicher wirken.

Josie hatte Glück, denn schon bald stieß sie auf die Elm Street und konnte zielstrebig weitergehen.

Es schien so unwirklich, dass man sie bestohlen hatte, denn sie fühlte sich völlig sicher, als sie die Straße allein entlangging. Dieses Gefühl kannte sie nicht, denn in Manhattan verhielt sie sich viel vorsichtiger.

Die Polizeiwache befand sich in einem quadratischen Backsteinbau, der nicht so aufwendig gestaltet war wie die anderen Häuser.

Josie holte kurz Luft und öffnete dann die knarrende Tür.

„Hallo!“, rief sie. „Ist hier jemand?“

Sie hörte einen überraschten Ausruf und das Klirren von Metall, bevor ein Mann antwortete. „Hallo? Wer ist da?“

„Niemand, den Sie kennen. Ich bin nur vorübergehend hier und suche den Polizeichef.“

„Der ist gerade nicht da.“

„Wer sind Sie?“

Eine lange Pause. „Ich bin Deputy Pfeiffer.“

„Können Sie bitte herauskommen? Ich möchte einen Diebstahl melden.“

„Klingt nicht so, als kämen Sie von hier.“

„Richtig. Muss ich von hier kommen, um einen Diebstahl anzuzeigen?“, fragte sie verärgert.

„Mir geht es gerade nicht besonders.“

Sie zählte bis fünf, bevor sie antwortete. „Schauen Sie, Deputy. Sicher sind Sie sehr beschäftigt, aber es wird Sie nicht umbringen, wenn Sie kurz mit mir reden.“

Ein Augenblick verging. „Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

Autor

Elizabeth Harbison
<p>Elizabeth Harbison kam erst auf Umwegen zum Schreiben von Romances. Nach ihrem Abschluss an der Universität von Maryland, ihrem amerikanischen Heimatstaat, arbeitete sie zunächst in Washington, D.C. als Gourmet-Köchin. 1993 schrieb sie ihr erstes Backbuch, danach ein Kochbuch, wie man besonders romantische Mahlzeiten zubereitet, dann ein zweites Backbuch und schließlich...
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