Julia Bestseller - Susan Mallery 1

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CINDERELLAS HEIßE NACHT von MALLERY, SUSAN
Als Cinderella verkleidet, will Cynthia auf einem Ball ihren Traummann Jonathan erobern. Schon beim ersten Tanz liegt sie in seinen Armen - stürmisch erwidert sie seine Küsse. Wie im siebten Himmel erlebt sie diese Nacht, aber ist es auch für Jonathan wirklich Liebe?

LIEB MICH DOCH EINFACH von MALLERY, SUSAN
Elf Jahre sind wie ein Tag - wenn die Liebe nur heiß genug brennt. Das erkennt der Bauunternehmer Chase Jackson, als er Jenny Davidson wiedersieht. Wird sie ihm verzeihen, dass er ihr nicht vertraut hat? Alles würde er tun, um ihr Herz für immer zu gewinnen!

SÜß, SÜßER - REBECCA! von MALLERY, SUSAN
Rebecca ist verzweifelt: Das Waisenhaus, das sie leitet, ist abgebrannt. Wohin mit den Kindern? Da fällt ihr der reiche Austin Lucas ein - mutig bittet sie ihn, sie alle in seiner großen Villa aufzunehmen. Wie wird der Mann, den sie schon lange heimlich liebt, reagieren?


  • Erscheinungstag 14.10.2015
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765842
  • Seitenanzahl 399
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Süß, süßer – Rebecca!

Schon lange fühlt sich der Millionär Austin Lucas zu der schüchternen Rebecca hingezogen. Und als sie ihn bittet, sie und ihre Waisenkinder für kurze Zeit in seiner Villa aufzunehmen, stimmt er sofort zu. Wird es ihm endlich gelingen, das Herz der bezaubernden jungen Frau zu erobern? Ihr zärtlicher Blick, als er sie zufällig berührt, verrät ihm, dass er hoffen darf ...

Lieb mich doch einfach

Chase – ihre große Liebe. Tief traf Jenny sein Verrat! Und jetzt nach elf Jahren kehrt er zurück, um sie erneut für sich zu erobern. Ihr Herz schlägt noch immer nur für ihn, aber hat er sich wirklich geändert? Bevor sie sich ganz ihren starken Gefühlen hingibt, muss Jenny wissen, dass Chase sie nie wieder im Stich lässt ...

Cinderellas heiße Nacht

Für Cynthia – als Cinderella verkleidet – scheint sich ein Traum zu erfüllen: Auf einem prachtvollen Kostümball küsst der Unternehmer Jonathan Steele sie so leidenschaftlich, wie sie es sich immer gewünscht hat. Doch genau damit endet Cynthias Erinnerung: Als sie am nächsten Morgen in Jonathans Bett erwacht, weiß sie nicht, wie sie dorthin gekommen ist ...

1. KAPITEL

Rebecca Chambers hatte sich vor dem Gewitter in die Garage geflüchtet. Wasser tropfte aus ihrem Haar. Das bunt geblümte Seidenkleid war klatschnass und die neuen schwarzen Ballerinas waren völlig ruiniert. Dabei hatte sie sich heute besondere Mühe mit ihrem Aussehen gegeben – mit dem Ergebnis, dass sie wie eine durchs Wasser gezogene Katze aussah.

Sie seufzte leise und strich sich das triefende Haar aus dem Gesicht. Jedes Mal, wenn sie auch nur in die Nähe von Austin Lucas kam, machte sie sich unweigerlich zur Närrin. Aber gegen die unpassenden Gedanken, die sie in seiner Gegenwart regelrecht überfielen und in ein stotterndes, hirnloses Geschöpf verwandelten, war sie einfach machtlos. Seit zwei Jahren ging das jetzt schon. So kann es einfach nicht weitergehen, dachte sie resigniert.

Sie sah zu dem Mann hinüber, der sich im Hintergrund der Garage über seinen Wagen beugte. In Jeans sah er einfach umwerfend aus. In den beiden letzten Jahren hatte sie sich genau elfmal mit Austin Lucas im selben Raum aufgehalten und sich genauso oft lächerlich gemacht, indem sie Blumenvasen umwarf oder bei ihren Fluchtversuchen über ihre Füße stolperte oder gegen alle im Weg befindlichen Möbelstücke stieß.

Ihre Wangen glühten, obwohl sie in ihren nassen Sachen zu frösteln begonnen hatte, und sie drückte die Hände ans Gesicht. Wenn sie doch nur eine Wahl hätte. Aber Austin war ihre einzige Hoffnung.

Rebecca sah sich verzweifelt um, als könnte der Anblick der Garage ihr wunderbarerweise Mut verleihen. Warum musste es ausgerechnet er sein? Als gäbe es nicht genug Männer!

Sie widerstand der Versuchung, sich zurückzuziehen, und räusperte sich. „Mr. Lucas?“

Augerechnet in diesem Augenblick ließ er einen schweren Schraubenschlüssel fallen und stieß eine Verwünschung aus. Rebecca blieben die Worte im Hals stecken. Sie schluckte und setzte erneut zum Sprechen an, aber da bückte er sich, um das Werkzeug aufzuheben, und dabei spannten seine Jeans sich äußerst attraktiv über seiner Kehrseite.

Als sie jetzt wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf deren Besitzer starrte, fühlte sie sich wie ein Teenager bei seiner ersten schwärmerischen Liebe. Es half ihr nicht, dass er sich für Frauen wie sie ohnehin nicht interessierte. Sie fand ihn einfach unwiderstehlich. Außerdem war er ihre einzige Hoffnung.

Rebecca straffte die Schultern. Sie musste etwas unternehmen, wenn sie nicht zur Eissäule erstarren wollte. Aber bevor sie noch den Mund aufmachen konnte, hatte er schon die Initiative ergriffen. „Wie lange wollen Sie noch so tropfnass hier herumstehen?“

„Nicht mehr lange“, brachte sie mit zittriger Stimme heraus. „Höchstens noch zehn Minuten.“ Sie schlug verlegen die Hand vor den Mund und schloss die Augen. Wie unendlich peinlich!

„Sie dürfen die Augen wieder aufmachen“, erlaubte er ihr milde, und aus seiner tiefen Stimme klang unverhohlene Ironie.

Rebecca gehorchte. Austin stand vor ihr und wischte sich die Hände an einem öligen Lappen ab. So besonders gut sieht er eigentlich gar nicht aus, dachte sie in einem Anfall von Selbsterhaltungstrieb. Aber wem wollte sie etwas vormachen?

Er trug ein ausgebleichtes Jeanshemd. Die Ärmel waren aufgerollt und die drei obersten Knöpfe standen auf – gerade weit genug, um ihren Puls rasen zu lassen.

Langsam ließ sie den Blick höher wandern. Austin Lucas hatte ein ausgeprägtes Kinn und einen festen Mund, dazu hohe Wangenknochen und eine klassisch gerade Nase. Seine Augen waren grau, die dunklen Haare hatte er aus dem Gesicht gestrichen.

Die kleine goldene Kreole, die er an einem Ohr trug, beschwor das Bild von Piraten, die Frauen raubten und verführten, in ihr herauf. Es musste himmlisch sein, in seinen Armen zu liegen. Wahrscheinlich würde sie vor lauter Lust und Glück auf der Stelle sterben.

Rebecca straffte entschlossen die Schultern und befahl sich, sich zusammenzunehmen. Er war ein ganz normaler Mann mit einem ganz normalen Ohrring, auch wenn im konservativen Glenwood Männer, die Ohrringe trugen, unbekannt waren.

Aber Austin stellte seine eigenen Regeln auf. Das war vermutlich ein Teil seiner Anziehungskraft. Er galt als „verrucht“, als eine Art Wolf, der sich hinter der Schafsmaske versteckte. Wie hätte eine Frau wie sie da widerstehen sollen?

„Rebecca?“, sagte er jetzt, und sie fuhr zusammen.

Allein der Klang ihres Namens aus seinem Mund ließ ihre Knie weich werden. „W-was?“

„Warum sind Sie hier?“

Sie öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus. Nach reiflichem Nachdenken nahm sie einen neuen Anlauf. „Mein Wagen ist stecken geblieben.“

„Wo?“

Er sah sie an, als wäre sie ein zurückgebliebenes Kind. Dabei war sie normalerweise durchaus in der Lage, eine vernünftige Unterhaltung zu bestreiten. Nur in seiner Gegenwart brachte sie kaum einen Satz heraus, bevor eine Katastrophe passierte.

„In Ihrer Auffahrt“, erklärte sie und trat ins Freie. Aus dem Wolkenbruch hatte sich ein beständiger, gleichmäßiger Regen entwickelt.

Er zögerte ein wenig, bevor er ihr folgte. „Brauchen Sie einen Schirm?“, fragte er.

Sie sah an ihrem Kleid hinunter. Es hing wie ein nasser Sack an ihr. „Ich glaube, der hilft jetzt auch nicht mehr“, stellte sie traurig fest.

Austin Lucas ließ den Blick über ihren Körper wandern. Dann lächelte er. „Da haben Sie wohl Recht.“ Damit setzte er sich in Bewegung.

Rebecca stand wie festgewurzelt. Dieses Lächeln hatte sie regelrecht gelähmt und bewegungsunfähig gemacht. Wenn er lächelte, sah er noch hinreißender, noch umwerfender aus – und es machte ihr schmerzlich bewusst, dass sie sich in Sphären bewegte, die nicht ihre waren. Er strahlte etwas Verwegenes aus, war interessant, weltläufig, gewandt, einfach überwältigend. Dagegen kam sie sich wie ein Trampel vor. Vermutlich fand er sie so anziehend wie abgestandenes Bier.

Sie folgte ihm und verlor dabei fast einen Schuh in der aufgeweichten Erde. An ihrem alten Kombi blätterte bereits die falsche Holzverkleidung ab, und die Karosserie war an vielen Stellen in verschiedenen Farben geflickt. Die Reifen hätten dringend erneuert werden müssen.

„Damit machen Sie die Gegend unsicher?“, fragte Austin und betrachtete den Wagen, als hätte er noch nie einen so mitleiderregenden Anblick genossen.

„Er gehört dem Heim und ist einfach praktisch. Auf der Rückbank können wir fünf oder sechs Kinder unterbringen“, gab sie zurück. „Ich habe kein eigenes Auto.“

Er sah sie an und zog dabei auf unnachahmliche Weise eine Augenbraue hoch. Sie hätte ihn gern gebeten, es ihr noch einmal vorzuführen, unterließ es aber lieber. Er fand sie vermutlich schon mitleiderregend genug. Jetzt ging er um den Wagen herum und bei jedem Schritt versanken seine schwarzen Cowboystiefel mit einem blubbernden Geräusch im Schlamm.

Sein Besitz lag am Rande von Glenwood und umfasste vier Hektar Land. Dazu gehörten eine Garage für drei Autos, eine riesige zweistöckige Scheune, die er zu einem Loft umgebaut hatte, und ein riesiges leerstehendes Herrenhaus. Und dieses Haus war der Grund dafür, warum sie in strömendem Regen zu ihm gefahren war.

Es ging das Gerücht, dass er unendlich reich war, unverheiratet und entschlossen, sein Privatleben streng unter Verschluss zu halten. Aber Glenwood war klein, und seine Frauengeschichten blieben nicht unbemerkt. Alle zwei Wochen, fast sechs Monate lang, war eine Frau mit auffallend roten Haaren in einem weißen Sportwagen durch den Ort gerauscht und hatte bei ihm das Wochenende verbracht.

Rebecca hatte sie selbst öfter gesehen, und ihr Anblick hatte ihr jedes Mal einen Stich versetzt. Austins Auswahl an Frauen erfüllte die Männer mit Neid und ließ Frauen träumen – auch Rebecca. Aber sie gab sich keinen Illusionen hin. Denn Austins Freundinnen hatten zwei Dinge gemeinsam: Kurven und selbstbewusstes Auftreten. Ihr fehlte beides.

Er schaukelte den Wagen ein wenig, und dabei traten die Muskeln an seinen Armen deutlich hervor. Sein Hemd war bereits durchweicht, und Regen lief ihm übers Gesicht und tropfte von seiner Nase. In der Ferne war ein erstes Donnergrollen zu hören.

Jetzt zog er die Tür auf und glitt hinters Lenkrad. Nur Sekunden später sprang der Motor an.

Zuverlässig wie immer, dachte Rebecca. Genau wie ich. Nicht aufregend, aber zuverlässig.

Austin legte den Gang ein und gab Gas. Die Räder drehten im weichen Untergrund durch. Rebecca machte einen Satz zurück und dabei blieb ein Schuh im Schlamm stecken. Sie ruderte wild mit den Armen und stützte sich mit dem bestrumpften Fuß ab, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dabei versank sie bis zum Knöchel im kalten Schlamm.

„Na, wunderbar“, murmelte sie resigniert.

Austin fasste sie am Arm. „Alles in Ordnung?“, fragte er.

Sie wischte sich die dunklen, nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und sah stumm zu ihm auf.

Wasser lief ihm übers Gesicht und in den offenen Hemdausschnitt auf die sonnengebräunte Haut. Rebecca schluckte. Ihr Arm schien zu brennen, wo seine Finger sie berührten, und sie atmete ein bisschen schneller.

„Rebecca?“

„Was? Oh! Nichts passiert“, erwiderte sie schnell. „Ich glaube, ich habe meinen Schuh verloren.“ Sie zeigte betrübt auf einen undefinierbaren Erdklumpen.

Ein Blitz zuckte über den Horizont. „Das Gewitter kommt näher“, stellte Austin fest. „Ich kriege Ihren Wagen leider nicht frei. Am besten kommen Sie mit mir ins Haus, dann rufen wir einen Abschleppwagen.“

„Ich will keine Umstände machen.“

Er lächelte, und ihr Herz schlug schneller. „Dafür ist es leider schon zu spät.“

Er ließ sie wieder los. Dann bückte er sich und hob ihren Schuh auf. Genau der passende Abschluss einer schiefgelaufenen Woche, dachte Rebecca, als sie das undefinierbare Etwas in ihrer Hand betrachtete.

Austin setzte sich in Bewegung, und sie hinkte mit einem Schuh hinter ihm her. Der Regen hatte wieder zugenommen, und es war kälter geworden. Das nasse Haar hing ihr ins Gesicht, und sie zog ihr Samthaarband herunter. Es war genauso wenig jemals wieder zu gebrauchen wie der Rest ihrer Sachen. Warum hatte sie nur keinen Schirm mitgenommen? Aber dazu hätte es wenigstens eines Minimums an Hirn bedurft, und das fiel in schöner Regelmäßigkeit aus, wenn es irgendwie um Austin ging.

Sie hatten einen gepflasterten Weg erreicht, der auf beiden Seiten von Rasen gesäumt war. Austins Bewegungen waren elegant und männlich. Wenn sie neben ihm ginge, würden sie sich vielleicht berühren und … Hör auf, befahl Rebecca sich selbst. Es war wirklich schon peinlich, was sie hier inszenierte. Sie war gekommen, weil sie eine Aufgabe hatte, und die durfte sie nicht vergessen. Trotzdem … Sie seufzte ausdrucksvoll.

Er blieb unerwartet stehen. „Was ist los?“

Fast wäre sie mit ihm zusammengestoßen. Aber sie stieß sich nur den großen Zeh an einem Stein an. „Nichts“, sagte sie und biss die Zähne zusammen. Nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen, um nicht auf einem Fuß herumzuhopsen, bis der Schmerz nachließ.

Er sah auf sie hinunter. Ohne Schuhe war sie einen Meter vierundsiebzig groß, mit den Ballerinas war es ein Zentimeter mehr. Austin übertraf sie um noch einmal fünfzehn Zentimeter.

„Sie sind wirklich ein seltsames Geschöpf“, meinte er. Dann wandte er sich wieder ab und ging weiter.

Seltsam, dachte sie. Na, großartig. Sie wollte nicht seltsam sein, sondern, schön, witzig, aufregend, verführerisch. Aber es sollte nun einmal nicht sein. Sie war einfach nur langweiliger Durchschnitt, die Nachbarin, an die man gewöhnt war, nett und unauffällig, mehr nicht.

Austin war stehen geblieben und räusperte sich. Rebecca hob den Kopf und sah, dass er ihr eine Tür aufhielt. Sie trat ein.

Die Diele war klein und unmöbliert. Eine große Metalltür mit einem kleinen Fenster darin schien in eine Art Labor zu führen. Auf der anderen Seite schwang sich eine Treppe in den ersten Stock.

„Da geht es hinauf“, sagte er.

„Oh …“ Rebecca schluckte. „Ja, natürlich. Danke.“

Er war direkt hinter ihr, und sie konnte seinen Blick in ihrem Rücken spüren. Ihr wurde heiß. Aber wahrscheinlich registrierte er nicht einmal, dass sie eine Frau war.

Ihr erster Eindruck war der von Raum, Licht und Wärme. Der Wohnbereich nahm das gesamte obere Stockwerk ein. Abgetrennte Zimmer gab es nicht, sondern alle Bereiche gingen ineinander über. Hohe Fenster verliehen dem großzügigen Raum noch mehr Offenheit und Weite. Zwei ausladende Sofas grenzten eine Art Wohnzimmer ab, dahinter schloss sich die Küche an. An der gegenüberliegenden Wand stand ein geräumiges Doppelbett mit einer schwarzseidenen Tagesdecke.

Grelles Licht erfüllte für den Bruchteil einer Sekunde den Raum, unmittelbar darauf erschütterte ein gewaltiger Donnerschlag die Luft. Rebecca fuhr zusammen und griff in Panik nach dem Geländer. Aber sie bekam einen Arm zu fassen.

Bevor sie die Hand noch zurückziehen konnte, hielt Austin sie fest. „Haben Sie Angst vor Gewittern?“, fragte er.

Sie zitterte. Aber es waren nicht ihre feuchten Kleider oder die Kälte, die dieses Zittern auslösten, sondern nur seine Nähe. „Ein b-bisschen“, gestand sie.

Seine grauen Augen waren dunkel geworden. Sie gaben nichts preis, keine Gefühle, keine Gedanken.

Er zog Rebecca näher zu sich. „Das brauchen Sie nicht.“

Mit der freien Hand strich er ihr das feuchte Haar aus dem Gesicht. Es war eine fast zärtliche Geste, und sie weckte in ihr den Wunsch, sich an ihn zu schmiegen.

„Ich habe einen vorzüglichen Blitzableiter. Ihnen kann also nichts passieren.“

Rebecca blinzelte. Da schwand sie hin, die Romantik. „Fein.“

„Ich hole Ihnen ein Handtuch.“

„Handtücher?“, wiederholte sie etwas dümmlich.

Er war schon zum Schrank unterwegs. „Sie wollen doch sicher aus den nassen Sachen heraus. Ich rufe inzwischen eine Abschleppfirma an. Es kann allerdings eine Weile dauern, bis jemand kommt.“

„Ich soll mich ausziehen?“

„Vor allem sollen Sie nicht weiter auf meinen Boden tropfen.“

Sie sah hinunter. Unter ihren Füßen hatte sich bereits eine kleine Pfütze gebildet. Ihre Nerven begannen zu flattern. Ausgerechnet sie, das Muster an Bravheit und Langeweile, würde einen Nachmittag nackt mit einem notorischen Frauenhelden verbringen. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen oder lieber auf der Stelle die Flucht ergreifen sollte.

„Rebecca?“

Sie sah zögernd zu ihm auf. „Ja?“

„Geht es Ihnen nicht gut?“

Doch, dachte sie, aber ich mache nur Unsinn, wenn du da bist. Aber das konnte sie natürlich nicht laut sagen. „Ich bin ein bisschen müde“, erklärte sie, und als sie es sagte, merkte sie, dass es stimmte. Sie hatte gerade die längste und schlimmste Woche ihres Lebens hinter sich.

Austin kam mit einem Handtuch und einem Bademantel zurück. An einem Ärmel baumelte noch ein Etikett. „Ein Geschenk“, erklärte er.

Zweifellos von einer Frau. Männer schenkten sich keine Bademäntel.

„Dort hinten ist das Badezimmer.“ Er wies auf eine offen stehende Tür im hinteren Bereich des Raums. „Am besten duschen Sie heiß, damit Ihnen wieder warm wird.“

Ein Kuss von ihm würde sie viel besser wärmen.

„Danke“, sagte sie. „Aber ich will Ihnen auf gar keinen Fall zur Last fallen.“

„Das tun Sie nicht“, meinte er. „Nachher erzählen Sie mir dann vielleicht, warum Sie überhaupt gekommen sind.“

Sie nickte, unfähig, den Blick von seinem Gesicht zu lösen. Wenn er doch noch einmal lächeln würde. Aber ihr fiel keine witzige Bemerkung ein, mit der sie ihn dazu hätte bringen können.

Wie in Trance ging sie ins Bad. Sie konnte noch gar nicht glauben, dass sie tatsächlich in seinem – in Austins – Haus war. Das würde ihr bestimmt niemand glauben. Aber sie würde es sowieso niemandem erzählen, höchstens Elizabeth. Sie drückte mit einem Seufzer das Handtuch an ihre Brust. Vielleicht nicht einmal ihrer Freundin. Dieses Erlebnis war einfach zu kostbar, zu einzigartig.

Unter der Badezimmertür blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um. Austin stand neben seinem Bett. Er hatte schon sein Hemd ausgezogen und knöpfte gerade seine Jeans auf. Als er ihren Blick bemerkte, hielt er inne. Sie folgte der Spur seiner Brusthaare, bis sie spitz zulaufend im offen stehenden Hosenbund verschwanden. Er schien keine Unterwäsche zu tragen.

Sie drehte sich in schierer Panik um und floh in die Sicherheit des Badezimmers.

2. KAPITEL

Austin lächelte. Er streifte die nassen Jeans ab und zog ein neues Paar aus dem Schrank. Kaum war er mit dem Fuß in das erste Bein geschlüpft, als er einen spitzen Schrei hörte. Er ließ seine Hosen fallen, rannte zum Badezimmer und klopfte.

„Rebecca? Ist etwas passiert?“ Ein leises Stöhnen antwortete ihm. „Rebecca? Machen Sie auf! Haben Sie sich wehgetan?“

„Nein. Es ist nur …“

Er hörte Schritte, dann öffnete die Tür sich einen kleinen Spalt. Die Haare hingen ihr ins Gesicht, und ihre Augen waren von Wimpertusche schwarz verschmiert.

„Ich habe mich nur gerade im Spiegel gesehen.“

Er entspannte sich. „Ach, deswegen.“

„Ja, deswegen!“ Rebecca ließ den Blick von seinem Gesicht zu seiner Brust und weiter nach unten wandern. Sie blinzelte, dann wurden ihre Augen groß, und sie stieß einen erstickten Laut aus. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er nichts anhatte. „Huch! Ich … Ach du meine Güte!“ Damit fiel die Tür mit einem Knall ins Schloss.

Austin schüttelte den Kopf. Es war ja wohl nicht möglich, dass sie noch nie einen nackten Mann gesehen hatte. Er zog seine Jeans an und schlüpfte in ein Hemd, knöpfte es aber nicht zu.

Barfuß ging er in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Dann goss er großzügig Whiskey in zwei Tassen.

Er sah aus dem Fenster. Das Gewitter schien an Gewalt noch zuzunehmen. Der Himmel war pechschwarz und wurde nur in kurzen Abständen durch die grellen Blitze aufgehellt. Der Donner klang jetzt so nah, dass er das ganze Haus zu erschüttern drohte.

Das Plätschern in der Dusche hatte aufgehört. Austin lehnte sich an die Küchentheke und beobachtete die Tür. Er konnte jetzt schon sagen, wie Rebecca aussehen würde, wenn sie herauskam: feuchte Haare und große Augen, blass und fast zerbrechlich wirkend in seinem Bademantel. Sie würde ihn ansehen, erröten und dann den Blick niederschlagen. Rebecca Chambers erinnerte ihn immer an ein Schulmädchen. Natürlich war ihm ihre Backfischschwärmerei für ihn nicht entgangen.

Es dauerte noch zehn Minuten, bis die Badezimmertür endlich vorsichtig aufgemacht wurde. Rebecca sah genauso aus, wie er sie sich vorgestellt hatte. In seinem Bademantel schien sie fast zu verschwinden.

„Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?“

Sie hatte alle Schminke aus dem Gesicht gewaschen und sah aus wie siebzehn. Die lockigen Haare hingen glatt gebürstet auf ihre Schultern. Sie nagte an ihrer Unterlippe.

Ihm wurde warm. Einen Moment lang wünschte er, sie wäre wie Jasmine, die ihn an den Wochenenden besucht hatte: reich, einsam und gelangweilt. Sie hatten miteinander geschlafen, wild und ekstatisch, aber mehr hatte sie nicht verbunden. Ihre Beziehung war völlig unproblematisch gewesen. Vor drei Monaten hatten sie ihre Affäre beendet.

Jasmine fehlte ihm nicht, nur nach ihrem Körper sehnte er sich manchmal. Es wäre ein Fehler, eine ähnliche Beziehung mit Rebecca anzufangen, obwohl ihre schlanke Figur, die so anders war als Jasmines üppige Formen, ihn in Versuchung führte. Im Bett war sie wahrscheinlich eine Wildkatze. Aber ihre unschuldige Ausstrahlung hielt ihn davon ab, es herauszufinden.

„Ja, Kaffee täte jetzt gut“, sagte sie, machte einen Schritt auf ihn zu und blieb dann wieder stehen.

Er schenkte die Tassen voll. „Milch oder Zucker?“

„Nur Milch, bitte.“

Sie kam näher. „Danke. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen so viel Arbeit mache. Den ganzen Boden habe ich nass gemacht. Und der Bademantel ist himmlisch. Meine Sachen werden bestimmt bald wieder trocken sein, und dann fahre ich wieder und lasse Sie in Ruhe. Abgesehen von dem Auto natürlich. Aber Sie wollten ja einen Abschleppdienst rufen. Das wird natürlich wahrscheinlich eine Weile dauern bei dem Wetter und so. Ich weiß wirklich zu schätzen …“

„Rebecca?“

Sie schloss den Mund und sah zu ihm auf. Ihre Augen waren groß und dunkel, ihre Wangen hochrot. „Ja?“

„Sie reden Unsinn.“

Die Röte vertiefte sich. „Das sind die Nerven.“

„Zur Nervosität besteht überhaupt kein Grund.“ Er griff an ihr vorbei zum Wandtelefon und wählte eine Nummer. Aber offenbar meldete sich niemand, denn er legte den Hörer wieder auf, ohne etwas zu sagen. Er machte ihr ein Zeichen, ihm zu folgen.

„Was ist?“, fragte sie und tappte auf ihren nackten Füßen gehorsam hinter ihm her.

„Die Leitung ist zusammengebrochen. Das passiert öfter bei schlechtem Wetter.“

„Das heißt, Sie können keinen Abschleppwagen rufen?“

Der panische Unterton in ihrer Stimme hätte ihn fast zum Lächeln gebracht. Fast. Er machte ihr nicht gern Angst, andererseits würde sie ihn dann vielleicht nicht mehr so schmachtend anschauen.

Er setzte sich in einen Sessel und stellte seine Tasse auf der zum Couchtisch umfunktionierten Holzkiste ab. Rebecca versank im Sofa.

„Wenn der Strom nicht ausfällt, müsste die Leitung in ein, zwei Stunden wiederhergestellt sein“, versicherte er und knipste die Stehlampe an.

Rebecca umklammerte ihre Tasse. „Und wenn doch nicht?“

„Dann müssen Sie bis morgen hierbleiben.“

Ihr Mund öffnete sich, aber sie sagte nichts.

„Ich beiße nicht“, beruhigte er sie.

„Ich weiß.“ Sie seufzte, und ihre Enttäuschung war nicht zu überhören.

Ein Blitz tauchte den Raum in sein gleißendes Licht, fast im selben Augenblick krachte es donnernd. Rebecca fuhr zusammen und trank hastig einen Schluck Kaffee. Sie prustete. „Da ist ja Schnaps drin.“

„Ja, und?“

Sie sah ihn an, als hätte er gerade vorgeschlagen, dass sie nackt durchs Dorf spazieren sollte. „Wieso schütten Sie Schnaps in den Kaffee?“

„Ich bitte um Entschuldigung. Aber ich hätte schwören können, dass Sie schon über einundzwanzig sind.“

Sie setzte sich auf und sah ihn durchdringend an. Der Goldton des Sofas bildete einen reizvollen Kontrast zu ihren dunklen Locken. „Ich bin bereits neunundzwanzig, aber das ist nicht der springende Punkt.“

„Sondern?“, fragte er milde.

„Sondern dass ich … dass Sie …“ Sie holte tief Luft und ließ sich dann wieder in die Kissen zurücksinken. „Sie hätten mich wenigstens vorher fragen können.“

„Ich dachte, der Whiskey würde Ihnen gut tun.“

Ganz automatisch wanderte ihr Blick auf seinen Mund und blieb dort hängen. O nein, dachte er. Er wusste ganz genau, was sie dachte. Zum Teufel mit diesem Unschuldsgehabe. Er sagte sich, dass sie überhaupt nicht sein Typ war, dass er sie ignorieren sollte. Aber es half nichts. Sein Herz schlug schneller, und ihm wurde heiß.

Sie nippte an ihrem Kaffee, ohne einen Moment den Blick von ihm zu wenden. Meistens fand er ihre Schwärmerei für ihn eher amüsant, und aus der Ferne kam er gut damit zurecht. Aber hier in seiner Wohnung, allein mit ihr, durch das Gewitter abgeschnitten vom Rest der Welt, hatte er zu kämpfen.

Sie machte jetzt einen ganz entspannten Eindruck. Der Bademantel hatte sich ein wenig geöffnet und enthüllte einen Teil ihres Schenkels. Ihre Haut sah weich und seidig aus und fühlte sich bestimmt wunderbar an.

Er zwang sich, woanders hinzuschauen und sich auf die Tatsachen zu konzentrieren: Sie war mit Travis und Elizabeth befreundet, und wenn er mit ihr spielte, dann würde er es mit den beiden zu tun bekommen. Er wusste, dass er auf Frauen attraktiv wirkte – seines Geldes oder seiner Distanz wegen, die ihn wahrscheinlich irgendwie geheimnisvoll wirken ließ, vermutete er. Seine Spielregeln waren einfach: keine tiefen Gefühle, keine Versprechen, keine Bindung. Frauen wie Rebecca Chambers spielten nach anderen Regeln.

„Austin, ich …“

„Nicht. Erzählen Sie mir nur einfach, warum Sie gekommen sind.“

Sie runzelte die Stirn. Wie eine lebende Porzellanpuppe sieht sie aus, dachte er. Er würde gut daran tun, sie nicht anzurühren.

„Wegen des Feuers.“

„Feuer?“ Er konzentrierte sich mit Mühe darauf, was sie sagte.

„Ja. Sie müssen doch von dem Brand gehört haben.“

„Nur dass ein paar alte Gebäude vernichtet worden sind.“ Er hob die Schultern. „Ich war letzte Woche überhaupt nicht in der Stadt.“

Sie trank noch einen Schluck Kaffee und stellte dann ihre Tasse ab. Als sie sich vorbeugte, klaffte der Bademantel auf und enthüllte zwei kleine, aber vollkommene Brüste. Ihre Haut war elfenbeinfarben, die Brustspitzen von einem intensiven Korallrot. Sein Mund wurde trocken. Konnte sie nicht aufrecht sitzen?

„Das Kinderheim ist abgebrannt.“

„Was?“, gab er entsetzt zurück. „Ist jemand verletzt worden?“

„Nein. Zum Glück ist es tagsüber passiert. Da waren die großen Kinder in der Schule und die Kleinen haben im Park gespielt. Aber das ganze Spielzeug, unsere Essensvorräte und die Möbel sind verbrannt.“

Austin stand auf und trat an das große Fenster, das fast die gesamte Länge der Wand einnahm. Das Kinderheim. Er stützte sich auf dem Fensterbrett ab. Es war kalt geworden. Das Licht begann zu flackern.

Ihm war, als könnte er noch immer den Geruch nach Eintopf, alten Turnschuhen und Babypuder riechen, und er atmete tief durch. Er hörte ihre bloßen Füße auf dem Holzboden, als sie zu ihm kam, aber er drehte sich nicht um, sondern schaute weiter in den Regen hinaus. „Ich habe ein paar Jahre im Heim gelebt.“

Sie stand neben ihm, und er wandte sich ihr zu. Sie sagte nichts, aber er sah die Fragen in ihren braunen Augen. Wenn er ihr die ganze Geschichte erzählte, würde sie wahrscheinlich vor Mitleid zerfließen. Das passierte ihm mit allen Frauen. Manchmal nutzte er dieses Mitleid zu seinen Gunsten, aber nicht heute, nicht bei Rebecca. Er wollte sie nicht noch ermutigen – nicht weil er nicht an ihr interessiert war, sondern weil er es war.

„Sie sind Waise?“, wollte sie wissen, und er hörte das gefürchtete Mitgefühl in ihrer Stimme.

„Eigentlich nicht.“

„Warum waren Sie dann im Heim?“

Er antwortete nicht, sondern sah sie nur an. Diesen Blick hatte Jasmine immer seinen Eisbergblick genannt, aber sie hatte darüber gelacht, weil sie sich nichts aus ihm gemacht hatte. Rebecca traf dieser Blick ins Herz. Sie wandte den Kopf ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte das Gefühl, als hätte er gerade ein armes kleines Kätzchen getreten, und musste an sich halten, um sich nicht zu entschuldigen.

Was war nur los mit ihm? Seit wann war er so sentimental? Lag es an diesem unerwarteten Verlangen, das ihn erfasste, wenn er sie nur ansah? Oder war es mehr? Neidete er ihr ihre Unschuld? Nicht einmal als Kind hatte er diese Naivität, diese Offenheit gegenüber der Welt gehabt. Er hatte viele sehr unterschiedliche Erfahrungen in seinem Leben gemacht und viel dabei gelernt. Und er hatte immer gewusst, dass er anders war, und hatte es akzeptiert. Sogar stolz war er darauf gewesen – bis ihm klar geworden war, dass er immer allein sein würde.

„Sie möchten offenbar nicht darüber reden“, sagte Rebecca und wandte sich ab. Ihre Schultern senkten sich.

Er stieß eine stumme Verwünschung aus. Warum musste sie immer so leicht zu durchschauen sein?

„Ich war ziemlich schwierig.“

Sie sah zu ihm zurück und lächelte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie als Kind nicht einfach waren.“

„Ich war entschlossen, das Heim zu hassen. Und da lernte ich Travis kennen. Das hat alles verändert.“

„Ich habe mich schon öfter gefragt, wie Sie Freunde geworden sind. Sie sind so ganz anders als er.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Inwiefern?“

Sie lehnte sich an die Wand und versteckte die Hände im Rücken. „Travis ist offen und freundlich und er lacht viel. Und Sie sind …“ Sie unterbrach sich und sah zu ihm auf. „Ich meine, ich wollte sagen, dass Sie …“

„Ja?“

Sie atmete etwas schneller, und durch das Heben und Senken ihrer Brust öffnete sich der Bademantel ein wenig und gab den Blick auf die Mulde an ihrem Hals frei. Nichts daran war provozierend, und doch hatte er den Wunsch, sie zu berühren.

„Sie sind eben anders“, sagte sie endlich. „Wie sind Sie und Travis Freunde geworden?“

„Wir haben uns geschlagen.“ Er lachte, als er wieder daran dachte. „Ich war gerade zwei Tage in der Schule und hatte schon die vierte Schlägerei hinter mir. Travis nannte mich einen Raufbold, und ich ging auf ihn los. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass man es mit allen Hayes-Brüdern zu tun hat, wenn man einen angreift. Jedenfalls kamen die anderen drei sofort angerannt, um sich auf mich zu stürzen.“ Er schüttelte den Kopf. „Und dann hat Travis meine Seite ergriffen. Als der Direktor kam, verteidigten sie mich alle vier!“

„Und seit damals sind Sie Freunde“, meinte Rebecca, und ein verträumter Ausdruck trat in ihre Augen. „Was für eine schöne Geschichte. Travis muss gemerkt haben, dass Sie einfach nur ein unglücklicher, einsamer kleiner Junge waren.“

Austin wollte ihr widersprechen, aber natürlich hatte sie recht. Wie merkwürdig, dass er noch nie jemandem etwas vom Beginn dieser Freundschaft erzählt hatte. Dabei war sie es gewesen, die ihn veranlasst hatte, hierher zurückzukehren. Glenwood war der einzige Ort, in dem er es länger als ein paar Monate aushielt.

„Es ist lange her“, sagte er und ging zu einem Schreibtisch neben der Treppe. „Was wird jetzt aus dem Kinderheim?“ Er zog eine Schublade auf und nahm ein Scheckbuch heraus. „Brauchen Sie Geld? Sind Sie deshalb zu mir gekommen?“

„Eigentlich nicht.“

Rebecca folgte ihm, blieb hinter seinem Stuhl stehen und umfasste die Lehne. Unwillkürlich stellte er sich vor, dass sie den Bademantel fallen ließ und sich auf seinen Schoß setzte. Aber darüber musste er selbst lächeln. Nichts war unwahrscheinlicher. Sie mochte in ihn verknallt sein, aber sie würde sich ihm nie an den Hals werfen. Er wusste nicht, ob er ihr hätte widerstehen können.

Er sah sie an und studierte ihr Gesicht. Was war es nur, das ihn so in Versuchung führte, seine eigenen Regeln zu brechen? Natürlich lag es zum Teil daran, dass sie ihn so unverhohlen anhimmelte. Welcher Mann wäre da nicht geschmeichelt gewesen? Meistens ergriff er in solchen Fällen allerdings die Flucht. Aber bei Rebecca war es anders. Sie war anders. Und er besaß noch genügend Anstand, um ihre Verliebtheit nicht auszunützen. Wenn Rebecca Chambers die Wahrheit über ihn wüsste, würde sie wahrscheinlich so schnell sie konnte vor ihm davonlaufen.

Es war besser für sie, wenn sie die Wahrheit nicht erfuhr. Die kleine Stimme in seinem Inneren, die ihm zuflüsterte, dass er ihr diese Wahrheit vielleicht nicht nur verschwieg, weil er sie schonen wollte, sondern dass auch er selbst etwas zu gewinnen hatte, beachtete er nicht.

Sie fuhr sich mit den Händen durch die Haare und atmete tief durch. „Ich brauche Ihr Haus. Ja, ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen: Sie finden das unverschämt. Ich würde Sie ja auch nicht darum bitten, wenn mir eine andere Lösung einfiele. Zurzeit schlafen zwanzig Kinder in der Schulaula, aber da können wir nicht unbegrenzt bleiben. Deshalb hat Travis vorgeschlagen, dass ich Sie frage, ob wir nicht vorübergehend bei Ihnen unterkommen können. Wir würden Sie ganz bestimmt nicht stören.“

„Das möchte ich allerdings bezweifeln.“

„Austin, Sie sind meine allerletzte Hoffnung. Das Problem ist, dass wir keine Miete bezahlen können. Das bisschen Geld, das wir haben, brauchen wir für Essen, Kleider und Spielsachen. Wir würden das Haus auch nur drei Monate brauchen.“ Sie zog eine Grimasse. „Natürlich könnte ich die Kinder einzeln oder in kleinen Gruppen woanders unterbringen, aber das wäre nicht gut für sie, für David zum Beispiel. Er ist erst sieben Jahre alt. Seine Eltern und seine große Schwester sind vor sechs Wochen bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“

Sie hob bittend die Hände. „Er hat Verwandte, aber die sind so mit dem Streit um das Erbe beschäftigt, dass sie für ihn keine Zeit haben. David ist ein lieber Junge und sehr intelligent. Am liebsten würde ich Adoptiveltern für ihn finden. Aber bis dahin sind wir seine Familie.“

Austin wollte sich von ihrer Geschichte nicht beeinflussen lassen, aber tief in seinem Inneren regte sich ein Schmerz. „Rebecca, ich glaube nicht …“

„Austin! Es geht ja nicht nur um David. Da sind noch die Zwillinge. Sie haben bei ihrer alkoholkranken Großmutter gelebt, bis sie von ihr verlassen wurden. Und Melanie ist erst fünf.“ Ihre Stimme wurde brüchig. „Ihr Onkel hat sie misshandelt. Sie …“

Austin stieß eine heftige Verwünschung aus und stand auf. Er packte Rebecca an den Schultern und schüttelte sie leicht. „Ist ja gut. Ich wollte nur sagen: Ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird. Machen Sie mit dem Haus, was Sie wollen. Behalten Sie es, solange Sie es brauchen.“

Sie blinzelte, und er sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Wirklich?“, fragte sie.

„Wirklich. Rebecca, haben Sie das ganz allein durchgestanden?“

Sie nickte und ließ den Kopf an seine Brust sinken. „Seit Elizabeth im Mutterschaftsurlaub ist, habe ich nur noch Mary.“ Sie schniefte und hob dann den Kopf. Ihr Lächeln war ein wenig zittrig, aber es traf ihn wie Blitzschlag. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was Ihre Großzügigkeit für uns bedeutet.“

Austin ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Großartig. Jetzt war er in ihrer Wertschätzung auch noch gestiegen und wurde vermutlich vollends unsterblich.

„So toll ist es auch wieder nicht“, sagte er schroff und machte eine abwertende Handbewegung. „Das Haus steht ja leer. Sie werden Möbel mieten müssen. Die Rechnung geht an mich.“ Ihre Augen wurden immer größer, und er verzog das Gesicht. „Ich tue das nicht für Sie, Rebecca, sondern für die Kinder. Ich bin im Heim gut behandelt worden und möchte eine alte Schuld begleichen. Es ist also mehr oder weniger eine geschäftliche Angelegenheit. Machen Sie nicht mehr daraus, als es ist.“

Aber sie hatte ihn wohl immer noch nicht ganz verstanden. „Sie sind einfach wunderbar“, hauchte sie und zog den Gürtel des Bademantels fester zu. „Ich hatte solche Angst davor, dass Sie nein sagen würden.“

„Schlafen Sie auch in der Schule?“

„Ja. Sonst wäre nachts niemand bei den Kindern. Das ist die einfachste Lösung.“

Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen und gestreichelt. Und zugleich wäre er am liebsten ganz weit weggelaufen und nie mehr zurückzukommen.

„Heilige Mutter Rebecca“, murmelte er.

„Was?“

„Nichts.“ Er schüttelte den Kopf. Auf einmal fühlte er sich alt und müde und viel zu zynisch für einen Menschen wie sie. In seiner hässlichen kleinen Welt gab es niemanden, der sich mehr als nötig für andere Menschen einsetzte. Auf diese Weise war es leichter, die Distanz zu wahren, zu vergessen, warum er keine Beziehung wollte.

Ihre Augen waren groß, und ihr Mund zitterte. Er neigte sich zu ihr und umschloss ihren Nacken mit der Hand. Sie verspannte sich, aber sie machte keine Anstalten, sich ihm zu entziehen. Sie duftete nach Frühling und Sonne.

Ihre Haut war so glatt und warm, wie er sich vorgestellt hatte. Er strich mit dem Daumen an ihrer Wirbelsäule entlang und fuhr dann mit den Fingern in die dunklen Haare. In ihrem Gesicht entdeckte er keine Angst, nur Vertrauen, das ihn ungeduldig machte.

„Wer sind Sie, Rebecca Chambers?“, fragte er. „Was haben Sie in meinem Leben zu suchen?“

„Ich weiß es nicht“, flüsterte sie.

Er ließ die andere Hand zum Kragen ihres Bademantels wandern. Wie leicht wäre es, den Mantel zu öffnen. Würde sie sich wehren? Er berührte den dicken Frotteestoff, aber er mied ihre Haut. „Haben Sie eigentlich schon jemals einen Strafzettel bekommen?“, wollte er wissen.

Sie nickte. „Ja. Ich hatte zu wenig Geld in die Parkuhr geworfen.“

Typisch. Fast hätte er gestöhnt. „Oder waren Sie schon jemals sinnlos betrunken?“

„Nein.“

„Oder haben mit einem Ihnen völlig fremden Mann geschlafen?“

Sie schüttelte errötend den Kopf. Nicht einmal wandte sie den Blick von seinem Gesicht. Jetzt sah er etwas wie Furcht in ihren Augen aufblitzen, aber es war schon vorbei, bevor er es noch recht registriert hatte.

„Haben Sie überhaupt jemals etwas wirklich Schlimmes getan?“

Jetzt blickte sie auf seinen Mund. „Nein.“

Er gab sie frei. „Ich rufe jetzt den Abschleppwagen“, knurrte er. „Und dann werden Sie von hier verschwinden.“

Ein besonders greller Blitz erleuchtete den Himmel fast taghell. Ein gewaltiger Donnerschlag folgte ihm, und gleichzeitig ging nach einem letzten Aufflackern das Licht aus. Austin stieß an einen Tisch und fluchte. Wenn der Strom ausgefallen war, dann funktionierte auch das Telefon nicht. Rebecca musste hierbleiben. Es gab keine andere Möglichkeit.

3. KAPITEL

Rebecca blieb stehen, wo Austin sie verlassen hatte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Knie waren weich.

Er hatte sie berührt. Allein der Gedanke an seine flüchtige Zärtlichkeit ließ ihren Puls rasen.

Obwohl er im Dunkeln ihre hochroten Wangen nicht sehen konnte, schlug sie die Hände vors Gesicht. Sie schämte sich für ihre Gedanken. In jemanden unglücklich verliebt zu sein, war eine Sache, aber mit einem Mann ins Bett gehen zu wollen, den sie im Grunde kaum kannte, war etwas völlig anderes.

Haben Sie je mit einem völlig fremden Mann geschlafen?

Natürlich konnte er nicht wissen, welche Bilder er mit seiner Frage in ihr heraufbeschworen hatte. In all ihren neunundzwanzig Jahren hatte sie nur einen einzigen anderen Mann nackt gesehen. Wayne war blond gewesen und gebaut wie ein Bär, stark und kräftig, ganz anders als Austin mit seiner Eleganz und seinem fast dämonisch guten Aussehen.

Mit Wayne hatte sie viel gelacht. Er war ähnlich aufgewachsen wie sie und hatte dieselben Wünsche und Ziele gehabt, hatte verstanden, was ihr wichtig war. Er war aus einer ganz anderen Welt gekommen als Austin.

Die Sonne war hinter den Gewitterwolken untergegangen und hatte den letzten Rest Licht mitgenommen. Rebecca hörte, wie Schubladen aufgezogen und wieder zugeschoben wurden. Dann flammte ein Streichholz auf und warf sein flackerndes Licht auf die gegenüberliegende Wand.

„Kommen Sie“, rief Austin. „Ich habe nicht genug Kerzen für den ganzen Raum.“

Sie tastete sich langsam zur Küche vor. Austin stand neben dem Telefon und lauschte mit düsterem Blick in den Hörer. Dann legte er ihn mit einer ungeduldigen Bewegung auf die Gabel zurück und betrachtete Rebecca mit geringer Begeisterung. „Es sieht so aus, als müssten Sie heute Nacht doch hier bleiben.“

Immer noch tobte das Gewitter ums Haus, aber sie fürchtete sich nicht mehr vor Blitz und Donner. Es war, als hätte der Rest der Welt aufgehört zu existieren. Sie war mit Austin allein. Die Zeit spielte keine Rolle mehr, genauso wenig wie irgendwelche vernünftigen Überlegungen. Diese Nacht gehörte ihr, und sie würde sie nutzen. Das nahm sie sich vor.

„Haben Sie schon gegessen?“, wollte Austin wissen.

„Nein. Aber ich könnte uns etwas machen, wenn Sie wollen. Das heißt, wenn Sie einen Gasherd haben.“

„Ja.“

„Gut.“ Rebecca öffnete die Kühlschranktür und begutachtete im Schein einer Kerze den Inhalt. „Steaks, Salat, ein …“

Austin berührte versehentlich ihre Hand, und sie schreckte zurück. Er stand so nahe bei ihr, dass sie die Härchen auf seiner Brust und die pulsierende Ader in seiner Halskuhle sehen konnte. Und auf einmal hatte sie das dringende Bedürfnis, ihn genau an diese Stelle zu küssen.

Sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. Was war nur los mit ihr? Vielleicht hatte der Regen ihr den letzten Verstand aus dem Hirn gewaschen.

„Sie brauchen nicht für mich zu kochen“, sagte er.

„Ich möchte es aber gern. Es ist das Wenigste, was ich tun kann, um mich für Ihre Mühe zu revanchieren.“

„Nichts liegt mir ferner, als eine Frau von ihrer karitativen Mission abzubringen.“ Er trat einen Schritt zurück und gab den Kühlschrank frei. „Bedienen Sie sich.“

Zwanzig Minuten später saßen sie sich am Tisch gegenüber. Rebecca nippte nur an ihrem Wein, aus Angst, sonst etwas Dummes zu sagen. Sie mochte gar nicht daran denken, was alles passieren konnte, wenn sie beschwipst war!

Sie musste sich zwingen, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren und sich nicht in Austins Anblick zu verlieren. Im Kerzenlicht schimmerte seine Brust in einem warmen Goldton, und sie fand es schwer, ihn nicht anzustarren.

Er schenkte ihr Wein nach. „Warum kümmern Sie sich um anderer Leute Kinder, statt eigene in die Welt zu setzen?“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich überhaupt Kinder will?“

Er schob seine Augenbraue hoch. Sie würde viel darum geben, wenn sie wüsste, wie er das machte.

„Weil Sie genau der Typ dafür sind“, sagte er. „Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht gern eine Familie hätten.“

„Nein.“ Sie legte ihre Gabel ab. „Es hat sich nur einfach noch nicht ergeben.“

„Immer noch auf der Suche nach dem Mann fürs Leben?“

Sie sah ihn an. „Ich hatte ihn schon gefunden, aber er ist gestorben.“

Austin hatte gerade trinken wollen, aber jetzt stellte er sein Glas ab. „Das tut mir leid.“

„Es ist lange her, und ich bin darüber hinweg. Wayne war ganz anders als Sie.“

„Das wundert mich nicht.“ Wie er das meinte, war an seinem Gesichtsausdruck nicht abzulesen.

„Das sollte nicht abwertend sein.“

„Das habe ich auch nicht angenommen.“

Sie war nicht sicher, ob er sich nicht doch ärgerte. „Wayne und ich haben uns im College kennengelernt. Drei Monate vor dem Hochzeitstermin verunglückte er mit dem Auto. Ein Jahr später starb er, und eineinhalb Jahre danach bin ich nach Glenwood gezogen.“

„Es muss schwer für Sie gewesen sein.“

Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie das Gefühl, dass er ehrlich war. „Ja. Aber jetzt tut es nicht mehr so weh.“

Sie dachte wieder an Waynes Gesicht, als er erfuhr, dass er nie wieder würde laufen, nie wieder würde Sport treiben können. Und sie dachte an seinen Schmerz, als ihm der Arzt beigebracht hatte, dass er kein „Mann“, mehr war. Sie hätte ihn trotzdem geheiratet, aber er hatte sie nicht mit einem „Krüppel“, belasten wollen. Dabei hatte seine Stimme so bitter geklungen, dass sie das Thema nie wieder angesprochen hatte. Er hatte es nie gesagt, aber sie wusste, dass er ihr die Schuld daran gab, dass er die körperliche Liebe nie kennengelernt hatte.

Und er hatte ja recht. Sie hatte immer warten wollen bis zur Hochzeit. Bis es zu spät war. Alle die Jahre, die sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte sie ihre Jungfräulichkeit bewahrt, um sie ihrem Mann in der Hochzeitsnacht zum Geschenk zu machen. Als Wayne starb, hasste er sie dafür. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Und jetzt, mit neunundzwanzig Jahren, war es nur noch lächerlich, dass sie sich „aufbewahrt“ hatte. Jetzt wollte sie es einfach nur hinter sich bringen.

„Rebecca?“

„Hm?“ Sie sah auf mitten in Austins graue Augen und blinzelte. „Entschuldigen Sie. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht.“

„An Wayne?“

Sie seufzte. „Ja. Ich wollte ihm so gern alles erklären, aber er wollte mir nicht zuhören. Und ich kann es ihm nicht einmal vorwerfen. Es war meine Schuld.“

Sie unterbrach sich, als ihr klar wurde, dass Austin keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. Aber sollte sie sagen: Ich bin mit neunundzwanzig noch Jungfrau, und ich bin es leid? Könnten Sie mir nicht weiterhelfen?

Eigentlich sollte sie sich schämen, dass sie so etwas überhaupt dachte. Aber sie schämte sich nicht. Und das konnte nur bedeuten, dass sie in größeren Schwierigkeiten war, als sie geahnt hatte.

Sie wusste nicht, wie lange sie geschwiegen hatte, aber auf einmal wurde ihr die Spannung im Raum bewusst. Es war ein Vibrieren, das tief in ihrem Inneren ein Echo fand und ihren Puls beschleunigte.

Austin beobachtete sie. Im Licht der Kerzen wirkten seine grauen Augen unergründlich. Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn und verliehen ihm ein dämonisches, fast unheimliches Aussehen. Sein goldener Ohrring leuchtete auf, und wieder musste Rebecca an Piraten, geraubte Küsse und verbotene Liebe denken.

Sie bekam mit einem Mal kaum Luft. Vielleicht hatte sie zu intensiv an Wayne gedacht. Oder es hatte einfach mit ihrer Erschöpfung zu tun. Seit dem Brand hatte sie keine Nacht mehr richtig geschlafen. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass Austin ihr sein Haus geben wollte, dass er einfach ja gesagt hatte. Wenn er sich geweigert hätte, hätte sie es ihm auch nicht übel genommen. Er war so anders als sein Ruf, er war freundlich und gütig und …

„Schauen Sie nicht so“, knurrte er.

Sie blinzelte. „Wie schaue ich denn?“

„Als wäre ich so eine Art edler Ritter. Wenn Sie das glauben, sind Sie noch verrückter, als ich dachte.“ Er schüttete den Rest aus der Weinflasche in sein Glas. „Das Gewitter ist fast vorbei“, sagte er und sah Rebecca dabei böse an. „Wenn die Straße morgen nicht trocken ist, ziehe ich Ihren vermaledeiten Wagen selbst aus dem Schlamm.“

„Sie fluchen ziemlich viel, finde ich.“

„Und Sie nicht genug.“

„Ich fluche grundsätzlich nicht.“

Er verzog das Gesicht. „Genau darum geht es. Wir haben nichts gemeinsam. Ich ziehe unkomplizierte, erfahrene Frauen vor. Sie sind das genaue Gegenteil davon.“

Rebecca erstarrte und wurde rot. „Was wollen Sie damit sagen?“

Er beugte sich vor, griff in ihre Haare und zog ihren Kopf zu sich, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Das wissen Sie sehr gut, Rebecca. Glauben Sie mir, wenn jemand den Reiz des Verbotenen zu schätzen weiß, dann bin ich das. Aber ich bin nicht interessiert.“

Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Und bevor sie es noch verhindern konnte, füllten ihre Augen sich mit Tränen. Sie wollte sich ihm entziehen, aber er ließ es nicht zu.

„Sie sind nicht mein Typ!“, erklärte er brutal. „Und vor allem bin ich nicht Ihr Typ. Ich bin nicht so wie Ihr Wayne und helfe armen alten Damen über die Straße und begehe jeden Tag eine gute Tat. Ich interessiere mich ausschließlich für mich.“

Rebecca hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen – oder ihn noch lieber geküsst. Trotz allem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, reagierte sie völlig irrational auf seine Nähe.

Sie holte tief Luft und nahm all ihre Würde zusammen. „Ich bedaure, wenn ich Sie irgendwie gekränkt habe. Das war nicht …“

Aber sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu Ende zu sprechen. Er zog sie noch ein Stückchen näher zu sich, bis ihre Lippen sich berührten. Unwillkürlich schloss sie die Augen. Ihr war am ganzen Körper heiß, als hätte sie Fieber. Und als sie schon fürchtete, sie würde wahnsinnig werden, bewegte er endlich die Lippen auf ihrem Mund. Sie rang nach Atem. Und dann ließ er sie unerwartet los und stand auf.

Rebecca sank kraftlos in ihrem Stuhl zurück. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, und ihre Hände zitterten. Lust und Verlangen nach ihm beherrschten ihren Körper, und sie wagte nicht, zu ihm aufzuschauen. Wahrscheinlich hatte dieser Kuss ihn völlig kalt gelassen.

Wortlos ging er zu einem Schrank und nahm ein T-Shirt heraus. „Da“, sagte er und warf es ihr zu. „Als Nachthemd.“ Sie sah ihn nur stumm an. „Sie schlafen im Bett, ich nehme die Couch. Und morgen früh verschwinden Sie, und wir werden beide so tun, als wäre das alles nie passiert.“

Was meinte er mit „das alles“? Es war doch gar nichts passiert außer diesem kurzen Kuss. Oder gab es etwas, wovon sie nichts wusste? Sie nagte an ihrer Unterlippe und wünschte, sie hätte ein bisschen mehr Erfahrung mit Männern.

„Ich will noch nicht ins Bett gehen“, erklärte sie schließlich eigensinnig.

„Keiner hat Sie um Ihre Meinung gefragt“, gab er scharf zurück. „Ich habe keine Lust, mir morgen irgendwelche Vorwürfe anzuhören. Ich mag ein Ekel sein, aber ich bin nicht ganz verantwortungslos.“

Rebecca war endgültig verwirrt. Sie legte das T-Shirt auf den Tisch und stand auf. Nachdem sie sorgfältig den Gürtel des Bademantels fester zugezogen hatte, schob sie die Hände in die Taschen und sah zu ihm auf. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Erst unterhalten wir uns ganz normal, dann küssen Sie mich, und im nächsten Augenblick schicken Sie mich wie ein Kind ins Bett.“

Er kam um den Tisch und blieb vor ihr stehen. Sie waren sich so nahe, dass sie die Wärme spürte, die von seinem Körper ausging. Vielleicht hätte sie sich vor ihm fürchten sollen, aber sie hatte keine Angst. Denn im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass Austin Lucas ein netter Mann war. Nur nette Menschen stellten bedürftigen Waisenkindern ihr Haus zur Verfügung.

„Ich bin nicht Ihr verdammter Verlobter“, sagte er jetzt, und sein Blick verhieß Sturm.

„Ich weiß.“

„Nichts anderes versuche ich Ihnen zu erklären. Sie wollen mich, weil ich anders bin. Ich soll Ihnen helfen zu vergessen. Und deshalb wollen Sie mit mir ins Bett gehen.“

Rebecca erlitt einen mittleren Schock. Wie hatte er das erraten? Oder war das so offensichtlich gewesen?

„Ich will nicht …“, begann sie stammelnd und hoffte nur, dass er im Kerzenlicht nicht sah, dass ihre Wangen hochrot geworden waren. Sie wandte sich ab und wollte gehen, aber er hielt sie fest.

„Sie haben sich doch nicht im Ernst eingebildet, dass Sie mir etwas vormachen können?“, fragte er leise, und seine Stimme klang heiser.

Sie gab einen kleinen Laut von sich, aus dem zugleich Scham und Verlegenheit klangen.

„Glauben Sie denn, ich wüsste nicht, was Sie sich die ganze Zeit in Gedanken ausmalen, Rebecca?“

Er lachte sie aus! Vor Scham wäre sie am liebsten im Boden versunken oder besser gleich gestorben.

„Entschuldigen Sie“, flüsterte sie und wollte sich abwenden. Tränen stiegen ihr in die Augen, und eine Träne rollte ihr über die Wange. „Lassen Sie mich los. Ich werde Sie nie wieder belästigen.“

Er gab ihren Arm frei, aber bevor sie noch einen Schritt von ihm fort machen konnte, legte er ihr die Hände auf die Schultern und zog sie an sich. „Fangen Sie jetzt nur nicht auch noch an zu heulen! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich ein elender Egoist bin. Warum glauben Sie mir nicht? Ich will doch Ihre Gefühle nicht verletzen. Sie sollen nur verstehen, dass ich nicht so bin, wie Sie glauben. Ich bin kein ‚guter Mensch‘. Vergessen Sie mich und suchen Sie sich einen zweiten Wayne und schenken Sie ihm ein halbes Dutzend Kinder.“

Seine Stimme war sanft und warm und sie beruhigte sich wieder ein wenig. Aber dann strich er ihr übers Haar und das war zu viel. Sie fing an zu schluchzen. Ihr ganzer Körper schüttelte sich. „Tut mir leid“, stammelte sie. „Sonst bin ich eigentlich nicht so empfindlich. Das kommt wahrscheinlich von dem Feuer und … und …“

„Ich weiß. Weinen Sie nur, wenn es Ihnen guttut.“

Sie wollte sich beherrschen, aber sie kam nicht gegen den Tränenstrom an. Er hatte tröstend die Arme um sie gelegt und hielt sie fest. Sie weinte um alles, was sie bei dem Brand verloren hatte, um die Angst der Kinder und ihre eigene Angst, überfordert zu sein. Die Verantwortung wuchs ihr über den Kopf, aber es war niemand da, der sie mit ihr hätte teilen können.

Als das Schluchzen in Schniefen überging, wurde Rebecca langsam bewusst, dass ihr Mund an Austins nackter Brust lag. Seine Haut war warm und feucht von ihren Tränen und roch schwach nach herbem Moschus. Er ließ die Hände über ihren Rücken wandern, sein Kinn lag auf ihrem Haar, und er sprach beruhigend auf sie ein.

„Wahrscheinlich halten Sie mich für völlig hirnlos“, sagte sie. Sie wusste, dass sie sich von ihm lösen sollte, aber sie brachte nicht die Kraft dazu auf.

„Nein. Ich halte Sie für einen ganz besonderen Menschen. Ich wollte Ihnen nur klarmachen, dass ich mich nicht zum Märchenprinzen eigne.“

„Ich will keinen Märchenprinzen.“

Er stand ganz still und sie hob den Kopf. „Sie haben recht, Austin. Ich …“ Sie suchte nach den richtigen Worten. „Sie gefallen mir, und das auch, weil Sie ganz anders sind als Wayne. Aber ich verkläre Sie deshalb nicht zum romantischen Helden. Dafür kenne ich Sie nicht gut genug.“ Sie schluckte. Er hatte sich entschuldigt, aber sie war es gewesen, die diese ganze Situation überhaupt erst herbeigeführt hatte. „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Wenn ich geahnt hätte, dass meine Gedanken so offensichtlich sind, hätte ich an etwas anderes gedacht.“

In seinen Augen stand ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte. Er lächelte ein wenig schief. „Ich habe mich nicht beschwert“, meinte er. „Aber Sie würden es bereuen, und das will ich vor allem mir nicht antun.“

„Und wenn ich verspreche, dass ich nichts bereuen würde?“, entfuhr es ihr.

„Rebecca!“

Ihr Mut überraschte sie selbst. Aber diese Chance bekam sie wahrscheinlich nie wieder.

In gewisser Weise war er genau das, was sie gesucht hatte: Er war nicht an einer Beziehung interessiert, er war erfahren, und sie würde sich nie einen Mann wie ihn fürs Leben aussuchen. Sie war mit ihren neunundzwanzig Jahren noch Jungfrau und brauchte einen Mann, der diesen Zustand änderte. Denn Frauen, die in ihrem Alter noch nie mit einem Mann geschlafen hatten, wurden offenbar als eine Art exotischer Tiere betrachtet. Deshalb musste etwas geschehen. Und wer wäre als Retter in der Not besser geeignet als Austin? Sie hatte sich in ihrer Phantasie so oft ausgemalt, wie es mit ihm sein würde, dass es ihr schon fast wirklich vorkam.

„Ich meine es ernst“, sagte sie jetzt und ließ die Hände an Austins muskulösen Armen hinauf zu seinen Schultern wandern. „Wenn wir miteinander schlafen, hört diese Schwärmerei vielleicht auch auf, und ich behellige Sie in Zukunft nicht mehr.“

„Das würde ja nicht gerade für meine Qualität im Bett sprechen“, meinte er trocken.

Er begann wieder, ihren Rücken zu streicheln, aber diesmal bewegten seine Hände sich weiter bis zu ihrem Po.

„Keine Reue“, versprach sie. „Und keine Träume von einer gemeinsamen Zukunft.“

Er sah ihr in die Augen. Sein Blick verriet nichts. Er legte die Hände um ihr Gesicht und neigte den Kopf. Langsam, fast zärtlich, strich er mit den Lippen über ihren Mund, immer wieder, als hielte er sie für ein zerbrechliches Wesen. Sie umfasste seine Schultern, und ihre Knie begannen zu zittern.

Er zog sich ein wenig zurück, und ihre Blicke verfingen sich ineinander. Lust stand in seinen Augen, Lust und Verlangen, und diese Augen waren so grau wie die stürmische See. Bis zu diesem Augenblick war Rebecca sich seiner Reaktion unsicher gewesen, aber jetzt wusste sie, was er empfand. Er begehrte sie so wie sie ihn. Sie wusste instinktiv, dass ihre Entscheidung richtig war. Austin Lucas mochte kein Engel sein, aber sie vertraute ihm. Er würde ihr nicht wehtun. Sie lächelte. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben handelte sie rein intuitiv.

„Und du wirst es ganz bestimmt nicht bereuen?“, fragte er noch einmal.

Es war völlig verrückt, was sie tat, aber Wayne war tot, und sie musste ihr Leben weiterführen. Austin gab ihr die Möglichkeit, den wichtigen ersten Schritt zu tun.

„Nein“, erwiderte sie fest.

Es war, als hätte er nur auf dieses eine Wort gewartet, denn er fuhr mit beiden Händen in ihre Haare und bedeckte ihren Mund mit verzehrenden Küssen. Er schien sie verschlingen zu wollen, saugte und knabberte an ihren Lippen, fuhr mit der Zunge über ihre Mundwinkel und drängte sie endlich, ihm den Mund zu öffnen.

Sie gab nach, und er küsste sie so, wie sie es sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hatte. Er spielte mit ihr, sanft in einem Moment, wild und aufreizend im nächsten, nahm alles, was sie ihm bot, und ließ sie vor Verlangen keuchen.

Seine Hände bewegten sich zu ihrem Nacken, und mit den Daumen zeichnete er eine Linie von ihrem Kinn zu ihrem Hals. Wo er sie berührte, schien ihre Haut zu brennen, und sie sehnte sich nach mehr, viel mehr.

Sie klammerte sich an ihn, als würden so seine Kraft, seine Stärke auf sie übergehen. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr war heiß, und sie zitterte vor unerfüllter Leidenschaft. Alles in ihr drängte nach Erfüllung. Ihre Brustknospen waren hart und empfindlich und sehnten sich nach seiner Berührung.

Er strich mit den Lippen über ihre Wange, fuhr mit der Zungenspitze die Konturen ihres Ohres nach und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Sie ließ die Hände unter seinem offenen Hemd über seine Brust gleiten. Seine Haut war warm und zart, wo sie nicht von Härchen bedeckt war. Sie bewegte die Hände zu seiner Taille und wieder nach oben. Er atmete schneller.

Dann fühlte Rebecca Austins Hände am Gürtel ihres Bademantels, und im nächsten Augenblick hatte er ihn aufgezogen. Er schob den Mantel auseinander und über ihre Schultern und Arme, bis er zu Boden fiel und sie nackt vor ihm stand.

Es überraschte sie, wie kühl die Luft im Raum war. Automatisch hob sie die Hände und bedeckte ihre Brüste.

Austin sah ihr in die Augen. „Willst du es dir noch einmal überlegen? Wir müssen ja nicht …“

„Ich will aber.“ Sie musste es tun – nicht nur um ihre Jungfräulichkeit endlich loszuwerden, sondern auch weil ihr Körper sich nach Erfüllung sehnte. Sie musste ihn fühlen, ihn in sich spüren, musste herausfinden, wie es war in einer so intimen Situation mit ihm.

„Warum versteckst du dich dann vor mir?“, wollte er wissen. „Du findest deinen Busen zu klein“, sagte er ihr auf den Kopf zu.

Sie nickte. Zu ihrer Überraschung lächelte er. „Wieso findest du das so komisch?“

„Dein Freund muss da irgendetwas falsch gemacht haben. Du bist eine wunderschöne Frau, Rebecca, in jeder Hinsicht. Du hast genau die Kurven, die einen Mann verrückt machen.“

Ihre Lebensgeister hoben sich wieder ein wenig. „Im Ernst?“

„Im Ernst.“

„Danke. Irgendwie habe ich immer Komplexe wegen meines Busens gehabt. Ich … Was tust du da?“

Er beugte sich hinunter und hob sie schwungvoll auf die Arme. Sie umschlang seinen Nacken. Im flackernden Kerzenlicht trug er sie zum Bett und legte sie auf die schwarze Satindecke. Der seidige Stoff war kühl an ihrer erhitzten Haut.

„Ich habe keinen Schutz hier“, meinte er. „Aber ich habe vor ungefähr zwei Monaten mein Blut untersuchen lassen. Es ist alles in Ordnung. Seitdem war ich mit niemandem mehr zusammen.“

Rebecca sah verständnislos zu ihm auf. Was meinte er nur? Ach, das! „Ja, ich auch. Ich meine, bei mir ist auch alles in Ordnung. Keine Sorge.“ Wo sah er ein Problem?

„Es kann also nichts passieren?“

Was sollte denn passieren? Da sie mit niemandem geschlafen hatte, konnte sie auch keine Geschlechtskrankheit haben. „Nein.“

„Gut.“ Er stand auf und zog das Hemd aus.

Als er sich an seiner Hose zu schaffen machte, wollte sie den Blick abwenden, aber sie brachte es nicht über sich. Sie wollte ihn sehen. Seine Jeans rutschten über die Hüften, und seine Erregung war unübersehbar. Einen winzigen Augenblick lang verspürte sie so etwas wie Angst, aber dann war sie froh. Jetzt wusste sie wenigstens, dass er sie wirklich begehrte.

Wortlos kam er zu ihr. Das Licht war zu schwach, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, aber sie spürte seine Wärme. Er beugte sich über sie und hob ihre Arme um seinen Hals. Dann neigte er den Kopf und küsste sie.

Seine Lippen elektrisierten sie. Heißes Verlangen durchzuckte ihren Körper, und sie fuhr mit den Fingern in seine Haare.

Seine Küsse waren aufreizend langsam, als hätten sie alle Zeit der Welt, als gäbe es in dieser stürmischen Nacht nur sie beide. Wahrscheinlich sollte sie über ihr Benehmen entsetzt sein. Aber dafür hatte sie später noch Gelegenheit. Jetzt wollte sie nur den Moment genießen.

Austin lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln. Als ihre nackten Beine sich berührten, wurde ihr heiß zwischen den Schenkeln.

Seine Brusthaare kitzelten sie am Busen, und sofort stellten sich die Spitzen auf. Da neigte er den Kopf und schloss die Lippen über einer Brustknospe.

Rebecca zog mit einem scharfen Geräusch den Atem ein. Er saugte an der kleinen harten Knospe und ließ die Zunge spielerisch darum kreisen. Dann legte er die Hand auf ihre andere Brust und streichelte sie da, wo sie am empfindsamsten war.

An ihrem Schenkel fühlte sie, wie erregt er war. Sie hätte ihn gern angefasst, aber ihr fehlte der Mut. Stattdessen streichelte sie seinen Rücken, seine Schultern und strich ihm übers Haar.

Er bewegte den Mund zu ihrer anderen Brust, und ihr Herz schlug einen Wirbel. Das Pochen zwischen ihren Beinen wurde stärker. Sie warf den Kopf zurück und klammerte sich an der Bettdecke fest. Allein sein Atem auf ihrer Brust, seine Zunge auf den harten Knospen erregten sie über die Maßen. Die Wirklichkeit übertraf ihre Phantasiebilder um ein tausendfaches.

Austin hob den Kopf und sah in Rebeccas Gesicht. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Lippen waren leicht geöffnet. Ein Zittern durchlief sie, als er wieder zu saugen begann. Er tastete sich mit der Hand über ihren glatten, weichen Bauch hinunter zu ihrem lockigen, heißen Dreieck. Es wäre so leicht, einfach in ihr zu versinken und seiner Lust nachzugeben. Aber damit würde sie bestimmt nicht zufrieden sein. Er wollte spüren, wie sie sich unter ihm aufbäumte, wenn sie zitternd den Höhepunkt erreichte, wollte beobachten, wie sie danach langsam in die Wirklichkeit zurückkehrte. Erst dann wollte er seinem eigenen Verlangen nachgeben.

Seine Berührungen wurden intimer, und er seufzte, als sie unter seinen Liebkosungen erzitterte. Ihre Haut leuchtete im Dunkeln wie Elfenbein. Wenn er sie nur ansah, war er in Gefahr, sich nicht länger beherrschen zu können.

Er schloss die Lippen fester um ihre Brustspitze und fand das Zentrum ihrer Lust. Sie fuhr zusammen, als er mit dem Finger darüber strich und langsam begann, sie zu streicheln, leicht zunächst, dann schneller und stärker.

Sie begann zu zittern und bewegte sich aufreizend unter seinen Händen. Er nahm ihren Rhythmus auf. Ihr Atem ging schneller, und ihre Muskeln verspannten sich. Sie stöhnte leise.

Seine Finger bewegten sich schneller, und sie stieß keuchend seinen Namen hervor. Dann lag sie auf einmal ganz still, bevor sie mit einem wilden Aufbäumen zum Höhepunkt kam.

Schweiß bedeckte seine Brust, und er sah sie an. Sie rang nach Atem. Langsam schien sie ihn wieder wahrzunehmen. Noch einmal ging ein zitternder Ruck durch ihren Körper. Nie hatte er etwas auch nur annähernd so Erregendes erlebt. Er musste sie haben – jetzt. Vorsichtig schob er sich über sie.

Sie lächelte. „Endlich“, flüsterte sie.

Er schloss die Augen, als er in sie eindrang. Sie war so wunderbar, und am liebsten hätte er seinem Verlangen sofort nachgegeben. Aber er konnte nicht.

Da spürte er einen Widerstand, und sie verspannte sich einen winzigen Augenblick lang, ehe er weiter eindringen konnte. Auf einmal wurde ihm der Grund dafür klar.

Er sah ungläubig auf sie hinunter. Rebecca Chambers war noch Jungfrau gewesen.

4. KAPITEL

Austin versuchte unter Aufbietung all seiner Selbstbeherrschung, sich zurückzuziehen.

Rebecca schlug die Augen auf, und ihre Blicke trafen sich. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber er entdeckte nichts als heiße Sehnsucht. „Nicht aufhören“, flüsterte sie und hob sich ihm entgegen.

Diese unerwartete Bewegung ließ ihn noch ein Stückchen tiefer in sie gleiten. „Rebecca Chambers“, stieß er hervor. „Wenn du dir einbildest, dass ich …“

„Bitte“, flüsterte sie und streichelte zärtlich seine Arme. „Bleib bei mir.“

Wieder bewegte sie die Hüften, und als er ihre verhangenen Augen sah und ihre feuchten, leicht geöffneten Lippen, gab er auf. Er neigte sich hinunter, nahm eine Brustspitze zwischen die Lippen und begann, daran zu saugen.

Rebecca hielt unwillkürlich den Atem an und stieß seinen Namen hervor. Er hob den Kopf, bis ihre Blicke sich trafen. Sie lächelte. Und dann verschwamm ihr Bild vor seinen Augen. Er wollte ihr Zeit geben, damit sie gemeinsam den Höhepunkt erreichten, doch es war zu spät. Irgendwo in seinem Hinterkopf flüsterte eine kleine Stimme, dass er ihr vielleicht wehtat, aber da umfasste sie seine Hüften und zog ihn zu sich.

Eine Welle der Lust ließ ihn am ganzen Körper erzittern. Einen Herzschlag lang war ihm, als hätte sich die Welt um ihn herum aufgelöst. Dann fand er wieder zurück in die Wirklichkeit.

Und damit kam auch die Vernunft zurück.

Langsam öffnete Austin die Augen.

Rebecca sah zu ihm auf. Ihr Gesicht war gerötet, und sie lächelte verträumt. Kein Spott lag in diesem Lächeln, keine Siegesgewissheit. Aber irgendetwas musste sie doch bezweckt haben. Warum hätte sie ihm sonst verschwiegen, dass sie noch Jungfrau war?

„Du willst wahrscheinlich eine Erklärung“, sagte sie jetzt und wandte den Blick ab.

„Erraten.“

Langsam stieg ihr die Röte ins Gesicht. „Ich habe dich nicht angelogen“, flüsterte sie verlegen.

„Das nicht. Aber du hast eine nicht ganz unbedeutende Einzelheit vergessen.“ Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er ihr nicht böse war. Er war ein wenig verwirrt, vielleicht sogar ein bisschen in Panik geraten, aber er ärgerte sich nicht. Anders wäre es gewesen, wenn sie das alles geplant hätte. Er ließ sich neben sie gleiten und betrachtete sie düster. „Wenn du mich in irgendeiner Weise hereinlegen wolltest …“

„Nein, nein“, widersprach sie schnell und sah ihn wieder an. „Das ganz bestimmt nicht. Ich …“ Sie schluckte, und ihre Röte vertiefte sich noch.

„Ja?“ Er legte ihr die Hände auf die Knie. Ihre nackte Haut fühlte sich weich und warm an.

„Ich habe es dir deshalb nicht gesagt, weil du dann bestimmt nicht mit mir geschlafen hättest“, erklärte sie schnell. „Sei mir bitte nicht böse. Aber du hast eben diesen gewissen Ruf, und ich dachte mir, wenn jemand mein Problem beheben kann, dann bist das du. Eigentlich solltest du dich geschmeichelt fühlen.“

Sie lächelte ihn versuchsweise an. Aber er blieb ernst, und ihr Lächeln erstarb. Sie wirkte auf einmal wieder sehr schutzlos, und er musste an sich halten, um sie nicht in die Arme zu nehmen. Dieser Wunsch war zu seiner eigenen Verblüffung fast so überwältigend wie zuvor sein Wunsch, mit ihr zu schlafen.

„Die Erklärung ist mir nicht gut genug, Rebecca“, sagte er.

Sie verschränkte die Arme vor ihrer nackten Brust. „Du bist mir böse.“ Das war keine Frage, und so gab er ihr keine Antwort.

Er wollte stur bleiben, als sie die Hand ausstreckte und ihm über den Schenkel strich. Ihm wurde heiß, und die Wirkung dieser Hitze war deutlich zu sehen. Rebeccas Augen weiteten sich.

„Austin?“

Er stieß eine unverständliche Verwünschung aus und machte Anstalten aufzustehen.

Aber sie umfasste seine Hand und hielt ihn fest. „Geh noch nicht. Ich möchte dir zuerst sagen, wie froh ich darüber bin, dass du es warst. Es war wundervoll, und ich möchte mich bei dir bedanken.“

Er schüttelte den Kopf. „So etwas Verrücktes ist mir noch nie passiert.“

Sie lächelte breit. „Das kann ich mir kaum vorstellen. Die Frauen laufen dir wahrscheinlich scharenweise nach und werfen sich dir an den Hals. Ich war bestimmt nicht die Erste, die dich verführt hat.“

Er musste lachen. „Du hast mich nicht verführt.“

Sie zog ihn wieder näher zu sich. „Doch.“

„Rebecca“, warnte er, „spiel nicht mit mir.“

„Dann sei nicht mehr böse. Ach, Austin, ich weiß ja, dass du das nicht vorhattest, aber du hast das erste Mal wunderschön für mich gemacht, und ich werde immer gern daran zurückdenken. Wenn du wüsstest, wie es ist, wenn man mit neunundzwanzig Jahren noch Jungfrau ist! Alle Männer haben sofort die Flucht ergriffen, wenn ich es nur angedeutet habe.“

„Dann waren sie unverzeihliche Dummköpfe.“

Sie wurde rot. „Danke.“

Er betrachtete sie – ihren nackten schlanken Körper, der auf dem schwarzen Satin wie Marmor wirkte. Ihre Haare lagen wie ein Fächer um ihren Kopf, ihr Mund war von seinen Küssen leicht geschwollen, ihr Gesicht gerötet. Ihre Brustknospen waren hart und korallenrot und sehr verführerisch.

Er ließ die Hand an ihrem Bein entlang zu ihrem Bauch und zu den dunklen Löckchen wandern und zog sie zurück, als hätte er sich verbrannt. „Ich bin nicht die Lösung, Rebecca. Ich bin kein Held.“

„Ich weiß. Aber ich bin nicht auf eine Beziehung aus. Ich möchte einfach nur meine Vergangenheit hinter mir lassen, und dieses dumme Häutchen war die letzte Erinnerung daran. Ich hatte mich für Wayne ‚aufbewahren‘ wollen. Er ist tot. Ich wollte einfach einen Schlussstrich ziehen. Das ist alles.“

„Das würde ich auch gern glauben.“

Rebecca stützte sich auf einen Ellbogen und hob die Hand. „Ehrenwort.“

Ihr Lächeln war einfach unwiderstehlich. Er beugte sich vor und küsste sie. Sie schmeckte so süß wie zuvor. Und noch immer umgab sie dieser Hauch von Unschuld, als bestünde kein Zusammenhang mit dem Verlust ihrer Keuschheit. Keuschheit! Er verzog das Gesicht bei diesem altmodischen Begriff. Was war denn mit ihm los? Sie war Jungfrau gewesen, ja und? Und sie hatte diesen Zustand ändern wollen, das war alles. Es hatte rein gar nichts zu bedeuten.

„Ich werde dich nicht belästigen, Austin. Keine Angst.“ Sie streichelte sein Gesicht. „Ich weiß doch selbst, dass wir nicht zusammenpassen.“

Ihre Finger glitten von seiner Wange über den Nacken zu seinem Rücken. Sie bewegte leicht die Hüften, als wüsste sie genau, dass er von neuem erregt war.

Aber er widerstand ihr. „Lieber nicht. Du … du hast ja jetzt erreicht, was du wolltest.“

Er erhob sich und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Das flackernde Kerzenlicht warf wilde Schatten an die Wand. Der Wunsch, sie noch einmal zu besitzen, schockierte ihn. Hatte sie etwas angerührt, was tief in ihm verborgen war? Er wollte es lieber nicht wissen, denn die Antwort hätte ihm Angst gemacht.

Sie wirkte so zerbrechlich auf seinem großen Bett. Am liebsten hätte er die Zeit zurückgedreht und alles ungeschehen gemacht. Und gleichzeitig wollte er dieses Erlebnis wiederholen. Aber er beherrschte sich und schlüpfte einfach nur neben sie unter die Decke, als er zu ihr zurückkam.

Rebecca kuschelte sich an ihn. Sie war warm und weich, und er wollte sie eigentlich wegschieben. Fast gegen seinen Willen zog er sie an sich.

Sie legte den Kopf auf seine Schulter. „Jetzt bin ich endlich normal“, seufzte sie zufrieden.

„Und was willst du mit deiner neuen Freiheit anfangen? Reihenweise arglose Männer verführen?“

Rebecca lachte. Ihre Brustspitzen bewegten sich an seiner Seite, und ihr Atem strich ihm übers Gesicht. Er umfasste sie etwas fester und rieb die Wange an ihrem Haar.

„Nein, bestimmt nicht. Aber ich würde gern einen netten Mann kennenlernen und heiraten und Kinder bekommen.“

„Vielleicht findest du noch einmal einen Mann wie Wayne.“

Rebecca verspannte sich leicht. „Ich will keinen zweiten Wayne. Ich könnte nie wieder einen Mann so lieben, wie ich ihn geliebt habe.“

Autor

Susan Mallery
<p>Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren herzerwärmenden Frauenromanen, die in 28 Sprachen übersetzt sind. Sie ist dafür bekannt, dass sie ihre Figuren in emotional herausfordernde, lebensnahe Situationen geraten lässt und ihre Leserinnen und Leser mit überraschenden Wendungen zum Lachen bringt. Mit ihrem Ehemann, zwei Katzen und einem...
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