Julia Best of Band 266

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SÜSSE RACHE UNTER PALMEN
Eine Insel, grün wie ein Smaragd, das Meer, blau wie ein Saphir, und ein Hotel, exquisit wie ein seltener Diamant. Für Rico King ist dieser Ort sein Paradies! Bis Teresa plötzlich vor ihm steht – die Frau, die ihn vor fünf Jahren verraten hat …

VERBOTENE GEFÜHLE – PRICKELND WIE CHAMPAGNER
Erica stockt der Atem, als Anwalt Christian vor ihr steht: groß, breitschultrig und so sexy! Und erst seine Neuigkeiten: Sie soll ein Vermögen erben! Verwirrt reist sie mit ihm auf den geerbten Herrensitz – doch kein Champagner schmeckt so prickelnd wie Christians Küsse!

GIB DIE HOFFNUNG NIEMALS AUF!
Wie ein rettender Engel erscheint dem reichen Geschäftsmann Ron Bingham seine neue PR-Beraterin Lily. Nur sie kann die Kinderklinik vor bösartigen Verdächtigungen schützen. Und ihn vielleicht aus der Finsternis führen, die ihn seit dem Tod seiner Frau umgibt …


  • Erscheinungstag 09.06.2023
  • Bandnummer 266
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519274
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maureen Child

JULIA BEST OF BAND 266

1. KAPITEL

„Ein Juwelendieb?“ Rico King starrte seinen Sicherheitschef ungläubig an. „Hier im Hotel?“

Franklin Hicks starrte finster zurück. Mit seinen eins fünfundneunzig, den stechenden blauen Augen und dem kahl rasierten Schädel war der Enddreißiger definitiv eine eindrucksvolle Erscheinung. „Das ist die einzige Erklärung. Serenity James aus Bungalow sechs vermisst ein kostbares Schmuckstück. Ich habe mir bereits das Zimmermädchen und den Room Service vorgeknöpft.“

Bungalow sechs. Rico hätte die Zimmerübersicht am Computer aufrufen können, aber das war gar nicht nötig. Er kannte jeden Quadratzentimeter seines Hotels. Die Bungalows lagen ein Stück abseits vom Hauptgebäude, um die Privatsphäre der Gäste zu wahren. Viele seiner Kunden wussten diese Abgeschiedenheit zu schätzen. Kunden, die das wilde Leben liebten – so wie Serenity James, Hollywoods heißeste Nachwuchshoffnung.

Die Schauspielerin behauptete zwar, sie wolle aufdringlichen Fotografen und neugierigen Fans entkommen, doch laut Sicherheitsdienst herrschte in ihrem Bungalow ein reges Kommen und Gehen. Offenbar drückten die Männer einander die Klinke in die Hand, und jeder von ihnen hätte sich mit dem Schmuck davonmachen können. Zumindest hoffte Rico, dass die Lösung so einfach wäre.

„Und was ist mit Ms. James’ ‚Besuchern‘? Haben Sie die auch schon befragt?“

Frank schnaubte geringschätzig. „Wir sind noch dabei, sie zu grillen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es einer von denen war, Chef. Denn dann hätte dieser ‚Besucher‘ doch sicher mehr mitgehen lassen als nur eine Kette. Nein, wer immer da zugegriffen hat, war sehr wählerisch. Er hat sich genau das Teil ausgesucht, aus dem sich die Steine am leichtesten herauslösen und dann einzeln verticken lassen. Für mich riecht das nach einer professionellen Vorgehensweise. Außerdem hatten wir in den letzten Tagen zwei weitere Diebstahlsmeldungen. Das muss ein Profi sein.“

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, murmelte Rico beklommen.

Das „Castello Tesoro“ hatte erst vor gut sechs Monaten eröffnet. Das schicke und sehr exklusive Hotel avancierte in Rekordzeit zum Hotspot der Schönen, Steinreichen und Berühmten. Tesoro Island lag zwar mitten in der Karibik, befand sich aber in Privatbesitz. Ohne die Genehmigung des Eigentümers Walter Stanford durfte hier kein Schiff anlegen, ob Privatjacht oder Kreuzfahrtschiff, und kein Flugzeug landen.

Wer sich auf die Insel zurückzog, brauchte also keine Paparazzi zu fürchten, mal abgesehen von ein paar übereifrigen Strebern, die sich mit einem riesigen Teleobjektiv auf einem Boot weit draußen im Meer auf die Lauer legten.

Tesoro Island war grün und märchenhaft lauschig, das Castello selbst ein Disneyland für Erwachsene, mit traumhaften Pools und den besten Spas der Welt. Von jedem Raum aus hatte man einen atemberaubenden Blick aufs Wasser. Gebaut worden war das Hotel nach dem Motto klein und sehr fein. Die Ausstattung war opulent, der Service herausragend, und über der gesamten Insel lag eine verträumte verführerische Atmosphäre. Tesoro versprach jedem, der es sich leisten konnte, ein Freudenfest für alle Sinne.

Und Rico würde, verdammt noch mal, nicht zulassen, dass der glänzende Ruf seines Hauses beschädigt wurde. Sollte hier tatsächlich ein professioneller Dieb sein Unwesen treiben, dann würde er ihn erwischen.

Das „Castello Tesoro“ war sein Traum gewesen. Der Inbegriff eines Luxusresorts, errichtet nach seinen exakten Vorgaben von King Construction. Sein ganzes erwachsenes Leben lang hatte er auf dieses Projekt hingearbeitet. Er besaß mehrere Hotels, und jedes davon war auf seine Weise spektakulär. Aber die Anlage auf Tesoro war die Krönung seiner Karriere. Und er würde alles Menschenmögliche tun, um seinen Namen, sein Projekt und seine Investition zu schützen.

Er schüttelte verärgert den Kopf, drehte sich um und blickte aus dem Fenster seines Büros. Die Aussicht war sensationell. Die Insel trug ihren Namen völlig zu Recht: Tesoro bedeutete auf Spanisch „Schatz“.

Es war nicht leicht gewesen, Walter Stanford ein Stück seines privaten Paradieses abzuringen. Monatelang war Rico damals auf der Insel gewesen, um mit dem alten Mann zu verhandeln. Zum Teufel, er hatte sogar ein paar seiner Cousins einfliegen lassen, damit sie ihm beisprangen. Nun ja, dachte er, für Sean King hat sich der Einsatz ja gelohnt, immerhin ist er jetzt mit Walters Enkelin Melinda verheiratet.

Und nachdem die Verhandlungen abgeschlossen waren, ging es erst richtig los: der Bau, die Gestaltung, die Ausstattung, das Personal – alles musste ganz genau zu seinem Traum passen.

Auch wenn der bloße Gedanke an Juwelendiebe im Castello Rico zur Weißglut brachte, musste er sich doch eingestehen, dass es nicht wirklich überraschend war. Schließlich kamen die Reichen und Superreichen in hellen Scharen nach Tesoro, und da schien es nur logisch, dass auch die professionellen Langfinger ihren Weg auf die Insel fanden.

Allerdings riskierte so ein Profi viel, wenn er hier zu Werke ging. Tesoro war klein, schwer erreichbar, kaum unbemerkt zu verlassen. Und da seit Tagen kein Schiff ausgelaufen war, musste der Dieb, wer immer es war, noch hier sein – mitsamt seiner Beute.

Juwelendiebe.

Das Wort hatte sich irgendwie in seinem Gedächtnis verhakt, und ein plötzlicher Verdacht ließ sämtliche innere Alarmglocken läuten. Aber das konnte doch nicht wahr sein, versuchte er sich einzureden.

Niemals würde sie ein solches Risiko eingehen.

Nein, nicht einmal sie wäre so unverfroren, noch einmal in seiner Nähe aufzutauchen.

Aber wenn sie nun doch hier war?

„Boss?“

„Was?“ Rico schaute Franklin über die Schulter hinweg scharf an.

„Soll ich Interpol einschalten?“

„Nein.“ Rico ignorierte die verblüffte Miene seines Sicherheitschefs und drehte sich wieder zum Fenster. Bei dem Gedanken, dass die Gelegenheit zur Rache, auf die er seit fünf Jahren wartete, womöglich zum Greifen nah war, schnellte sein Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen. Ihm schossen diverse vielversprechende Szenarien durch den Kopf.

Bevor er nicht wusste, ob sein Bauchgefühl richtig war, würde er auf keinen Fall Interpol einschalten.

„Wir erledigen die Angelegenheit hier auf der Insel.“ Er starrte weiter zum Horizont. „Erst mal müssen wir den Dieb erwischen, dann sehen wir weiter.“

„Es ist Ihre Entscheidung.“ Franklin ging und zog die Bürotür hinter sich zu.

„Ja, das ist es“, bekräftigte Rico laut in den leeren Raum hinein. Und wenn hinter diesen Raubzügen tatsächlich die Frau steckte, die ihn schon einmal bestohlen hatte … dann konnte die Polizei sich glücklich schätzen, wenn überhaupt noch etwas von ihr übrig blieb, was man verhaften konnte.

„Papa, bitte. Du musst abreisen, bevor es zu spät ist.“ Verzweifelt schaute Teresa Coretti von ihrem Vater zur geschlossenen Tür seiner Suite.

Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, seit sie auf Tesoro war. Aber sie hatte herkommen müssen. Als sie erfuhr, wo ihr Vater und ihr Bruder ihren angeblichen Urlaub zu verbringen gedachten, war ihr keine andere Wahl geblieben.

„Warum soll ich denn abreisen?“ Ihr Vater zuckte übertrieben dramatisch mit den Schultern und lächelte. „Meine Ferien sind noch nicht vorbei.“

Ferien.

Schön wär’s.

Denn wenn Nick Coretti tatsächlich eine Auszeit von seiner Nebentätigkeit genommen hätte, würde jetzt niemand im „Castello Tesoro“ Schmuck vermissen. Nein, ihr Vater mochte von Urlaub reden, solange er wollte, aber in Wahrheit war er bei der Arbeit. Wie immer.

Dominick sah aus wie ein kleinerer, älterer und italienischer Bruder von George Clooney. Er war stets sonnengebräunt, und seinen scharfen braunen Augen entging nichts. Sein dunkles Haar war grau meliert, was ihm eine gewisse Würde verlieh. Dazu hatte er ausgezeichnete Manieren – kurzum der perfekte Gentleman. Und er war ein treuer Ehemann gewesen, bis Teresas Mutter vor zehn Jahren starb.

Seither nutzte er seinen beachtlichen Charme, um sich bei den Mitgliedern der High Society einzuschmeicheln, denn dort war, wie er betonte, „die Beute stets der Mühe wert“. Er liebte die Frauen, und die Frauen liebten ihn. Und er war, abgesehen von Teresas Brüdern Gianni und Paulo, der beste Juwelendieb der Welt – und immer auf der Jagd nach dem nächsten Job.

Wie hätte er da den Verlockungen von Tesoro widerstehen sollen? Für ihn war die Insel eine echte Goldmine.

Das Problem war nur, dass dieses fantastische Hotel Rico King gehörte.

Vor fünf Jahren hatte sie ihn das letzte Mal gesehen, doch sobald sie an ihn dachte, lief ihr ein heißer Schauder über den Rücken. Sie spürte den glühenden Blick seiner blauen Augen, als sei es gestern gewesen. Sie wusste noch genau, wie seine Küsse schmeckten, und beinahe jede Nacht träumte sie davon, dass seine Hände ihr zärtlich über die Haut strichen.

All diese Jahre hatte sie versucht, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, und nun war sie hier. In seinem Revier.

Unwillkürlich warf sie einen misstrauischen Blick durchs Fenster auf die Terrasse, so als fürchte sie, er könnte dort stehen. Und sie wütend anstarren.

Doch die elegante Veranda war leer, bis auf den Glastisch, die Stühle, die dazu passende Liege – und einen silbernen Kübel, in dem eine Flasche von Nicks Lieblingschampagner auf Eis lag. Und damit wären wir wieder beim eigentlichen Problem, dachte sie.

„Papa, ich habe dich doch gebeten, dich von Rico King fernzuhalten. Hast du das etwa vergessen?“

Nick wischte eine unsichtbare Fussel von seiner maßgeschneiderten Anzugjacke und strich dann glättend über sein makellos frisiertes Haar. „Natürlich erinnere ich mich an deine Bitte, mein Engel.“ Er hob einen Zeigefinger. „Und wie versprochen, habe ich jeglicher Versuchung widerstanden, Mr. King von seinen Wertsachen zu befreien.“

Teresa seufzte ungeduldig. „Das ist nicht das, was ich gemeint habe. Das ‚Castello Tesoro‘ ist Ricos Eigentum. Wenn du seine Gäste bestiehlst, ist es dasselbe, wie wenn du ihm die Geldbörse klaust. Du forderst das Schicksal heraus, Papa. Rico ist nicht dafür bekannt, besonders nachsichtig zu sein.“

„Ach Teresa.“ Nick nahm sein leeres Kristallglas und trat auf die Terrasse, um sich Champagner nachzuschenken. Er trank einen Schluck, bevor er fortfuhr: „Du warst schon immer viel zu nervös. Viel zu …“ Er legte den Kopf in den Nacken und suchte nach dem richtigen Wort. „Ehrlich“, fügte er schließlich in traurigem Ton hinzu.

Um Teresas Mund zuckte ein schiefes Lächeln. Wo, außer in ihrer Familie, würde Ehrlichkeit als fatale Schwäche gelten? Seit frühester Jugend lebte sie am Rand des Gesetzes. Während andere Kinder mit Puppen spielten, lernte sie, wie man Schlösser knackt. Und als ihre Freundinnen den Führerschein machten, nahm sie Unterricht bei Onkel Antonio, der jeden Safe aufbekam.

Sie liebte ihre Familie, aber sie war nie damit klargekommen, sich ihren Lebensunterhalt als Diebin zu verdienen. Mit achtzehn brachte sie ihrem Vater schonend bei, dass sie zum letzten Mal für ihn gearbeitet hatte. Und so wurde sie die erste Coretti seit Menschengedenken, die etwas Anständiges lernte. Nick betrachtete das noch immer als tragische Verschwendung ihrer eigentlichen Talente.

Sie nahm geistesabwesend zur Kenntnis, dass ihr Vater sich auf der Liege niederließ und auf das Resort schaute, das sich vor der Veranda erstreckte.

Erstaunlich, was Rico hier geschaffen hat, dachte sie, ohne wirklich überrascht zu sein. Er war jemand, der sich niemals mit dem Zweitbesten zufriedengab, egal unter welchen Umständen. Das war ihr sofort aufgefallen, als sie ihn kennengelernt hatte, damals in Cancún.

Sie war eine von zahllosen Köchinnen und Köchen gewesen, die in der riesigen Hotelküche seines „Castello de King“ herumwirbelten. Es war ihr erster richtiger Job nach der Kochschule, und sie fand es schrecklich aufregend, Teil des hektischen Gedrängels zu sein, das in dieser unglaublichen Anlage herrschte. Ihr konnte nichts Besseres passieren, als hier zu arbeiten, davon war Teresa fest überzeugt – jedenfalls bis zu ihrer ersten Begegnung mit Rico.

Nach einem besonders langen Tag hatte sie sich etwas Entspannung gönnen wollen, bevor sie in ihr Apartment ging. Sie schnappte sich ein Glas Wein und setzte sich damit in einen der luxuriösen Strandstühle, um die Nacht und den Mondschein zu genießen – und das herrliche Gefühl, endlich einmal allein zu sein.

Dann sah sie ihn, wie er am Meer entlanglief. Das Mondlicht fiel auf sein dunkles Haar und brachte sein weißes Hemd zum Leuchten. Er trug eine hellbraune Hose, und um seine nackten Füße spritzte bei jedem Schritt Wasser auf. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, und während er näher kam, erkannte sie zwei Dinge. Erstens: Er sah einfach atemberaubend gut aus. Und zweitens: Es war ihr Arbeitgeber. Rico King, Playboy, Multimillionär, Hotelier und im Moment ebenso allein wie sie.

Binnen Sekunden lief die Szene von damals wieder vor ihrem geistigen Auge ab.

Er schaute auf, als habe er ihren Blick gespürt, und als er sie sah, lächelte er und kam auf sie zu. „Ich dachte, ich sei allein am Strand.“

„Dachte ich auch“, brachte sie mit Mühe heraus.

„Wollen wir zusammen allein sein?“

Er sprach mit dem kaum wahrnehmbaren Anflug eines Akzents. Seine Augen waren von einem unglaublichen stechenden Blau, seine Haare so schwarz wie die Nacht, und sein Lächeln war die pure Versuchung. Sie hätte beim besten Willen nicht Nein sagen können, und vom besten Willen konnte keine Rede sein. Rico ließ sich neben ihr auf dem Sand nieder, sie teilten sich das Glas Wein und redeten zwei Stunden angeregt miteinander.

Teresa schreckte aus ihren Gedanken auf. Es hatte keinen Sinn, in Erinnerungen an Rico zu schwelgen – und darüber zu grübeln, was hätte sein können … Sie war nur aus einem einzigen Grund hier: um ihre Familie herauszuholen, bevor er dahinterkam, dass sie in seinem Hotel war. Und er würde dahinterkommen. Es war nur eine Frage der Zeit. Das wiederum bedeutete, dass sie die Corettis möglichst schnell von Tesoro wegkriegen musste.

Wenn ihr Vater doch nur auf sie hören würde! Doch Nick Coretti war eine Naturgewalt, und wenn eine Beute ihn lockte, war ihm kein Risiko zu groß.

Sie folgte ihm auf die Terrasse. Die Sonne schien hell vom leuchtend blauen Himmel, und eine sanfte Brise brachte den Duft tropischer Blumen mit sich.

„Du kennst Rico nicht so gut wie ich, Papa. Er schnappt dich garantiert.“

Nick schnaubte geringschätzig.

Bellissima, kein Coretti ist jemals geschnappt worden. Wir sind einfach zu gut.“

Das stimmte zwar, aber die Corettis hatten es auch noch nie mit einem Gegenspieler wie Rico zu tun. Ja, die Polizei verschiedener Länder hatte vergeblich versucht, ihnen etwas anzuhängen, aber das Interesse der Ordnungshüter war rein beruflich gewesen.

Für Rico hingegen war das hier eine persönliche Angelegenheit.

„Papa, hör dieses eine Mal auf mich.“ Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und sah ihn flehend an. „Bitte, lass uns von hier verschwinden, solange wir noch können.“

„Du machst viel zu viel Aufhebens um diesen Mann, nur weil da mal etwas zwischen euch war. Ständig redest du dir ein, dass er nach dir sucht. Dass er nach uns sucht.“

„Er hat nach mir gesucht, hast du das etwa vergessen?“

Nick wedelte abwehrend mit den Händen. „Sein Stolz war verletzt, nachdem du ihn verlassen hast, mein Schatz. Das kann ich gut verstehen. Keinem Mann würde es gefallen, eine so hübsche Frau zu verlieren. Aber das ist jetzt fünf Jahre her. So langsam solltest du damit aufhören, dir seinetwegen einen Kopf zu machen.“

Ob fünf Jahre oder fünf Minuten – einen Mann wie Rico konnte man nicht so leicht vergessen.

Außerdem wusste Nick nicht alles. Es gab Dinge, die sie nicht einmal mit ihrer Familie teilen konnte.

Unter anderen Umständen wären Papa und Rico vielleicht sogar Freunde geworden, dachte sie. Jedenfalls waren diese beiden Männer die stursten und eigensinnigsten Kerle, die sie je getroffen hatte.

Plötzlich begriff sie, dass ihr Vorhaben aussichtslos war. Dominick Coretti würde niemals einen halb erledigten Job aufgeben. Er würde das Castello erst dann verlassen, wenn er hatte, was er wollte.

Damit war er ein gefundenes Fressen für Rico. Jeder Hotelier auf diesem Planeten kannte die Corettis. Sie waren prominent, reich und dachten gar nicht daran, sich zu verstecken. Sie waren nur schlicht und ergreifend so geschickt, dass man ihnen nie etwas nachweisen konnte.

Aber nun wurde hier im Hotel Diamantschmuck vermisst. Rico würde ohne Mühe eins und eins zusammenzählen.

Sie ging ins Zimmer zurück. Ihr Vater erhob sich und trat an das schmiedeeiserne Geländer der Veranda, als wollte er die Aussicht noch besser genießen. Doch Teresa wusste, dass er in Wahrheit die anderen Gäste beobachtete, um sein nächstes Opfer auszumachen – falls das nicht bereits geschehen war.

Als Kind hatte die kriminelle Familientradition sie noch fasziniert, doch schon als Teenager fing sie an, sich zu wünschen, dass die Corettis einfach mal in ihrer Villa bei Neapel bleiben würden. Dass sie ein richtiges Zuhause hätte, statt ununterbrochen durch Europa ziehen zu müssen. Sie blieben nie länger als einen Monat an einem Ort, sodass es unmöglich war, Freundschaften zu schließen. Teresa und ihre Brüder wurden ausschließlich privat unterrichtet, und neben den üblichen Fächern wie Mathematik und Geschichte paukten sie auch Einbruch, Safeknacken und Fälschen.

Und dann hatte Teresa den Aufstand geprobt. Ihr Vater tobte, ihre Mutter weinte, doch am Ende setzte sie sich durch mit ihrer Weigerung, in das Familienunternehmen einzutreten. Seither war sie für ihre Brüder ein Rätsel und für ihren Vater ein Ärgernis.

„Du übertreibst maßlos.“ Sein Ton war tadelnd. „Das hier ist ein Job wie jeder andere. Sobald wir ihn erledigt haben, machen wir uns davon. Keiner wird uns erwischen.“

„Wenn du dich da mal nicht irrst, Papa. Du kennst Rico nicht so gut wie ich. Er ist gefährlich.“

Zumindest für sie.

Jetzt hatte sie Nicks volle Aufmerksamkeit. „Hat dieser Mann dir irgendetwas angetan? Falls ja, dann werde ich …“

„Nein“, fiel sie ihm hastig ins Wort. Das Problem war vielmehr, dass Rico bereits so seine Erfahrungen mit den Corettis hatte. Aber davon wusste ihr Vater nichts, und jetzt war nicht der richtige Moment, ihm die Geschichte zu erzählen. „Er hat mir nichts getan. Aber er wird nicht zulassen, dass man seine Gäste bestiehlt. Und wenn er dich erwischt, dann …“

„Was kann er schon tun?“ Nick lachte abfällig. „Er hat keine Beweise. Die Corettis lassen sich nicht so schnell schnappen, das solltest du eigentlich wissen, Teresa.“

„Offenbar aber doch schneller, als Sie denken.“ Die Stimme war tief und vertraut. Und sie erklang direkt hinter ihrem Rücken.

Teresa erstarrte.

Sie würde diese Stimme überall wiedererkennen.

Das Gefühl, das sie durchzuckte, war ein merkwürdiger Mix aus Angst und gespannter Erwartung. Sie drehte sich langsam um und blickte Rico King in die Augen.

2. KAPITEL

„Was soll das?“ Nick kam ins Zimmer und stellte sich Rico entgegen. „Wer sind Sie? Und was haben Sie in meiner Suite zu suchen?“

„Papa, das ist Rico King.“

„Ah, unser Gastgeber.“ Nick lächelte dünn. „Aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, hier unaufgefordert einzudringen.“

Rico kochte innerlich vor Wut, nicht zuletzt deshalb, weil er sich zwingen musste, seinen Blick von Teresa loszureißen, um ihren Vater anzusehen. Das boshafte Glitzern in dessen Augen ließ keinen Zweifel daran, dass er ganz genau gewusst hatte, wer Rico war. Die vorgetäuschte Ignoranz gehörte zu seinem Spiel. „Die Tatsache, dass Sie ein Dieb sind und sich in meinem Hotel aufhalten, gibt mir alles Recht der Welt.“

„Ein Dieb?“ Nick warf sich derart theatralisch in die Brust, als wolle er gleich an die Decke gehen.

„Papa, bitte.“ Teresa trat zwischen die beiden Männer und kam sich vor wie ein Ringrichter beim Boxen. Sie schaute Rico an. „Wir reisen ab. Und zwar sofort.“

„Ihr geht nirgendwohin.“ Er schäumte jetzt geradezu vor gerechtem Zorn.

Fünf Jahre. Fünf verdammte Jahre lang hatte er sich gefragt, wo zum Teufel sie steckte. Ob sie tot oder verletzt war. Oder ob sie im Bett eines anderen lag und über ihn lachte. Oh nein, sie würde nicht so einfach von hier verschwinden. Nicht bevor er mit ihr fertig war. Und im Moment hatte er absolut keine Ahnung, wann das sein würde.

Sie wurde ganz blass, und in ihren Augen schimmerten so viele unterdrückte Emotionen, dass er ihren Blick nicht mal dann hätte deuten können, wenn er es versucht hätte. Was er keinesfalls vorhatte! Stattdessen sah er ihren Vater an.

Dominick Coretti war elegant, selbstbewusst und schien geradezu freudig erregt. Er dachte offenbar bereits darüber nach, mit welcher Finte er die Situation, die sich so unerwartet gegen ihn gewendet hatte, retten konnte.

„Ich bin zutiefst beleidigt, dass Sie mich für einen Dieb halten.“ Offenbar hatte Nick beschlossen, weiter auf die Rolle des entrüsteten Gasts zu setzen. „Und ich werde keineswegs bleiben, wo man mich nicht haben will. Meine Familie und ich reisen noch heute Abend ab.“

„Sie verlassen diese Insel nicht, bevor Sie den gestohlenen Schmuck zurückgegeben haben.“

„Also, entschuldigen Sie mal …“

„Ich entschuldige gar nichts“, entgegnete Rico ungerührt, obwohl er zugeben musste, dass der Mann die beleidigte Leberwurst ziemlich überzeugend spielte.

„Sobald der Schmuck wieder bei seinen rechtmäßigen Besitzern ist, dürfen Sie und Ihr Sohn abreisen. Meine Frau bleibt hier.“

„Frau?“, wiederholte Nick verblüfft.

„Frau?“, rief Teresa entsetzt.

Rico nahm mit großer Genugtuung zur Kenntnis, dass ihr schönes Gesicht zu einer schockierten Grimasse verzogen war. Ihre Augen waren geweitet, ihr Mund stand offen, und ihre Wangen glühten.

„Das ist doch verrückt.“

„Aber die Wahrheit.“

„Du hast mir nie erzählt, dass du diesen Mann geheiratet hast“, sagte ihr Vater vorwurfsvoll.

„Es war nicht wichtig“, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.

Die vier Worte trafen Rico wie ein Schlag ins Gesicht und fachten seine Wut nur noch mehr an. Nicht wichtig. Ihre Ehe. Dass sie ihm davongelaufen war, ihre Familie ihn bestohlen hatte. Nicht wichtig. Er bezwang seinen Zorn nur mit größter Mühe, doch es gelang ihm, seine Gefühle hinter einer neutralen Miene zu verbergen. „Das hast du damals aber ganz anders gesehen.“

„Warum habe ich nichts von dieser Eheschließung erfahren?“ Die Stimme ihres Vaters klang schneidend.

„Papa …“

Rico ließ sich keine Sekunde von der gespielten Empörung des älteren Mannes täuschen. Dazu wusste er zu gut über die Corettis Bescheid. Immerhin beschäftigte er sich seit Jahren mit dem diebischen Clan. Zwar waren die Privatdetektive, die er angeheuert hatte, nicht imstande gewesen, Teresa zu finden, aber sie hatten doch ein paar sehr interessante Informationen über ihre Verwandtschaft ausgegraben. Genug, um die ganze verdammte Familie hinter Schloss und Riegel zu bringen, falls er das wollte.

Daher glaubte er kein Wort von Nicks Darbietung. Die Corettis lebten schließlich seit Generationen davon, andere zu betrügen. Lügen gehörten quasi zu ihrem Handwerkszeug.

„Ich mache dieses Spiel nicht mit“, sagte er ruhig.

„Welches Spiel?“

Rico sah erst Nick an, dann die Frau, deren Bild ihn seit Jahren verfolgte. „Wie gesagt, sobald Sie den gestohlenen Schmuck zurückgegeben haben, können Sie und Ihr Sohn abreisen. Teresa bleibt hier. Und zwar so lange, bis Sie den Golddolch zurückbringen, der mir vor fünf Jahren entwendet wurde.“

„Sie können meine Tochter nicht gegen ihren Willen festhalten“, erklärte Nick im Ton eines Mannes, der daran gewöhnt war, dass man ihm gehorchte.

Rico starrte ihn ausdruckslos an. „Entweder Sie tun, was ich sage, oder ich alarmiere Interpol.“

Nick wedelte wegwerfend mit seiner gepflegten Rechten. „Interpol macht mir keine Angst.“

„Das dürfte sich ändern, sobald ich die Informationen weitergebe, die ich im Laufe der Zeit über Ihre Familie gesammelt habe.“

Corettis Augen verengten sich. „Was für Informationen?“

„Genug, um Sie zu vernichten“, versicherte Rico. Teresa schnappte leise nach Luft. Er ignorierte sie.

„Das kann ich mir kaum vorstellen“, polterte Nick selbstgefällig, doch in seinen Augen flackerte erstmals Besorgnis auf. „Man hat uns nie etwas nachweisen können.“

„Bis heute.“ Rico lächelte triumphierend. „Privatdetektive können dort suchen, wo die Polizei nicht hinkommt. Und wenn die Gesetzeshüter die entsprechenden anonymen Hinweise erhalten …“

Coretti – oder Candello, wie er sich hier nannte – schien zu begreifen, dass man ihn in die Enge getrieben hatte. Gut so.

Niemand konnte systematischer vorgehen als ein King, der einen Feind zur Strecke bringen wollte. Rache war nun mal ein Gericht, das kalt am besten schmeckte. Und dank des südländischen Bluts, das durch Ricos Adern floss, kam sie ihm sogar noch süßer vor als erwartet.

„Ihre Söhne sind nicht immer so vorsichtig wie ihr Vater.“

Dominick funkelte ihn argwöhnisch an.

„Sie bluffen doch nur.“

Rico lächelte schmal. „Teresa, sag deinem Vater, dass ich nicht bluffe.“ Er wandte den Blick nicht von ihr ab.

„Er blufft nicht, Papa.“ Ihr Flüstern schien durch die vornehme Suite zu hallen. „Wenn er sagt, dass er Beweise hat, dann hat er auch welche.“

Nick runzelte verärgert die Stirn.

„Was wollen Sie von mir?“

„Ganz einfach: Ich will das zurückhaben, was Ihre Familie mir vor fünf Jahren gestohlen hat.“

Nick sah seine Tochter scharf an. „Ich glaube, Sie haben mir damals ebenfalls etwas gestohlen.“

Ich habe Teresa nicht gestohlen, dachte Rico. Er hatte nur zum ersten und letzten Mal in seinem Leben auf sein Herz gehört und nicht auf seinen Verstand. Und sich damit ganz schön was eingebrockt.

„Von mir aus können Sie es auch einen Austausch nennen. Sie geben mir mein Eigentum zurück, dafür kriegen Sie Ihres wieder.“

„Eigentum?“, zischte Teresa wütend, richtete sich kerzengerade auf und straffte die Schultern, als wolle sie sich auf einen Kampf vorbereiten. Dann reckte sie trotzig das Kinn. „Ich gehöre niemandem, und schon gar nicht dir.“

Er nickte kurz. „Das beleidigte Getue kannst du dir schenken. Ich habe kein Interesse daran, dich hierzubehalten.“

Sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen.

„Du kannst abhauen, sobald ich den aztekischen Golddolch wiederhabe“, fuhr er fort, ohne auf ihre Reaktion zu achten.

Nicht nur, dass Teresa ihn benutzt und dann sitzen gelassen hatte – sie hatte sich auch noch just zu dem Zeitpunkt in Luft aufgelöst, als der unbezahlbare Dolch aus seiner Sammlung verschwunden war. Und dank der Erkenntnisse seiner Detektive wusste er ganz genau, dass ihr Bruder der Dieb war. Rico wollte diesen Dolch unbedingt zurück. Er war eine Ritualwaffe, die die Azteken für ihre Opferzeremonien benutzten, und sein Ururgroßvater, oder wer weiß wie viele „Urs“ es noch waren, hatte ihn vor mehr als zweihundert Jahren bei einer archäologischen Ausgrabung gefunden. Seither wurde er in der Familie seines Vaters von Generation zu Generation weitergegeben, und wenn es nach Rico ging, würde das auch in Zukunft so bleiben.

Wenn der Dolch wieder in seinem Besitz war und er sich an Teresa gerächt hatte, konnte er sie und die Vergangenheit endlich abhaken.

Teresa machte unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu, als habe sie vergessen, dass Nick ebenfalls im Raum war, blieb dann aber abrupt stehen und schaute Rico direkt in die Augen. „Ich habe mich vor fünf Jahren scheiden lassen. Ein Rechtsanwalt in Cancún hat die notwendigen Dokumente zusammengestellt und mir den abschließenden Bescheid zugeschickt.“

„Der war gefälscht.“

Die Erinnerung daran, wie ihr Anwalt, ein guter Freund von Rico, damals bei ihm auftauchte, um ihn über Teresas Scheidungsabsichten zu informieren, fachte seinen Zorn noch mehr an. Der Mann schuldete ihm noch einen Gefallen, und gemeinsam hatten sie die Scheidungsurkunde gefälscht und Teresa glauben lassen, dass ihre Ehe aufgelöst war. Natürlich versuchte er, sie über die Adresse, die sie dem Anwalt gegeben hatte, zu finden, aber sie war bereits weitergezogen, und ihre Spur verlor sich irgendwo in Europa.

Er hatte diese Täuschung im Laufe der vergangenen fünf Jahre gelegentlich bereut. Doch damals war er zu verletzt und wütend gewesen, um sie freizugeben. Und immer noch zu … angetan von ihr, um zuzulassen, dass sie endgültig aus seinem Leben verschwand.

Doch jetzt war er heilfroh über seine damalige Entscheidung – und sei es nur wegen ihrer entsetzten Miene. Sie war so sicher gewesen, alle Fäden in der Hand zu haben, so überzeugt davon, ihn sich durch ihr Lügengespinst von Leib halten zu können.

Vermutlich fragte sie sich gerade, wie um alles in der Welt er sie hier im Castello entdecken konnte. Wie es ihm gelungen war, sie aus Hunderten von Gästen herauszupicken.

Das war nicht schwierig gewesen.

Eigentlich war es sogar verblüffend einfach. Als Hotelbesitzer hatte er Einblick in das gesamte Gästeregister, und Teresa hatte unter dem Namen Teresa Cucinare eingecheckt. Cucinare war das italienische Wort für „kochen“. Ein paar Erkundigungen an der Rezeption hatten seinen Verdacht bestätigt: Die Empfangsdame beschrieb Miss Cucinare als umwerfende Schönheit mit großen braunen Augen und einem Grübchen in der rechten Wange. Rico hatte die richtige Beute im Visier.

Fünf Jahre, drei Monate und zehn Tage.

Nicht dass er zählen würde oder so etwas. Aber er wusste auf die verdammte Minute genau, wann diese Frau – seine Frau – sich davongemacht hatte.

Immer wieder hatte er sich ausgemalt, was er zu ihr sagen, was er mit ihr machen würde, wenn er sie endlich fand. Und nun, da sie hier war, konnte er nichts anderes tun, als sie anzustarren.

Er verschlang sie förmlich mit den Augen. Sein Blick wanderte von ihrem hinreißenden Gesicht über ihre unglaublich aufregenden Kurven bis zu den rot lackierten Zehennägeln, die so reizvoll aus hochhackigen Sandaletten hervorlugten.

Der Anblick ließ ein wildes Verlangen in ihm aufflackern, das sogar den Zorn zu überlagern drohte, der seit fünf Jahren sein ständiger Begleiter war. Sie hatte ihn geheiratet. Ausgenutzt. Und dann wie einen verdammten Narren dastehen lassen. Ein solches Verhalten war unverzeihlich, und Vergebung war keine Option.

Aber verflucht noch mal, sie sah sogar noch besser aus als damals. Ganz offensichtlich waren die letzten fünf Jahre für Teresa Coretti nicht besonders hart gewesen.

Coretti.

Als er sie heiratete, hatte er keine Ahnung gehabt, dass dieser Name in ganz Europa berüchtigt war. Das fand er erst viel später heraus, nachdem sie ihn verlassen hatte. Bis Italien konnte er ihren Spuren noch folgen, danach schien sie wie vom Erdboden verschluckt. Wenn es darum ging, sich vor Zugriff zu schützen, stand Teresa dem Rest ihrer Familie in nichts nach.

Aber das alles war jetzt vorbei. Er hatte sie. Hier. In seinem Hotel. Und noch einmal würde sie ihm nicht entwischen.

„Rico …“

Ihre Stimme war leise, sie klang irgendwie atemlos und so sexy, dass die Erregung ihn durchzuckte wie ein Blitz. Oh, verflucht, auch wenn er es nicht gern zugab, nicht einmal vor sich selbst: Diese Frau übte nach wie vor eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn aus. Fünf Jahre, und noch immer wollte er sie so sehr wie nichts anderes auf der Welt.

Doch diesmal würde dieses Bedürfnis zu seinen Bedingungen gestillt werden.

„Es ist ganz schön lange her.“ Er sah ihr unverwandt in die Augen.

„Ich weiß …“

„Ich hätte nie gedacht“, er schnitt ihr das Wort ab, bevor sie ihre Ausflüchte vorbringen konnte, „dass du tatsächlich die Unverfrorenheit besitzt, hier aufzutauchen.“

„Lass mich doch erklären …“

„Warum? Damit du mir deine vorbereiteten Lügen um die Ohren hauen kannst?“ Er schüttelte den Kopf. „Keine Chance.“

„Also bitte, wir können diese Angelegenheit doch sicher wie höfliche, zivilisierte Menschen diskutieren“, mischte Teresas Vater sich nun ein.

Rico musterte ihn prüfend. Dominick Coretti. Oberhaupt einer Familie von Dieben und zweifellos derjenige, der seiner Tochter ihren zweifelhaften Ehrbegriff beigebracht hatte. Der Mann war offenbar wirklich unerschütterlich, das musste er ihm lassen. Obwohl Nick auf frischer Tat ertappt worden war, sah er aus, als sei ihm höchstens der Champagner schal geworden. Dabei musste ihm doch, wie allen hier im Raum, klar sein, dass er verloren hatte.

„Zivilisiert?“, wiederholte er ungläubig. „Ist es etwa zivilisiert, andere zu bestehlen? Oder seine Tochter dazu zu benutzen, das Opfer abzulenken, bis man es um seine Besitztümer erleichtert hat?“

Nicks Augen verengten sich. „Ich benutze meine Kinder nicht.“

„Ach, Sie trainieren sie wohl bloß?“, fragte Rico höhnisch nach.

„Jetzt reicht’s!“ Teresa holte tief Luft, dann drehte sie Rico geflissentlich den Rücken zu und wandte sich an ihren Vater. „Papa, kannst du uns einen Moment allein lassen?“

Nick schaute von seiner Tochter zu Rico. „Bist du sicher, Teresa?“

„Mir wird nichts passieren“, beteuerte sie. „Bitte.“

„Na gut.“ Er zog den Aufschlag seines Jacketts glatt, reckte drohend das Kinn und suchte Ricos Blick. „Ich bleibe in der Nähe.“

„Das ist wohl auch besser so. Ich kann Ihnen jedenfalls nur empfehlen, nicht mal daran zu denken, die Insel zu verlassen.“

Der ältere Mann erstarrte, deutlich in seiner Ehre gekränkt. „Ich schleiche mich nicht heimlich davon wie ein Feigling. Als ob ich meine Tochter allein zurücklassen würde.“

Rico war sich da nicht so sicher, aber er behielt sein Misstrauen für sich. Schließlich wollte er, dass Coretti möglichst schnell aus der Suite verschwand. „Der Hafen ist geschlossen“, erklärte er, sobald Nick die Tür hinter sich zugezogen hatte. „Er kommt hier nicht weg.“

„Er lässt mich nicht im Stich“, erwiderte sie kühl.

„Gibt es etwa so etwas wie Ehre unter Dieben?“ Er lachte abfällig. „Kaum zu glauben, wenn das ausgerechnet die Frau behauptet, die mich genauso lange hinters Licht geführt hat, wie ihre Familie brauchte, um mich zu bestehlen.“

„Ich habe dich nicht …“ Sie unterbrach sich, schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Dann schaute sie ihn herausfordernd an. „Wie hast du das gemeint, als du sagtest, dass wir nicht geschieden sind?“

„So, wie ich es gesagt habe. Die Urkunde, die dein Anwalt dir geschickt hat, war eine Fälschung.“

Teresa atmete hörbar aus und verschränkte die Arme. „Eine Fälschung.“ Sie warf mit einer schwungvollen Kopfbewegung ihre lange Mähne in den Nacken und funkelte Rico zornig an. „Ich nehme an, das war deine Idee.“

„Ja.“

„Du hast vielleicht Nerven“, zischte sie empört. „Und uns nennst du Lügner und Betrüger. Dabei bist du keinen Deut besser.“

„In diesem Punkt irrst du dich.“ Er trat auf sie zu. Sie wich zwei Schritte zurück. Gut so. „Ich habe dich nie bestohlen. Ich habe dich nie belogen. Ich habe dich nie benutzt.“

„Das mag ja sein“, gab sie zurück. „Aber du hast mich ausgetrickst. Du hast mich glauben lassen, dass zwischen uns alles vorbei ist. Aber warum? Was hättest du denn gemacht, wenn du mich gefunden hättest? Hier auf der Insel eingekerkert?“

Sein Lächeln war spöttisch. „Leider habe ich hier im Hotel keinen Kerker. Aber ich bin sicher, dass sich da etwas Passendes arrangieren lässt.“

„Das meinst du nicht ernst.“ Teresa blickte sich rasch um, als hoffe sie, dass jemand zu ihrer Rettung herbeieilte. Aber da war niemand. Sie waren allein in der luxuriösen Suite, und die Spannung zwischen ihnen stieg von Sekunde zu Sekunde.

„Das meine ich sogar todernst.“ Er beugte sich vor, bis sein Mund ganz nah an ihrem Ohr war, und flüsterte: „Du bist noch immer meine Frau.“

Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet! Wie oft hatte er sich ausgemalt, dass sie vor ihm stand und ihm ins Gesicht sagte, dass ihre Ehe nur eine Lüge gewesen war, eine List, um ihrer Familie den Zugang zu seinen Wertsachen zu ermöglichen!

Nun war der Moment endlich da. Und er war genauso süß, wie er ihn sich erträumt hatte.

Sie starrte ihn entrüstet an. „Du weißt genauso gut wie ich, dass du mich nicht wie eine Gefangene halten kannst, Rico.“

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und versenkte die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jeans. „Das brauche ich auch gar nicht. Du bleibst freiwillig bei mir.“

„Warum um alles in der Welt sollte ich das tun?“

„Weil ich, wie ich dir und deinem Vater bereits erklärt habe, über genug Beweise verfüge, um die Corettis für Jahrzehnte hinter Gitter zu bringen.“

„Soweit würdest du tatsächlich gehen, nur um mir eins auszuwischen?“

„Darauf kannst du Gift nehmen.“ Sein Ton war bitter. „Du hast keine Vorstellung davon, was ich alles tun würde, um jemandem zu schaden, der mich gezielt benutzt und betrogen hat.“

„Ich habe dich nicht betrogen. Als mir klar wurde, was mein Bruder …“

Wieder schnitt Rico ihr das Wort ab. „Ich bin an deinen Erklärungsversuchen nicht interessiert.“ Er kam noch näher und umfasste ihre Schultern. Es war ein beinahe überwältigendes Gefühl, sie nach so langer Zeit wieder zu berühren. Um sich gegen die instinktive Reaktion seines Körpers zu wappnen, konzentrierte er sich auf die Wut in seinem Bauch. „Für Erklärungen ist es jetzt fünf Jahre zu spät, Teresa.“

Sie zuckte zusammen, und er wusste, dass seine Worte ins Schwarze getroffen hatten. Seltsamerweise bereitete ihm das weniger Befriedigung als erwartet. „Das Einzige, was ich von deiner Familie jetzt noch will, ist mein rechtmäßiger Besitz.“

Ihre Augen weiteten sich, und er schüttelte den Kopf, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Nein, Teresa. Ich meine nicht dich. Ich meine den Aztekendolch, den dein Bruder mir gestohlen hat. Ich will ihn wiederhaben. Und bis ich ihn bekomme, bleibst du hier.“

3. KAPITEL

Teresa hätte schwören können, dass sie spürte, wie die Falle, die Rico ihr gestellt hatte, zuschnappte. Er hatte gewonnen. Sie würde alles, wirklich alles tun, was er von ihr verlangte, um zu verhindern, dass ihr Vater und ihre Brüder ins Gefängnis kamen.

Sie fühlte sich ihm noch ausgelieferter als in jener Nacht in Mexiko. Und damals hatte bereits ein Blick auf Rico gereicht, dass ihr die Knie weich wurden. Heute hingegen durfte sie keinerlei Schwäche zeigen. Der Mann, der jetzt vor ihr stand, mochte zwar immer noch ihr Mann sein, aber er war ein Fremder.

Nun ja, sie hatte sich natürlich über ihn auf dem Laufenden gehalten. Nachdem es ihr nicht gelungen war, ihn zu vergessen, holte sie sich ihre regelmäßige Dosis Rico, indem sie die Klatschspalten verfolgte oder ihn googelte. Sie hatte das unbezwingbare Bedürfnis, sein Gesicht zu sehen – auch wenn es ihr jedes Mal fast das Herz brach, wenn er wieder mit irgendwelchen schönen Models oder Schauspielerinnen herumzog. Oh nein, Rico hatte nicht wie ein Mönch gelebt, seit ihre Ehe zerbrochen war. Aber sie konnte es ihm wohl kaum verübeln, schließlich waren sie geschieden.

Zumindest hatte sie das gedacht.

„Ich kann einfach nicht glauben, dass wir noch verheiratet sind.“

Um seinen Mund zuckte ein kurzes, hämisches Lächeln. „Du musst dich wohl damit abfinden.“

Sie schüttelte heftig den Kopf. „Aber ich habe den Anwalt bezahlt. Er hat mir die Urkunde geschickt.“

„Nachdem du ihm den Auftrag erteilt hattest, ist Esteban sofort zu mir gekommen. Er schuldete mir einen Gefallen.“

„Und du hast mich benutzt, um diesen Gefallen einzutreiben?“

„Du willst mir doch nicht ernsthaft vorwerfen, ich hätte dich benutzt?“ Das Lächeln war verschwunden, und seine Augen sprühten förmlich Funken, so als ob der Zorn, der in ihm schwelte, tatsächlich echte Flammen schlug. „Wir wissen doch beide, wie es wirklich war.“

Man konnte ihm seine Deutung der damaligen Situation wahrhaftig nicht übel nehmen. Aber sie stimmte einfach nicht. „Ich habe dich nicht benutzt, Rico. So etwas hätte ich nie getan.“

„Mir würde es sehr viel leichterfallen, das zu glauben, wenn du nicht verschwunden wärst – zur selben Zeit wie eine kostbare Antiquität.“

Sie fuhr sich entnervt mit der Hand durchs Haar. Ihre Finger verhedderten sich in der dichten schwarzen Mähne. Noch heute würde sie ihrem Bruder Gianni am liebsten den Hals umdrehen. Sie hatte ihre Familie damals ausdrücklich gebeten, Rico in Ruhe zu lassen, aber Gianni konnte einfach nicht widerstehen. Er stahl Ricos über alles geliebten goldenen Aztekendolch. Und nahm Teresa damit die Entscheidung aus der Hand.

„Ich wusste gar nicht, dass der Dolch gestohlen wurde, bis du es mir an diesem letzten Morgen erzählt hast.“

„Und das soll ich dir abnehmen?“

Sie seufzte entmutigt. „Du kannst es auch bleiben lassen.“

„Immerhin war es deine Familie, die ihn gestohlen hat.“

„Einer meiner Brüder, ja.“ Oh Gott, sie zitterte ja. Es machte sie fertig, ihn wiederzusehen. Und es war viel härter, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber noch schwerer war sein distanzierter Blick zu ertragen.

Denn sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie seine Augen vor Leidenschaft geleuchtet hatten. Ach, es war viel mehr gewesen als Leidenschaft. Die Romanze, die sie vor fünf Jahren erlebt hatte, war so unglaublich gewesen, so unerwartet und zauberhaft – fast wie ein Märchen.

Und dann war alles zerbrochen. Sie hatte sich gefühlt wie Aschenputtel um Mitternacht – verzweifelt über das Ende der Magie.

„Ich kann nicht glauben, dass wir noch verheiratet sind“, wiederholte sie. „Oder dass du dir so viel Mühe gemacht hast, nur um mich zu bestrafen.“

„Du hättest wissen müssen, dass ich dich nicht so einfach gehen lassen würde.“

„Ja, das hätte ich wohl.“ Wieder schaute sie ihm in die Augen, in der Hoffnung dort … ja was? Was hoffte sie dort zu finden? Liebe? Leidenschaft? Früher konnte sie alles, was sie sich erträumte, in seinen Augen sehen. Aber das war lange vorbei, und daran konnte sie keinem die Schuld geben außer sich selbst. Sie hätte sich niemals in ihn verlieben dürfen. Und als sie es doch tat, hätte sie ihm ihre Herkunft nicht verschweigen dürfen. Und auf keinen Fall hätte sie einfach davonlaufen sollen, ohne zumindest zu versuchen, ihm die Sache zu erklären. Aber es hatte keinen Sinn zu jammern. Was passiert war, war passiert. Nichts und niemand würde den Zauber zurückholen, den sie einst in Ricos Augen gefunden hatte. Jetzt schlug ihr aus seinem Blick nur noch abweisende Kälte entgegen, die ihr gleichzeitig das Herz zerriss und sie in eine Verteidigungshaltung zwang.

„Was hast du dir denn davon versprochen, unsere Ehe aufrechtzuerhalten? Ich dachte, du bist froh, mich los zu sein, nach allem, was war.“

„Du hast mir etwas weggenommen.“ Seine Züge wirkten so steinern und unnahbar wie die einer Statue.

Einen atemberaubenden Moment lang dachte Teresa, er könnte sie meinen. Vielleicht hatte sie ihm ja doch so viel bedeutet, dass er sie nicht gehen lassen konnte. Doch während sie weiter in diese blauen Augen starrte, die sich einfach nicht für sie erwärmen wollten, musste sie sich eingestehen: Es hatte nichts mit ihr zu tun. Er wollte nur den Dolch, den Gianni gestohlen hatte.

Sie schloss kurz die Augen und wünschte sich weit weg. Aber als sie sie wieder aufschlug, sah sie immer noch Rico vor sich, der sie mit einem eisigen Blick durchbohrte.

„Ich wusste nicht, dass mein Bruder den Dolch stehlen wollte.“

Er lachte geringschätzig. „Erwartest du wirklich, dass ich dir das glaube?“

„Nein, wohl eher nicht“, räumte sie ein. „Aber ich wollte es dich trotzdem wissen lassen.“

„Nach fünf Jahren beschließt du also, zur Abwechslung mal ehrlich zu sein. Ihr seid schon eine tolle Familie. Überaus vielseitig. Es darf sogar die Wahrheit sein, wenn ihr glaubt, dass euch damit besser gedient ist als mit einer Lüge.“

„Es geht nicht um meine Familie, sondern um mich. Ich versuche, dir zu erklären, was damals wirklich los war.“

„Vielen Dank.“ Seine Worte trieften geradezu vor Sarkasmus. „Jetzt weiß ich es also. Es ändert nichts.“ Er ging an ihr vorbei auf die Terrasse.

Sie folgte ihm, aber er würdigte sie keines Blickes. „Wie lange willst du mich hier festhalten?“

„Bis deine kriminelle Familie mir mein Eigentum zurückgibt.“

Sie war froh, dass er ihr immer noch den Rücken zuwandte. So sah er wenigstens nicht, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. Gegen die Wahrheit konnte man nichts ausrichten, so gern sie das auch getan hätte. „Es geht also tatsächlich nur um den Dolch?“

Er drehte sich zu ihr um. „Oh, es geht um viel mehr als den Dolch.“

Die warme Brise zerzauste sein fast schulterlanges schwarzes Haar. Seine Miene war verschlossen, eine verächtliche Fassade, die sorgfältig jede Emotion verbarg.

Sie erschauderte leicht unter seinem frostigen Blick. Wie sie das Feuer vermisste, das früher dort für sie brannte! Damals konnten sie kaum die Finger voneinander lassen. Sie beide waren wie elektrisiert und unersättlich gewesen. Doch die Vergangenheit war so flüchtig wie der Passatwind, der über die Veranda blies – sie wehte durch ihr Herz und ihre Seele und machte sich viel zu schnell davon.

„Was genau willst du eigentlich von mir, Rico?“

„Ich will dich“, erwiderte er tonlos.

Mit einem Schlag schmolz das Eis in ihrem Herzen. „Du willst was?“

„Ich will dich hier haben.“ Er lehnte lässig an der Brüstung, die Arme vor der Brust verschränkt. „In meinem Bett“, fügte er unverblümt hinzu.

„Wirklich?“ Lag sie mit ihrer Deutung seines Verhaltens etwa völlig falsch? Wollte er ihr auf diese Art sagen, dass sie es noch einmal miteinander versuchen sollten?

„Einen Monat lang“, präzisierte er, und ihre rosaroten Träume zerplatzten wie eine Seifenblase.

„Was?“

„Du hast mich sehr wohl verstanden. Und du kannst von Glück sagen, dass ich nicht die ganzen fünf Jahre einklage, die du weg warst.“

Sie blinzelte.

„Du bleibst einen Monat lang hier. Und du teilst das Bett mit mir wie eine anständige Ehefrau.“

„Du willst mich doch nicht etwa zum Sex erpressen?“

„Natürlich nicht. Aber wir werden im selben Bett schlafen. Und sollten wir wieder Sex haben, Teresa, dann wird die Initiative von dir ausgehen.“ Er grinste anzüglich. „Du wirst dich ja erinnern, wie gut es immer war …“

Und ob sie das tat!

„Eine Erpressung ist also völlig überflüssig.“

Da hatte er vermutlich recht, so wahr ihr Gott helfe.

„Wenn der Monat vorbei ist“, fuhr Rico ungerührt fort, „gibt dein Bruder mir den Dolch zurück, und ich lasse dich gehen. Und diesmal mit einer echten Scheidung.“ Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber er ließ ihr keine Zeit. „Und das ist noch nicht alles. Ich werde dir sämtliche Beweise übergeben, die ich gegen die Corettis gesammelt habe. Du kannst sie eigenhändig vernichten.“

Oh Mann! Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte immerhin einiges zu verarbeiten: das, was er gesagt hatte, die kalte, zynische Art, wie er es gesagt hatte, und wie sie am besten auf seinen Vorschlag reagieren sollte. Schließlich gelang es ihr, sich auf das entscheidende Wort zu konzentrieren.

„Vernichten? Du willst mir wirklich das ganze Zeug geben?“

„Ja“, versicherte er und zuckte nonchalant mit den Schultern. „Und ich lüge nicht.“

Sie nahm die Spitze stirnrunzelnd zur Kenntnis, hatte es aber satt, diesen Punkt mit ihm zu diskutieren und beschäftigte sich stattdessen mit seinem Versprechen. Wenn sie tatsächlich alle Beweise vernichten konnte, dann wäre ihre Familie wieder auf der sicheren Seite. Falls es diese Beweise überhaupt gab. Schließlich hatte man, wie ihr Vater behauptet hatte, noch keinen Coretti in flagranti ertappt. Wie konnte sie sicher sein, dass Rico wirklich etwas Stichhaltiges besaß?

„Woher soll ich wissen, dass du überhaupt etwas hast, über das wir uns Sorgen machen müssten?“

„Ich bluffe nicht, wie ich deinem Vater gerade erst mitgeteilt habe.“ Er drückte sich von der Brüstung ab. „Ich habe so viel, dass jeder Staatsanwalt einen Freudentanz aufführen würde, während er die Zellentür hinter deinem Vater und deinen Brüdern zufallen lässt.“

Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Rico war jemand, der stets sagte, was er dachte, und meinte, was er sagte. Wenn er mit Vergeltung drohte, dann würde er diese Drohung mit aller Macht wahr machen. Und wenn er behauptete, dass er die Corettis ins Gefängnis bringen konnte, dann saßen sie schon so gut wie hinter Gittern.

Es war, als ob eine eiskalte Hand sich um ihr Herz krallte. Wenn sie in seine Augen blickte, fröstelte sie noch mehr. Obwohl er kaum einen Meter von ihr entfernt war, hätte man die Distanz zwischen ihnen gut und gern nach Lichtjahren berechnen können. „Also geht es um Rache?“

„Oh ja.“ Er lächelte, aber es war ein schwacher Abklatsch des Lächelns, an das sie sich so gut erinnern konnte – und das sie noch immer in ihren Träumen heimsuchte. „Hast du etwa eine Liebeserklärung erwartet? Dachtest du, dass ich die letzten fünf Jahre damit verbracht habe, der Frau hinterherzuschmachten, die mich bestohlen hat und dann abgetaucht ist?“

„Schmachten?“ Sie lachte kurz und spöttisch auf. „Ich bitte dich! Ich habe die Fotos von dir in den Klatschmagazinen gesehen. Mit all diesen Schauspielerinnen, Models und It-Girls. Du hast nicht gerade den Eindruck gemacht, als wolltest du dich an deren Schultern nur ausweinen.“

Um seine Mundwinkel zuckte ein amüsiertes Lächeln. „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“

Und wie! „Kaum.“

„Eine Diebin aus einer Familie von Dieben. Warum sollte ich dir glauben?“

„Ich habe dich nicht bestohlen.“ Allmählich wurde sie wütend.

„Dann war’s eben deine Familie, das macht dich genauso schuldig.“

Okay, das musste sie wohl akzeptieren. Sie war nun mal eine der Corettis, auch wenn sie sich nie an deren Jobs beteiligt hatte. „Du willst dich an meiner gesamten Familie rächen, ist es das?“

„Nein, Teresa.“ Er kam noch näher und legte ihr eine Hand an die Wange. Doch die zärtliche Geste bedeutete nichts, sein Blick blieb hart. „Von deiner Familie will ich nur mein Eigentum zurück. Und von dir … will ich nichts anderes, als allen Spaß im Bett, den wir in den nächsten vier Wochen miteinander haben können.“

Die paar Worte reichten aus, um einen Flächenbrand in ihrem Inneren auszulösen. Ihr Körper pulsierte förmlich vor plötzlicher Erregung. Es war nicht fair, dass er mit zahllosen Frauen zusammen gewesen war, während sie wie eine Nonne gelebt hatte. Und es war erst recht nicht fair, dass er ihr nur „Spaß im Bett“ zuflüstern musste, und schon war sie bereit, umgehend mit ihm in die Kiste zu springen.

„Und wenn ich keine Lust auf Sex habe?“ Ha! fügte sie stumm hinzu. „Würdest du mich dazu zwingen?“

Er sah sie starr an. Warnend. „Glaubst du ernsthaft, dass ich dazu fähig bin?“

„Nein“, murmelte sie beschämt. „Das glaube ich nicht.“

Er nickte. „Gut.“

Aber sie war noch nicht fertig. „Obwohl du ja offenbar gar keine Probleme damit hast, mich durch Erpressung in dein Bett zu holen.“

„Du bist meine Frau. Du gehörst in mein Bett. Und es wird gar nicht nötig sein, dich zum Sex zu erpressen. Du wirst mich geradezu darum anflehen.“ Er lächelte herausfordernd. „Und mir wird es ein Vergnügen sein, deine Bitte zu erfüllen. Also, lass es dir durch den Kopf gehen: Du verbringst den Monat mit mir, und ich schicke deine Familie nicht in den Knast.“

Sie sah ihn traurig an. „Du bist so kalt geworden seit damals …“

„In den letzten fünf Jahren hat sich viel geändert“, gab Rico kühl zurück. Aber ihre Augen waren noch immer so goldbraun und verträumt wie damals. Ihr Duft war ebenfalls derselbe, leicht blumig mit einem Hauch von Sommernacht. Er sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen, und versuchte, sich einzureden, dass er einfach nur auf seine lang erwartete Rache aus war.

Doch er wusste, dass es mehr war als das.

Die Erinnerung an diese eine Frau hatte ihn so sehr gequält, dass es keiner anderen auch nur ansatzweise gelungen war, sie aus seinem Kopf zu verdrängen. Und nun war es höchste Zeit, den Spuk zu beenden. Er würde Teresa endgültig aus seinem Herzen verbannen und dann verdammt noch mal mit seinem eigenen Leben weitermachen.

„Akzeptierst du meine Bedingungen?“ Er fragte, weil er ausdrücklich hören wollte, wie sie Ja sagte. Zwar würde er sich einer Frau niemals gegen ihren Willen aufzwingen. Allein die Tatsache, dass sie diese Möglichkeit offenbar in Erwägung zog, machte ihn fuchsteufelswild. Aber er war auch nicht darüber erhaben, sicherzustellen, dass das Objekt seiner Begierde keine andere Wahl hatte. Zumindest nicht, wenn es sich um Teresa handelte.

Sie war die einzige Frau, über die er nie hinweggekommen war. Und das lag keineswegs nur daran, dass sie ihn betrogen hatte, auch wenn ihre dreisten Lügen bis heute an ihm nagten.

Er hatte noch für keine mehr empfunden als für sie. Verdammt, er hatte sie sogar geheiratet, obwohl er vorher nicht einmal in Betracht zog, sich für den Rest seiner Tage an eine Frau zu binden. Doch bei Teresa musste er nicht mal eine Sekunde darüber nachdenken. Er brauchte nur auf sein Herz zu hören. Sie kam ihm vor wie ein Geschenk des Himmels, und er hatte sie geheiratet, weil er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen konnte. Er war unvorsichtig gewesen, und er hatte bitter dafür bezahlt.

Als sie verschwand, begriff er, dass sie kein Segen für ihn gewesen war, sondern ein Fluch. Jetzt war sie wieder da, und er konnte seine endlose Wut und seinen verletzten Stolz endlich überwinden. Er würde Teresa dazu benutzen, ihm einen Weg in die Zukunft zu bauen.

In eine Zukunft ohne Teresa Coretti.

„Nun?“ Sein gelassener Ton verriet nichts über seinen Seelenzustand. „Was ist jetzt, Teresa? Bleibst du einen Monat bei mir, oder lässt du deine Familie hinter Gitter wandern?“

Sie reckte das Kinn und schaute ihm direkt in die Augen. „Ich bleibe hier“, flüsterte sie.

Zu Teresas Überraschung bestand er nicht darauf, dass sie in Sichtweite blieb. Eine Stunde später kam sie jedoch zu der Erkenntnis, dass sein Verhalten keineswegs erstaunlich war. Rico wusste schließlich nur zu gut, dass sie nichts tun würde, was ihre Familie in Gefahr brachte. Natürlich akzeptierte sie seine Bedingungen. Natürlich unternahm sie keinen Fluchtversuch. Und natürlich würde sie mit ihm schlafen. Was sonst? Schließlich hatte sie fünf Jahre lang von diesem Mann geträumt. Einfach nur still neben ihm zu liegen war keine Option, das war ihr ebenso klar wie ihm.

Sie lief am Hafenkai entlang zur Bootsanlegestelle, wo ihr Vater und ihr Bruder warteten. Rico hatte für sie einen Transport nach St. Thomas arrangiert. Von da aus würden sie nach Italien fliegen und dort hoffentlich Ricos Dolch aus Giannis Sammlung holen. Glücklicherweise hatte ihr Bruder die kostbare Antiquität nicht verkauft, sondern seiner eigenen kleinen Kollektion einverleibt.

In einem Monat würden die beiden zurückkommen und Teresa gegen den Dolch austauschen.

Eine sanfte Brise strich ihr über die Wangen und wehte ihr eine lange Haarsträhne über die Augen. Sie schob sie zurück, zwang sich ein falsches Lächeln ins Gesicht und ging auf die beiden Männer zu.

Ihr Vater wirkte kühl und ruhig. Es war nahezu unmöglich, Dominick aus der Reserve zu locken. Er stellte seine Zurückhaltung so elegant zur Schau wie seine dreiteiligen Anzüge. Paulo hingegen sah aufgebracht aus. Er rannte wild gestikulierend vor Nick hin und her. Der Wind trug seine Worte von ihr weg, aber Teresa konnte sich gut vorstellen, was er sagte. Er war wütend, und wenn ihr Bruder wütend war, dann ging man ihm am besten aus dem Weg. Doch diese Möglichkeit hatte sie jetzt nicht. Sie musste sich den beiden stellen, ihnen Ricos Ultimatum überbringen und sie dann ziehen lassen.

„Cara“, murmelte ihr Vater, als sie näher kam. „Kommst du doch mit?“

Sie unterdrückte nur mühsam das Bedürfnis, sich in seine Arme zu werfen. „Nein, Papa. Ich bleibe hier.“

„Wie lange?“, wollte Paulo wissen.

„Einen Monat.“

„Zur Hölle damit!“

Sie zuckte zusammen und sah beklommen zu ihrem hochgewachsenen Bruder auf. Er war noch zorniger, als sie gedacht hatte. Seine Augen sprühten förmlich Funken. „Paulo, du machst mit deinen Ausfällen alles nur noch schlimmer für mich.“

„Soll ich das etwa einfach so hinnehmen? Und dich einen Monat lang bei diesem Kerl lassen?“

„Ja. Wir alle müssen das hinnehmen.“ Sie legte die Arme um ihn und zog ihn an sich. Zu ihrer Erleichterung erwiderte er die Umarmung. Paulo und Gianni hatten immer auf sie aufgepasst. Schließlich war sie das Nesthäkchen und noch dazu ein Mädchen. Kein Wunder, dass es Paulo jetzt so schwerfiel, seine kleine Schwester in Schwierigkeiten zu sehen, aus denen er sie nicht herausholen konnte.

Sie sah erst ihren Bruder an, dann ihren Vater. „Ob es euch nun gefällt oder nicht, Rico ist immer noch mein Ehemann.“

„Und ich wüsste zu gern, wie es dazu kommen konnte“, brummte Paulo.

„Das geht mir genauso“, gab Nick zu.

„Ich erzähle euch alles, wenn ich das hier hinter mir habe, okay?“ Teresa atmete tief ein und stieß die Luft dann heftig durch die Nase wieder aus. „Aber ihr könnt euch darauf verlassen, dass Rico mir nichts tun wird.“

„Du meinst, außer dich hier einzusperren?“

„Paulo …“

„Du kannst dir gerne weiter etwas vormachen, Teresa. Fakt jedoch ist, dass er uns benutzt, um dich wieder ins Bett zu kriegen.“

Sie zuckte erneut zusammen und mied den Blick ihres Vaters. Womöglich hatte Paulo ja recht, aber er konnte nicht wissen, dass die Situation bei Teresa sehr gemischte Gefühle auslöste. Ja, Rico wollte seinen Dolch wiederhaben, aber war es nicht vielleicht doch so, dass er sie ebenfalls wollte, auch wenn er es sich selbst nicht eingestand?

„Das glaube ich nicht“, murmelte Dominick.

„Warum sonst würde er sie einen Monat hierbehalten?“ Paulo warf angewidert die Hände in die Luft. „Er weiß, dass wir ihm diesen verdammten Dolch bis morgen besorgen könnten, wenn wir Gianni anrufen. Er macht das absichtlich. Um Teresa dahin zu kriegen, wo er sie haben will.“

„Das ist inakzeptabel.“ Die Stimme ihres Vaters klang wie ein Peitschenhieb.

„Papa, wir sind verheiratet.“

„Das gibt ihm noch lange nicht das Recht …“

Zum Glück beendete er den Satz nicht. So langsam hatte Teresa die Nase voll von diesem Thema. Das ganze Gerede hatte ohnehin keinen Sinn. Rico würde sich nicht umstimmen lassen, dazu kannte sie ihn zu gut. Sie warf ihrem Bruder einen ätzenden Blick zu. „Einen Monat“, erwiderte sie. „Dann könntet ihr den Dolch zurückbringen, den Gianni gestohlen ha...

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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