Julia Best of Band 192

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WIE RETTET MAN EINEN MILLIARDÄR? von MARTON, SANDRA
Der Millionendeal ist nur noch Stunden entfernt, als Lucas Vieira plötzlich ohne Übersetzerin dasteht! Seine Retterin ist die schöne Caroline Hamilton. Nicht nur beruflich ist sie für den Brasilianer ein Glücksfall, denn aus dem erfolgreichen Abend wird eine berauschende Nacht zu zweit …

LEIDER VIEL ZU SEXY! von MARTON, SANDRA
Als Aushilfs-Nanny ist Anna wunderbar - aber leider viel zu sexy. Ihre ständige Nähe ist für Lincoln eine erotische Herausforderung. Von Tag zu Tag begehrt er die aufregend sinnliche junge Frau mehr und muss sich bezähmen. Eine Affäre kann er sich jetzt einfach nicht erlauben …

SEKTFRÜHSTÜCK IM HILLTOP INN von MARTON, SANDRA
Eine Nacht im siebten Himmel mit dem Mann ihrer Träume - Emily ist trunken vor Glück. Ausgerechnet ihr erfolgsverwöhnter und ausnehmend attraktiver Chef Jacob führt sie in das Reich der Liebe. Doch Emily spürt: So ein Mann hat sicher nicht nur Erfolg im Beruf, sondern auch bei anderen Frauen …


  • Erscheinungstag 29.09.2017
  • Bandnummer 0192
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708931
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sandra Marton

JULIA BEST OF, BAND 192

1. KAPITEL

Lucas Vieira beherrschte sich nur mit Mühe.

Der Tag hatte schon schlecht begonnen. Doch der bevorstehende Nachmittag versprach, eine Katastrophe zu werden. Seine persönliche Assistentin hatte sich heute freigenommen, und die Aushilfssekretärin hatte ihm einen Kaffee serviert, der so schmeckte, als sei ihr das Kaffeewasser angebrannt.

Kopfschüttelnd schob er das Gebräu zur Seite und blickte dann auf das Display seines Handys. Jemand hatte versucht ihn anzurufen. Es war ein Reporter, der schon seit Wochen hinter ihm her war, um ein Interview von ihm zu bekommen. Wer mochte ihm wohl die Geheimnummer verraten haben?

Lucas schützte sein Privatleben so gut es ging. Er vermied jeden Kontakt mit den Medien, reiste ausschließlich im eigenen Jet. Zudem waren sein Penthouse in New York, sein Wochenendhaus am Ozean und seine Privatinsel in der Karibik durch modernste elektronische Anlagen gesichert.

Der geheimnisvolle Lucas Vieira, so nannte ihn die Presse. Öffentliche Auftritte beschränkte Lucas auf ein Minimum, denn ganz kam er als einer der reichsten Männer Amerikas um Kameras und Mikrofone nicht herum.

Ohne den üblichen familiären Hintergrund aufweisen zu können, war er bereits mit dreiunddreißig einer der ganz Großen in der Finanzwelt. An medienwirksamen Auftritten lag ihm nichts, und Interviews gab er ausschließlich, wenn dies dem Wohle seiner Firma diente.

Nach seinem Erfolgsrezept gefragt, hatte er einmal geantwortet: „Ich bin eben besser vorbereitet als andere und daher in der Lage, gewinnbringende Geschäfte für mich zu entscheiden.“ Dass er vorher rücksichtslos jedes Hindernis aus dem Weg räumte, verschwieg er.

Lucas runzelte die Stirn und drehte sich in seinem Sessel. Gedankenverloren kehrte er seinem imposanten Schreibtisch aus Edelholz den Rücken und blickte aus dem Fenster über die Skyline Manhattans.

Wenn er seinem Credo auch in dieser Situation treu bleiben wollte, musste er sich etwas einfallen lassen. Einen Weg gab es immer, er musste ihn nur finden – was ihm in seinem bisherigen Leben auch stets gelungen war.

Von seiner Mutter ausgesetzt, war er als Straßenkind in Rio aufgewachsen. Er hatte in Kartons geschlafen, sich Essensreste aus Mülltonnen geholt und Touristen bestohlen, um nicht zu verhungern. Mit sieben änderte sich sein Leben schlagartig. Zu schwach und fiebrig, um vor einem Polizisten zu fliehen, blieb er einfach sitzen.

Das war sein Glück, denn der Polizist wurde zufällig von einer Sozialarbeiterin begleitet. Diese nahm sich seiner an und sorgte dafür, dass er einen Platz in einem Projekt für Straßenkinder bekam. Von nun an hatte er eine feste Bleibe und ausreichend zu essen.

Dann wurde er in eine Pflegefamilie vermittelt, dann in die nächste, denn er war ein schwieriges Kind. Er war eigenwillig, besaß einen ausgeprägten Freiheitsdrang, und auf körperliche und seelische Gewalt reagierte er mit Verweigerung. Als er achtzehn wurde und keinen Vormund mehr brauchte, hatte er bereits mehr Lebenserfahrung als die meisten in seinem Alter.

Er wusste schon damals genau, was er wollte – respektiert werden.

Und er wusste auch, wie sich dieses Ziel verwirklichen ließ: durch Geld und Macht. So arbeitete er hart, nahm jeden Job an und studierte nebenbei. Er verschaffte sich eine umfassende Allgemeinbildung, gewöhnte sich tadellose Umgangsformen an und kleidete sich stets angemessen und elegant. Er wurde Börsenmakler, arbeitete sich hoch und gründete Vieira Financial. Mit dreiunddreißig hatte er sein Lebensziel verwirklicht.

Fast, denn dieser Tag, der so schlecht angefangen hatte, drohte mit einer Katastrophe zu enden. Lucas sprang auf und schritt unruhig im Zimmer auf und ab.

Elin, Model und seine derzeitige Geliebte, war am Vormittag im Büro gewesen, hatte ihm eine Szene gemacht und ihre Beziehung für beendet erklärt. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wäre da heute Abend nicht das Essen mit Leonid Rostow gewesen. Es ging um einen Millionendeal, hinter dem die Konkurrenz ebenso her war wie er selbst.

Lucas jedoch war taktisch geschickter vorgegangen als alle anderen, und Rostow schien sich für ihn entschieden zu haben. Er hatte nämlich Lucas’ Einladung angenommen und flog allein deshalb von Moskau nach New York.

Lucas sprach kein Russisch und Rostow kein Amerikanisch. Beim letzten Treffen in Moskau hatte seine Frau Ilana, die in England studiert hatte, für beide übersetzt. Ilana war eine Schönheit, die ihre klassischen Züge der modernen Chirurgie verdankte, der kein Brillant zu groß und kein Parfüm zu schwer sein konnte – und sie war nymphoman.

Während des Essens in Moskau war sie unter dem Tisch, vor neugierigen Blicken durch das gestärkte weiße Damasttuch hervorragend geschützt, äußerst aktiv gewesen. Auch Rostow hatte nicht bemerkt, dass seine Gattin mit der einen Hand den ganzen Abend zwischen Lucas’ Schenkel zugange gewesen war. Lucas war es heute noch ein Rätsel, wie er das Essen mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck hatte überstehen können.

Wohl auf Ilanas Drängen hin hatte Rostow von Lucas verlangt, zu dem heutigen Termin keinen professionellen Dolmetscher zu engagieren, weil Ilana diese Aufgabe übernehmen wolle, seine Freundin jedoch solle er unbedingt mitbringen.

Lucas hatte nur gelacht, denn er hatte einen Trumpf im Ärmel. Elin Jansson war Finnin und sprach Russisch ebenso fließend wie ihre Muttersprache. So war sie in der Lage, zwei Funktionen gleichzeitig zu erfüllen, ihm zu dolmetschen und ihn vor Ilanas lüsternen Übergriffen zu schützen.

Er stützte die Arme auf die Fensterbank und schloss die Augen. Hätte Elin nicht einen Tag später Schluss machen können? Was sollte er heute Abend nur tun?

„Mr. Vieira?“ Zögernd betrat die Aushilfe sein Büro. „Ich habe geklopft, aber Sie haben nicht gehört.“ Ängstlich blickte sie ihn an, als er sich zu ihr umdrehte.

„Was ist, Denise?“

„Ich heiße Elise.“ Sie schluckte. „Mr. Rostow hat angerufen. Er und seine Frau werden sich wahrscheinlich etwas verspäten, und ich dachte … Ich meine, wir sollten vielleicht dem Restaurant Bescheid geben, dass sie den Tisch nur für drei Personen decken.“

Das war ja unfassbar! Wusste denn schon die ganze Welt von seinem persönlichen Desaster?

„Habe ich Sie darum gebeten?“, fragte er scharf.

„Nein. Ich dachte nur …“, wiederholte sie noch einmal und schluckte wieder. „Mr. Gordon stand gerade bei mir am Computer, als Ms. Jansson in Ihr Büro stürmte. Wir konnten sie wirklich nicht aufhalten! Wir mussten alles mit anhören, weil sie die Tür nicht ins Schloss gezogen hatte.“

„Na super! Gehen Sie jetzt an Ihren Schreibtisch zurück. Wenn Sie Ihren Job in meiner Firma behalten wollen, erwähnen Sie diese Privatangelegenheit nie wieder, weder mir noch einem anderen gegenüber. Verstanden?“

Anscheinend hatte Denise, Elise, oder wie immer sie hieß, wirklich begriffen, denn sie senkte den Kopf, schlich sich aus dem Zimmer und schloss lautlos die Tür hinter sich.

Lucas setzte sich wieder an seinen imposanten Schreibtisch aus feinstem Edelholz, stützte das Kinn auf die Hände und ließ die Szene mit Elin noch einmal Revue passieren. Elins Entscheidung, die Beziehung zu beenden, kam ihm nur recht, der Zeitpunkt dagegen hätte ungünstiger nicht ausfallen können.

Würde es heute Abend beim Essen zum Vertragsabschluss mit Rostow kommen, wäre das die Krönung seiner Karriere! Einen Moment lang war er versucht, Elin anzurufen und sie zu bitten, ihn dieses eine Mal noch zu begleiten. Doch so schnell ihm die Idee gekommen war, verwarf er sie auch wieder.

Er ging zur Schrankwand, öffnete das Barfach und schenkte sich einen Whisky ein. Es war immer ein Fehler, Privates und Geschäftliches zu vermischen. Die Quittung dafür hatte er jetzt bekommen.

Wie sollte er innerhalb weniger Stunden eine Frau finden, die schön und klug genug war, um als seine Geliebte durchzugehen, und obendrein perfekt Englisch und Russisch sprach? Das schien in der Kürze der Zeit selbst in New York nicht machbar.

Lucas schreckte aus seinen Gedanken auf, weil jemand die Tür öffnete. Im Zeitlupentempo drehte er sich um.

„Mr. Vieira?“ Elise lächelte unsicher, ließ Jack Gordon ins Zimmer treten und zog sich dann hastig wieder zurück.

Lucas hatte Jack vor gut einem Jahr eingestellt, weil er clever war und gute Einfälle hatte. Manchmal fragte Lucas sich jedoch, ob Jack wirklich der loyale Mitarbeiter war, für den er sich stets ausgab. Eisig sah er ihn an.

„Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund für diesen Überfall, Jack.“

Jack Gordon erblasste, hielt jedoch Lucas’ Blick stand. „Was ich zu sagen habe, fällt mir nicht leicht.“ Er atmete tief durch. „Ich habe die Sache mit Ms. Jansson unfreiwillig miterleben müssen. Außerdem weiß ich, dass sie heute Abend übersetzen sollte, weil Mr. Rostov professionelle Dolmetscher ablehnt.“

„Und?“

„Ich kenne eine Frau, die intelligent ist, aussieht, wie ein Model und fließend Russisch spricht. Sie wäre der ideale Ersatz für Ms. Jansson.“

Lucas schöpfte für einen Moment Hoffnung – aber auch nur für einen Moment. Der Zwanzig-Milliarden-Dollar-Deal, um den es an diesem Abend ging, war für ihn von größter Bedeutung. Sich bei derart komplizierten Vertragsverhandlungen in einer Sprache, die er nicht verstand, auf einen unbekannten Menschen zu verlassen, wäre der reinste Wahnsinn. „Gut gemeint, Jack, aber vergessen Sie es.“

„Bitte glauben Sie mir, Sir. Ich kenne Dani seit Jahren, sie ist genau die Frau, die Sie suchen.“

„Und wieso würde diese Dani einspringen? Aus reiner Menschenfreundlichkeit?“

„Wir sind Jugendfreunde, sie würde es mir zum Gefallen tun, Mr. Vieira.“

Lucas biss die Zähne zusammen. Ein Zwanzig-Milliarden-Dollar-Deal, der von Leonid abhing, der zu viel Wodka trank, und von Ilana, die es nur auf seinen Hosenschlitz abgesehen hatte, und dazu eine Übersetzerin, die für ihn ein unbeschriebenes Blatt war?

Unmöglich.

Doch noch unmöglicher wäre es, sich ein Geschäft dieser Größenordnung entgehen zu lassen.

„Okay. Geben Sie ihr Bescheid.“

„Wirklich?“ Erstaunt zog Jack die Brauen hoch.

„Natürlich. Sie haben es mir doch empfohlen, oder? Sagen Sie dieser Dani, ich hole sie um halb acht ab. Wo wohnt sie?“

„Sie wird direkt ins Hotel kommen“, antwortete Jack hastig.

„Gut, dann um zehn vor acht im Foyer des Palace.“ Sollte diese Dani seinen Ansprüchen nicht genügen, gab ihm das genügend Zeit, ihr eine Aufwandsentschädigung in die Hand zu drücken und sie mit dem nächsten Taxi wieder nach Hause zu schicken. „Sie weiß doch, wie man sich anzieht und sich sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt, oder?“

„Selbstverständlich, Sir.“

„Natürlich werde ich sie bezahlen. Sagen wir, tausend Dollar für den Abend.“

Es sah aus, als müsse Jack ein unfreiwilliges Lächeln unterdrücken, was Lucas irritierte. Fand er als Angestellter es etwa lustig, seinen Boss in der Klemme stecken zu sehen?

„Das klingt gut.“ Jack hatte sich wieder unter Kontrolle. „Viel Glück, Mr. Vieira.“ Er streckte den Arm aus.

Lucas zögerte einen Moment. Irgendetwas störte ihn an Jack Gordon. Da er jedoch keine Wahl hatte, schüttelte er die ihm angebotene Hand.

Jack Gordon überprüfte noch einmal, ob er die Tür zu seinem Büro auch wirklich fest zugezogen hatte, und zog dann sein Handy aus der Tasche.

„Dani, Baby, ich habe etwas für dich.“ Schnell erklärte er die Angelegenheit. Dani Sinclair hatte für lange Reden nichts übrig, dafür wurde sie von Männern nämlich nicht bezahlt.

Dani atmete einmal tief durch. „Ich wiederhole, dieser Lucas Vieira ist einer der reichsten Männer der Welt, und du hast mir ein Date mit ihm vermittelt?“

„Ja, allerdings ein ungewöhnliches Date. Du gehst mit ihm, einem russischen Geschäftspartner und dessen Frau essen, gibst dich als seine Freundin aus und übersetzt nebenbei für ihn. Dein Studium ist also doch nicht so unnütz, wie es mir immer scheint.“

„Jack, ich muss an die Zukunft denken, deshalb ist mir mein Universitätsabschluss so wichtig. Was zahlt er?“

„Tausend.“

„Soll das ein Witz sein, oder leidest du an Gedächtnisschwund? Ich nehme zehntausend Dollar den Abend.“

„Baby, wir waren schon als Kinder befreundet.“

„Also gut, fünftausend, weil du es bist, Jack.“

„Fünftausend, nur, um mit jemandem essen zu gehen?“

„Ganz richtig, und wenn er nach dem Essen noch etwas von mir möchte, kommt meine übliche Gebühr dazu.“

„Das musst du ihm selbst erklären, Dani.“

Sie lachte. „Du hast ihm also nicht erzählt, womit ich mein Geld verdiene? Willst du ihn schockieren?“

„Nein.“ Jacks Stimme klang plötzlich schneidend. „Ich möchte ihn mir verpflichten, und das wird mir gelingen, ganz egal, wie der Abend ausgeht.“

„Was für ein ausgesprochen netter Mensch du bist! Wann findet das Essen statt?“

„Heute Abend, zehn vor acht im Foyer des Palace.“

„Heute Abend?“ Dani bemühte sich, nicht bestürzt zu klingen. Sie war nämlich bereits mit ihrem texanischen Ölmillionär verabredet, der sie regelmäßig alle vier Wochen besuchte. Die fünftausend Dollar von Lucas Vieira wolle sie sich trotzdem nicht entgehen lassen. Sie würde schon einen Weg finden.

„Geht in Ordnung“, redete sie schnell weiter. „Also zehn vor acht im Palace.“

Sofort, nachdem Dani das Gespräch beendet hatte, rief sie das Telefonbuch ihres Handys auf und wählte die Nummer von Caroline Hamilton.

„Hi, Caroline! Hier ist Dani, wir kennen uns aus dem Seminar über Tschechow. Mir ist für heute Abend ein Übersetzungsjob angeboten worden, der leider nicht in meinen Terminplan passt. Da habe ich sofort an dich gedacht.“

Caroline runzelte die Stirn. Ach ja, Dani, die wie sie an ihrer Doktorarbeit schrieb. Lange Beine, rassige Figur und stets exklusiv und nach der neuesten Mode gekleidet. Sie hatte mit Dani noch nie privat gesprochen, sondern mit ihr lediglich die Telefonnummern ausgetauscht. Das hatten alle Seminarteilnehmer getan, falls sie einmal Mitschriften austauschen wollten.

„Und was ist das für ein Job?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

„Ein etwas ungewöhnlicher. Du sollst während eines Geschäftsessens dolmetschen.“

Essen? Carolines Magen machte sich schmerzhaft bemerkbar. Um Geld zu sparen, hatte sie mittags nur einen Kaffee getrunken.

„Und noch etwas, du sollst dich als die Freundin des Auftraggebers ausgeben – übrigens ein superreicher Börsenmakler.“

„Wie bitte? Was soll denn das Theater?“

„Keine Ahnung. Vieira, so heißt der Typ, wünscht es so.“

„Da ist doch garantiert etwas faul an der Sache! Lieb von dir, dass du an mich gedacht hast, Dani, aber der Job ist nichts für mich.“

„Hundert Dollar.“

„Dani, bitte verstehe …“

„Zweihundert. Du kannst in einem der besten Restaurants New Yorks nach Herzenslust schlemmen und dir anschließend zweihundert Dollar in dein Abendtäschchen stecken.“

„Damit ist die Entscheidung gefallen. Ich besitze kein einziges Stück Garderobe, mit dem ich mich in einem Luxuslokal blicken lassen könnte.“

„Ich trage Kleidergröße achtunddreißig und Schuhgröße neununddreißig. Und du?“

„Ich auch, aber ehrlich …“

„Dreihundert“, unterbrach Dani sie. „Ich packe alles zusammen und bin sofort bei dir. Ich bringe Kleider, Schuhe und Schminke mit. Glaub mir, das wird ein Riesenspaß. Gib mir schnell deine Adresse, wir haben wirklich keine Zeit zu verschenken.“

Caroline dachte an die dreihundert Dollar – und nannte Dani ihre Anschrift.

Zwei Stunden später betrachtete sie sich im Spiegel und erkannte sich nicht wieder.

Die sündhaft teuren Haarpflegemittel, die Dani mitgebracht hatte, ließen ihr Haar in warmen Goldtönen schimmern. Ihre schon von Natur aus ausdrucksvollen braunen Augen wirkten dank des bronzefarbenen Lidschattens noch dunkler und geheimnisvoller, und das Rouge, das perfekt mit der Farbe der Lippen harmonierte, betonte ihre hohen Wangenknochen.

Und erst das Kleid! Es bestand nur aus einem Hauch von schwarzem Chiffon über einem engen Unterkleid aus Satin und endete mehr als eine Handbreite über dem Knie. Der extrem kurze Rock und die hochhackigen Sandaletten aus goldfarbenen Lederriemchen ließen ihre Beine endlos lang erscheinen. Würde sie auf solchen Absätzen überhaupt laufen können?

Sie kam sich selbst fremd vor und bekam Angst. „Dani, ich …“

„Du hast dich vom hässlichen Entlein in einen schönen Schwan gemausert“, fiel Dani ihr ins Wort. „In einer halben Stunde beginnt dein großer Auftritt – und noch etwas, lass den Typen im Glauben, du seist Dani, andernfalls könnte es für den Freund, der mir den Auftrag vermittelt hat, schwierig werden. Abgemacht?“

„Ich soll mich also nicht nur als Freundin dieses Typen ausgeben, sondern auch noch meine Identität verleugnen? Nimm es mir nicht übel, Dani, aber das geht echt zu weit!“

„Fünfhundert, und der Mann heißt Lucas Vieira, präg dir das um Himmels willen ein, Lucas Vieira!“

„Fünfhundert Dollar?“ Caroline schluckte. „Also gut.“

2. KAPITEL

Lucas duschte und zog sich für den Abend um. Zu dem grauen Anzug mit weißem Hemd wählte er eine ausgesprochen modische Krawatte und wirkte so elegant und dennoch lässig gekleidet. Er ging den kurzen Weg zum Hotel zu Fuß, das gab ihm die Gelegenheit, sich zu sammeln und auf die bevorstehenden Verhandlungen zu konzentrieren.

Es machte ihm immer noch zu schaffen, Elin so falsch eingeschätzt zu haben. Allein deshalb steckte er jetzt in der Klemme und musste alles auf eine Karte setzen.

In dem großzügigen und geschmackvoll eingerichteten Foyer des Luxushotels herrschte um diese Zeit reger Betrieb. Deshalb stellte er sich mit dem Rücken vor eine Säule und beobachtete den Eingangsbereich. Doch keine Frau, auf die Jack Gordons Beschreibung passte, trat aus der Drehtür. Nervös blickte er auf die Uhr. Es war fast acht.

Da erschien eine Frau, die keinen Begleiter hatte und Ende zwanzig sein mochte. Doch alle anderen Eigenschaften, die Jack ihm genannt hatte, trafen nicht auf sie zu.

Ihr Haar war nicht braun, sondern schimmerte golden. Die Farbe ihrer Augen konnte er von Weitem nicht erkennen, doch sie waren mandelförmig wie die einer Katze. Ihr Gesicht war oval, die Lippen in einem sanften Rosé geschminkt.

Selbst aus der Ferne faszinierte sie ihn.

Sie war zierlich, ohne zerbrechlich zu wirken. Ihre ausgesprochen weiblichen Rundungen zeichneten sich verführerisch unter dem dünnen, seidigen Stoff ihres kurzen schwarzen Kleides ab, und die extrem hohen Absätze ihrer goldfarbenen Sandaletten ließen ihre ohnehin schon langen Beine geradezu endlos erscheinen.

Wie sie wohl ohne das Kleid, nur in den hohen Schuhen und ihren Dessous aussehen mochte? Lucas schluckte und versuchte, sich wieder auf wichtigere Dinge zu konzentrieren. Da hob sie den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen.

Sein Herz schien ein Schlag auszusetzen, und unwillkürlich machte er einen Schritt auf sie zu. In dem Moment wandte sie den Kopf und blickte sich suchend um – der Zauber zerbrach.

Lucas atmete tief durch. Was war nur los mit ihm? Er schien mit den Nerven am Ende zu sein und brauchte dringend Urlaub. Sobald er diesen Deal abgewickelt hatte, würde er sich eine Auszeit in seinem Wochenendhaus auf Long Island gönnen. Eine Woche Einsamkeit, Strand und Meer, und er würde wieder fit für seinen Job und bereit für eine neue Affäre sein.

Er blickte auf die Uhr. Fünf nach acht und keine Dani Sinclair. Ilana Rostow würde also übersetzen und ihre Finger spielen lassen – irgendwie musste er den Abend überstehen. Er biss die Zähne zusammen.

„Entschuldigung.“ Jemand berührte seinen Arm, und Lucas blickte auf.

Die bezaubernde Fremde mit dem honigblonden Haar stand direkt vor ihm. Aus der Nähe betrachtet wirkte sie noch attraktiver. Ihre schräg stehenden Katzenaugen waren braun, wie er jetzt erkannte. Sosehr sie ihn auch erregte, ihrem Outfit und Benehmen nach zu urteilen, schien sie eine Professionelle zu sein, und noch nie im Leben hatte er für Liebe bezahlen müssen. Daran sollte sich auch nichts ändern, vor allem nicht an diesem Abend …

„Ich frage mich, ob Sie …“, sprach sie ihn an.

„Nein danke, ich bin nicht interessiert.“

Sie zuckte zusammen und wurde blass. Also doch kein Call Girl, erkannte Lucas. Er hatte die schöne Unbekannte beleidigt und seine schlechte Laune an ihr ausgelassen. Schnell versuchte er, seinen Fehler wiedergutzumachen.

„Ich würde Sie wirklich gern auf einen Drink einladen“, meinte er. „Leider passt das Timing nicht, denn ich bin mit einem Geschäftspartner zum Essen verabredet.“

Kühl blickte sie ihn an. „Was sind Sie nur für ein Mensch! Ziehen Sie immer so voreilige Schlüsse? Ich bin nicht auf eine Einladung aus, sondern mir geht es wie Ihnen, ich habe einen Termin. Leider habe ich meinen Auftraggeber noch nie gesehen und weiß nicht so recht, wie ich ihn erkennen soll.“

Lucas kniff die Augen zusammen. „Können Sie ihn vielleicht näher beschreiben?“

„Leider nicht, höchstwahrscheinlich handelt es sich um einen Schreibtischmenschen mit Halbglatze und Kugelbauch.“

„Wie war das mit den voreiligen Schlüssen?“ Er lächelte ironisch. „Denn wenn Sie Lucas Vieira suchen, steht er vor Ihnen.“

„Oh nein!“ Caroline wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Er musterte sie von oben bis unten. „Wollen Sie mir wirklich erzählen, dass Sie Dani Sinclair sind?“, fragte er langsam.

Caroline traute sich nicht, ihm in die Augen zu blicken. „Gezwungenermaßen muss ich mit Ja antworten.“

Ich erlebe das alles nicht wirklich, dachte Caroline. Seit dem Telefongespräch mit Dani schien sie in eine andere Welt katapultiert worden zu sein.

Dieser fantastisch aussehende Typ sollte Lucas Vieira sein? Er war ihr sofort aufgefallen – und nicht nur ihr. Fast jedes weibliche Wesen im Foyer hatte sich mehr oder weniger verstohlen nach ihm umgesehen und offensichtlich diejenige beneidet, auf die er so ungeduldig zu warten schien.

Wie konnte ein Mann mit seinem Aussehen und Charisma es nötig haben, eine Frau dafür zu bezahlen, seine Geliebte zu spielen? Es musste an den erforderlichen Russischkenntnissen liegen.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr wurde plötzlich heiß, und sie verspürte ein erregendes Prickeln. Das Gefühl, in eine unwirkliche Welt versetzt zu sein, verstärkte sich.

Es war nicht sie, Caroline Hamilton, die hier in einem aufregenden Modellkleid stand und die bewundernden Blicke dieses außergewöhnlichen Mannes auf sich zog. Von plötzlicher Panik ergriffen, trat sie hastig einen Schritt zurück – und stieß gegen einen anderen Gast. Hätte Lucas Vieira nicht geistesgegenwärtig ihren Arm gegriffen, hätte sie auf den ungewohnt hohen Absätzen bestimmt das Gleichgewicht verloren.

„Vorsicht“, warnte er sie gespielt ernst. „Die Menschen hier gleichen einer außer Kontrolle geratenen Rinderherde, alles, was im Wege steht, wird gnadenlos niedergetrampelt.“

Der Vergleich brachte Caroline unwillkürlich zum Lachen, und Lucas Vieira atmete erleichtert auf.

„Das ist schon besser. Wenn wir beide heute eine überzeugende Vorstellung geben sollen, müssen Sie unbedingt lockerer werden. Ich hatte Sie eigentlich schon vor zwanzig Minuten erwartet, das hätte uns etwas Zeit gegeben, miteinander vertraut zu werden.“

„Ich weiß, aber der Verkehr …“ Sie schluckte und sah ihn an. Sie hatte keine Erfahrung mit reichen und mächtigen Männern wie ihm … eigentlich hatte sie überhaupt keine Erfahrung mit Männern, und Luxusrestaurants hatte sie bisher auch nur von außen gesehen. Sie war für die ihr zugedachte Rolle völlig ungeeignet.

„Mr. Vieira, ich habe einen Fehler gemacht, ich bin nicht gut genug, ich …“

„Nur mit der Ruhe, wir schaffen das schon.“

Caroline hörte den Mut der Verzweiflung aus seiner Stimme und wollte plötzlich alles tun, um ihm zu helfen. „Natürlich übersetze ich für Sie, alles, was darüber hinausgeht, muss ich leider ablehnen.“

„Aber genau das ist der springende Punkt!“ Er biss sich auf die Lippe. „Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns duzen, Dani?“

Dani? Caroline schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht.“

„Gut, denn du musst unbedingt den Eindruck vermitteln, meine Vertraute, meine Geliebte zu sein. Jeder muss uns sofort für ein Paar halten. Verstehst du das?“

Caroline runzelte die Stirn, das Denken fiel ihr schwer, denn seine Finger brannten wie Feuer auf ihrer nackten Haut. Natürlich, Lucas Vieira hielt sie ja für Dani, und deshalb sollte ihr Dani auch als Vorbild dienen. Sie musste sich nur vorstellen, wie Dani reagieren würde, und dann genau das Gleiche tun.

Ehe sie sich versah, zog er sie an seine Brust, legte ihr die Hand unter das Kinn und zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. „Dani, verstehst du wirklich, was ich sage?“

„Ja, wir spielen ein Liebespaar. Aber weshalb? Es geht doch um Geschäfte!“

Er zögerte, und erstaunt bemerkte sie, wie sich seine Stirn rötete. Besaß Lucas Vieira etwa Nerven wie jeder Normalsterbliche auch?

„Mein Verhandlungspartner ist verheiratet – mit einer außergewöhnlich besitzergreifenden Frau. Sie nimmt sich, was sie will, egal wo und wie.“ Die Röte in seinem Gesicht vertiefte sich.

„Sie … sie macht sich an Sie heran?“

„Das ist noch milde ausgedrückt. Du sollst ihr Grenzen setzen, Dani.“

„Damit bin ich eindeutig überfordert, Mr. Vieira!“

„Lucas, Dani. Lucas!“

„Dann eben Lucas, trotzdem ist der Job nichts für mich!“

Über ihren Kopf hinweg blickte er ins Foyer. „Oh nein!“ Er hielt ihre Schultern noch fester und beugte sich so weit über sie, dass sein Atem ihre Wange streifte. „Sieh mir in die Augen, Darling, denn du bist meine Geliebte und betest mich an. Die Rostows, mit denen wir verabredet sind, kommen auf uns zu. Das Spiel beginnt.“

„Ich bin nicht Ihre Geliebte, Mr. Vieira, und ich möchte auch nicht dafür gehalten werden!“ Caroline hörte selbst, wie schrill ihre Stimme klang, und atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen. „Keine moderne Frau sollte sich dazu hergeben, einem Mann als Spielzeug zu dienen, es ist unwürdig. Ich …“

„Lucas!“

Ein großer, fleischiger Mann schlug Lucas kräftig auf die Schulter. Er hatte kleine Augen, einen großen Mund und lächelte nicht, sondern grinste von einem Ohr zum anderen.

„Leo, schön dich wiederzusehen.“

Leo musterte Caroline von oben bis unten. „Ah, das ist dein Betthäschen?“

„Nein“, widersprach sie, „ich …“

Lucas’ zärtliches Lächeln stand im krassen Widerspruch zu dem eisernen Griff, mit dem er ihre Taille umfasste. „Natürlich ist sie das, Leo. Aber Dani ist eine emanzipierte Frau, die bei einem solchen Ausdruck auf die Barrikaden geht. Habe ich recht, Sweetheart?“

Was veranlasste sie nur, auf sein Spiel einzugehen? Der verzweifelte Unterton, der in seiner Stimme mitschwang, oder der bittende Blick seiner grünen Augen?

„Lucas!“

Leos Frau, die bisher durch die massige Gestalt ihres Mannes verdeckt worden war, trat hinter seinem Rücken hervor, und blitzartig verstand Caroline, was Lucas ihr vorhin hatte mitteilen wollen.

Ilana Rostow war ein Vollweib, langes dichtes Haar, üppige Brüste und mit teurem Schmuck behängt. Der Blick, den sie Lucas unter halb gesenkten Lidern zuwarf, ließ keinen Zweifel aufkommen: Ilana Rostow war eine Tigerin auf Beutefang.

„Lucas, oh Lucas, du Süßer! Wie aufregend, dich endlich wieder zu treffen!“

„Ilana, ich möchte dir Dani vorstellen, sie …“

„Hallo“, warf Ilana gelangweilt ein, ohne Lucas aus den Augen zu lassen. Sie kam näher und näher, bis sie ihn mit den Brüsten berührte. „Und jetzt möchte ich meinen Kuss, du weißt doch, wie man sich in Russland begrüßt.“ Sie stellte sich auf die Zehen und legte ihm die Arme um den Nacken.

Lucas trat zurück, doch auch das schreckte Ilana nicht ab.

Nicht mit mir, dachte Caroline wutentbrannt, hob ihren Fuß und trat Ilana mit dem bleistiftspitzen Absatz ihrer Stilettos auf die Zehen.

Ilana schrie vor Schmerz und wich zurück. Caroline blickte sie aus großen, unschuldigen Augen an. „Habe ich Sie etwa aus Versehen getreten? Das tut mir leid.“ Sie drehte Ilana den Rücken zu, legte Lucas die Hände auf die Brust und schmachtete ihn regelrecht an. Er wirkte derart perplex, dass sie am liebsten laut gelacht hätte.

„Lucas, Darling, ich bin von deinen Freunden wirklich überwältigt. Aber wie wäre es mit Essen?“ Sie wiegte sich in den Hüften und schmiegte sich noch enger an ihn. „Ich bin so hungrig!“

Sie beobachtete seine Mine, die nach der anfänglichen Überraschung Freude zeigte, dann jedoch einen geheimnisvollen, dunklen und gefährlichen Ausdruck annahm. Unter ihren Händen spürte sie sein Herz schneller klopfen.

„Und ich erst.“ Dass er dabei nicht ans Essen dachte, musste jedem klar sein.

Caroline schluckte. Wie war es ihm nur gelungen, sie derart zu manipulieren?

„Mr. Vieira, ich meine Lucas, das …“

Er lachte nur, neigte den Kopf und verschloss ihr den Mund mit einem Kuss.

3. KAPITEL

Danis Patzer, ihn mit Mr. Vieira anzureden, hätte die Schau beinahe schon im Vorfeld platzen lassen. Lucas war Ilanas erstaunter Gesichtsausdruck nicht entgangen.

Nur deshalb, nur um dieser gefährlichen Frau Sand in die Augen zu streuen, zog er Dani in die Arme und küsste sie. Anfangs berührte er ihre Lippen, die sich verführerisch warm und weich anfühlten, nur spielerisch. Überrascht nahm er das Aroma von Pfefferminz wahr, dessen natürlich-unschuldiger Duft so gar nicht zu ihrem raffinierten Kleid und den gewagten Stilettos passte.

Doch noch ehe er sich diese Ungereimtheit erklärt hatte, setzte sein Verstand schlagartig aus, und die Welt schien plötzlich stillzustehen. Strategie und Taktik, Ilana und Leo, das belebte Foyer, die ganze Welt versanken in Bedeutungslosigkeit.

Er spürte nur noch Dani. Er zog sie zu sich heran, bis sich ihre Körper eng aneinanderschmiegten, und verstärkte seinen Kuss, bis sie leise seufzte und die Lippen öffnete. Sie will mich! dachte er, und seine Erregung steigerte sich ins Unermessliche.

In seiner Fantasie sah er Dani vor sich im Bett liegen, ihr goldenes Haar auf seinem Kopfkissen ausgebreitet, ihre Augen dunkel vor Leidenschaft. Auffordernd spreizte sie die Beine und er …

„Himmel!“ Ein feiner, stechender Schmerz in der Lippe ließ Lucas in die Wirklichkeit zurückkehren. Unwillkürlich legte er den Finger auf die schmerzende Stelle. Sein Triumph war von kurzer Dauer gewesen. Dani hatte sich schnell von seiner Überrumpelungstaktik erholt und geistesgegenwärtig zugebissen.

Während Mr. Rostow schallend lachte, schien Ilana nicht zu wissen, was sie von der Situation halten sollte. Dani dagegen wirkte wie ein verschrecktes Kaninchen, das jeden Moment die Flucht ergreifen wollte. Das durfte nicht passieren!

Lucas’ harte Jugend hatte ihn geprägt. Geistesgegenwart, Selbstkontrolle und der Wille zu unbedingter Schadensbegrenzung waren ihm zur zweiten Natur geworden. Mit übermenschlicher Anstrengung gelang ihm, gelassen zu bleiben und amüsiert zu lächeln. Er griff Danis Hand und zog sie galant an die Lippen.

„Meine kleine Wildkatze.“ Sein Lächeln wurde sexy und vieldeutig. „Du weißt doch, unsere Spielchen sind nichts für die Öffentlichkeit.“

Es entstand eine kleine Pause. Dann lachte Leo noch einmal, und Ilana seufzte wehmütig.

Die Situation war gerettet. Noch mehr als über diesen Erfolg freute Lucas sich allerdings darüber, Dani eine Lektion erteilt zu haben. Bei seinen Worten war sie feuerrot geworden und völlig aus der Fassung geraten. „Nein“, stammelte sie. „Wir – du und ich – wir können nicht …“

„Genau, Sweetheart, nicht jetzt und nicht hier.“ Er hakte sie ein und blinzelte ihr verschwörerisch zu. Sie schien nicht zu wissen, ob sie vor Scham im Erdboden versinken oder ihm das Gesicht zerkratzen sollte. Er genoss ihre Ratlosigkeit und ging noch einen Schritt weiter. „Deine Belohnung bekommst du erst ganz zum Schluss, das weißt du doch.“

Diese verschlüsselte Botschaft sollte ihr zu denken geben. Wenn sie seine tausend Dollar haben wollte, musste sie die Bedingungen, die ihr Jack Gordon genannt hatte, zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllen.

„Verstehst du mich, Sweetheart?“

Schamgefühl und Hilflosigkeit schienen vergessen, denn Danis Augen blitzen jetzt vor Wut. „Ich verstehe dich genau – Sweetheart.“

Lucas lachte. Danis Kampfgeist gefiel ihm und war erfrischend neu für ihn. Seine bisherigen Geliebten hätten nie gewagt, die Klingen mit ihm zu kreuzen.

Rostow stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Sie hat Temperament, deine Kleine.“

Lucas stimmte ihm zu, doch für ihn besaß Dani mehr als nur Temperament. Sie war geistreich und klug, sah bezaubernd aus, fühlte sich wunderbar an und duftete verführerisch – sie war eine Frau, die sowohl seinen Verstand als auch sein Gefühl ansprach. Nur ihr Name, der keine Rückschlüsse auf das Geschlecht zuließ, passte überhaupt nicht zu ihrer durch und durch femininen Ausstrahlung.

Er blickte auf die Uhr. „Es ist schon spät, wir sollten gleich ins Restaurant gehen und erst einmal etwas trinken.“

„Champagner!“ Begeistert klopfte Leo Lucas den Rücken. „Und dabei werden wir die letzten zwei kleinen Flecken schnell säubern.“

Ehe Lucas noch fragen konnte, was er damit meinte, sprach Dani auch schon auf Russisch mit Leo.

„Für Mr. Rostow gibt es noch zwei Unterpunkte im Vertrag, die nicht eindeutig genug ausgedrückt sind“, erklärte sie Lucas unaufgefordert.

Er lächelte. Sein Plan war aufgegangen. Rostow war grundsätzlich bereit, auf den Deal einzugehen, und wollte nur noch etwas an den Formulierungen feilen. Dani hatte ihre Feuerprobe als geschickte Dolmetscherin bestanden. Außerdem mussten ihre roten Wangen, ihre durch die Umarmung etwas in Unordnung geratene Frisur und ihre glänzenden Augen selbst Ilana überzeugen, nicht nur eine kompetente Übersetzerin, sondern auch eine verliebte Frau vor sich zu haben.

Das befürchtete Desaster war abgewandt, und der Abend versprach, der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere zu werden. Erleichtert atmete Lucas einmal tief durch und lehnte sich entspannt zurück.

Caroline, die bei Tisch Ilana gegenübersaß, betrachtet deren Gesicht. Die von zu vielen Schönheitsoperationen maskenhaft starren Gesichtszüge der Russin verstärkten das Gefühl der Unwirklichkeit, unter dem sie immer noch litt.

Es war wie im Film. Zwei mächtige Männer der internationalen Finanzwelt, eine schöne Frau mit schillernder Persönlichkeit, die mit dem einen verheiratet war, jedoch den anderen begehrte – und sie, die unbedeutende Caroline Hamilton, als Puffer dazwischen.

Doch bisher hatte sie ihre Aufgabe eigentlich besser gemeistert, als sie zu hoffen gewagt hätte. Lucas in die Lippe zu beißen war natürlich ein Fehler gewesen, der ihr leicht zum Verhängnis hätte werden können. Doch wie hatte es dieser von sich selbst überzogene Lucas Vieira auch nur wagen können, sie derart leidenschaftlich zu küssen und sie obendrein seine Erregung unmissverständlich spüren lassen?

Und dann die Dreistigkeit, ihre Abwehrreaktion als extravagantes Liebesspiel hinzustellen! So wütend sie auf Lucas auch war, musste sie andererseits seine Geistesgegenwart und sein durch nicht zu erschütterndes Selbstbewusstsein bewundern.

Gedankenverloren trank sie einen Schluck Champagner.

Lucas und ihr war es jedenfalls gelungen, Ilana zu überzeugen. Das hatte diese ihr beim Händewaschen anvertraut.

„Zuerst habe ich es nicht für möglich gehalten.“ Ilana sah Caroline im Spiegel an. „Sie sind einfach nicht der Typ, den er als Geliebte bevorzugt.“

„Mag sein, aber ich bin es“, antwortete sie ruhig. „Sonst stünde ich schließlich nicht hier.“

Insgeheim dagegen bewunderte Caroline Ilana Rostow für deren Menschenkenntnis. Denn in der Tat war sie, Caroline, weder Lucas’ Typ, noch passte sie in dieses Restaurant der Schönen und Reichen, unter denen sie bereits etliche aus den Medien bekannte Persönlichkeiten entdeckt hatte.

Alle schienen Lucas zu kennen. Man hatte ihm zugelächelt, die Männer freundlich, die Frauen begehrlich, und ihr selbst hatte so manch neidischer Seitenblick gegolten. Wäre Lucas Vieira wirklich der Mann an ihrer Seite, hätte sie jetzt stolz sein dürfen. Aber es war nur eine Farce, auch wenn Lucas die Rolle des Liebhabers noch so überzeugend spielte.

Die Männer verhandelten zäh über die noch strittigen Formulierungen. Ilana übersetzte für Leo und sie für Lucas, was ihr keinerlei Schwierigkeiten bereitete.

Lediglich wenn er sich mit einer Frage direkt an sie wandte oder sich vorlehnte, um sie besser zu hören, geriet sie etwas aus dem Konzept, denn er kam ihr dabei gefährlich nahe. Sie wusste, sie brauchte sich nur etwas zu bewegen, und schon würde sie die dunklen Bartstoppeln, die sich an seinem Kinn zu zeigen begannen, auf ihrer Wange spüren.

Selbst als die beiden Männer Einigkeit erzielt hatten und zur Feier die zweite Flasche Champagner bestellt wurde, ließ ihre Anspannung nicht nach. Lucas umwarb sie weiterhin nach allen Regeln der Kunst. Er streichelte ihr Haar, nahm zärtlich ihre Hand, legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich – wahrscheinlich aus reiner Gewohnheit, weil er alle seine Begleiterinnen so behandelte.

Trotzdem erschauerte sie unter seinen Berührungen.

„Ist dir kalt, Sweetheart? Soll ich dir mein Jackett umhängen?“

Das Jackett, das seine Körperwärme und seinen Duft ausstrahlte? Nie im Leben!

„Oder rück einfach etwas näher, dann wärme ich dich.“

In seinen dunkelgrünen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte. Versuchte Lucas Vieira, ernsthaft mit ihr flirten?

„Danke, das ist wirklich nicht nötig.“

Er lächelte sie an, ihr Herz setzte einen Schlag aus, und ihr Körper kribbelte bis in die Spitzen ihrer Zehen.

„Dani, ist wirklich alles in Ordnung?“

„Ganz bestimmt.“ Tapfer erwiderte sie sein Lächeln. „Ich bin nur unschlüssig, was ich bestellen soll.“

„Dann lass mich dein Menü zusammenstellen, Darling.“

„Danke, wie lieb von dir.“ Was blieb ihr schon anderes übrig, als auf sein Angebot einzugehen?

Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Zwei Mal danke hintereinander! Ich bin ein ausgemachter Glückspilz.“

Die Rostows lächelten verständnisvoll, und das war auch gut so, schließlich galt das ganze Theater allein ihnen. Carolines Kopf schwirrte, und sie wäre am liebsten gegangen, ihren Übersetzungsjob hatte sie erfolgreich beendet, und auch Ilana hatte sie in die Schranken verwiesen. Die schöne Russin unternahm keinen Versuch mehr, sich an Lucas heranzumachen.

Caroline hörte gar nicht zu, als der Ober kam, um die Bestellung aufzunehmen, sondern hing ihren Gedanken nach. Der Deal war perfekt, und zwanzig Milliarden Dollar hatten den Besitzer gewechselt. Zwanzig Milliarden Dollar! Ein solcher Betrag überstieg Carolines Vorstellungsvermögen. Lucas dagegen hatte über die astronomische Summe weniger Aufhebens gemacht als Dani über die versprochenen fünfhundert Dollar.

Dieser Abend war schon eine Erfahrung. Obwohl Caroline wusste, dass alles nur ein Täuschungsmanöver war, fragte sie sich insgeheim immer wieder, wie es wohl sein mochte, Lucas’ wirkliche Geliebte zu sein, mit ihm nach Hause zu gehen, von ihm entkleidet zu werden, seine Hände und Küsse zu spüren, mit ihm ins Bett zu sinken …

Die Vorspeise wurde serviert, und obwohl Caroline den ganzen Tag fast nichts gegessen hatte und hungrig war, brachte sie kaum einen Bissen hinunter. Beim Hauptgericht, so lecker es auch aussah, erging es ihr nicht anders. Ihr Magen schien zu streiken.

„Lucas …“ Gehörte dieses atemlose, dünne Stimmchen wirklich ihr? „Lucas, ich …“

Er blickte ihr in die Augen, nickte verständnisvoll und küsste wieder ihre Hand. „Leo“, unterbrach er dann seinen Geschäftspartner, der gerade einen nicht enden wollenden Witz erzählte: „Dani ist erschöpft, ihr müsst uns leider entschuldigen.“

Obwohl Lucas dabei höflich lächelte, klangen seine Worte kompromisslos und arrogant, auch in Leonid Rostows Ohren. Solche Behandlung war er nicht gewohnt, und seine Stirn rötete sich.

Unbeeindruckt zog Lucas sein Handy aus der Tasche und wies seinen Chauffeur an, vorzufahren. Als Leo anbot, die Rechnung zu bezahlen, winkte er nur ab. „Das geht auf meine Kosten“, meinte er und bestellte noch eine Flasche Champagner.

„Für dich und Ilana, macht euch noch einen schönen Abend.“

Ehe Caroline wusste, wie ihr geschah, zog Lucas sie vom Stuhl hoch, legte ihr den Arm um die Taille und führte sie aus dem Lokal.

„Wirklich alles in Ordnung?“, erkundigte er sich noch einmal.

„Ja.“ Sie schluckte. „Ich bin lediglich etwas abgespannt, der Tag war sehr lang und aufregend für mich.“

Er zog sie noch enger an sich, und Caroline erschauerte.

„Du bist völlig übermüdet und frierst“, stellte er fest, zog sein Jackett aus und hängte es ihr um, ehe sie sich wehren konnte.

Wie sie es befürchtet und doch ersehnt hatte, hüllte es sie in eine Mischung aus Lucas’ Duft und Körperwärme ein, die ihr zu Kopf stieg. „Nein, Lucas, ich …“

„Ich möchte dich wärmen“, widersprach er rau, zog sie am Revers des Jacketts an sich und tat das, was er schon die ganze Zeit hatte tun wollen. Er neigte den Kopf und küsste sie.

„Dani!“, meinte er rau, als er ihr eine Pause zum Durchatmen gab.

Caroline seufzte, stellte sich auf die Zehenspitzen, nahm entschlossen sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn mit brennendem Verlangen.

4. KAPITEL

Lucas half Caroline beim Einsteigen in seine schwarze Limousine. Nachdem er den Fahrer angewiesen hatte, ihn nach Hause zu bringen, schloss er die Trennscheibe und zog das Rollo herunter.

„Komm zu mir“, bat er rau.

Ohne zu zögern, rückte Caroline ganz nah an seine Seite und legte den Kopf zurück, damit er sie besser küssen konnte. Die Dunkelheit, das leise Brummen des Motors und die intime Nähe zu Lucas machten sie ganz benommen. Fast kam es ihr so vor, als träumte sie. Das Erlebnis war so überwältigend, dass Caroline die innere Stimme, die sie vor diesem Mann warnte, einfach ignorierte.

„Das wollte ich schon den ganzen Abend“, sagte er ihr leise ins Ohr, „dich in meine Arme ziehen und küssen. Dani, du hast mich verhext.“

„Lucas, ich …“

„Fühlst du dich bedrängt?“ Er lehnte sich zurück, um ihr in die Augen sehen zu können.

Sie erwiderte seinen Blick und suchte nach Worten. Sie musste ihm erklären, wer sie wirklich war, Caroline und nicht Dani.

„Soll ich aufhören?“, fragte er. „Möchtest du das?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Bitte nicht … mach weiter.“

Lucas zog sie wieder an sich und küsste sie mit einer Leidenschaft, die ihr auch den letzten Rest Verstand raubte.

Lucas schien mitten zwischen den Sternen zu wohnen.

Caroline blickte sich in dem Penthouse um. Vor der verglasten Front befanden sich keine Gardinen, das Mondlicht fiel silbern in den Raum, und ein riesiges Dachfenster gab den Blick in den klaren Nachthimmel frei.

Während der Privataufzug sie nach oben gebracht hatte, hatte Lucas ihr Gesicht mit Küssen bedeckt, jetzt hob er Caroline hoch. Er trug sie über die Schwelle seines Schlafzimmers, setzte sie jedoch gleich neben der Tür wieder ab.

Er streichelte ihre Brüste und zeichnete mit dem Daumen die Knospen nach, die sich deutlich durch die dünne Seide ihres Kleides zeigten. Caroline stöhnte vor Lust.

„Dani!“ Er drückte sie mit dem Rücken gegen die Wand, küsste sie heiß und schob ihren Rock hoch.

Caroline spürte seine Hände auf der Haut, erschauerte und gab sich der Berührung vorbehaltlos hin. Sie hörte, wie Lucas etwas auf Spanisch oder Portugiesisch sagte, das sie nicht verstand. Es interessierte sie auch nicht. Sie wollte weiter nichts, als ihn spüren … ganz nah … ganz tief …

Fieberhaft knöpfte sie sein Hemd auf, während er ihr den Slip abstreifte. Er umfasste ihren Po und drückte sie gegen seine Erektion. Caroline stöhnte.

„Leg die Beine um meine Hüften“, forderte er sie mit vor Erregung dunkler Stimme auf.

Ohne das geringste Zögern kam sie seinem Wunsch nach und hielt den Atem an, als er eine Hand von ihr löste, um den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen.

Dann versank alles um sie her, und sie spürte nur noch Lucas, tief, heiß und besitzergreifend. Ein so perfektes Gefühl hatte sie sich in ihren kühnsten Fantasien nicht vorstellen können, nichts, was sie bisher erlebt hatte, reichte auch nur entfernt an diese Erfahrung heran.

„Lucas … Lucas …“

Von ihren Empfindungen völlig überwältigt, schrie sie auf, als sie seinen Höhepunkt spürte. Alles um sie herum drehte sich, sie schien sich von der Erde zu lösen und zu den Sternen zu schweben und sich in der Unendlichkeit aufzulösen – dann wurde es still.

Lucas wusste nicht, wie lange Dani und er reglos verharrten. Sie hatte die Beine immer noch um seine Hüften geschlungen, und er drückte sie fest an sich. Beide waren sie erhitzt und atmeten stoßweise.

Waren Stunden vergangen, Minuten oder lediglich Sekunden? Er, der sich so viel auf seine Finessen im Liebesspiel einbildete, hatte jeglichen Maßstab verloren. Sein Verhalten war rücksichtsloser gewesen als das eines brünstigen Tieres.

An Verhütung hatte er nicht den geringsten Gedanken verschwendet. Es war unfassbar. Selbst mit sechzehn, beim ersten Mal, war er nicht so naiv gewesen, das Risiko von Schwangerschaft und Geschlechtskrankheit einzugehen.

Dani hatte den Kopf gegen seine Brust gelehnt. Wahrscheinlich, um ihn nicht anblicken zu müssen. Verständlich.

„Dani.“ Er küsste zärtlich ihr Haar. „Bitte sieh mich an.“

Sie schüttelte den Kopf. „Bitte … bitte lass mich los.“

Sie klang panisch, und vorsichtig setzte er sie zu Boden. „Sweetheart, ich weiß, ich habe dich überfallen, ich …“

Sie ließ ihn nicht ausreden. „Nein!“ Sie schüttelte den Kopf.

Lucas sah, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie weinte ganz leise, was alles noch schlimmer machte. Er nahm sie liebevoll in die Arme.

„Ich habe dir wehgetan. Ich war zu schnell, zu grob.“

„Nein“, widersprach sie ihm zum zweiten Mal und streichelte seine Wange. „Es ist etwas anderes, ich … ich …“

Er brachte sie zum Schweigen, indem er ihr den Finger auf die Lippen legte, und wiegte sie wie ein kleines Kind, bis er spürte, wie sie langsam ruhiger wurde.

„Alles ist meine Schuld“, tröstete er sie. „Bitte, bitte verzeih mir meine Unbeherrschtheit.“

Caroline lachte brüchig. „Lucas, du verstehst mich nicht.“

Es war zwecklos, es ihm erklären zu wollen. Sie musste mit den Tatsachen allein fertig werden: Sie hatte Sex mit einem Fremden gehabt! Anstatt mit Lucas über Gefühle zu sprechen, wäre es besser, ihre Rolle bis zum bitteren Ende zu spielen. Für ihn war sie Dani Sinclair, und das sollte auch so bleiben, denn ihre Wege würden sich nie wieder kreuzen.

„Ich bin gesund, Sweetheart.“

„Wie bitte?“ Caroline schreckte aus ihren Gedanken auf.

„Ich bin gesund, Dani“, wiederholte er geduldig. „Trotzdem hätte ich ein Kondom benutzen sollen.“

Zu ihrem Ärger errötete sie.

„Und du …“ Lucas zögerte, und sie errötete noch tiefer.

„Keine Angst, ich auch“, antwortete sie schnell. Wie hätte es auch anders sein sollen, wenn sie schon seit über drei Jahren nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen war?

„Das meinte ich nicht. Ich wollte wissen, ob du die Pille nimmst.“

„Ja.“ Dass sie dies auf Anraten ihrer Ärztin tat, die sie wegen ihrer unregelmäßigen Periode behandelte, brauchte sie ihm ja nicht zu erzählen.

„Gut. Sollte trotzdem etwas passiert sein …“

„Es ist garantiert nichts passiert!“ Caroline wusste nicht, ob sie über diese aberwitzige Unterhaltung, die mit ihren eigentlichen Ängsten überhaupt nichts zu tun hatte, lachen oder weinen sollte.

Wie hatte sie nur in eine derart fatale Situation geraten können?

Hier stand sie, Caroline Hamilton, lehnte mit dem Rücken an der Wand, trug nur noch eine Sandalette – die andere war irgendwie abhandengekommen – und der Slip hing ihr zerrissen um den Knöchel. Wie sollte sie sich nur einigermaßen elegant aus der Affäre ziehen? Wäre es überzeugend, ungerührt den zweiten Schuh zu suchen, Lucas kühl zuzunicken und den Raum zu verlassen, als sei nichts Besonderes geschehen?

Ihr fehlte einfach Danis Erfahrung!

„Dani!“

„Nenn mich bitte nicht so!“ Sie schluckte, denn eine Sekunde lang war sie versucht gewesen, ihm die ganze Wahrheit gestehen. „Ich … ich mochte diesen Namen noch nie leiden“, erklärte sie deshalb hastig.

Er lächelte. „Er passt auch überhaupt nicht zu dir, Dani klingt unweiblich und ist viel zu burschikos für dich.“

„Nein. Aber …“ Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie konnte ihm ihre Erschöpfung nicht länger verheimlichen. „Ich muss jetzt gehen.“

„Sweetheart, du weinst, und das meinetwegen.“ Er schloss sie in die Arme. „Mein Verhalten ist unentschuldbar.“

„Nein, ich habe es provoziert.“ Sie streichelte seine Wange. „Ich bin dir einfach in deine Wohnung gefolgt wie eine … eine …“

„Sprich bitte nicht weiter.“ Er wiegte sie wie ein kleines Kind, bis er merkte, wie ihre Anspannung allmählich nachließ. „Wir haben beide nichts zu bereuen, ganz im Gegenteil.“

Er legte ihr die Hand unters Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. „Für mich war das eben eine ganz neue, eine unglaubliche Erfahrung. Und wenn du nicht ebenso empfunden hast, ist das allein meiner Ungeduld zuzuschreiben.“

Sie errötete. „Auch für mich ist ein kleines Wunder geschehen.“

„Das beruhigt mich.“ Er küsste sie zärtlich. „Trotzdem kann es noch schöner werden, glaub es mir.“ Er schluckte. „Ich möchte dich nackt sehen.“

Lucas’ Stimme klang rau.

„Ich möchte dich ausziehen, dich berühren, dich küssen – überall.“ Sein nächster Kuss war leidenschaftlich und fordernd. „Lass uns den Rest der Nacht nutzen, um uns besser kennenzulernen.“

Carolines Herz klopfte zum Zerspringen. Was sollte sie tun, vor Lucas fliehen oder sich ihm hingeben? Als er ihre Hand nahm und die Innenfläche zärtlich mit den Lippen streifte, war es ihr klar. Sie reckte sich, zog Lucas’ Kopf zu sich herunter und erwiderte den Kuss.

Behutsam begann er, sie zu entkleiden, er nahm sich ganz bewusst Zeit, wie er es von Anfang an hätte tun sollen. Jede Geste, jede Berührung war ein Zeichen seiner Zuneigung. Sanft ließ er die Hände über ihren Körper gleiten und bedeckte Haar und Nacken mit unzähligen Küssen, während er den Reißverschluss ihres Kleides öffnete, um es ihr von den Schultern zu streifen.

Als auch der BH folgte, hielt Caroline den Atem an. Lucas reizte die Knospen ihrer Brüste mit den Daumen, bis sie leise und sehnsuchtsvoll stöhnte. Lucas musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um Caroline nicht ein zweites Mal viel zu schnell zu nehmen.

Er dachte an seine Vorsätze, ließ die Hände langsam und beherrscht tiefer kreisen und streichelte die zarte Haut ihres Bauches. Dann erst glitten seine Finger zwischen ihre Schenkel, um Besitz von der empfindlichsten Stelle ihres Körpers zu ergreifen.

Caroline rang nach Atem und versuchte instinktiv, sich der Berührung zu entziehen. Doch Lucas ließ sich nicht abweisen, unbeirrt setzte er das erotische Spiel fort, bis Caroline glaubte, zerfließen zu müssen.

„Lucas, Lucas … Ich …“ Leise schrie sie auf und sank an seine Brust. Triumphierend hob er sie hoch, um sie zum Bett zu tragen.

Durch das Dachfenster ergoss sich Mondlicht über Carolines zierliche Gestalt. Auf Lucas wirkte sie fast überirdisch schön, viel hinreißender, als er es sich schon den ganzen Abend in seiner Fantasie ausgemalt hatte. Ihr auf dem Kissen ausgebreitetes Haar glich gesponnenem Gold.

Caroline war eine wundervolle Frau, und sie gehörte ihm.

Er liebte sie zärtlich und ohne Hast, wie er es ihr versprochen hatte. Er streichelte ihre Brüste, nahm die Brustwarzen zwischen die Lippen, um sofort darauf leidenschaftlich ihren Mund zu küssen.

„Lucas!“

Sie seufzte und bog sich ihm entgegen. Lucas jedoch hielt sich immer noch zurück, so schwer es ihm auch fiel. Erst als sie zum zweiten Mal seinen Namen rief, machte er der süßen Qual ein Ende.

Schnell sprang er aus dem Bett und entledigte sich seiner Kleidung. Als Carolines Augen sich bei seinem Anblick weiteten, nahm er ihre Hand und führte sie zu sich – sich unter ihrer Berührung weiter zu beherrschen, kostete ihn eine fast übermenschliche Kraft.

Zu seinem Glück konnte auch Caroline ihr Begehren nicht länger zügeln, sie zog Lucas an den Schultern zu sich und küsste ihn voller Verlangen. Gemeinsam fanden sie ihren Rhythmus der Liebe, der immer wilder wurde, bis für sie die Welt in einer alles verzehrenden Flamme versank.

Es dauerte lange, bis Lucas die Augen wieder öffnete. Caroline hatte sich neben ihm zusammengerollt wie ein zufriedenes Kätzchen. Fast erwartete er, ein leises Schnurren zu hören. Was konnte sich ein Mann nach der Liebe Schöneres vorstellen?

Er zog ihr die Decke über die Schultern, damit sie nicht fror. „Schlaf“, meinte er und küsste ihre Stirn. Er spürte, wie ihr Atem langsamer und gleichmäßiger wurde, und empfand tiefen Frieden.

Dieses Ende des langen Tages erstaunte Lucas. War er am Morgen noch überzeugt gewesen, für längere Zeit nicht in der Lage zu sein, eine Beziehung einzugehen, lag er am Abend bereits wieder entspannt und glücklich in den Armen einer Frau! Wie war das möglich?

Er war zu müde, um dieser Ungereimtheit weiter auf den Grund zu gehen. Es war bereits halb vier, es blieben ihm also lediglich drei Stunden Schlaf, bis der Wecker klingelte.

„Dani?“, fragte er. „Wäre es dir recht, wenn ich dich in Zukunft Danielle nenne?“

Seine bezaubernde Übersetzerin war jedoch bereits eingeschlafen und blieb ihm die Antwort schuldig.

Sofort nach dem Aufstehen würde er sich nach ihrem vollen Vornamen erkundigen, auch nach ihrer Adresse. Des Weiteren interessierte ihn, was es außer ihm noch für Männer in ihrem Leben gab. Einen Nebenbuhler würde er nicht dulden, das war klar. Andererseits wollte er keine verbindliche Beziehung, wollte sich nicht einengen lassen.

Lucas sah den Widerspruch und ahnte Probleme, doch für heute war er zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Morgen war auch noch ein Tag.

Als Lucas drei Stunden später aufwachte, musste er feststellen, dass er sich gewaltig geirrt hatte. Dani Sinclair war spurlos verschwunden.

5. KAPITEL

Caroline öffnete die Augen. Schlagartig hellwach, wusste sie sofort, wo sie sich befand. Wie hätte es auch anders sein können, schließlich war ihr eigenes Bett knapp halb so breit, sie besaß keine seidene Bettwäsche – und sie schlief stets allein.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als ihr Blick auf Lucas fiel, der ihr selbst im Schlaf besitzergreifend den Arm um die Taille gelegt hatte. Wie ein Film liefen die Geschehnisse der vergangenen Nacht noch einmal vor ihrem inneren Auge ab: die Küsse im Fahrstuhl, Sex an der Wand und im Bett. Ja, Sex, denn Liebe hatte Lucas mit keinem Wort erwähnt.

Wie hatte sie sich für diesen One-Night-Stand nur hergeben können? Sie verachtete sich für das, was sie getan hatte, es war einfach unentschuldbar, denn Lucas hatte sie noch nicht einmal zu verführen brauchen. Ein Kuss hatte gereicht, und statt Lucas eine Abfuhr zu erteilen, hatte sie sich ihm regelrecht an den Hals geschmissen!

Um sich einigermaßen zu beruhigen, atmete sie erst einige Male tief durch, dann befreite sie sich behutsam aus Lucas’ Umarmung. Einen Moment schien es, als würde er aufwachen, doch glücklicherweise murmelte er lediglich einige unverständliche Worte und rollte sich auf die andere Seite.

Erleichtert schlüpfte Caroline aus dem Bett, suchte ihre Sachen zusammen und zog sich lautlos an. Es dauerte etwas, ehe sie herausgefunden hatte, wie man den Fahrstuhl bedienen musste, und ihre Nervosität stieg. Erst als die Türen lautlos zur Seite glitten, und sie das Foyer betrat, wich ihre Anspannung.

Doch bereits nach zwei Schritten war es um ihre Erleichterung wieder geschehen. Als sie sich in einer verspiegelten Säule erblickte, erstarrte sie. Das durfte nicht wahr sein! Ihr Make-up war verschmiert, ihr Haar fiel ihr unordentlich ins Gesicht, und ihr Kleid war völlig zerknittert. Jeder musste auf den ersten Blick erkennen, was sie die Nacht getrieben hatte.

„Guten Morgen, Miss“, begrüßte sie der Portier in seiner untadeligen blauen Uniform und lächelte ihr vom Tresen aus zu. Anscheinend fand er nichts dabei, morgens eine Frau in zweifelhaftem Zustand aus Lucas’ privatem Lift kommen zu sehen.

Caroline riss sich zusammen, erwiderte den Gruß freundlich und bat ihn, ihr ein Taxi zu bestellen. So, wie sie aussah, traute sie sich nicht auf die Straße. Dem Taxifahrer schien ihr übernächtigtes Aussehen nicht aufzufallen, oder er hielt sie schlichtweg für das, was sie in Wahrheit auch war: ein leichtes Mädchen.

Erst als sie endlich ihre Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, atmete Caroline erleichtert auf. Sie hatte wirklich Glück gehabt, denn weder auf der Straße noch im Treppenhaus war ihr jemand begegnet. Hastig streifte sie Danis Kleid und Schuhe ab und konnte gar nicht schnell genug ins Bad kommen. So viel Duschgel sie auch benutzte und so heiß sie das Wasser auch aufdrehte, sie konnte die Erinnerung an das, was sie getan hatte, nicht abwaschen.

Die vergangenen Stunden ließen sich nicht aus dem Gedächtnis löschen, denn Caroline hatte die erste perfekte Liebesnacht ihres Lebens erlebt. Es gab nur einen Makel, sie, Caroline Hamilton, hatte sich rückhaltlos einem Fremden hingegeben …

Lucas erwachte durch ein leises, vertrautes Geräusch.

Der Fahrstuhl!

Ruckartig setzte er sich auf. Der Platz neben ihm war leer, und lediglich seine eigenen Kleidungsstücke lagen noch vor dem Bett verstreut.

Dani war verschwunden.

Nachdenklich ließ er sich zurück aufs Kissen fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er sollte froh darüber sein, wie sie sich verhalten hatte, denn es war die eleganteste Lösung. Keine Notwendigkeit, Konversation zu machen, keine Verpflichtung, Kaffee zu kochen, kein peinlicher Abschied.

Er stand auf und ging unter die Dusche.

Obwohl Dani Sinclair zu nichts Nein gesagt hatte, war sie auf anrührende Art schüchtern gewesen. Ob sie wohl jetzt von Gewissensbissen geplagt wurde? Dani war ihm ein Rätsel. Obwohl sie ihm alles gestattet hatte, war ihr Mangel an Erfahrung offensichtlich gewesen.

Eigentlich entsprachen scheue Frauen überhaupt nicht seinem Typ, doch es war ein ganz besonderer Reiz gewesen, Dani in die Geheimnisse der Erotik einzuweihen.

Lucas musste an den Moment denken, als er die zarten Knospen ihrer Brüste liebkost hatte, bis sie sich aufrichteten. Dani hatte leise aufgeschrien und ihn aus großen Augen erstaunt angesehen, als sei das eine völlig neue Erfahrung für sie. Und später, als er die Hand zwischen ihre Schenkel hatte gleiten lassen …

Genug! Energisch stellte Lucas das Wasser von heiß auf kalt. Er konnte sich nicht länger erlauben, an die vergangene Nacht zu denken, dazu standen zu viele wichtige Besprechungen in seinem Terminkalender.

Der Tag ließ sich nicht gut an.

Lucas war kaum in der Lage, der morgendlichen Konferenz mit seinen Abteilungsleitern konzentriert zu folgen. Als Lehre daraus sagte er die Verabredung zum Mittagessen mit einem wichtigen, aber komplizierten Geschäftspartner lieber ab.

Stattdessen blieb er am Schreibtisch sitzen, starrte Löcher in die Luft und brütete über einem Rätsel, das ihm unlösbar schien.

Warum hatte Dani Sinclair die Flucht ergriffen?

Wie konnte eine Frau nach einer solchen Nacht spurlos verschwinden, ohne wenigstens ihre Telefonnummer oder Adresse zu hinterlassen? Nicht, dass er Dani wiedersehen wollte, das würde seinen Seelenfrieden zu sehr gefährden, doch er schuldete ihr noch die tausend Dollar für den Abend mit den Rostows.

So peinlich es auch sein mochte, ihr nach allem, was zwischen ihnen passiert war, Geld zu geben, Dani hatte perfekt gedolmetscht und ihre Rolle gekonnt gespielt. Vertrag war Vertrag, alles, was später geschehen war, blieb unberührt davon.

Davon ganz abgesehen, fühlte er sich durch ihr Verhalten in seinem Stolz verletzt. Frauen servierten einen Lucas Vieira nicht kaltschnäuzig ab, selbst eine Dani Sinclair nicht. Dani. Sie mochte diesen Spitznamen ebenso wenig wie er – wie sie wohl mit vollem Vornamen hieß?

Die Frage war lächerlich, weil sie nichts mit seinem eigentlichen Problem zu tun hatte. Weshalb war Dani spurlos verschwunden, und weshalb musste er ständig an sie denken?

Das Summen der Sprechanlage schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. „Mr. Vieira? Jack Gordon ist hier und möchte sie sprechen“, meldete sich Elise.

Jack Gordon? Lucas kniff die Lippen zusammen. Sosehr er diesen Mann auch ans Ende der Welt wünschte, er war ihm verpflichtet. Außerdem wusste nur er die Adresse, an die er Danis Scheck schicken konnte.

„Er soll kommen.“

Anzüglich lächelnd betrat Jack den Raum. „Na, wie ist der Abend gelaufen?“, erkundigte er sich. „Dani ist wirklich eine Klasse für sich, oder?“

„Dani war ausgesprochen erfolgreich, ich benötige …“

„Sie ist ein echtes Wahnsinnsweib, scharf und intelligent obendrein. Was will ein Mann mehr?“ Jack lachte.

Lucas, der ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte, zwang sich zur Ruhe und lächelte kühl.

„Ich bin heute Morgen sehr beschäftigt, Jack, trotzdem wollte ich mich noch einmal persönlich für die Vermittlung bedanken. Außerdem benötige ich die Adresse von Ms. Sinclair.“

„Die Adresse?“ Jack stutzte, lächelte dann jedoch verständnisvoll. „Ah, ich verstehe, der Abend verlangt nach einer Wiederholung.“

Lucas musterte ihn mit undurchdringlicher Miene. „Es hat sich keine passende Gelegenheit ergeben, Ms. Sinclair ihr Honorar auszuhändigen.“

Jack zog erstaunt die Brauen hoch. „Welches Honorar?“

„Die tausend Dollar für das Dolmetschen. Außerdem steht ihr ein Bonus zu. Was nimmt sie normalerweise? Ich hätte selbst fragen können, aber …“

„Dani ist eine Professionelle der Spitzenklasse und nicht billig. Sie nimmt zehntausend Dollar den Abend.“

„Wie bitte? Habe ich mich verhört?“

„Ja, sie verlangt astronomische Preise, aber dafür lassen ihre Dienste keine Wünsche offen, das werden Sie ja wohl festgestellt haben.“

Lucas war zumute, als hätte ihn jemand in die Magengrube geboxt. „Keine Übersetzerin verdient zehntausend Dollar den Abend!“

„Übersetzerin?“ Irritiert sah Jack seinen Boss an. „Danis einmalige Qualitäten liegen auf einem anderen Gebiet – wovon Sie sich ja augenscheinlich bereits überzeugt haben.“

Lucas wollte es unumwunden hören. „Jack, womit verdient Dani Sinclair zehntausend Dollar den Abend?“

Auf Jacks Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. „Dani ist … aber das wissen Sie doch … Dani ist ein Callgirl.“

„Ein Callgirl?“

„Ja, sie tut das, was sie für Sie getan hat, für jeden, der es sich leisten kann. Aber sie ist wirklich jeden Cent wert, das müssen Sie doch zugeben.“

Blitzschnell kam Lucas hinter seinem Schreibtisch hervor und versetzte Jack einen Kinnhaken. Jack ging in die Knie und hielt sich die Hand vor den blutenden Mund. Lucas hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt und vor die Tür geworfen, beherrschte sich jedoch im letzten Moment.

Dadurch, dass er Jack demütigte, änderte er nichts an den Tatsachen. Dani war eine Prostituierte. Er hatte die Nacht mit einer Frau verbracht, die sich an jeden verkaufte. Lucas sah Rot, und das Blut rauschte ihm in den Ohren.

So verkommen Jack auch sein mochte, war es doch Dani, die seine Wut verdiente.

„Stehen Sie auf!“

„Aber bitte schlagen Sie mich nicht mehr!“

„Stehen Sie endlich auf!“

„Lucas … Mr. Vieira, ich weiß, ich hätte Ihnen reinen Wein einschenken sollen! Ich … ich hatte jedoch Angst, Sie würden sonst nicht anbeißen.“

„Sie wollten mir nicht helfen, Mr. Gordon, Sie wollten mich lächerlich machen!“

Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, das bewies ihm Jacks Gesichtsausdruck. Er holte eine Packung Papiertaschentücher aus der Schublade und legte sie neben dem Notizblock auf den Schreibtisch. „Schreiben Sie die Adresse auf!“, befahl er. „Und dann holen Sie sich Ihre Papiere und verschwinden. Ich will Sie in meiner Firma nicht mehr sehen.“

„So?“ Jacks Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Haben Sie sich das auch richtig überlegt? Wenn ich diese Geschichte an die Presse verkaufe …“

„Tun Sie das, und Sie werden nicht lange genug leben, um sich an dem Geld auch nur einen Tag zu erfreuen.“

„Sie würden nicht wagen, mich …“

Als Lucas nur höhnisch lachte, verstummte Jack. Er hatte das Spiel verloren, das zeigte ihm ein Blick in Lucas’ Augen.

Freitag war für Caroline der schönste Wochentag. Hatte sie während des Semesters lediglich morgens ein Seminar, gehörte ihr während der Ferien der Tag sogar ganz.

Heute jedoch konnte sie ihre Freizeit nicht genießen, ständig verfolgten sie die Erinnerungen an die vergangene Nacht. Um ihren Gedanken eine andere Richtung zu geben, konzentrierte sie sich auf die Frage, wie sie an ihr Geld kommen sollte – Dani vorher anrufen oder unangemeldet bei ihr erscheinen?

Sie entschied sich für Letzteres, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Adresse richtig im Kopf hatte. Als sie das Haus gefunden hatte, wuchsen ihre Zweifel, denn es handelte sich um eine luxuriöse Wohnanlage in einem der elegantesten Viertel New Yorks.

Doch sie hatte sich nicht geirrt, sie fand Danis Namen und klingelte.

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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