Julia Best of Band 224

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EIN NEUES JAHR - EIN NEUES GLÜCK?
Vier, drei, zwei, eins - frohes neues Jahr! Die Champagnergläser klingen, und dann spürt die schüchterne Hope die Lippen des faszinierenden Luciano di Valerio auf ihrem Mund. Nur ein Silvesterkuss ihres heimlichen Traummannes - oder der verheißungsvolle Beginn einer großen Liebe?

WENN DU MICH NUR BERÜHRST
Es ist ein Tanz auf dem Vulkan: Wenn Win Garrison sie auch nur zufällig berührt, steht Carlenes Körper in Flammen. Ihr attraktiver Boss weckt ein so glühendes Feuer des Verlangens in ihr, dass die Versuchung immer stärker wird. Doch sie weiß: Win sucht nur ein Abenteuer ...

GELIEBTER WÜSTENPRINZ
Nacht für Nacht erliegt Jade dem Zauber der sinnlichen Leidenschaft: Scheich Khalil küsst jeden Zweifel in ihr fort. Wenn sie jedoch morgens in seinen Armen erwacht, fragt sie sich bang, ob es für sie und den Wüstenprinzen eine gemeinsame Zukunft geben kann ...


  • Erscheinungstag 13.03.2020
  • Bandnummer 224
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714666
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Monroe

JULIA BEST OF BAND 224

1. KAPITEL

„Hast du es schon gehört? Er versucht, ihr einen Ehemann zu kaufen!“ Spöttisches, weibliches Gelächter erklang.

„Mit seinen Millionen dürfte das nicht so schwierig sein.“

„Der alte Mann wird noch hundertfünf und die Leitung der Firma bis zu seinem Tod nicht abgeben, du wirst schon sehen“, prophezeite die Dunkelhaarige. „Das bedeutet, dass das arme Opfer über dreißig Jahre mit einer Frau verheiratet sein wird, die schrecklich schüchtern, absolut durchschnittlich und vermutlich völlig hoffnungslos im Bett ist. Also ein halbes Leben, bevor ihr zukünftiger Ehemann irgendwelche Früchte für seine Arbeit erntet.“

„In diesem Licht betrachtet“, meinte der Mann, der ihr gegenüberstand, bissig, „ist es ein ziemlich schlechtes Investment.“

„Wieso, Liebling, hast du daran gedacht, dich um den Job zu bewerben?“, fragte die Frau hämisch.

Das männliche Gelächter, das daraufhin ertönte, stellte Lucianos Nerven auf eine harte Probe. Er war erst spät auf der Silvesterparty des Bostoner Multimillionärs Joshua Reynolds angekommen. Trotzdem wusste er sofort, über wen die zynische Frau und ihr männlicher Begleiter sprachen: Hope Bishop – eine zauberhafte und, , äußerst introvertierte junge Frau. Sie war außerdem die Enkelin des Gastgebers.

Luciano war nicht klar gewesen, dass der alte Mann beschlossen hatte, ihr einen Ehemann zu besorgen. Er hätte es sich jedoch denken können. Während sie immer noch über die Unschuld einer Achtzehnjährigen verfügte, musste sie mittlerweile drei- oder vierundzwanzig sein, denn sie hatte vor zwei Jahren ihren Universitätsabschluss gemacht. Er erinnerte sich an ein äußerst formelles Dinner, an dem er zur Feier des Ereignisses teilgenommen hatte.

Entnervt wandte er sich von dem lästernden Paar ab und ging um eine üppig gewachsene Zimmerpalme herum, die die Größe und Höhe eines Menschen hatte. Das Blattwerk war so dicht, dass er nicht sehen konnte, was sich dahinter befand. Deshalb bemerkte er Hope Bishop, die in schamvoller Erstarrung hinter der Pflanze Zuflucht gesucht hatte, erst, als er direkt vor ihr stand.

Sie keuchte auf und machte einen Schritt zurück, wobei sich ihre Korkenzieherlocken in den Blättern der Pflanze verfingen, das leuchtende Kastanienbraun ein schöner Kontrast gegen das satte Grün. „Signor di Valerio!“

Er streckte einen Arm aus, damit sie nicht rückwärts in dem großen Blumentopf landete.

Ihre schönen veilchenfarbenen Augen schimmerten verdächtig, und sie blinzelte heftig, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. „Oh, es tut mir leid. Ich bin so ungeschickt.“

„Ganz im Gegenteil, signorina.“ Die Haut unter seinen Fingern fühlte sich weich und warm an. „Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss. Ich habe nicht aufgepasst und muss Sie vielmals um Verzeihung bitten.“

Wie er sich erhofft hatte, zauberte seine übertrieben steife, altmodische Entschuldigung ein kleines Lächeln auf die vollen Lippen, die zuvor noch gezittert hatten. „Sie sind sehr freundlich, signor.“

Sie gehörte zu den wenigen Menschen, die das tatsächlich glaubten. Luciano ließ ihren Arm los und war dabei überrascht, wie widerwillig er das tat. „Und Sie sehen heute Abend ganz bezaubernd aus.“

Es waren die falschen Worte. Er merkte es in dem Moment, als ihr Blick zu der Pflanze wanderte und dem Paar, das dahinter immer noch lästerte. Man hörte die beiden Stimmen ziemlich deutlich. Mittlerweile tratschten sie über eine ehebrecherische Affäre zweier Bekannter. Zweifellos hatte Hope die früheren Äußerungen mitbekommen.

Sie bestätigte seinen Verdacht, als sie leise erwiderte: „Nicht bezaubernd, sondern absolut durchschnittlich.“ Damit bedeutete sie ihm auch, dass sie wusste, dass er die wenig schmeichelhaften Kommentare ebenfalls gehört hatte.

Er mochte die Traurigkeit in ihren Augen nicht, also nahm er erneut ihren Arm und führte sie in Richtung Bibliothek. Es war der einzige Raum, in dem sich vermutlich nur sehr wenige Partygäste aufhalten würden. „Kommen Sie, piccola.“

Sie protestierte nicht. Es war eine der Eigenschaften, die ihm an ihr gefielen. Sie stritt sich nicht um jeden Preis, nicht einmal mit ihrem dominanten und zumeist gedankenlosen Großvater. Sie war eine eher harmoniebedürftige Person.

Als sie die Bibliothek erreichten und hineingingen, wusste er sofort, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, denn der Raum war völlig leer. Leise schloss er die Tür. Ein paar Minuten, um sich wieder zu sammeln, würden ihr guttun.

Erneut überraschte es Luciano, wie widerwillig er den Körperkontakt zu ihr abbrach, als sie ihren Arm aus seinem Griff löste.

Hope sah in ihrem etwas konservativen tiefroten Kleid wirklich bezaubernd aus. Das Mieder betonte die kleinen, aber perfekt proportionierten Kurven, während der schimmernde Stoff des weiten Rocks auf äußerst feminine Weise ihre Knöchel umspielte. Sie war nicht atemberaubend sexy wie die Frauen, mit denen er ausging, aber hübsch auf unschuldige und erstaunlich verführerische Weise.

„Ich glaube nicht, dass er versucht, mir einen Ehemann zu kaufen, wissen Sie.“ Sie strich sich eine rotbraune Locke aus dem Gesicht. „Seit seinem Herzanfall hat er zwar versucht, mir so ziemlich alles Mögliche zu kaufen, aber bei einem Ehemann würde er wohl doch eine Grenze ziehen.“

Luciano traute dem alten Mann alles zu, hütete sich aber, das laut zu sagen. „Es ist ganz natürlich, dass er Ihnen Geschenke kaufen will, signorina.“

„Oh, bitte, Sie müssen mich Hope nennen. Wir kennen uns schließlich schon seit fünf Jahren.“

War es tatsächlich schon so lange? „Also gut, Hope dann.“ Er lächelte und beobachtete mit einiger Faszination, wie ihre Wangen eine rosige Farbe annahmen.

Sie wandte das Gesicht ab, sodass sie das überfüllte Bücherregal zur Linken vor sich hatte. „Mit fünf Jahren bin ich zu Großvater gekommen.“

„Das wusste ich nicht.“

Sie nickte. „Aber ich glaube nicht, dass er mich je wirklich bemerkt hat, auch wenn er die Dienstboten beauftragt hat, mir das zu besorgen, was ich brauchte – Kleider, Bücher, Schulsachen, diese Dinge.“

Genau das hatte er immer befürchtet. Hope war an den Rand von Reynolds’ Leben gedrängt worden, und das hatte sie auch gewusst.

„Aber in letzter Zeit hat er angefangen, mir selbst Sachen zu kaufen. Mein Geburtstag war vor einem Monat, und er hat mir ein Auto geschenkt. Dabei habe ich nicht mal einen Führerschein. Außerdem hat er mir einen Pelzmantel gekauft – einen echten.“ Sie seufzte und setzte sich auf einen der burgunderroten Ledersessel. „Ich bin … ähm … Vegetarierin.“ Sie schaute verstohlen zu ihm auf. „Der Gedanke, dass wegen mir ein Tier getötet wird, ist mir unerträglich.“

Er schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen den Schreibtisch. „Ihr Großvater kennt Sie nicht besonders gut, nicht wahr, piccola?“

„Ich schätze nicht. Aber ich freue mich wirklich auf die sechswöchige Europareise, die er mir zu Weihnachten geschenkt hat, selbst wenn es erst in einem halben Jahr losgeht. Er hat für den Frühsommer gebucht.“ Ihre Augen strahlten vor Vorfreude. „Ich werde mit einer Gruppe Collegestudenten reisen.“

„Wie viele andere junge Frauen werden dabei sein?“

Hope zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Insgesamt sind wir zu zehnt, ohne den Reiseführer.“ Sie schlug ein Bein über das andere und wippte es leicht hin und her. „Ich habe keine Ahnung, wie das Verhältnis von Männern zu Frauen ist.“

„Sie reisen mit Männern?“

„Oh, ja. Ich hätte das gerne schon während meines Studiums getan, aber wie sagt man so schön? Besser spät als nie!“

Darüber wollte er sich kein Urteil bilden, doch die Vorstellung, dass dieses naive Wesen sechs Wochen mit einer Gruppe sexbesessener männlicher Collegestudenten verbrachte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er dachte nicht weiter darüber nach, warum er sich überhaupt darum Gedanken machte. Es lag in seiner Natur, sich immer auch um andere zu kümmern.

„Ich finde nicht, dass es gut für Sie wäre, eine solche Reise zu machen. Eine rein weibliche Gruppe wäre für Sie viel angenehmer.“

Ihr Bein hielt mitten in der Bewegung inne, und sie starrte ihn konsterniert an. „Sie machen Witze, richtig? Einer der Gründe, eine solche Reise zu machen, ist der, Zeit mit Männern in meinem Alter zu verbringen.“

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie zwar etwas dagegen haben, wenn Joshua Ihnen einen Ehemann kauft, aber nicht, wenn es um einen Liebhaber geht?“ Er wusste nicht, warum er das sagte. Nur dass er wütend war – eine unerklärliche Reaktion auf die Neuigkeit, dass sie an männlicher Gesellschaft Interesse hatte.

Hope erblasste und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, so als wolle sie auf diese Weise mehr Abstand zwischen ihnen schaffen. „Das habe ich nicht gesagt. Ich suche nicht nach einem … einem Liebhaber.“ Dann sprang sie auf. „Ich werde jetzt auf die Party zurückgehen.“ Hastig schob sie sich an ihm vorbei, als wäre er ein Raubtier, das sie gleich angreifen wollte.

Luciano verfluchte sich selbst. Er hatte Tränen in ihren lavendelfarbenen Augen gesehen. Was das lästerliche Paar mit seinen bösen Kommentaren nicht erreicht hatte, hatte er mit einem Satz geschafft.

Er hatte sie zum Weinen gebracht.

„Bitte, piccola, Sie müssen mir noch einmal erlauben, mich zu entschuldigen.“ Luciano war von hinten an sie herangetreten und hatte ihr leicht die Hände auf die Schultern gelegt.

Hope sagte nichts, versuchte aber auch nicht, von ihm loszukommen. Wie konnte sie auch? In dem Moment, in dem er sie berührte, verlor sie ihre Willenskraft. Und er, Luciano, hatte nicht den Hauch einer Ahnung, aber warum sollte er auch? Sizilianische Geschäftsmänner suchten nicht nach absolut durchschnittlichen, dreiundzwanzigjährigen Jungfrauen, wenn es um eine Beziehung ging … welcher Art auch immer.

Sie blinzelte wütend, um die plötzlich aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Reichte es nicht schon, dass sie hören musste, wie zwei der Gäste ihres Großvaters ihre Mängel auflisteten? Dass ausgerechnet Luciano es ebenfalls mitbekommen hatte, vergrößerte den Schmerz noch um einiges. Und dann unterstellte er ihr auch noch, dass ihr Großvater ihr einen Liebhaber kaufen wollte! So als wäre die Vorstellung, dass ein Mann sie einfach nur um ihrer selbst willen wollte, völlig undenkbar.

„Lassen Sie mich los“, wisperte sie. „Ich muss nach meinem Großvater sehen.“

„Joshua hat einen ganzen Haushalt voller Dienstboten, die sich um seine Bedürfnisse kümmern. Ich habe nur Sie.“

„Sie brauchen mich nicht.“

Luciano drehte sie zu sich um. Während er sicherheitshalber eine Hand auf ihrer Schulter ließ, hob er ihr Kinn mit einer Fingerspitze an. Seine Augen schimmerten dunkel vor Reue. „Ich habe es nicht so gemeint, piccola.“

Sie schüttelte den Kopf und versuchte vergeblich, nicht zu zeigen, wie sehr sie seine Worte verletzt hatten.

Er flüsterte leise etwas auf Italienisch und trocknete mit einem schwarzen Seidentaschentuch, das er aus dem Jackett gezogen hatte, die Tränen, die nun haltlos über ihre Wangen liefen. „Nehmen Sie es sich nicht so sehr zu Herzen. Es war nur ein schlechter Scherz. Nichts, weshalb Sie sich aufregen sollten.“

„Es tut mir leid. Ich bin einfach übertrieben emotional.“

Seine braunen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Sie sind nicht übertrieben emotional, sondern nur leicht zu verletzen, piccola. Sie müssen lernen, das zu kontrollieren, sonst werden andere diese Schwäche ausnutzen.“

„Ich …“

„Die Worte dieses lästernden Paares haben Sie verletzt, und dabei wissen Sie, dass sie falsch sind. Ihr Großvater hat es nicht nötig, Ihnen einen Ehemann oder Liebhaber zu kaufen.“ Er betonte seine Aussage, indem er ihre Schultern leicht massierte. „Sie sind bezaubernd und einfühlsam – eine Frau, bei der sich jeder Mann glücklich schätzen könnte, wenn Sie ihm gehören würden.“

Jetzt hatte sie ihn dazu gezwungen, ihr falsche Komplimente zu machen, um aus einer brenzligen Situation herauszukommen.

Hope zwang sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank.“

Lucianos Gesichtszüge entspannten sich voller Erleichterung, und er erwiderte ihr Lächeln.

Gut. Wenn sie ihn überzeugen konnte, dass mit ihr alles in Ordnung war, würde er sie vielleicht in Ruhe lassen, und sie konnte sich irgendwohin zurückziehen, um ihre Wunden zu lecken. Es würde ohnehin niemandem auffallen, wenn sie verschwand.

Also löste sie sich aus seinem Griff. Sie musste seiner Nähe unbedingt entkommen, denn sie hatte eine verheerende Wirkung auf sie.

„Ich bin sicher, da sind noch eine Menge andere Gäste, mit denen Sie gerne reden würden.“ Wieder das kleine höfliche Lächeln. „Wenn Sie so sind wie mein Großvater, dann betrachten Sie jedes gesellschaftliche Ereignis als Möglichkeit, Geschäftskontakte zu knüpfen.“

„Sie täuschen sich, Hope“, widersprach er. „Anstatt mich mit Leuten zu unterhalten, die ich an jedem anderen Tag sehen kann, fände ich es viel schöner, wenn Sie mir das Büfett zeigen würden. Ich habe noch nichts gegessen.“

Er war erst spät gekommen. Zuerst hatte sie sogar geglaubt, dass er gar nicht auftauchen würde. Erst nach der furchtbaren Szene an der Palme waren sie sich begegnet. „Dann müssen Sie mir natürlich erlauben, dass ich Sie zum Büfett führe.“

Schließlich war das ihre Pflicht als Gastgeberin.

Hope drehte sich um, weil sie vorausgehen wollte, und blieb beinahe wieder wie erstarrt stehen, als sie seine Hand auf ihrer Taille spürte. Gemeinsam verließen sie die Bibliothek. Als sie endlich das Büfett erreichten, hatte sich ihr Puls mindestens verdreifacht.

„Das Essen“, krächzte sie und deutete mit der Hand auf die Tische.

„Setzen Sie sich zu mir? Ich esse so ungern allein.“

Welche Wahl hatte sie? Sich zu weigern wäre unhöflich. „Ja, natürlich.“

Sie unterdrückte einen Seufzer. Insgeheim hatte sie gehofft, er würde sie spätestens im Empfangsraum des alten Herrenhauses entkommen lassen, doch da täuschte sie sich. Das Einzige, was sizilianischer Rache gleichkam, war offensichtlich sizilianisches Schuldgefühl. Sie fragte sich, wie viel Reue Luciano noch zeigen musste, ehe er sie wieder in den Hintergrund entschwinden ließ.

Hope wartete, bis er sich den Teller gefüllt hatte, dann führte sie ihn zu einem der vielen Zweiertische, die in dem Raum aufgestellt waren. An einem der größeren Tische hätte sich vermutlich jemand anderes zu ihnen gesellt, doch wenn diese wenigen Augenblicke alles waren, was sie von ihm bekam, dann wollte sie wenigstens mit ihm allein sein.

„Arbeiten Sie immer noch als Buchhalterin in diesem Frauenhaus?“

Sie war mehr als überrascht, dass er sich daran erinnerte. „Ja. Wir eröffnen ein zweites Haus in Boston in wenigen Wochen.“

Er erkundigte sich danach und verbrachte dann die nächsten zwanzig Minuten damit, ihr zuzuhören, wie sie über das Frauenhaus und ihre Arbeit dort redete. Sie kümmerten sich um Opfer häuslicher Gewalt, aber auch um alleinerziehende Mütter, die das Glück verlassen hatte. Hope liebte ihren Job und konnte Stunden davon erzählen.

„Ich nehme an, sie können Spenden immer gut gebrauchen?“, fragte Luciano.

Also so wollte er seine Schuldgefühle tilgen! Nicht, dass es wirklich sein Fehler gewesen wäre. Er konnte nichts dafür, dass sie so wenig souverän war, aber sie würde sein Angebot auch nicht ausschlagen. Er hatte genug Geld, um einen Teil davon für so eine gute Sache zu spenden.

„Ja, sie haben mit meinem Pelzmantel Möbel für die oberen Zimmer gekauft, aber die unteren Räume müssen noch möbliert werden.“

Er lächelte, und sie schmolz innerlich dahin. „Sie haben den Pelz also verkauft?“

„Oh, nein, das wäre nicht richtig gewesen. Schließlich war er ein Geschenk. Ich habe ihn dem Frauenhaus gegeben.“ Sie zwinkerte und spürte, wie sie bei dieser Koketterie errötete. „Sie haben ihn verkauft.“

„Sie sind ganz schön gewitzt, glaube ich.“

„Vielleicht, signor. Vielleicht.“

„Haben Sie die Kontaktdaten des Frauenhauses?“

„Natürlich.“

„Ich würde sie gerne meiner Assistentin geben und sie anweisen, eine Spende zu tätigen, die ausreicht, um mehrere Räume zu möblieren.“

„Ich habe oben in meinem Zimmer eine Visitenkarte. Wenn Sie einen Moment warten, gehe ich sie holen, ja?“ Was sie für sich selbst nie tun würde, tat sie, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn es um das Frauenhaus ging.

„Ich werde warten.“

Hope zog eine weiße Visitenkarte aus der obersten Schublade ihres Sekretärs in dem kleinen Arbeitszimmer, das ihren Räumen vorgelagert war. Als sie sich in Richtung Tür drehte, um wieder hinunterzugehen, bemerkte sie, dass es nur noch weniger als zehn Minuten bis Mitternacht waren. Sie blieb stehen, schaute auf die elegante Schreibtischuhr und biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie einfach noch ein paar Minuten wartete, konnte sie das Ritual umgehen, Schlag Mitternacht jemanden küssen zu müssen.

Sie hatte keine Angst davor, dass einer der männlichen Gäste ihres Großvaters über sie herfallen würde. Viel wahrscheinlicher war, dass sie abseits stehen und den anderen beim Küssen zusehen würde. Bei dem Gedanken, wie Luciano irgendeine atemberaubend schöne Frau küsste, zog sich ihr der Magen zusammen. Auswahl hatte er unten in jedem Fall genug.

Von der Uhr wanderte ihr Blick zu dem Bilderrahmen an der Wand. Darin befand sich ein Zitat von Eleanor Roosevelt. Es ermahnte sie, dass sich gegen ihre Schüchternheit vielleicht nichts machen ließ, aber sie sich nicht auch noch vor Angst verkriechen musste.

Luciano bemerkte Hope, sobald sie den Raum betrat. Sie tat nichts, um auf sich aufmerksam zu machen, doch der süße Duft, den er mit ihr verband, verzauberte ihn sofort. Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte er sich von dem skandinavischen Topmodel ab, das sich ihm innerhalb von Sekunden nach Hopes Verschwinden genähert hatte.

„Sie sind zurück.“

Ihr Blick schweifte kurz zu dem Model hinüber und dann wieder zu ihm. „Ja.“ Sie streckte die Hand aus, in der sie eine kleine weiße Visitenkarte hielt. „Hier sind die Kontaktdaten des Frauenhauses.“

Er nahm die Karte und steckte sie sorgfältig in die Innentasche seines Jacketts. „Grazie.“

„Gern geschehen.“

Plötzlich wurde der Geräuschpegel um sie herum lauter, und im Nebenraum begann ein Zehn-Sekunden-Countdown. Das Model genauso wie die anderen Gäste stimmten darin ein. Auch Hope schloss sich an, aber ihr Gesichtsausdruck wirkte gequält. Luciano war irritiert. Warum machte es sie traurig, das neue Jahr zu begrüßen?

Eine Art tragische Vorahnung schien ihr Gesicht zu zeichnen und bewirkte, dass ihre veilchenfarbenen Augen sich verdunkelten, sodass sie beinahe schwarz aussahen.

Die Blondine legte ihre Hand auf seinen Arm, und in diesem Moment wurde Luciano bewusst, auf was das alles zusteuerte. Ah, der traditionelle Neujahrskuss, der Glück bringen sollte! Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde verstand er Hopes Traurigkeit und wusste, dass er eine Wahl hatte. Er konnte die verführerische, extrem elegante Frau zu seiner Linken küssen oder Hope.

Ohne zu zögern, schüttelte Luciano die Hand der Blondine ab und machte einen Schritt auf Hope zu. Ihre Augen wurden groß, sie brach mitten im Countdown ab und formte ihre Lippen zu einem perfekten kleinen Oh. Er legte beide Hände um ihr Gesicht und hob es für seinen Kuss an. Als ein vielstimmiges Eins um ihn herum ertönte, senkte er seinen Mund auf ihren. Er würde sie sanft küssen, nicht zu fordernd, denn er wollte sie nicht erschrecken, doch er schuldete ihr dies für die verletzenden Worte, die er zuvor zu ihr gesagt hatte.

Seine Lippen berührten sanft die ihren, und sie erschauerte. Spontan entschloss er sich, noch einen Schritt weiterzugehen. Er wollte ihre Süße schmecken, ihren Mund vollständig erkunden. Also tat er es.

Und es war gut, viel besser, als er es für möglich gehalten hätte.

Schüchtern öffnete sie ihre Lippen, hieß ihn willkommen, woraufhin urplötzlich eine Welle der Hitze durch seinen männlichen Körper jagte. Er wollte mehr, und so nahm er es sich. Eine Hand legte er auf ihren Rücken und presste sie eng an sich. Sie schmolz geradezu dahin, wurde ganz weich in seinen Armen und schmiegte sich verführerisch an ihn. Ohne darüber nachzudenken, hob er sie hoch, sodass ihr Gesicht auf einer Höhe mit dem seinen war und er sie genauso heftig küssen konnte, wie er es wollte.

Hope schlang ihre Arme um seinen Nacken und stöhnte leise auf, ja, sie erwiderte seinen Kuss mit einer Leidenschaft, die der seinen in nichts nachstand.

Sie gab kleine, atemlose Geräusche von sich, die ihn geradezu verrückt machten.

Er vertiefte den Kuss noch mehr. Seine Umgebung war ihm mittlerweile vollkommen egal.

Er wollte viel mehr, als sie nur zu küssen. Er wollte sie ausziehen und jeden einzelnen Zentimeter ihres wundervollen Körpers erforschen. Die Bibliothek. Er könnte sie zurück in die Bibliothek bringen.

Seine Hand bewegte sich schon nach unten, zu ihren Knien, damit er sie auf seine Arme heben und davontragen konnte, da durchbrach eine amüsierte Stimme seine lustvollen Gedanken.

„Bei einem solchen Kuss dürftet ihr beide mehr Glück haben als ein chinesischer Drache.“

2. KAPITEL

Luciano blickte überrascht auf, als er Joshua Reynolds’ belustigte Stimme hörte und die Realität plötzlich und schmerzhaft über ihn hereinbrach. Hope klammerte sich noch immer an ihn, ihr Blick wirkte glasig, aber der Rest des Raums war vollkommen klar. Und was jedem aufgefallen sein musste, war die Tatsache, dass er die Enkelin des Gastgebers geküsst hatte wie ein ungestümer Teenager bei seinem ersten Date.

Er setzte Hope mit mehr Tempo als Finesse ab, ja, er schob sie geradezu brüsk von sich.

Sie starrte zu ihm auf, die Augen noch immer dunkel vor Leidenschaft. „Luciano?“

„Ich wusste gar nicht, dass ihr beiden euch so gut kennt.“ Ein verschlagener Ausdruck trat in Reynolds’ Miene.

„Es ist nicht erforderlich, jemanden gut zu kennen, um einen Neujahrskuss zu teilen“, antwortete er fest, denn er wollte jede Hoffnung des alten Mannes im Keim ersticken, dass er und Hope mehr als flüchtige Bekannte sein könnten.

„Ist das so?“ Reynolds wandte sich an Hope. „Was sagst du dazu, kleines Mädchen?“

Hope starrte ihren Großvater an, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Dann suchte sie wieder nach Luciano, und die unausgesprochene Frage, die in ihren Augen stand, brachte ihn noch mehr in die Bredouille.

Er runzelte die Stirn. „Sie ist Ihre Enkelin. Sie wissen genauso gut wie ich, wie selten ich sie in den vergangenen Jahren gesehen habe.“ Er warf Hope einen Blick zu, von dem er hoffte, dass er sie aus ihrer Erstarrung lösen würde, sodass sie seine Aussage bestätigen konnte.

Zuerst schaute sie immer noch verwirrt drein, doch dann veränderte sich plötzlich ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte verletzt und erschrocken, tat dann aber rasch ihr Bestes, um ungerührt auszusehen – mit nur bedingtem Erfolg, denn ihre Lippen waren von seinem heißen Kuss noch immer geschwollen.

„Es war nichts, Großvater. Weniger als nichts.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und blickte Luciano an. „Ich muss mich um den Champagner kümmern.“ Damit verschwand sie.

Er sah ihr hinterher und hatte dabei das Gefühl, er hätte die Situation anders, besser lösen können.

„Für mich sah es nicht nach weniger als nichts aus, aber ich bin ein alter Mann. Was weiß ich schon?“

Der spekulative Ton in Joshua Reynolds’ Stimme behagte Luciano ganz und gar nicht. Er erinnerte sich an den Tratsch, den er zu Beginn des Abends gehört hatte. Gerüchte beinhalteten meist einen wahren Kern. Der alte Mann würde sich aber von dem Gedanken verabschieden müssen, ihn als Ehemann für seine schüchterne Enkelin in Erwägung zu ziehen.

Es mochte ja sein, dass sie mit mehr Leidenschaft küsste, als die meisten Frauen liebten, aber Luciano Ignazio di Valerio ließ sich nicht kaufen.

Er wollte noch lange nicht heiraten, und selbst wenn er es tat, dann würde seine Braut keine Amerikanerin sein, die viel zu viel Wert auf diese überschätzte persönliche Unabhängigkeit legte. Er wollte eine nette sizilianische Ehefrau – mit traditionellen Wertvorstellungen.

Das erwartete seine Familie.

Selbst wenn Hope Bishop tatsächlich eine Versuchung war.

Hope schloss leise die Tür ihres Schlafzimmers und lehnte sich für einen Moment erschöpft dagegen.

Es war nach drei Uhr und der letzte Gast endlich gegangen. Sie hatte sich gezwungen, bis zum Schluss unten zu bleiben, weil ihr bewusst war, dass ihr Großvater die Party hauptsächlich ihretwegen veranstaltet hatte.

Sie wünschte, er hätte sich nicht die Mühe gemacht. Zumindest ein Teil von ihr tat das. Der andere Teil, die sinnliche Frau, die in ihr schlummerte, genoss ihren ersten Geschmack wahrer Leidenschaft.

Luciano hatte sie geküsst. Richtig. Sie war sich ziemlich sicher, dass das Ganze als Mitleidsgeste angefangen hatte, aber irgendwann war er völlig davon gepackt worden. Genau wie sie, doch das war natürlich kein Wunder.

Schon seit fünf Jahren träumte sie davon, den sizilianischen Tycoon zu küssen. Es war eine Fantasie gewesen … bis zu diesem Abend. Eine Verkettung von Ereignissen hatte zu einem Kuss geführt, der so verheerend war, dass er sie auf Jahre verfolgen würde.

Noch immer völlig in Gedanken versunken, durchquerte sie den Raum, ließ sich auf ihr Bett sinken und griff nach einem Kissen, das sie gegen ihren Bauch presste.

Es war wundervoll gewesen.

Er hatte sich hart und männlich angefühlt und köstlich geduftet.

Und dann hatte er sie von sich gestoßen, als hätte sie die Pest. Frustriert boxte sie in das Kissen. Er hatte den Kuss genossen, dessen war sie sicher, doch dann hatte ihr Großvater sie unterbrochen, und Luciano war verlegen gewesen, weil man ihn erwischt hatte, wie er sie küsste.

Die Tränen, die bereits den ganzen Abend in ihren Augen brannten, stiegen einmal mehr in ihr auf. Dank ihm hatte sie wie eine Närrin dagestanden. Lächelnd hatte sie die spöttischen und schlicht verletzenden Bemerkungen der vergangenen drei Stunden ertragen müssen.

Die Leute behaupteten, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hätte. Dass er sie praktisch von sich reißen musste, um sie überhaupt loszuwerden. Dass sie als alte Jungfer mit ihm jedoch einen Sechser im Lotto gezogen hätte. Einige der männlichen Gäste hatten sogar angeboten, dort weiterzumachen, wo Luciano aufgehört hatte.

Glücklicherweise waren ihrem Großvater diese Beleidigungen nicht zu Ohren gekommen, denn er hatte sich kurz nach Mitternacht mit einem japanischen Geschäftsmann in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Wenn es nach ihr ging, würde er auch nichts davon erfahren.

Luciano, der Schuft, hatte die Party nur wenige Minuten nach seiner demütigenden Reaktion auf ihren Kuss verlassen.

Selbst die Freude darüber, derart heiß von dem einzigen Mann geküsst worden zu sein, den sie begehrte, konnte nicht über die Erniedrigung hinwegtrösten, die sie seinetwegen vor den Gästen ihres Großvaters erlitten hatte. Sie hasste Luciano di Valerio. Sie tat es wirklich.

Und sie hoffte, dass sie ihn niemals wiedersehen würde.

„Die Anteile stehen nicht zum Verkauf.“

Luciano betrachtete sein Gegenüber und suchte nach einer Schwachstelle in seinem Panzer, doch Joshua Reynolds war mit allen Wassern gewaschen und wirkte vollkommen unbeeindruckt.

„Ich werde Ihnen das Doppelte von dem zahlen, was Sie meinem Onkel gegeben haben.“ Er hatte bereits einen fünfzig Prozent höheren Preis angeboten. Ohne Erfolg.

Reynolds schüttelte den Kopf. „Ich brauche nicht mehr Geld.“

Die Worte waren gerade mit so viel Betonung gesprochen worden, dass sie äußerst überzeugend wirkten. Was auch immer Joshua Reynolds im Austausch gegen die Anteile wollte, es war kein Geld, und so konnte er Lucianos bestes Angebot, ohne mit der Wimper zu zucken, ausschlagen.

„Also gut, signor, was ist es dann, was Sie brauchen?“, versuchte er den alten Mann aus der Reserve zu locken.

„Einen Ehemann für meine Enkelin.“

Unmöglich! „Che cosa?“

Joshua lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seine Hände ruhten leicht auf dem übergroßen Schreibtisch. „Ich werde nicht jünger. Ich möchte sichergehen, dass Hope gut versorgt ist – und das bedeutet Heirat.“

„Ich glaube nicht, dass Ihre Enkelin Ihnen zustimmen würde.“

„Sie zur Zustimmung zu bewegen ist Ihr Job. Hope weiß nicht, was das Beste für sie ist. Sie verbringt ihre ganze Zeit damit, in diesem Frauenhaus zu arbeiten oder im örtlichen Tierheim. Sie hat ein viel zu weiches Herz und ist diesbezüglich noch schlimmer, als es ihre Großmutter war.“

Und es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie dafür auch nur einen Hauch von Verständnis von dem rücksichtslosen alten Bastard erntete, der ihm gegenübersaß. „Wollen Sie damit sagen, Hope weiß nicht, dass Sie versuchen, ihr einen Ehemann zu kaufen?“

„Ich habe kein Interesse daran, zu diskutieren, was meine Enkelin weiß und was nicht. Wenn Sie die Anteile haben wollen, dann müssen Sie sie heiraten.“

Die fraglichen Anteile gehörten zu Valerio Shipping, einer Firma, die Lucianos Urgroßvater gegründet hatte und die seitdem von Generation zu Generation weitergegeben worden war. Auch wenn es Luciano ärgerte, dass ein Nichtfamilienmitglied Anteile an dem Unternehmen hielt, so war es dennoch nicht das Ende der Welt.

Er stand auf. „Behalten Sie die Anteile. Ich bin nicht käuflich.“

„Aber Valerio Shipping ist es.“

Die Worte sorgten dafür, dass Luciano an der Tür innehielt und sich umdrehte. „Das stimmt nicht. Ich würde niemals ein Familienunternehmen verkaufen.“ Auch wenn die Schifffahrtfirma nur einen kleinen Teil seines Geschäftsimperiums ausmachte, so hinderte ihn die Familienehre daran, sie zu verkaufen.

„Sie werden nicht in der Lage sein, mich aufzuhalten.“

„Mein Onkel verfügte nicht über die Mehrheitsanteile der Firma.“ Aber der Dummkopf hatte den großen Teil, den er hielt, an Joshua Reynolds verkauft, anstatt sich an seinen Neffen zu wenden, als Spielschulden ihn in finanzielle Bedrängnis brachten.

„Nein, aber zusammen mit den Optionen, die ich auf die Anteile von einigen Ihrer entfernten Cousins habe, kontrolliere ich genug Aktien, um mit der Firma nach meinem Gutdünken zu verfahren.“

„Ich glaube Ihnen nicht.“ Viele dieser entfernten Cousins waren ausgewandert, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass sie jeglichen Familienstolz verloren und ihre Anteile einem Fremden versprochen hatten.

Reynolds warf einen Stapel Papiere auf seinen Schreibtisch. „Lesen Sie selbst.“

Luciano verbarg seinen wachsenden Zorn, während er den Raum durchquerte und den Bericht an sich nahm. Er setzte sich nicht, sondern blätterte im Stehen durch die Unterlagen. Mit jeder Seite vergrößerten sich seine Wut und sein verletzter Stolz.

Joshua Reynolds gab in dieser Akte die Empfehlung aus, mit dem größten Konkurrenten von Valerio Shipping zu fusionieren. Als wenn das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, würde die andere Firma ihre Identität bewahren, wohingegen Valerio Shipping mitsamt seinem Namen in der Versenkung verschwand.

Er knallte den Bericht auf die strahlend polierte Platte des Walnussschreibtischs. „Sie versuchen nicht, Hope einen Ehemann zu kaufen, Sie versuchen, einen zu erpressen!“

Reynolds zuckte die breiten Schultern, die trotz seiner über siebzig Lebensjahre kein bisschen gebeugt waren. „Sie können es nennen, wie Sie wollen, aber wenn Sie Valerio Shipping als Familienunternehmen halten möchten, dann werden Sie meine Enkelin heiraten.“

„Was stimmt mit ihr nicht, dass Sie zu solchen Methoden greifen müssen, um ihr einen Ehemann zu besorgen?“

Zum ersten Mal, seit Luciano das Arbeitszimmer des anderen betreten hatte, verbarg Reynolds seine Reaktion nicht. Er wirkte ehrlich überrascht.

„Mit ihr ist alles in Ordnung. Sie ist ein wenig schüchtern und hat ein viel zu großes Herz, das gebe ich zu, aber genau das wird sie zu einer wunderbaren Ehefrau machen.“

„Einem Ehemann, den Sie zur Hochzeit erpressen mussten?“

In vielerlei Hinsicht war Luciano ein traditioneller Sizilianer, aber neben Joshua Reynolds wirkte er wie ein aufgeklärter, moderner Mann. Hopes Großvater war mehr als altmodisch in seinen Ansichten – er war prähistorisch!

„Ich biete Ihnen einen einfachen Deal an. Gehen Sie darauf ein, oder lassen Sie es.“ Reynolds’ Ton machte unmissverständlich deutlich, dass er seine Drohungen in die Tat umsetzen würde.

„Und wenn ich nicht darauf eingehe, wird mein Familienunternehmen aufhören zu existieren.“

Der alte Mann wirkte vollkommen gelassen. „Nichts ist für die Ewigkeit.“

Luciano biss die Zähne zusammen und hielt sich nur mit Mühe davon ab, Reynolds am Kragen zu packen und zu schütteln. Er verlor niemals die Kontrolle und würde seinem Gegner nicht die Genugtuung verschaffen, es jetzt zu tun.

„Ich muss darüber nachdenken.“

„Tun Sie das. Dabei sollten Sie allerdings eins mit bedenken. Meine Enkelin ist vor zwei Wochen zu einer Europareise aufgebrochen. Ihre Gruppe besteht aus vier anderen Frauen, einer Reiseleiterin und fünf jungen Männern. In ihrem letzten Brief hat sie einen von ihnen mehrfach erwähnt. Ein David Irgendwas. Offensichtlich bahnt sich da etwas an. Wenn Sie wollen, dass Hope in der Hochzeitsnacht noch unberührt ist, dann sollten Sie sich beeilen.“

Hope blickte durch die Linse ihrer teuren Digitalkamera, die ein Abschiedsgeschenk ihres Großvaters vor der Reise gewesen war. Sie ließ sich auf ein Knie nieder und suchte nach der perfekten Einstellung für das Foto vom Parthenon. Die untergehende Sonne tauchte den antiken Tempel in ein atemberaubendes Licht, das sie unbedingt einfangen wollte.

Es war ein fantastischer Anblick.

„Es wird dunkel, bevor du das Bild im Kasten hast, Hope. Komm schon, Honey, mach endlich das verdammte Foto.“ Davids texanischer Akzent störte ihre Konzentration, und sie hätte ihm beinahe gesagt, dass er sie in Ruhe lassen sollte.

Aber in den vergangenen drei Wochen war er so nett zu ihr gewesen, hatte seine Freundschaft und männliche Begleitung angeboten, wann immer sie sie brauchte. Sie war überrascht gewesen, wie wohl sie sich von Anfang an in der Gruppe gefühlt hatte, doch eine lebenslange Schüchternheit verschwand natürlich nicht über Nacht. David war derjenige gewesen, der auf sie zugegangen war und sie nach und nach aus ihrem Schneckenhaus hervorgelockt hatte.

Deshalb verkniff sie sich auch die schnippische Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. „Ich brauche nur noch eine Sekunde. Warum wartest du nicht am Bus auf mich?“

„Ich kann mein Mädchen doch nicht allein lassen. Beeil dich einfach, Honey.“

Sie stellte die Kamera ein und machte eine Serie von Aufnahmen, dann stand sie auf. Trotz all der Unterbrechungen glaubte sie, dass die Bilder sehr gut geworden waren, und daher lächelte sie zufrieden.

Sich zu David umdrehend, schloss sie ihn in das Lächeln ein. „Da, bitte. Alles erledigt.“ Langsam ließ sie die Kamera in die zugehörige Tasche gleiten.

„Okay, dann können wir jetzt zum Bus zurückkehren.“ Sie konnte das Bedauern nicht unterdrücken, das in ihrer Stimme mitschwang, denn sie hatte noch gar keine Lust zu fahren.

David schüttelte den Kopf. „Wir fahren erst in zwanzig Minuten zurück zum Hotel.“

„Warum hast du mich dann so gehetzt?“, fragte sie ein wenig entnervt.

Er schenkte ihr sein strahlendes Lächeln. „Ich wollte deine Aufmerksamkeit.“

Verblüfft starrte sie den blonden texanischen Hünen an. Manchmal erinnerte er sie an einen kleinen Jungen – in der Regel war er sehr gutmütig, aber er hatte den Egoismus eines Kindes an sich. „Warum?“

„Ich dachte, wir könnten einen Spaziergang machen.“ Er streckte seine Hand aus, denn ganz offensichtlich nahm er wie selbstverständlich an, dass sie zustimmen würde.

Hope zögerte nur kurz, ergriff dann seine Hand und ließ sich von ihm von den anderen wegführen. Ein Spaziergang war ja eine gute Idee. Schließlich war dies ihr letzter Tag in Athen, und sie wollte die faszinierende Atmosphäre der Akropolis noch ein Weilchen länger genießen.

Ehrfurchtsvoll schaute sie zu den antiken Gemäuern hinauf. „Es ist so beeindruckend.“

David lächelte auf sie herab. „Es durch deine Augen zu sehen macht sogar noch mehr Spaß. Du bist ein süßes kleines Ding, Hope.“

Sie lachte. „Und was macht das aus dir? Ein süßes großes Ding?“

„Männer sind nicht süß. Hat dein Vater dir denn gar nichts beigebracht?“

Sie zuckte die Schultern, denn sie wollte nicht zugeben, dass sie sich nicht an ihren Vater erinnerte. Von den Fotos im Haus ihres Großvaters wusste sie nur, wie er ausgesehen hatte.

„Ich korrigiere mich“, sagte sie. „Ich werde dich nie wieder süß nennen, aber ist es mir erlaubt, es zu denken?“

Das lockere Geplänkel dauerte an, sodass sie laut lachten, als sie eine Viertelstunde später am vereinbarten Treffpunkt ankamen. Sie hielten sich noch immer an den Händen.

„Hope!“

Beim Klang ihres Namens schaute sie von David fort. Die Reiseleiterin stand neben der offenen Tür des Busses. Sie bedeutete Hope, dass sie herüberkommen sollte. Ein großer Mann in dunklem Anzug stand neben ihr und ließ sie regelrecht zwergenhaft aussehen. Die wachsende Abenddämmerung machte es schwierig, seine Züge zu identifizieren, und zunächst erkannte Hope ihn nicht. Als er sich jedoch bewegte, gab es keinen Zweifel mehr, wer der Mann war.

Niemand bewegte sich wie Luciano di Valerio. Er erinnerte sie immer an ein Raubtier.

David blieb stehen, als sie noch mehrere Meter vom Bus entfernt waren, und zog sie an seine Seite. „Ist das jemand, den du kennst?“

Der aggressive Ton in der Stimme ihres Freundes überraschte sie. „Ja. Er ist ein Geschäftspartner meines Großvaters“, erwiderte sie.

„Für mich sieht er eher wie ein Mafiaboss aus.“

„Nun ja, er ist tatsächlich Sizilianer“, neckte sie, „aber er ist Geschäftsmann.“

„Gibt es da einen Unterschied?“, meinte David.

Hope hatte keine Gelegenheit zu antworten, denn Luciano war in der Sekunde losgegangen, als David gestoppt hatte, und als er bei ihnen ankam, hörte er gerade noch die letzten Worte. Trotz ihres Wunsches, den Mann niemals wiederzusehen, saugte sie hungrig jedes Detail seines Gesichts in sich auf – das kantige Kinn, die dunkel funkelnden Augen und die sinnlichen Lippen.

„Ich bin gekommen, um Sie zum Dinner auszuführen“, sagte er ohne Vorwarnung, ohne Gruß und ohne den Hauch einer Frage.

„Aber was, in aller Welt, machen Sie hier?“ Das Erstaunen, ihn in solch unwahrscheinlicher Umgebung zu treffen, überlagerte für einen Moment den Zorn, den sie auf ihn verspürte.

„Ihr Großvater wusste, dass ich in Athen sein würde. Er hat mich gebeten, nach Ihnen zu sehen.“

„Oh.“ Lächerlicherweise war sie enttäuscht darüber, dass er nur auf Betreiben ihres Großvaters hier war, und wusste im ersten Augenblick nicht, was sie sagen sollte.

David hatte dieses Problem nicht. „Es geht ihr gut.“

Die Bemerkung erinnerte Hope nicht nur an seine Anwesenheit, sondern auch an ihre Manieren. „Luciano, das ist David Holton. David, Luciano di Valerio.“

Keiner der beiden Männer schien die Vorstellung zur Kenntnis nehmen zu wollen.

David betrachtete den Sizilianer voller Argwohn, während Lucianos Blick mit unverhohlenem Missfallen zu Hopes Hand wanderte, die immer noch in der von David lag. Dann richteten sich seine dunklen Augen auf sie. „Wie ich sehe, haben Sie sich doch für Option Nummer zwei entschieden.“

Zuerst wusste sie nicht, was er meinte, doch dann fiel ihr ihre Unterhaltung in der Bibliothek wieder ein: seine Unterstellung, dass ein Grund der Reise die Suche nach einem Ehemann oder einem Liebhaber war. Nahm er tatsächlich an, dass sie und David ein Paar waren?

Aus welchem Grund auch immer – sie fühlte sich tatsächlich schuldig und entriss David ihre Hand. „So ist es nicht“, erklärte sie vehement.

David starrte auf sie hinab, als hätte sie ihn zutiefst beleidigt. „Ich wollte dich heute Abend zum Essen ausführen.“

„Es tut mir leid, aber Sie werden Ihre Pläne ändern müssen“, bemerkte Luciano, der dabei gar nicht bedauernd klang. Er neigte seinen Kopf in Hopes Richtung. „Ich habe Ihrer Reiseleiterin bereits mitgeteilt, dass ich Sie heute Abend in Ihr Hotel zurückbringen werde.“

„Wie nett, aber ein wenig voreilig.“ Sie machte sich nicht die Mühe, die kommende Ablehnung durch ein Lächeln zu mildern. Nach der Art und Weise, wie er sie bei der Silvesterparty behandelt hatte, verdiente er das nicht. „Es war nett von meinem Großvater, sich um mich Gedanken zu machen, aber Sie müssen wirklich keinen ganzen Abend opfern, nur um ihm einen Gefallen zu tun.“

„Ich habe um Ihren Großvater willen zugestimmt, nach Ihnen zu sehen. Wenn ich mit Ihnen den Abend verbringen will, dann tue ich das nur für mich.“

Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie weigerte sich, es zu glauben. Hilflos starrte sie zu ihm auf. Vor sechs Monaten hatte er sie leidenschaftlich geküsst und dann von sich gestoßen, als sei sie aussätzig. Er hatte sie allein all diese gehässigen Kommentare durchstehen lassen … und … sie hatte seitdem kein einziges Wort mehr von ihm gehört!

David trat so vor Hope, dass er sie vor Luciano abblockte. „Ich wollte dich zu dem Restaurant ausführen, das dir an unserem ersten Tag hier so gut gefallen hat, Honey.“ Der vorwurfsvolle Tonfall implizierte, dass er ein exklusives Vorrecht auf ihre Zeit genoss, ganz zu schweigen von der Betonung, die er auf das Wort Honey legte.

„Du hättest früher etwas davon sagen können“, meinte sie.

„Ich wollte, dass es eine Überraschung ist“, gab er schmollend zurück. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass irgendein arroganter Italiener aufkreuzen und versuchen würde, dich zu entführen.“

Die Situation wurde mit jeder Minute absurder. Normalerweise bemerkten Männer sie gar nicht, und nun stritten sich gleich zwei um ihre Gunst.

Hope hätte Luciano am liebsten zum Teufel gejagt. Andererseits reizte sie die Aussicht, ihm wegen seines furchtbaren Verhaltens an Silvester gehörig die Meinung zu sagen. Und wenn sie ganz ehrlich war, dann plagte sie auch die Neugier, warum er plötzlich so versessen auf ihre Gesellschaft war.

Was David anging, so behagte ihr die vereinnahmende Haltung nicht, die er ihr gegenüber zeigte. Ganz plötzlich wurde ihr bewusst, dass er in den vergangenen Tagen ihre Zeit mehr und mehr für sich beansprucht hatte. Es hatte ihr nichts ausgemacht, weil sie sich dadurch keinen für sie ungewohnte Situationen stellen musste, aber sie waren schließlich nur Freunde. Es störte sie, dass er glaubte, er könne ihre Zeit verplanen, ohne sie auch nur zu konsultieren.

Nervös biss Hope sich auf die Unterlippe.

Sie hatte das Gefühl, nur zwischen zwei äußerst unangenehmen Alternativen die Wahl zu haben – keine von beiden würde sie am Ende des Abends unverletzt lassen.

3. KAPITEL

„Unsere Reservierung ist für halb neun. Wir müssen uns auf den Weg machen, piccola mia“, erklärte Luciano und ignorierte David dabei völlig.

„Sind alle europäischen Männer so arrogant?“, fragte David sie daraufhin.

Hope warf einen schnellen Seitenblick auf Luciano, um zu sehen, wie er die Beleidigung ihres texanischen Freundes auffasste. Seine Miene gab nichts preis. „Sollen wir gehen?“, meinte er nur.

David stieß hörbar die Luft aus.

Beruhigend legte sie eine Hand auf seinen Arm. Das alles wurde allmählich lächerlich, und wenn sie nicht rasch handelte, würde er sich einen äußerst mächtigen Mann zum Feind machen. Das konnte sie unmöglich zulassen.

Wenn sie mit Luciano ausging, würde David vielleicht außerdem verstehen, dass ihr nur an Freundschaft gelegen war und nicht mehr. Es ging nicht anders. Auch wenn sie Luciano hasste, so blieb er doch der einzige Mann, an den sie auf diese Weise denken konnte.

„Es tut mir leid. Können wir an einem anderen Abend ausgehen?“, fügte sie als Wiedergutmachung hinzu.

„Wir sind nur noch heute in Athen“, erinnerte er sie.

„Ich weiß.“

Er hätte vielleicht noch mehr gesagt, aber in diesem Moment rief der Busfahrer zum letzten Einstieg auf und bedeutete vor allem David, sich zu beeilen.

„Du gehst jetzt besser!“ Hope war sehr erleichtert darüber, dass die Konfrontation nicht noch länger andauerte. „Wir sehen uns dann morgen.“

„Also gut, Honey.“ Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie kurz auf den Mund.

Vollkommen schockiert und sprachlos starrte sie ihn an. So etwas hatte er noch nie zuvor gewagt.

David lächelte, doch diesmal war es nicht das normale, freundliche Grinsen, sondern es deutete eine Intimität zwischen ihnen an, die nicht vorhanden war. „Wenn du nicht bis morgen früh warten willst, kannst du heute Abend in meinem Zimmer vorbeikommen, nachdem der alte Freund deines Großvaters dich zurückgebracht hat.“

„Vielleicht sind Sie es durch die Verabredungen mit Ihrem jungen Freund gewohnt, unbefriedigt nach Hause gehen und weitere männliche Gesellschaft suchen zu müssen“, schaltete sich Luciano mit seidenglatter Stimme ein, „aber ich kann Ihnen versichern, bella mia, dass Sie das heute Abend nicht nötig haben werden.“

Hope keuchte auf und warf beiden Männern einen wütenden Blick zu. „Das reicht. Alle beide. Ich habe nicht die Absicht, mich von einem von euch befriedigen zu lassen.“ Sie errötete, während sie dies sagte, und war wütend auf sich selbst, weil sie es tat.

„Und mir gefällt auch dieses männliche Imponiergehabe nicht.“ Sie musste nicht zwischen zwei gleichermaßen schlechten Optionen wählen – ihr stand eine dritte offen. „Ich glaube nicht, dass ich überhaupt zum Dinner ausgehen will. Lieber lasse ich mir etwas vom Zimmerservice bringen und esse allein, anstatt den Abend mit einem von zwei arroganten Männern zu verbringen.“

Mit einem triumphierenden Blick auf Luciano, der ihn ihr nicht sympathischer machte, rannte David in Richtung Bus, wo der Fahrer bereits ungeduldig in der Tür stand. Hope wollte ihm gerade folgen und ihre Drohung in die Tat umsetzen, als Luciano ihr die Hände auf die Schultern legte und sie mitten im Schritt aufhielt. „Wir müssen Ihre bedauerliche Angewohnheit besprechen, immer zu gehen, bevor unsere Unterhaltung zu Ende ist. Das ist nicht besonders höflich, piccola.“

Ohne auf ihren Widerstand zu achten, zog er sie an seine Seite und bedeutete dem Busfahrer mit einer eleganten Handbewegung loszufahren.

Hope beobachtete in ohnmächtigem Zorn, wie das schwere Gefährt gestartet wurde und dann davonfuhr. Wutentbrannt wirbelte sie zu Luciano herum. „Das war extrem unverschämt, signor. Ich schätze es ganz und gar nicht, wenn man derart über mich hinweg entscheidet – zumal Sie absolut kein Recht und auch keinen Grund dazu haben!“

Luciano runzelte die Stirn. „Vielleicht habe ich im Moment noch nicht das Recht, aber ich habe einen Grund. Ich möchte den Abend mit Ihnen verbringen, cara.“

„Und meine Wünsche spielen keine Rolle?“, fauchte sie.

„Ihre Wünsche sind für mich von äußerster Wichtigkeit, aber wollen Sie wirklich lieber den Zimmerservice bestellen, anstatt mit mir auszugehen?“

Das war in der Tat die Frage. Es ging weniger darum, was sie lieber tat. Sie hatte vielmehr Angst, dass ihre Gefühle in seiner Gegenwart erneut verletzt werden könnten. „Sie waren unglaublich unhöflich. Sie haben so getan, als würden wir … als wären wir … als ob ich das jemals tun würde!“

Sie konnte sich nicht dazu bringen, die Worte laut auszusprechen, und das machte sie wahnsinnig wütend. Sein Gelächter brachte das Fass zum Überlaufen. Sie hatte es nicht nötig, sich verspotten zu lassen. Ohnehin hatte sie seinetwegen schon mehr als genug gelitten.

Hope wirbelte auf dem Absatz herum und war fest entschlossen, irgendein öffentliches Verkehrsmittel zu finden, das sie zum Hotel zurückbringen würde. Einmal mehr stoppte er sie. Diesmal schlang er seine Arme um ihre Taille und zog sie vollkommen ungeniert an seinen Körper.

Seine Lippen streiften ihren Nacken, und zwar in einer derart sinnlichen Liebkosung, dass sie weiche Knie bekam. „Sechs lange Monate habe ich mich danach gesehnt, dich wieder zu schmecken. Du musst schon verzeihen, wenn mein Enthusiasmus, dich wiederzusehen, dazu führt, dass ich mich nicht ganz korrekt verhalte.“

Wenn er wirklich so begierig gewesen wäre, mich wiederzusehen, hätte er kein halbes Jahr verstreichen lassen müssen, versuchte Hope sich einzureden. Doch sie war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht wie Wachs in seinen Händen zu schmelzen, um ihm das zu sagen. „Luciano?“, brachte sie schließlich stockend hervor.

Er drehte sie zu sich um. „Verbring den Abend mit mir, cara. Du weißt doch ganz genau, dass du es willst.“

„David hatte recht. Du bist arrogant“, entgegnete sie und ging dabei wie er zum Du über.

„Ich habe aber auch recht.“

Sie hätte protestiert, doch da küsste er sie bereits. Sobald seine Lippen die ihren berührten, war sie verloren. Er küsste sie mit so viel Erfahrung, dass sie ihre Reaktion nicht verbergen konnte. Widerstandslos gewährte sie seiner Zunge Einlass und hieß Luciano damit schüchtern willkommen.

Er schmeckte genau so, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Heiß. Feurig. Männlich.

Als er sich von ihr zurückzog, war sie noch derart von ihrer eigenen sinnlichen Reaktion gefangen, dass sie erst bemerkte, wohin er sie führte, als sie bereits vor der wartenden schwarzen Limousine standen. Endlich nahm sie ihre Umgebung wieder wahr, doch sie wehrte sich nicht länger dagegen, ihn zum Dinner zu begleiten.

Allerdings spielte sie im Innern des Wagens nervös mit dem Gurt ihrer bunten Schultertasche herum. Auch ihr zitronengelbes Sommerkleid und die flachen Ledersandalen waren wohl kaum angemessen für eins der Restaurants, die er gewöhnlich besuchte.

„Ich denke, es wäre das Beste, wenn du mich in mein Hotel zurückbringen würdest“, sagte sie im selben Moment, als er fragte: „Wie gefällt dir die Reise?“

In dem gut erleuchteten Inneren der Limousine begegnete sie Lucianos Blick. Offensichtlich wollte keiner von ihnen den Kuss erwähnen.

Seine dunklen Augen brannten sich in ihre. „Ich will dich nicht zurück zum Hotel bringen.“

„Für ein Dinner bin ich nicht richtig angezogen.“ Mit einer flüchtigen Handbewegung deutete sie auf ihre Alltagskleidung.

„Du siehst gut aus.“

Hope schnaubte ungläubig. „Wo essen wir denn – an einem Hot-Dog-Stand?“

„Ich glaube nicht, dass es so etwas in Athen gibt, cara.“

„Du weißt genau, was ich meine.“

„Und du solltest mir vertrauen, piccola. Ich würde dich nie in Verlegenheit bringen.“

Das war wirklich ein Witz!

„Also – willst du mir jetzt nicht erzählen, wie dir dein Urlaub gefällt? Ich erinnere mich, dass du dich sehr darauf gefreut hast.“

Das echte Interesse, das sie auf seinem Gesicht erkannte, bewog sie dazu, zu antworten.

„Bis jetzt war alles absolut wundervoll.“

„Welches Land hat dir bisher am besten gefallen?“

Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass ein Mann von seiner Erfahrung an ihrem ersten Eindruck von Europa interessiert war, aber sie antwortete trotzdem. „Das kann ich wirklich nicht sagen.“ Sie lächelte, als sie sich an all die faszinierenden Dinge erinnerte, die sie gesehen hatte. „Ich habe jeden einzelnen Moment geliebt. Nun ja, vielleicht nicht so sehr die Flughäfen, aber David und die anderen haben dafür gesorgt, dass die Warterei in den Terminals nicht so schlimm war.“

Bei der Erwähnung von Davids Namen runzelte Luciano die Stirn. „Er hat angedeutet, dass du heute Abend in sein Zimmer kommst. Schläfst du mit ihm?“

„Das geht dich nichts an!“

Er beugte sich zu ihr vor, wobei er mit seinen über eins neunzig aus der Nähe mehr als einschüchternd wirkte. „Sag es mir.“

Sie war vielleicht schüchtern, aber sie war kein Feigling! „Nein, das tue ich nicht. Und wenn du dich weiterhin wie ein Neandertaler verhältst, dann kannst du deinem Chauffeur gleich sagen, dass er mich am besten in mein Hotel zurückfährt.“

Zu ihrem Erstaunen zog er sich tatsächlich zurück. Körperlich zumindest.

„Ich bin kein Neandertaler, aber ich gebe zu, dass der Gedanke, du könntest deinen Körper einem anderen hingeben, mich nicht gerade gut gelaunt stimmt.“

„Warum?“

„Nach dem Kuss, den wir vor nur ein paar Minuten noch geteilt haben, musst du das doch bestimmt nicht fragen.“

„Willst du damit sagen, dass du bei jeder Frau, die du küsst, derartige Besitzansprüche stellst?“

„Du bist nicht jede Frau.“

„Nein. Ich bin die schrecklich schüchterne, absolut durchschnittliche Enkelin deines Geschäftspartners, die noch dazu vermutlich hoffnungslos im Bett ist. Ich sehe ganz und gar nicht, wie mich das zu etwas Besonderem für dich machen sollte.“

„Mit diesem David bist du überhaupt nicht schüchtern. Du hast mit ihm gelacht und seine Hand gehalten.“

Bei Luciano klang es ganz so, als sei sie in flagranti erwischt worden. „Er ist mein Freund.“

„Ich bin auch dein Freund, aber meine Hand hältst du nicht.“

„Um Himmels willen, du würdest eine Frau nur dann an der Hand halten, wenn du sie zum Bett führst.“ Himmel. Hatte sie das wirklich gesagt?

„Willst du etwa behaupten, dass dein Freund David dich nicht dorthin führt?“

„Mach dich nicht lächerlich!“

„Es ist überhaupt nicht lächerlich, das zu denken. Er schaut dich an wie ein Mann, der einen Anspruch auf dich hat.“

„Es gibt so etwas wie einen Anspruch auf Freundschaft.“

„Und Freundschaft beinhaltet, dass man spät nachts noch das Hotelzimmer des anderen besucht?“

„Ich war nie spät nachts in seinem Hotelzimmer, verdammt noch mal. Ich bin wohl kaum der Typ, der eine kurze Urlaubsaffäre hat, oder hast du die Hoffnungslos-im-Bett-Bemerkung vergessen?“

„Hör auf, die Worte dieser alten Hexe zu wiederholen, als wären sie eine Beschwörungsformel. Diese Person kennt dich nicht und weiß nichts von deiner Leidenschaft. In meinem Bett wirst du heiß wie eine Flamme sein, dessen bin ich mir sicher.“

„In deinem Bett?“

Er seufzte. „Ich habe nicht vor, dich heute Abend zu verführen, also entspanne dich.“

„Aber du hast vor, mich später zu verführen?“, fragte Hope atemlos.

Luciano ignorierte ihre Frage. „Vielleicht erzählst du mir, welches Restaurant dir so gut gefallen hat?“

Da sie sicher war, für diesen Abend genug über Verführung geredet zu haben, akzeptierte sie seinen Themenwechsel. Sie berichtete ihm von ihrem ersten Ausflug in das Nachtleben von Psiri, wo sie in einer der kleinen Bars einfach, aber köstlich gegessen hatte.

„Es war ein wenig wie Soho, aber ich hab mich hier viel wohler gefühlt als in New York. Psiri ist einfach fantastisch und viel entspannter.“

Luciano zuckte die Achseln. „Mein letzter Ausflug ins Nachtleben von Athen ist bereits ein paar Jahre her. Ich war sehr damit beschäftigt, mein Geschäftsimperium aufzubauen, sodass ich nicht viel Freizeit hatte.“

„Genauso wie bei meinem Großvater.“

„Vielleicht.“

„Ist es das, worum es heute Abend geht? Tust du meinem Großvater einen Gefallen, weil du dir davon einen günstigen Geschäftsdeal versprichst?“

Luciano wurde merkwürdig still. „Wie kommst du darauf?“

Jetzt war es an ihr, die Schultern zu zucken. „Ich kann nur nicht wirklich glauben, dass du in den vergangenen sechs Monaten an mich gedacht hast.“ Seine Drohung, sie verführen zu wollen, tat sie als Machogehabe ab. Vermutlich hatten das sizilianische Männer so an sich. „Schließlich hast du nie angerufen oder dich sonst irgendwie gemeldet. Und ich weiß, dass ich nicht deinen normalen Verabredungen ähnle.“ Genau genommen war Hope Lichtjahre von ihnen entfernt.

„Akzeptiere einfach, dass es mir gefällt, dich zu sehen.“

„Warum sollte ich das?“

„Weil ich dir sage, dass es so ist.“ Er klang entnervt.

„Du kannst viel behaupten, aber es sind deine Taten, die für sich sprechen.“

„Und was, bitte schön, soll das heißen?“

Die Ankunft an ihrem Ziel bewahrte sie vor einer Antwort.

Luciano half Hope aus dem Wagen heraus. Wer hätte gedacht, dass so ein schüchternes kleines Ding eine solche Kratzbürste sein konnte? Nach ihrer Reaktion auf seinen Neujahrskuss war er sicher gewesen, das Werben um sie wäre der einfache Teil des Deals mit Joshua Reynolds. Doch sie fiel ihm nicht gerade um den Hals.

Mein Gott, sie war wirklich widersprüchlich. Wenn er sie in die Arme nahm, schmolz sie dahin, aber sofort danach hatte sie die Zunge einer Xanthippe.

Während der Fahrt mit dem Aufzug zu seinem Penthouse schwieg Hope jedoch. Sie wich auch seinem Blick aus, was ihn verwunderte. Er fragte sich außerdem, ob sie in den blonden Mistkerl verliebt war, der sie geküsst hatte. Unter der Oberfläche brodelte immer noch die Wut darüber, dass der andere Mann es gewagt hatte, die Frau zu berühren, die die seine war.

Dass ihr noch nicht klar war, dass sie ihm gehörte, war der einzige Grund, weshalb Luciano den Texaner nicht niedergestreckt hatte, doch schon bald würde es die ganze Welt wissen. Und dann sollte der blonde Hüne es noch einmal wagen, sie anzufassen!

Der Aufzug hielt im obersten Stock. Hope sah zum ersten Mal auf. „Wo sind wir?“

Als sich die Türen öffneten, trat er einen Schritt zurück, um sie vorgehen zu lassen. „Das ist mein Firmensitz in Athen.“

Sie gingen durch eine von zwei Türen, die sich auf dieser Etage befanden.

Hope blickte sich um. „Für mich sieht es mehr wie ein Apartment aus. Willst du mir wirklich weismachen, dass ein sizilianischer Tycoon im Wohnzimmer verhandelt anstatt im Konferenzraum?“

Er spürte, wie seine Lippen bei ihrer frechen Bemerkung unwillkürlich zuckten. Diese unerwartete Seite ihrer Persönlichkeit war ganz und gar nicht unwillkommen. Eine Frau ohne Geist und Temperament würde nicht zu ihm passen. Er musste allerdings noch entscheiden, ob er die Ehe fortsetzen würde, nachdem er ihren Großvater auf seinen Platz verwiesen hatte.

„Das Apartment befindet sich im obersten Stock des Valerio-Gebäudes. Mein Büro ist eine Etage tiefer.“

Falls Hope nichts von den Machenschaften des alten Mannes wusste, dann lag ihre Schuld nur in der zufälligen Verbindung zu ihm. Sizilianische Tradition besagte aber, dass man für die Fehler von Familienmitgliedern verantwortlich gemacht wurde. Zum Glück dachte Luciano so nicht. Er würde sie für die üblen Machenschaften ihres Großvaters nicht zur Rechenschaft ziehen.

„Und die andere Tür?“, fragte sie.

„Eine Firmenwohnung.“

Sie hob eine Augenbraue. „Nicht das Apartment deiner Geliebten?“

Oh làlà. „Du fauchst heute Abend wie eine Raubkatze.“

Daraufhin errötete sie und wandte sich erneut ab.

Er hatte sie hierher gebracht, weil er das Ausmaß ihres Mitwissens herausfinden und gleichzeitig um sie werben wollte. Ihre andauernde Widersprüchlichkeit sprach für ihre Unschuld. Wenn sie die Heirat wollte und vom Plan ihres Großvaters wusste, würde sie es ihm wohl kaum so schwer machen.

Andererseits wussten Frauen schon seit Anbeginn der Zeit, dass es sinnvoll war, sich rar zu machen und so die männlichen Jagdinstinkte zu wecken, besonders bei einem sizilianischen Mann.

„Ich dachte, dass du mich zum Dinner ausführen würdest. Du hast gesagt, wir hätten für halb neun eine Reservierung.“

„Und das stimmt auch. Mein Koch hat ein ganz besonderes Menü vorbereitet, das er uns auf der Terrasse serviert. Wenn wir zu spät kämen, wären die Saucen ruiniert und das Gemüse verkocht. Ich bin übrigens sicher, dass du den Blick genießen wirst.“

Sie schaute ihn aus ihren veilchenfarbenen Augen verwirrt an. „Warum tust du das? Ich kann mir kaum vorstellen, dass du gerade kein Date hast und deshalb den Abend mit der Enkelin eines Geschäftsfreundes verbringen musst.“

„Ich habe dir bereits gesagt, dass es mir so gefällt. Warum willst du mir das nicht glauben?“ Er war es nicht gewohnt, dass man sein Tun infrage stellte, und er erkannte, dass es ihm nicht besonders gefiel, zumal nicht von ihr.

Hope schnaubte ungläubig. „Du gehst mit Supermodels aus. Mit verführerischen, kultivierten Frauen. Ich bin nicht dein Typ.

Aus irgendeinem Grund irritierten ihn ihre Einwände in diesem Punkt ganz gewaltig. „Ein Mann kostet viele verschiedene Früchte, ehe er den Baum findet, von dem er ein ganzes Leben lang essen will.“

„Du willst also sagen, dass du gerade Lust auf einen Apfel hast anstatt auf eine exotische Frucht?“

Er trat einen Schritt auf sie zu, sodass ihre Körper nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt waren, und nahm ihr Gesicht in seine Hände. „Wer weiß. Vielleicht bist du auch die Frau, die mich mein ganzes Leben lang zufriedenstellen wird.“

Hope spürte, wie sie vor Schock erstarrte. Es war unbegreiflich, aber warum hatte er es gesagt?

Er ließ ihr Gesicht los, trat zurück und gab ihr Raum zum Atmen. „Möchtest du dich frisch machen, bevor wir essen?“

Sie nickte dankbar. Wenn sie nur für eine Weile seiner nervenaufreibenden Nähe entkam. Er führte sie zu einem Gästezimmer und ließ sie an sich vorbeigehen. Zur Linken sah sie ein angrenzendes Bad.

Im Türrahmen hielt sie inne. Ohne ihn anzusehen, bat sie: „Bitte spiel nicht mit mir, Luciano. Ich bin nicht in deiner Liga.“ Sie wollte nicht noch einmal verletzt werden wie an Silvester. Sie wollte nicht eine von vielen in seiner langen Liste an Eroberungen sein.

Erneut legte er seine Hände auf ihre Schultern und drehte sie zu sich um. Ernst begegnete sie seinem Blick. Als er sanft mit einem Finger über ihre Unterlippe strich, zitterte ihr ganzer Körper.

„Ich spiele nicht, cara.“

Sie sehnte sich verzweifelt danach, ihm zu glauben, aber die Erinnerung an die Silvesterparty war noch zu frisch. „Warum …“ Sie stellte fest, dass sie nicht gegen den Kloß in ihrem Hals ansprechen konnte. Hoffnung und Misstrauen kämpften in ihr.

„Warum was?“

„Warum hast du mich nach unserem Kuss an Neujahr von dir gestoßen, als wäre ich eine Aussätzige?“ Die Worte drückten den ganzen Schmerz aus, den sie vor sechs Monaten empfunden hatte.

Luciano wirkte vollkommen entrüstet. „Das habe ich nicht getan.“

„Entschuldige, aber doch, das hast du. Ich war schließlich da.“

„Ich war auch da. Vielleicht habe ich dich ein wenig schnell gehen lassen. Ich wollte dich nicht noch mehr in Verlegenheit bringen.“

„Du wolltest mich nicht in Verlegenheit bringen?“ Die Ironie dieser Entschuldigung war wirklich zu groß. „Ich fasse es nicht.“

„Das solltest du aber.“

„Also um mir Verlegenheit zu ersparen, hast du mich stattdessen lieber gedemütigt, ja?“, fragte sie vollkommen ungläubig. Wenn das männliche Gehirn auf diese Weise arbeitete, war es kein Wunder, dass Frauen solche Probleme hatten, Männer zu verstehen.

„Luciano di Valerio zu küssen ist keine Demütigung.“

„Aber öffentlich von ihm zurückgewiesen zu werden ist es!“

4. KAPITEL

„Erklär mir das.“ Lucianos Stimme klang rau.

Hope war nur allzu gern dazu bereit. „Ich war drei Stunden lang das Gespött der Gäste. Die arme hoffnungslose Hope, die sich an den umwerfenden Italiener ranschmeißt“, ahmte sie die Kommentare der Gäste schmerzhaft nach. „Habt ihr gesehen, wie er sie sich praktisch vom Leib reißen musste? Wir wussten ja schon immer, dass sie hoffnungslos ist, aber derart verzweifelt?“

Die grausamen Worte hallten in ihrem Kopf, als wäre es gerade erst passiert. Die Scham, die sie damals verspürt hatte, erfasste sie von Neuem.

„Das kann nicht wahr sein. Ich habe dich geküsst. Das hat doch sicherlich jeder Gast gesehen. Porca miseria! Ich habe dafür die Annäherungsversuche dieser großen Blondine zurückgewiesen“, entgegnete Luciano aufgewühlt.

„Ach ja, das Model.“ Hope versteifte sich, als sie an den Abend zurückdachte. „Du weißt doch, was man über enttäuschte Frauen sagt? Nun ja, sie hat es zur Gänze ausgekostet. Jedem, der zugehört hat, hat sie erzählt, dass ich sie aus dem Weg gestoßen hätte, um zu dir zu gelangen.“

Ohne das Eingreifen des Models wäre Lucianos Verhalten nur ein privater Schmerz gewesen, doch so wurde es zu einer öffentlichen Demütigung.

„Wie ist ihr Name?“ Der eiserne Klang seiner Stimme überraschte sie.

„Welchen Unterschied macht das schon?“ Glaubte er tatsächlich, dass er jetzt noch etwas dagegen tun konnte? Dazu war es viel zu spät. „Wie auch immer – ich kenne ihren Namen ohnehin nicht. Ich hoffe nur, dass ich sie niemals wiedersehen werde. Ich wünschte, ich müsste keinen von ihnen jemals wiedersehen.“ Was ziemlich unwahrscheinlich war, denn viele der Partygäste waren Geschäftskontakte ihres Großvaters, für den sie immer wieder als gesellschaftliche Gastgeberin fungierte.

Luciano fluchte auf Italienisch. Sie kannte den Ausdruck nicht, aber der Tonfall war eindeutig. Es war derselbe, den sich ihr Großvater für bestimmte Wörter vorbehielt.

„Du musst mir glauben, dass ich so etwas niemals beabsichtigt habe“, meinte er beinahe flehentlich.

„Ich weiß.“ Sein Schock und seine Wut wirkten viel zu echt. „Dennoch wirst du jetzt doch wohl verstehen, dass es besser wäre, du ließest mich einfach in Ruhe. Ich weiß, dass ich schüchtern bin und mein Aussehen nicht der Rede wert ist, aber ich bin eine Frau mit Gefühlen, und ich möchte nicht noch einmal verletzt werden.“

Und er war der einzige Mann, der dazu die Macht hatte. Die anderen hatten sie in Verlegenheit gebracht, aber Lucianos Zurückweisung hatte ihr ins Herz geschnitten.

„Ich habe dich nicht verletzt.“

Wie konnte er das behaupten? „Du hast mich von dir geschoben, als hätte ich eine schlimme Krankheit! Du bist gegangen! Du bist nicht zurückgekommen. Ich weiß nicht, was du jetzt vorhast, aber ich glaube nicht an Märchen, und deshalb weiß ich, dass ich für dich absolut nichts Besonderes bin.“

Autor

Lucy Monroe
Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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