Julia Ärzte zum Verlieben Band 151

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SO ZÄRTLICH KLINGT DIE LIEBE VON SUSAN CARLISLE
Kann man sich in eine Stimme verlieben? Wenn Cynthia die medizinischen Berichte von Dr. Donavon abtippt, läuft ihr bei dem sexy Klang ein Schauer über den Rücken. Dabei hat sie ihn noch nie gesehen! Bis er sie in sein Büro ruft und ihr einen verführerischen Vorschlag macht …

SINGLE-DAD SUCHT ÄRZTIN FÜRS LEBEN VON MARION LENNOX
Eine medizinische Fortbildung in Shallow Bay, dann wieder wegziehen – das war Rachels Plan. Der mit einem Ball, der ihr Fenster zerschmettert, zerstört wird! Denn dahinter stecken drei kleine Jungen und deren umwerfend attraktiver Vater, ihr neuer Kollege Dr. Tom Lavery …

HERZ, KOPF – EIN HEIRATSANTRAG? VON MEREDITH WEBBER
An Liebe denkt Schwester Kenzie nicht, als sie in Thailand die Betreuerin einer alten, vermögenden Dame wird. Bis der attraktive Dr. McLeod in dem Tropenparadies auftaucht! Er ist entschlossen, seiner Großmutter ihren letzten Wunsch zu erfüllen: Er muss heiraten – Kenzie!


  • Erscheinungstag 30.04.2021
  • Bandnummer 151
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501583
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Carlisle, Marion Lennox, Meredith Webber

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 151

SUSAN CARLISLE

So zärtlich klingt die Liebe

Das ist seine tüchtige Schreibkraft? Dr. Donavon dachte, Cynthia wäre eine ältere Dame. Aber sie ist jung, bildhübsch und bezaubert ihn auf den ersten Blick. Er will mehr von ihr als nur fehlerlose Medizinberichte! Doch der Playboy-Doc findet schnell heraus, dass Cynthia in ihrem Leben keinen Platz für eine lockere Affäre hat …

MARION LENNOX

Single-Dad sucht Ärztin fürs Leben

Drei Stiefsöhne, ein anstrengender Job als Arzt – manchmal weiß Tom nicht mehr, wo ihm der Kopf steht! Und seine neue, attraktive Nachbarin Rachel, die ihn für seine Erziehungsmethoden kritisiert, macht es nicht besser. Doch sie ist an seiner Seite, als ihm seine Jungen genommen werden sollen, und hat eine skandalöse Idee, wie er die Kinder behalten könnte …

MEREDITH WEBBER

Herz, Kopf - ein Heiratsantrag

Eine Vernunftehe scheint die perfekte Lösung: für Dr. McLeod, um seiner sterbenden Großmutter ihren letzten Wunsch zu erfüllen, und für Schwester Kenzie, damit sie ihr Erbe sichern kann, das an eine Ehe geknüpft ist. Noch ahnen sie beide nicht, dass ihre Heirat unendlich viel mehr bedeuten wird als eine Vernunftsentscheidung. Ob sie wollen oder nicht …

1. KAPITEL

Als Cynthia Marcum ihre E-Mails überflog und eine von Dr. Sean Donavon sah, hielt sie inne. Ein Prickeln überlief sie. Warum schrieb er ihr? Bisher hatte sie immer nur mit seiner Büroleiterin Kontakt gehabt. Hatte sie etwas falsch gemacht?

Sie arbeitete jetzt etwas mehr als einen Monat für ihn. Er war Hals-Nasen-Ohren-Arzt in einer Klinik und einer von fünf Ärzten im Stadtgebiet von Birmingham, Alabama, für die sie Schreibarbeiten erledigte. Die Bezahlung war so gut, dass sie ihn trotz ihres ohnehin hohen Arbeitspensums als Kunden aufgenommen hatte, zumal ihre Brüder Mark und Rick ständig Geld brauchten.

Dies war allerdings nicht der einzige Grund dafür, dass sie für den geheimnisvollen Arzt arbeitete. Sie hörte ihm so gern zu. Deshalb hob sie seine Bänder immer bis zum Schluss auf. Wenn sie seiner tiefen, klangvollen Stimme lauschte, stellte sie sich unwillkürlich vor, wie er sie an einem kühlen Abend, wenn der Regen ans Fenster fiel, an sich zog.

Da sie nicht genug davon bekommen konnte, hörte sie sich seine Aufnahmen oft mehr als einmal an. Selbst die medizinischen Fachausdrücke klangen aus seinem Mund erotisch. Oft fragte sie sich, ob er genauso verführerisch aussah, wie er sich anhörte.

Sie schnaufte. Wahrscheinlich war er klein und kahlköpfig. Sie hatte das bereits einmal erlebt, als sie einem Radiomoderator begegnete. Anhand seiner Stimme hatte sie ihn sich jung und attraktiv vorgestellt, doch er war mittleren Alters, klein und grauhaarig gewesen.

Dr. Donavons Stimme zu lauschen hatte sich zu ihrer Flucht aus dem Alltag entwickelt. Da es momentan niemanden in ihrem Leben gab, füllte es diese Leere. Als ihre Eltern starben, war sie mit Dave zusammen gewesen, den sie auch heiraten wollte. Dann hatte sie jedoch das Erbe regeln und sich um ihre Brüder kümmern müssen und ihn zwangsläufig vernachlässigt.

Schon bald hatte er sich beschwert, dass sie nicht genug Zeit mit ihm verbrachte, und ihr schließlich klipp und klar gesagt, er wäre nicht daran interessiert, zwei Teenager mit großzuziehen. Schließlich hatte er ihr mitgeteilt, dass er eine andere hätte. In gewisser Weise war sie erleichtert gewesen, weil er sie und ihr Bedürfnis, ihre Familie um jeden Preis zusammenzuhalten, nicht verstanden hatte.

Nach der Trennung hatte sie sich nicht bemüht, einen neuen Freund zu finden. Sie war einige Male ausgegangen, hatte die Männer allerdings nie an sich herangelassen. Wenn diese erfahren hatten, dass sie für ihre jüngeren Brüder verantwortlich war, hatten sie immer schnell einen Rückzieher gemacht. So hatte sie sich schließlich damit abgefunden, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für eine neue Beziehung war. Deshalb würde sie sich vorerst damit begnügen müssen, der Stimme von Dr. Donavon zu lauschen.

Cynthia zögerte, bevor sie die Mail öffnete und las.

Hallo Ms. Marcum,

meine Büroleiterin hat mir Ihren Namen gegeben, weil Sie die Schreibarbeiten für mich erledigen. Ich bin sehr beeindruckt von Ihrer Arbeit.

Ich schreibe Ihnen heute, weil ich gerade einen Antrag auf Forschungsgelder stelle und in den nächsten Wochen einige zusätzliche Berichte benötige. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, diese zusätzliche Arbeit zu übernehmen. Natürlich werde ich Sie dafür bezahlen.

Für Ihre Hilfe wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

S. Donavon

Das klang zwar nicht verführerisch, aber nett. Cynthia las die Mail erneut. Noch mehr Arbeit anzunehmen, konnte sich als schwierig erweisen. Da Rick im letzten Jahr auf der Highschool war, brauchte er ihre Unterstützung. Andererseits konnte sie das Geld gut gebrauchen, weil die Collegegebühren für Mark bald fällig waren.

Außerdem stellte sie ihre Kunden gern zufrieden und war stolz auf ihre Arbeit. Und sie würde Dr. Donavons Stimme noch öfter hören. Wenn sie seine Bitte ablehnte, würde er dann jemand anders mit der gesamten Arbeit betrauen? Das durfte sie nicht riskieren.

Also klickte sie auf den Antwortbutton und begann zu schreiben.

Dr. Donavon,

freut mich, dass Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind. Momentan ist meine Zeit knapp, aber ich werde mein Bestes tun, um die zusätzliche Arbeit einzuschieben.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie schnell ich die Berichte fertigstelle, aber ich werde mich beeilen.

Cynthia

Nachdem sie die Nachricht noch einmal gelesen hatte, schickte sie sie ab. Einerseits wollte sie Dr. Donavon nicht als Auftraggeber verlieren, andererseits wollte sie sich auch nicht zu viel aufbürden. Ihre Brüder standen für sie immer an erster Stelle. Doch vielleicht konnte sie sich durch das zusätzliche Geld endlich nach einem neuen Auto umsehen, denn ihres würde es nicht mehr lange machen.

Nachdem sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgebrochen hatte, um sich als medizinische Sekretärin selbstständig zu machen, hatte sie sich den Ruf erworben, fachkundig und professionell zu arbeiten. Da es nicht einfach gewesen war, sich einen Kundenstamm aufzubauen, hatte sie sich sehr darüber gefreut, Dr. Donavon dazuzugewinnen.

„He, Cyn.“ Rick, groß und schlaksig, erschien auf der Schwelle zu dem kleinen Raum vorn in ihrem Haus, den sie als Büro nutzte. Wie immer trug er ein ausgewaschenes T-Shirt und Jeans. „Ich gehe jetzt zu Joey.“

Cynthia schwang den Drehstuhl herum. „Hast du das Projekt beendet?“

„Fast.“ Als sie etwas sagen wollte, hob er die Hand. „Ich mache es morgen fertig, und der Abgabetermin ist erst in einer Woche. Keine Angst, ich habe überall Bestnoten.“

„Ja, aber dabei soll es auch bleiben, sonst bekommst du das Stipendium nicht.“

Er machte eine abwehrende Geste. „Du machst dir zu viele Sorgen. Bis dann.“

Sekunden später wurde die Hintertür geöffnet und wieder zugeknallt.

Tatsächlich machte sie sich rund um die Uhr Sorgen, seit ihre Eltern bei jenem furchtbaren Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Obwohl sie nur wenige Jahre älter war, hatte sie die Vormundschaft für ihre Brüder übernommen. Es war nicht einfach für sie alle, doch sie schafften es.

Ihr Vater hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass die Familie alles war und man seine Familie unterstützen musste. Nach diesem Motto lebte sie. Sie war es ihren Eltern schuldig, ihren Brüdern den bestmöglichen Start ins Leben zu bieten. Sobald sie das geschafft hatte, würde sie ihre Ausbildung fortsetzen und sich Gedanken um ihre eigene Zukunft machen.

Sie und ihre Brüder hatten ihr Elternhaus geerbt, doch sie musste für die laufenden Kosten aufkommen, und die deckte sie mit ihrem Gehalt. Ihre Eltern hatten ihnen etwas Geld hinterlassen, aber das sollten ihre Brüder fürs Studium oder als Grundstock für ein Eigenheim bekommen.

Cynthia zwang sich, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und stellte fest, dass Dr. Donavon schon geantwortet hatte. Sie öffnete die Mail.

Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.

Ich schicke Ihnen das Diktat heute Nachmittag und brauche die Berichte bis Montagmorgen. Falls Sie es bis dahin schaffen, bin ich Ihnen etwas schuldig.

S. Donavon

Er musste es wirklich eilig haben. Dann wusste sie ja, was sie an diesem Abend und am nächsten Morgen zu tun hatte.

Dr. Donavon,

ich werde mein Bestes tun, um die Berichte bis Montag fertigzustellen.

Cynthia

Sekunden später kam seine Antwort.

Sie sind meine Rettung.

S. Donavon

Cynthia war sich nicht sicher, ob sie einem weiteren Menschen das Leben retten konnte. Wenn sie noch jemanden in ihr Boot nahm, könnte dieses sinken. Sie fragte sich, wie es wäre, wenn sich zur Abwechslung mal jemand um sie kümmern würde.

Im nächsten Moment wurde die Küchentür geöffnet und wieder zugeknallt. „Cyn?“, rief Mark, der nur drei Jahre jünger war als sie.

„Ich bin hier.“

Er kam herein und sank auf den Sessel neben ihrem Schreibtisch, wobei er ein Bein über die Lehne legte.

„Und, wie ist es heute gelaufen?“, fragte Cynthia.

„Ich höre auf.“

Seine Worte verblüfften sie. Sie beugte sich zu ihm hinüber und umfasste die Armlehnen ihres Drehstuhls. Ihre Eltern hatten gewollt, dass sie alle aufs College gingen. Schon seit Monaten setzte sie sich mit Mark auseinander, weil er keine Lust dazu hatte, und das zermürbte sie. „Warum?“

„Das bringt doch nichts“, erwiderte er, den Blick auf den Boden gerichtet.

„Du weißt, dass Mom und Dad das nicht gutheißen würden“, sagte sie mühsam beherrscht.

„Ja. Aber es ist nichts für mich.“

„Und was willst du dann machen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Du musst dir aber etwas überlegen.“

Nun sprang Mark auf. „Hör auf, mich zu nerven. Du bist nicht meine Mutter. Wir können nicht alle wie Rick sein.“ Dann stampfte er aus dem Zimmer.

Cynthia seufzte. Auch sie vermisste ihre Eltern schmerzlich. Deshalb nahm sie ihre Verantwortung ja auch so ernst. Und natürlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie einfach nur seine Schwester hätte sein können.

Kurz vor dem Abendessen traf Dr. Donavons Diktat im System ein. Doch sie führte die Tradition ihrer Eltern fort, sich abends immer gemeinsam an den Tisch zu setzen, und ihre Brüder wussten, dass sie sie in der Woche gegen sechs zu Hause erwartete.

Zwei Stunden später setzte sie sich an ihren Computer. Sie hatte sich den Freitagabend anders vorgestellt, doch sie würde es verschmerzen. Zu tun, was getan werden musste, war Teil ihres Lebens geworden. Sie würde Dr. Donavons Arbeit bis Montagmorgen fertig haben und hoffte, ihn damit zu beeindrucken.

Sobald sie dem Klang seiner Stimme lauschte, vergaß sie, wie müde sie war und dass noch viel Hausarbeit auf sie wartete. Wenn man schon an einem Freitagabend arbeiten musste, gab es Schlimmeres, als einer verführerischen Stimme zuzuhören.

Am Montag setzte sich Sean nach dem Mittagessen an den Schreibtisch in seinem Büro im Krankenhaus, wobei er den Stuhl zurückschob und die Füße auf die Platte legte. Normalerweise las er seine Berichte nicht zweimal, doch in diesem Fall musste er es tun, denn seine Zukunft hing davon ab.

Mit dem Geld würde er seine Forschungen fortführen und die Lebensqualität vieler Patienten verbessern können. Wenn er Erfolg hatte und das neue Instrument, um das Hörvermögen zu verbessern, patentieren lassen konnte, hatte er außerdem bis an sein Lebensende ausgesorgt. Er wusste nur zu gut, wie es war, knapp bei Kasse zu sein, und wollte das nie wieder erleben.

Schon vor langer Zeit hatte er einen Finanzberater engagiert. Er war entschlossen, anders als seine Eltern nicht von Monat zu Monat zu leben und sich ständig fragen zu müssen, ob noch genug Geld da war, um die Rechnungen bezahlen oder Lebensmittel kaufen zu können. Als Kind und Jugendlicher hatte er auf vieles verzichten müssen, weil seine Eltern nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt hatten. Schon damals waren sie oft hereingefallen, wenn jemand ihnen große Gewinne versprach, und neigten auch heute noch zu Fehlinvestitionen.

Er dagegen war fest entschlossen, sein Geld zu sparen und klug zu investieren. Seine Eltern hatten eine ganz andere Lebenseinstellung als er, und da sie auch sonst total verschieden waren, hatten sie sich schon seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.

Falls ihm mit seiner Forschung der Durchbruch gelang, konnte er genug Geld beiseitelegen, um seine Eltern im Alter zu unterstützen. Er war davon überzeugt, dass sie seine Hilfe brauchen würden. Und obwohl er mit Bitterkeit auf seine Kindheit und Jugend zurückblickte, würde er sich um die beiden kümmern.

Nun musste er nur noch den Antrag zusammenstellen. Da der Wettbewerb hart war, musste dieser bis ins Detail stimmen.

Sean nahm sein Tablet, um die Berichte zu lesen. Erfreut stellte er fest, dass der erste nicht einen Fehler enthielt. Nicht, dass er es erwartet hätte, aber er musste sorgfältig sein. Ms. Marcum hatte hervorragende Arbeit geleistet, und das in so kurzer Zeit. Dafür verdiente sie ein dickes Lob.

Als seine letzte medizinische Sekretärin einen anderen Job annahm, hatte sie Ms. Marcum der Büroleiterin wärmstens empfohlen. Und da er unter Zeitdruck stand, hatte er diese angewiesen, sie sofort zu engagieren. Normalerweise traf er keine spontanen Entscheidungen, doch diesmal hatte er richtig gelegen. Er wusste nicht, was aus seinem Antrag geworden wäre, wenn Ms. Marcum die zusätzliche Arbeit nicht angenommen hätte.

Nun musste er dafür sorgen, dass sie auch weiterhin für ihn arbeitete. Seine Büroleiterin hatte ihm schon gesagt, sie könnten sich mit ihr glücklich schätzen.

Sean öffnete sein Mailprogramm und tippte Cynthia Marcums Adresse ein. Ihr Name klang, als wäre sie ein hausmütterlicher Typ mittleren Alters. Doch wie sie aussah, spielte keine Rolle.

Ms. Marcum,

ich habe die Berichte gelesen und bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin. Hoffentlich ist es in Ordnung, wenn ich Ihnen weiterhin Arbeit schicke.

Ihr sehr dankbarer

S. Donavon

Ohne zu zögern, klickte er auf „senden“.

Cynthia freute sich, denn es war immer schön, wenn man ihre Bemühungen wertschätzte. Gute Manieren und eine verführerische Stimme. Allerdings hoffte sie, sie würde jetzt nicht mehr spätabends oder am Wochenende arbeiten müssen, zumal sie ihren anderen Kunden auch gerecht werden musste.

Sie antwortete:

Dr. Donavon,

schön, dass Sie sich gefreut haben. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn ich Ihnen weiterhelfen kann.

Cynthia

Cynthia lass die Nachricht zweimal. Sie war höflich, aber geschäftsmäßig.

Eine Minute später ging eine Mail in ihrem Postfach ein.

Danke! Ich habe tatsächlich noch mehr Arbeit. Ich schicke sie Ihnen im Laufe des Tages.

S. Donavon

Vielleicht hatte sie ihm das Angebot vorschnell gemacht. Offenbar waren diese Fördergelder ihm sehr wichtig. Wenigstens hatte er ihr keine Frist genannt.

Am späten Nachmittag klingelte es an der Tür. Als Cynthia öffnete, sah sie sich einem Lieferanten mit einer Grünpflanze in einem blauen Keramiktopf gegenüber.

„Cynthia Marcum?“

„Ja.“

„Die ist für Sie.“ Der Mann überreichte ihr den Topf.

Völlig verblüfft betrachtete Cynthia die Pflanze mit der roten Blüte, während er wieder in seinen Lieferwagen stieg. Noch nie hatte ihr jemand Blumen geschickt. Unter einem der Blätter entdeckte sie einen weißen Umschlag mit ihrem Namen.

Nachdem sie die Tür mit dem Fuß geschlossen hatte, trug sie den Topf in ihr Büro und stellte ihn auf den Schreibtisch. Dann nahm sie den Umschlag und die darin enthaltene Karte heraus. Darauf stand: „Danke. Sean Donavon“.

Nun musste sie lächeln. Dr. Donavon hatte gerade wieder einen Punkt bei ihr gemacht. Egal, wie er aussehen mochte, sie hätte sich in einen Mann verlieben können, der sich die Zeit für eine solch nette Geste nahm. Sie liebte ihre Brüder, doch „Danke“ hörte sie nur selten. Wieder betrachtete sie die Pflanze. Natürlich hatte seine Büroleiterin sie geschickt.

Kurz darauf trafen seine Aufnahmen ein.

Cynthia öffnete ihr Mailsystem und schrieb:

Dr. Donavon,

vielen Dank für die schöne Pflanze. Das wäre nicht nötig gewesen, aber ich werde mich an ihrem Anblick auf meinem Schreibtisch erfreuen.

Ich habe Ihr Diktat bekommen und werde heute und morgen daran arbeiten. Sobald die Berichte fertig sind, schicke ich sie Ihnen.

Cynthia

Am Dienstag kurz vor Mitternacht wurde Cynthia mit ihrer Arbeit fertig. Am Vormittag hatte sie für einen anderen Kunden gearbeitet. Und da Rick an diesem Abend ein Basketballspiel gehabt hatte, war sie erst spät wieder an den Schreibtisch gekommen.

Am Mittwochmorgen öffnete sie Dr. Donavons übliche Sprachdateien und lauschte dem sanften Klang seiner Stimme. Lächelnd streckte sie die Hand aus und berührte die Pflanze. Sie träumte von einem Mann, den sie noch nie gesehen hatte und über den sie nichts wusste. Er konnte durchaus verheiratet sein. Schließlich riss sie sich zusammen und zwang sich, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.

Stunden später schickte sie die zwanzig Berichte an sein elektronisches Postfach. Zufrieden, weil sie an diesem Tag so viel geschafft hatte, duschte sie ausgiebig. Auf dem Weg in ihr Schlafzimmer stellte sie fest, dass sie vergessen hatte, in der Küche das Licht auszuschalten. Als sie an ihrer Bürotür vorbeikam, sah sie das Display ihres Mobiltelefons aufleuchten. Dr. Donavon hatte ihr eine Nachricht geschickt.

Sofort pochte ihr Herz schneller. Arbeitete er so spät etwa noch? Neugierig öffnete sie sie.

Danke für die Berichte und keine Ursache mit der Pflanze. Das war nur meine bescheidene Art, mich bei Ihnen zu bedanken.

Gute Nacht.

S. Donavon

Wie konnte eine simple Geschäftsnachricht sie so schwindelig machen? Sie musste sich unbedingt in den Griff bekommen, was Dr. Donavon betraf. Unwillkürlich stellte Cynthia sich vor, wie es wäre, wenn er ihr „Gute Nacht“ ins Ohr flüsterte. Prompt erschauerte sie und schüttelte den Kopf.

Dann legte sie sich ins Bett und schlief fast sofort mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Normalerweise schickte er den Frauen, die für ihn arbeiteten, keine Blumen, doch er mochte Ms. Marcum. Sie hatte ihm wirklich sehr geholfen.

Ihren E-Mails zufolge schien sie ein netter Mensch zu sein. Sean konnte sich vorstellen, lange mit ihr zusammenzuarbeiten. Und um keine neuen Mitarbeiter suchen zu müssen, sorgte er dafür, dass die guten auch zufrieden waren. Seine Büroleiterin und mehrere seiner Krankenschwestern arbeiteten schon jahrelang mit ihm zusammen.

Normalerweise ging er keine Risiken ein. Schließlich hatte er bei seinen Eltern miterlebt, was dann passieren konnte. Er war mit Freunden oder finanziellen Investitionen äußerst vorsichtig. Sicherheit ging ihm über alles. Und deswegen musste sein Antrag auch genau das sein – eine sichere Sache. Ms. Marcum half ihm dabei, das umzusetzen.

Obwohl er in der Nacht bis zwei Uhr gearbeitet hatte, war er immer noch nicht alle Berichte und Informationen durchgegangen. Organisatorische Dinge waren nicht seine Stärke. Er würde Hilfe brauchen. Sean schob einen Stapel unsortierter Unterlagen beiseite.

Der Hang zur Unordnung war eine Eigenschaft, die er von seinen Eltern geerbt hatte und anscheinend nicht ablegen konnte. Bei einer ihrer Investitionen hatten sie Buch führen müssen und es nicht vernünftig getan. So hatten sie bald den Überblick verloren. Als sein Vater feststellte, wie ernst es aussah, hatte er sich einen Aushilfsjob gesucht. Sobald die nächste vermeintlich lukrative Investition lockte, hatte er ihn jedoch wieder aufgegeben und alles in das neue „Geschäft“ gesteckt. Immer wieder hatten seine Eltern verkündet, dass sie diesmal reich werden würden. Bisher war es allerdings nicht eingetreten.

Sean hatte all das hinter sich gelassen, aber auch er war nicht gut organisiert. Deshalb brauchte er jemanden, der das für ihn übernahm, und zwar je eher, desto besser. Die Abgabefrist war in wenigen Wochen.

Ms. Marcum hatte wieder einmal ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie schien tüchtig zu sein. In ihrer letzten Mail hatte sie ihm ihre Hilfe angeboten. Ob sie ihm für einige Wochen aushelfen konnte? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

Ms. Marcum,

könnten Sie morgen Nachmittag gegen 15 Uhr in mein Büro kommen? Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, das ich gern persönlich mit Ihnen besprechen würde.

S. Donavon

Hoffentlich würde sie kommen und sein Angebot annehmen. Denn wie sollte er den Antrag fertigstellen, wenn sie ihn nicht dabei unterstützte? Seine Mitarbeiter hatten schon genug zu tun, und er konnte niemanden mehr einstellen. Allmählich war er verzweifelt.

2. KAPITEL

Am späten Vormittag öffnete Cynthia die E-Mail, die sie sich bis zum Schluss aufbewahrt hatte.

Sie antwortete:

Tut mir leid, aber um 15 Uhr habe ich einen anderen Termin. Geht es auch um 16 Uhr?

Nach kurzem Zögern schickte sie die Mail ab. Sie war versucht, den ganzen Nachmittag umzuorganisieren. Sie brauchte diesen Job. Aber sie musste unbedingt an Ricks Besprechung mit dem Ausschuss teilnehmen, der über das Stipendium entschied.

Die Antwort kam prompt:

Gegen 16 Uhr habe ich Visite. Wie wäre es um 17 Uhr? Ich halte Sie nicht lange auf, das verspreche ich.

S. Donavon

Wenige Sekunden später tippte sie: Dann bis um 17 Uhr.

Um kurz vor 17 Uhr betrat Cynthia ein modernes Gebäude mit einer Glastür. Es lag in der Stadtmitte von Birmingham gegenüber dem mehrstöckigen Krankenhaus. Der Parkplatz war schon ziemlich leer.

Sie war erst einmal hier gewesen, als sie den Vertrag unterzeichnete. Medizinische Sekretärinnen arbeiteten oft von zu Hause aus, und das war perfekt für sie. So konnte sie ihren Terminplan auf die Bedürfnisse ihrer Brüder abstimmen. Dass ein Arzt sie in sein Büro bat, war sehr ungewöhnlich. Deshalb fragte sie sich nach dem Grund dafür.

Normalerweise war jeder Arzt auf der Webseite des Krankenhauses abgebildet. Sie hatte Dr. Donavons Foto bewusst nicht gesucht, um keine Enttäuschung zu erleben. Sein Äußeres spielte ohnehin keine Rolle, denn es handelte sich um einen rein geschäftlichen Termin.

Mit klopfendem Herzen trat sie an den Empfangstresen. Würde sie enttäuscht sein, wenn sie Dr. Donavon sah?

Die junge Frau mit platinblondem Haar und rot lackierten Fingernägeln am Tresen fragte mit einem seltsamen Unterton: „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich möchte zu Dr. Donavon“, sagte Cynthia energisch.

Die Frau betrachtete sie von oben herab. „Erwartet er Sie?“

„Ja. Ich bin Cynthia Marcum, die medizinische Sekretärin. Ich sollte um 17 Uhr hier sein.“

„Mal sehen, ob er noch da ist.“ Die Blondine telefonierte. Dann verkündete sie: „Er kommt gleich. Nehmen Sie bitte Platz.“

Cynthia setzte sich an einen der Tische mit den zweckmäßigen Metallstühlen. An der Wand stand ein Regal mit Zeitschriften, in der Ecke eine künstliche Topfpflanze. Es war ruhig, und der Raum wurde nur von einer Deckenleuchte erhellt. Wenige Minuten später stand die Frau am Tresen auf und ging nach draußen, ohne noch einmal in ihre Richtung zu blicken.

War sie jetzt mit Dr. Donavon allein im Gebäude? Was wusste sie überhaupt von ihm? Selbst Ärzte konnten Axtmörder sein. Sie hätte sich nicht darauf einlassen dürfen, ihn so spät aufzusuchen. Sie hoffte, sie hatte seinen Charakter richtig eingeschätzt, auch wenn sie ihn nur von ihren Mails kannte. Nervös veränderte Cynthia ihre Position. Sie war so in ihrer Fantasie gefangen gewesen, dass sie nicht richtig nachgedacht hatte. Und nun gingen ihre Nerven mit ihr durch. Bestimmt befanden sich noch andere Leute in dem Gebäude.

Nach fünf quälend langen Minuten hörte sie Schritte.

Wie mochte Dr. Donavon aussehen? Ihr Herz pochte schneller, ihre Neugier wuchs. Die Schritte kamen näher. Nun wurde Cynthia schwindelig. Sie fühlte sich, als würde sie ihren Lieblingsrockstar treffen.

Sie schüttelte den Kopf und blickte zur Decke, um einen klaren Gedanken zu fassen. Dann stand sie auf. Niemand konnte so attraktiv sein, egal, wie wundervoll seine Stimme klang.

Doch sie täuschte sich. Der Mann, der vor ihr stehen blieb, war mindestens einsfünfundachtzig groß. Mit dem dunklen Haar und den kristallblauen Augen hätte er jede Frau schwach gemacht. Dass er über dem blau karierten Hemd und der beigen Hose einen Kittel trug, ließ ihn nicht weniger autoritär erscheinen. Er war so attraktiv, dass er der Titelseite eines Hochglanzmagazins hätte entsprungen sein können.

Ihr stockte der Atem, und sie starrte ihn an. Schließlich wurde ihr bewusst, dass sie sich blamierte.

Lächelnd sah er sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. „Ms. Marcum?“

Cynthia atmete langsam aus. Eigentlich war sie nicht so oberflächlich, dass das Äußere eines Mannes sie derart faszinierte. Sie musste unbedingt einen Makel an ihm finden, wenn sie nicht den Verstand verlieren wollte. „Ja“, erwiderte sie heiser und räusperte sich dann. „Bitte sagen Sie Cynthia. Ich halte nicht so viel von Förmlichkeiten.“

„Gut. Kommen Sie mit. Wir können uns in meinem Büro unterhalten.“

Dr. Donavon wandte sich ab. Als sie ihm nicht sofort folgte, blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. „Ms. Marcum. Cynthia?“

„Tut mir leid. Ich komme.“ Sie musste sich in den Griff bekommen.

Sie folgte ihm einen Flur entlang, von dem zahlreiche Untersuchungszimmer abgingen. An einem Tresen am Ende stand eine Krankenschwester. Sie waren also nicht allein!

Neben einer geöffneten Tür blieb Dr. Donavon stehen und bedeutete Cynthia hineinzugehen. Er folgte ihr und ging hinter den Schreibtisch, der schon bessere Tage gesehen hatte und unter Stapeln von Unterlagen begraben war. Auf ihrer Seite stand ein Holzstuhl mit gerader Lehne, der ausgesprochen unbequem wirkte.

„Ich freue mich so, Sie kennenzulernen, Cynthia. Bitte setzen Sie sich.“ Dr. Donavon nahm auf dem ebenfalls betagten Drehstuhl Platz, dessen Rollen prompt quietschten.

Nachdem Cynthia sich gesetzt hatte, blickte sie sich um. Noch nie hatte sie ein so tristes Arztzimmer gesehen. Sie hatte sich ein modernes Büro mit zahlreichen Büchern vorgestellt. Zwar gab es hier auch viele Bücher, doch der Raum wirkte ebenso altmodisch wie vernachlässigt. Nirgends standen Fotos von einer Ehefrau oder Kindern, nicht einmal von einem Hund. Nichts deutete darauf hin, dass Dr. Donavon irgendwelche Hobbys hatte. Vor den Jalousien hingen keine Vorhänge. Die einzige Lampe auf dem Schreibtisch verstärkte die traurige Atmosphäre. Das ganze Ambiente bildete einen krassen Kontrast zu dem überaus attraktiven Mann vor ihr. Unwillkürlich fragte sie sich, warum dieser Raum so … unpersönlich war.

Ob sein Zuhause auch so aussah? Hatte Dr. Donavon eine Frau, eine Mutter oder zumindest eine Freundin, die ihm beim Dekorieren helfen konnte? Am liebsten hätte Cynthia ihm einen neuen Schreibtisch und zwei bequeme Stühle spendiert. Und die Pflanze brauchte er offenbar dringender als sie.

Als er sich räusperte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Forschend betrachtete er sie mit seinen auffallend blauen Augen. „Mein Büro gefällt Ihnen nicht?“

Er war ein guter Beobachter. Sie musste aufpassen, dass er ihr ihre Gefühle nicht ansah. „Ich hatte nur nicht erwartet, dass es … so aussieht. Manchmal geht meine Fantasie mit mir durch.“

Dr. Donavon lehnte sich zurück. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Inwiefern?“

Wieder blickte Cynthia sich um. „Ich weiß nicht. Ich dachte nur, es wäre nicht so …“ Wie sollte sie es ausdrücken, ohne kritisch zu klingen? „Vielleicht hatte ich mehr Chrom und Glas erwartet.“

„Chrom und Glas sind nicht mein Fall.“

Sie lachte nervös. „Meiner auch nicht. Bitte vergessen Sie, was ich gesagt habe. Sie haben mich nicht hierhergebeten, damit ich abfällige Bemerkungen über die Einrichtung Ihres Büros mache.“

„Ich muss mich auch bei Ihnen entschuldigen. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie sind auch ganz anders, als ich Sie mir vorgestellt hatte.“

„Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht.“ Sie wusste nicht, worauf das Ganze hinauslief.

„Ganz im Gegenteil. Sie haben mich positiv überrascht.“ Er betrachtete sie weiter forschend.

Cynthia wusste nicht, wie sie auf diese Bemerkung reagieren sollte. Was hatte er erwartet? Flirtete er mit ihr? Sie konnte es nicht sagen, denn es war so lange her, dass ein Mann mit ihr geflirtet hatte. „Ich schätze, ich sollte Danke sagen.“

„Das war ein Kompliment. Ich bin unhöflich und habe Sie gekränkt. Das war nicht meine Absicht, zumal ich Sie um einen Gefallen bitten muss.“

„Mich? Um einen … Gefallen?“, hakte sie stockend nach.

„Ja. Bitte überlegen Sie sich, ob Sie mir dabei helfen können, den endgültigen Entwurf für meinen Antrag zusammenzustellen.“ Dr. Donavon lächelte charmant. „Ich könnte Ihre Hilfe wirklich gebrauchen.“ Demonstrativ deutete er auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch.

„Warum ausgerechnet ich? Ich habe keine Ahnung, wie man einen Antrag zusammenstellt.“

„Vielleicht nicht, aber dabei kann ich Sie unterstützen. Sie besitzen gute organisatorische Fähigkeiten und schreiben ebenso schnell wie genau. Das sind die besten Voraussetzungen, damit ich den Antrag pünktlich einreichen kann. Falls Sie meinen Vorschlag annehmen, zahle ich Ihnen das Anderthalbfache.“

Plötzlich wurde ihr heiß, weil er das Wort Antrag benutzt hatte. Nachdem sie von ihm fantasiert und nun festgestellt hatte, wie attraktiv er war, kamen ihr die verrücktesten Gedanken. Unbehaglich veränderte Cynthia ihre Position. Sie musste aufpassen, damit sie sich nicht noch lächerlicher machte. „Ich habe mich doch schon bereit erklärt, alles zu übertragen.“

„Ja, aber ich brauche jemanden, der mir dabei hilft, alle Berichte zu ordnen und zu formatieren, und das so schnell wie möglich.“

„Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich kann es leider nicht annehmen. Ich muss an meine Familie und an meine anderen Kunden denken, denn ich habe sowieso wenig Zeit.“

„Ihr Mann hat bestimmt Verständnis dafür, es ist ja nur für ein paar Wochen“, beharrte Dr. Donavon. „Und es ist sicher nicht so zeitaufwendig, dass Sie Ihre anderen Aufträge nicht schaffen können.“

„Ich habe keinen Ehemann.“ Verriet sein Gesichtsausdruck einen Anflug von Erleichterung? „Ich bin für meine Brüder verantwortlich.“

Nun beugte Dr. Donavon sich vor. „Wie alt sind sie?“

„Einer ist im Teenageralter und der andere schon etwas älter.“

Er wirkte verblüfft. „Hätten sie denn kein Verständnis dafür, wenn Sie ab und zu weg wären?“

„Sie würden es wahrscheinlich gar nicht merken, aber ich schon.“ Offenbar würde er nicht so schnell aufgeben.

„Was ist, wenn ich Ihnen das Doppelte zahle?“ Er verschränkte die Arme und stützte sie auf den Schreibtisch.

Cynthia schluckte. Natürlich konnte sie das Geld sehr gut gebrauchen, doch Geld war nicht das Wichtigste. Sie wollte Rick bei seinen Spielen zusehen oder da sein, wenn Mark jemanden zum Reden brauchte, vor allem in seiner derzeitigen Verfassung. „Ich bedaure, ich muss trotzdem ablehnen.“

„Gibt es irgendeine Möglichkeit, wie ich Sie überzeugen könnte?“

„Nicht jetzt. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.“ Sie warf einen Blick auf ihr Telefon. „Und jetzt muss ich los, denn ich muss in einer halben Stunde auf der anderen Seite der Stadt sein.“

„Dann will ich Sie nicht aufhalten“, sagte er in geschäftsmäßigem Tonfall.

Cynthia klemmte sich ihre Clutch unter den Arm und stand auf. Da er keine Anstalten machte aufzustehen, streckte sie ihm die Hand entgegen. „Es tut mir wirklich leid.“

Daraufhin erhob er sich ebenfalls und nahm ihre Hand. Seine war groß und umfing ihre, und aus irgendeinem Grund fühlte Cynthia sich geborgen. „Mir auch. Falls Sie es sich anders überlegen, sagen Sie mir einfach Bescheid.“

Sie nickte, woraufhin er ihre Hand losließ. Als sie den Flur entlangging, hatte sie weiche Knie. Kein Mann sollte eine derartige Wirkung auf sie ausüben, nur weil er ihre Hand berührte.

Sean beobachtete, wie ihr hellbraunes Haar wippte, als Cynthia sein Büro verließ. Er hatte eine altbackene Frau mittleren Alters erwartet, doch sie war jung und dynamisch und wusste, was sie wollte. Sie war viel interessanter, als er erwartet hatte, und er fragte sich, was eine Frau wie sie veranlasste, von zu Hause aus zu arbeiten. Es passte irgendwie nicht zu ihr.

Sie war nicht besonders groß, hatte allerdings Rückgrat. Es gefiel ihm, wie ihre Gefühle sich in ihren grünen Augen spiegelten. Ihr Blick hatte jedenfalls deutlich verraten, was sie von seinem Büro hielt, doch sie hatte es sehr diplomatisch formuliert, was er ihr hoch anrechnete.

Sean ging zum Eingang, um die Tür abzuschließen. Dabei hörte er, wie die Hintertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Die diensthabende Schwester hatte Feierabend, doch er würde noch eine Weile bleiben. Als er in die Eingangshalle trat, kam Cynthia herein.

„Kann ich meine Meinung noch ändern?“, fragte sie mit einem verzweifelten Unterton.

Ihre Frage überraschte ihn, doch er freute sich. „Natürlich.“

„Wann soll ich anfangen?“

Er lächelte. „Am besten sofort.“

Erstaunt blickte Cynthia ihn an. „Ich kann nicht …“

„Das war nicht wörtlich gemeint. Ich schicke Ihnen weitere Diktate und Informationen, wie ich mir das Ganze vorstelle. Den größten Teil können Sie von zu Hause aus erledigen, aber vielleicht müssen Sie einige Male herkommen.“

Sie nickte. „Das müsste klappen.“

„Darf ich fragen, warum Sie es sich anders überlegt haben?“

„Ich habe gerade einen Anruf von meinem Bruder bekommen, und er hat Probleme mit seinem Wagen. Es ist schon das zweite Mal in zwei Wochen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Anscheinend brauche ich das Geld.“

„Das tut mir leid.“ Gleichzeitig war er natürlich froh, dass sie ihn unterstützen würde. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Soll ich einen Abschleppwagen rufen?“

Nun schüttelte sie den Kopf. „Danke, aber Mark hat einen Freund, der den Wagen abschleppt. Bitte schicken Sie mir alles, dann fange ich sofort an.“

Sean beobachtete, wie sie draußen zu ihrem Wagen ging, ein älteres viertüriges Modell. Cynthia schien sparsam zu wirtschaften, und das bewunderte er.

Am nächsten Morgen rief Cynthia ihre E-Mails auf.

Cynthia,

haben Sie den Wagen sicher nach Hause bekommen? Bitte sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen. Ich habe einen hervorragenden Mechaniker an der Hand, den ich sofort anrufen könnte.

Ich habe einige Richtlinien für den Antrag sowie einige Dateien angefügt, die angehängt werden müssen. Bitte melden Sie sich, wenn Sie Fragen haben.

Vielen Dank für Ihre Hilfe.

Sean

Sie wusste sein Angebot zu schätzen. Je mehr sie mit Dr. Donavon zu tun hatte, desto mehr mochte sie ihn.

Natürlich fiel ihr auf, dass er mit seinem Vornamen unterschrieben hatte – vermutlich, weil sie ihm angeboten hatte, sie Cynthia zu nennen. Wollte er auch mit seinem Vornamen angesprochen werden? Sie sollte dem keine zu große Bedeutung beimessen, aber die Vorstellung gefiel ihr.

Cynthia sagte seinen Namen einige Male laut. Er passte zu ihm. Doch über all den Tagträumen durfte sie nicht vergessen, dass sie nur Chef und Angestellte waren … Dennoch pochte ihr Herz schneller, als sie die Nachricht ein zweites Mal las.

All diese Spekulationen, obwohl sie immer noch kaum etwas über ihn wusste. Vielleicht war er verheiratet. Allerdings hatte er keinen Ring getragen, was heutzutage jedoch nichts heißen musste. Sie hoffte, er war verheiratet, denn eine Romanze zwischen ihnen war undenkbar. Ja, sie musste unbedingt mehr unter Menschen gehen. Sich mit Männern treffen. Sie verbrachte zu viel Zeit in einer Traumwelt und sollte sich lieber auf die Realität konzentrieren. Darauf, dass ihre Brüder aufs College gingen und sie die Gebühren bezahlen musste und dass Reparaturkosten für Marks Auto anfielen.

In den nächsten Tagen arbeitete Cynthia hart, um Seans Berichte zu tippen und gleichzeitig ihre anderen Aufträge zu erledigen. Zu ihrer Überraschung machte es ihr Spaß, bei dem Antrag mitzuwirken. Nachdem sie sich mit der Materie vertraut gemacht hatte, bewunderte sie Sean für seine Arbeit.

Am Dienstagnachmittag fuhr sie zu Seans Büro, um die Unterlagen abzugeben. In zwei Tagen war Ricks achtzehnter Geburtstag, und sie wollte sich Zeit für die Vorbereitungen nehmen. Als sie parkte, versuchte sie, sich einzureden, dass sie die Berichte persönlich einreichte, weil sie ohnehin in die Stadt musste, doch das stimmte nicht. Insgeheim hoffte sie, Sean zu sehen. Deshalb hatte sie sich auch mehr Mühe mit ihrer Frisur gegeben und Lipgloss benutzt.

Cynthia nahm die Mappe und stieg aus. Sie musste nur hineingehen, die Unterlagen überreichen und dann wieder gehen. Sie war kein Teenager, der sich eine Begegnung mit einem Jungen erschleichen musste. Diese Zeiten waren lange vorbei. Und trotzdem verspürte sie ein Prickeln.

Sie öffnete die Glastür und ging energisch zum Empfang. „Ich bin Cynthia, die medizinische Sekretärin. Bitte lassen Sie die Unterlagen Dr. Donavon zukommen.“

Dieselbe Blondine, die auch vor einigen Tagen am Empfang gesessen hatte, nahm die Mappe entgegen. „Das mache ich.“

Cynthia wandte sich um, als ein Mann mittleren Alters aus dem Flur in die Eingangshalle kam, gefolgt von Sean. Sofort wurde ihr heiß, als hätte man sie bei etwas Verbotenem ertappt.

Offenbar freute Sean sich, sie zu sehen, denn er lächelte. Sie lächelte ebenfalls.

Nun klopfte er dem Mann auf den Rücken. „Schön, dass es Ihnen so gut geht, Ralph. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“ Während der Mann zum Ausgang ging, kam Sean zu ihr. „Hallo, Cynthia.“

„Ich habe Ihnen einige Berichte und die ersten zehn Seiten des Antrags gebracht, damit Sie sie sich ansehen können.“ Sie deutete auf den Tresen. „Ich habe sie Ihrer Empfangsdame gegeben.“

„Prima. Ich sehe sie mir an und sage Ihnen Bescheid, ob noch Änderungen vorgenommen werden müssen. Schön, dass Sie es vorbeigebracht haben.“

In natura war seine Stimme noch faszinierender. Cynthia schluckte. „Gern. So, jetzt muss ich weiter.“

„Ich melde mich bei Ihnen“, erwiderte er.

Und ich freue mich darauf. Irgendwie schaffte sie es, die Worte nicht auszusprechen.

In den zwei Tagen, die sie sich freigenommen hatte, musste sie viel erledigen. Sie hatte die Vorbereitungen für Ricks Geburtstag getroffen und andere Dinge erledigt, die sie aufgeschoben hatte. Für die Feier war nun alles fertig. Sie musste nur noch die Sachen ins Auto laden und zum Paintballfeld fahren.

Sie erwarteten etwa zwanzig Teenager, sowohl Mädchen als auch Jungen. Normalerweise feierten Mark und Rick immer bei Torte und Eis mit Freunden, doch dies war ein ganz besonderer Geburtstag. Und da sie mit den Überstunden zusätzlich verdient hatte, hatte sie beschlossen, etwas mehr auszugeben.

Sie hatte noch ein paar Stunden Zeit, deshalb öffnete Cynthia ihr Postfach, um für die nächsten Tage zu planen. Als sie eine Mail von Sean entdeckte, bekam sie Schmetterlinge im Bauch.

Hallo Cynthia,

ich hoffe, Sie haben einen schönen Tag. Mir ist etwas dazwischengekommen, und ich brauche Charles Chadworths OP-Bericht. Er ist wichtig für den Antrag, und ich möchte einen Kollegen bitten, ihn zu begutachten. Er fährt morgen in den Urlaub, hat mir aber versprochen, es heute Abend zu tun. Haben Sie ihn fertig?

Ich weiß, dass es weit über Ihre Aufgaben hinausgeht, aber könnten Sie ihn um 16 Uhr einem Boten übergeben?

Danke.

Sean

Cynthia blickte auf die Uhr. Sie hatte gerade genug Zeit, den Bericht zu tippen, doch es würde niemand im Haus sein, um ihn dem Boten zu übergeben.

Deshalb antwortete sie:

Ich kann ihn tippen, aber heute hat mein Bruder Geburtstag, und wir feiern woanders. Deshalb kann ich um 16 Uhr nicht hier sein.

Da ich den Bericht nicht auf der Veranda liegen lassen möchte, könnte ich ihn Ihnen heute Abend gegen 21 Uhr im Büro vorbeibringen.

Würde das reichen?

Cynthia

Eine halbe Stunde später hatte sie den Bericht fertig, und eine weitere Mail von Sean traf ein.

Das reicht nicht. Ich brauche den Bericht unbedingt früher.

Ich höre mich um, ob ich jemanden finde, der ihn abholen kann. Dann melde ich mich wieder.

Sean

Sie durfte auf keinen Fall zu spät zu Ricks Party kommen, denn als Gastgeberin trug sie die Verantwortung. Cynthia blickte auf die Uhr. Sie musste los, doch sie musste auf eine weitere Nachricht warten. Nach zehn Minuten meldete Sean sich wieder.

Ich habe keinen Boten gefunden, der jetzt kommen kann, und hier ist auch niemand. Können wir uns irgendwo treffen?

Sean

Cynthia tat die beiden Blätter in einen wattierten Umschlag. Der Bericht musste wirklich wichtig sein, wenn Sean sich mit ihr treffen wollte.

Dann müssen Sie kommen. Die Adresse lautet: 5182 Falcon Road, Bessemer, AL.

Sean antwortete sofort.

Wir treffen uns dort. Danke, dass Sie es so kurzfristig schaffen.

Sean

Cynthia konnte das aufgeregte Prickeln nicht unterdrücken. Sie würde Sean wiedersehen. Es war lange her, dass sie das letzte Mal so empfunden hatte.

Ungläubig blickte Sean sich um, als er die angegebene Adresse erreichte. Vor ihm erstreckte sich ein Feld mit Häuserfassaden, Unterständen und verstreuten Fässern. Auf einem Grasstreifen an der Seite parkten verschiedene Fahrzeuge in einer Reihe, überwiegend aufgebockte Lastwagen.

Wo war er hier gelandet?

Er parkte neben einem roten Lastwagen und stieg aus. Zwischen den Gebäuden und anderen Hindernissen entdeckte er Leute in weißen Maleroveralls, die Schutzbrillen trugen. Während sie hin und her liefen, wurden sie mit explodierenden Farbbällen beschossen.

Warum war Cynthia hier?

Langsam ging er auf einen Unterstand zu, unter dem zwei Teenager lachend das Geschehen auf dem Feld verfolgten. An der Seite entdeckte er ein Schild, auf dem Peek’s Paintball stand. Darunter hing eine Preisliste. Dies gehörte zu jenen Freizeitvergnügen, für die er sein Geld nicht verschwendete.

Sean gesellte sich zu den Jungen, die ihn neugierig betrachteten. „Hallo. Weiß einer von euch, wo ich Cynthia Marcum finde?“

Einer der Jungen deutete aufs Feld. „Sie ist irgendwo da draußen.“

Sean versuchte, Cynthia unter den Spielern auszumachen.

„Sie haben gerade vor ein paar Minuten ein neues Spiel angefangen. Es dauert wohl eine Weile, bis sie kommt“, informierte der andere ihn.

Sean wurde ungeduldig. Cynthia wusste doch, dass er kommen wollte. Warum erschien sie nicht? „Wo habt ihr sie das letzte Mal gesehen?“

Der Junge deutete auf die rechte Seite des Felds, und Sean machte sich auf den Weg.

„He“, rief der andere. „Ich würde das nicht ohne Schutzbrille und Gewehr machen.“

Sean zögerte. Sicher würde niemand auf einen Unbewaffneten schießen. Er trug nicht einmal einen Overall.

„Ich gebe Ihnen meinen.“ Der andere Junge reichte ihm seinen Helm.

„Danke“, erwiderte Sean. „Glaubt ihr wirklich, sie würden auf mich schießen?“

Beide nickten.

„Können Sie mit einem Markierer umgehen?“, fragte der größere der beiden.

Sean betrachtete die „Waffe“, an der ein Plastikbehälter und eine Art Kanister angebracht waren. „Nein, nicht wirklich.“

„Der ist automatisch. Sie müssen nur den Abzug betätigen. Das hier ist das Magazin.“ Der Teenager deutete auf den Plastikbehälter. „Darin befinden sich die Paintballs. Und dies ist der Tank.“ Er legte die Hand auf den Kanister. „Einfach zielen und schießen. Zielen Sie auf den Rumpf.“

Die beiden machten offenbar Witze. Bestimmt spielte Cynthia nicht mit. „Ist das wirklich nötig?“

Beide Jungen nickten.

„Ach, und nehmen Sie auf keinen Fall die Maske ab, bevor das Pfeifen ertönt. Paintballs können böse Prellungen verursachen.“

„Verstanden.“ Sean ging weiter. Bereits nach wenigen Metern traf ihn etwas am Oberarm, und er entdeckte einen großen gelben Fleck auf seinem guten dunkelblauen Pullover. Wenigstens trug er Jeans. Schnell suchte er hinter einem Fass Schutz. Als er sich hinhockte, hörte er zwei „Einschüsse“, und um ihn herum spritzte Farbe auf.

Von einem Unterstand in der Nähe hörte er Kichern. Als er den Blick dorthin schweifen ließ, entdeckte er zwei Mädchen.

„Wir hätten Sie beinah erwischt“, rief eins.

Sean ging wieder in Deckung. „Wisst ihr, wo Cynthia ist?“

„Zu welchem Team gehören Sie?“

„Zu keinem. Ich will zu Cynthia.“ Er hatte ja nicht ahnen können, dass es sich so schwierig gestalten würde.

„Sie verteidigt unsere Festung“, rief das andere Mädchen.

„Festung?“

„Ja. Das ist die Kirche. Passen Sie auf. Sie ist eine gute Schützin.“

„Wir glauben Ihnen ausnahmsweise“, rief die andere. „Wir lassen Sie durch.“

„Danke. Sehr nett von euch.“ Sean stand auf und lief geduckt zu der Fassade, die wie eine weiße Kirche aussah. Als er an der Hüfte getroffen wurde, suchte er Zuflucht hinter einem provisorischen Zaun. Jetzt war es Zeit zurückzuschießen.

Als er die Umgebung absuchte und einen Jungen entdeckte, drückte er den Abzug. Zwei Paintballs zerplatzten unmittelbar vor dessen Füßen auf dem Boden. Als der Junge sich umdrehte und weglief, traf der dritte ihn in den Rücken.

Sean lächelte. Dieses Spiel entpuppte sich interessanter, als er gedacht hatte. Er rannte zu einem weiteren Fass und rechnete damit, beschossen zu werden. Als nichts passierte, schöpfte er Selbstvertrauen und lief weiter. Hinter einer hohen Eiche ging er in Deckung und wartete.

Wo steckte Cynthia? Er wollte sich den Bericht schnappen und in sein Büro zurückkehren, denn er hatte noch zu tun. „Cynthia?“, rief er.

„Hier“, rief sie wenige Sekunden später.

Tatsächlich befand sie sich hinter der Kirche. Geduckt rannte er in die Richtung. Diesmal hatte er nicht so viel Glück, denn einige Jungen sprangen hinter der Fassade eines Geschäfts hervor und zielten auf ihn. Im Zickzackkurs suchte er hinter der Kirche Deckung und prallte prompt mit jemandem zusammen. Sie gingen beide zu Boden.

Sekunden später blickte er Cynthia in ihre weit geöffneten Augen. Hätten sie keine Masken getragen, hätten ihre Münder sich fast berührt. Sean wünschte, er könnte Cynthia küssen. Wie weich ihre weiblichen Kurven waren! Als sie sich bewegte, spürte er diese noch intensiver.

„Sean … Was machen Sie hier?“ Benommen sah sie ihn an.

„Meinen Sie, hier bei Ihnen oder hier auf dem Spielfeld?“

Für einen Moment wirkte sie perplex, als würde sie die Frage nicht verstehen. „Beides, denke ich.“

„Ich habe Sie gesucht. Sie wollten sich doch hier mit mir treffen.“ Sie hatte wirklich schöne Augen.

Cynthia versuchte, unter ihm herauszukommen. „Aber ich habe Sie nicht gebeten, mich umzuwerfen.“

„Nein, das war purer Zufall.“ Und es gefällt mir. Sean kniete sich hin. Dann registrierte er über ihnen eine Bewegung und blickte auf. Ein Junge stand vor ihnen und zielte auf sie.

Schnell rollte Cynthia sich weg. „Ich muss die Festung verteidigen“, murmelte sie, während sie nach ihrem Markierer griff.

Sean hob seinen hoch und zielte. Der Paintball traf den Jungen an der Brust, und sofort rann rote Farbe über seinen Overall.

„Oh Mann, Cyn, ich war so dicht dran“, sagte dieser enttäuscht.

Cynthia kicherte. „Und doch so weit davon entfernt.“ Dann sah sie wieder Sean an. „Danke, Doc, guter Schuss.“

„Gern geschehen.“ Jungenhaft lächelnd, stand er auf und reichte ihr die Hand, um ihr hochzuhelfen. „Es gibt für alles ein erstes Mal.“ Offenbar hatte er nicht nur sich selbst, sondern auch sie beeindruckt, und das gefiel ihm aus irgendeinem Grund.

„Sie haben wirklich noch nie Paintball gespielt?“ Sie blickte sich um, offenbar nach Feinden Ausschau haltend.

„Nein.“ Für derartige Aktivitäten hatten seine Eltern nie Geld übriggehabt. Nur zu gern hätte er auch einmal einen Geburtstag auf diese Art und Weise gefeiert oder wäre zu einem eingeladen worden.

Der Junge kehrte zum Ausgangspunkt zurück.

„Er ist also raus?“, fragte Sean.

„Ja, er wurde an der Brust getroffen, also muss er jetzt aussetzen.“ Cynthia ging wieder in Deckung. „Ich würde Sie jederzeit mit in mein Team nehmen“, fügte sie mit einem bewundernden Unterton hinzu.

Unwillkürlich straffte er sich.

Nun blickte sie ihn wieder an und zupfte an seinem Ärmel. „Gehen Sie lieber in Deckung, sonst bekommen Sie noch mehr Farbe ab.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Warum tragen Sie eigentlich keinen Overall? Ihren Pullover und Ihre Jeans haben Sie schon ruiniert.“

„Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt mitzuspielen. Ein Junge sagte mir, ich sollte nicht ohne Maske und Markierer aufs Spielfeld gehen. Einen Overall hat er mir nicht angeboten. Ich bin gekommen, um meinen Bericht abzuholen, nicht, um zur Zielscheibe zu werden. Also, wann haben Sie Zeit, damit Sie mir die Unterlagen geben können?“

„Es dauert nicht mehr lange.“ Erneut hielt Cynthia Ausschau. „Mein Team müsste jetzt jeden Moment zurückkehren.“

„Und wie erkennen Sie Ihre Teammitglieder?“

„An der Farbe ihrer Helme“, sagte sie, als wäre das selbstverständlich.

Keine der Frauen, die er kannte, hätte Paintball gespielt. „Das heißt, Sie erkennen erst aus der Nähe, ob es Freund oder Feind ist?“

„Ja. Aber deshalb macht es ja auch so viel Spaß.“

Überrascht musste Sean sich eingestehen, dass er auch Gefallen daran gefunden hatte. „Spielen Sie öfter Paintball?“, fragte er neugierig.

„Sie hatten ein Teammitglied zu wenig. Also bin ich eingesprungen.“ Aufmerksam hielt Cynthia nach Feinden Ausschau. „Ich bin in ein paar Minuten fertig.“

Da sie das Spiel ernst nahm, hatte es offenbar keinen Sinn zu drängeln. Sie sah süß aus in dem weißen Overall und mit der Maske, die ihr Haar zurückhielt. Seltsam, dass er eine ungeschminkte, mit Farbe bespritzte Frau bewunderte, denn normalerweise stand er auf Frauen, die sich nicht die Finger schmutzig machten.

Nun kam ein großer, schlaksiger Junge auf sie zugerannt. „He, Cyn, wir haben gewonnen. Ich habe den Letzten erwischt.“

Cynthia stand auf. „Super!“

Sean erhob sich ebenfalls.

„Das war mein bester Geburtstag überhaupt. Danke!“ Der Junge blieb vor ihnen stehen und umarmte Cynthia.

Sie drückte ihn ebenfalls. „Schön, dass es dir gefallen hat.“ Dann nahm sie ihre Maske ab und schüttelte das Haar aus.

Sean betrachtete sie fasziniert. Ihm wurde heiß. Sie war so sexy, wenn ihr das Haar über die Schultern fiel, doch es war ihr offenbar nicht bewusst.

Es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben, doch er hatte noch nie nach derart kurzer Zeit so stark auf eine reagiert. Manchmal waren sie nur für eine Nacht geblieben, manchmal einige Monate. Er wollte eine Frau, die ernsthaft und fokussiert war, so wie er. Als Kind und Jugendlicher hatte er die Erfahrung gemacht, dass manche Menschen einfach durchs Leben stolperten. Er hingegen plante und überlegte sich jeden Schritt.

Er kannte den Wert von harter Arbeit und investierte sein Geld klug. Egal, wie unterhaltsam es sein mochte, er konnte nicht nachvollziehen, wieso Cynthia so viel Geld für eine Geburtstagsparty ausgab und es nicht sinnvoller einsetzte. Schon jetzt war ihm klar, dass sie nicht die Richtige für ihn war, trotzdem gefiel sie ihm. Also konnte er ihre Gesellschaft ruhig noch etwas auskosten.

„Sean, ich möchte Ihnen meinen jüngsten Bruder Rick vorstellen. Wir feiern heute seinen Geburtstag. Rick, das ist Dr. Donavon.“ Sie legte Rick die Hand auf den Arm.

Die starke Zuneigung zwischen den beiden war offensichtlich. Wegen des großen Altersunterschieds hatte er keine enge Bindung zu seinem älteren Bruder und seiner älteren Schwester, die er beide schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

„Schön, dich kennenzulernen, Rick. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Sean reichte ihm die Hand und stellte fest, dass der Junge einen festen Händedruck hatte. „Bitte nenn mich Sean.“

Cynthia lächelte herzlich, offenbar erfreut darüber, dass er ihrem Bruder erlaubte, ihn beim Vornamen zu nennen. Das gefiel ihm, und die Emotionen, die das in ihm weckte, wollte er lieber nicht ergründen.

Nun reichte sie ihrem Bruder Helm, Maske und Markierer. „Nimmst du mir die bitte ab? Ich muss für Sean Unterlagen aus dem Auto holen.“

„Ah, klar.“ Rick wandte sich an ihn. „Ich kann Ihre auch nehmen.“

Nachdem Sean die Maske abgenommen hatte, reichte er sie ihm zusammen mit dem Markierer. „Der Junge mit dem roten Haar hat sie mir geliehen.“

„Das ist Johnny. Ich gebe sie ihm zurück.“ Rick marschierte davon.

„Mein Wagen steht dahinten.“ Cynthia ging zum Parkplatz.

Sean folgte ihr und stellte fest, dass sie einen schönen Hüftschwung und einen wohl gerundeten Po hatte.

Verdammt, er musste mit solchen Gedanken aufhören!

3. KAPITEL

Cynthia blickte sich zu ihm um. In seinen Augen flackerte ein schuldbewusster Ausdruck auf. Hatte Sean gerade ihren Po betrachtet?

Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken, genau wie in dem Moment, als Sean mit ihr zusammengestoßen war. Die Empfindungen, die er in ihr weckte, machten sie nervös. Das musste ein Ende haben, denn er war ihr Chef, und außerdem lebten sie beide in völlig unterschiedlichen Welten.

Cynthia ging schneller. Sie hatte keine Zeit, sich Gedanken über Sean Donavon zu machen, denn sie musste sich darauf konzentrieren, ihre Brüder zu unterstützen und sich und die beiden über Wasser zu halten. Sie konnte es sich nicht leisten, von Sean zu träumen.

An ihrem Wagen angekommen, atmete sie erleichtert auf. Dann wurde ihr allerdings bewusst, dass sie den Overall ausziehen musste, weil die Schlüssel sich in der Tasche ihrer Jeans befanden. Angestrengt versuchte sie, es nicht wie einen Striptease aussehen zu lassen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als sie sich aus dem Teil wand.

„Ein Gentleman würde mir seine Hilfe anbieten“, bemerkte sie scharf, woraufhin er grinste.

„Ich habe den Anblick genossen.“

Prompt stieg ihr das Blut ins Gesicht.

Nun kam er näher, was alles noch schlimmer machte, und zog am Kragen.

„Danke.“

„Gern geschehen.“

Nachdem Cynthia den Schlüssel aus der Jeans genommen hatte, verknotete sie die Ärmel des Overalls in der Taille.

„Und, haben Sie den Wagen reparieren lassen?“, fragte Sean.

„Er läuft wieder, aber meine Brieftasche ist leer.“ Sie drückte auf den elektronischen Türöffner.

„Ich wette, diese Feier hat ein Übriges getan“, meinte er sachlich.

Kritisierte er sie etwa? „Rick wird nur einmal achtzehn. Er hat eine schöne Feier verdient. Etwas Spaß.“

„Ja, vielleicht.“ Er klang skeptisch.

„Für Sie ist es jedenfalls gut, denn es bedeutet, dass ich für Sie arbeite, solange Sie mich brauchen.“ Schnell nahm sie die Mappe vom Sitz und drückte sie ihm in die Hand.

Seine Mundwinkel zuckten, und das machte sie nervös. Erneut erschauerte sie, als sie sich vorstellte, wie er sie berührte. Hoffentlich merkte er es ihr nicht an. Der Mann brachte sie völlig aus der Fassung.

„Danke.“

„Cyn, komm schnell!“ Rick, immer noch in voller Montur, kam winkend auf sie zugerannt. „Ann Marie ist verletzt.“

„Was ist passiert?“, rief Cynthia.

„Sie ist gestürzt, und ihr Bein tut weh“, rief er.

„Sag ihr, sie soll sich nicht bewegen. Ich komme sofort.“ Sie bückte sich und zog einen Erste-Hilfe-Kasten unter dem Sitz hervor. Als sie sich wieder aufrichtete, war Sean nirgends zu sehen. Doch noch während sie auf Rick zueilte, hörte sie Schritte und entdeckte Sean neben sich.

„Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht helfen“, erklärte er.

„Danke.“ Sie war ihm wirklich dankbar. Und falls Ann Marie ernsthaft verletzt war, konnte sie einen Arzt an ihrer Seite gebrauchen.

Hinter einem Stapel Fässer auf dem Spielfeld trafen sie auf Rick, der neben einem Mädchen kniete. Die junge Frau trug immer noch ihren Overall, doch ihre Maske lag neben ihr. Das blonde Haar fiel ihr über den Rücken, während sie sich den linken Knöchel rieb. Einige andere Teenager standen um die beiden herum.

Cynthia kniete sich ebenfalls neben sie. „Was ist passiert, Ann Marie?“

„Mein Knöchel. Ich kann nicht laufen.“ Ann Marie hatte offenbar starke Schmerzen.

Cynthia legte ihr die Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. „Wo genau tut er weh?“

„Genau hier.“ Ann Marie schrie auf, als sie die Stelle berührte.

Cynthia begann, das Bein des Overalls hochzukrempeln. „Sag Bescheid, wenn ich dir wehtue. Ich muss deine Socke runterrollen.“ Als Ann Marie sich bewegte, fuhr Cynthia fort: „Halt still, sonst machst du es noch schlimmer.“ Vorsichtig tastete sie den Knöchel ab. Als sie die Innenseite erreichte, zuckte das Mädchen zusammen.

Cynthia beugte sich hinüber, um die Stelle besser betrachten zu können. Diese färbte sich bereits lila. Sie wollte den Schnürsenkel von Ann Maries Schuh öffnen.

„Nicht!“, rief Sean in dem Moment und hockte sich neben sie.

Für einen Moment hatte sie ihn völlig vergessen. Sie war überrascht, weil er sich nicht früher eingemischt hatte. Fragend blickte sie ihn an.

„Der Fuß könnte gebrochen sein. Der Schuh stabilisiert ihn“, erklärte er. „Es ist besser, wenn man ihn erst in der Notaufnahme auszieht.“

„Dein Knöchel ist auf jeden Fall verstaucht“, informierte Cynthia Ann Marie. „Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen.“ Als diese zu weinen begann, tätschelte Cynthia ihr tröstend das Bein. „Das wird schon.“

Unter Tränen sah Ann Marie sie an. „Meine Eltern werden richtig sauer sein. Sie hatten gesagt, ich soll nicht zu der Feier gehen.“

Cynthias Magen krampfte sich zusammen. „Sie werden sicher Verständnis dafür haben. Jetzt machen wir uns erst mal Gedanken über deinen Knöchel. Wir müssen dich in den Wagen und dann ins Krankenhaus schaffen.“

„Ich möchte den Fuß noch mehr stabilisieren, nur für den Fall, dass er gebrochen ist“, sagte Sean, woraufhin sie sich zu ihm umwandte.

„Und wie sollen wir das tun?“

„Wir müssen etwas um den Knöchel und den Schuh wickeln, zum Beispiel ein langes Kleidungsstück.“ Er sah erst sie und dann die anderen an.

„Ich habe einen Schal im Wagen – geht das?“, fragte ein Mädchen.

„Das wäre toll“, erwiderte er lächelnd.

„Ich hole ihn schnell.“ Sofort eilte es zum Parkplatz.

„Ich muss dein Hosenbein noch weiter hochrollen, damit ich deinen Knöchel bandagieren kann“, wandte er sich nun an Ann Marie, bevor er damit begann. „Und, in welche Klasse gehst du?“

„In die elfte.“

Er nickte. „Was ist dein Lieblingsfach?“

„Ich mag Englisch.“

„Aha.“

Cynthia beobachtete ihn. Offenbar konnte er gut mit Patienten umgehen. Ann Marie hatte inzwischen aufgehört zu weinen und konzentrierte sich darauf, seine Fragen zu beantworten.

Wenige Minuten später kehrte das andere Mädchen zurück und warf ihm den Schal zu, den er Ann Marie daraufhin wie eine elastische Bandage anlegte.

Schließlich stand er auf. „Rick, stellst du dich bitte hinter Ann Marie und hebst sie an, während ich sie hochziehe? Ann Marie, du darfst den Fuß auf keinen Fall belasten.“

Rick stellte sich hinter sie, und auf Seans Kommando hin halfen sie ihr mit Cynthias Unterstützung hoch. Ehe sie das Gleichgewicht verlieren konnte, hob Sean sie hoch.

„Ich bringe sie ins Krankenhaus und bleibe bei ihr, bis ihre Eltern kommen“, informierte er Rick.

Da er offenbar keinen Widerspruch duldete, nickte Cynthia und wandte sich ebenfalls an Rick. „Du fährst meinen Wagen nach Hause. Ich komme so schnell wie möglich nach. Ihr könnt hier den Kuchen und das Eis essen. Das Eis ist in der Kühlbox im Kofferraum.“

„Ich kümmere mich darum“, rief eines der Mädchen, während Cynthia Sean folgte, der bereits in Richtung Parkplatz ging. „Wir bringen dir später etwas nach Hause, Ann Marie.“

Ann Marie winkte ihr matt zu.

„Danke“, rief Cynthia über die Schulter. Als sie sah, dass Sean auf eine Limousine zuging, eilte sie an ihm vorbei, um eine der hinteren Türen zu öffnen. Doch diese war verschlossen.

„Der Schlüsselbund ist in meiner Hosentasche“, sagte er.

Was? Auf keinen Fall würde sie in seine Hosentasche langen.

„Ich kann Ann Marie …“

Sean bedachte sie mit einem strengen Blick. „In meiner rechten Hosentasche. Nehmen Sie ihn heraus.“

Cynthia ging um ihn herum. Nachdem sie mühsam geschluckt hatte, schob sie langsam die Hand in die Tasche. Zum Glück waren seine Jeans nicht sehr eng. Unwillkürlich verspannte sie sich. Er atmete scharf ein, ein Zeichen dafür, dass es ihn nicht kaltließ. Sie biss sich auf die Lippen während sie die Hand tiefer gleiten ließ. Schnell umfasste sie den Schlüsselbund und zog ihn heraus. Dann drückte sie auf den Wagenschlüssel und öffnete eine der hinteren Türen.

Vorsichtig verfrachtete Sean Ann Marie auf den Sitz und trat zurück. Cynthia legte ihr die Arme unter die Achseln und zog sie zu sich. „Ann Marie, ich mache jetzt die Tür zu, dann kannst du dich dagegenlehnen. Es wird etwas unbequem, aber du musst das Bein und den Fuß ausstrecken.“

Sie beobachtete, wie Sean sich schnell den Pullover auszog. Dabei rutschte sein Hemd aus dem Hosenbund und gab den Blick auf seinen flachen Bauch frei. Sie musste zugeben, dass sie enttäuscht war, als er die Arme wieder sinken ließ.

„Hier.“ Nachdem er den Pullover zusammengerollt hatte, gab er ihn dem Mädchen. „Den kannst du dir in den Rücken stopfen.“

Cynthia schloss die Tür und vergewisserte sich, dass Ann Marie einigermaßen bequem saß, bevor sie neben Sean einstieg.

„Danke für Ihre Hilfe“, sagte sie.

„Keine Ursache.“

Eine halbe Stunde später hielt Sean vor der Notaufnahme des Krankenhauses. Nachdem er einen Krankenpfleger mit einer Trage geholt hatte, hoben sie Ann Marie vorsichtig darauf. Dann wandte er sich an Cynthia und reichte ihr seinen Schlüsselbund. „Parken Sie meinen Wagen? Ich kümmere mich um Ann Marie. Ein Freund von mir ist Orthopäde und arbeitet hier. Ich rufe ihn an.“

„Okay. Ich komme gleich nach.“

Nach zehn Minuten gesellte Cynthia sich im Untersuchungsraum zu ihnen. Sie hatte ihren Overall ausgezogen. In dem Sweatshirt mit dem Logo eines Colleges und in den Jeans sah sie aus, als wäre sie in Ann Maries Alter.

„Die Ärztin ist noch unterwegs“, informierte der Krankenpfleger sie.

„Ich habe schon Dr. Mills angerufen“, erwiderte Sean. „Er hat sich bereit erklärt, Ann Marie zu untersuchen, und sollte gleich kommen.“

Cynthia trat ans Bett. „Hast du starke Schmerzen?“

„Es pocht so“, erwiderte das Mädchen leise.

Cynthia tätschelte ihr die Hand. „Bestimmt werden sie den Fuß röntgen.“

„Mom und Dad werden nicht begeistert sein, wenn sie mich sehen.“ Ann Marie schien sich mehr Sorgen wegen ihrer Eltern als wegen des Knöchels zu machen.

Unterwegs hatte sie ihre Eltern angerufen und ihnen erzählt, was passiert war und in welches Krankenhaus man sie brachte. Die offenbar wütende Mutter war deutlich zu hören gewesen.

„Bestimmt werden sie einfach nur froh sein, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist“, versicherte Cynthia.

Bald darauf erschien ein Mitarbeiter aus der Radiologie und nahm Ann Marie mit, sodass Cynthia und Sean allein im Raum zurückblieben.

„Ach, hier sind Ihre Schlüssel.“ Sie reichte sie ihm. Dabei stieg ihr das Blut ins Gesicht. Dachte sie an den Moment, als sie sie aus seiner Tasche genommen hatte?

Als ihre Hand seine streifte, durchzuckte es Sean heiß. Was hatte diese Frau nur an sich? „Das haben Sie vorhin gut gemacht. Es sah aus, als hätten Sie eine Ausbildung in Erster Hilfe gemacht.“

Nun wich sie einige Schritte zurück. „Eher eine Ausbildung zur Krankenschwester.“

„Wirklich?“

„Ja, zur staatlich geprüften Krankenschwester, aber ich habe die Ausbildung nicht beendet.“ Cynthia setzte sich auf einen der beiden Stühle, die Hände im Schoß, als würde sie sich in seiner Nähe etwas unbehaglich fühlen.

„Das hat man gemerkt. Sie waren ruhig und beherrscht.“ Er war beeindruckt gewesen. Sie hätte die Situation auch ohne ihn gemeistert.

„Und Sie haben schnell reagiert, indem Sie ihren Fuß bandagiert haben.“

Lächelnd zuckte er mit den Schultern. „Na ja, ich habe ja auch eine medizinische Ausbildung.“

„Es war nett von Ihnen, uns hierherzufahren und Ihren Freund anzurufen. Schließlich hatten Sie heute etwas anderes vor. Sie müssen auch nicht bleiben.“

Sean lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme. „Wollen Sie mich etwa loswerden?“

„Nein, aber ich weiß, dass Sie wegen des Antrags in Zeitdruck sind.“

Er blickte auf die Uhr. Vor dem Treffen mit Charles hatte er noch etwas Zeit. „Ich habe es nicht eilig. Ich rufe meinen Kollegen an und verschiebe den Termin.“

„Wo haben Sie den Bericht eigentlich gelassen?“ fragte sie angespannt.

„In mein Auto gebracht, während Sie den Erste-Hilfe-Kasten geholt haben.“

Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet, und ein Paar mittleren Alters eilte herein. Das konnten nur Ann Maries Eltern sein. Während Sean sich straffte, stand Cynthia auf und ging auf die beiden zu. Er folgte ihr.

„Mr. und Mrs. Lucas, ich bin Cynthia Marcum, Ricks Schwester. Ann Marie geht es gut. Sie wird gerade geröntgt.“

Drohend trat die Frau auf sie zu. „Wie konnte das passieren? Ich habe Ann Marie verboten, auf die Feier zu gehen, weil Sie die einzige Aufsichtsperson waren. Sie tragen die Verantwortung dafür.“

Cynthia wich zurück und stieß dabei mit ihm zusammen. Er spürte, wie sie leicht zitterte, und verspannte sich sofort. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass jemand so mit ihr redete.

„Ich kann Ihnen versichern, dass Ms. Marcum sich hervorragend um Ann Marie gekümmert hat und immer noch kümmert. Es war ein Unfall.“ Dann ging er um Cynthia herum und stellte sich zwischen sie und die aufgebrachte Mutter. „Ich bin Dr. Sean Donavon. Ann Marie geht es gut.“

Cynthia trat neben ihn, offenbar wollte sie sich allein behaupten. „Mr. und Mrs. Lucas, ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Tochter unter ständiger Aufsicht war und in kompetenten Händen ist. Sie ist gestürzt und hat sich den Knöchel verstaucht. Wir haben sie nur vorsichtshalber hierhergebracht. Es tut mir leid, dass das passiert ist, aber es ist nicht schlimm.“

„Ich habe Dan gesagt …“ Die Mutter blickte ihren Mann an, bevor sie wieder Cynthia anfunkelte. „… dass Ann Marie nicht auf die Feier darf. Ich wusste, dass etwas passieren wird!“

Sean entspannte sich, als im nächsten Moment Ann Marie wieder in den Raum gerollt wurde. Er berührte Cynthia an der Schulter und deutete mit einem Nicken auf die gegenüberliegende Wand. Daraufhin folgte sie ihm dorthin. Offenbar war sie genauso froh wie er, dass das Gespräch beendet war. Er musste sich beherrschen, um der hysterischen Mutter nicht die Meinung zu sagen. Ann Maries Vater hatte die ganze Zeit geschwiegen.

Sofort eilte die Mutter ans Bett. „Oh, Schatz, geht es dir gut? Ich habe dir doch gesagt, dass du auf der Party nichts zu suchen hast.“

„Rick ist mein Freund“, jammerte Ann Marie.

„Ja, aber du weißt doch, wie wir über seine Familie denken.“ Wieder funkelte ihre Mutter Cynthia an.

„Pst, Mom“, zischte Ann Marie.

Sean hatte genug gehört. Es tat ihm leid, dass Ann Marie sich nun allein verteidigen musste, aber seine und Cynthias Anwesenheit machte die Situation nicht besser. „Ann Marie, Cynthia und ich gehen jetzt. Wir melden uns bei euch, um uns nach dir zu erkundigen. Sag mir Bescheid, wenn du Probleme hast. Mein Freund Dr. Mills kommt bald, um deinen Fuß zu untersuchen. Er ist sehr nett. Frag ihn, ob er dir ein Foto von seinem Frettchen zeigt.“

An Marie lächelte matt. „Danke, Sean. Cynthia. Tut mir leid, dass ich die Party vermasselt habe.“

Hocherhobenen Hauptes trat Cynthia ans Bett, als wollte sie die Eltern in ihre Schranken weisen. „Mach dir deswegen keinen Kopf. Wir haben noch genug Eis und Kuchen. Wenn du wieder zu Hause bist, schicke ich Rick vorbei, damit er dir etwas bringt.“

„Das klingt toll.“

Cynthia verließ das Untersuchungszimmer, und Sean folgte ihr. Am Schwesternzimmer blieben sie stehen, um Bescheid zu sagen, dass Ann Maries Eltern eingetroffen waren und sie nun gehen würden.

„Was sollte das alles?“, fragte Sean, sobald sie außer Hörweite waren.

„Es geht wohl darum, dass ich für meine beiden Brüder verantwortlich bin und Ann Maries Eltern denken, ich würde meine Sache nicht gut machen. Danke für Ihre Unterstützung. Sie sind ein netter Kerl, Dr. Sean Donavon.“

Ihre Worte machten ihn stolz. „Ich weiß, die letzten Stunden waren ziemlich stressig für Sie, und Sie würden bestimmt am liebsten sofort nach Hause fahren, aber ich muss noch den Bericht im Büro meines Freundes abgeben.“

Cynthia warf ihm einen müden Blick zu. „Kein Problem. Ich warte im Wagen.“

„Wirklich? Sie können auch gern mit hochkommen.“ Er wollte sie nur ungern im Wagen zurücklassen.

„Okay“, erwiderte sie nach kurzem Zögern.

„Ich hole ihn schnell.“

„Ich komme mit“, erklärte sie traurig, und er wünschte, er hätte sie aufheitern können. „Ich muss mich abreagieren. Meine Eltern wären außer sich, wenn sie wüssten, dass jemand so schlecht von unserer Familie denkt.“

„Die Mutter war aufgeregt, weil sie sich um ihre Tochter sorgte. Ich würde das nicht so ernst nehmen.“

„Wenn das nur so einfach wäre!“

Forschend betrachtete er sie. „Ich weiß, dass es das nicht ist.“

Nachdem Sean den Bericht aus seinem Wagen geholt hatte, führte er Cynthia zum Mitarbeiteraufzug und anschließend im fünften Stock einen Flur entlang, von dem mehrere Türen abgingen.

Vor einer blieb er stehen und klopfte.

„Herein“, rief jemand.

„Ich warte hier“, sagte Cynthia, als er sie ansah.

Wenige Minuten später gesellte er sich wieder zu ihr. „Erledigt. Gehen wir.“

Im Aufzug lehnte Cynthia sich an die gegenüberliegende Wand, und er betrachtete sie. Dabei bemerkte er einen gelben Klecks in ihrem Haar. „Sie haben Farbe im Haar, an der Schläfe.“

Sie strich sich durchs Haar, allerdings an der falschen Stelle.

Er streckte die Hand aus, um die Farbe zu entfernen. Dabei merkte er, wie sie den Atem anhielt. Nachdem er die Farbe entfernt hatte, zeigte er ihr den Finger. „Hier.“

Autor

Susan Carlisle
<p>Als Susan Carlisle in der 6. Klasse war, sprachen ihre Eltern ein Fernsehverbot aus, denn sie hatte eine schlechte Note in Mathe bekommen und sollte sich verbessern. Um sich die Zeit zu vertreiben, begann sie damals damit zu lesen – das war der Anfang ihrer Liebesbeziehung zur Welt der Bücher....
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Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
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