Jene Nacht in Paris

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Jede Nacht ist ein Festival der Lust! Bis Killian an der Treue seiner Ehefrau Cordie zweifelt und sich von ihr trennt. Doch Cordie gibt nicht auf. Unvermutet taucht sie in Killians Firma in New York auf - und das Verlangen in seinen Blicken schenkt ihr neue Hoffnung ...


  • Erscheinungstag 06.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719197
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Killian Abbott ging langsam auf die kleine Bar hinter seinem Schreibtisch zu, während Jack Eagan mit seinem Bericht fortfuhr. Jack war erst seit Kurzem bei ihm angestellt, doch er erwies sich schon jetzt als fähigster Personalleiter, den die Bekleidungsfirma Abbott Mills je beschäftigt hatte. Killian hörte ihm daher nur mit einem Ohr zu, während er den Kaffee eingoss. Viel mehr beschäftigte ihn die Frage, ob er die kleine Boutiquenkette „Florida Shops“ kaufen sollte oder nicht, an der seine Stiefmutter so interessiert war.

Dabei handelte es sich nicht um eine große Investition – gerade mal ein paar Millionen Dollar –, aber er könnte Chloe mit der Übernahme eine Freude machen, weil der Besitzer ein Freund von ihr war. Trotzdem hatte er keine Lust, sich gerade jetzt mit allen lästigen Einzelheiten dieses Kaufs zu beschäftigen. Schließlich steckte er mitten in seiner Scheidung, und sein schärfster Konkurrent, die November Corporation, lauerte ständig auf eine Schwachstelle in seinem Unternehmen und hätte nichts gegen eine Übernahme von Abbott Mills.

„In den Fabriken ist die Produktivität um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, und die Verkaufserlöse in den Filialen sogar um zwanzig Prozent. Wir glauben, dass die neuen Fitnessräume dazu geführt haben. Das Betriebsklima ist ausgezeichnet und die Krankheitsrate so niedrig …“ Jack, der schon aufgestanden war, sobald sich Killian von seinem Chefsessel erhoben hatte, verstummte, als Killian ihm eine Tasse Kaffee reichte.

„Mr Abbott“, brachte er gequält hervor. Er war ein gewissenhafter älterer Mann, der vor seiner Stelle bei Abbott Mills das Personal von reichen Adligen in England betreut hatte. „Es wäre mir lieber, wenn Sie mich nicht bedienen würden, Sir. Das macht mich ganz nervös.“

Killian bedeutete ihm, sich wieder hinzusetzen, und setzte sich selbst mit seiner Tasse in der Hand auf eine Ecke seines Schreibtisches. „Und mich macht es nervös, dass Sie jedes Mal aufstehen, wenn ich es tue. Ich bin kein Herzog oder Graf, Jack – nur Ihr Arbeitgeber. Und Sie müssen mich nicht mit ‚Sir‘ ansprechen.“

„Ja, Sir.“ Jack stöhnte, als Killian die Stirn runzelte. „Entschuldigen Sie. Auch nach zwei Jahren Studium an der Southern Massachusetts University kann ich mich immer noch nicht an die amerikanischen Umgangsformen gewöhnen!“

„Entspannen Sie sich ganz einfach.“

„Ja, Sir.“

Killian beschloss, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Er wies auf den Bericht in Jacks Hand. „Fahren Sie fort. Die Produktivität ist hoch, die Krankheitsrate niedrig. Sehr schön.“ Es war eine gute Idee gewesen, in jeder Filiale und Fabrik einen zusätzlichen Fitnessraum einzurichten. „Das gefällt mir.“

Jack hielt die Kaffeetasse sichtlich unbehaglich in der Hand und suchte mit dem Zeigefinger nach der Stelle auf dem Blatt, wo er gerade stehen geblieben war. „Mrs Hamilton von der Filiale in Darmouth berichtet, dass der neue Reinigungsdienst hervorragend arbeitet – genauso wie die neue Einkäuferin für Damenbekleidung, die wir im vergangenen Monat an Bord genommen haben.“

„Nur gute Nachrichten“, stellte Killian fest und lächelte. „Na sehen Sie, das war doch gar nicht so übel.“

Jack lächelte erleichtert. Killian zog es vor, persönlich Bericht erstattet zu bekommen, anstatt eine schriftliche Ausfertigung bei der Vorstandssitzung zu erhalten. Doch für Jack war dies das erste Mal. Er war groß und stämmig und hatte trotz seiner sechsundfünfzig Jahre eine durchtrainierte Figur. Killian hatte ihn bei seinem Vorstellungsgespräch gefragt, warum er England verlassen wollte, wo er doch sein ganzes Leben dort verbracht hatte.

Jack hatte geantwortet, dass seine Frau gerade gestorben war und er seinen einzigen Sohn bei einem Reitunfall verloren hatte, als dieser noch ein Teenager war. „Ich fühlte mich alt und ziellos“, hatte er freimütig zugegeben. „Da dachte ich, ein Tapetenwechsel würde mir gut tun. Außerdem suche ich eine langfristige Stelle. Wie Sie aus meinem Lebenslauf sehen, habe ich zwölf Jahre für den Herzog von Burrage gearbeitet, bis er aus steuerlichen Gründen sein Gut aufgeben musste. Danach habe ich zweiundzwanzig Jahre lang bei Lord Dunnsford gedient. Ich bin sehr beständig.“

Killian hatte ihn eingestellt. Auch er liebte Beständigkeit.

Das war nun drei Monate her, und Killian fand, dass es die beste Entscheidung war, die er je für Abbott Mills getroffen hatte – wenn man einmal davon absah, dass Jack ihn wie eine königliche Hoheit behandelte.

Der Kaffee schmeckte ausgezeichnet, der Personalbericht war erfreulich, und die Sonne schien warm durch das Fenster seines Büros mitten in Manhattan. Außerdem stand das Wochenende vor der Tür und verhieß ein paar gemütliche Stunden am Strand.

Jack atmete sichtlich erleichtert auf. „Ich bin auch froh, dass ich den Bericht gut hinter mich gebracht habe, Sir. Mr Abbott, wollte ich sagen.“

„Aber in Zukunft müssen Sie von dem Gedanken Abstand nehmen, dass Sie bei einer königlichen Hoheit vorsprechen, wenn Sie zu mir ins Büro kommen. Wir sind nämlich eine ziemlich demokratisch geführte Firma. Und wir arbeiten alle gemeinsam im Dienste unserer Kunden – sozusagen. Sie werden schon noch lockerer werden, wenn Sie erst mal an unserer Jahresversammlung teilgenommen haben.“

Jack sah ihn zweifelnd an. „Man hat mir gesagt, das Jahrestreffen soll auf Ihrem Anwesen auf Long Island stattfinden. Ist das richtig?“

„Ja, das stimmt. Normalerweise halten wir es in einem großen Hotel ab. Die neuen Mitarbeiter werden vorgestellt, die aktuellen Produkte und die Verkaufsstrategie für das nächste Jahr präsentiert und so weiter. Das vergangene Jahr war äußerst erfolgreich für Abbott Mills, und da wollte ich gerne zum Ausdruck bringen, wie sehr ich die harte Arbeit meiner Angestellten schätze, indem ich sie zu mir nach Hause einlade. Sie müssen nur kurz den Personalbericht vortragen und werden dann ganz bestimmt viel Spaß beim Jahrestreffen haben.“

„Ich soll …?“ Jack klang entsetzt.

„Natürlich. Sie haben Ihre Sache gerade eben doch sehr gut gemacht. Das klappt schon. Wir werden alle miteinander ein schönes Wochenende verbringen und zwischendurch auch mal auf dem Grundstück oder am Strand spazieren gehen. So kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.“

„Ja, Mr Abbott.“

Killian nahm Jacks Bericht zur Hand und überflog ihn. „Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?“

„Ich glaube nicht, Sir. Der schriftliche Bericht geht etwas mehr ins Detail, aber die wesentlichen Stichpunkte habe ich Ihnen alle mündlich vorgetragen. Insgesamt kann man sagen, dass die Personalsituation ausgezeichnet ist.“

Killian nickte und blätterte den Bericht durch. Plötzlich stutzte er bei dem Profil der neuen Einkäuferin für Damenbekleidung. Jack hatte sie als Glücksfall für Abbott Mills bezeichnet, da sie einen Universitätsabschluss in Betriebswirtschaftslehre und große Erfahrung im Modebereich besaß. Er hatte sich sehr positiv über ihren geschickten Umgang mit den Kollegen und ihre Kompetenz geäußert … Um Himmels willen!

Killian wurde heiß und kalt, als er die Stationen ihrer früheren Tätigkeiten überflog. Einkäuferin für Bloomford’s. Drei Jahre als Marketingleiterin beim Möbelhersteller Hyatt in Newport News, Virginia.

Und sie hatte drei Jahre als Model für … André McGinty gearbeitet!

Ihr Name: Cordelia Hyatt.

Unvermittelt sprang Killian auf und stieß ein paar Worte aus, die Jack vermutlich niemals bei seinen adeligen Arbeitgebern gehört hatte. Jedenfalls war er ziemlich blass, als sein Chef den Bericht auf den Schreibtisch knallte und sich abrupt zu ihm umdrehte.

„Stimmt was nicht, Sir?“, fragte Jack mit erstaunlich ruhiger Stimme. „Egal, worum es sich handelt – ich werde es sofort in Ordnung bringen.“

„Das will ich Ihnen aber auch schwer raten, Jack“, erwiderte Killian mit kaum verhülltem Zorn. „Sie haben meine Frau eingestellt!“

Jack starrte ihn einen Augenblick lang verwirrt an. „Sie meinen … Ihre Frau … von der Sie getrennt leben?“

„Ja, die Frau, von der ich mich gerade scheiden lasse!“, donnerte Killian. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er seine Angestellten grundsätzlich nie anbrüllte, und er zählte langsam bis zehn. „Was glauben Sie, wie viele Ehefrauen ich habe?“, entgegnete er etwas ruhiger.

„Ich bitte vielmals um Verzeihung, Sir. Das wusste ich nicht.“ Jack blickte äußerst bestürzt drein. „Ich habe zwar schon etwas über Ihre Trennung nach drei Monaten Ehe mitbekommen, aber ich hatte keine Ahnung … das heißt … alle sagten, Ihre Frau sei in Schottland. Und sie sei untröstlich, so habe ich gehört.“

Untröstlich! Wütend funkelte Killian Jack an. Cordelia war sicherlich alles andere als das. Sie war es gewohnt, alles zu bekommen, was sie sich in den Kopf setzte – und sie hatte ihn unbedingt haben wollen. Über die Trennung war sie höchstens enttäuscht. Allerdings hätte sie sich diese Enttäuschung ersparen können, wenn sie nicht mit Brian Girard geschlafen hätte, dem Marketingmanager der November Corporation und Sohn des Inhabers Corbin Girard.

Die Girards und die Abbotts waren schon lange scharfe Konkurrenten im Segment hochwertiger Damen- und Herrenbekleidung. Schon Killians Vater und Corbin Girard hatten einander gehasst, und deshalb hatten sich auch Killian und Brian immer misstrauisch gegenübergestanden. Die Abneigung wurde noch dadurch verstärkt, dass die Medien und die feine Gesellschaft die beiden ständig miteinander verglichen.

Schon seit einigen Jahren drohten die Girards Abbott Mills immer wieder mit einer feindlichen Übernahme. Obwohl Killian ziemlich sicher war, dass seine Firma viel zu gut dafür dastand, lasteten die Verantwortung für seine Angestellten und die Tatsache, dass das Unternehmen seit zweihundert Jahren in Familienbesitz war, schwer auf ihm.

Jack bemühte sich redlich, unter Killians wütendem Blick Haltung zu bewahren. „Tut mir leid, Sir, aber genau das hat man mir erzählt. Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass sie wieder in Amerika ist und sich auch noch um eine Stelle bei uns bemüht. Und der neue Trend bei den amerikanischen Frauen, ihren Mädchennamen beizubehalten, hat die Sache nicht gerade einfacher für mich gemacht.“

Killian wusste, dass er damit recht hatte. Er ging wieder zu seiner Bar, doch dieses Mal goss er sich einen Whisky ein und leerte das Glas in einem Zug. Allerdings besserte dies auch nicht seine Stimmung, und er konnte sich kein zweites Glas leisten, weil er eine halbe Stunde später ein Gespräch mit seinem Werbeleiter hatte.

„Cordelia hat bei der Eheschließung meinen Familiennamen angenommen“, erklärte Killian. „Bestimmt hat sie die Tatsache, dass Sie neu in der Firma sind, zu ihren Gunsten ausgenutzt und deshalb ihren Mädchennamen angegeben.“

„Und was wünschen Sie jetzt, Sir? Was soll ich tun?“

Auf diese Frage konnte es nur eine Antwort geben. „Ich erwarte, dass Sie die Sache für mich erledigen.“

Jack starrte ihn wieder etwas verwirrt an und räusperte sich. „Tut mir sehr leid, Mr Abbott, aber Sie klingen ein bisschen wie Al Capone. Könnten Sie mir bitte genau erklären, was Sie unter ‚erledigen‘ verstehen?“

Killian sah ihm direkt in die Augen und fragte sich, ob der Mann wirklich nicht wusste, was er damit meinte – oder ob er bloß etwas Humor in die vertrackte Situation bringen wollte. „Sie sollen Cordelia nicht umbringen, Jack“, entgegnete er finster. „Sie sollen sie bloß feuern.“

„Und mit welcher Begründung, Sir? Sie hat sich bereits bestens eingearbeitet, und ihre Personalführung ist ausgezeichnet. Außerdem wurde sie bereits für alle wichtigen Modeschauen im Herbst angemeldet. Trilby sagt sogar, dass ihre Mitarbeiter ganz neu motiviert sind und …“

Killian hob abwehrend die Hand. Die siebenundzwanzigjährige Trilby Brown war Jacks Assistentin und arbeitete seit sieben Jahren für Abbott Mills. Sie hatte Cordelia schon gekannt, bevor Killian ihr begegnet war. „Trilby weiß doch, dass sie meine Frau ist“, stieß er wütend hervor. „Und sie hat Ihnen nichts davon gesagt?“

Jack schüttelte den Kopf. „Nein. Ich kann zu ihrer Verteidigung nur annehmen, dass sie meinte, Sie wüssten Bescheid und wären damit einverstanden.“

Killian warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Das glauben Sie doch selbst nicht, Jack.“

Jack seufzte. „Ich weiß nicht, Sir. Diese amerikanischen Frauen haben einen ganz eigenen Charme und eine Gerissenheit, bei der ich mit meinem begrenzten Erfahrungsschatz nicht mithalten kann.“

„Allerdings.“ Killian legte Jack freundschaftlich den Arm um die Schulter und begleitete ihn zur Tür. „Mir geht das ganz genauso. Und wenn ich es mir recht überlege, ist es nicht fair, dass Sie sich mit der ganzen Sache herumschlagen sollen. Ich werde mich selbst darum kümmern.“

„Aber Sir, schließlich bin ich verantwortlich für …“

„Nein.“ Killian schnitt ihm bestimmt das Wort ab. „Cordelia fällt in meinen Verantwortungsbereich. Ich werde die Angelegenheit regeln.“

Diesmal war es Jack, der Killian einen mitleidigen Blick zuwarf.

Cordelia Magnolia Hyatt Abbott bügelte im Hinterzimmer der größten Abbott-Filiale für Damenbekleidung ein paar Tops auf. Das Geschäft befand sich nur wenige Straßen vom Firmensitz entfernt und lag mitten in der eleganten Upper West Side von Manhattan. Oberteile, Röcke und Hosen in zarten Pastellfarben, die in dieser Saison angesagt waren, lagen um sie herum. Sie hatten beim Versand Falten bekommen und mussten nun erst einmal wieder in Form gebracht werden, bevor man sie zum Verkauf anbieten konnte.

Dies sollte ihre letzte Aufgabe am Ende eines langen und harten Arbeitstages sein. Sie hatte Stunden gebraucht, um die neue Ware auszupacken und neu auszuzeichnen und konnte es kaum abwarten, in ihrem kleinen Apartment die Füße hochlegen zu können. Natürlich könnte sie auch erst einmal im Fitnessraum vorbeischauen, doch dazu hatte sie keine Lust. Ein Stückchen Lasagne vom Italiener nebenan, vielleicht noch einen kleinen Salat dazu, erschien ihr im Augenblick wesentlich verlockender. Kalorienreich, aber verlockend.

Cordie tupfte sich vorsichtig die Schweißperlen von der Stirn. Arbeiten mit dem Dampfbügeleisen brachte sie ganz schön ins Schwitzen. Mit der anderen Hand gab sie dem blauen Top auf dem Bügelbrett den letzten Schliff.

Doch dann hörte sie die Stimmen ihrer Kolleginnen durch den Vorhang hindurch, der den Lagerraum vom Verkaufsbereich trennte.

„Hi, Mr Abbott!“ Das war die zweiundzwanzigjährige Candy aus der Jugendabteilung. Sie fand, ihr Chef sei ein „klasse Typ“.

„Mr Abbott! Schön, Sie zu sehen“, sagte Eleanor, die stellvertretende Filialleiterin. Sie trug ein elegantes Kostüm, das gut zu ihren grauen Haaren passte. Eleanor war schon in der Firma gewesen, als diese noch von Killians Vater geleitet wurde. Der Sohn war für sie ein „ganz lieber junger Mann“.

„Hey, Mr Abbott! Wie geht’s denn so?“ Die junge Miss Hunter war Gewerkschaftsmitglied und hatte sich darüber beschwert, dass Abbott Mills keinen Betriebsrat hatte. Bis sie lange genug im Unternehmen arbeitete, um festzustellen, dass man hier keinen benötigte. Trotzdem hatte sie ein waches Auge darauf, ob irgendwo Arbeitnehmer benachteiligt wurden. Sie fand, Killian sei „ein Vorbild für moderne Unternehmensführung“.

Für Cordie hingegen war er einfach all das zusammen und noch viel mehr. Er gehörte zu ihr wie ihr Herzschlag und ihr Atem. Für sie war er die Liebe ihres Lebens. Unglücklicherweise hatte er sich einmal als Ehemann zum kompletten Narren gemacht und war vor drei Monaten wütend und verletzt davongefahren. Aber in den sieben Wochen, in denen sie sich in der Jagdhütte ihres Vaters in Schottland verkrochen hatte, hatte Cordie genügend Zeit gehabt, sich eine Strategie zurechtzulegen, wie sie ihn wieder zurückgewinnen könnte.

So schaute sie ihm mit wilder Entschlossenheit fest in die Augen, als er den Vorhang beiseiteschob. Obwohl er sich gewaltig in ihr täuschte und entschlossen schien, ihrer beider Leben zu ruinieren, liebte sie ihn von ganzem Herzen.

„Killy.“ Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln und bügelte unbeirrt weiter. Insgeheim verfluchte sie die Tatsache, dass ihr Haar so an ihrer Stirn klebte und ihr Arbeitskittel Flecken hatte. Viel lieber hätte sie ihn perfekt gestylt und in einem Ballkleid bei einer Party wiedergesehen. Aber das war natürlich völlig unrealistisch. „So eine nette Überraschung. Was führt dich denn hierher zu Abbott’s West?“

Wie gut, dass sie ein Bügeleisen in den Händen hatte. Sonst hätte er vielleicht bemerkt, dass ihre Finger vor Aufregung zitterten. Ihr Plan musste einfach klappen – sie wollte ihn unbedingt zurückhaben!

Insgeheim hatte sie gehofft, dass er sich in den drei Monaten seit ihrer Trennung verändert hätte. Aber zu ihrer Enttäuschung wirkte er weder müde noch deprimiert, und sie konnte auch keine Traurigkeit in seinen strahlend blauen Augen lesen. Dafür aber Ärger.

Er trug das widerspenstige leicht gewellte Haar wie immer aus der hohen Stirn gekämmt. Jede Frau hätte ihn um seine Wimpern beneidet, die einen Ton dunkler als die hellbraunen Haare waren. Sein schön geschnittener Mund war im Moment fest zusammengepresst, sein Kinn kantig. Er hatte breite Schultern und war sehr groß und gut durchtrainiert.

„Was hast du dir dabei eigentlich gedacht?“, begann er ohne Umschweife und kam näher. Cordelia bemerkte, dass er einen seiner Armani-Anzüge trug, von denen er einen ganzen Schrank voll besaß.

Sie tat überrascht. „Ich arbeite“, gab sie zurück. „Das verlangst du doch von deinen Angestellten, wenn ich mich richtig erinnere.“

Er riss ihr das Bügeleisen aus der Hand. „Ich will aber nicht, dass du für mich arbeitest!“, stieß er wütend hervor. „Du hast vielleicht Nerven, dich hier zu bewerben!“

Cordie verschränkte die Arme und sah ihn mit der gleichen Verachtung an, mit der er sie bedachte. „Also, daran hättest du denken sollen, bevor du mich eingestellt hast!“

Ich? Das geht wohl eher aufs Konto des neuen Personalleiters. Er konnte ja nicht wissen, dass wir eine Beziehung hatten!“

Fragend hob sie eine Augenbraue. „Eine Beziehung? Killian, wir sind verheiratet.“

Killian stemmte eine Hand in die Hüfte und machte sie nach. „Ach, tatsächlich? Aber das hat dich nicht davon abgehalten, auf einer Geschäftsreise mit einem anderen Mann zu schlafen. Und nicht nur mit irgendwem, sondern ausgerechnet mit meinem schärfsten Konkurrenten!“

Cordie musste sich sehr zusammennehmen, um einen ruhigen Ton beizubehalten. „Ich habe nicht mit ihm geschlafen.“

„Was ich gesehen habe: du lagst im Bett, und er war über dich gebeugt. Das spricht für sich.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass …“

„… dass er unvermutet hereingekommen ist. Ja, ich weiß. Aber du warst in seinem Zimmer.“

„Das habe ich dir auch erklärt.“

„Richtig. Dein Zimmer ließ sich nicht abschließen, seines dagegen schon. Du bist nach einem späten Abendessen mit Geschäftspartnern ins Hotel gegangen und konntest dem Empfangschef das Problem nicht verständlich machen. Daher hat Brian angeboten, mit dir das Zimmer zu tauschen. Das ist eine so lahme Ausrede, dass ich sie als Beweis für deine Schuld werte.“

Cordie holte tief Luft, um ihren letzten Trumpf zur Rettung ihrer Ehe auszuspielen. „Und warum tust du das? Weil du nur das Schlechteste von mir glauben willst.“ Sie beugte sich vor, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Du warst glücklich mit mir, Killian! Irgendwie verstehe ich nicht – und du wahrscheinlich auch nicht –, warum du im Grunde deines Herzens nicht glücklich sein willst. Du arbeitest Tag und Nacht und versuchst mit aller Gewalt, auch noch die letzte Zelle in dir zu zerstören, die glücklich sein möchte … weil du wohl irgendwie glaubst, am Verschwinden deiner Schwester schuld zu sein!“

Drohend trat er auf sie zu. „Rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst!“

„Dann erkläre es mir doch, damit ich es verstehe!“, flehte sie. „Sag mir doch, was die Entführung der kleinen Abigail in dir angerichtet hat. Ich möchte dir so gerne helfen.“

„Nicht nötig“, entgegnete er mit beunruhigendem Ernst. „Du versuchst immer, in mein Innerstes einzudringen und mit deiner unermüdlichen guten Laune alles auf den Kopf zu stellen. Aber du bist … wie soll ich sagen … so etwas wie ein Fehltritt in meinem Leben! Ich fühle mich zu ernsthaften, beständigen Frauen hingezogen – und nicht zu impulsiven Mädchen, die den ganzen Tag lang nur lachen und sich so aufführen, als wäre das Leben eine einzige große Party.“

Cordie schockierte es, als Fehltritt bezeichnet zu werden, aber sie schluckte es tapfer hinunter. „Du hast dich trotzdem in mich verliebt“, erwiderte sie schlicht.

Er schüttelte den Kopf. „In einer schwierigen Phase meines Lebens habe ich mich in den Gedanken verliebt, dass du mir einen Ausweg zeigen könntest.“

„Du liebe Güte, einen Ausweg! Ein harter Kerl wie du, Abbott! Es macht dir doch Spaß, deine Gegner zum Zittern zu bringen. Die November Corporation wird dein Unternehmen nie im Leben übernehmen können, und du weißt das sehr genau. Abbott Mills steht viel zu gut da. Brian hat diese ganze Hotelszene sehr geschickt eingefädelt, um dich an einer verwundbaren Stelle zu treffen. Und dir kam das sehr gelegen, weil du mich loswerden wolltest. Meinetwegen hast du nämlich ab und zu das Geschäft vergessen, und das hat dir Angst eingejagt – ein Mensch zu sein aus Fleisch und Blut und kein Eisklotz.“

Äußerlich war Killian nicht anzumerken, ob ihn diese Worte trafen. Er fragte ganz ruhig: „Wenn dir dieser Eisklotz so wenig gefällt, warum hast du dich dann um einen Job in meiner Firma beworben?“

„Weil ich weiß, was für ein wunderbarer Mann du tief in deinem Innern wirklich bist. Und diesen Mann will ich wiederhaben“, entgegnete sie freimütig.

Er starrte sie einen Augenblick ungläubig an. Dann wurde sein Blick hart und kalt. „Ich habe die Scheidung eingereicht.“

„Dazu brauchst du meine Einwilligung“, erinnerte sie ihn.

„Du kannst Widerspruch einlegen, aber das wird dir nicht lange etwas nützen. Irgendwann wird die Scheidung durchgehen, und du musst sie wohl oder übel akzeptieren.“

„Da hast du recht“, gab sie zu. „Aber bis dahin kann ich in der Hoffnung leben, dass du eines Morgens aufwachen und dich daran erinnern wirst, wie glücklich du einmal warst. Und wie schön es mit uns beiden war.“

Cordies Erwiderungen überraschten und verärgerten Killian. Er wollte schon etwas entgegnen, doch dann merkte er, dass seine Schlagfertigkeit ihn diesmal im Stich ließ. Wortlos drehte er sich um und ging davon.

Killian hörte Cordies Schritte hinter sich, als er zum Aufzug eilte. Sie verstellte ihm den Weg.

Autor

Muriel Jensen

So lange Muriel Jensen zurückdenken kann, wollte sie nie etwas andere als Autorin sein. Sie wuchs in einer Industriestadt im Südosten von Massachusetts auf und hat die Menschen dort als sehr liebevoll und aufmerksam empfunden. Noch heute verwendet sie in ihren Romances Charaktere, die sie an Bekannte von damals erinnern....

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