Julia Bestseller Band 183

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DIE LETZTE NACHT MIT DIR von MATHER, ANNE
Seit fünf Jahren lebt Jane getrennt von ihrem Ehemann Demetri. Als der Tycoon plötzlich vor ihr steht und die Scheidung verlangt, entflammt ihre alte Leidenschaft. Ein letztes Mal geben sie ihren Gefühlen nach. Am Morgen verlässt er England - und ihr bleibt das Pfand dieser Nacht ...

SO UNWIDERSTEHLICH REIZVOLL von MATHER, ANNE
Niemals wird Raphael auf das Lächeln der schönen Juliet hereinfallen. Schließlich hält er sie für die Verlobte seines verhassten Cousins. Geht es ihr nur um das Herrenhaus seiner Großmutter? Doch dann ist er mit Juliet allein - und plötzlich liegt sie in seinen Armen ...

STÜRMISCHE GEFÜHLE IN DER KARIBIK von MATHER, ANNE
Alles könnte so wunderbar sein: Sonne, Strand und ein toller Mann, der heftig mit Rachel flirtet. Doch der attraktive Matt scheint sich auch für ihre Mutter zu interessieren! Oder gibt es einen anderen Grund, warum die beiden so vertraut wirken?


  • Erscheinungstag 20.01.2017
  • Bandnummer 0183
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707392
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Anne Mather

JULIA BESTSELLER BAND 183

1. KAPITEL

Jane betrat die Wohnung und steuerte schnurstracks auf den Kühlschrank zu. Etwas zu essen enthielt er zwar nicht, aber sie wusste, dass sie noch Cola hatte. Ungeduldig zog sie eine Dose heraus, öffnete sie und trank. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und schleuderte ihre Schuhe weg.

Schön, wieder zu Hause zu sein, dachte sie, während sie sich in dem großen Raum umsah, der ihr zugleich als Esszimmer diente. Jetzt war sie froh, dass sie die Zwischenwand hatte herausreißen lassen. Zusammen mit der kleinen Küche, ihrem Schlafzimmer und dem angrenzenden Bad war dies nun seit fünf Jahren ihr Heim.

Den Koffer hatte sie beim Betreten der Wohnung im Flur abgestellt. Als sie ihn holen wollte, bemerkte Jane verwundert das hektische Blinken des Anrufbeantworters. Alle ihre Freunde wussten, dass sie verreist war, und die geschäftlichen Anrufe wurden an die Galerie umgeleitet. Wer konnte das also sein? Höchstwahrscheinlich mal wieder Mom, dachte sie resigniert.

Mit Hilfe des Internets hatte Mrs. Lang garantiert schon herausgefunden, dass Janes Maschine wohlbehalten in Heathrow gelandet war. Trotzdem musste sie sich noch einmal persönlich davon überzeugen, dass ihrer Tochter nichts zugestoßen war.

Seufzend drückte Jane die Taste, um ihre Nachrichten abzuhören. Im nächsten Moment zuckte sie zusammen, als hätte ein elektrischer Schlag sie getroffen.

„Jane! Nimm den Hörer ab. Es ist wichtig.“

Kraftlos sank sie auf den Hocker, der neben dem Telefontisch stand. Diese wohltönende, dunkle Stimme kannte sie nur zu gut.

Der Anrufer war niemand anderes als Demetri Souvakis!

Obwohl Jane sich geschworen hatte, Demetri ein für alle Mal aus ihrem Leben zu streichen, bemerkte sie verärgert, wie ihre Knie weich wurden. Offensichtlich hatte er nichts von seiner magischen Ausstrahlung verloren.

Dabei war Demetri Souvakis ganz gewiss kein Mann, der sich auf Charme und Ausstrahlung verlassen musste. Harte Arbeit, eine riesige Erbschaft und vor allem seine absolute Skrupellosigkeit hatten ihn schon vor seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag zum Multimillionär gemacht.

Doch leider hatte sich diese Skrupellosigkeit dann irgendwann auch auf sein Privatleben übertragen.

Während Jane zittrig ausatmete und sich zu beruhigen versuchte, spielte der Anrufbeantworter die zweite Nachricht ab.

„Ich bin’s, Jane. Dein Ehemann. Ich weiß doch, dass du da bist. Zwing mich nicht, dich aufzusuchen. Können wir denn nicht zumindest wie zivilisierte Erwachsene miteinander reden?“

Das half. Sein arroganter Tonfall. Wie er einfach voraussetzte, dass sie verfügbar war, wenn er sie gerade sprechen wollte. Und wie konnte er es wagen, sich als ihren Ehemann zu bezeichnen? In den vergangenen fünf Jahren hatte es ihn nicht im Geringsten interessiert, ob sie überhaupt noch am Leben war.

Sie bemühte sich, ihre Wut zu beherrschen. Was jedoch nicht verhinderte, dass schmerzliche Erinnerungen ihre schwer erkämpfte Gelassenheit zerstörten. Was fiel ihm ein, sich jetzt bei ihr zu melden, als hätte er das Recht dazu? Was sie anbelangte, so gehörte er endgültig der Vergangenheit an.

Na ja, fast.

Jane seufzte. Zuerst hatte sie seinen Vater kennengelernt. Leo Souvakis war sehr charmant gewesen, sehr höflich. Er war zu ihr in die Londoner Galerie gekommen, weil er nach einer Skulptur für sein Haus in Griechenland suchte. Jane hatte damals erst kurze Zeit als Kunsthändlerin gearbeitet, aber schon bewiesen, dass sie das richtige Gespür hatte. Für Mr. Souvakis hatte sie die Statue der Göttin Diana von einem so gut wie unbekannten Künstler gewählt. Leo war begeistert gewesen, nicht nur von dem Kunstwerk, sondern auch von Jane. Während sie über orientalische Keramik diskutiert hatten, war Demetri Souvakis aufgetaucht …

Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie war gerade von einer erfolgreichen Reise nach Australien und Thailand zurückgekehrt und wollte nur noch ins Bett. Durch einen unerwarteten Zwischenstopp in Dubai war sie über vierzehn Stunden unterwegs gewesen. Jane stand auf, fest entschlossen, sich von Demetri nicht einschüchtern zu lassen. Doch genau in diesem Moment wurde eine dritte Nachricht abgespult.

„Jane? Bist du da, Liebling? Du hast gesagt, du würdest um acht zu Hause sein. Jetzt ist es halb neun, und ich mache mir allmählich Sorgen. Ruf mich an, sobald du in die Wohnung kommst. Ich warte.“

Schnell griff Jane nach dem Hörer und drückte die Kurzwahltaste. Ihre Mutter nahm nach zwei Klingeltönen ab. „Hallo, Mom. Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Das Flugzeug ist außerplanmäßig in Dubai zwischengelandet.“

„Oh, ich verstehe. Ich dachte mir schon, dass es so etwas ist. Und? Wie geht es dir? Ist die Reise ein Erfolg gewesen? Du musst mir beim Mittagessen alles darüber erzählen.“

Mittagessen? Jane unterdrückte gerade noch ein Stöhnen. Keinesfalls fühlte sie sich heute einem Mittagessen mit ihrer Mutter gewachsen. „Vielleicht lieber morgen“, sagte sie entschuldigend. Sie wusste, dass ihre Mutter es nicht gut aufnehmen würde. „Ich bin ziemlich fix und fertig, Mom. Bevor ich überhaupt irgendetwas tue, brauche ich mindestens acht Stunden Schlaf.“

„Na, na! Also wirklich, Jane. Ich brauche selten mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht! Hast du denn im Flugzeug nicht geschlafen?“

„Nicht viel.“ Jane wünschte, sie wäre weniger ehrlich. „Aber morgen nehme ich mir den ganzen Tag frei für dich. Versprochen, Mom.“

„Du bist fast drei Wochen weg gewesen. Man sollte meinen, dass du danach mal deine Mutter besuchen möchtest, Jane. Schließlich weißt du ganz genau, dass ich den größten Teil des Tages in diesem Haus hier festsitze.“

Und wessen Schuld ist das? war Jane versucht zu fragen, doch sie wollte keinen Streit anfangen. „Warum lädst du nicht Lucy zum Mittagessen ein?“, schlug sie vor. „Ich bin sicher, sie würde sofort zusagen.“

„Ganz bestimmt. Aber wenn deine Schwester zum Mittagessen kommt, rennen mir Paul und Jessica durchs ganze Haus.“

„Sie sind deine Enkelkinder, Mom.“

„Ja, und sie sind völlig undiszipliniert.“

„Oh, Mom …“

„Wenn du dich nicht dazu aufraffen kannst, deine Mutter zu besuchen, muss ich mich eben damit abfinden. Wirklich schade! Ich wollte dir eigentlich erzählen, wer letzte Woche bei mir war.“

Demetri!

„Du hattest einen Gast?“ Jane bemühte sich, nur mäßig interessiert zu klingen. „Wie nett.“

„Es war überhaupt nicht nett!“, widersprach ihre Mutter ärgerlich. „Aber wahrscheinlich hat er dir das ja schon erzählt. Hast du seinetwegen keine Zeit für mich? Verbringst du den heutigen Tag etwa mit ihm?“

„Nein! Falls du von Demetri sprichst: Er hat zwei Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, während ich weg war. Nachdem ich mich nicht gemeldet habe, dachte er wohl, du weißt, wo ich bin.“

„Und so war es ja auch.“

„Hast du es ihm verraten?“

„Ich habe ihm gesagt, dass du im Ausland bist“, erklärte ihre Mutter kurz angebunden. „Ich hoffe, du erwartest nicht von mir, dass ich für dich lüge, Jane.“

„Nein.“ Jane seufzte. „Hat er gesagt, worüber er mit mir sprechen will?“

„Wenn du die ganze Geschichte hören willst, musst du wohl leider persönlich vorbeikommen. Du weißt, dass ich am Telefon nicht gern Familienangelegenheiten erörtere.“ Mrs. Lang machte eine Pause. „Wir sehen uns morgen, ja?“

Jane biss die Zähne zusammen. Die Reise war erfolgreich verlaufen, und sie hatte sich auf zwei Tage Urlaub gefreut, bevor sie in die Galerie zurückmusste. Doch jetzt fühlte sie sich genötigt, ihre Mutter zu besuchen. Wenn auch nur, um herauszufinden, worum es eigentlich ging.

„Wie wäre es mit Abendessen?“, fragte sie. Das würde ihrer Mutter gefallen! Rachel Lang liebte es, wenn sie ihre Tochter voll und ganz in der Hand hatte.

Heutzutage kam das nur noch selten vor. Aber nach ihrer Heirat mit Demetri hatte Jane gespürt, dass ihre Mutter nur auf das Scheitern der Ehe wartete. Als genau das passiert war, hatte Rachel ihr zur Seite gestanden und sie seelisch wieder aufgebaut. Allerdings war sich Jane völlig darüber im Klaren, dass ihre Mutter eine gewisse Genugtuung darüber empfand, wieder einmal recht behalten zu haben.

„Abendessen? Heute Abend, meinst du?“

Es war ein Spiel. Allerdings war Jane heute viel zu müde, um es mitzumachen. „Wann immer es dir passt“, sagte sie genervt. „Sag mir einfach Bescheid, wenn du dich entschieden hast.“

„Behandelt man so seine Mutter?“ Als Jane nicht antwortete, schien Rachel zu erkennen, dass es an der Zeit war, nachzugeben. „Heute Abend ist in Ordnung, Liebling. Sieben Uhr? Oder ist dir das zu früh?“

„Sieben ist okay. Danke, Mom. Bis dann.“ Erleichtert legte Jane auf. Als das Telefon gleich darauf klingelte und sie sich meldete, klang ihre Stimme eindeutig gereizt. Es war nur ein Werbeanruf. Ob sie daran interessiert sei, eine Küche zu kaufen. Wütend knallte Jane den Hörer auf.

Natürlich hatte sie in der ersten Sekunde befürchtet, es wäre wieder Demetri. Obwohl das eigentlich nicht besonders wahrscheinlich war. Zweifellos war er geschäftlich in London. Und wenn er Sitzungen hatte, würde er keine Zeit haben, an sie zu denken. Sie stand sicher ziemlich weit unten auf seiner Prioritätenliste. Genau wie früher. Seinem Tonfall nach zu urteilen hatte sich Demetri jedenfalls nicht verändert.

Das Auspacken verschob Jane auf später. Stattdessen ging sie ins Badezimmer, um schnell zu duschen. Während sie in den Spiegel blickte und sich das honigblonde Haar zurückschob, fragte sie sich, wie sehr sie sich in den vergangenen fünf Jahren verändert hatte. Um die äußeren Augenwinkel herum breiteten sich fächerförmig winzige Falten aus, aber sonst war ihre Haut noch immer glatt. An den Hüften hatte sie ein bisschen zugenommen, was ärgerlich war. Ihre Brüste waren noch fest, obwohl sie auch voller geworden waren. Und wenn schon! sagte sich Jane, zu müde, um sich nach dem Duschen richtig abzutrocknen oder ihr Haar zu föhnen. Nackt glitt sie zwischen die Laken, und nicht einmal ihre Besorgnis darüber, dass Demetri sie plötzlich sprechen wollte, konnte sie um den dringend benötigten Schlaf bringen.

Das Klingeln des Telefons weckte sie. Zumindest glaubte Jane, es sei das Telefon. Als sie nach dem Apparat auf dem Nachttisch tastete und abnahm, klingelte es trotzdem weiter. Die Tür.

Seufzend blickte Jane auf den Wecker. Fast Mittag. Sie hatte noch nicht einmal vier Stunden geschlafen, aber sie war lange nicht so müde, wie sie es nach der Ankunft in Thailand gewesen war. Mit dem Jetlag fertig zu werden, fiel ihr in Richtung Westen immer leichter. Es klingelte wieder. Jane stand auf, zog einen Morgenmantel aus grüner Seide an und ging zur Sprechanlage. „Ja?“

„Jane?“

Es war Demetri. Vor Schreck wurde ihr ganz flau.

„Jane, ich weiß, dass du es bist. Würdest du bitte aufmachen?“

Sie fühlte sich wie gelähmt. Ich bin noch nicht so weit, dachte sie verzweifelt. Wenn sie sich überhaupt einmal vorgestellt hatte, ihren Ehemann wiederzutreffen, dann war sie davon ausgegangen, dass es zu ihren Bedingungen sein würde, nicht zu seinen.

„Jane!“ Er fluchte ein paar Worte auf Griechisch. „Ich weiß, dass du in der Wohnung bist. Deine Mutter hat mir gesagt, du würdest heute zu Hause sein. Los, mach auf!“

„Ich bin noch nicht einmal angezogen, Demetri“, stieß Jane schließlich hervor. Es war das Einzige, was ihr einfiel, aber es genügte offenbar nicht.

„Dich nackt zu sehen ist nichts Neues für mich“, erwiderte er trocken. „Na los. Ich versuche schon fast eine Woche, dich zu erreichen. Wir können nicht alle den halben Tag im Bett verbringen.“

Das reichte. Jane vergaß auf der Stelle ihre Unsicherheit. „Ich bin gerade über sechstausend Meilen geflogen, Demetri. Und wenn ich mich richtig erinnere, kommst du mit Jetlag selbst nicht besonders gut klar.“

„Ah, ja. Signomi. Entschuldigung.“ Aber er klang nicht zerknirscht. „Das war rücksichtslos. Schreib es meiner Frustration zu.“

„Erzähl mir doch mehr darüber“, forderte Jane ihn spöttisch auf. „Wie geht es dir denn? So ungeduldig wie immer, das merke ich.“

„Ich bin geduldig gewesen. Lässt du mich jetzt rein, oder muss ich die Tür eintreten?“

Trotzig presste Jane die Lippen zusammen. Sie wollte es gern darauf ankommen lassen. Nur der Gedanke daran, wie peinlich es ihr wäre, wenn er seine Drohung wahr machte, hielt sie davon ab. Ohne ein weiteres Wort drückte sie die Taste. Ein leises Summen ertönte, als unten die Tür aufsprang. Dann waren schwere Schritte auf der Treppe zu hören. So schnelle Schritte, dass sich Jane sicherheitshalber auf die andere Seite des Zimmers zurückzog. Die Wohnungstür ließ sie angelehnt. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie sich nicht einmal das Haar gebürstet hatte. Gerade als sie es mit den Fingern nach hinten kämmte, wurde die Tür aufgestoßen. Im nächsten Moment stand Demetri im Raum.

Groß und schlank, mit dichtem schwarzen Haar, sah er genauso attraktiv wie früher aus. Aber auch er ist älter geworden, beruhigte sich Jane. Seine Schläfen waren grau geworden, und seine Gesichtszüge schienen markanter, härter, als sie sie in Erinnerung hatte. Seine Ausstrahlung jedoch war noch immer so atemberaubend wie an dem Tag, als sie ihn in der Galerie kennenlernte. Schon als sein Vater sie damals miteinander bekannt gemacht hatte, war ihr Demetri mit dieser kühlen Gleichgültigkeit begegnet, die sie auch heute noch ebenso ärgerte wie reizte.

Also hier wohnt sie, dachte Demetri. Er war mehr beeindruckt, als er sich eingestehen wollte. Er wusste, dass Jane in ihrem Job viel Geld verdiente, doch mit einer solchen Wohnung hatte er nicht gerechnet. Der riesige Raum besaß hohe Decken und erstreckte sich von der Vorder- bis zur Rückseite des alten viktorianischen Hauses. Durch die Fenster auf beiden Seiten des Zimmers schien die Sonne herein und hüllte alles in ein weiches Licht.

Obwohl er verärgert darüber war, wie lange Jane ihn draußen hatte warten lassen, zog sie seinen Blick magisch an. Sie trug einen seidenen Morgenmantel und hatte beschützend die Arme vor der Brust verschränkt. So als hätte er sie bedroht. Der Gedanke gefiel Demetri nicht. Um Himmels willen, was erwartete sie? Dass er über sie herfallen würde?

Sie sieht gut aus, gestand er sich unwillig ein. Zu gut für einen Mann, der vorhatte, eine andere Frau zu heiraten, sobald er frei war. Aber andererseits hatte Jane immer diese starke Wirkung auf ihn gehabt. Das war schließlich der Grund, warum er damals darauf bestanden hatte, sie zu heiraten. Auch wenn seine Mutter nie damit einverstanden gewesen war.

„Jane“, sagte er, bevor seine Fantasie mit ihm durchgehen und seine innere Distanz zu ihr zerstören konnte.

„Demetri“, erwiderte Jane steif.

Er schloss die Tür, und Jane zog energisch die Schultern zurück, so als würde sie ihren Mut zusammennehmen, für was auch immer jetzt kommen würde. Demetri bemerkte, dass sie ungeschminkt war, und er hatte den Verdacht, dass ihre geröteten Wangen mit seinem plötzlichen Erscheinen zu tun hatten. War sie etwa aufgeregt? Er blickte in ihre leuchtend grünen Augen, die so klar und unergründlich waren, dass sie ihn an die Bergseen auf Kalithi erinnerten. „Wie geht es dir?“, fragte er und kam langsam ein paar Schritte auf sie zu.

Jane befeuchtete sich nervös die Lippen. Die geschmeidige Eleganz, mit der er sich bewegte, ließ ihn in der lässigen Cargohose und der schwarzen Lederjacke aussehen, als würde er edelste Designermode tragen. Aber vermutlich war genau das der Fall. Überrascht stellte sie fest, dass er noch immer seinen Ehering trug. Den Ring, den sie ihm gekauft hatte, bevor sie in der kleinen Kapelle auf Kalithi getraut worden waren. Das war die Insel, die seiner mächtigen Familie gehörte und auf der er wohnte, wenn er nicht gerade um die Welt flog und sich um das Reederei-Imperium kümmerte. Sie hatten damals gegen den Wunsch seiner Mutter geheiratet, die keine Engländerin als Schwiegertochter wollte – schon gar keine, die eine eigene Meinung besaß.

„Mir geht es gut“, erwiderte Jane und rang sich ein Lächeln ab. „Müde, natürlich. Ich habe in den vergangenen vierundzwanzig Stunden nicht viel geschlafen.“

„Und ich habe dich geweckt?“ Demetri stellte sich neben eines der beiden dunkelroten Sofas, die sich auf einer beigefarbenen Brücke gegenüberstanden. Es war der einzige Teppich auf dieser Seite des Raums. Bei dem schönen Ahornparkett war mehr Schmuck nicht nötig. „Das tut mir leid.“

„Tatsächlich?“ Jane zuckte die Schultern. „Also, was willst du hier, Demetri? Du bist nicht gekommen, nur um mit mir zu plaudern. Du hast behauptet, es sei wichtig.“

„Ist es“, sagte Demetri ausdruckslos. „Ich will die Scheidung, Jane.“

2. KAPITEL

Jane wich seinem kühlen Blick aus. Sie zitterte am ganzen Körper und hoffte verzweifelt, dass Demetri es nicht bemerkte. Natürlich kam sein Scheidungswunsch nicht völlig überraschend. Nach der Trennung hatte sie jahrelang damit gerechnet, dass er seine Freiheit haben wollte. Oder dass seine Mutter ihn dazu überreden würde. Und anfangs hatte Jane es sogar selbst gewollt. Nur hatte sie im Lauf der Zeit irgendwann zu glauben begonnen, dass es niemals wirklich so weit kommen würde.

„Bist du okay?“

Verdammt, er hatte es bemerkt. Sie musste hier raus, und zwar schnell, bevor er anfing, sie zu bemitleiden. Das könnte sie nicht ertragen. „Warte, ich gehe mich anziehen.“

„Janie …“

So hatte er sie immer genannt, wenn er mit ihr geschlafen hatte. Die Erinnerung daran war mehr, als Jane im Moment ertragen konnte. „Gib mir zwei Minuten.“ Sie lief ins Schlafzimmer und schloss fest die Tür hinter sich. Jetzt, da sie endlich allein war, wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen, und da auch ihre Nase lief, tastete sich Jane mit verschwommenem Blick ins Bad. Sie riss eine Handvoll Kosmetiktücher aus der Schachtel, setzte sich auf den Klosettdeckel und versuchte, den Tränenstrom zu stoppen.

„Schatz …“

Ungläubig sah sie auf. Demetri stand an der Tür und beobachtete sie. Noch nie in ihrem Leben hatte sich Jane so gedemütigt gefühlt. „Raus!“, stieß sie hervor und stand mühsam auf. „Wie kannst du es wagen, hier hereinzukommen? Du hast kein Recht, meine Privatsphäre zu verletzen.“

Seufzend lehnte sich Demetri an den Türrahmen und sah sie beunruhigend freundlich an. „Ich wage es, weil ich mich um dich sorge. Wie sollte ich ahnen, dass du so reagierst? Ich hatte gedacht, du würdest froh sein, mich loszuwerden.“

„Bin ich.“ Jane schniefte.

„Sieht ganz so aus“, meinte Demetri ironisch.

„Oh, bilde dir nur nichts ein. Ich bin gerade um die halbe Welt geflogen und völlig erschöpft.“ Mit äußerster Anstrengung brachte Jane ein Lächeln zustande. „Ich leugne nicht, dass dein Besuch ein Schock für mich war. Aber ich weine nicht, weil ich verzweifelt bin. Ganz und gar nicht.“

Demetri sah nicht überzeugt aus. „Warum dann? Brichst du immer total zusammen, wenn du von einer Reise zurückkommst?“

„Was möchtest du hören? Dass ich untröstlich bin? Dass ich am Boden zerstört bin, weil der arrogante Mistkerl, den ich geheiratet habe, eine andere bedauernswerte Frau unglücklich machen will? Halt mal die Luft an, Demetri.“

Unwillkürlich wurde er wütend. Er hatte sie in bester Absicht aufgesucht, und jetzt machte sie seinen guten Willen mit wenigen Worten zunichte. Das war typisch Jane: erst schießen und es später bereuen. Nur hatte er so eine Ahnung, dass sie diesmal nicht klein beigeben würde. „Du bist ein undankbares Biest, weißt du das?“, fuhr er sie an.

„Ja, das hast du früher schon gesagt.“ Ein letztes Mal wischte sie sich das Gesicht ab, dann spülte sie die Kosmetiktücher die Toilette hinunter.

„Vielleicht solltest du deine Zunge im Zaum halten, Jane. Mein Anwalt hat mir erklärt, dass ich dir unter den gegebenen Umständen keine Abfindung zahlen muss.“

„Ich will dein Geld sowieso nicht. Wollte es niemals!“, antwortete sie verächtlich. „Verschwinde ganz einfach. Ich möchte mich anziehen.“

Demetri blickte sie starr an. Er ahnte, dass sie nicht so selbstsicher war, wie sie zu wirken versuchte. In den fantastischen grünen Augen schimmerten noch immer Tränen, und ihr Mund – den er so oft geküsst hatte – zitterte verdächtig.

„Möchtest du das wirklich? Dass ich gehe?“ Seine Stimme klang sanfter, als er es beabsichtigte.

„Was sollte ich mir wohl mehr wünschen?“

Herausfordernd hielt sie seinem Blick stand, und Demetri empfand widerwillig Bewunderung dafür, wie sie sich jetzt im Griff hatte. Bewunderung und noch etwas anderes, was er nicht einmal benennen konnte. Was ihn aber dazu brachte, die Distanz zwischen ihnen plötzlich aufzuheben.

Mit der Badewanne im Rücken war es Jane unmöglich, zurückzuweichen. Als Demetri die Hand ausstreckte und sie in ihren Nacken legte, konnte sie nur dastehen und es zulassen. In seinen dunklen Augen glaubte sie eine Mischung aus Belustigung und Spott zu erkennen.

„Wie wäre es damit?“, schlug er heiser vor und küsste Jane auf den Mund.

Es war so lange her, dass Demetri sie geküsst hatte, so lange her, dass sie seine Finger auf ihrer Haut gespürt hatte. Die Hitze, die er ausstrahlte, hüllte sie ein wie eine sinnliche Umarmung, und Jane sehnte sich danach, einfach die Augen zu schließen und sich in seinem Kuss zu verlieren.

Aber wie konnte das sein? Eben noch hatte sie ihn aus tiefstem Herzen verabscheut, und jetzt … jetzt ließ sie sich von ihm berühren und war erregt.

Es kommt daher, dass ich geweint habe, versuchte sie sich zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären war. Wenn sie geweint hatte, war sie immer doppelt so empfindsam wie sonst. Wer sollte das besser wissen als Demetri? Schließlich war sie wegen ihm schon früher oft in Tränen ausgebrochen.

Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Demetris Verlangen war viel zu überwältigend, als er sie hungrig dazu brachte, den Mund zu öffnen, und anfing, mit seiner Zunge die ihre zu umspielen.

Er beendete den Kuss und liebkoste mit den Lippen ihre Wange. Ihre Haut war zart, glatt, unendlich faszinierend. Unwillkürlich legte er den Arm um Janes Taille und zog sie fest an sich.

Sein Verstand schien ihn verlassen zu haben. Von plötzlicher, heftiger Begierde gepackt, erinnerte sich Demetri nicht mehr deutlich daran, aus welchem Grund er eigentlich gekommen war. Er löste den Gürtel von Janes Morgenmantel und betrachtete die vollen, runden Brüste, deren Spitzen so hart waren, wie sie sich unter der Seide abgezeichnet hatten. „Jane …“, stöhnte er, während er eine Brust umfasste und mit dem Daumen über die Spitze rieb. Noch immer befürchtete er, dass er das hier bereuen würde. Aber Jane war, wo er sie haben wollte: Sie schmiegte sich an ihn, reagierte auf seine Berührungen und erregte ihn dermaßen, dass er glaubte, den Verstand zu verlieren, wenn er nicht bald Erlösung fand.

Kurz davor, sich ihm ganz hinzugeben, wurde Jane klar, dass sie es nicht zulassen durfte. Sie musste sich endlich von Demetri losmachen. Doch in diesem Moment hob er sie schon hoch und trug sie ins angrenzende Schlafzimmer, wobei ihr der Morgenmantel von den Schultern rutschte und zu Boden fiel. Dann lag sie auf dem Bett, und Demetri riss sich die Jacke und sein T-Shirt vom Leib, fesselte ihren Blick mit seinem schönen, muskulösen Körper. „Demetri“, protestierte Jane schwach, als er zu ihr kam und sich über sie beugte. Er antwortete, indem er eine ihrer Brustspitzen in den Mund nahm.

Es war zu viel. Jane konnte ihm nicht länger widerstehen. Schon sehnte sie sich danach, dass er sie auch an anderen Stellen berührte. Und sie wollte ihn auch selbst anfassen, ihn streicheln. Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch Demetri wich zurück.

„Bald, mein Liebling.“ Er öffnete den Reißverschluss und zog seine Hose aus. „Nur nicht zu schnell.“

Falls er einen Slip trug, verschwand er zusammen mit der Hose, und Jane konnte sehen, wie erregt Demetri war. Dann kniete er sich vor sie und liebkoste sie mit der Zunge, bis sich Jane unter ihm wand.

„Soll ich dich zum Höhepunkt bringen?“, fragte er rau.

„Nicht … nicht ohne dich“, flüsterte sie mit zitternder Stimme.

Er richtete sich auf und drang endlich in sie ein, füllte sie so völlig aus, dass Jane vor Lust aufschrie.

Demetri atmete scharf ein. „Habe ich dir wehgetan?“

„Nein“, versicherte sie ihm heiser. „Tu es einfach, Demetri. Warte … nicht.“

Als ob er das noch könnte. Nur der Wunsch, den Moment auszukosten, ließ ihn kurz innehalten. Wie verrückt es auch sein mochte, was sie hier taten, er hatte Jane niemals mehr begehrt als in diesem Augenblick.

„Demetri“, flehte sie ihn an.

Er stieß wieder in sie hinein und zog sich erneut zurück. „Du bist so schön. Ich will nicht, dass es endet.“

„Ich auch nicht“, flüsterte Jane, aber das hinderte sie nicht daran, ihm die Beine noch fester um die Hüften zu legen.

Sobald er spürte, dass sie die Beherrschung verlor, wurde es auch für ihn unmöglich, sich zurückzuhalten. Überwältigt von der Intensität seiner Gefühle stöhnte er laut auf, bevor er erschöpft über Janes Körper zusammensank.

Ein Geräusch weckte Demetri. Als er die Augen öffnete, sah er zur Zimmerdecke hoch und erkannte nichts Vertrautes daran. Er war sicher, noch nie eine Decke in diesem besonderen Pfirsichfarbton gesehen zu haben. Sein Blick glitt zu den Fenstern, hohen Flügelfenstern, halb bedeckt von gerüschten Rollos in einem kontrastierenden Limonengrün.

Völlig fremd.

Doch mit einem Schlag wusste Demetri wieder, wo er war.

Er setzte sich auf und sah sich ungläubig um. Er war in Janes Wohnung, in Janes Bett! Was, zum Teufel, hatte er sich dabei gedacht? Um Himmels willen, er war gekommen, um die Scheidung zu verlangen, nicht, um Sex mit ihr zu haben. Er schloss die Augen und hoffte verzweifelt, dass alles ein verrückter Traum war. Wenn er sie ein zweites Mal öffnete, würde er zu Hause in seinem eigenen Schlafzimmer auf Kalithi sein und das leise Rauschen des Mittelmeers hören.

Es sollte nicht sein. Als er die Augen wieder aufmachte, saß er noch immer in Janes Bett. Und was er hörte, war die laufende Dusche im angrenzenden Bad. Ein Laken, das wahrscheinlich Jane über ihn geworfen hatte, bedeckte ihn von der Hüfte bis zu den Oberschenkeln.

Was nur gut war. Der Schock, als er sich seiner Umgebung bewusst geworden war, hatte seine starke und völlig unpassende Erregung nicht verschwinden lassen. Er sollte darüber nachdenken, wie er mit Würde hier herauskam! Stattdessen stellte er sich vor, mit Jane zusammen zu duschen.

Energisch stand er auf, tastete nach seinen Boxershorts und zog sie an. Eilig zerrte er sich das T-Shirt über den Kopf und stieg in seine Hose. Die Dusche lief nicht mehr. Demetri verspürte den Wunsch, zu warten und sich anzusehen, was Jane wohl trug, wenn sie aus dem Bad kam. Gesunder Menschenverstand brachte ihn allerdings dazu, sich seine Schuhe und die Jacke zu schnappen und das Schlafzimmer zu verlassen, bevor er einen weiteren Fehler machte.

Im Wohnbereich zog Demetri die Loafer und seine Lederjacke an. Ihm zitterte ein wenig die Hand, als er sich durchs Haar fuhr. Wie war das passiert? Wie hatte ein Gespräch eine solche Leidenschaft in ihm wecken können? Warum war er so dumm gewesen, ins Bad zu gehen? Warum hatte er nicht gewartet, bis sich Jane beruhigte, und dann das Gespräch schnell und sachlich hinter sich gebracht? Zuerst hatte er ihr geglaubt, dass sie sich nur etwas anziehen gehen wollte. Doch sie war so lange weggeblieben, dass er misstrauisch geworden war.

Besorgt sogar, räumte er gequält ein. Dieses Gefühl konnte Jane schon immer gut in ihm auslösen. In den drei Jahren, die sie zusammen gewesen waren, hatte er irgendwann den Überblick darüber verloren, wie oft sie ihn einfach stehen lassen hatte. Und meistens war er ihr nachgegangen, um sich davon zu überzeugen, dass mit ihr alles in Ordnung war. Genau wie heute.

Demetri seufzte. Sie in Tränen aufgelöst vorzufinden, hätte ihn nicht so stark berühren sollen. Es war nicht seine Schuld, dass sie nicht mehr zusammen waren. Wenn es ihr so viel ausmachte, dass er die Scheidung wollte, warum hatte sie dann niemals versucht, ihn wiederzusehen? Nichts ergab einen Sinn. Und schon gar nicht die Lust, die er eben in ihren Armen empfunden hatte. Er gestand es sich nur äußerst ungern ein, aber er hatte nicht mehr so viel Spaß im Bett gehabt, seit sie zuletzt miteinander geschlafen hatten.

Sex mit anderen Frauen hatte ihn nie so sehr befriedigt. Als Jane gegangen war, war Demetri davon überzeugt gewesen, dass es leicht sein würde, sie zu ersetzen. Doch das war es nicht. Er konnte all die Frauen schon nicht mehr zählen, die seine Mutter ihm vorgeführt hatte. Sie wollte ihn davon überzeugen, dass Single zu bleiben keine Alternative war. Aber seine Ehe mit Jane hatte ihn für andere Frauen verdorben. Tatsächlich hatte er lange geglaubt, dass er eine solche sexuelle Befriedigung nie wieder erleben würde.

Jetzt war es doch passiert.

Mit Jane!

Um die Schuhe anzuziehen, hatte er sich aufs Sofa gesetzt. Nun stand er wieder auf. Er konnte nicht still sitzen, wenn alles in ihm in Aufruhr war. Dass er die Scheidung verlangte, hätte ihr ebenso gut auch sein Londoner Anwalt mitteilen können. Anstandshalber hatte Demetri es seiner Frau selbst sagen wollen. Eine kurze nüchterne Begegnung war geplant gewesen. Und stattdessen ließ er zu, dass Jane ihn wieder in ihren Bann zog – so, wie seine Mutter es befürchtet hatte.

Er stellte sich ans Fenster und blickte hinaus auf seine Limousine, die vor dem Haus geparkt war. Der Chauffeur, der für „Souvakis International“ arbeitete, wunderte sich sicher, wo sein Chef so lange blieb. Aber der Mann würde sich hüten, ihm oder sonst jemandem gegenüber irgendwelche Bemerkungen zu machen.

Hinter Demetri wurde eine Tür geöffnet, und er drehte sich schuldbewusst um. Ein Gefühl, das neu für ihn war. Ihm kam in den Sinn, dass er vielleicht hätte verschwinden sollen, bevor sie mit dem Duschen fertig war. Das Gespräch hätte bis morgen oder übermorgen warten können. Doch jetzt war es zu spät.

Zögernd betrat Jane das Zimmer. Sie hatte sich die Zeit genommen, ihr Haar zu föhnen. Seidig glänzend fiel es ihr auf die Schultern. Das dunkelgrüne T-Shirt schmiegte sich an ihre Brüste, und die Hüftjeans zeigten einen verführerischen Streifen cremig heller Haut.

Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er sich gefragt, ob sie das Outfit mit der Absicht trug, die Farbe ihrer Augen und ihre klasse Figur zu betonen. Zweifellos sah Jane unwiderstehlich aus, ihr Gesichtsausdruck war jedoch alles andere als ermutigend. Sie betrachtete Demetri so distanziert und kühl, dass es an Verachtung grenzte.

„Ach, du bist noch hier“, sagte sie. „Möchtest du auch Kaffee?“

Kaffee?

Demetri war nicht sicher, ob er erleichtert oder beleidigt sein sollte. Eben noch hatte sie sich unter ihm gewunden, und jetzt bot sie ihm Kaffee an, als wäre nichts geschehen.

„Nicht für mich, danke.“ Demetri folgte ihr in Richtung Küche und blieb dann etwas unschlüssig im Türrahmen stehen. Nach kurzem Zögern fragte er: „Bist du okay?“

„Warum sollte ich es nicht sein?“ Ohne sich umzudrehen, füllte Jane Wasser in den Behälter und löffelte gemahlenen Kaffee in den Filter. „Geh und setz dich. Ich bin gleich fertig.“

„Wollen wir nicht darüber reden?“

Nachdem sie die Kaffeekanne auf die Warmhalteplatte gestellt und die Maschine eingeschaltet hatte, nahm Jane einen Porzellanbecher aus dem Schrank. Den Becher in der Hand, blickte sie flüchtig in seine Richtung. „Möchtest du wirklich nichts trinken, Demetri?“

„Nein.“ Was zum Teufel sollte das? Wollte sie wirklich so tun, als wäre nichts passiert? „Jane, sieh mich an“, sagte er scharf. „Nein, nicht so. Sieh mich richtig an. Verrat mir, was du gerade denkst!“

3. KAPITEL

Jane war es unmöglich, zu tun, was er verlangte. Sie wusste, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte. Dass sie miteinander im Bett gewesen waren, machte für Demetri keinen Unterschied. Er hatte eben einfach gerne Sex. Besonders, wenn er etwas von ihr wollte. Früher war Sex immer ein gutes Mittel für ihn gewesen, seinen Willen durchzusetzen. Und natürlich hielt er sie für eine leichte Gegnerin. Er musste sie nur aufs Bett legen, und schon flehte sie ihn fast an, es zu tun. Ich bin so dumm gewesen, dachte Jane verbittert. Wenn er nur nicht gerade jetzt aufgetaucht wäre, da sie erschöpft von ihrer Reise war und außerdem ihre Periode erwartete. In dieser Zeit des Monats war sie immer allzu empfindsam. Demetris vorgegebene Besorgnis war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

„Ich denke überhaupt nichts“, log Jane und drehte den Spieß um. „Was ist mit dir, Demetri? Was denkst du?“

Glaub mir, du willst es nicht wissen! Er dachte daran, wieder mit ihr ins Bett zu gehen. Aber es wäre verrückt gewesen, das zuzugeben. Er wollte jetzt keine Schwäche zeigen, und er fühlte sich ohnehin schon viel zu durchschaubar.

„Ich denke … ich sollte mich entschuldigen“, erwiderte er. „Ich … wollte nicht, dass das passiert.“

„Tja, ich auch nicht“, sagte sie sofort.

Musste sie so verächtlich klingen? Konnte sie nicht zumindest einräumen, dass sie eine Mitschuld trug an dem, was geschehen war? Demetri ging zurück ans Fenster und blickte wieder auf seine Limousine hinunter. Er wünschte sich plötzlich, einfach ins Auto zu steigen und wegzufahren. Vergessen, was passiert war. Vergessen, dass er auf einen Schlussstrich gehofft hatte, als er herkam. Schlussstrich! Stattdessen hatte er die mühsam errichtete Schutzmauer eingerissen und zugelassen, dass sich alte Wunden öffneten.

„Also?“

Beim Klang ihrer Stimme drehte sich Demetri um. Inzwischen hatte sich Jane auf die Lehne eines der Sofas gesetzt, den mit Kaffee gefüllten Becher in der Hand haltend.

„Ich nehme an, dass es eine andere gibt. Das ist doch der Grund, weshalb du mich sprechen wolltest?“

Unter diesen Umständen war das eine groteske Frage. Demetri war in Versuchung, einfach hinauszugehen. Er kam sich so töricht dabei vor, zuzugeben, dass er genau deswegen gekommen war. Dass er eine andere zu heiraten beabsichtigte, sobald er frei war.

Er hatte gar keine Wahl. Er war der älteste Sohn, und es wurde von ihm erwartet. Als sich Leonidas Souvakis von den Geschäften zurückgezogen hatte, übergab er die Leitung von Souvakis International an Demetri. Und zu einer solchen Position gehörten Verpflichtungen, die nicht nur das Unternehmen selbst betrafen.

„Mein Vater stirbt“, erklärte er schließlich. Er hatte nicht mehr das Gefühl, weiter Rücksicht auf Jane nehmen zu müssen. Allerdings war er nicht darauf gefasst, dass ihr vor Entsetzen die Farbe aus dem Gesicht wich.

„Leo stirbt?“, wiederholte sie matt. „Warum hast du mir das nicht früher erzählt? Ich kann es nicht glauben. Er war immer so fit, so stark.“

„Krebs trifft Starke und Schwache“, erwiderte Demetri ausdruckslos. „Mein Vater hat eine Geschwulst entdeckt. Er hat nichts unternommen. Dafür habe er zu viel zu tun, meinte er. Als er endlich zum Arzt gegangen ist, war es für eine Operation zu spät.“

„Oh nein!“ Jane stellte den Kaffeebecher ab. Tränen schimmerten in ihren Augen. „Der arme Leo. So ein anständiger, netter Mann. Und er ist immer freundlich zu mir gewesen. Er hat mich herzlich aufgenommen, während deine Mutter mich niemals akzeptiert hat.“

Demetri sagte nichts. Es stimmte ja. Seine Mutter war dagegen gewesen, dass er eine Engländerin heiratete. Ihre Werte seien so verschieden, hatte sie behauptet. Und letzten Endes hatte sie recht behalten.

Jane versuchte, sich zusammenzureißen. „Wie lange weißt du es schon?“, fragte sie und überlegte gleichzeitig, was das eigentlich mit seinem Wunsch zu tun hatte, sich scheiden zu lassen. „Will er mich sehen?“

Zweifellos wollte sein Vater Jane gern wiedersehen, aber seine Mutter würde niemals damit einverstanden sein. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie ihren Sohn immer wieder gebeten, einen Priester aufzusuchen und sich um eine Annullierung seiner Ehe mit Jane zu bemühen. Demetri hatte es jedoch nicht eilig gehabt, die Beziehung aufzulösen. Sie war bequem gewesen. Nicht zuletzt, um Frauen auf Abstand zu halten, die nur hinter seinem Geld her waren. Doch jetzt ging es nicht mehr anders. Er musste sich scheiden lassen.

Sein Schweigen gab Jane die Antwort. „Ich soll ihn also besser nicht besuchen. Dann verstehe ich nicht, was die Krankheit deines Vaters damit zu tun hat, dass du hierherkommst und die Scheidung verlangst.“

„Er will ein Enkelkind. Enkelkinder. Da Yanis Priester ist und Stefan nicht an Frauen interessiert, fällt die Verantwortung mir zu.“

„Wie archaisch!“, rief Jane spöttisch und runzelte dann die Stirn. „Was ist mit … dem Jungen?“

„Janthes Sohn? Marc ist tot. Ich dachte, du weißt das.“

„Dachtest du, ja? Warum?“ Jane war wütend. „Wir sind nicht in Kontakt geblieben, Demetri.“

Mit einem Schulterzucken räumte er ein, dass sie recht hatte. „Marc hat eine Lungenentzündung bekommen, als er gerade ein paar Tage alt war“, erklärte Demetri angespannt. „Die Ärzte haben versucht, ihn zu retten, aber er war zu klein, ein Frühchen. Er hatte keine Chance.“

„Arme Janthe“, sagte Jane und stellte fest, dass sie es so meinte.

„Ja, arme Janthe“, wiederholte Demetri, aber seine Stimme klang gereizt und verbittert. „Das hat sie nicht verdient.“

„Wirklich nicht.“ Jane griff nach ihrem Becher und trank einen Schluck Kaffee. „Und jetzt habt ihr also vor, endlich zu heiraten. Deine Mutter wird erfreut sein.“

Demetri machte ein finsteres Gesicht. „Nein“, erwiderte er scharf. „Janthe hat mich niemals interessiert, egal, was du geglaubt hast. Ich habe vor, Ariadne Pavlos zu heiraten. Wir sind seit unserer Kindheit befreundet. Vor Kurzem ist sie von einem langen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten zurückgekehrt.“

„Wie nett!“ Jane versuchte, ihre wahren Gefühle nicht zu zeigen. Ariadnes Mutter Sofia Pavlos war eine Freundin von Demetris Mutter. Noch jemand, der ihre Heirat nicht gutgeheißen hatte. „Weiß Ariadne das mit Janthes Baby?“

„Sie weiß genug“, erwiderte Demetri kurz angebunden. Er merkte, dass er sich auf gefährliches Terrain begab. Es war sinnlos, die Vergangenheit wieder aufzurühren. Er hätte Jane nicht besuchen dürfen. Sein Anwalt wollte es für ihn erledigen, doch Demetri hatte nicht auf ihn hören wollen. Ihm war nicht klar gewesen, auf was er sich da einließ. „Hör mal, ich muss los“, sagte er, als das Schweigen unerträglich wurde. „Ich bin sicher, du hasst mich jetzt, aber ich hatte wirklich nicht geplant …“

„Mich zu verführen?“

„Nein.“ Demetri wurde wütend. „Es war wohl kaum eine Verführung. Du bist mir auf halbem Weg entgegengekommen.“

Jane errötete leicht. „In Ordnung, vielleicht war das nicht fair. Nur wäre es nicht das erste Mal, dass du … es … bewusst gegen mich verwendest.“

„Ich wollte dir mitteilen, dass ich die Scheidung einreiche, das ist alles. Ich habe nicht damit gerechnet, dich halb nackt anzutreffen.“

„Wie bitte?“, stieß Jane hervor. „Bin ich etwa so unwiderstehlich, dass dich allein mein Anblick schon reizt?“

„So ungefähr“, murmelte Demetri. Dass er sich mit diesem Eingeständnis keinen Gefallen tat, war ihm bewusst. Er wandte sich zum Gehen. „Mein Anwalt wird sich wegen der näheren Einzelheiten mit dir in Verbindung setzen. Trotz deines Verhaltens werde ich dir eine Abfindung vermutlich nicht streitig machen.“

Empört sprang Jane auf und verschüttete dabei fast ihren Kaffee. „Ich will dein Geld nicht, Demetri! Für meinen Lebensunterhalt kann ich sehr gut selbst sorgen, danke.“

„Aber …“

„Vergiss es!“ Sie ging zur Wohnungstür und riss sie auf. „Und jetzt raus hier, Demetri. Bevor ich etwas sage, was ich bereuen werde.“

Demetri flog an diesem Nachmittag zurück nach Kalithi, anstatt, wie geplant, noch zwei Tage länger in London zu bleiben. Er war zu der am nächsten Morgen beginnenden „Konferenz der Erdölproduzenten“ eingeladen, aber er hatte sich entschuldigen lassen. Sein Vater würde nicht erfreut darüber sein.

Leo war begeistert gewesen, dass Souvakis International in den Erdölförderländern so viel Ansehen erworben hatte. Außerdem bewies die Einladung, dass es klug von ihm gewesen war, die Unternehmensleitung seinem Sohn zu übertragen.

Allerdings war sich Demetri dessen nicht so sicher. Chef einer derart großen Gesellschaft zu sein, beanspruchte viel von seiner Zeit. Vielleicht hatte die von ihm vor acht Jahren übernommene Verantwortung sogar beim Scheitern seiner Ehe eine Rolle gespielt. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, mit Jane über das zu reden, was passiert war, hätte sie ihn möglicherweise nicht verlassen. Sie glaubte, dass er der Vater von Janthes Baby sei. Und ohne Beweise hatte er sie nicht vom Gegenteil überzeugen können.

Es war schon dunkel, als seine Cessna auf dem Privatflugplatz der Familie Souvakis landete. Touristen kamen mit der Fähre, die in dem kleinen Hafen von Kalithi im Süden der Insel anlegte.

Scheinwerferlicht beleuchtete die Start- und Landebahn. Also hatte sein Vater die Nachricht von seiner verfrühten Rückkehr bereits erhalten, stellte Demetri missmutig fest. Vermutlich würde er wissen wollen, warum sein Sohn ihn nicht selbst informiert hatte.

Demetris persönlicher Assistent, Theo Vasilis, war mit ihm geflogen und kümmerte sich ums Gepäck, während Demetri auf den Geländewagen zuging, der am Rand der Rollbahn stand. Als er einstieg, sah er, dass nicht der Chauffeur seines Vaters am Steuer saß. Ariadne Pavlos hieß ihn mit einem etwas zu selbstgefälligen Lächeln willkommen.

„Hallo, Demetri. Ist das nicht eine nette Überraschung?“

Er presste die Lippen zusammen. Dass er es vorgezogen hätte, sich an diesem Abend nicht mit Ariadne zu befassen, gab ihm zu denken. Dann wurde ihm plötzlich bewusst, warum er so empfand. Er lächelte gezwungen und beugte sich zu ihr, um sie flüchtig zu küssen. „Eine sehr nette Überraschung“, log er. „Wartest du schon lange?“

„Ungefähr sechs Jahre“, erwiderte Ariadne und sah ihn mit einem bedeutungsvollen Blick an. Sie zog ihn wieder zu sich heran und ließ die Zunge in seinen Mund gleiten, bevor sich Demetri von ihr losmachen konnte. „Du hast mich vermisst, ja?“

Er wandte sich ab und schnallte sich an. „Was glaubst du?“, vermied er eine direkte Antwort. „Wie geht es meinem Vater? Ich wette, er ist nicht allzu erfreut, dass ich die Konferenz schwänze.“

„Leo ist okay“, sagte Ariadne gleichgültig. Als Theo Vasilis das Gepäck in den Kofferraum warf, blickte sie sich gereizt um. „Passen Sie doch auf!“ Dass Theo nun ebenfalls in den Wagen stieg und hinten Platz nahm, regte sie noch mehr auf. „Muss der mit uns fahren?“

„Warum nicht?“ Demetri war erleichtert, nicht mit Ariadne allein sein zu müssen. Er deutete auf den Laptop, den sein Assistent in der Hand hielt. „Mein Vater erwartet bestimmt einen Bericht über die Besprechungen in London.“

„Die Besprechungen mit deiner Frau, meinst du?“, fragte Ariadne sanft, doch ihre dunklen Augen funkelten boshaft. „Oh ja, dafür interessiere ich mich auch.“

„Mit Geschäftspartnern“, erklärte Demetri ausdruckslos.

„Aber die sind so langweilig. Erzähl mir von deiner Frau! Glaubst du, dass sie Probleme machen wird?“

Probleme! Demetri unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. „Nein“, sagte er und drehte sich wieder zu Theo um. „Haben Sie alle Papiere aus dem Flugzeug geholt?“

Noch deutlicher hätte er nicht werden können. Er wollte nicht über Jane reden. Verärgert schüttelte Ariadne den Kopf, bevor sie den Motor startete. Natürlich war sie nicht so dumm, das Thema jetzt weiterzuverfolgen. Demetri wusste, was sie dachte: Dafür ist später genug Zeit. Und verdammt, warum nicht? Ihretwegen – und wegen der Krankheit seines Vaters – hatte er Jane schließlich besucht.

Sie ließen den Flugplatz hinter sich und fuhren die schmale Küstenstraße entlang, die zum Landsitz der Souvakis führte. Im Scheinwerferlicht war wenig zu sehen, nur das Gras am Straßenrand und gelegentlich eine Zypresse. Die Sanddünen und das blaugrüne Wasser der Ägäis waren in Dunkel gehüllt. Auf den Inseln war Frühling, und Demetri freute sich darauf, morgen früh aufzuwachen und das Rauschen des Meeres statt den Lärm der Großstadt zu hören.

An London zu denken, war nicht besonders klug. Es erinnerte Demetri zu sehr an das, was früher an diesem Tag passiert war. Unwillkürlich verglich er die ziemlich aufreizende Attraktivität der dunkelhaarigen Ariadne mit der Schönheit seiner blonden Ehefrau. Sie sind so verschieden, dachte er. Ariadne, üppig und erotisch, während Jane, groß und schlank, ihre Sinnlichkeit hinter einer verlockenden Fassade aus kühler Gelassenheit verbarg.

Schnell verdrängte Demetri diesen Gedanken. „Bist du auf der Hochzeit deiner Cousine gewesen?“

„Julia? Aber sicher.“ Ariadne hupte, als die hohen Holztore in Sicht kamen, die die Einfahrt zum Gut kennzeichneten. Ein Mann kam aus dem Pförtnerhaus und öffnete beide Flügel. „Natürlich war ich die einzige Frau ohne Begleiter. Tante Thermia hat gesagt, ich hätte dir nicht erlauben sollen, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt zu verreisen.“

„Das sieht ihr ähnlich.“ Was Thermia Adonides von ihm dachte, interessierte Demetri nicht besonders. Sie war Janthes Mutter und deswegen sowieso gegen ihn. Es wunderte ihn, dass sie nicht versucht hatte, die Beziehung zwischen Ariadne und ihm zu vereiteln. Offenbar wog sein Reichtum ihre Bedenken in diesem Fall auf. Sie hatte sich schon immer gut mit Ariadne verstanden und freute sich vermutlich, dass sie einen solchen Fang gemacht hatte.

Er hob die Hand, als sie an Georgiou, dem Pförtner, vorbeifuhren, und dann beschleunigte Ariadne. Am Ende der langen, gewundenen Auffahrt lag die Villa, in der seine Eltern wohnten. Sie stand auf einem kleinen Plateau mit Blick aufs Meer. Demetri hatte sich auf dem Grundstück sein eigenes Haus bauen lassen, aber seit Jane ihn verlassen hatte, verbrachte er trotzdem nicht mehr viel Zeit auf Kalithi.

Seine Mutter beklagte sich oft darüber, wie selten sie ihn zu sehen bekam. Und vor der Krankheit seines Vaters war Demetri wirklich kaum zu Hause gewesen. Er arbeitete schwer, und zweifellos hatte ihn seine Arbeit davor bewahrt, nach der Trennung von Jane den Verstand zu verlieren. Außerdem hatte er sich in den letzten Jahren schwer amüsiert, auch wenn er sicher gewesen war, sich niemals ernsthaft mit einer anderen Frau einlassen zu können.

Und das tat er auch nicht. Bis er erfuhr, dass die Krankheit seines Vaters unheilbar war. Erst da hatte er sich überreden lassen, wieder zu heiraten. Ariadne war die perfekte Kandidatin: Sie war ledig, sie war Griechin, und seine Mutter akzeptierte sie.

Ein gepflasterter Hof erstreckte sich vor der Häusergruppe, die Scheunen, Garagen und die Villa seiner Eltern umfasste. Ariadne hielt den Wagen an und stellte den Motor ab. Als Theo ausstieg und Demetri die Beifahrertür öffnen wollte, legte Ariadne ihm die Hand auf den Arm.

„Warte. Sprich mit mir, Demetri. Sag mir, dass du es dir nicht anders überlegt hast.“

Die Lampen auf dem Hof beleuchteten ihr Gesicht. Sie wirkte mit einem Mal sehr unsicher. „Es mir anders überlegt?“, wiederholte Demetri, und plötzlich fühlte er sich schrecklich schuldig. „Schatz, wie kommst du denn darauf?“

4. KAPITEL

Sie war schwanger.

An diesem Morgen hatte Jane zum dritten Mal in Folge eine positive Reaktion bekommen. Sosehr sie sich auch einzureden versuchte, dass diese Tests fehlerhaft sein konnten, dreimal hintereinander hielt selbst sie für unwahrscheinlich.

Verdammt! Sie blinzelte ein paar Tränen weg. Wie hatte das passieren können? Als Demetri und sie sich ge… Sex gehabt hatten, verbesserte sie grimmig, war sie sicher gewesen, dass sie in ihrem Zyklus zu weit war, um schwanger zu werden. In der Vergangenheit war sie immer regelmäßig gewesen. Allerdings hatte sie nichts dem Zufall überlassen, solange sie mit Demetri zusammenlebte.

Sie waren sich einig gewesen, mit dem Kinderkriegen noch ein oder zwei Jahre zu warten. Und weil Jane weiterarbeiten wollte, eröffnete Demetri in Kalithi-Stadt eine kleine Galerie für sie. Dadurch war es ihr möglich, mit Olga in Kontakt zu bleiben, die gern Antiquitäten und Gemälde mit ihrer ehemaligen Schülerin austauschte.

Alles funktionierte sehr gut. Als Besitzerin der Galerie konnte Jane ihren Mann auf Geschäftsreisen begleiten, wann immer sie Lust dazu hatte. Ihr Dasein kam ihr idyllisch vor, und sie war so glücklich wie noch nie.

Dann offenbarte Janthe, dass sie schwanger war. An diesem Tag war Janes Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Sie konnte Demetri nicht verzeihen, sie betrogen zu haben. Dass es keine Kinder gab, die unter der zerrütteten Ehe ihrer Eltern leiden mussten, war Janes einziger Trost gewesen.

Sie seufzte. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie nicht an Verhütung gedacht hatte, als Demetri sie geküsst hatte. Sie hatte ihn so sehr begehrt. Es war ein Leichtes für ihn gewesen, sie davon zu überzeugen, dass er sie diesmal nicht für seine Zwecke benutzte.

Erst zwei Wochen später, als sie ihre Periode noch immer nicht hatte, war ihr überhaupt der Gedanke an eine Schwangerschaft gekommen. Und selbst da wollte sie kaum glauben, dass dieses leichtsinnige Zusammensein solche Folgen haben könnte. Inzwischen war es fünf Wochen her, dass Demetri sie in ihrer Wohnung aufgesucht hatte. Und ihr lag der förmliche Bescheid des Anwalts vor, dass er so schnell wie möglich die Scheidung wollte. Du lieber Himmel, was sollte sie tun?

Ihre Chefin Olga Ivanovitch betrat das Büro, sodass Jane das Problem zunächst zurückstellen musste. Obwohl fast siebzig, hatte die Galeristin die Vitalität einer jungen Frau. Sie war eine russische Jüdin, deren Eltern kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gelebt hatten. Die Familie war nach England geflüchtet, wo Olgas Vater die Kunstgalerie eröffnet hatte. Olga machte sie schließlich erfolgreich und verlegte die Räumlichkeiten von Croyden ins West End.

In langen Röcken und einem Cape, das um ihre üppige Figur schwang, sah Olga wie ein alterndes Blumenkind aus. Sie war Janes Mentorin gewesen, als sie sie kurz nach dem Kunststudium eingestellt hatte. Dafür war Jane ihr heute noch dankbar, schließlich hatte sie damals kaum mehr als ihren Abschluss und viel Enthusiasmus vorzuweisen.

Olga strich sich das rot gefärbte, wallende Haar zurück. „Ist er gekommen?“, fragte sie ungeduldig. In England aufgewachsen, war ihr Englisch eigentlich perfekt, doch wegen des künstlerischen Effekts sprach sie mit Akzent.

„Ja, er war da.“ Ein berühmter Antiquitätensammler zeigte Interesse an einer Gruppe von Bronzestatuen, die Jane aus Bangkok mitgebracht hatte. Er hatte versprochen, die Galerie an diesem Morgen erneut aufzusuchen, die Skulpturen noch einmal zu prüfen und seine Entscheidung zu treffen.

„Und?“ Olga konnte ihre Aufregung nicht verbergen.

„Er hat sie gekauft.“

„Wundervoll! Das bedeutet eine hohe Provision für dich, Jane. Du hast deine Sache gut gemacht. Ich muss dich wieder auf Reisen schicken. Du hast das Talent, Schätze zu entdecken, wo man es überhaupt nicht erwartet.“

Jane brachte ein Lächeln zustande, war aber innerlich noch immer nervös. Sie legte die Hand auf ihren flachen Bauch. Konnte es sein, dass Demetris Kind schon in ihr heranwuchs? Wann würde man sehen, dass sie schwanger war? Und was würde ihre Chefin wohl dazu sagen?

Als hätte Olga ihre Zerstreutheit gespürt, setzte sie sich an den Rand des Schreibtischs und blickte Jane mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du siehst blass aus. Schläfst du genug? Oder hält dich der junge Mann die halbe Nacht wach?“

„Hör bitte auf damit, Olga. Ich habe dir doch schon ein Dutzend Mal gesagt: Alex Hunter und ich sind nur gute Freunde.“

„Weiß er das?“

Nun, da die Anspannung wegen des Verkaufs der Bronzestatuen vorüber war, richtete die Galeriebesitzerin ihre ganze Aufmerksamkeit auf Jane. Wie lange würde es dauern, bis Olga Verdacht schöpfte? Und vor allem: Wie würde Alex reagieren, wenn er erfuhr, dass sie schwanger war? Schließlich hatte sie ihm versichert, dass ihre Beziehung zu Demetri zu Ende war.

„Wer soll was wissen?“, fragte Jane, um Zeit zu gewinnen.

„Mr. Hunter“, sagte Olga gereizt. „Ist ihm bewusst, dass du nichts weiter als Freundschaft im Sinn hast?“

„Oh …“ Jane zuckte ratlos die Schultern. „Ich mag Alex gern. Es ist nett, mit ihm zusammen zu sein. Aber wir kennen uns erst seit kurzer Zeit.“

„Lange genug. Ich mache mir Sorgen um dich, Jane. Wann willst du endlich die Vergangenheit hinter dir lassen und ein neues Leben beginnen? Wird es nicht Zeit, dass du dich scheiden lässt?“

Olgas Scharfsinn war wirklich erschreckend. An jedem anderen Tag hätte Jane ihre Fähigkeit bewundert, zu ahnen, was andere Menschen dachten. Nur nicht heute. Nur dieses eine Mal wäre es ihr lieber gewesen, ihre Gedanken für sich zu behalten.

Geduldig auf eine Antwort wartend, kramte Olga in ihrer Tasche und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Sie zündete sich eine an, inhalierte tief und blies den Rauch über Janes Kopf hinweg.

Den Geruch hatte Jane noch nie gemocht, und an diesem Morgen wurde ihr davon schlecht. Sie stieß einen unverständlichen Laut aus und stürzte aus dem Büro. In dem kleinen Badezimmer, das neben dem Ausstellungsraum lag, übergab sie sich heftig. Dann lehnte sie sich erschöpft mit dem Rücken an die geflieste Wand und atmete tief ein. Ihr war schon lange nicht mehr so übel gewesen. Zum Frühstück hatte sie nur eine Scheibe Toast gegessen, das konnte es also nicht sein. Eigentlich hatte sie überhaupt kein Frühstück gewollt. Sie fühlte sich schon nicht gut, als sie aufgestanden war.

Und plötzlich kam sie sich richtig dumm vor. Es war keine Lebensmittelvergiftung, und nicht einmal der Geruch von Olgas Zigaretten, obwohl man sich an den wirklich erst gewöhnen musste. Nein, dies war eine ganz normale morgendliche Übelkeit während der Schwangerschaft.

Ein zaghaftes Klopfen an der Tür rüttelte Jane aus ihren Gedanken.

„Jane? Geht es dir gut? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Gar nichts ist in Ordnung, dachte Jane niedergeschlagen. „Nein, ich bin okay, Olga“, sagte sie. „Ich muss etwas gegessen haben, was mir nicht bekommen ist, und als ich deine Zigarette gerochen habe …“

„Du lieber Himmel!“ Olga klang entsetzt. „Von meiner Zigarette ist dir schlecht geworden?“

„Nein, nein.“ Jane schämte sich. Sie durfte nicht zulassen, dass Olga die Schuld auf sich nahm, wo sie doch ganz allein für ihre Lage verantwortlich war. „Tut mir leid“, sagte sie, als sie die Tür öffnete und den besorgten Ausdruck im Gesicht ihrer Chefin bemerkte.

Olga legte ihr den Arm um die Schultern. Zum Glück hatte sie die Zigarette weggeschmissen, aber Jane roch den Tabak trotzdem in ihren Kleidern.

„Bist du sicher, dass du und Alex Hunter nur gute Freunde seid?“

„Was meinst du damit?“ Jane tat, als wüsste sie nicht, worauf Olga hinauswollte.

„Ich frage mich, ob es vielleicht einen anderen Grund für deine Übelkeit gibt.“

„Einen anderen Grund?“

„Muss ich dir ein Bild malen?“ Olga stellte sich vor sie und packte sie an den Schultern, sodass Jane ihrem Blick nicht ausweichen konnte. „Kann es sein, dass du dir etwas vormachst?“

„Mir etwas vormache?“, wiederholte Jane und überlegte, ob es der Mühe wert war, weiter so zu tun, als würde sie nicht verstehen. Schließlich gab sie nach. „Willst du behaupten, dass ich schwanger bin?“

Olga schüttelte den Kopf. „Ich meine nur, dass es eine Möglichkeit ist, die du bedenken solltest. Du wärst nicht die erste junge Frau, die auf den Charme eines gut aussehenden Mannes wie Mr. Hunter hereinfällt.“

„Ich habe es doch gesagt!“ Wütend riss sich Jane los. „Alex und ich … Alex und ich haben niemals …“

„Niemals?“, fragte Olga skeptisch.

„Niemals. Können wir jetzt über etwas anderes reden?“ Jane ging zurück in ihr Büro. „Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wo wir die anderen Stücke finden, nach denen Sir George sucht?“

Olga zuckte die Schultern und folgte ihr langsam. Jane wusste, dass ihre Reaktion wenig überzeugend gewesen war. Aber noch fühlte sie sich nicht imstande, mit irgendjemandem über ihre Situation zu sprechen. Erst einmal musste sie selbst die Tatsache begreifen, dass sie schwanger war.

Den ganzen Tag über wanderten ihre Gedanken immer wieder zurück zu dem Problem, vor dem sie stand. Was sollte sie tun? Bald würde sie die Entscheidung treffen müssen, ob sie das Baby behalten wollte oder nicht. Denn obwohl sie sehr gut verdiente, konnte sie sich allein die Kosten für Kinderbetreuung in London nicht leisten. Und Demetri von dem Baby zu erzählen, war unmöglich. Schließlich hatte er vor, sich von ihr scheiden zu lassen. Außerdem würde auch die Frau betroffen sein, die er zu heiraten hoffte. Ebenso wie seine Mutter. Jane konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie Maria Souvakis reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass ihr Sohn ein weiteres Kind gezeugt hatte. Mit der von ihr verachteten Engländerin.

Jane beendete ihre Arbeit heute früher als sonst. Zu Olga sagte sie, sie habe Schüttelfrost. Ein neues Krankheitszeichen würde ihre Arbeitgeberin vielleicht von der ersten Vermutung ablenken. Als Jane die Galerie verließ und Olgas Blick in ihrem Rücken spürte, war sie allerdings nicht so sicher, ob es ihr gelungen war.

Es regnete, deshalb nahm sie den Bus. In ihrer Wohnung angekommen, machte sich Jane eine Tasse Tee und setzte sich damit aufs Sofa. Leider dauerte es nicht lange, bis das Telefon klingelte. Meine Mutter, dachte sie resigniert. Wahrscheinlich hatte Rachel in der Galerie angerufen und erfahren, dass es ihrer Tochter nicht gut ging. Jane hoffte nur, dass Olga nichts von ihrem Verdacht erwähnt hatte.

Zehn Sekunden lang erwog Jane, einfach nicht abzunehmen, aber es konnte ja auch jemand anders sein. „Ja?“, meldete sie sich unfreundlich und ließ fast den Hörer fallen, als Demetris volltönende Stimme durch die Leitung klang.

„Deine Laune scheint sich nicht gebessert zu haben“, sagte er trocken. „Über wen hast du dich diesmal aufgeregt?“

„Über niemanden, Demetri. Schließlich habe ich wochenlang nicht mit dir gesprochen.“

„Immer eine bissige Bemerkung parat“, erwiderte er sarkastisch. „Du hast wohl damit gerechnet, dass ich anrufe?“

Jane runzelte die Stirn. „Warum sollte ich?“, fragte sie und überlegte, ob mit der heutigen Post ein wichtiger Brief gekommen war, den sie übersehen hatte. Es musste um die Scheidung gehen. Einen anderen Grund hatte Demetri nicht, sich bei ihr zu melden. Zumindest keinen, von dem er wusste.

„Ich habe vorhin mit deiner Mutter gesprochen“, erklärte er geduldig. „Ich hatte die Nummer der Galerie nicht, deshalb musste ich sie anrufen. Sie hat mir deine Büronummer gegeben – widerstrebend. Aber die Mühe hätte ich mir ja sparen können. Du bist schwer zu erreichen, Jane.“ Er machte eine Pause. „Fühlst du dich wieder besser?“

Besorgt fragte sich Jane, was ihre Chefin ihm erzählt hatte. Sicher nichts Indiskretes, beruhigte sie sich, obwohl Olga nicht gerade für ihre Verschwiegenheit bekannt war. „Ich nehme an, Olga hat dir gesagt, dass ich nach Hause gegangen bin, weil mir nicht gut war.“

„So etwas Ähnliches. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.“

Ernst genug! dachte Jane nervös. „Nur eine Erkältung. Was willst du, Demetri?“ Plötzlich fiel ihr die Krankheit seines Vaters ein. „Leos Zustand hat sich doch nicht verschlechtert?“

„Nein. Tatsächlich scheinen die Medikamente den Tumor in Schach zu halten.“

„Oh, das freut mich so. Bitte grüß ihn herzlich von mir, wenn du ihn siehst. Ich denke oft an ihn.“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich“, erwiderte Jane. Der ungläubige Unterton in seiner Stimme kränkte sie. „Nur weil du dir ohne Rücksicht auf die Folgen nimmst, was du willst, muss ich deinen Vater noch lange nicht verachten.“

„Vermutlich spielst du mal wieder auf Janthe an“, sagte Demetri wütend.

„Auf was denn sonst?“

„Ach, ich weiß nicht.“ Jetzt klang er spöttisch. „Vielleicht wolltest du mich an das erinnern, was passiert ist, als ich in deine Wohnung gekommen bin.“

„Musst du daran erst erinnert werden?“

Demetri fluchte. „Es war gut, Jane, aber so gut nun auch wieder nicht. Wenn du meinst, dass ich darüber mit dir sprechen will, verschwendest du mit deinen Provokationen nur deine Zeit.“

Empört rang Jane nach Atem. „Du … du …“

„Mistkerl? Ja, mir ist klar, was du von mir hältst. Das musst du mir nicht erklären“, sagte Demetri kalt.

„Wenn du dich nicht entschuldigen willst, warum rufst du mich dann an? Ich glaube nicht, dass ich noch irgendetwas anderes von dir hören möchte.“

Damit hätte sie aufgelegt, doch sein heiseres „Warte!“ ließ sie zögern.

„Mein Vater möchte dich sehen. Wirst du kommen?“

„Nach Griechenland?“, fragte Jane verblüfft.

„Nach Kalithi, natürlich.“

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Warum nicht? Du würdest meinem Vater einen großen Gefallen tun, wenn du seine Einladung annimmst.“

„Aber …“ Es gab so viele Aber, dass sie Jane gar nicht alle einfielen. „Deine Mutter würde meinem Besuch niemals zustimmen …“

„Ihr bleibt wohl nichts anderes übrig.“

„… und du willst mich dort nicht haben.“

„Es geht hier nicht um mich.“

„Außerdem kann ich nicht einfach aus der Galerie weg. Olga ist auf mich angewiesen.“

„Nimm Urlaub“, sagte Demetri kurz angebunden. „Wenn es das Geld ist, das dir Sorgen macht …“

„Nein.“ Jane ärgerte sich darüber, dass er sofort voraussetzte, mit Geld alles regeln zu können.

„Dann verstehe ich nicht, wo das Problem liegt. Es sei denn, dein Lover ist dagegen. Du hast mir nicht erzählt, dass du einen hast, Jane. Wie lange geht das schon?“

„Alex Hunter ist ein Freund, nicht mein ‚Lover‘. Ich nehme an, Olga hat ihn erwähnt.“ Das sah ihrer Chefin ähnlich. „Tja, ihr liegt sehr viel daran, dass ich jemanden finde, der sich um mich kümmert.“

„Und tut er es?“

„Was?“

„Sich um dich kümmern. Olga hat mir erzählt, er sei Buchprüfer mit einem sehr guten Job in der City. Mit einem Buchprüfer kann ich mir dich nicht vorstellen, Schatz. Graue Männer in grauen Anzügen – sagt man das nicht so?“

„Mit wem ich gern zusammen bin, braucht dich ja nicht zu interessieren.“ Jane musste Alex einfach verteidigen. Sie holte tief Luft. „Erwartest du wirklich von mir, dass ich die Einladung deines Vaters annehme?“, fragte sie, immer noch ungläubig. „Weißt du, warum er mich sehen will?“

„Vielleicht möchte er sich verabschieden“, erwiderte Demetri nach kurzem Zögern. Er schien seine Fassung jedoch schnell wiederzugewinnen. „Ich hoffe, du wirst unsere Differenzen für die paar Tage zurückstellen, die du in der Villa wohnst. Und wenn es dir lieber ist, werde ich dir in der Zeit deines Besuches aus dem Weg gehen.“

5. KAPITEL

Am späten Nachmittag legte die Fähre im Hafen von Kalithi an. Drei Stunden hatte die Überfahrt von Andros gedauert, wo Janes Maschine aus London gelandet war. Als sie an Land trat, fühlte sie sich restlos erschöpft.

Es war eine Woche her, dass Demetri sie angerufen hatte, und fünf Tage, dass ihr Zustand von einem Arzt bestätigt worden war. Noch immer hatte Jane niemandem erzählt, dass sie schwanger war, obwohl sie weiter an morgendlicher Übelkeit litt. Und auch wenn sie wusste, dass sich Olga nicht täuschen ließ, behauptete sie weiter hartnäckig, dass sie sich einen Virus eingefangen hätte.

Auch ihre Mutter hatte bemerkt, wie blass und gestresst Jane aussah. Aber Rachel nahm an, dass ihre Tochter bloß Angst vor dem Wiedersehen mit der Familie Souvakis hatte. Sie war der Meinung, dass Jane die Einladung trotz des traurigen Grunds hätte ablehnen sollen. Schließlich sei sie dabei, sich scheiden zu lassen. Unter diesen Umständen wäre es absurd, dort hinzureisen.

Olga war der gleichen Ansicht. Sie war sich mittlerweile fast sicher, dass Jane schwanger war, und hielt Alex Hunter für den Vater. Wen auch sonst, schließlich wusste sie nichts von Demetris Besuch in London. Alex, der in der Firma arbeitete, die Olgas Bücher prüfte, ahnte zum Glück nichts von dem Verdacht. Aber auch er war entschieden gegen Janes Reise.

„Ich finde es seltsam. Erst teilt er dir mit, er wolle die Scheidung, und nur Wochen später schlägt er vor, dass du zu ihm fährst und seinen Vater besuchst“, beschwerte er sich, als Jane ihm am Telefon von ihren Plänen erzählte. „Kannst du ihm überhaupt trauen, Jane? Bist du sicher, dass es nicht ein Trick ist, um dich zurückzubekommen?“

„Oh bitte, Alex!“ Nach den letzten anstrengenden Tagen fiel es Jane schwer, nicht die Geduld zu verlieren. „Demetri will die Scheidung ganz bestimmt. Aber sein Vater ist sehr krank und will mich sehen.“

„Das sagt dein Mann. Aber es ist nicht mehr als eine bloße Behauptung.“

„Bei so etwas würde Demetri nicht lügen“, erwiderte Jane energisch und überlegte, warum sie sich dessen so sicher war. Demetri hatte sie schließlich schon einmal belogen. „Außerdem hat er schon eine neue Partnerin. Eine Griechin. Er will sie heiraten, sobald er frei ist.“

Das hatte Alex besänftigt. Jane fragte sich jedoch, ob Olgas Vermutung nicht doch richtig war. Alex schien bei Weitem mehr als Freundschaft für sie zu empfinden. Ein guter Freund hätte sie nicht verhört und sich benommen, als würde es ihm zustehen, ihr Handeln in Zweifel zu ziehen.

Jetzt, da Jane wieder griechischen Boden betrat, hatte sie auf einmal Bedenken. War es wirklich klug gewesen, hierherzukommen? Was für Gefühle würde es auslösen, Demetri wiederzusehen und dabei zu wissen, dass sie ein Kind von ihm erwartete? Denn ganz gleich, was er gesagt hatte, sie würde ihm sicher begegnen. Es passte nicht zu ihm, dass er seine Eltern vernachlässigte, nur weil sie ihn lieber nicht treffen wollte.

Obwohl Jane nur eine Reisetasche mit Schultergurt dabeihatte, war sie eine der Letzten, die an Land gingen. Zwar konnte sie Demetri nirgendwo entdecken, aber sie war trotzdem auf der Hut. Vom Hafen bis zum Gut der Souvakis waren es mit dem Auto zwanzig Minuten Fahrt, und sie erinnerte sich nicht, auf Kalithi jemals ein Taxi gesehen zu haben. Oder eins gebraucht zu haben: Demetri hatte ihr damals einen schnittigen kleinen Sportwagen geschenkt, damit sie auf der Insel unabhängig war.

Jane stand unschlüssig neben einem Stapel Waren, die einige Hafenarbeiter aus dem Schiff luden, als sie bemerkte, dass sie beobachtet wurde. Sie glaubte nicht, die Frau schon einmal gesehen zu haben, auch wenn ihr irgendetwas an ihr bekannt vorkam. Sie war eine typische Griechin, von mittlerer Größe und mit kräftigen Gesichtszügen. Dennoch unterschied sie sich von den meisten der hier lebenden Frauen durch ihre elegante Kleidung und Haltung. Jetzt kam sie auf sie zu, und Janes Herz schlug schneller.

„Sind Sie Jane?“, fragte die Frau auf Englisch mit starkem Akzent.

Es klang fast verächtlich. Und warum nannte sie sie beim Vornamen, obwohl sie einander nicht kannten? Weil Jane müde war und ihr die Dame nicht gerade sympathisch, erwiderte sie kühl: „Ja. Hat man Sie geschickt, um mich abzuholen?“

Bevor sie antwortete, musterte die Griechin sie von oben bis unten. Sofort war sich Jane bewusst, dass ihr kurzärmeliges T-Shirt, die Leinenhose und die Segeltuchschuhe schlecht abschnitten im Vergleich mit einer Seidenbluse, einem ausgestellten Rock im Bauernstil und Pumps.

„Ja. Maria dachte, es wäre gut, wenn wir uns kennenlernen. Ich bin Ariadne Pavlos. Demetri und ich werden heiraten, sobald er von Ihnen geschieden ist.“

Jane war bestürzt. So eine Nummer abzuziehen, war typisch für ihre Schwiegermutter. Demetris … was? Seine neue Partnerin? Zukünftige Verlobte? Seine Geliebte zu schicken, um sie abzuholen, war allerdings selbst für Marias Maßstäbe brutal. Ob Demetri davon wusste? Wahrscheinlich. Wenig passierte hier ohne sein Wissen.

„Wie nett“, sagte Jane, denn Ariadne sollte nicht merken, dass sie sie aus der Fassung gebracht hatte. „Haben Sie ein Auto?“

„Natürlich.“ Offensichtlich hatte Ariadne nicht erwartet, dass Jane es so gelassen aufnahm. „Es steht dort drüben.“

Und es war ihr schmerzlich vertraut. Demetris Freundin fuhr den roten Sportwagen, den er ihr, Jane, vor Jahren geschenkt hatte. Sie vermutete, dass auch das auf Marias Konto ging. Aber offenbar war Ariadne ganz damit einverstanden gewesen.

Zum Glück ließ die Hitze des Tages nach. Jetzt, am späten Nachmittag, war die Insel in ein warmes goldrotes Licht getaucht. Der Sommer kam früh in der Ägäis, und obwohl die Insel größtenteils aus Felsen und Buschlandschaft bestand, blühten hier in der Küstenebene viele wunderschöne Blumen.

„Endaxi. Elate“, sagte Ariadne kurz angebunden. In Ordnung. Kommen Sie.

Falls sie dachte, dass Jane sie nicht verstand, so irrte sie sich. Zwar hatte Jane nur gut zwei Jahre auf der Insel gelebt, aber sie hatte die Sprache ganz gut gelernt. Sie hatte es tun müssen, um ihre kleine Galerie zu führen. Und Demetri hatte es gefallen, wenn sie griechisch mit ihm gesprochen hatte. Besonders dann, wenn sie sich geliebt hatten …

Sich daran zu erinnern, während sie neben seiner zukünftigen Frau herging, war beunruhigend. Janes Verstand sagte ihr, dass sie Demetri von dem Baby erzählen musste. Nur durfte er auf keinen Fall glauben, dass sie ihn deshalb zurückhaben wollte. Energisch verdrängte sie diesen Gedanken. Sie war nicht hier, weil Demetri sie eingeladen hatte. Es war sein Vater, der sie sehen wollte.

Jane warf ihre Reisetasche auf den Rücksitz des kleinen Autos und glitt auf den Beifahrersitz.

„Wie lange bleiben Sie?“, fragte Ariadne, als sie losfuhr.

„Ich weiß noch nicht“, erwiderte Jane, obwohl sie den Rückflug für Ende der Woche bereits gebucht hatte. Sie blickte über die felsige Landspitze und die schroffen Klippen auf das blaugrüne Meer. Es war alles so schön. Sie hatte vergessen, wie wundervoll die Insel war. „Was macht Leo? Demetri hat gesagt, er fühle sich besser.“

„Ihm geht es gut. Aber er ist … ein bisschen durcheinander. Wir sind sehr besorgt deswegen.“

„Ja, natürlich.“ Jane hatte den Eindruck, dass sich Ariadne weit mehr wegen ihres Besuchs als wegen Leos Gesundheit sorgte.

„Ihm liegt sehr viel daran, Demetri endlich glücklich zu sehen“, sprach Ariadne weiter.

Anscheinend war ihr nicht bewusst, wie unpassend ihre Bemerkung war. Oder es kümmerte sie nicht, was Jane von ihr dachte.

„Es ist nicht gut für einen Mann, ohne Ehefrau und Kinder zu leben.“

„Demetri hat eine Ehefrau.“ Die Antwort konnte sich Jane nicht verkneifen.

„Nicht mehr lange, oder? Er hat mir erzählt, dass Sie wegen der Scheidung keine Schwierigkeiten machen werden.“

Daran hätte er denken sollen, bevor er mit mir ins Bett gegangen ist! Doch es lag nicht in Janes Wesen, grausam zu sein. „Nein, wahrscheinlich nicht.“

„Wahrscheinlich?“

Jane blickte wieder aufs Meer. „Ist Demetri hier?“

Nach einem bockigen Schweigen erwiderte Ariadne unwillig: „Er ist geschäftlich verreist und wird erst Ende der Woche zurück sein.“

Das gab Jane einen Stich ins Herz. Also tat er, was er gesagt hatte. Sie gestand sich ein, dass sie enttäuscht war. Sie würde ihn nicht sehen. Gut, das sollte ihr die Entscheidung erleichtern.

Oder auch nicht.

„Sie haben gehofft, ihn zu sehen, stimmt’s?“

„Noch mehr könnten Sie sich nicht irren“, erwiderte Jane. „Oh, wir sind da.“ Alles war quälend vertraut. Die dunklen Holztore, die von Bäumen gesäumte gewundene Auffahrt, und dann die Villa, groß, weiß gestrichen, mit schwarzen Fensterläden. Orangefarbene Dachziegel reflektierten die Spätnachmittagssonne. Von Erinnerungen überwältigt, rang Jane hörbar nach Atem. Und verbarg es schnell, indem sie sich räusperte. Sie hatte keinen Grund, nostalgisch zu werden. Nachdem ihr Mann sie betrogen hatte, war sie psychisch fast am Ende gewesen und hatte die Insel aus eigenem Antrieb verlassen.

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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