Julia Bestseller Band 156

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NUR EIN SINNLICHES ABENTEUER? von DARCY, EMMA
Als Milliardär Hugo Fullbright die hübsche Angie zu einer Reise einlädt, hat er nur eine heiße Affäre im Sinn

HONEYMOON IN LAS VEGAS von DARCY, EMMA
Wütend wirft Sunny ihrem Verlobten den Ring vor die Füße! Schließlich zieht er es vor, die Nächte im Casino anstatt in ihrem Bett zu verbringen. Aber Zeit für Herzschmerz bleibt Sunny nicht, da sie den sexy Tycoon Bryce trifft, der ihr ein prickelndes Angebot macht …

EIN HEIßER KUSS ALS ANTWORT von DARCY, EMMA
Weil seine Stiefmutter ihn von Yarramalong verbannte, schwor James Rache. Nun endlich gehört das Anwesen ihm! Höhepunkt seines Plans soll die Verführung von Sally werden, der hübschen Tochter seiner Feindin. Bloß warum wünscht er sich, sie für immer in den Armen zu halten?


  • Erscheinungstag 19.12.2014
  • Bandnummer 0156
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703059
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Darcy

JULIA BESTSELLER BAND 156

EMMA DARCY

Nur ein sinnliches Abenteuer?

Sobald Angie mit dem charismatischen Playboy Hugo Fullbright in Tokio landet, spürt sie instinktiv, was die beiden erwartet: ein sinnliches Abenteuer. Aber die romantischen Ausflüge Hand in Hand durch die exotische Stadt wecken stärkere Gefühle in ihr, als sie sich je hätte vorstellen können. Dass ihr Herz in Gefahr gerät, damit hat sie nicht gerechnet …

Honeymoon in Las Vegas

Um nicht an der Spitze des Familienunternehmens ersetzt zu werden, muss Bryce heiraten. Sofort fragt er Kirsten, mit der er gut befreundet ist. Zugegeben, es ist nicht wilde Leidenschaft. Die allerdings empfindet er auf den ersten Blick bei der hinreißenden Sunny und bittet sie, seine Frau zu werden. Doch Bryce hat bei seinem Antrag nicht Kirsten bedacht …

Ein heißer Kuss als Antwort

Obwohl er ihre Mutter von Yarramalong verjagt hat, fühlt Sally sich zu ihrem Stiefbruder James hingezogen. Sally soll sich um den Herrensitz seines verstorbenen Vaters kümmern und James ein Zuhause bieten. Ist die Sehnsucht nach einem Heim der einzige Grund, warum sie bei ihm bleiben soll? Oder hat James vor, sie endlich in die Welt der Sinnlichkeit zu entführen?

1. KAPITEL

Angie Blessing wusste nicht recht, woher plötzlich die Kopfschmerzen gekommen waren. Vielleicht war die gleißende Sonne daran schuld, vielleicht aber auch ihre Beziehung zu Paul.

Sie saß neben ihm in seinem Mercedes-Cabriolet und ließ sich zu ihrem Apartment fahren, das sie sich mit ihrer besten Freundin und Kollegin Francine Morgan teilte. Denn Angie hatte keine Lust, heute mit Paul segeln zu gehen. Dabei war es ja eigentlich schmeichelhaft, sich als die Freundin eines der begehrtesten Junggesellen Sydneys im renommiertesten Club der Stadt sehen zu lassen.

Stattdessen ging ihr der Titel von Francines derzeitigem Lieblingsbuch nicht aus dem Kopf: Dreißig, ledig, Heiratswunsch. Oder: Wie finde ich den richtigen Ehemann?

Seit drei Jahren war Angie mit Paul Overton zusammen.

Von Heirat hatte er bisher nicht ein einziges Mal gesprochen.

Doch Angie wusste nicht, ob sie Ja gesagt hätte, selbst wenn er ihr in diesem Moment einen Antrag gemacht hätte.

„Und denk an das Wohltätigkeitsessen am kommenden Freitag“, erinnerte Paul sie, als er in die Straße einbog.

Oh nein, nicht noch eine gesellschaftliche Verpflichtung, dachte Angie. Das hatten wir doch erst gestern Abend. Wann immer sie mit Paul ausging, nutzte er die Gelegenheit, Kontakte mit einflussreichen Männern zu knüpfen. Auch seine derzeitige Tätigkeit als Anwalt übte er weniger aus Liebe zu Recht und Gesetz aus. Vielmehr diente sie ihm als Plattform, um seine rhetorischen Fähigkeiten zu demonstrieren. Denn eigentlich strebte Paul eine Karriere als Politiker und einen Sitz im Parlament an.

„Angie …?“ Paul klang ungeduldig.

„Keine Sorge, das klappt. Ich habe mir den Termin im Kalender notiert“, antwortete sie, obwohl sie es im Grunde hasste, bei solchen Anlässen lediglich seine schöne Begleiterin zu spielen. „Und nächsten Mittwoch gehen wir dann ins Ballett.“ Auf den Abend freute Angie sich schon lange.

„Ich glaube nicht, dass ich mitkomme. Der Fall, an dem ich momentan arbeite, erfordert intensive Vorbereitungsarbeit. Wie du weißt, ist es ein wichtiger Prozess. Die Medien sind von Anfang an dabei.“

Angie presste die Lippen zusammen. Sie liebte das Ballett, aber für Pauls Karriere zählte es natürlich nicht. Dabei hätte er sich ja an diesem Tag auf seinen Fall vorbereiten können, statt segeln zu gehen. Aber es würde Paul nie einfallen, ihretwegen auf sein Vergnügen zu verzichten.

„Nimm doch Francine mit in die Ballettvorstellung!“

„Tolle Idee!“ Es wäre reine Zeitverschwendung gewesen, mit Paul über dieses Thema zu streiten.

Er lenkte den Mercedes in eine Parkbucht vor ihrem Apartmentblock, ohne den Motor abzustellen. Also würde er nicht aussteigen und ihr die Tür aufhalten wie früher. Ob es wohl nach drei Jahren in jeder Beziehung mit der Romantik vorbei war?

Paul lächelte versöhnlich. „Hoffentlich geht es deinem Magen bald wieder besser.“

„Ja, das hoffe ich auch.“ Ohne schlechtes Gewissen erwiderte sie sein Lächeln. Angie hatte Magenschmerzen vorgeschützt, um ihn nicht zum Segeln begleiten zu müssen.

Natürlich gab Paul ihr keinen Kuss zum Abschied. Nie würde er es riskieren, sich mitten in einem wichtigen Prozess anzustecken und krank zu werden.

„Du siehst ziemlich blass aus“, kommentierte er mitfühlend. „Pass auf dich auf, Angie!“

Das muss ich wohl, denn du tust es ja nicht.

„Ich rufe dich in den nächsten Tagen an.“

Klar. Du willst sicher sein, dass ich bis Freitag wieder fit bin, weil du mich dann brauchst.

„Okay“, sie ließ sich ihren Ärger nicht anmerken, „dann viel Spaß beim Segeln.“

Sie öffnete die Tür und stieg aus.

Nachdenklich blickte sie dem Wagen nach. Dort fuhr ein Mann der Extraklasse in einem erstklassigen Wagen. Immerhin war Paul ein guter Fang. Er sah ausgesprochen gut aus. Groß und breitschultrig, hob er sich schon wegen seiner Größe immer von der Menge ab. Sein dunkles Haar war leicht gewellt, die hohe Stirn wirkte aristokratisch. Seine dunklen Augen verrieten eine messerscharfe Intelligenz. Die markanten männlichen Züge passten perfekt zu seinem durchtrainierten muskulösen Körper. Außerdem stammte Paul aus einer wohlhabenden Familie und besaß bereits ein Vermögen. Sollte er ihr je einen Antrag machen, erwartete Angie an seiner Seite eine brillante Zukunft.

Aber sah Paul in ihr die passende Frau? Rein äußerlich entsprach sie vermutlich dem geforderten Image: groß, langes blondes Haar. Schlank genug, um jedes Outfit zur Geltung zu bringen, obwohl ihre Figur sehr weibliche Rundungen aufwies und sie nicht als Model hätte durchgehen können. Sie hatte einen zarten, reinen Teint und klar geschnittene Gesichtszüge, die ausgesprochen fotogen waren. Dennoch hielt Angie sich nicht für schön. Sie wertete ihre Augen als größten Pluspunkt. Insbesondere die Farbe – ein ungewöhnliches Graugrün.

Ihre Fähigkeit, sich gut zu präsentieren, war ein weiterer ihrer Vorzüge und ein absolutes Muss in ihrem Beruf. Wer professionelle Hilfe bei einer Firma für Innenausstattung suchte, fasste sofort Vertrauen, wenn er von einer gut gekleideten, stilsicheren Person beraten wurde.

Als erfolgreiche Karrierefrau brachte Angie zweifellos das richtige Image für einen Mann wie Paul mit. Trotzdem wusste sie nicht, ob er sie als geeignete Ehefrau betrachtete. Denn ihre Familie war weder reich noch einflussreich. Ihre Eltern, beide Künstler, standen der Regierung eher kritisch gegenüber, waren jedoch tolerant genug, ihre Tochter eigene Wege gehen zu lassen. Sie selbst bewahrten einen alternativen Lebensstil. Insofern waren sie denkbar ungeeignete Schwiegereltern für Paul.

Außerdem lebten sie weit weg in Byron Bay. Anders als Pauls Eltern hatten sie nie eine Rolle in Angies Beziehung zu ihm gespielt. Seine Eltern schienen Angie zu akzeptieren. Zumindest als die Freundin ihres Sohnes. Aber betrachteten sie sie auch als geeignete Ehefrau für ihren Sohn?

Doch die entscheidende Frage war und blieb: Wollte sie eigentlich Paul Overtons Ehefrau werden? Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie diese Vorstellung verführerisch gefunden.

Jetzt dagegen war Angie sich nicht mehr sicher. Immer häufiger fragte sie sich, ob sie in den vergangenen drei Jahren einen rosaroten Traum geträumt hatte, der zusehends der Ernüchterung wich.

Während Angie nun auf ihren Apartmentblock zuging, verdrängte sie die Gedanken an Paul und überlegte, wie es Francine am Vorabend wohl ergangen war. Sie hatte an einem Essen mit fünf anderen Singles um die dreißig teilgenommen, die alle einen Partner suchten. Ob dieser jüngste Versuch ihrer Freundin, einen Ehemann zu finden, von Erfolg gekrönt gewesen war?

Einen Becher Kaffee in der Hand, saß Francine auf dem Balkon und blickte starr vor sich hin. Weder die Sonntagszeitung, die aufgeschlagen auf dem Tischchen vor ihr lag, noch der herrliche Blick über die Bucht vermochte ihr Interesse zu wecken. Sie war noch im Pyjama, hatte sich nicht gekämmt, und die schwarzen Spuren von Mascara unter ihren grauen Augen ließen sie blass und übernächtigt erscheinen. Kurz, sie wirkte elend und niedergeschlagen.

„Wieder nichts?“, erkundigte Angie sich teilnahmsvoll.

„Ach, die waren alle viel zu ernst. Da hat überhaupt nichts gefunkt“, antwortete Francine resigniert.

Vermutlich wollten die anwesenden Männer um die dreißig genauso verzweifelt Eindruck schinden wie du. „Vielleicht wärt ihr alle bei einem zweiten Treffen entspannter“, gab Angie zu bedenken.

Francine verdrehte die Augen. „Das glaube ich nicht! Sie waren einfach langweilig. Wenn ich einem von denen eine zweite Chance gebe, fängt er sofort eine Beziehung an. Sie waren alle ganz heiß darauf, mit mir anzubändeln.“

„In dem roten Kleid siehst du auch wirklich umwerfend aus.“ Wenn sie es darauf anlegte, konnte Francine mit ihrer zierlichen und doch weiblichen Figur und ihrem flammend roten Haarschopf jedem Mann den Kopf verdrehen.

„Wenn ich den Richtigen treffe, muss ich in ihm ein Feuer entfachen“, erläuterte Francine. „So steht es in den Handbüchern. Hebe dich von der Menge ab! Sei positiv! Sieh zu, dass man sich an dich erinnert! Mach das Beste aus deinem Aussehen!“

„Heute Morgen praktizierst du ja eher das Gegenteil“, versuchte Angie, sie aufzuheitern. „Stell dir bloß vor, ich wäre mit einem Freund von Paul zurückgekommen!“

„Dann hätte ich es eben vermasselt. Ich stecke in einer Krise, da kann so etwas vorkommen. Was machst du eigentlich hier? Wolltet ihr nicht segeln gehen?“

Angie zuckte die Schultern. „Ich hatte keine Lust.“

Francine stand auf. „Na gut. Ich ziehe mich um und gehe zum Fitnesstraining. Keine Sorge, irgendwie schaffe ich das schon.“ Ihre Miene verriet grimmige Entschlossenheit.

„Vielleicht solltest du nicht ganz so verkrampft an die Sache herangehen.“

Francine wirbelte herum. „Spar dir deine Ratschläge!“, fuhr sie hitzig auf. „Du bist schon so lange mit deinem Traummann zusammen, dass du keine Ahnung hast, wie ich mich fühle. Oder wie es draußen auf der freien Wildbahn zugeht. Und schließlich nehme ich nicht irgendeinen Mann!“

„Das solltest du auch auf keinen Fall tun“, pflichtete Angie ihr eilig bei. Die Frage, ob Paul tatsächlich ihr Traummann war, stand auf einem ganz anderen Blatt.

„In all den Jahren, in denen wir unser Geschäft aufgebaut haben, hast du immer wieder gesagt, ich sei eine brillante Verkäuferin. Ich habe uns sogar den Vertrag mit Fullbright besorgt. Da sollte ich wohl in der Lage sein, mich selbst zu verkaufen, um das zu bekommen, was ich will“, erklärte Francine entschieden. „Das heißt, ich muss genau das bieten, was mein zukünftiger Ehemann will. Eins schwöre ich dir: Ich werde nichts unversucht lassen. Ich bin dreißig und will eine Zukunft mit Mann und Kindern.“ Mit diesen Worten verschwand Francine im Bad.

Wir sind beide dreißig. Angie ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. In ihren Zwanzigern hatten sie ihr Geschäft aufgebaut, hart gearbeitet und Karriere gemacht. Der Vertrag mit Fullbright hatte sie in ihrer Branche ganz nach oben gebracht, und ihre Firma würde die Farbgestaltung eines neuen Blocks von Luxusapartments direkt am Hafen übernehmen. Das war ein großer Erfolg, den sie beide zu schätzen wussten. Aber Francine und sie waren auch Frauen, und die Prioritäten änderten sich, sobald die biologische Uhr angefangen hatte zu ticken.

Angie sagte sich, dass sie keinen Grund hatte, so unzufrieden mit Paul zu sein. Die Aufregung und Leidenschaft ihres ersten Jahres hatten sich zwar inzwischen gelegt, aber das war wohl in jeder Partnerschaft so. Dafür wussten sie, was sie voneinander erwarten konnten. Natürlich war nie alles perfekt, doch wer etwas Dauerhaftes aufbauen wollte, musste Kompromisse eingehen.

Leider machte Paul keine Kompromisse.

Angie hatte es nicht sofort bemerkt, und inzwischen fiel es ihr wahrscheinlich viel zu oft auf. Aber sich deshalb trennen?

Die Vorstellung, wieder Single zu sein, machte ihr Angst. Sie würde sich der Partnersuche sicher nicht so fanatisch wie Francine widmen, aber möglicherweise würde sie auch verzweifelt reagieren, wenn sich nicht bald eine passende neue Beziehung ergab.

Vielleicht sollte ich mich auf die Vorzüge meiner Beziehung mit Paul besinnen, anstatt so überkritisch zu sein.

Aber er hat das Thema Heirat in drei Jahren nie angeschnitten.

Würde er es je tun?

Vielleicht betrachtete er Angie nur als eine angenehme Zwischenlösung und würde ihr den Laufpass geben, sobald es für ihn Zeit wurde, eine Ehe zu schließen, die seinen Ambitionen entsprach?

Der Kaffee war fertig. Angie goss sich einen Becher ein und ging zurück auf den Balkon, entnervt von den Zweifeln, die an ihr nagten.

Als selbst die Lektüre der Zeitung sie nicht ablenken konnte, versuchte sie, sich auf den neuen Auftrag zu konzentrieren. Sie wollte sich einen Plan für das Gespräch mit Hugo Fullbright zurechtlegen, das für den kommenden Donnerstagmorgen angesetzt war. Der milliardenschwere Immobilienunternehmer würde hohe Anforderungen an sie stellen, und sie musste ihn mit ihren Antworten beeindrucken. Doch Angie war zuversichtlich. Zumindest an ihrer Kompetenz brauchte sie nicht zu zweifeln.

Irgendwann erschien Francine wieder, jetzt strahlend und munter. Für ihren Besuch im Fitnesscenter hatte sie hautenge limonengrüne Shorts aus Lycra und ein passendes bauchfreies Top angezogen. „Ich habe soeben eine Entscheidung gefällt“, verkündete sie. „Von jetzt an werde ich mein Netz weiter spannen.“

Angie sah sie fragend an. „Ist das eine neue Strategie?“

„Acht Monate lang habe ich mich an die Ratschläge dieses Buches gehalten. Ohne Erfolg. Jetzt werde ich in großem Stil Aufmerksamkeit erregen.“

„Wie denn?“

„Ich habe in der Zeitung von einer spektakulären Methode gelesen: Man lässt sein Foto auf einer Plakatwand an einer großen Kreuzung in der Innenstadt veröffentlichen. Jeder, der Interesse hat, kann über Internet Kontakt aufnehmen.“

Angie blieb fast die Luft weg. „Eine Plakatwand?“

„Genau. Das bringt mir die größtmögliche Öffentlichkeitswirkung!“ Offenbar kam es Francine nicht in den Sinn, dass eine solche Aktion auch unerwünschte Resultate nach sich ziehen konnte. „Daraufhin sollten sich ganze Heerscharen von Männern melden, unter denen ich wählen kann.“

„Du willst dein Gesicht und deinen Namen auf eine Plakatwand in der Innenstadt setzen lassen?“ Angie konnte es nicht fassen. „Was ist mit Spinnern, Perversen und …“

„Natürlich erscheint dort nicht mein richtiger Name, sondern ein Deckname, unter dem man mich über eine dritte Person im Internet erreichen kann. Es ist absolut ungefährlich, Angie.“

„Aber die Leute werden dich doch wiedererkennen.“

„Na und? Was ist so schlimm daran, berühmt zu sein?“

„Aber, Francine … Was sollen unsere Geschäftspartner denken?“

„Das ist mir egal. Geschäft ist Geschäft. Wir liefern, was die Kunden wollen. Es ist nur recht und billig, wenn ich mir ebenfalls hole, was ich will.“

„Aber eine Plakatwand … Das ist so … öffentlich!“

„Glaubst du, es wird peinlich für dich, weil du mich kennst?“ Francine sah sie streitlustig an.

„Nein, natürlich nicht. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Möglicherweise handelst du dir eine Menge Ärger ein.“

„Lass das mal meine Sorge sein! Ich wollte dich nur vorwarnen, damit du nicht vor Schreck einen Herzanfall bekommst, wenn du die Plakatwand siehst. So, jetzt muss ich los.“ Damit beendete Francine die Diskussion.

Angie fand die Idee ihrer Freundin schrecklich. Andererseits war sie ja auch nicht so extrovertiert wie Francine, zu deren Job es gehörte, Verträge für ihr gemeinsames Unternehmen zu akquirieren, während Angie die Ausführung übernahm. Außerdem hätte sie ihre Freundin sowieso nicht umstimmen können. Vermutlich war es das Klügste, das heikle Thema Wie angle ich mir meinen Traumprinzen? zu vermeiden.

Angie hoffte inständig, dass Paul die Plakatwand nicht zu Gesicht bekommen würde. Sicher würde er die hemmungslose Selbstvermarktung ihrer Freundin nur verspotten. Andererseits waren ihm Francines Probleme auch gänzlich fremd. Zahllose Frauen wären beglückt über die Chance, Paul Overtons Traumfrau zu werden. Er brauchte nicht an die große Glocke zu hängen, welch guter Fang er war.

Ein Grund mehr für Angie, zu ihrer Freundin zu stehen. Egal, welche Konsequenzen die Aktion mit der Plakatwand nach sich ziehen mochte.

Drei Tage später stand es fest.

„Morgen hängt das Plakat“, informierte Francine Angie, als sie ihre Plätze für die Ballettvorstellung einnahmen. Ihre Augen blitzten erwartungsvoll.

„Und wo?“

„Du kommst auf dem Weg zu deinem Treffen mit Fullbright daran vorbei.“

Sie hatte recht.

Wer die Brücke am Hafen überquerte, sei es per Auto, Bus, Bahn oder zu Fuß, konnte die Plakatwand nicht übersehen. Als Angie sie erblickte, fuhr sie um ein Haar auf den Wagen vor ihr auf. Nicht, weil es sie schockte, Francines Gesicht in überdimensionaler Größe zu sehen. Darauf war sie ja eingestellt.

Nein, ihr Schock rührte daher, dass sie ihr eigenes Gesicht auf der Plakatwand sah.

Und darunter stand: Sexy Angel!

2. KAPITEL

Hugo Fullbright hatte ausgiebig Gelegenheit, die Plakatwand zu betrachten, als die Fahrzeuge vor ihm das Tempo verlangsamten, weil sie sich der Mautschranke am südlichen Ende der Brücke näherten. Er fand es unterhaltsam, die Fotos der Menschen zu betrachten, die so mutig waren, sich auf diese Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren. An diesem Morgen waren es sechs neue Gesichter. Die Blondine erregte sein besonderes Interesse.

Sie wirkte außerordentlich attraktiv, aber vermutlich war das Foto am Computer bearbeitet worden. Zweifellos würden die Männer, die darauf reagierten, eine Enttäuschung erleben. Wenn eine Frau es nötig hatte, sich auf diese Weise einen Mann zu suchen, konnte etwas mit ihr nicht stimmen. Aber von den sechs Gesichtern auf dem Plakat war die Blondine die klare Siegerin.

Sexy Angel.

Hugo lächelte anerkennend, als er den Decknamen las. Eine ausgezeichnete Marketingstrategie! Der Name klang leicht verrucht und trotzdem sympathisch. Genau die Mischung, die ihm gefiel.

Allerdings mochte er es weniger, wenn „verrucht“ bedeutete, dass jemand Drogen nahm. Er war wie vom Donner gerührt gewesen, als er auf der Party am letzten Samstag Chrissie beim Kokainschnupfen erwischt hatte. Auch ihr Argument – Aber Darling, Sex macht so viel mehr Spaß, wenn ich high bin! – hatte er nicht gerade gern gehört. Bedeutete es doch, dass das Vergnügen, das er ihr bot, ihr nicht genügte.

Das war das Ende seiner Beziehung mit Chrissie gewesen.

Hugo bedauerte seinen Entschluss nicht eine Sekunde lang. Für Menschen, die Drogen brauchten, um in Hochform zu kommen, hatte er kein Verständnis. So etwas duldete er nicht bei den Topmanagern seiner Firma und erst recht nicht bei der Frau an seiner Seite. Ganz abgesehen davon waren Drogen illegal und verursachten nur Probleme.

Nachdem Hugo die Brücke und die Plakatwand passiert hatte, konzentrierte er sich auf das bevorstehende Treffen mit der Innenarchitektin für sein neues Pyrmont-Projekt. Er hatte drei ehemalige Lagerhäuser am Hafen gekauft und abreißen lassen, um Platz für sein ehrgeiziges Projekt zu schaffen. Da sich der Preis für die zukünftigen Luxusapartments in Millionenhöhe bewegen würde, musste der optische Eindruck top sein.

Hugo lag daran, dass die Expertin, die er dafür engagiert hatte, das verstand. So etwas ließ sich am besten in einem persönlichen Gespräch klären. Er war nicht daran interessiert, am falschen Ende zu sparen, denn das Endergebnis sollte qualitativ hochwertig sein. Der architektonische Entwurf gefiel ihm, aber der letzte Schliff war entscheidend.

Sorgfalt bis ins Detail – das war der Schlüssel zum Erfolg.

Nichts durfte übersehen werden.

Hugo Fullbright betrat das Apartment im Erdgeschoss, das vorübergehend als Firmenbüro diente, und begrüßte seine Mitarbeiter. Dann wies er seine Sekretärin an, Miss Blessing sofort nach ihrer Ankunft ins Konferenzzimmer zu führen und ihnen zehn Minuten später Getränke zu servieren.

Das Konferenzzimmer lag am Ende des offenen Wohnbereichs. Eine ganze Wand war verglast und bot einen spektakulären Blick über den Hafen. Die Einrichtung bestand aus einer riesigen Sitzgruppe aus Leder und einem großen quadratischen Besprechungstisch. Hugo setzte sich nicht, sondern blieb am Fenster stehen und betrachtete die vorbeifahrenden Jachten, Fähren und Luxusliner. Nach einer Weile sah er zur Uhr.

Miss Blessing kam zu spät. Schon fünf Minuten.

Zehn Minuten.

Hugo konnte Unpünktlichkeit nicht ausstehen. Seine Zeit war kostbar. Wenn jemand sie missachtete, bekam er unweigerlich schlechte Laune. Als schließlich Schritte die Ankunft von Miss Blessing signalisierten, musste er sich zusammenreißen, um sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen.

Doch als er sich umdrehte, um sie zu begrüßen, traute er seinen Augen nicht. Das lange blonde Haar schwang mit natürlichem Schwung um ihre Schultern, so wie er es sich insgeheim vorgestellt hatte. Auch ihr Gesicht hielt, was das Foto versprochen hatte. Niemand hatte am Computer etwas beschönigen müssen. Ihr Teint war makellos und die grünen Augen noch faszinierender als auf dem Bild.

Sexy Angel.

Ihre Figur hätte einer Femme fatale Ehre gemacht. Das schlichte und doch sinnlich wirkende gelbe Seidenkleid unterstrich ihre verführerischen Kurven, die sich genau an den richtigen Stellen befanden. Dazu schlanke, endlos lange Beine in hochhackigen Riemchensandaletten. Hugo fühlte sich wie elektrisiert, sein Ärger war mit einem Mal verflogen.

Wie gut, dass er sich bereits von Chrissie getrennt hatte, denn Miss Blessing weckte augenblicklich sein Interesse.

Diese Frau musste er bekommen!

Und sie war noch zu haben. Er brauchte sie nur für sich zu gewinnen, ehe ihm eine Horde Rivalen zuvorkam.

Angie war es gewöhnt, von Männern angesehen zu werden, doch als Hugo Fullbright sie anerkennend von Kopf bis Fuß taxierte, knisterte es fühlbar zwischen ihnen. Und das störte sie. Erst recht, als er keine Anstalten machte, zum Geschäftlichen überzugehen. Außerdem war er unglaublich sexy. Seine strahlend blauen Augen glitzerten verführerisch, und sein leises Lächeln verhieß aufregende erotische Abenteuer.

Mit einer lockeren Geste entließ er die Sekretärin, die Angie ins Konferenzzimmer geführt hatte.

Dabei hielt er den Blick unverwandt auf Angie gerichtet. Plötzlich pochte ihr Herz wie verrückt, denn Hugo Fullbright verschwendete offensichtlich nicht nur als Geschäftsmann keine Zeit. Paul war ebenfalls ein sehr männlicher Typ, aber der Mann, der sie jetzt anlächelte, hatte eine atemberaubend sinnliche Ausstrahlung.

Obwohl Hugo Fullbright das volle schwarze Haar kurz geschnitten trug, wirkte es wild und ungezähmt. Er war so braun gebrannt, als würde er sich viel im Freien aufhalten. Sein maßgeschneiderter hellgrauer Anzug hatte unverkennbar Klasse und ließ einen schlanken, aber durchtrainierten Körper ahnen. Unvermittelt fühlte Angie sich an eine Raubkatze erinnert: jederzeit bereit, sich auf ihre Beute zu stürzen.

Es kostete Angie viel Kraft, auf Hugo zuzugehen, ihm die Hand zu reichen und ihn halbwegs natürlich zu begrüßen. „Guten Tag, Mr Fullbright. Ich bin Angie Blessing.“

„Angie …“ Er ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Seine blauen Augen glitzerten. „Ist das eine Abkürzung für Angel?“

Angie stöhnte insgeheim auf. Also hatte er die Plakatwand gesehen und sie erkannt. „Nein, mein voller Name lautet Angela“, erwiderte sie förmlich und hoffte inständig auf einen Themenwechsel. „Aber alle nennen mich Angie.“

„Ja, Angie passt auch viel besser zu Ihnen.“ Anstatt ihre Hand loszulassen, strich er leicht mit dem Daumen darüber.

Bei der Berührung wurde Angie heiß, und sie spürte, dass sie errötete. Was nun? Sollte sie ihn direkt auf die Plakatwand ansprechen? Oder das Thema ignorieren? Sie entschied sich für Letzteres. Bei einem geschäftlichen Termin war es ein fataler Fehler, Persönliches mit einzubeziehen.

„Bitte entschuldigen Sie die Verspätung, Mr Fullbright …“

„Hugo.“ Er lächelte einladend.

„Leider ist mir ein dringender Anruf dazwischen …“

„Ich kann mir vorstellen, dass Sie ständig dringende Anrufe erhalten, Angie. Ganz sicher bin ich nicht der einzige Mann, dem … gefällt, was er gesehen hat.“

Eine so direkte Anspielung auf den Text der Plakatwand: Wenn Ihnen gefällt, was Sie sehen, kontaktieren Sie … konnte sie unmöglich ignorieren. Also atmete Angie tief durch und packte den Stier bei den Hörnern.

„Mr Fullbright …“

„Hugo“, unterbrach er sie erneut.

Sie entzog ihm hastig die Hand und sagte fest: „Die Agentur hat einen Fehler gemacht.“

„Einen Fehler? Wie meinen Sie das?“

„Der Mitarbeiter, der die Bilder auf der Plakatwand zusammenstellt, hat die falsche Hälfte des Fotos genommen, das meine Freundin eingeschickt hat“, fuhr sie hitzig fort. Trotz Francines verzweifelter Entschuldigung brachte dieses Thema Angie sofort erneut in Rage.

„Ah ja, eine Freundin.“ Hugo Fullbright lächelte spöttisch. Er glaubte ihr kein Wort. „Sie brauchen sich nicht hinter einer Freundin zu verstecken, Angie. Ich habe nicht vor, Ihren risikofreudigen Schritt zu kritisieren. Im Gegenteil. Sie kommen gleich zur Sache, ohne langwierige einleitende Manöver. Wirklich, ich bewundere Ihren Mut.“

Angie schwieg. Er hatte sich eine Meinung gebildet, und sie konnte nichts daran ändern. Außerdem war die Ausrede mit der Freundin viel zu abgedroschen, um glaubwürdig zu klingen. Hugo Fullbright hatte ihr Foto auf der Plakatwand gesehen, basta. Für ihn war die Sache damit klar.

Während Angie noch fieberhaft überlegte, wie sie das Gespräch in geschäftliche Bahnen lenken konnte, brach Hugo das peinliche Schweigen. „Ich wollte Ihnen nur erklären, dass Sie sich deswegen keine Sorgen zu machen brauchen. Tatsächlich ist mir so etwas viel lieber als …“

„Mr Fullbright …“, fiel sie ihm ins Wort.

„Bitte nennen Sie mich Hugo!“ Er lächelte so charmant, dass Angie der Atem stockte.

Im nächsten Moment pochte ihr Herz wie verrückt. „Also gut … Hugo“, gab sie nach und atmete noch einmal tief durch, um sich zu beruhigen. „Können wir jetzt zum Geschäftlichen übergehen?“

„Selbstverständlich, deswegen sind Sie ja hier. Tut mir leid, dass ich das vorübergehend vergessen habe.“ Er klang aufrichtig. Fast, als wollte er sich entschuldigen.

Trotzdem hatte Angie das Gefühl, einen Wolf im Schafspelz vor sich zu haben. Ihr Instinkt riet ihr, auf der Hut zu sein. Doch in Hugo Fullbrights Gegenwart fiel es ihr außerordentlich schwer, einen klaren Kopf zu behalten. Unglaublich attraktiv, dachte Angie und konnte sich nicht vorstellen, dass so ein Mann noch solo war. Entweder hatte er eine Ehefrau oder eine Beziehung.

„Ich muss allerdings zugeben, dass ich ständig über diesen unglaublichen Zufall nachdenken muss“, fuhr er fort. „Wir sind beide zurzeit ungebunden …“

Konnte er Gedanken lesen? Diese blauen Augen waren reines Dynamit.

„… und wie gesagt, mir gefällt außerordentlich, was ich sehe …“

Klarer hätte er sein Interesse nicht anmelden können. Er wollte sie. Zumindest reizte es ihn, herauszufinden, was sie ihm zu bieten hatte.

Und zu Angies Entsetzen signalisierte ihr Körper, dass auch sie neugierig war. Aber neugierig genug, um sich mit diesem Mann auf einer sehr persönlichen Ebene zu treffen?

Und was ist mit Paul?

„Könnten wir …“, Angie räusperte sich. „Könnten wir jetzt zum Geschäftlichen kommen?“, wiederholte sie.

Hugo schien amüsiert. „Unbedingt.“ Er deutete auf die Sitzgruppe. „Setzen Sie sich doch!“

„Ja, danke“, antwortete sie heiser. Glücklicherweise gelang es ihr, das Sofa zu erreichen, ohne zu stolpern, und sie wählte absichtlich den Platz in der Mitte.

Hugo verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber.

Dennoch war Angie sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Er saß entspannt und abwartend da, zuversichtlich, am Ende genau das zu bekommen, was er wollte.

Sie nahm sich vor, sich von jetzt an strikt professionell zu geben. „Ich weiß nicht, wie intensiv Sie die Arbeit an diesem Projekt verfolgen“, begann sie.

Ein großer Fehler.

„Ich beteilige mich grundsätzlich intensiv an allen meinen Projekten.“ Er lächelte. „Aber fahren Sie fort, Angie. Ich bin ganz Ohr.“

„Okay!“ Sie wünschte, er würde sie nicht so durcheinanderbringen. „Das Konzept, das ich für die Farbgestaltung der Apartments erarbeitet habe …“

„… habe ich bereits abgesegnet.“

Na großartig! „Warum dann diese Besprechung?“, fragte sie scharf. Wenn er nur nicht so eine sinnliche Ausstrahlung gehabt hätte! Es fiel ihr immer schwerer, cool zu bleiben.

Hugo zog die geraden schwarzen Brauen zusammen und schien gründlich über ihre Frage nachzudenken. „Nun, ich könnte jetzt sagen, dass sich inzwischen einige neue Aspekte ergeben haben …“

Seit er der Plakatwand entnommen hatte, dass sie zu haben war!

„… aber im Grunde wollte ich Sie treffen, um besser einschätzen zu können, ob Ihre Arbeit halten wird, was Sie versprechen.“

Von wegen! Was dieser Mann an ihr einzuschätzen versuchte, sah Angie ihm deutlich an.

„Sie können gern bei unseren ehemaligen Klienten Erkundigungen über uns einziehen“, antwortete sie kühl. „Sie werden feststellen, dass wir unsere Verträge stets erfüllt und alle Arbeiten termingerecht abgeliefert haben.“

„Das habe ich natürlich bereits getan, Angie.“ Seine Stimme klang samtweich. „Aber Sie wissen ja, dass sich auch bei bereits bestehenden Verträgen häufig Veränderungen ergeben, die gewisse … Anpassungen erfordern.“

Ob sie die verflixte Verwechslung der Fotos wohl bis zum Abschluss dieses Projekts verfolgen würde?

„Mir kommt es vor allem auf ein erstklassiges Endergebnis an“, fuhr er fort. „Keine Kosteneinsparungen, die sich negativ auf die Gesamtqualität …“

„In unserem Kostenvoranschlag haben wir die Materialpreise genau aufgelistet“, unterbrach sie ihn und fügte heftiger als beabsichtigt hinzu: „Wir machen grundsätzlich keine Kompromisse in Sachen Qualität. Schließlich hat unsere Firma einen Ruf zu verlieren.“

„Und ich gebe gern zu, dass Ihre exquisite Erscheinung mir signalisiert, die richtige Wahl getroffen zu haben.“ Hugo lächelte. „Ich wollte nur betonen, dass Geld für mich keine Rolle spielt, wenn ich etwas Bestimmtes haben will.“

„Umso besser!“

„Wie es scheint, ist uns beiden klar, wo jeder steht“, schloss er.

„Ja.“

Ziel erreicht, Ende der Besprechung, sagte sich Angie und wollte aufstehen.

„Ich fliege morgen früh nach Tokio“, teilte Hugo ihr unvermittelt mit. „Nur übers Wochenende. Montag früh bin ich zurück.“

Angie zögerte. Was hatte das denn mit ihr zu tun?

„Die Reise gilt nur zum Teil dem Geschäft“, erklärte er lässig. „Ich baue eine Ferienanlage für ein japanisches Konsortium. Wahrscheinlich wollen sie noch über andere Projekte mit mir reden, aber in erster Linie ist es ein Höflichkeitsbesuch. Trinken. Essen. Sightseeing.“

„Wie schön für Sie.“

„Das könnte es auch für Sie sein, Angie …“ Seine Augen funkelten gefährlich. „Falls Sie Lust haben, mich zu begleiten.“

Tokio.

Sie war noch nie in Japan gewesen. Und dieser Mann warf sie einfach um …

Angie war schockiert über ihre Gedanken. Sie nahm sich zusammen und suchte verzweifelt nach einem geschickten Weg, die Einladung abzulehnen. Sie wollte Hugo um keinen Preis vor den Kopf stoßen. Schließlich war dies ihr bisher größter Auftrag.

„Vielen Dank für das Angebot“, sagte sie schließlich höflich. „Aber ich halte es nicht für eine gute Idee, Geschäft und Privatleben miteinander zu vermischen. So etwas könnte leicht zu einer peinlichen Situation zwischen uns führen.“

„Ich wäre ganz Ihrer Meinung, wenn Sie direkt für mich arbeiten würden. Aber Sie werden selbstständig sein. Sie sind Ihr eigener Boss und innerhalb Ihrer Aufgabe autonom.“

Wieder dieses siegessichere Lächeln.

„Eine solche Reise könnte Ihnen und Ihrer Firma einige lohnende Geschäftskontakte verschaffen.“

Er war so redegewandt. So überzeugend. Aus seinem Munde klang es, als sei Geschäft, gemixt mit Spaß, ein Plus statt ein Minus.

Angie konnte kaum glauben, wie sehr es sie reizte, Ja zu sagen. Seine Einladung anzunehmen wäre jedoch Wahnsinn gewesen. Außerdem war da ja noch Paul …

Und das Wohltätigkeitsessen am Freitag!

Wieso war ihr das nicht eher eingefallen?

„Tut mir leid, aber ich habe an diesem Wochenende schon andere Verpflichtungen.“

„Das verstehe ich natürlich.“ Doch sein Blick verriet, dass er insgeheim überlegte, wie ernst er diese „Verpflichtungen“ nehmen sollte.

Angie errötete verlegen, als ihr die Plakatwand wieder einfiel – und die Flut von Rückmeldungen, die Francine per Internet entgegennehmen würde. Ob Hugo dachte, sie, Angie wollte zuerst das Ergebnis abwarten, ehe sie seine Einladung annahm?

Doch leider war es sinnlos, ihn ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass ihr Foto nur aufgrund eines Missverständnisses veröffentlicht worden war.

Entschlossen stand sie auf. „Danke, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in Tokio.“ Sie bot ihm höflich die Hand.

Hugo stand ebenfalls auf. Er überragte sie um einiges, und als er nun dicht vor sie trat, erbebte Angie insgeheim.

Statt ihr zum Abschied die Hand zu geben, griff er in die Tasche und nahm ein schmales goldenes Etui heraus. „Hier ist meine Karte, Angie.“ Er drückte ihr seine Visitenkarte in die Hand. „Rufen Sie mich an, falls Sie Ihre Meinung wegen der Reise nach Tokio ändern.“

„Ja, okay.“ Irgendwie gelang es ihr, sich ein strahlendes Lächeln abzuringen.

„Bis zum nächsten Mal“, sagte er sanft.

Wieder musste Angie an eine Raubkatze denken, die sich ihrer Beute bereits sicher war.

Angie spürte seinen Blick im Rücken, als sie zur Tür ging. Jeder Nerv ihres Körpers schien zu vibrieren, und Hugos Visitenkarte brannte wie Feuer in ihrer Hand. Vergeblich versuchte sie, an Paul zu denken. Hugo Fullbright und das Wochenende in Tokio gingen ihr nicht aus dem Kopf.

Sie konnte unmöglich annehmen. Keinesfalls würde sie so etwas tun. Schließlich war sie nicht der Typ, der jede Vorsicht in den Wind schlug. Niemals würde sie einem Mann den Laufpass geben, der allen Grund hatte, Liebe und Loyalität von ihr zu erwarten. Schon gar nicht, um sich in ein unberechenbares Abenteuer mit einem anderen zu stürzen.

So etwas war einfach nicht ihre Art.

3. KAPITEL

Als Angie ihre Geschäftsräume in der renommierten Parkallee betrat, kam Francine ihr besorgt entgegen.

„Ich habe schon mit den Verantwortlichen für die Plakatwand gesprochen“, wollte sie einem Wutausbruch von Angie zuvorkommen. „Es tut ihnen furchtbar leid, dass diese Panne passiert ist. Leider können sie die Fotos erst morgen austauschen. Allerdings sind sie bereit, sich öffentlich zu entschuldigen, wenn du das möchtest. Natürlich war es in erster Linie mein Fehler, weil ich ihnen ein Foto von uns beiden geschickt habe. Es war die vorteilhafteste Aufnahme, die je von mir gemacht worden ist. Natürlich habe ich ihnen ganz klar gesagt, welche Hälfte sie nehmen sollten. Mir ist einfach unbegreiflich, wie der Grafiker das missverstehen konnte. Aber es ist nun mal passiert, und ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut.“

Francine rang verzweifelt die Hände. „Hat denn … ich meine, hat Hugo Fullbright es gesehen und dich erkannt …?“ Ihre Miene verriet, dass sie hoffte, es möge nicht der Fall sein.

Angie atmete tief durch. Wozu sich über etwas aufregen, das nicht mehr zu ändern war? Francine tat ihr Bestes, um den Fehler wieder gutzumachen.

„Ja, er hat mich erkannt.“ Angie verzog das Gesicht. „Kaum stand ich in seinem Büro, hat er in mir nur noch Sexy Angel gesehen. Wie bist du bloß auf diesen Namen gekommen? Natürlich hat er ihn sofort auf Angie bezogen.“

Francine sank förmlich in sich zusammen. „Ich dachte, er würde die Fantasie der Männer anregen.“

„Stimmt, das tut er“, sagte Angie trocken.

„War es sehr peinlich?“

„Allerdings. Natürlich glaubt Mr Fullbright nicht, dass es sich um einen Irrtum handelt. Er meinte, er würde meinen Mut bewundern, und hat mich eingeladen, mich übers Wochenende mit ihm in Tokio zu amüsieren.“ Sie formulierte die Einladung absichtlich so abwertend, um nicht doch in Versuchung zu geraten.

Außerdem war ein bisschen Spaß vermutlich genau das, was Hugo Fullbright wollte. Er hatte das Foto auf der Plakatwand gesehen und glaubte, Angie würde alles tun, um einen Mann zu bekommen.

Francine sah sie fassungslos an.

„Schade, dass du nicht dabei warst“, neckte Angie sie. „Er ist steinreich und sehr attraktiv. Dazu umwerfend sexy und derzeit ungebunden. Dir ist also ein echter Fang entgangen.“

„So ein Pech!“ Francines Schock wich der Enttäuschung über die verpasste Gelegenheit. „Ich habe immer nur mit dem Architekten verhandelt, und der ist verheiratet und hat Kinder. Dem Chef bin ich gar nicht begegnet.“

Besorgt betrachtete Angie ihre Freundin. „Merkst du gar nicht, worauf du dich eingelassen hast, Francine? Was, wenn ein Mann auf diese Aktion reagiert, der kein Nein akzeptiert? Hugo Fullbright ist zum Glück Gentleman genug, aber das sind nicht alle.“

„Ach, damit kann ich umgehen“, antwortete Francine selbstbewusst. „Und wenn Hugo Fullbright so attraktiv ist, würde ich keine Sekunde überlegen, ob ich mit ihm nach Tokio fliege. Eine solche Chance muss man beim Schopf packen und das Beste daraus machen, Angie. So ist die Welt. Aber dir hat die sichere Beziehung mit Paul wohl mittlerweile den Blick für die harte Realität getrübt.“

„Paul …“ Angie verspannte sich bei dem Gedanken, dass ihre langjährige Beziehung jetzt möglicherweise gefährdet war.

„Er weiß bestimmt nichts von dem Foto“, meinte Francine zuversichtlich. „Auf dem Weg von seiner Wohnung zum Gericht kommt er nicht daran vorbei.“

Angie schüttelte den Kopf. „Glaubst du wirklich, dass keiner seiner Freunde oder Kollegen heute Morgen über die Brücke gefahren ist und mich als Sexy Angel erkannt hat?“

„Möglich wäre es“, gab Francine zu. „Aber, ich meine, keiner würde so etwas von dir erwarten. Also würden sie nicht denken, dass du es bist.“

„Hugo Fullbright hat mich auf den ersten Blick erkannt.“

„Wer dich kennt, weiß, dass es sich um einen Irrtum handeln muss. So etwas sieht dir doch überhaupt nicht ähnlich.“

Plötzlich fühlte sich Angie, als hätte sie bisher in einer Zwangsjacke gelebt und Möglichkeiten unnötig eingeschränkt, anstatt den eigenen Horizont zu erweitern.

„Falls du deswegen Probleme mit Paul bekommst, schieb alle Schuld auf mich!“, drängte Francine besorgt. „Ich rede auch persönlich mit ihm und erkläre ihm alles. Egal, was er dann von mir hält.“

Angie bezweifelte, ob das etwas nützen würde. Irrtum oder nicht – Paul würde wütend sein und die Angelegenheit entsetzlich peinlich finden.

„Vielleicht kann er darüber lachen“, meinte Francine hoffnungsvoll.

Eher geht er vor Gericht und klagt auf Schadenersatz.

„Damit befassen wir uns, wenn es so weit ist.“ Angie seufzte. Allmählich bekam sie Magenschmerzen, weil sie in einem Gefühlschaos steckte. Was empfinde ich wirklich für Paul? Und Hugo Fullbright?

„Genau!“ Francine schien froh über die Gnadenfrist. „Und … hast du bei Fullbright auch das Projekt angesprochen? Ich meine … die Sache hat sich doch nicht negativ auf unseren Vertrag ausgewirkt?“

„Nein, er hat unser Konzept in allen Punkten abgesegnet.“

„Großartig!“ Francine war sichtlich erleichtert.

Angie wünschte, sie könnte ebenso empfinden. „Lass uns an die Arbeit gehen, Francine!“ Sie wollte endlich auf andere Gedanken kommen.

Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, nahm Francine ab, um möglichen Ärger von Angie fernzuhalten. Mittags holte sie etwas aus dem Delikatessenladen, damit Angie nicht Gefahr lief, als Sexy Angel angesprochen zu werden.

Doch obwohl Francine ihr ihren Lieblingssalat mitbrachte, musste Angie sich förmlich zwingen, etwas zu essen. Immer wieder dachte sie an Tokio und Hugo Fullbright.

Dann klingelte erneut das Telefon.

Als sie hörte, wie Francine wortreich den Irrtum mit der Plakatwand erklärte, ahnte sie, dass Paul am Apparat war. Francine klang immer leiser und verzagter. Offenbar fand Paul die Angelegenheit alles andere als amüsant.

Schließlich reichte Francine den Hörer resigniert an Angie weiter. „Es ist Paul.“

Angie atmete tief durch. „Hallo …“

„Es ist aus zwischen uns. Ich beende die Beziehung.“

Einfach so.

Angie brachte keinen Ton heraus.

„Ich kann es mir nicht leisten, mich noch länger mit dir sehen zu lassen“, fuhr Paul aufgebracht fort. „Seit heute Morgen muss ich mir die unerträglichsten Anspielungen meiner Kollegen anhören.“

„Aber es ist doch nicht meine Schuld“, brachte sie mühsam hervor.

„Irrelevant!“, fuhr er sie an. „Ich vergeude keine Zeit damit, ein Missverständnis aufzuklären, an das sowieso keiner glaubt. Deshalb habe ich allen gesagt, dass ich mich am vergangenen Wochenende von dir getrennt habe. Wenn du nur einen Funken Anstand besitzt, bestätigst du das, falls man dich darauf anspricht. Ich kann nur von Glück sagen, dass ich gestern nicht mit dir ins Ballett gegangen bin. Also dann, Angie, mach’s gut.“ Damit legte er auf.

Der Schock über die brutale Art, mit der Paul sie aus seinem Leben strich, wich maßlosem Zorn. Angie stand auf, schritt wütend zu Francines Schreibtisch und knallte den Hörer auf die Gabel.

„Was ist passiert?“, fragte Francine nervös.

„Er hat mir den Laufpass gegeben. Nach drei Jahren. Einfach so.“ Angie schnippte mit den Fingern. Ungerechtigkeit brachte sie immer in Rage.

„Ich rede noch mal mit ihm, Angie. Ich werde vor ihm zu Kreuze kriechen und …“

„Untersteh dich!“

„Aber …“

„Ich nehme Paul Overton nicht zurück, und wenn er mich auf Knien darum anfleht!“ Angie ging im Büro auf und ab wie eine Tigerin im Käfig. „Er hat mir soeben unmissverständlich klar gemacht, wie er zu mir steht. Von wegen Liebe! Loyalität? Dass ich nicht lache! Statt meine Partei zu ergreifen, hat er mich abserviert, als könnte er sich an mir nur die Finger schmutzig machen.“

Francine hörte wie gebannt zu.

„Selbst Kriminelle bekommen gewöhnlich mildernde Umstände. Und ich bin unschuldig!“

„Du hast recht“, stimmte Francine zu. „Er hat dich nicht verdient.“

„Paul erzählt allen Leuten, er hätte sich bereits am vergangenen Wochenende von mir getrennt. So kann er seinen kostbaren Kollegen gegenüber das Gesicht wahren. Denn natürlich hat er mit allem, was ich seither angeblich getan habe, nichts zu tun.“

„Meinst du, er erzählt ihnen, du wolltest dich rächen, weil er …“

„Francine! Ich habe es nicht getan, erinnerst du dich?“

„Stimmt.“ Sie verstummte unvermittelt. „Da ist jemand an der Tür.“ Offenbar war Francine erleichtert über die Unterbrechung.

Angie wirbelte herum.

Es war ein Bote, der ein spektakuläres Orchideengebinde brachte. „Miss Angie Blessing?“ Er blickte fragend erst Francine und dann Angie an.

„Das bin ich“, erwiderte Angie unwirsch und warf ihm einen feindseligen Blick zu. In diesem Moment richtete sich ihr Zorn gegen die gesamte Männerwelt.

„Die sind für Sie.“

„Danke.“ Sie deutete auf ihren Schreibtisch.

Der Bote legte die Blumen darauf ab und machte sich eilig davon. Zweifellos hatte er gemerkt, dass er soeben ein Minenfeld betreten hatte.

Angie blickte starr auf die Blumen. Dieser Strauß musste ein Vermögen gekostet haben. Paul hatte nicht genug Zeit gehabt, seinen Entschluss zu bedauern. Falls er es je tat …

Das Gesteck war sehr kunstvoll im japanischen Stil zusammengestellt. Angie zog das beigefügte Kärtchen heraus und las:

Ein kleiner Vorgeschmack auf Tokio. Hugo

Ihr Zorn wich schlagartig einem Hochgefühl. Hugo Fullbright hielt es nicht für peinlich, sich mit ihr zu zeigen. Im Gegenteil, er wollte sie an seiner Seite sehen. Diese kostbaren Orchideen bewiesen, dass er ihre Gesellschaft zu würdigen wusste.

„Also gut, ich tu’s!“

„Was denn?“ Francine sah die Freundin verständnislos an.

„Ich fliege mit Hugo Fullbright nach Tokio.“ Sie ging zum Schreibtisch und griff nach ihrer Handtasche, um seine Visitenkarte herauszuholen.

„Angie, warte! Triff bloß keine übereilte Entscheidung!“

„Warum nicht? Du hast doch auch gesagt, dass du dir eine solche Chance nicht entgehen lassen würdest.“ Angie war bereit, jede Vernunft in den Wind zu schlagen und etwas Neues zu wagen.

„Das ist doch überhaupt nicht deine Art, Angie“, wandte Francine verzweifelt ein.

„Was hat mir meine Art denn eingebracht? Paul hat mich sitzen lassen. Abserviert, ohne mich überhaupt anzuhören. Für ihn bin ich ein Nichts. Nein, Francine, von heute an bin ich ein anderer Mensch. Du kannst mich nicht aufhalten.“

„Aber …“

„Kein Aber. Ich werde es tun.“ Angie nahm den Hörer und tippte Hugo Fullbrights Handynummer ein.

Francine ließ sich auf ihren Stuhl sinken, stützte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und barg das Gesicht in den Händen. Ihr leises Stöhnen verriet, dass sie eine unvermeidliche Katastrophe herannahen sah.

Angie hörte das Freizeichen, dann meldete sich eine tiefe, sexy Stimme.

„Hugo Fullbright.“

Mit einem Mal pochte ihr Herz wie verrückt. „Hier ist Angie Blessing. Ich habe meine Meinung geändert.“

„Das ist das Vorrecht der Frauen“, antwortete er charmant.

„Die Blumen sind wunderschön.“

„Sie haben mich an Sie erinnert. Bezaubernd schön mit einer faszinierend exotischen Note.“

Angies Puls raste, doch es gelang ihr, sich gelassen für das Kompliment zu bedanken.

„Der Flug geht morgen früh um zehn Uhr dreißig“, fuhr er sachlich fort. „Mein Chauffeur holt Sie um neun Uhr ab.“

Sein Chauffeur. Einen Chauffeur hat Paul nicht, triumphierte Angie. Aber Paul interessierte sie ja nicht mehr.

„Können Sie bis dahin reisefertig sein?“

Spielte er auf ihre Verspätung am Morgen an? „Kein Problem“, versicherte sie kühl. „Normalerweise bin ich pünktlich.“

„Gut. Dann brauche ich Ihre Privatadresse.“

Sie nannte sie ihm.

„Ich freue mich sehr, dass Sie Ihre Meinung geändert haben, Angie.“

So aufgeregt wie in diesem Moment war sie schon lange nicht mehr gewesen. Bestimmt wird der Kontakt mit Hugo Fullbright meinen Horizont erweitern, sagte sie sich. Ganz zu schweigen von einer Reise nach Tokio. Es wurde Zeit, gefährlich zu leben. Ihre Ängste und Vorbehalte konnte sie ja für sich behalten. Schließlich hielt er sie für Sexy Angel, frech und unternehmungslustig.

„Bis morgen, Hugo. Ich freue mich auch auf die Reise.“ Ob diese Antwort ihrem neuen Image entsprach?

„Okay, wir sehen uns morgen.“

Angie legte auf. Seine verführerische Stimme hatte ihre Erwartungen geweckt. „Geschafft!“, verkündete sie heiter und verdrängte auch die leisesten Zweifel an ihrer Entscheidung.

Francine ließ die Hände sinken und betrachtete sie sorgenvoll. „Bitte, Angie … gib nicht mir die Schuld.“

„Im Gegenteil, ich bin dir sogar dankbar. Deinetwegen hat Paul endlich sein wahres Gesicht gezeigt.“

„Dieser Mistkerl!“

„Stimmt. Wie gut, dass ich nicht noch mehr Zeit an ihn verschwenden werde. Dank dir bin ich jetzt frei und kann eine neue Richtung einschlagen.“

„Aber ist es die richtige Richtung?“ Francine wirkte nicht sehr überzeugt.

„Das werde ich in Tokio herausfinden.“ Angie nahm ihre Handtasche und warf Francine ein mutwilliges Lächeln zu. Sie wollte ihr zeigen, dass sie ihr nichts übel nehmen würde, egal, wie ihr Abenteuer mit Hugo Fullbright ausging. Als sie jedoch sah, dass ihre Freundin sich ernsthaft Sorgen machte, rückte sie mit der Wahrheit heraus. „Weißt du was, Francine? Als Hugo mich heute Morgen so direkt angesprochen und offen sein Interesse gezeigt hat, habe ich mir gewünscht, ich wäre frei und nicht mit Paul zusammen. Deshalb habe ich die Einladung angenommen.“

„Du bist also nicht verzweifelt wegen Paul?“

Angie ging in sich und überprüfte ehrlich ihre Gefühle. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich ärgere mich unglaublich, weil ich so lange mit ihm zusammengeblieben bin. Dabei wusste ich im Grunde, dass er nicht der Richtige für mich ist. Seinetwegen habe ich Hugo heute Morgen einen Korb gegeben. Ein zweites Mal passiert mir das nicht. Paul hat sich nie wirklich für mich interessiert. Hugo dagegen …“ Schon bei dem Gedanken, mit ihm zusammen zu sein, überlief sie ein sinnlicher Schauer. „Mit ihm ist es irgendwie anders, Francine. Er verkörpert etwas, das ich mit ihm teilen will. Da ich jetzt keine Rücksicht mehr auf Paul nehmen muss, werde ich diese Chance ergreifen.“

Angie nahm das Orchideengesteck und schwebte aus dem Büro. Sie würde den einmal eingeschlagenen Kurs beibehalten, wo immer er sie auch hinführen mochte. Denn sie war dreißig und hatte nichts zu verlieren. Hugo Fullbright erschien ihr wie ein Lichtstreifen am Horizont – der Mann an sich, die Reise nach Tokio, die Blumen, der Chauffeur …

Warum sollte dieser Wochenendausflug nicht der Trip ihres Lebens werden?

4. KAPITEL

Hugo Fullbright legte sein Handy beiseite. Mit einem triumphierenden Lächeln lehnte er sich in den weichen Ledersitz seines Bentley zurück. „Ich habe es geschafft, James“, teilte er seinem Chauffeur mit, der ihn zum nächsten Meeting fuhr. „Sexy Angel gehört mir.“

„Ich gratuliere, Sir. Allerdings habe ich nie bezweifelt, dass es Ihnen gelingen würde.“

Hugo lachte. Er war in Hochstimmung. Einmal mehr beglückwünschte er sich, weil er den damals siebenundzwanzigjährigen James vor vier Jahren eingestellt hatte. Denn er war nicht nur ein erstklassiger Butler, sondern ein ebenso fähiger Chauffeur, Koch und Privatsekretär. Außerdem hatte er ein Talent dafür, heikle Situationen zu bewältigen, und war absolut diskret.

Natürlich bekam er ein Topgehalt, doch in Hugos Augen war James jeden Cent seines sechsstelligen Jahreseinkommens wert. Dank James lief sein Leben wie am Schnürchen, und Hugo wusste das zu schätzen.

Dass James schwul war, störte ihn nicht. Im Gegenteil. Denn wie viele Schwule hatte James einen untrüglichen Sinn für Mode und Stil und suchte ihm für jede Gelegenheit stets das passende Outfit heraus. Hugo konnte sich darauf verlassen, dass sein Koffer für Tokio perfekt gepackt sein würde.

Als Krönung der Reise würde ihn nun auch noch Angie Blessing begleiten!

„Sie ist eine außergewöhnliche Frau, James“, schwärmte er. „Allein diese Beine!“

„Beine scheinen Ihnen sehr wichtig zu sein, Sir, wenn ich an all die Models denke, mit denen Sie bisher ausgegangen sind.“

Hugo runzelte die Stirn. „Angie Blessing ist nicht nur schön, sie hat auch Köpfchen“, stellte er nachdrücklich fest.

„Klingt, als hätten Sie den Jackpot geknackt, Sir.“

„Gut möglich.“ Hugo konnte es kaum erwarten, seinen Sexy Angel ab morgen ganz für sich zu haben. „Vielen Dank übrigens, dass Sie sich um die Blumen gekümmert haben, James.“

„Haben sie ihren Zweck erfüllt?“

„Ja, sie waren die passende Wahl zum richtigen Zeitpunkt.“

„Ihr Timing ist immer perfekt, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir.“

James arbeitete gern für Hugo Fullbright. Nicht nur wegen seines Reichtums, sondern auch, weil er so unkonventionell war. Mit einem solchen Arbeitgeber war das Leben interessant und aufregend – eine ständige Herausforderung.

Außerdem geizte Hugo Fullbright weder mit Lob noch mit Geld. James war sich sehr wohl bewusst, dass er vermutlich der bestbezahlte Butler Sydneys war. Allerdings fand er, dass es für seinen Boss mit achtunddreißig Zeit wurde, eine Familie zu gründen. Daher war James sehr gespannt, Sexy Angel kennenzulernen. Miss Blessing musste ebenfalls eine eigenwillige Persönlichkeit sein, sonst hätte sie es nicht gewagt, sich auf einer Plakatwand der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Im Stillen plante James, was er für Tokio einpacken würde. Den Armani-Anzug für offizielle Termine und die Calvin-Klein-Jeans für den Stadtbummel. Dazu als ideale Ergänzung die schwarze Bomber-Lederjacke von Odini? Viele Frauen hatten eine Schwäche für Leder …

Als James am nächsten Morgen um Punkt neun an ihrer Tür klingelte, war Angie bereit. Zumindest was ihre Reisevorbereitungen betraf. Ob sie auch für Hugo Fullbright bereit war, stand auf einem anderen Blatt. In ihrem Bauch schienen Schmetterlinge zu tanzen, aber irgendwie würde es ihr schon gelingen, das zu überspielen.

Sie öffnete die Tür mit einem fröhlichen „Guten Morgen!“ und stand einem jungen Mann in grauer Chauffeursuniform gegenüber, der die neueste Eroberung seines Chefs interessiert taxierte.

Unwillkürlich verspannte sich Angie. Sie kam sich vor, als würde sie einer Qualitätsprüfung unterzogen. Da in Japan zurzeit Winter war, trug sie zu einer Hose aus feinem schwarzen Wollstoff eine kurze schwarze Chenillejacke mit einem raffinierten diagonalen Verschluss mit Haken und Ösen. Es war nicht ihr Stil, sich übermäßig sexy zu kleiden, und so gab der Ausschnitt nur eine Andeutung ihres Dekolletés frei.

Offenbar fand ihr Outfit die Zustimmung des Chauffeurs. „Guten Morgen, Miss Blessing“, begrüßte er sie strahlend. „Ich heiße James Carter, aber normalerweise werde ich James genannt.“ Er deutete auf ihren Koffer und die Reisetasche, über die sie ihren Mantel – einen Kunstpelz im Leopardenlook – gelegt hatte. „Darf ich?“

Angie nickte.

„Ich schätze die Kreationen von Carla Zampatti sehr, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Miss Blessing. Sie haben stets ein gewisses Flair. Dezent, aber von erstklassiger Qualität.“

„Danke.“ Dass er erkannte, von welcher Designerin ihr Outfit stammte, verblüffte Angie. Und wieso beschäftigte ein ausgeprägter Macho wie Hugo Fullbright einen schwulen Chauffeur? Andererseits hatte sich Hugo eine Frau von einer Plakatwand ausgesucht und hegte demnach ganz eigene Vorstellungen davon, mit welchen Menschen er sich umgab.

Auf der Straße erwartete Angie ein glänzender roter Bentley mit cremefarbenen Ledersitzen. Als sie auf dem Rücksitz Platz nahm, fühlte sie sich wie eine Königin.

Exquisite Blumen. Ein exquisiter Wagen. Würde sich der Besitzer als ebenso exquisit erweisen?

Und wenn ja, würde sie, Angie, seinen Erwartungen entsprechen? Was, wenn sich herausstellte, dass Hugo sich regelmäßig übers Wochenende mit einer Frau amüsierte, nur um sie danach gleich wieder fallen zu lassen? Sollte er ihr den geringsten Anlass zu einer solchen Annahme bieten, würde sie nicht mit ihm nach Japan fliegen. Sie hoffte allerdings, dass er sie ebenso attraktiv fand wie sie ihn.

„Treffen wir Mr Fullbright am Flughafen, James?“

„Nein, Miss Blessing. Wir holen ihn am Regent Hotel ab“, informierte James sie höflich. „Er hat dort heute Morgen ein Geschäftsessen.“

„Ach so.“ Offenbar war Hugo Fullbright ein viel beschäftigter Mann. Die Reise nach Tokio hatte ja auch einen geschäftlichen Hintergrund, rief Angie sich ins Gedächtnis und überlegte, ob es in seinem Leben wohl Platz für Frau und Kinder gab. Bis jetzt offenbar nicht, und sie schätzte ihn auf Ende dreißig. Oder lebte er in Scheidung?

Als sie die Brücke am Hafen überquerten, sah Angie gleich zur Plakatwand, ob man ihr Foto entfernt hatte. Ja! Stattdessen prangte Francines Gesicht in Überlebensgröße an der Wand. Angie atmete erleichtert auf. Bis sie die Bildunterschrift las: Heiße Schokolade. Zweifellos würde Francine damit etliche Männerfantasien entfesseln.

Aber wozu sich beschweren? Immerhin hatte Sexy Angel Hugo Fullbrights Interesse erregt. Schade nur, dass sie nicht wusste, ob er tatsächlich sie, Angie, faszinierend fand oder sich nur von den Fantasien leiten ließ, die ihr Foto und der provozierende Name heraufbeschworen hatten.

James griff zum Autotelefon, um seinen Chef über ihre baldige Ankunft zu informieren. Als der Bentley vor dem Haupteingang des Regent Hotel vorfuhr, trat Hugo Fullbright vor die Tür. Perfektes Timing. Für einen Mann wie ihn zählte vermutlich jede Minute.

James stieg aus und hielt ihm die Tür auf. Angie stockte der Atem. Mit diesem Mann würde sie die nächsten drei Tage verbringen! Im nächsten Moment raste ihr Puls und ihr Herz pochte wie verrückt.

„Hallo“, begrüßte Hugo sie. Seine Stimme klang rau und tief, und er konnte sich offenbar gar nicht an Angie sattsehen.

Trotz der Klimaanlage kam es Angie in dem Bentley plötzlich viel zu heiß vor. „Hallo“, erwiderte sie lässig.

Auch Hugo war ganz in Schwarz gekleidet. Unter dem maßgeschneiderten Anzug trug er ein Seidenhemd ohne Krawatte. „Sie sehen hinreißend aus, Angie“, stellte er bewundernd fest.

Ihr rieselte ein angenehmer Schauer über den Rücken. „Ich habe mir alle Mühe gegeben, bezaubernd schön mit einer faszinierend exotischen Note zu sein“, antwortete sie schlagfertig.

Er lachte. Sein Lachen klang unbeschwert und lebensfroh. Angie war sicher, dass sie an diesem Wochenende viel Spaß mit Hugo haben würde, wenn sie es schaffte, sich zu entspannen und einfach alles auf sich zukommen zu lassen. Mit Paul hatte sie schon lange keinen echten Spaß mehr gehabt. Es war höchste Zeit, dass sie wieder anfing, das Leben zu genießen … obwohl sie insgeheim auf weit mehr hoffte als nur einige flüchtige schöne Stunden mit Hugo.

Der Bentley hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und trug sie einem Abenteuer entgegen, das möglicherweise zu einem ganzen Leben voller Abenteuer führen könnte. Vielleicht war es nur eine unrealistische Wunschvorstellung, aber Hugo Fullbright inspirierte sie sehr zu dieser Fantasie.

„Ist Ihr Geschäftsessen gut gelaufen?“ Angie brannte darauf, zu erfahren, wie dieser Mann seine Zeit verbrachte.

„Ich habe mich mit einer Gruppe von Investoren getroffen, die sich an meinem nächsten Immobilienprojekt beteiligen wollen.“ Hugo nahm Angies Hand, und wie bei ihrer ersten Begegnung strich er mit dem Daumen sanft über ihre zarte Haut. „Aber ich möchte jetzt lieber das Geschäft vergessen und etwas über Sie erfahren.“

„Managen Sie so Ihr Leben, Hugo?“, erkundigte Angie sich. Seine Berührung löste ein elektrisierendes Prickeln auf ihrer Haut aus. „Indem Sie übergangslos von einer Ebene zur anderen wechseln?“

„Ich möchte Sie doch nicht langweilen.“ Seine Stimme klang weich wie Samt, und er warf ihr einen ausgesprochen verführerischen Blick zu.

Zwar fand sie seine Aufmerksamkeit schmeichelhaft, doch Angie hielt Hugos Antwort für ein Ablenkungsmanöver, damit sie den wirklichen Mann hinter dem sexy Charmeur nicht sah.

„Halten Sie mich für eine dümmliche Blondine, mit der Sie erst mal etwas Süßholz raspeln müssen, damit sie später locker ist?“, provozierte sie ihn instinktiv.

Vom Fahrersitz ertönte ein merkwürdiges Geräusch. Es hörte sich wie ein unterdrücktes Niesen an.

„Nachdem ich Ihnen ein derart hohes Budget anvertraut habe, um meinen Apartments den letzten Schliff zu verleihen?“, konterte Hugo. „Ich dachte nur, wir könnten beide eine Pause vertragen. Einmal nicht an Arbeit oder Geschäfte denken, sondern einfach unser Beisammensein genießen.“

„Prima. Genau deshalb möchte ich ebenfalls etwas mehr über Sie erfahren.“ Angie musterte ihn lange und aufmerksam. Hugo sollte merken, dass ihr Interesse an ihm nicht rein sexueller Natur war und es ihr umgekehrt auch nicht genügte, von ihm ausschließlich als Lustobjekt gesehen zu werden.

Er lächelte. „Ich muss gestehen, dass ich mich schon geschmeichelt fühle, weil Ihr Foto bereits von der Plakatwand verschwunden ist.“

Angie errötete. Doch sie widerstand der Versuchung, ihn erneut darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Irrtum gehandelt hatte. Hugo hätte ihr ohnehin nicht geglaubt. „Es schien mir nur fair“, sagte sie stattdessen. „Schließlich bin ich – bis auf weiteres – nicht mehr verfügbar.“

Das würde ihm hoffentlich klar machen, dass er sich bemühen musste. Er sollte nicht glauben, sie würde keinen anderen Mann mehr ansehen, nur weil sie sich auf dieses Wochenende eingelassen hatte. Paul Overton hatte ihre Toleranz für männliche Arroganz und Überheblichkeit erschöpft. Keinesfalls wollte Angie es zulassen, dass Hugo Fullbright sich ihrer sicher wähnte, nur weil er sich für unwiderstehlich hielt.

Hugo musterte sie anerkennend, während er über ihre Antwort nachdachte. „Ein Schritt, den ich zu schätzen weiß“, sagte er endlich. „Ich bin froh, dass Sie mir vorerst die Spitzenposition eingeräumt haben, und verspreche Ihnen, alles zu tun, damit Sie Ihren Entschluss nicht bereuen.“

Womit er unverzüglich begann. Ohne Angie aus den Augen zu lassen, hob er ihre Hand an die Lippen und küsste den Handrücken. Die sinnliche Berührung brachte jeden Nerv in Angies Körper zum Schwingen, und sie fand es während der restlichen Fahrt mehr als schwierig, eine lockere Konversation aufrechtzuerhalten. Als der Bentley schließlich anhielt, bemerkte sie es nicht einmal.

„Wir sind da, Sir.“ James stieg aus, um ihnen die Tür aufzuhalten.

Erst als sie am Eingang der Abflughalle standen, wurde Angie die Tragweite der Situation bewusst. Wollte sie tatsächlich mit Hugo Fullbright verreisen und alles akzeptieren, was damit verbunden war?

Der Moment der Wahrheit war gekommen.

Noch konnte sie einen Rückzieher machen und jede persönliche Beziehung verhindern. Sie brauchte nur James zu bitten, sie nach Hause zu fahren, oder sich ein Taxi zu nehmen. Wie Hugo gesagt hatte – es war schließlich ein Vorrecht der Frauen, ihre Meinung zu ändern.

Noch hatte sie die Wahl.

War es wirklich richtig, sich ganz von ihrem Verlangen leiten zu lassen? Hugo hatte offenbar kein Problem damit. Typisch Mann. Männer folgten einfach ihrem Instinkt, während Frauen meistens mehr wollten. Angie wünschte sich ganz sicher mehr als nur Sex, auch wenn sie Hugo unglaublich attraktiv und faszinierend fand.

Andererseits standen ihre Chancen bei Hugo sicher schlecht, wenn sie jetzt ging. Immerhin hatte er wegen der Aktion mit der Plakatwand ihren Mut bewundert. Machte sie nun eine Kehrtwendung, würde er Angie vermutlich einfach vergessen.

Hugo Fullbright war ein kühner Mann und suchte eine ebensolche Partnerin. Vielleicht würde sie es bereuen, sich zu weit vorgewagt zu haben. Doch möglicherweise war es noch schlimmer, es nicht einmal zu versuchen. Einem Mann wie Hugo begegnete sie vielleicht nur ein Mal im Leben.

Erst als er sie fragend ansah, merkte Angie, dass sie vor lauter Nervosität seine Hand fest umklammert hatte.

„Aufgeregt?“

„Ein bisschen“, gab sie zu. „Mir ist gerade erst bewusst geworden, dass wir tatsächlich nach Tokio fliegen.“

Er lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich kenne die Stadt, Angie, und werde gut auf Sie aufpassen. Machen Sie sich keine Sorgen.“

Weil sie in ein fernes Land und eine unbekannte Stadt flogen, hegte Angie keine Bedenken …

James hatte inzwischen einen Gepäckwagen organisiert. Nachdem er das Gepäck darauf verstaut hatte, reichte er Angie ihren Mantel und tippte mit dem Finger an seine Mütze. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in Tokio, Miss Blessing“, sagte er liebenswürdig, ehe er sich Hugo zuwandte. „Und Ihnen, Sir, alles Gute. Ich werde Montag früh hier sein, um Sie abzuholen.“

„Tun Sie das, James“, antwortete Hugo trocken. „Und vielleicht sollten Sie vorher einen Arzt aufsuchen. Wegen Ihrer Nase.“

„Wegen meiner Nase, Sir?“

„Ich habe Sie noch nie so seltsam schnauben hören.“

„Das tut mir leid, Sir.“ James machte ein zerknirschtes Gesicht. „Eine vorübergehende Unpässlichkeit. Ich kümmere mich darum.“ Damit drehte er sich um und ging zum Bentley zurück.

Hugo lächelte amüsiert, während er den Gepäckwagen zum Eingang schob. „Ein hübscher Mantel.“ Er betrachtete den Pelz aus Leopardenimitat, den Angie über dem Arm trug.

„Ja, ich habe mir gedacht, dass er Ihnen gefallen wird.“ Sie ignorierte ihre weichen Knie, als sie an seiner Seite die Abflughalle betrat.

„Wie darf ich das verstehen?“

„Sie erinnern mich ein wenig an eine Raubkatze.“

„Aha. Nach dem Motto, der Stärkste überlebt?“

„So ungefähr.“

Sein sinnliches Lachen brachte Angie ganz durcheinander und erinnerte sie einmal mehr an die möglichen Risiken der Reise, auf die sie sich eingelassen hatte. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.

Es würde kein billiges Abenteuer für sie werden. Ja, sie weigerte sich sogar, zu glauben, dass Hugo auf so etwas aus war. Sie würden sich an diesem Wochenende kennenlernen und viel Spaß miteinander haben. War das unverantwortlich? Vielleicht.

Aber hatte nicht jede Frau auch einmal das Recht, sich für kurze Zeit gehen zu lassen, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern? Angie sagte sich, dass sie ja wieder nüchtern und vernünftig sein konnte, wenn sie nach der Reise nach Hause kam.

Und sollte Hugo sie am Ende sitzen lassen, hatte sie wenigstens nicht drei volle Jahre an ihn verschwendet.

5. KAPITEL

Hugo wollte ebenfalls versuchen, etwas zu schlafen. Sie hatten vier von insgesamt neun Flugstunden hinter sich, und wie er seine japanischen Gastgeber kannte, würde es eine lange Nacht werden. Angie, die ihren bequemen Sitz in Schlafposition gestellt hatte, waren schon vor einiger Zeit die Augen zugefallen.

Er musste lächeln, als er daran dachte, wie sie sich wegen ihrer Müdigkeit entschuldigt hatte … der Champagner, der Wein, den sie zum Essen getrunken hatte, zu wenig Schlaf in der vorigen Nacht …

Hugo störte es nicht im Geringsten. Angies beinahe kindliche Freude daran, erster Klasse zu reisen, und die Begeisterung, mit der sie alles, was man ihr anbot, mit Genuss verzehrte, machten das Zusammensein mit ihr zu einem wahren Vergnügen. Dabei war ihm klar geworden, wie anspruchsvoll seine bisherigen Begleiterinnen gewesen waren. Was das Essen betraf, hatten sie ständig komplizierte Sonderwünsche gehabt und auf Flügen grundsätzlich nur Mineralwasser getrunken.

Zwar war gegen das Trinken von Mineralwasser nichts einzuwenden, alle Welt hielt sich heutzutage an irgendwelche Diäten. Aber es machte Hugo viel mehr Spaß, eine Frau an der Seite zu haben, die seine Freude an den guten Dingen des Lebens teilte.

Vielleicht war Angie anders, weil sie – wie er – nicht aus wohlhabenden Verhältnissen stammte. Ihre Eltern hatten zu den so genannten „Blumenkindern“ gehört und lebten heute in einer alternativen Gemeinschaft in Byron Bay, wo sie kunstgewerbliche Artikel herstellten und an Touristen verkauften. Ebenso wie Hugo hatte Angie aus eigener Kraft die Karriereleiter erklommen. Mutig hatte sie sich auf eigene Füße gestellt und ihr Talent für Design zu Geld gemacht, statt sich von irgendeinem Mann aushalten zu lassen.

Hugo war sicher, dass Angie es erst nach einer langen finanziellen Durststrecke beruflich geschafft hatte. Vielleicht genoss sie es deswegen jetzt umso mehr, von allem das Beste zu bekommen. Ihm ging es jedenfalls so.

Seine Eltern lebten ebenfalls an der Küste, in Port Macquarie, wo er ihnen einen luxuriösen Alterssitz gebaut hatte. Sie waren sehr glücklich dort, und Hugo besuchte sie, so oft er konnte. Ihre einzige Sorge war, dass er immer noch kein nettes Mädchen gefunden hatte, mit dem er eine Familie gründen und ihnen Enkelkinder schenken würde.

Könnte Angie dieses „nette Mädchen“ sein?

Irritiert schob Hugo den Gedanken beiseite. Er hatte nicht die leiseste Absicht, eine Familie zu gründen. Ihm gefiel sein Leben. Er brauchte keine Ehefrau. James führte den Haushalt perfekt, und wenn ihm der Sinn nach weiblicher Gesellschaft stand, gab es stets eine reiche Auswahl an Interessentinnen.

Andererseits war Qualität nicht gleich Quantität. Und Angie schien über außerordentlich viele Qualitäten zu verfügen. Trotzdem hatte ihre Beziehung gerade erst angefangen, und Hugo hielt es nicht für klug, sich zu früh eine Meinung zu bilden – besonders dann nicht, wenn es ums Heiraten ging.

Ganz zu schweigen von Kindern, die eine lebenslange Verantwortung darstellten. Bestimmt würde er irgendwann Kinder haben, aber das konnte warten. Bisher hatte Hugo jedenfalls noch keine Frau getroffen, der er genug vertraut hätte, um ihr eine so wichtige Rolle in seinem Leben zuzuweisen.

Unvermittelt musste er an Paul Overton denken, seinen Erzrivalen während der Schulzeit. Der Typ hatte einfach alles gehabt – gutes Aussehen, Intelligenz, sportliches Talent. Außerdem war er der Erbe einer reichen Familie, die gesellschaftlich in höchsten juristischen und politischen Kreisen verkehrte. Aber das hatte Paul nicht genügt. Er hatte überall die Nummer eins sein müssen, und es hatte ihm jedes Mal einen schweren Schlag versetzt, wenn Hugo ihm bei einem Schulwettbewerb den ersten Preis weggeschnappt hatte.

Als Pauls Eltern ihrem Sohn zum achtzehnten Geburtstag einen Porsche schenkten, ergriff Paul die Gelegenheit, sich an seinem Rivalen zu rächen. Er benutzte seinen heißen Sportwagen als Köder, um Hugo dessen damalige Freundin auszuspannen.

Paul Overton war inzwischen ein Topanwalt und würde vermutlich bald einen Sitz im Parlament bekommen. Hugo würde ihn garantiert nicht wählen, aber immerhin hatte Paul ihm eine wertvolle Lektion über Frauen erteilt. Sie entschieden sich stets für den Mann, der ihnen am meisten bieten konnte. Sollte die Ehe scheitern, konnten sie wenigstens mit einer dicken Abfindung nach der Scheidung rechnen.

Nein danke.

Hugo fand, dass er zu hart gearbeitet, zu viel riskiert hatte und in zu viele Schlachten gezogen war, um die Hälfte des Gewinns einer Frau zu überlassen, die nichts dazu beigetragen hatte. Er war gern bereit zu teilen – so wie er es gerade mit Angie tat. Vorausgesetzt, er behielt die Kontrolle über die Situation.

Denn selbst bei Angie war er sich nicht sicher, ob sie ihn auf diese Reise begleitet hätte, wenn er nicht einer der reichsten und begehrtesten Junggesellen des Landes wäre. Schließlich wusste er nichts über ihre Gründe.

Trotzdem hatte Hugo sein erstes Etappenziel erreicht. Allerdings hielt Angie ihn in gewisser Weise auf Distanz, und das war eine ganz neue Erfahrung für ihn. Angie hatte ihm während des Fluges zwar viel von sich erzählt, doch gleichzeitig strahlte sie etwas Zurückhaltendes aus. Es kam Hugo so vor, als wolle sie sich zuerst ein Bild von ihm machen und halte nach Seiten an ihm Ausschau, die ihr wichtiger waren als seine äußerlichen Attribute.

Sexy Angel …

Freudige Erwartung erfüllte Hugo, als er seinen Sitz ebenfalls zurückstellte. Er sah einem anregenden Wochenende entgegen. Am besten ruhte er sich jetzt eine Weile aus. Schließlich wollte er in Topform sein, wenn er sich daranmachte, jeden Aspekt von Angie Blessing zu erkunden.

Angie wachte auf, als jemand sanft ihre Wange berührte. Gleich darauf hörte sie Hugo Fullbrights samtweiche Stimme.

„Aufwachen, meine Schöne!“

Als sie die Augen aufschlug, war sein Gesicht direkt neben ihr. „In einer Stunde landen wir in Tokio.“

„Schon?“ Sie musste Stunden geschlafen haben! Angie stellte ihren Sitz aufrecht und errötete verlegen. „Tut mir leid. Ich dachte, ich hätte nur ein bisschen gedöst.“

„Kein Problem.“ Hugo lächelte sinnlich. „Immerhin weiß ich jetzt, dass Sie nicht schnarchen.“

Angie errötete noch tiefer. „Ich mache mich nur ein wenig frisch.“ Sie nahm ihre Handtasche. „Bin gleich zurück.“

Eilig stand sie auf und ging in den Waschraum. Sie brauchte einen Augenblick für sich, um die Fassung wiederzugewinnen. Außerdem hatte ihr Make-up sicher dringend eine Auffrischung nötig.

Hugos Bemerkung über das Schnarchen hatte Angie daran erinnert, dass sie die heutige Nacht mit Hugo verbringen würde. Seitdem war sie entsetzlich nervös. Sie hatte den Gedanken während des Fluges völlig verdrängt und beschlossen, einfach Hugos Gesellschaft zu genießen. Es hatte funktioniert. Sie hatte sich tatsächlich wohl und entspannt gefühlt. Jedenfalls so entspannt, wie es in der Nähe eines Mannes möglich war, der eine so überaus erotische Wirkung auf sie ausübte.

Angie mochte die Art, wie Hugo sie ansah, wenn er mit ihr sprach. Sein Blick zeugte von Wärme und Bewunderung, und zwischendurch glitzerten seine Augen immer wieder humorvoll oder auch spöttisch. Vor allem gefiel ihr jedoch, dass er sich anscheinend wirklich für sie interessierte. Keine Sekunde hatte sie den Eindruck gehabt, dass er nur notgedrungen ein wenig mit ihr flirtete, bis es endlich zur Sache ging …

Energisch benetzte Angie ihr Gesicht mit kaltem Wasser, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Es war dumm, sich wegen der Nacht Sorgen zu machen. Hugo mochte sie offensichtlich, und sie mochte ihn. Falls sie doch noch einen Rückzieher machen wollte, würde er das sicher respektieren. Ein Mann wie Hugo würde es für unter seiner Würde erachten, eine Frau gegen ihren Willen zu etwas zu drängen.

Rasch erneuerte Angie ihr Make-up und bürstete sich das Haar. Als sie zu ihrem Sitz zurückkehrte, wartete der Steward bereits darauf, ihnen das Essen zu servieren.

„Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe.“ Sie setzte sich neben Hugo.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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