Julia Best of Band 283

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HEISSE NÄCHTE AUF LONG ISLAND

Beruf und Privatleben trennt die New Yorker Werbefachfrau Jilly konsequent! Bis sie wegen eines Buchungsfehlers mit ihrem Kollegen Matt in einer Suite landet und die sinnlichste Nacht ihres Lebens genießt. Für Jilly ist es mehr als ein One-Night-Stand! Aber was ist mit Matt?

LICHT AUS – SEX AN!

Stromausfall in New York – genau in dem Moment, als Mallory beschließt, ihren Traummann Adam zu verführen. Ein sinnliches Spiel beginnt: heiße Hände auf weicher Haut, erregende Zärtlichkeiten und hemmungslose Erfüllung – bis das Licht wieder angeht. Oder für immer?

VON DER LIEBE VERZAUBERT

„Sie treffen noch heute den Mann, den die Sterne Ihnen bestimmt haben!“ Lacey glaubt der Wahrsagerin Madame Karma auf dem Valentinsmarkt kein Wort! Doch noch bevor der Tag endet, läuft Lacey dem attraktiven Manager Evan Sawyer in die Arme …


  • Erscheinungstag 28.09.2024
  • Bandnummer 283
  • ISBN / Artikelnummer 9783751526098
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jacquie D’Alessandro

JULIA BEST OF BAND 283

PROLOG

Eine Millionen-Dollar-Werbekampagne, das wäre mal ein Weihnachtsgeschenk!

Adam Terrell, Vorstand von Maxximum Advertising, beendete erfreut sein Telefonat und stand vom Schreibtisch mit der geschwungenen Marmorplatte auf.

Die Aussicht auf den Werbeauftrag für ARC Software war ein guter Start in den Tag. Wie er soeben von Jack Witherspoon, dem Vorstand von ARC Software, gehört hatte, war Maxximum in die engere Wahl gekommen.

„Und ich werde dafür sorgen, dass wir als einziger Bewerber übrig bleiben“, sagte Adam halblaut vor sich hin, schritt über den blauen Teppich seines großen Büros zum Panoramafenster und blickte aus der zehnten Etage auf die belebte Madison Avenue hinab. Passanten stapften mit Weihnachtseinkäufen beladen im Schneetreiben die Straße entlang, den Mantelkragen hochgeschlagen gegen Sturm und Winterkälte. In zehn Tagen war Weihnachten, und Adam wünschte sich nur eines zum Fest – einen von Jack Witherspoon unterzeichneten Werbevertrag.

Maxximum braucht einen Trumpf, um sich von den Mitbewerbern abzuheben, überlegte Adam. Und ihnen blieb nicht viel Zeit, da Witherspoon noch vor der nächsten Aktionärsversammlung eine fertige Werbekampagne sehen wollte.

Dafür brauche ich meine hellsten Köpfe, überlegte Adam weiter, und sofort kamen ihm zwei Namen in den Sinn: Matt Davidson und Jillian Taylor. Beide Mitarbeiter waren ehrgeizig, ungewöhnlich kreativ und konzentrationsfähig. Außerdem standen sie in Konkurrenz zueinander. Sie umkreisten sich wie zwei Kampfhähne, seit Matt vor einem Jahr mit der Werbung für Strattford Furniture beauftragt worden war, nachdem Jillian sich wochenlang um die Möbelfirma bemüht hatte. Damit war der Fehdehandschuh geworfen. Adam hatte im Verlauf des Jahres mit berechnendem Interesse verfolgt, wie Jillian und Matt sich ständig zu überbieten versuchten. Er akzeptierte die leichten Spannungen im Arbeitsalltag, solange die Ergebnisse ihrer Rivalität Maxximum nutzten. Wenn Jillian ein Projekt nicht an Land ziehen konnte, dann schaffte es Matt und umgekehrt.

„Jilly und Matt“, dachte er laut. „Ja, das ist es.“ Wenn er beide auf ARC ansetzte, würde einer von ihnen den Auftrag bekommen.

Adam war klar, dass es ihnen nicht gefallen würde, wieder gegeneinander anzutreten, wie letztes Jahr bei Lone Star Steaks. Damals hatte Jillian, beflügelt von ihrem Drang, Matt zu schlagen, mit einer brillanten Kampagne gewonnen. Den Unmut der beiden über seine List, sie beide für denselben Kunden einzusetzen, hatte er mit einem Achselzucken abgetan. In der Werbebranche, diesem Halsabschneidergeschäft, überlebte nur, wer eine schärfere Klinge führte als der Gegner. Und natürlich hatte Adam Maxximum Advertising nicht auf die sanfte Tour in weniger als zehn Jahren zu einer der besten Werbeagenturen in New York gemacht. Aber vielleicht war es klug, Jillian und Matt nicht gleich wissen zu lassen, dass sie wieder einmal gegeneinander antraten.

Adam ging lächelnd an seinen Schreibtisch zurück und nahm den Hörer auf.

1. KAPITEL

Ja! jubelte Matt Davidson innerlich und schloss im Hinausgehen die schwere Eichentür von Adam Terrells Büro. Matt traute sich zu, den ARC-Auftrag zu bekommen, nachdem er lange auf eine solche Chance gewartet hatte. Adieu, Minibüro. Willkommen in einem repräsentativen Büro mit Panoramafenster und Ecklage. Und her mit Beförderung, Gehaltserhöhung, Bonus und Sozialleistungen!

Den Kopf bereits voller kreativer Ideen, ging er zum Schreibtisch von Adams Sekretärin Debra, um sich die Nummer von Maxximums Reiseagentur geben zu lassen, damit er sich für das Wochenende ein Zimmer im Château Fontaine buchen lassen konnte. Das exklusive Kurhotel lag auf dem Fontaine Weingut auf Long Island. Adam hatte dort für Jack Witherspoon bereits eine Suite angemietet, um den Weinliebhaber Jack positiv zu stimmen, wenn sie ihm dort die Ideen die Werbekampagne präsentierten. Da Jack sich auch den Montag freigehalten hatte, blieb Matt ein zusätzlicher Tag, seinen Fisch an Land zu ziehen. Und er zweifelte nicht eine Minute, dass ARC bei Maxximum unterschreiben würde, nachdem Jack die Annehmlichkeiten von Weingut, 5-Sterne-Restaurant, Wellnessbereich und Luxussuite genossen hatte.

Als Matt zu Debra kam, telefonierte sie gerade. Sie hielt lächelnd einen Zeigefinger hoch, um anzuzeigen, dass es nur eine Minute dauern würde, und wandte sich wieder dem Computerbildschirm zu. Matt wartete und lehnte sich an die weiße Marmorsäule neben dem Schreibtisch.

Aus verborgenen Lautsprechern erklang ein fröhliches Weihnachtslied über die Freuden des Winterwunderlandes. Matt sah sich um, und sein Blick fiel auf einen mannshohen Weihnachtsbaum mit Lichterkette, der in der Ecke neben den Fenstern stand – eine Erinnerung, dass er sich mit seinen restlichen Weihnachtseinkäufen beeilen sollte. Er musste noch Geschenke für seine Schwester und seinen Schwager besorgen. Wenigstens hatte er die Barbie-Traumvilla für seine Nichte schon und die Überraschung für seinen Vater und seine Mutter. Seine Eltern verdienten wirklich etwas Besonderes nach den Sorgen der letzten Zeit. Die Testergebnisse seiner Mutter würden diese Woche kommen. Er hoffte inständig, dass sie gut waren – etwas anderes mochte er gar nicht in Betracht ziehen. Ja, dieses Weihnachtsfest würde besser werden als das letzte.

„Tut mir leid, dass du warten musstest.“ Debra riss ihn aus seinen Gedanken und maß ihn mit einem kurzen, anerkennenden Blick.

Wahrscheinlich sollte er sich über ihr Interesse freuen, doch Debra löste kein Prickeln bei ihm aus, obwohl sie klug und attraktiv war. Und selbst wenn, würde er das Prickeln unterdrücken. Er hatte die bittere Erfahrung gemacht, dass Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz nichts als Kummer brachten.

„Was kann ich für dich tun, Matt?“, fragte Debra und schien bereit, alles zu tun, was er verlangte.

Matt schenkte ihr ein höfliches Lächeln. „Ich brauche die Telefonnummer unseres Reiseagenten.“

„Klar.“ Sie schrieb die Nummer auf einen Haftnotizzettel. „Ein paar von uns gehen nach der Arbeit zum Essen zu Carmine in Little Italy.“ Sie sagte das mit einem sinnlich lockenden Unterton. „Möchtest du mitkommen?“

„Danke, aber ich habe bereits etwas vor.“

„Ein Date?“

Ich sollte ihr Interesse im Keim ersticken und sagen: ‚Ja, mit meiner Verlobten‘, dachte Matt. Aber dann müsste er lügen, denn er hatte keine Verlobte mehr. Und seit er selbst Opfer hinterhältiger Lügen geworden war, meldete sich sein Gewissen, sobald er die Unwahrheit sagen wollte. Außerdem hatte sein Vater ihm den Grundsatz beigebracht: „Halt dich an die Wahrheit, dann musst du nicht dauernd darüber nachdenken, welche Lügen du verbreitet hast.“

„Ich habe ein Date mit meinem Computer“, gestand er. „Ich muss noch ein paar Ideen ausarbeiten.“

Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Du weißt, wie man Leute nennt, die keine Freizeit kennen?“

„Ja. Langweiler, die die Nächte durchschuften. Workaholics.“ Das traf sogar auf ihn zu. Heute war Donnerstag. Da er bereits morgen nach der Arbeit zum Château Fontaine aufbrechen würde, blieb ihm nicht viel Zeit, Ideen für eine umwerfende Präsentation zu entwickeln. Er würde eine Nachtschicht einlegen. Das war nicht weiter schlimm. Seit dem Bruch mit Tricia am letzten Weihnachtsfest ging er sowieso nicht mehr aus. Er fand das ganz okay. Die Arbeit bereitete ihm bedeutend weniger Probleme als Frauen.

Da er Bewegung am Rande seines Blickfeldes wahrnahm, drehte er sich zur Seite. Er unterdrückte ein Aufstöhnen. Jillian Taylor, die schlimmste Kombination aus Frau und Problem, kam über den Flur auf ihn zu. Wie stets war ihr dunkles Haar zu einem adretten Nackenknoten zusammengenommen. Alles an ihr war streng, adrett und dezent: Frisur, Make-up und Hosenanzug.

Heute trug sie einen braunen Hosenanzug mit Jackett und Schuhe, die wie Mokassins mit Absatz aussahen. Eine Aura der Unnahbarkeit umgab sie wie ein unsichtbares Kraftfeld. Dank seiner Erfahrung mit Tricia kannte er Jillians Typ zur Genüge. Hinter ihrer Reserviertheit verbarg sich eine gefühlskalte, von Ehrgeiz besessene Persönlichkeit. Seit seinem ersten Tag bei Maxximum wusste er, dass sie ihn fertig machen konnte wie Tricia. Seither war Jillian Taylor für ihn die Person, die es zu schlagen galt – seine Feindin.

Obwohl er sich aus dem Büroklatsch heraushielt, war er nicht taub. Mehrmals hatte er Kollegen im Pausenraum von Jilly der Frostkönigin reden hören, eine Steigerung zu Eisprinzessin, wie er sie insgeheim nannte. Manchmal hatte er sich gefragt, ob sich die Kollegen auf intime Erfahrungen mit ihr bezogen. Aber, was ging es ihn an, ob ihr Eis jemals taute? Seine letzte Erfahrung mit Leidenschaft endete mit einem Messer im Rücken. Er hatte die Narbe, es zu beweisen.

Tricia kam ihm in den Sinn mit ihren großen blauen Augen, die so unschuldig blickten wie die eines Kindes, dem sinnlichen Lächeln und den Liebesschwüren. Er ärgerte sich, dass er die Erinnerung zuließ, obwohl sie endlich nicht mehr schmerzte. Äußerlich ähnelten Tricia und Jillian sich nicht. Tricia war klein und blond und liebte feminine Kleidung. Doch beide Frauen verkörperten denselben Wesenstyp: klug, talentiert und sehr, sehr ehrgeizig. Solche Kolleginnen waren mit Vorsicht zu genießen.

Matt sah Jillian kurz einige Worte mit jemandem wechseln, ehe sie mit raschen, energischen Schritten weiterging. Dabei überflog sie mit gesenktem Kopf – die rechteckige Lesebrille mit dem schmalen schwarzen Metallgestell auf der Nase – stirnrunzelnd ihre Unterlagen und presste konzentriert die Lippen zusammen.

Sie war der Inbegriff von Professionalität und Kompetenz, und so ungern Matt es zugab, sie war sehr fähig. Sie hatte ein Jahr vor ihm in dieser Agentur angefangen, und sie waren beide im Eiltempo auf dem Weg zur Beförderung. Aber wenn ich den ARC-Auftrag in der Tasche habe, Jilly, ziehe ich so schnell an dir vorbei, dass du nur noch eine Staubwolke von mir siehst. Sein Gewissen wollte sich melden, doch Matt brachte es zum Schweigen. In diesem Geschäft war sich jeder selbst der Nächste.

Kurz vor Debras Schreibtisch blickte Jillian von ihren Unterlagen auf, entdeckte Matt und verlangsamte ihre Schritte.

Matt bemerkte ein ärgerliches Aufblitzen in ihren Augen und musste schmunzeln, da sie offenbar nicht erfreut war, ihn zu sehen. Zu seiner Verwunderung marschierte Jillian nicht an ihm vorbei, sondern blieb bei ihm stehen. Matt nahm einen Duft wahr, den er das erste Mal neben ihr sitzend im Konferenzraum bemerkt hatte – ein Duft nach Wäsche, die an Frühlingsluft getrocknet war.

„Debra, Matt“, grüßte sie mit leiser Stimme, die sanft und ein wenig belegt klang, als wäre Jillian gerade aus dem Bett gekommen. Sie sah ihn über den Brillenrand hinweg an. „Nette Arbeit, deine Werbung für Heavenly Chocolate. Sehr clever, frisch und peppig.“

Matt sah sie an, fand jedoch keine Anzeichen für Unaufrichtigkeit in ihrer Miene. Jillian war eine gute Schauspielerin. „Danke. Der Auftrag war sozusagen ein Zuckerschlecken.“

Das entlockte ihr nicht die Andeutung eines Lächelns. „Natürlich hätte ich ihn dir abgejagt, wenn ich nicht durch meine Grippe außer Gefecht gesetzt gewesen wäre.“

„Du hättest es versucht, meinst du. Ich hätte ihn trotzdem bekommen“, gab Matt zurück.

„Das redest du dir ein.“

Matt erwiderte lächelnd: „Es freut mich, dass es dir wieder besser geht.“

Sie lächelte zurück. „Auch das redest du dir nur ein. Wie geht es mit dem Katzenfutterauftrag für Fabulous Feline voran?“

„Fantastisch. Du kennst mich ja. Die guten Ideen fliegen mir nur so zu und bleiben hängen wie Katzenhaare.“

„Dann pass mal schön auf, dass du nicht an einem Haarballen erstickst.“ Sie wandte sich hoheitsvoll ab und ließ ihn einfach wie einen dummen Jungen stehen, als sie Debra fragte: „Ist Adam in seinem Büro?“

Debra nickte. „Er erwartet dich.“

Mit einem Nicken ging Jillian weiter, klopfte an Adams Tür und verschwand Sekunden später dahinter im Büro ihres Chefs.

Matt fragte sich argwöhnisch, was die beiden zu besprechen hatten?

„Jetzt wird mir alles klar“, sagte Debra und lenkte damit seine Aufmerksamkeit auf sich.

Matt sah sie verständnislos an. „Was wird dir klar?“

„Warum du meine Signale nicht auffängst. Dein Empfänger ist blockiert.“ Sie blickte kurz zur Tür, hinter der Jillian verschwunden war. „Ich habe es zwischen euch funken sehen.“

Matt lachte ungläubig auf. „Da bist du völlig auf dem Holzweg.“

„Glaub mir, ich erkenne Funken, wenn ich sie sehe.“

„Das können nur blitzartige Entladungen gewesen sein, weil wir uns ständig aneinander reiben.“

„Macht nichts“, erwiderte Debra listig. „Jeder Funke kann ein Feuer entfachen.“

Um halb acht an diesem Abend setzte Jillian sich lächelnd ihrer besten Freundin Kate Montgomery gegenüber auf die Bank in einer Nische des Lokals. Donnerstagabend war ihr wöchentlicher Termin beim Chinesen, eine Tradition seit dem Collegeabschluss vor sechs Jahren. Kate arbeitete in einer Anwaltskanzlei an der Park Avenue. Ihr Spezialgebiet war Steuerrecht. Jillian war ihr von Herzen zugetan, obwohl Kate fantastisch aussah und superintelligent war. In dem eleganten Hosenanzug, vermutlich von Armani, erinnerte sie mit ihrem langen hellblonden Haar an die junge Grace Kelly.

„Du siehst aus, als hättest du einen guten Tag gehabt“, bemerkte Kate lächelnd, während Jillian sich den Mantel auszog.

„Ich bekomme die Chance, einen großen neuen Kunden für Maxximum zu gewinnen.“

„Klingt aufregend.“ Kate reichte ihr die in Plastik eingeschweißte Speisekarte. „Und wer ist der potenzielle Kunde?“

„ARC Software. Wir sollen die Werbung für ihr neues Betriebssystem machen, das in alle WellCraft-Computer eingebaut wird.“ Wenn sie es nur aussprach, erfasste sie schon Vorfreude.

Kate wirkte gebührend beeindruckt. „Das ist riesig. Wenn du so einen Auftrag bekommen kannst, festigt das deine Position bei Maxximum.“

„Genau. Damit verbunden sind Beförderung, ein großzügiger Bonus und besondere Sozialleistungen.“ Das wäre endlich die finanzielle und berufliche Sicherheit, um die sie gekämpft hatte. „Adam, mein Boss, hat mich zu einem Wochenende mit dem Vorstand von ARC abkommandiert. Rate mal, wo?“

„Offenbar an einem besonders schönen Ort. Auf Maui?“

Jillian lachte. „Nicht ganz so schön. Château Fontaine.“

„Ich beneide dich. Ich habe letzten Sommer ein Wochenende mit Ben dort verbracht. Es war wunderbar.“ Kates Augen leuchteten auf, wenn sie von ihrem Verlobten sprach.

„Hoffentlich bleibt mir genügend Freizeit, dass ich mir eine Kosmetikbehandlung gönnen kann“, maulte Jillian.

„Oh ja, ich leide mit dir“, erwiderte Kate trocken. „Ich würde es auch verabscheuen, potenzielle Kunden ins Château Fontaine ausführen zu müssen, um ihr Projekt zu ergattern. Wann fährst du?“

„Morgen nach der Arbeit. Ich komme erst Montagabend zurück. Tut mir leid, dass ich heute nicht lange bleiben kann, aber ich muss gleich nach dem Essen weg. Mir bleibt nur der heutige Abend, eine erste Präsentation vorzubereiten. Nicht viel Zeit, um brillant zu sein.“

„Das ist okay. Ich muss sowieso noch einige Notizen für morgen studieren.“

Der Kellner kam, und sie gaben ihre Bestellungen auf, was keine sonderliche Herausforderung war, da sie jede Woche dasselbe aßen.

„Und was gibt es sonst noch?“, fragte Kate. „Was macht dein Privatleben?“

„Nicht vorhanden, abgesehen von der wöchentlichen Verabredung mit dir. Und wie sieht es bei dir aus?“ Jillian blickte zu dem glitzernden Diamanten an Kates linker Hand. „So wie du strahlst, läuft es gut mit Ben.“

„Es läuft sogar ausgezeichnet. Die Hochzeitspläne nehmen Konturen an. Ich kann nur wärmstens empfehlen, sich zu verlieben.“

„Aber nur, weil es dir gelungen ist, den letzten anständigen, ehrlichen, finanziell abgesicherten, emotional stabilen, heterosexuellen Mann in New York zu finden.“

„Ich habe ihn gefunden, weil ich nach ihm gesucht habe.“

„Du hast kein bisschen gesucht. Ich erinnere mich sehr gut, dass du völlig auf deinen Beruf konzentriert warst.“

„Nur zu neunzig Prozent“, widersprach Kate anwaltlich korrekt. „Zehn Prozent habe ich mir fürs Privatleben freigehalten, um auszugehen und nach dem Richtigen zu suchen. Ganz in Gegensatz zu dir. Deine ganze Zeit geht mit Arbeit drauf.“

„Das stimmt nicht. Ich habe mich auf mehr Beziehungen eingelassen, als ich mir eingestehen möchte. Jedes Mal bin ich auf die Nase gefallen und habe mich verletzt.“

„Aha. Und wann hast du den letzten Versuch gestartet?“, bohrte Kate.

„Okay, okay, ich gebe zu, es ist eine Weile her. Genau neun Monate, drei Wochen und siebzehn Tage. Allerdings kann ich mein mangelndes Interesse mit zwei Worten erklären: Aaron Winston.“

„Der ist seit Monaten Geschichte. Nicht alle Männer wollen dich bevormunden wie er.“

„Und was war mit seinen Vorgängern? Carl, Mike, Kevin, Rob … die Liste geht noch weiter. Ich scheine Männer anzuziehen, die mich verändern und kontrollieren wollen.“ Da Kate etwas einzuwenden versuchte, fuhr Jillian fort: „Schau, ich gebe ja zu, dass ich vielleicht überempfindlich bin, aber kannst du es mir verübeln, bei meinen Erfahrungen mit Männern?“

Kate räumte seufzend ein: „Eigentlich nicht.“

„Glaube mir, ich beneide dich um deine Beziehung zu Ben. Und wenn der Richtige kommt, schnappe ich ihn mir sofort.“ Jillian schnippte mit den Fingern. „Aber ich warte nicht in atemloser Spannung auf meinen Traumprinzen. Dafür habe ich zu viel zu tun.“

„Ausgezeichnet. Dann ist das Problem ja bald gelöst. Der Richtige kommt, wenn man es nicht erwartet. Irgendwann passiert etwas Unverhofftes, und das Glück schlägt zu.“

Der Kellner servierte ihr Essen, und Jillian tauchte ihre Ess-Stäbchen hungrig in die gebackenen Shrimps mit Brokkoli.

„Leider haben wir keinen geeigneten Kandidaten in der Kanzlei, den ich dir vorstellen könnte“, meinte Kate bedauernd und füllte ihre kleinen Teeschalen mit duftendem Jasmintee. „Meine Kollegen sind alle entweder verheiratet, homosexuell, im Pensionsalter oder entsetzlich unreif.“

„In eine dieser Kategorien fallen alle Männer.“

Kate korrigierte lachend: „Nur neunundneunzig Prozent. Die Herausforderung besteht darin, das verbleibende eine Prozent zu entdecken. Ben ist allerdings der Beweis, dass es das gibt.“

„Ich habe momentan nicht die Zeit, mich der Suche nach dem einen guten Apfel im Korb zu widmen. Männer erfordern zu viel Zeit und Aufmerksamkeit.“ Kopfschüttelnd fügte Jillian hinzu: „Nur Männer können behaupten, dass Frauen anstrengend sind. Wo sind denn die tollen Kerle, über die ich immer in der Cosmopolitan lese? Kerle mit einer Vorliebe für unabhängige Frauen, die nicht an ihnen kleben wie Leim. Mir ist jedenfalls noch keiner über den Weg gelaufen.“ Sie spießte mit ihrem Ess-Stäbchen einen Shrimp auf. „Erst wollen alle eine selbstständige Frau, und nach ein paar Dates glauben sie dann, ich stehe auf Abruf für sie bereit, und sind sauer, wenn ich wegen meiner Arbeit Verabredungen absagen muss.“

„Amen, Schwester“, bestätigte Kate. „Die meisten Männer, die ich vor Ben kannte, erwarteten ständig Streicheleinheiten für ihr Ego und verlangten gleichzeitig sklavische Ergebenheit. Nicht dass sie diese Ergebenheit automatisch erwidert hätten.“

„Genau. Und sobald sie feststellen, wie wichtig mir mein Beruf ist, und dass ich nicht bereit bin, ihretwegen Lebensplanung, Frisur, modische Vorlieben oder politischen Ansichten zu ändern, erlahmt das Interesse auf beiden Seiten. Ich brauche keinen Mann, der für mich sorgt, Kate. Und ganz bestimmt will ich keinen, der glaubt, sich um alles kümmern zu müssen. Ich möchte nicht irgendwann so ein Fiasko erleben wie meine Mutter seinerzeit. Deshalb macht es mich krank, dass ich fast auf Aaron hereingefallen wäre. Ich habe lange hart gearbeitet, um in jeder Hinsicht unabhängig zu sein.“

„Ich bin ganz deiner Meinung“, erwiderte Kate. „Trotzdem ist es schön, wenn sich zur Abwechslung mal ein Mann körperlich deiner annimmt.“

Jillian schüttelte den Kopf über Kates freches Grinsen. „Du machst mich fertig, weißt du das? Wie kann man nur so vor Glück strahlen? Wenn ich mich nicht so sehr für dich freuen würde, müsste ich vor Neid erblassen und würde dich nach draußen bitten, um dich ordentlich zu verprügeln.“

Kate meinte lachend: „Na ja, vielleicht findest du ja den Mann deiner Träume an diesem Wochenende im Château Fontaine.“

„Sehr unwahrscheinlich. Das ist eine rein geschäftliche Veranstaltung.“

„Nutze deine Chance, falls der Richtige zufällig an deine Tür klopft“, riet sie ernsthaft und hob ihre Teeschale. „Versprochen?“

Jillian verdrehte kurz die Augen, stieß aber trotzdem mit ihrer Teeschale an. „Versprochen. Du glaubst, weil du verliebt bist, sollte ich es auch sein.“

„Ja, das solltest du“, bestätigte Kate ohne Zögern. „Man kann lieben, ohne seine Unabhängigkeit aufzugeben.“ Sie drückte Jillian die Hand. „Nur Mut, Jilly. Ich weiß das auch erst, seit ich Ben kenne. Man muss seine Träume nicht aufgeben, man kann sie auch mit jemandem teilen. Wenn der Richtige kommt, verstehst du das.“

„Bis dahin gehören meine Zeit und meine Energie jedenfalls meinem Beruf. Und den ARC-Auftrag zu erhalten wäre ein Riesenerfolg für mich.“

„Da wir gerade davon sprechen“, sagte Kate und füllte gebratenen Reis auf den Teller. „Was wird Matt Davidson dazu sagen, wenn du den ARC-Auftrag bekommst?“

Bei der Nennung seines Namens kribbelte es in Jillians Bauch. Sicher nur sicher nur mein empfindlicher Magen, der sich bemerkbar macht, sagte sie sich. „Auf seine ärgerlich überlegene Art wird Matt vermutlich kundtun, dass er den ARC-Auftrag in der halben Zeit und mit einer besseren Kampagne an Land gezogen hätte. Er hält sich für wer weiß was, weil er an einem großen Auftrag gearbeitet hat, als ich mit Grippe flach lag. Er ist der arroganteste und rücksichtsloseste Ehrgeizling, den ich je das Pech hatte kennenzulernen.“

Beim bloßen Gedanken an Matt Davidson standen ihr schon die Haare zu Berge. Sie verabscheute ihn, seit er ihr gleich zu Beginn seiner Tätigkeit für Maxximum bei dem Projekt von Strattford Furniture in die Quere gekommen war. Als sie ihn daraufhin zur Rede gestellt hatte, war er auch noch widerborstig geworden und hatte bestritten, ihr irgendetwas wegzunehmen. Angeblich war Firmeninhaber Walter Strattford ein Freund seiner Familie und hatte ihn gebeten, den Auftrag zu übernehmen. Nachdem sich seine Geschichte als zutreffend erwiesen hatte, war sie mit einem Friedensangebot zu Matt gegangen, doch er war unversöhnlich gewesen. Sie war für ihn offenbar die Hauptkonkurrentin, und da sie ihre hart erkämpfte Position bei Maxximum nicht an ihn verlieren wollte, waren sie zwangsläufig Gegner.

Leider musste sie zugeben, dass Matt beeindruckend kreativ war. Außerdem sah er auch noch fantastisch aus. Mit seinen dunklen Haaren und den tiefblauen Augen war er eine wahre Augenweide. Trotzdem würde sie ihm nie den Rücken zudrehen, denn sie wollte es nicht riskieren, hinterrücks attackiert zu werden. In der Werbebranche hieß es fressen oder gefressen werden, und sie wollte sich nicht fressen lassen.

„Auch wenn er dein größter Rivale und dein größtes Ärgernis ist, muss ich sagen, dass er blendend aussieht“, stellte Kate fest und riss sie aus ihren Überlegungen.

„Du hast ihn nur von Weitem gesehen. Je näher man kommt, desto unattraktiver wird er.“ Ihre innere Stimme schalt sie eine Lügnerin, doch Jillian verpasste ihr kurzerhand einen Maulkorb.

Sie musste an ihre Karriere denken, und dieses Wochenende würde ihr mit harter Arbeit und viel Einsatz vielleicht die Erfüllung ihrer beruflichen Träume bringen.

2. KAPITEL

Matt hielt vor dem säulengetragenen Portikus des Château Fontaine an, stellte die Automatik auf „Parken“ und stieg dankbar aus dem Wagen. Nach sechs Stunden sitzen fühlten seine Beine sich steif an, und sein Allerwertester schien zentnerschwer. In der Zeit, die Matt im Stau verbracht hatte, hätte er glatt nach Kanada fahren können.

Natürlich war es sein eigener Fehler, dass er erst mitten in der Nacht hier ankam. Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten, mit dem Auto zu fahren? Er hatte gewusst, dass dichter Verkehr herrschen würde. Der Long Island Expressway galt nicht umsonst als längster Parkplatz der Welt. Seine Annahme, die größten Staus zu vermeiden, wenn er erst nach zwanzig Uhr losfuhr, war ein Trugschluss gewesen. Er hatte die Weihnachtseinkäufer ebenso wenig einkalkuliert wie das dichte Schneetreiben. Und er konnte nichts von dem umgefallenen Sattelschlepper ahnen, der alle Fahrbahnen in östlicher Richtung für viele Meilen zur Standspur machte.

Nachdem er einem Pagen die Autoschlüssel übergeben und die Reisetasche aus dem Kofferraum geholt hatte, ging Matt durch die Glasdrehtüren und eilte über den beigefarbenen Marmorboden auf den Empfangstresen zu, als wäre es die rettende Oase in der Wüste. Verdammt, bin ich müde! Seine Augen brannten, als hätte ihm jemand Sand hineingestreut. Er hatte Durst, und die Energie, die ihm der vor Stunden gegessene Schokoriegel gegeben hatte, war längst verbraucht.

„Ich bin sogar zu müde für Sex“, murmelte er. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass ihm dieser Satz einmal über die Lippen kommen würde. Er wollte nur eines – ins Bett kriechen und bis zum Weckruf ohnmächtig werden. Er hatte die letzte Nacht durchgearbeitet. Dann war heute ein langer, frustrierender Arbeitstag voller Kopfschmerzen gefolgt und nun auch noch diese Höllenfahrt hierher. Er war am Ende seiner Kräfte.

Eigentlich hatte Matt früh einchecken wollen, damit er sich ausruhen und vor dem Frühstück mit Jack Witherspoon seine Notizen noch einmal durchgehen konnte. Doch dieser verrückte Tag hatte seine Planung zunichte gemacht. Da auch Jack nicht genau wusste, wann er eintreffen würde, hatten sie sich zum Glück erst für morgen früh verabredet.

Als Matt den glänzenden Granittresen erreichte, wurde er von einer jungen Frau, begrüßt, die zu dieser nächtlichen Stunde viel zu munter war.

Müde übergab Matt das Fax seiner Buchungsbestätigung, das er am Morgen von Maxximums Reiseagenten erhalten hatte.

„Ja, Mr. Davidson, Sie sind vorgemerkt“, sagte die junge Frau freundlich lächelnd, auf deren Namensschild „Maggie“ stand. Sie übergab ihm eine Schlüsselkarte und einen Prospekt. „Hierin werden Sie alle Annehmlichkeiten unseres Hauses finden. Nehmen Sie die Lifte auf der linken Seite bis in die dritte Etage. Zimmer 312 befindet sich am Ende des Flures.“

Zimmer 312 klang nach Paradies, und die einzige Annehmlichkeit, die er jetzt brauchte, war ein Bett. „Wecken Sie mich gegen halb sieben“, bat Matt. Damit blieb ihm genügend Zeit, seine Notizen zu überfliegen, ehe er sich um neun mit Jack traf. Morgens funktionierten seine grauen Zellen ohnehin am besten. Im Moment war er zu nichts mehr fähig außer schlafen. Er konnte nur hoffen, dass er sein Bett fand, ehe er bewusstlos wurde.

Matt dankte Maggie, schwang sich die Reisetasche über die Schulter und durchquerte die Lobby. Müde nahm er das dezente neoklassizistische Dekor wahr. Weihnachtsgirlanden schmückten die Wände und auf dem Kaminsims lagen duftende Tannenzweige. Eine Fensterwand gab den Blick auf Felder voller Weinstöcke frei. An den Marmorsäulen, die die Gewölbedecke trugen, glitzerten Lichterketten. Üppige Grünpflanzen in großen bemalten Urnen verbreiteten eine Gartenatmosphäre. Einladend im Raum verteilte Sitzgruppen standen auf dicken Teppichen mit Weinrankendekor. In einer Ecke neben der Wendeltreppe zur Empore prangte majestätisch ein elfenbeinfarbener Flügel, und auf der Empore erstrahlte ein Weihnachtsbaum im Lichterglanz.

Im Fahrstuhl döste Matt ein und wachte auf, weil sein Kopf beim Anhalten in der dritten Etage nach vorn ruckte. Die Kabinentüren glitten auf, und Matt blinzelte wegen der grellen Flurbeleuchtung, als er sich auf den Weg zu Zimmer 312 machte.

Vor der Tür schob er die Schlüsselkarte in den Schlitz, drehte den Messinggriff, und betrat dankbar den fast dunklen Raum.

Ein Bett! forderte sein erschöpfter Körper. Matt stellte die Reisetasche auf den Boden und warf seinen Mantel darauf. Benommen vor Müdigkeit entledigte er sich seiner Schuhe, entkleidete sich und taumelte in Boxershorts zum Bett. Der kleine Teil seines Hirns, der noch halbwegs funktionierte, bemerkte das zerwühlte Bettzeug auf der anderen Seite. Aber was machte das schon?

Mit einem langen zufriedenen Seufzer glitt Matt unter die Bettdecke und ließ sein müdes Haupt in das weiche Kissen sinken. Im Schwebezustand kurz vor dem Einschlafen rollte er sich auf die Seite und streckte einen Arm aus.

Seine Hand landete auf etwas seidig Warmem. Ein leises, zufriedenes Brummen entrang sich seiner Kehle. Schön. Er schob die Hand aufwärts, und aus der Tiefe seines fast bis zur Funktionslosigkeit erschöpften Hirns kam die Meldung: angenehm weiche Oberfläche. Glatt. Kurvig. Prall wie eine weibliche Brust.

Matt begann das Weiche, Pralle sanft zu kneten. Und als der Schlaf ihn übermannte, gaukelte seine Fantasie ihm eine rosige Brustspitze unter seiner Hand vor. Matt seufzte zufrieden. Was für ein fantastisches Bett. Er rückte näher an das verlockend Weiche und schmiegte sich an. Ich muss mir unbedingt so ein Bett anschaffen …

Matt hörte ein tiefes, kehliges Stöhnen, und das Pralle, Weiche bewegte sich. Warmer Atem strich ihm über die Schulter, und für einen himmlischen Augenblick hatte er das Gefühl, ein weiblicher Körper presse sich an ihn. Ehe er das angenehme Gefühl voll auskosten konnte, hörte er ganz dicht neben seinem Ohr jemanden erschrocken nach Luft schnappen.

Matt hatte die Augen noch nicht ganz offen, als bereits Schläge und Beschimpfungen auf ihn einprasselten.

„Hau ab, du Bastard!“, schrie eine weibliche Stimme voller Wut und Angst. „Oder ich bringe dich um.“

Verdammt! dachte Matt. Schlagartig hellwach, legte er schützend die Hände vor den Unterleib.

Im nächsten Moment flutete Licht den Raum, dass Matt geblendet die Augen zukniff. Als er sie langsam öffnete, erkannte er eine dunkelhaarige Erscheinung – die personifizierte Wut. Sie stand heftig atmend auf der Matratze, eine Mischung aus Angst und tödlicher Entschlossenheit im Blick, die keinen Zweifel aufkommen ließ, dass seine edlen Teile tatsächlich in Gefahr waren. Die Gestalt hielt drohend ein Taschenbuch über den Kopf, bereit, zuzuschlagen. Die Frau-Kung-Fu-Lady schien wild entschlossen, ihn fertig zu machen.

„Was zum Geier haben …“ Sie stutzte. „Matt?“

Matt? Die Kung-Fu-Lady kannte ihn? Er nahm die Hände vom Unterleib und setzte sich auf. „Ja. Wer um alles in der Welt …“ Die Erkenntnis, wen er vor sich hatte, traf ihn mit der Wucht einer Kanonenkugel. Fassungslos starrte er die Frau an und hatte das Gefühl, die Augen träten ihm aus den Höhlen. „Jilly?“

Sekundenlang sahen sie sich nur an. Matt war nicht sicher, was Jillian am Sprechen hinderte; was ihm die Sprache verschlug, wusste er jedoch sehr genau.

Das war zwar eindeutig Jillian Taylor, aber abgesehen von den vertrauten Gesichtszügen, erinnerte nichts mehr an eine Eisprinzessin. Diese verführerische Venus konnte noch am Polarkreis das Blut eines Mannes zum Kochen bringen. Das lange seidige Haar fiel ihr in wilden Kaskaden herab, und ihre goldbraunen Augen wirkten ohne Brille groß und ausdrucksvoll. Ihre Wangen waren gerötet, die vollen Lippen leicht geöffnet.

Im Gegensatz zur konservativen Jillian Taylor aus dem Büro wirkte diese Frau nicht die Spur spröde oder reserviert. Ihre zarte helle Haut – und zwar viel davon – wurde durch ihre schwarze Seidenwäsche noch betont. Wie betäubt vor Verblüffung blickte Matt zu den Brüsten, die sich im Atemrhythmus hoben und senkten, und entdeckte die Umrisse der harten Brustspitzen. Das Pralle, Weiche, das er vorhin berührt hatte, war demnach tatsächlich eine Brust gewesen.

Matt sah etliche Zentimeter ihres flachen, muskulösen Bauchs zwischen dem Hemdsaum und dem tief sitzendem Spitzenslip und lange, wohlgeformte Beine. Allmächtiger! Jilly sah aus wie ein Wäschemodel!

Zumindest wusste er jetzt, was sie unter ihren adretten Hosenanzügen trug. Und nicht nur das, er wusste auch, wie sie sich anfühlte, was ihm prompt eine ungebetene und unangebrachte Körperreaktion bescherte. Na großartig! Es fehlte ihm noch, dass seine Boxershorts eng wurden!

Matt unterdrückte seine Lustgefühle und musste sich zwei Mal räuspern, ehe seine Stimme wieder funktionierte. „Was tust du hier?“

Die Hände auf den Hüften, sah Jillian aus der Höhe auf ihn herab wie ein Racheengel. „Die Frage müsste wohl lauten: Was tust du hier? Abgesehen davon, dass du in mein Zimmer eingebrochen bist und mich zu Tode erschreckt hast. Soll das ein blöder Witz sein?“

Da Matt sich in einer unterlegenen Position fühlte, schwang er die Beine über die Bettkante, stand auf und warf Jillian einen finsteren Blick zu. „Ich mache keine blöden Witze! Und überhaupt, was heißt hier ‚dein Zimmer‘? Das Mädchen an der Rezeption hat mir die Schlüsselkarte für 312 gegeben.“ Plötzlich zweifelnd fragte er: „Das ist doch Nummer 312?“

„Ja.“ Jillian runzelte die Stirn. „Dann muss denen bei der Reservierung ein Irrtum unterlaufen sein.“ Ihre Skepsis verwandelte sich in offenes Misstrauen, als sie hinzufügte: „Aber das erklärt noch nicht, was du in Château Fontaine zu suchen hast? Allerdings muss man kein Genie sein, um es sich zu denken. Wenn du dir einbildest, meine Besprechung mit Jack Witherspoon stören zu können …“

„Was soll das heißen, deine Besprechung mit Jack Witherspoon?“

„Genau das, was ich gesagt habe. Adam hat mich hergeschickt, um Jack an diesem Wochenende mit Essen und Wein zu verwöhnen, damit er Maxximum für seine neue Werbekampagne anheuert.“

Matt betrachtete sie aufmerksam. Entweder sie war eine bemerkenswert gute Lügnerin, was durchaus möglich war, oder Adam hatte sie beide hergeschickt, um Witherspoon zu bearbeiten, was leider genauso möglich war. „Ist das so? Na ja, Adam hat mich aus demselben Grund hergeschickt.“

Jillian sah ihn verblüfft an und versuchte, sich zu beruhigen. Sie hatte immer noch Herzklopfen. Zum einen vor Schreck, weil sie beim Aufwachen nicht mehr allein im Bett gelegen hatte, und zum anderen vor Erregung nach dem sinnlichen Traum, dass eine warme Männerhand ihre Brust streichelte und ein muskulöser Mann sich an sie drängte – was zutreffend gewesen war. Wenn sie nicht den Lichtschalter erwischt und in der Helligkeit erkannt hätte, dass Matt neben ihr lag, hätte sie glatt einen Herzschlag bekommen.

Sie bezweifelte jedoch, dass Adam ihn hergeschickt hatte. Vielleicht hatte Matt von ihren Reiseplänen erfahren und wollte ihr den ARC-Auftrag wegschnappen. Sie unterzog Matt einer genaueren Betrachtung, was sich als Fehler erwies, denn sogleich regten sich nach langer Enthaltsamkeit ihre Hormone.

Matt Davidson war offenbar das Produkt perfekter Gene. Er hatte breite Schultern und dunkles Brusthaar, das sich über dem muskulösen Bauch zu einem dunklen Streifen verjüngte, ehe es unter der weißen Boxershorts verschwand. Sie ließ den Blick tiefer wandern zu muskulösen Beinen, ehe sie ihn wieder in Schritthöhe hob. Teufel auch! Jillian erinnerte sich an das erregende Prickeln, in den wenigen Sekunden vor dem Erwachen, als sie sich an Matt gekuschelt hatte.

Kates Bemerkung ging ihr durch den Sinn: „Der Richtige kommt, wenn man es nicht erwartet. Irgendwann passiert etwas Unverhofftes, und das Glück schlägt zu.“

Kate hatte garantiert nicht Matt Davidson gemeint. Diese Begegnung war zwar unverhofft, aber unangenehm.

„Und nun?“, fragte Matt.

Sie sahen sich an, als würden sie Gefallen aneinander finden.

Matt war offenbar bewusst, dass sie ihn gründlich gemustert hatte. Auch gut. Ihr war das nicht peinlich, schließlich hatte er damit angefangen. „Was nun?“, fragte sie zurück.

Da sie von der Matratze steigen wollte, reichte Matt ihr die Hand, und Jillian ergriff sie, um sich abzustützen. Sobald sie fest auf dem Boden stand, ließ sie Matt los und wich ein paar Schritte zurück, um Abstand zu gewinnen. So halb nackt fühlte sie sich ziemlich unbehaglich und bedauerte, keinen Bademantel dabeizuhaben. Sie konnte ihren Trainingsanzug überziehen, aber der befand sich in der Reisetasche im Schrank. Und da es Matt nichts auszumachen schien, in Unterwäsche herumzulaufen, wollte sie ebenfalls kein Aufhebens darum machen.

Am Strand trägst du weniger, beschwichtigte ihre innere Stimme sie. Das stimmte zwar, aber knappe Unterwäsche hatte eine andere Bedeutung als knappe Badekleidung, zumal in einem Schlafzimmer, in Gegenwart des halb nackten Matt Davidson. Jillian bekämpfte ihr Unbehagen, indem sie sich mutig gab und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Es ist ja wohl klar, was hier abläuft“, sagte Matt und ließ sie nicht aus den Augen. „Vorausgesetzt, dass Adam dich tatsächlich hergeschickt hat.“

„Ich lüge nicht!“, erwiderte sie gereizt. „Aber du vielleicht.“

„Ich bin vieles, aber kein Lügner.“

„Das lässt sich mit einem Telefonat klären.“

„Allerdings.“ Matt blickte zur Uhr auf dem Nachttisch. 2.43 Uhr. „Willst du Adam mitten in der Nacht anrufen, oder genügt dir bis zu einer zivileren Stunde mein Wort?“

Jillian war stolz auf ihre gute Menschenkenntnis, und so ungern sie es zugab, Matt wirkte aufrichtig. „Ich glaube dir.“ Sie schob sich das wirre Haar aus dem Gesicht. „Ich kann nicht fassen, dass Adam uns wieder einmal beide zu einem Kunden geschickt hat.“

„Es sieht aber ganz danach aus.“ Tief durchatmend fügte Matt hinzu: „Genau wie bei dem Auftrag für Lone Star Steaks. Wenn Adam uns gegeneinander antreten lässt, kann er sicher sein, dass einer von uns das Projekt an Land zieht.“

„Richtig. Weil es bei Lone Star funktioniert hat, glaubt Adam, der Erfolg ließe sich wiederholen. So ein gerissener Hund.“

„Den ich weitaus mehr bewundern könnte, wenn ich mich nicht als Opfer fühlen würde. Wieder einmal. Und ich werde nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.“

„Und das heißt?“

„Du hast den Vertrag für Lone Star bekommen, Jilly. Diesen kriege ich.“

Jillian winkte ab. „Ja, ja, rede dir nur Mut zu. Mir ist gleich, womit du dich aufpeppst, um den Tag zu überstehen. Ich weiß allerdings nicht, wie du dich um den Auftrag bemühen willst, wenn du das Wochenende auf dem Polizeirevier verbringst und erklären musst, was du in meinem Zimmer machst.“

„Ich bin Werbefachmann und kein Einbrecher! Ich habe dir schon gesagt, dass ich beim Einchecken an der Rezeption die Schlüsselkarte für Zimmer 312 bekommen habe.“ Matt ging zum Schreibtisch in der Ecke, hob den Telefonhörer ab und wählte die Nummer der Rezeption. „Ich erkundige mich, was hier eigentlich los ist.“

Matt hatte ihr den Rücken zugedreht, und Jillian sah, wie er sich auf dem Schreibtisch Kugelschreiber und Notizblock heranzog. Seine Unterhose spannte über dem straffen Po, der es verdient hätte, in Bronze gegossen und in der Smithsonian Institution ausgestellt zu werden, wie sie fand.

An der Rezeption musste sich jemand gemeldet haben, denn Matt sagte: „Hallo, Maggie. Hier ist Matt Davidson …“ Er schilderte die Situation, doch Jillian hörte kaum zu, da ihre Aufmerksamkeit dem anregenden Anblick seiner Kehrseite galt.

Junge, Junge, wenn das mal gut ging. Matt in seinen Boxershorts gefährdete ihre Fähigkeit, klar zu atmen und ruhig zu denken … äh, umgekehrt, klar zu denken und ruhig zu atmen. Mein Gott, man sollte ja meinen, ich hätte noch nie einen fast nackten Mann gesehen! Sie hatte. Eben nur nicht kürzlich – sofern man neun Monate, drei Wochen und achtzehn Tage nicht als kürzlich bezeichnete. Und alle weiblichen Hormone, die neun Monate, drei Wochen und achtzehn Tage geschlafen hatten, waren plötzlich hellwach und höchst interessiert an diesem männlichen Prachtexemplar.

Verflixter Mist! Als hätte sie nicht schon genügend Probleme, wurde sie auch noch scharf auf ihren größten Konkurrenten. Das durfte doch nicht wahr sein!

Matt legte den Hörer auf und wandte sich ihr zu. „Hast du alles mitgehört?“

Wie denn? Wenn meine Hormone verrücktspielen, ist meine Konzentration im Eimer! „Nein, nicht genau. Ich habe gerade überlegt, wo ich mein Handy gelassen habe.“ Super, Jilly, sehr überzeugend. Halte dich dran. „Gib mir die Kurzfassung.“

„Was willst du zuerst hören – die gute oder die schlechte Nachricht?“

„Die gute.“

„Schade, denn es gibt keine. Zumindest für dich nicht. Die schlechte Nachricht ist, dass für Maxximum nur zwei Buchungen vorgenommen wurden.“

„Na klar, eine für dich und eine für mich. Wo ist das Problem?“

„Nein“, widersprach Matt in einem Ton, als rede er mit einem Kleinkind. „Eine für Jack Witherspoon und eine für mich!“

„Für dich?“ Jillian ging auf ihn zu und baute sich verärgert vor ihm auf. Nichts törnte mehr ab als die Arroganz eines Mannes. Die Hände auf die Hüften gestemmt, erklärte sie mit Nachdruck: „Falls es dir entgangen sein sollte: Du bist in mein Zimmer gekommen, wo ich in meinem Bett geschlafen habe. Meine Kleidung hängt im Schrank, und mein Make-up steht im Bad. Somit ist es mein Zimmer!“ Jillian hob seine Kleidung vom Boden auf und warf sie auf seine nackte Brust. „Ich schlage also vor, du ziehst dich an, trottest zur Rezeption und erhebst Anspruch auf ein neues Zimmer.“

Matt verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. „Das würde ich gerne tun, aber hier kommt nun der Rest der schlechten Nachricht: Es gibt keine freien Zimmer mehr.“

Jillian verdrehte die Augen und flehte um Geduld. „Du erwartest doch sicher nicht, dass ich das glaube?“

„Dann ruf die Rezeption an. Das ist hier nicht gerade das Hyatt.“

Jillian stolzierte an ihm vorbei zum Telefon und wählte die Nummer der Rezeption. Eine freundliche junge Dame namens Maggie bestätigte bedauernd, dass es bis Mittwoch kommender Woche kein freies Zimmer mehr gab. Auf Jillians Bitte hin überprüfte sie die vorgenommenen Reservierungen. Jillian erfuhr, dass um 8.20 Uhr eine Suite und um 9.53 Uhr ein Einzelzimmer für drei Nächte für Maxximum gebucht worden waren. Die Mitteilung schlug ihr auf den Magen. Um 9.53 Uhr war sie noch in der Besprechung mit Adam gewesen, also galt die Reservierung Matt.

Der hielt sich immer noch die verknitterte Kleidung vor die Brust. Als er Jillians betretene Miene sah, dämmerte ihm etwas. „Ich vermute, bei meiner Reservierung warst du noch in der Besprechung mit Adam.“

Leugnen war sinnlos. Wenigstens besaß Matt den Anstand, keine Schadenfreude zu zeigen. „Offenbar ist der Reiseagentur ein Fehler unterlaufen“, erklärte Jillian. Klar, weil ich vergessen habe, eine Zimmerbuchung in Auftrag zu geben.

„Offensichtlich.“

„Das ist nicht meine Schuld, Matt.“

„Meine auch nicht.“

„Ich ziehe jedenfalls nicht aus.“

„Ich auch nicht.“

Sie belauerten sich wie zwei Hunde, die denselben Knochen haben wollten. Es ging zwar vordergründig um das Zimmer, aber eigentlich um den Auftrag von Jack Witherspoon. Wer den erhielt, würde einen Karrieresprung machen. Der Gewinner bekam alles, und Jilly hatte nicht vor, zu verlieren. Nach Matts entschlossener Miene zu urteilen, er auch nicht.

Jillian blickte kurz zum Fenster und stellte fest, dass draußen dichtes Schneetreiben herrschte. Matt bei diesem Wetter in die Nacht hinauszujagen erschien ihr unmenschlich. Andererseits konnte sie unmöglich neben einem solchen Prachtexemplar von einem Mann im Bett liegen und so tun, als wäre nichts. Aber Matt war wohl nur mit vorgehaltener Waffe aus dem Zimmer zu entfernen, und sie hatte gerade keine Pistole zur Hand.

„Schau, Matt, sicher gibt es im Wellnessbereich irgendwo ein Sofa oder Rollbett, auf dem zu schlafen kannst.“

„Ich habe schon nachgefragt, und laut Maggie ist kein Rollbett verfügbar. Sofas stehen einige in der Lobby, aber darauf werde ich nicht schlafen, da ich hier ein sehr bequemes Bett habe.“

„Ein Bett, das schon belegt ist.“

„Es ist groß genug für zwei. Außerdem schlafe ich nicht unruhig. Ich schnarche nicht mal. Du etwa?“

„Nein, aber …“

„Na bitte. Außerdem bin ich so erledigt, dass du einen ganzen Wald absägen könntest, und ich würde es nicht hören. Jilly, wir werden das Zimmerproblem jetzt nicht lösen. Vielleicht lässt sich morgen etwas drehen.“ Er gähnte heftig und ließ seine Kleidung wieder auf die Reisetasche fallen, zog dann einen Lederbeutel aus einem Seitenfach und verschwand damit im Bad.

Kurz darauf hörte Jillian Wasser laufen. „Was machst du, Matt?“

„Ich putze mir die Zähne!“

Als er Minuten später wieder an ihr vorbeiging, nahm sie einen Hauch Minzgeruch wahr. Nachdem Matt die Bettdecke auf seiner Seite zurückgeschlagen und das Kissen aufgeschüttelt hatte, legte er sich hin, den Rücken zur Bettmitte.

„Gute Nacht, Jilly. Süße Träume.“

Hatte er den Verstand verloren? Er sah zwar nicht so aus, aber es musste ja wohl ein Funken Wahnsinn in ihm stecken, wenn er annahm, dass sie neben ihm auch nur ein Auge zubekam – geschweige denn träumte. Sie würde an die Decke starren, seinem Atem lauschen und sich an ihr Erschauern bei ihrem kurzen Körperkontakt erinnern. Dann würde sie sauer werden, weil sie sich erinnerte, und noch saurer, weil er es offenbar nicht tat.

Das hatte man davon, wenn man sich auf die Karriere konzentrierte und das Privatleben vernachlässigte. Die Nähe zu dieser fast nackten männlichen Pracht nach neun Monaten, drei Wochen und achtzehn Tagen Enthaltsamkeit waren der K. o. für Vernunft und Selbstbeherrschung.

Dabei war Matt ein Unsympath, dem sie nicht so weit traute, wie sie ihn werfen konnte. Da sie jedoch eisern alles vermied, was sie ins Gefängnis bringen könnte, unterließ sie den Versuch, ihn über die Balkonbrüstung zu schubsen. Außerdem war es angesichts der wohligen Schauer, die sie bei seiner Berührung bereits durchrieselt hatten, keine gute Idee, ihn auch nur anzufassen.

Nach einem Blick auf den Sessel neben dem Schreibtisch verwarf sie den lächerlichen Gedanken, darin schlafen zu wollen. Warum sollte sie? Dies war ihr Zimmer. Vielleicht war es für Matt reserviert worden, aber sie war zuerst hier gewesen. Hausbesetzerrecht oder so. Und Matt, dieser verdammte Kerl, schlief bereits und atmete ruhig und gleichmäßig. Na gut, wenn er für die nächsten Stunden mit diesem Schlafarrangement leben konnte, schaffte sie das auch.

Jillian schaltete das Licht aus, schlüpfte vorsichtig zwischen die Laken und rückte so nah an die Bettkante, wie sie konnte. Sobald sie bequem lag, atmete sie erleichtert aus.

Na bitte. War ja gar nicht so übel. Was machte es schon, wenn sein wunderbarer, Körper nur eine Armlänge entfernt lag, dass sie seine Wärme an ihrem Rücken spürte? Sie bemerkte es ja kaum.

Na klar, spottete ihre innere Stimme. Deshalb schlägt dein Herz so schnell, deshalb sind deine Brustspitzen hart, und deshalb ist dir so heiß, als würdest du auf kleiner Flamme geröstet.

Jillian fragte sich, warum sie nicht so kühl und gelassen sein konnte wie Matt. Der Ärger darüber, dass er keine Schlafprobleme hatte, hielt sie endgültig wach.

Matt lag hellwach im Dunkeln und zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen, was in akute Kurzatmigkeit zu münden drohte. Anstatt vor Erschöpfung in einen todesähnlichen Schlaf zu fallen, hatte er seine Batterien im Schnelldurchgang wieder aufgeladen. Was war aus der Müdigkeit, den brennenden Augen und den schlaffen Muskeln geworden?

Blöde Frage. Seit er seine vor Fassungslosigkeit hervorquellenden Augen auf die fast nackte Jilly Taylor gerichtet hatte, war er wieder fit wie ein Turnschuh. Von wegen zu müde für Sex! Er dachte an nichts anderes mehr. Von den entsprechenden Körperreaktionen ganz zu schweigen.

Wie sollte er schlafen, wenn ein warmer, weicher Frauenkörper in Reichweite lag, den er sanft gestreichelt hatte? Er wollte das wieder tun, aber diesmal bei vollem Bewusstsein. Warum hüllte Jilly sich im Bett nicht vom Hals bis zu den Füßen in züchtigen Flanell?

Aber vielleicht war ja der Schokoriegel zum Dinner schuld an seinen leicht überschießenden Reaktionen. Ja sicher, zu viel Zucker!

Zucker? Leicht überschießende Reaktionen? höhnte seine innere Stimme. Aber klar doch. Und die fast nackte Jilly Taylor ist überhaupt nicht hinreißend, und ihre Nähe beunruhigt dich nicht im Geringsten.

Matt fand das alles überhaupt nicht lustig. Er wusste, ihm stand eine verdammt lange Nacht bevor.

3. KAPITEL

Ein beharrliches Klingeln drang in Matts Bewusstsein. Mühsam machte er ein Auge auf und stöhnte. Dunkelheit. Wer zum Henker rief ihn mitten in der Nacht an? Er streckte einen Arm aus und nahm den Hörer ab.

Ehe Matt etwas sagen konnte, meldete sich eine muntere mechanische Stimme: „Guten Morgen, dies ist der Weckruf, um den Sie gebeten haben. Es ist jetzt sechs Uhr dreißig. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.“

Matt riss die Augen auf. Weckruf? Château Fontaine! Jack Witherspoon!

Jilly Taylor!

Er richtete sich auf wie hochkatapultiert, drehte sich zur Seite und bemerkte erleichtert, dass seine Kollegin nicht bei ihm war. Während er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, hörte er die Dusche laufen und stellte sich Jilly prompt nackt und eingeseift vor. Sofort regte sich Verlangen in ihm. Na klasse, der Tag ist erst vierzig Sekunden alt, und es reicht mir schon! Was war bloß los mit ihm? Offenbar war er irgendwann in den Morgenstunden eingeschlummert, aber er fühlte sich alles andere als ausgeruht. Er brauchte Kaffee, und zwar literweise, am besten intravenös.

Matt stand auf und rollte die Schultern, um seine verspannten Muskeln zu lockern. Ein Blick aus dem Fenster zeigte eine schneebedeckte Landschaft im Schneetreiben, nur von den Lichtern des Hotels erhellt.

Als die Dusche abgestellt wurde, fischte Matt eilig eine dunkelblaue Trainingshose aus seiner Reisetasche. Kaum hatte er sie angezogen, als auch schon die Badezimmertür aufging und eine duftende Dampfwolke entweichen ließ. Ihr entstieg mit feuchtem, wirrem Haar wie Venus aus dem Schaum auf dem Botticelli-Gemälde Jilly Taylor, in ein Badetuch gewickelt. Als sie ihn bemerkte, blieb sie stehen und drückte das geknotete Badetuch fester an die Brust.

Wow! dachte Matt, dann schaltete sein Hirn ab. Zweifellos war dies nicht der günstigste Moment, sprachlos zu sein. Aber die Natur hatte ihn mit einem Hirn und einem Geschlechtsteil ausgestattet, leider ohne genügend Blut, um beides gleichzeitig zu aktivieren. Und in diesem Augenblick war sein Hirn nicht betriebsbereit. Falls es jemals wieder richtig funktionierte, würde er sich zu erinnern versuchen, ob der Anblick einer Frau ihn schon mal so angetörnt hatte.

„Ich wusste nicht, dass du schon auf bist“, sagte Jillian.

Du weißt noch nicht mal die Hälfte. Matt bückte sich, riss das abgetragene graue Sweatshirt aus seiner offenen Tasche und hielt es sich scheinbar lässig vor den Bauch. „Ich habe mich telefonisch wecken lassen, weil ich um neun mit Jack frühstücke.“ Ihr Gesichtsausdruck veranlasste ihn, argwöhnisch zu fragen: „Wann triffst du dich mit ihm?“

Nach kurzem Zögern gestand sie: „Um halb acht.“

Matt krallte die Finger ins Sweatshirt. Dass Jillian vor ihm dran war und sozusagen früher den Fuß in die Tür bekam, schmeckte ihm nicht. Sie war eindeutig im Vorteil. Die eigentliche Frage war jedoch: Wie weit würde Jilly gehen, um den Auftrag zu bekommen? Sie war ehrgeizig, aber war sie auch skrupellos? Bei einem sauberen Match konnte er mithalten, aber würde sie fair spielen? Oder entpuppte sie sich als zweite Tricia, die ihre weiblichen Reize zu ihrem Vorteil einsetzte? Nach der Trennung hatte er erfahren, dass Tricia mit einem potenziellen Kunden geschlafen hatte, um einen Auftrag zu bekommen. Würde Jilly auch so weit gehen? Falls ja, konnte er nicht konkurrieren, sondern es nur zähneknirschend hinnehmen.

„Matt, ich habe über die ganze Sache nachgedacht“, sagte Jillian und unterbrach seine Gedanken. „Ich bin über unsere Situation auch nicht glücklicher als du. Adam hat uns beide in eine unmögliche Lage gebracht, und dass wir uns auch noch ein Zimmer teilen müssen, ist der Gipfel. Ich habe gleich nach dem Aufwachen noch einmal mit der Rezeption gesprochen, aber sie können uns nicht helfen. Und ich nehme nicht an, dass einer von uns auszieht, um sich woanders ein Zimmer zu suchen. Richtig?“

„Richtig.“

Sie schob sich das feuchte Haar hinter die Ohren, und dachte, dass es Matt natürlich nicht auffiel, wie glatt, seidig und verlockend ihre Haut war. „Deshalb sollten wir uns über ein paar Grundregeln einigen“, fuhr sie fort. „Richtlinien, um die Peinlichkeiten auf ein Minimum zu beschränken.“

„Was schwebt dir vor?“

„Nun ja, zunächst mal sollten wir nur angezogen herumlaufen.“

Matt wusste nicht, ob er erleichtert oder besorgt darüber sein sollte, dass ihr Blick ein wenig sehnsüchtig wirkte, als sie ihn ansah. Er entschied sich für erleichtert, da Jillian offenbar auch diese unerwünschte Anziehung spürte. Es fragte sich nur, was sie dagegen unternehmen konnten.

Er nickte langsam. „Gut, einverstanden. Wir werden ständig angezogen herumlaufen. Damit wird Duschen allerdings zur Herausforderung.“

Jillian lächelte amüsiert, und ihm fiel auf, wie schön ihr Mund war. Wie hatte er die ganzen Monate mit Jilly zusammenarbeiten können, ohne das zu bemerken? Er sollte einen Termin beim Augenarzt machen. Aber vielleicht hatte er es ja bemerkt und als belanglos abgetan, weil er nie daran gedacht hatte, sie zu küssen. Das war nun anders. Matt befahl seinen nackten Füßen, stehen zu bleiben, um nicht vorzutreten und Jillian zu umarmen.

„Nur bekleidet herumlaufen … außer unter der Dusche“, ergänzte Jillian.

Matt nickte. „Was sonst noch?“

„Im Sinne des Fairplay sollten wir uns bei Jack Witherspoon nicht gegenseitig in die Quere kommen.“ Ihr Blick war offen und ruhig, als sie das sagte. „Ich will diesen Auftrag haben, und ich werde dafür kämpfen, so habe ich es immer gehalten. Ich weiß, dass auch du hart kämpfen wirst. Aber es ist nicht mein Stil, schmutzige Tricks anzuwenden. Dasselbe erwarte ich von dir.“

Matt betrachtete sie einen Moment und versuchte sich klar zu werden, worauf sie hinauswollte. Sie wirkte ehrlich, klang vertrauenswürdig und wirkte nicht nur sexy, sondern auch aufrichtig. Aber er hatte nicht vor, sich noch einmal von einer ehrgeizigen Mitbewerberin einwickeln zu lassen. „Du meinst, wir sollen uns bei den Besprechungen mit Jack nicht gegenseitig stören.“

„Genau. Ferner werden wir gegenseitig nicht unsere Arbeit sabotieren.“

Matt zog eine Braue hoch, da ihn ihre Unterstellung ärgerte. „Du hast wohl keine sehr hohe Meinung von mir.“

„Ich bin von Natur aus misstrauisch.“

„Genau wie ich.“

„Weshalb ich es für wichtig halte, Grundregeln festzulegen. Ich kämpfe mit harten Bandagen, aber du hast mein Wort, dass ich fair bleibe. Vorausgesetzt, du auch.“

„Im Gegensatz zu deiner Annahme betrüge ich nie!“, erwiderte er scharf. „Das habe ich gar nicht nötig.“

„Gut. Ich auch nicht.“ Jillian streckte ihm die Hand hin. „Abgemacht?“

Matt nickte trotz einer gewissen Skepsis. Er würde so fair sein wie sie. Solange sie sich an die Abmachung hielt, würde er es auch tun. Aber wenn sie die Verführungskarte bei Jack ausspielte, würde ein Krieg ausbrechen, den sie bereuen würde. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt, Jilly. Nicht dass Liebe hier ins Spiel käme, nur der Krieg. Und Matt hoffte, der ließ sich vermeiden.

Sie besiegelten ihre Abmachung mit einem festen Händedruck.

Der kurze Kontakt sollte kein Prickeln meinen Arm hinaufschießen lassen, dachte Matt und unterdrückte den Impuls, Jillian an sich zu reißen und den Morgen bereits mit einem Bruch der Bekleidungsregel zu beginnen.

Matt ermahnte sich, trotz ihrer Reize nicht zu vergessen, wer und was Jillian war: eine ehrgeizige Kollegin. Eine Rivalin mit dem erklärten Ziel, ihm den Auftrag von ARC wegzuschnappen. Daran würde er sich natürlich leichter erinnern, sobald sie wieder in ihrer konservativen Kleidung und mit Haarknoten herum-lief.

Nein, so einfach war das nicht. Den verlockenden Anblick der frisch geduschten Jilly würde er kaum aus dem Kopf bekommen. Trotzdem – er war der Situation gewachsen.

Jillian wich unsicher lächelnd zurück. „Ich hole nur meine Make-up-Tasche, dann gehört das Bad dir.“

„Ja, danke.“

Sekunden später kam sie mit einem kleinen Lederbeutel zurück. Als sie an Matt vorbeiging, sah er auf ihren Po und stellte sich vor, was unter dem Badetuch verborgen war. Sein Körper reagierte entsprechend. Um seinen Zustand nicht sichtbar werden zu lassen, verschwand Matt eilig im Bad und schloss die Tür. Er warf das Sweatshirt auf die weiße Marmorablage und blickte an sich hinab auf die deutlich ausgebeulte Hose. Verdammt! Hatte er sich eingebildet, der Situation gewachsen zu sein? Na ja, gewachsen stimmte jedenfalls.

Jillian hörte, wie Matt die Badezimmertür hinter sich schloss, und atmete erleichtert auf.

Sie sah auf das zerwühlte Bett, in dem sie zusammen gelegen hatten – schlaflos in ihrem Fall, da ihre Gedanken um Matt gekreist waren. Ihre verrücktspielenden Hormone ließen keinen Zweifel daran, dass neun Monate, drei Wochen und nunmehr neunzehn Tage, das absolute Limit an Enthaltsamkeit waren.

Gegen sechs war sie aufgestanden und hatte sich unter die Dusche gestellt, um ihre erotischen Fantasien loszuwerden. Stattdessen hatte sie Tagträume vom gemeinsamen Duschen mit Matt gehabt. Anlass genug, sich ein paar Grundregeln zu ihrem Selbstschutz zu geben. Sie wollte Matt einfach nicht nackt sehen.

Na klar, spottete ihre widerlich ehrliche innere Stimme, du willst ihn so ungern nackt sehen, wie du Rocky Road Eiscreme isst.

Ertappt! Rocky Road war ihr Lieblingseis, das sie maßlos in sich hineinstopfen könnte, wenn es ohne Folgen für die Figur bliebe. Okay, sie wollte Matt nackt sehen. Na und? Wer nicht? Sie war eine Frau mit gesundem sexuellem Appetit, der in letzter Zeit nicht gestillt worden war. Aber warum musste es ausgerechnet Matt sein? Das war doch, als schliefe sie mit einem Feind.

Matt war ihr Feind! Er stand zwischen ihr und dem Auftrag von ARC. Und sie traute Matt zu, dass er dieses Wochenende zu einer Verbrüderungsveranstaltung mit Jack Witherspoon machen wollte – Scotch trinken, Zigarren rauchen, über Frauen philosophieren … oder was man da sonst so trieb. Damit konnte sie nicht konkurrieren, aber sie würde ihm solche Tricks auf keinen Fall durchgehen lassen.

Entschlossen ging Jillian zum Schrank und holte das rote Kostüm mit dem kurzen Rock heraus – die ideale Kombination aus femininem Schick und Business Outfit. Die lebhafte Farbe machte Mut und gab ihr Selbstvertrauen. Der Rock endete kurz über dem Knie. Sobald sie angezogen war, würde sie wieder das Gefühl haben, Herr der Lage zu sein. Zu viel nackte Haut machte nur nervös. Deshalb brauchte sie auch einen soliden Morgenmantel. Vielleicht konnte sie im Geschenkshop des Hotels einen kaufen. Ab jetzt würde sie Matt vergessen und sich auf Jack Witherspoon und ARC konzentrieren.

Der Profi in ihr wusste, dass sie das schaffen konnte, als Frau hatte sie ihre Zweifel.

Matt drehte die Dusche ab, trocknete sich ab und schlang sich ein flauschiges weißes Handtuch um die Hüften. Das warme Wasser hatte ihn erfrischt, die Spinnweben aus seinem Kopf vertrieben und ihn wieder zur Vernunft gebracht.

Das Geräusch eines Föhns nebenan verriet ihm, dass Jilly noch nicht gegangen war. Kein Problem. Er würde sich rasieren und die Zähne putzen, und bis dahin würde sie sicher fort. Danach konnte er sich beim Zimmerservice Kaffee bestellen und noch einmal seine Präsentation für Jack Witherspoon durchgehen.

Leise pfeifend wischte er über den beschlagenen Spiegel und nahm seinen Rasierer aus dem Beutel. Matt hatte gerade eine dicke Lage Rasierschaum auf Gesicht und Hals aufgetragen, als es an die Badezimmertür klopfte.

„Matt? Tut mir leid, dich zu stören, aber brauchst du noch lange da drin?“

Der Klang ihrer Stimme genügte, um für Anspannung in gewissen Körperbereichen zu sorgen. Verdammt! „Ich bin gerade beim Rasieren. Warum?“

„Ich will jetzt los, aber ich muss mir noch die Zähne putzen. Ich ertrage den Anblick deiner Rasierklinge, wenn d...

Autor

Jacquie D´Alessandro
Jacquie D'Alessandro wuchs in Long Island auf und verliebte sich schon in jungen Jahren in Liebesromane. Sie träumte immer davon, von einem schneidigen Schurken auf einem lebhaften Hengst entführt zu werden. Als jedoch Joe, ihr zukünftiger Ehemann, zum erste Mal auftauchte, hatte sein Erscheinungsbild nur wenig mit ihren Träumen zu...
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