Julia Collection Band 101

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Ihr Name ist Knight – und mit ihrer Ritterlichkeit machen sie ihm alle Ehre. Denn Connor, Declan und Mason würden niemals eine Frau in Nöten im Stich lassen. Auch wenn sie dabei Gefahr laufen, sich das Herz brechen zu lassen …

MINISERIE von Yvonne Lindsay

SINNLICHE KÜSSE UNTERM MISTELZWEIG
Hollys kühnster Wunsch geht in Erfüllung: Ihr Chef, der attraktive Connor Knight, küsst sie unterm Mistelzweig - und verführt sie dann zu einer leidenschaftlichen Nacht. Doch mehr ist unmöglich! Denn Holly hat ein dunkles Geheimnis, das Connor niemals erfahren darf.

GELIEBTER AUF ZEIT?
Ein Riesenschock für Gwen! Kurz vor der Hochzeit ist ihr Verlobter verschwunden - und mit ihm ihr Geld. Doch Declan Knight hat eine Idee: Um sein Erbe anzutreten, braucht er eine Ehefrau - auf Zeit. Gwen zögert, darauf einzugehen, aber Declans Küsse sind einfach überzeugend …

DAS GEHEIMNIS DER SCHÖNEN HELENA
Mason rettete ihr Leben - Helena schenkte ihm eine leidenschaftliche Nacht. Tags darauf heiratete sie den Mann, dem sie versprochen war. Jahre später bittet sie Mason, ihr mit der Firma ihres verstorbenen Ehemanns zu helfen. Und überrascht ihn mit einem unglaublichen Geständnis …


  • Erscheinungstag 09.12.2016
  • Bandnummer 101
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709648
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Yvonne Lindsay

JULIA COLLECTION BAND 101

1. KAPITEL

Connor Knight kochte vor Wut.

Fluchend warf er den Bericht seines Privatdetektivs auf den Schreibtisch, sodass der Packen Papier auf der polierten Mahagoniplatte über die Tischkante rutschte und die Blätter auf den dicken Teppich seines Arbeitszimmers flatterten.

Durch die geöffnete Terrassentür hörte er, wie die Barkasse sich mit dem Überbringer dieser schlechten Nachrichten an Bord langsam von seinem Privatanleger entfernte und dem Hafen von Auckland zusteuerte.

Connor konnte es kaum fassen, dass ihm seine Exfrau so übel mitgespielt hatte. Ihre unersättliche Gier nach Partys und Glücksspiel waren die vier Jahre ihrer Ehe hindurch schon schwer genug zu ertragen gewesen, aber das, wofür er den Beweis jetzt unwiderleglich hatte, übertraf alles. Gerade einmal sechs Monate nach ihrer Hochzeit hatte sie ihr gemeinsames Baby abtreiben lassen, ein Kind, von dem sie wusste, dass er es sich wünschte. Und bei dieser Gelegenheit hatte sie sich auch gleich noch sterilisieren lassen.

Von all dem hätte er nie etwas erfahren, hätte er nicht auf einem Wohltätigkeitsfest die abfällige Bemerkung einer ihrer Freundinnen aufgeschnappt, die ihn veranlasste, seinen Privatdetektiv einzuschalten. Die Gewissheit hielt er nun in Händen, oder vielmehr lag sie auf dem Fußboden verstreut vor ihm. Die Geschichte mit der Fehlgeburt, die sie ihm aufgetischt hatte, war eine glatte Lüge gewesen. Die Beweise waren lückenlos. Das Aufnahmeformular der Privatklinik fehlte in den beigefügten Unterlagen seines Privatermittlers ebenso wenig wie die detaillierten Rechnungen für die Anästhesie, den Eingriff und den stationären Aufenthalt.

Und von all dem hatte er keine Ahnung gehabt.

Jetzt hatte sie sich gerade wieder gemeldet. Vermutlich wollte sie wie üblich Geld von ihm. Er hätte es ihr sogar gegeben, um sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Aber da kannte er diesen Bericht noch nicht.

Connor hörte nebenan das Schlagen der alten Wanduhr. Verdammt, schon neun, dachte er. Die Zusammenkunft mit dem Boten der Detektei hatte ihn mehr Zeit gekostet, als er beabsichtigt hatte. Für seinen ersten Termin an diesem Tag in der Kanzlei war es bereits zu spät.

Über die Direktleitung rief er in seinem Büro an. „Holly, ich bin aufgehalten worden und komme etwas später. Liegt irgendetwas Dringendes vor?“

„Nichts Besonderes. Ihre Telefonkonferenz mit New York habe ich abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verlegt“, erklärte seine Assistentin. Ihre beruhigende, freundliche Stimme war eine wahre Wohltat nach den Turbulenzen dieses Morgens. Es gibt halt doch noch Menschen, auf die man sich verlassen kann, dachte Connor befriedigt.

Er zog das Jackett an und verließ, ohne sich darum zu kümmern, dass er auf die auf dem Boden liegenden Papiere trat, durch die Terrassentür das Haus. Dann schlug er den Weg zum Landeplatz ein, auf dem sein Hubschrauber bereits wartete, um ihn in die City zur Arbeit zu bringen.

Noch ein Christstern mit Schleifchen und ich bekomme einen Anfall, dachte Holly Christmas. Aber da ihr Geburtstag auf den Heiligen Abend fiel, war das nun einmal ihr Schicksal. Sie kannte das bereits. Genauso wie diese Schübe von Rührung, die sie trotzdem jedes Mal überkamen und gegen die sie tapfer ankämpfte, wenn die Kollegen mit Glückwünschen erschienen. Selbstmitleid war etwas, das sie nicht ausstehen konnte. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, passte das auch gar nicht zu ihr. Reiß dich zusammen, rief sie sich im Stillen zur Ordnung und fragte sich, warum ihr das in diesem Jahr besonders schwerfiel.

„Ein Christstern, wie schön!“, rief Holly aus, und ihre Begeisterung wirkte überzeugend. Wenigstens hatten ihre Kollegen überhaupt an sie gedacht. Heute war nicht nur Heiligabend, sondern auch der letzte Arbeitstag, bevor der größte Teil der Firma über die Feiertage in die Betriebsferien ging. Holly straffte die Schultern.

„Sehen wir uns nachher auf der Party?“, fragte eines der Mädchen aus dem Büro.

„Na klar“, versprach Holly. Sie durfte auf dieser Abschlussfeier nicht fehlen – allein schon deswegen nicht, weil sie es war, die für einen reibungslosen Ablauf sorgte. Ihre Aufgabe war es, sich darum zu kümmern, dass diejenigen, die genug getrunken hatten, in ein Taxi verfrachtet wurden oder dass aufgewischt wurde, wenn ein Glas zu Bruch gegangen oder eine Flasche umgestoßen worden war. Schon das dritte Jahr war das ihr Job an diesem Abend.

Holly liebte ihre Arbeit, und sie war sehr gut in ihrem Job. Sie hatte sich vom Pool der Schreibkräfte hochgearbeitet und war schließlich die Assistentin von Connor Knight geworden, der die Rechtsabteilung des Knight-Imperiums leitete.

Von den Fahrstuhltüren her ertönte ein „Ping“, und die Mädchen eilten an ihre Plätze, während der hochgewachsene Connor Knight durch den Korridor ging. Holly stellte den Blumentopf zu zwei anderen, die genauso aussahen, hinter sich auf das Bord. Sie biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, wie sie diese Pflanzen alle mit dem Bus nach Hause bekommen sollte.

„Guten Morgen, Holly.“

Holly stellten sich die Nackenhaare auf. Von dem Tag an, als sie mit Connor das Einstellungsgespräch über ihre neue Stelle als seine persönliche Assistentin geführt hatte, hatte diese dunkle, melodische Stimme sie elektrisiert. Und es war nicht allein seine Stimme. Sie hatte es längst aufgegeben, sich zu fragen, warum seine bloße Anwesenheit sie in Aufregung versetzte. Aber sie war sehr auf der Hut, sich ja nichts anmerken zu lassen. Die Liebe auf den ersten Blick, von der alle jungen Mädchen schwärmten, war für Holly eine tägliche qualvolle Prüfung.

Sie bekam ihren Puls schnell wieder unter Kontrolle. Sie hatte längst Übung darin und konnte sicher sein, dass Connor nicht die geringste Ahnung von dem hatte, was in ihr vorging, wenn er auftauchte.

„Mr. Tanaka hat aus Tokio angerufen und wollte wissen, wie weit die Verhandlungen gediehen sind. Er klang ein bisschen gereizt.“

Connor hörte ihr zu, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. „Das glaube ich gern, wenn er um diese Zeit anruft. Es muss jetzt bei ihm halb sechs Uhr morgens sein.“ Er trat durch die schwere Doppeltür in sein geräumiges Büro mit den zwei über Eck liegenden Fensterfronten. „In Ordnung, rufen Sie ihn an und stellen Sie ihn zu mir durch, wenn Sie ihn erreicht haben.“

Holly erlaubte sich den Luxus, einen Hauch seines Eau de Cologne einzuatmen, während er an ihr vorüberging – herb, frisch, mit einer besonderen Note, die verriet, dass es teuer war. Ein Hauch des Verbotenen schwang darin mit, verboten vor allem für jemanden wie sie. Sie ging an ihren Schreibtisch und stellte die Verbindung mit Tokio her. Als sie sicher war, dass Connor abgehoben hatte, und hörte, wie er Mr. Tanaka fließend auf Japanisch begrüßte, stand sie auf und schloss leise die Türen.

Sie unterdrückte einen leisen Seufzer. Für Connor Knight war sie nicht mehr als eine gut funktionierende Maschine. Als sie angefangen hatte, für ihn zu arbeiten, war er gerade frisch von seiner Jetset-Frau geschieden, und sie, Holly, schien wie alle anderen Frauen Luft für ihn zu sein.

Da sie davon ausgehen konnte, dass das Gespräch mit Mr. Tanaka Connor noch für einige Zeit beanspruchen würde, ging sie ein letztes Mal die Einzelheiten für die beiden Weihnachtspartys durch, die heute noch in der Firma stattfinden sollten, die für die Kinder und anschließend die für die Belegschaft. In diesem Jahr hatte sie sich selbst übertroffen. Die Cafeteria war in eine Märchengrotte verwandelt worden und sah einfach fantastisch aus. Und um halb sieben hatte Connor seinen Auftritt als Santa Claus.

Holly warf einen Blick auf den antiken Garderobenständer in der Ecke, an dem das leuchtend rote Kostüm hing. Eine Spur Bosheit lag in ihrem Lächeln. Bisher hatte Mr. Knight senior die Rolle übernommen. In diesem Jahr hatte er jedoch die sich verschlimmernde Arthrose in seinem Knie vorgeschützt. Aber er bestand darauf, dass ein Mitglied der Familie den Santa für die Kinder spielte. Als jüngster Sohn hatte Connor schlechte Karten, und alles Sträuben half nichts. Es war das einzige Mal, dass Holly erlebte, wie ihr Chef sich in sein Schicksal ergeben musste.

„Ach du liebe Zeit!“

Die Stimme hinter ihr ließ Holly aus ihren Gedanken aufschrecken und herumfahren.

Der Blick, mit dem Connor auf den Garderobenständer starrte, sprach für sich. „Er erwartet doch wohl nicht im Ernst von mir, dass ich das hier anziehe?“

„Warum nicht? Sie sind bestimmt perfekt als Weihnachtsmann“, wagte Holly zu bemerken.

Anstelle einer Antwort schob er ihr einen Stapel Papiere hin mit einer Kassette obendrauf. „Machen Sie mir das bitte fertig. Aber bevor Sie damit anfangen, sehen Sie nach, ob der Konferenzraum frei ist. Wenn ja, möchte ich das Team dort in einer halben Stunde sehen.“

„Gibt es Ärger?“, fragte Holly. Im Kopf ging sie rasch seine Termine durch, um die abzusagen, die für heute Vormittag noch anstanden. Wenn Connor die ganze Abteilung antreten ließ, musste es sich um etwas Ernstes handeln.

„Nichts, was sich nicht bewältigen ließe. Nur ist der Zeitpunkt nicht gerade der glücklichste …“ Er warf einen weiteren Blick auf das rote Kostüm und fuhr sich durch das dunkle Haar. „Ich fasse es einfach nicht …“

Holly musste sich ein schadenfrohes Lächeln verkneifen. Der unerschütterliche, erfolgsverwöhnte Mr. Knight, der es bei seinen Transaktionen mit ganzen Scharen von Juristen aus Übersee aufnahm, fürchtete sich offenbar vor ein paar Kindern, die artig Schlange standen, um sich nacheinander auf seinen Schoß zu setzen und ihm ihre Wünsche ins Ohr zu flüstern. Andererseits sollte gerade sie das Thema Kinder lieber meiden. Anders als für ihre Altersgenossinnen war für sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren die Frage erledigt. Den langen Rest ihres Lebens würde sie vermutlich ohne Kinder verbringen müssen, wenigstens, solange die Fragen nach ihrer eigenen Kindheit noch unbeantwortet blieben.

Das war auch der Grund, warum sie Weihnachten am liebsten aus dem Kalender streichen würde. Die Festtagsstimmung erinnerte sie nur daran, dass die meisten Menschen etwas hatten, was sie nicht hatte und nie gehabt hatte: eine Familie.

Helles Kinderlachen erfüllte den Raum. Der Clown, den Holly engagiert hatte, kam bei den Kindern gut an. Trotzdem war sie beunruhigt. Sie schaute auf ihre Uhr. In fünf Minuten sollte Santa Claus kommen. Connor müsste also eigentlich schon neben ihr stehen, aber von ihm war nichts zu sehen. Vielleicht hatte er Schwierigkeiten mit seinem Kostüm?

Holly wandte sich an ihre Mitarbeiterin Janet, ein ruhiges junges Mädchen, das gerade erst die Ausbildung beendet hatte, sich aber sehr gut anstellte. „Janet, wenn ich nicht in fünf Minuten mit Mr. Knight wieder hier bin, musst du dem Clown ein Zeichen geben, dass er noch ein bisschen weitermachen muss.“

„Kann ich sonst noch etwas tun?“

„Nein. Es wird schon alles in Ordnung sein. Wahrscheinlich ist unserem Weihnachtsmann nur ein wichtiger Anruf dazwischengekommen.“

Während sie mit dem Fahrstuhl hinauffuhr, ging sie in Gedanken noch einmal den Ablauf des heutigen Abends durch. Alles musste laufen wie am Schnürchen. Die Verzögerung jetzt passte ihr gar nicht. Bei allem Verständnis für Connor Knights Abneigung, den Weihnachtsmann zu spielen, konnte er sich nicht davor drücken und die Kinder enttäuschen. Sollte er es womöglich versuchen, würde sie ihm gehörig die Meinung sagen, auch wenn er ihr Boss war.

Hastig eilte sie zu seinem Büro. Sie klopfte an die Tür, wartete aber nicht auf eine Antwort, sondern stieß sie gleich auf.

Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben.

In der Mitte des Raums stand Connor Knight und kämpfte mit einer viel zu weiten roten Hose, die ihm jeden Augenblick herunterzurutschen drohte. Holly schluckte. Rasch versuchte sie ihren Blick von dem Waschbrettbauch und der braun gebrannten, muskulösen Brust abzuwenden, aber so einfach war das nicht. Unglaublich, was sich so unter einem Armani-Anzug verbergen kann, dachte sie. Sie gab sich einen Ruck und blickte ihm ins Gesicht. Sie konnte nur hoffen, dass ihr nicht anzusehen war, was in ihr vorging. Ihre Wangen glühten dermaßen, dass sie vermutlich leuchtete wie eine Tomate.

Weswegen war sie hierhergekommen? Ach ja, um ihn daran zu erinnern, dass er gleich seinen großen Auftritt hatte!

„Nur noch fünf Minuten, Mr. Knight.“

„Ich weiß“, erwiderte er. „Aber dieses Ding ist viel zu weit für mich. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Das Einzige wäre … Sie könnten mir helfen, Holly. Stopfen Sie mir einfach ein paar Kissen in die Hose. Den Kindern ist ein dicker Weihnachtsmann wahrscheinlich sowieso lieber.“

„Das glaub ich auch.“ Holly ging zur Couch und kehrte mit einigen weichen, runden Sofakissen zurück. „Meinen Sie, damit wird es gehen?“

„Warum nicht? Los, rein damit.“ Er zog den elastischen Hosenbund weit nach vorne.

Holly zögerte. „Worauf warten Sie noch?“

Offenbar machte sich Connor keinen Begriff davon, dass Holly nicht nur seine Assistentin, sondern auch eine Frau war. Sie musste sich zusammenreißen.

„Das fällt vermutlich unter die ‚sonstigen Aufgaben‘ in meiner Arbeitsplatzbeschreibung“, meinte sie leichthin, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Gleich darauf biss sie sich auf die Zunge. Diese Bemerkung war wirklich nicht nötig gewesen.

Connor stutzte. Dann erschienen ein paar Fältchen in seinen Augenwinkeln, und er lachte, was nicht allzu häufig vorkam. „Vermutlich. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass man dabei speziell diesen Job im Auge hatte, als die Musterverträge entworfen wurden.“

Vorsichtig trat sie näher. War es sein nackter Oberkörper, der diese Hitze ausstrahlte, oder waren es ihre Wangen, die so glühten? Sie konzentrierte sich darauf, nicht nach unten zu sehen, und schob ihm das erste Kissen in die Hose. Hoffentlich merkte er nicht, dass ihr die Hände zitterten.

„Nur zu – ich beiße nicht.“

Dass er sich auch noch über sie lustig machte, kam überhaupt nicht infrage. Das nächste Kissen versenkte sie schon schwungvoller und merkte erst, als es zu spät war, dass sie mit den Fingern die Härchen unterhalb seines Nabels streifte. Hörbar holte er Luft, als sie ihn berührte, und mit einem Ruck zog sie die Hand zurück. Gänsehaut überlief sie. Holly gab sich Mühe, die Fassung zu bewahren und ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. „Das müsste jetzt aber reichen.“

„Ich brauche noch mehr.“

Wenn das so weitergeht, brauche ich auch bald mehr, dachte Holly, mehr als nur ein flüchtiges Kitzeln auf der Haut. Er hat keinen Schimmer, was er hier anrichtet. Sie biss sich auf die Unterlippe und schob das dritte Kissen an seinen Platz, wobei sie Mühe genug hatte, der Versuchung zu widerstehen, die „zufällige“ Berührung zu wiederholen. „Fertig, passt!“, erklärte sie und versetzte dem unförmigen Wulst über seinem Bauch einen respektlosen Klaps.

Sie half Connor in die rote Jacke und gönnte sich dabei noch einen Blick auf seine breiten Schultern. Dann wurde der schwarze Gürtel umgebunden. Connor eilte zum Schreibtisch, auf dem der Wattebart und die Mütze lagen, klebte sich den Bart an und setzte die Mütze auf. Dann drehte er sich zu Holly um und fragte: „Und, wie sehe ich aus?“

Holly rang nach Worten. Es war schwer zu beschreiben. Ganz sicher glich er nicht den Weihnachtsmännern, vor denen sie als Kind eine panische Angst gehabt hatte und vor denen sie am liebsten weggelaufen wäre, hätten ihre Pflegeeltern sie nicht festgehalten. Außerdem stand sie noch immer unter Schock, weil sie Connor halb nackt gesehen hatte.

„Die Augenbrauen fehlen noch“, sagte sie.

„Oh nein, bitte nicht diese furchtbaren weißen Würmer“, stöhnte er auf.

„Ohne Augenbrauen kein Santa Claus. Es muss sein“, entgegnete Holly unerbittlich. Sie ballte die Hände kurz zu Fäusten und öffnete sie wieder. Danach gelang es ihr einigermaßen, ohne zu zittern, die Schutzfolien abzuziehen und ihm die Wattegebilde anzukleben. Connor beugte den Kopf nach vorn. Plötzlich waren sie sich ganz nahe. Ihre Lippen waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Wenn sie jetzt tat, wovon sie manchmal heimlich träumte, war sie ihren Job los. Was nicht geschehen durfte, weil sie dann Andreas Arztrechnungen nicht mehr hätte bezahlen können.

Holly beeilte sich und wich sicherheitshalber einen Schritt zurück. „Perfekt! Sie sehen großartig aus.“

„Fein. Also, gehen wir.“ Schweigend fuhren sie hinunter in den achten Stock, in dem sich die Cafeteria befand.

„Warten Sie noch einen Moment hier“, bat sie ihn. „Ich muss erst Bescheid sagen, damit Sie den Kindern angekündigt werden.“

Täuschte sie sich, oder war er blass geworden? Sollte er etwa Angst haben? Angst – Connor Knight? Das war doch nicht möglich. Und doch entdeckte sie deutliche Zeichen von Anspannung in dem Teil seines Gesichts, der nicht von weißer Watte verdeckt war. Instinktiv hatte sie das Bedürfnis, ihm Mut zu machen.

Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Sie schaffen das schon. Die Kinder werden Sie lieben.“

„Aber Sie bleiben doch an meiner Seite, oder?“

Die Aufforderung überraschte sie. Holly hatte eigentlich vorgehabt, während dieses Programmteils diskret zu verschwinden. Kleine Kinder, die darauf warteten, Santa Claus auf den Schoß klettern zu dürfen – das war noch immer eine Vorstellung, die ihr großes Unbehagen bereitete.

„Ich müsste mich eigentlich noch um ein paar andere Sachen kümmern“, antwortete sie. „Aber ich werde wieder da sein, bevor Ihr Auftritt beendet ist“, fügte sie rasch hinzu.

„Sie bleiben bei mir.“

Das war eine Anordnung, die keinen Widerspruch duldete. Connor blickte an ihr vorbei. Wie sollte er auch wissen, was in ihr vorging? Jeder freute sich über Weihnachten mit allem, was dazugehörte. Jeder – bis auf ein kleines Mädchen, das keinen richtigen Familiennamen besaß, sondern nur einen Namen hatte, den ihr irgendein Mitarbeiter des Jugendamtes gegeben hatte, einen Namen, der sie ständig an das traumatischste Erlebnis ihres Lebens erinnerte. Keiner Menschenseele hatte Holly je erzählt, dass sie von einer Pflegefamilie zur nächsten gezogen war. Für Holly hatte ihr Leben erst richtig mit ihrem achtzehnten Geburtstag begonnen, als sie aus der staatlichen Obhut entlassen war.

„Holly?“

Sie fuhr aus ihren Gedanken hoch. Dann blickte sie Connor an. Sie war außerstande, Erklärungen abzugeben. Also nickte sie nur kurz und sagte: „Bringen wir es hinter uns.“

Die Kinder gaben Connor gar nicht die Gelegenheit, an sein Lampenfieber zu denken. Ihre Freudenschreie erfüllten den Raum. Nach einer Weile merkte Holly, wie die Situation für sie immer unerträglicher wurde. Ihre Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt. Warum, um alles in der Welt, hatte sie nur eingewilligt hierzubleiben?

Connor saß auf einer Art Thron, den man für Santa Claus aufgestellt hatte. Gerade hob er ein kleines Mädchen mit dunklem Wuschelkopf auf seinen Schoß. Die Kleine, die kaum vier Jahre alt sein mochte, blickte unsicher in die Runde der Umstehenden. Ihre Unterlippe begann zu zittern.

Holly merkte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach, und sie fürchtete, ihre Knie könnten nachgeben. Sie presste sich an die Wand, um Halt zu suchen. Sie holte tief Luft und kämpfte mit aller Macht gegen die Angst an, die ihr ein Schwindelgefühl verursachte. Aber sie war stärker als sie.

Die Bilder von damals kamen zurück. Sie sah sich als kleines Mädchen auf den Knien von Santa Claus sitzen. Verzweifelt suchte sie in der gaffenden Menge der Kaufhauskunden das Gesicht ihrer Mutter. Aus Unruhe wurde Panik, als sie es nicht finden konnte. Endlich, nach zahllosen Versuchen, sie zu beruhigen und aus ihrem Schluchzen und Gestammel klug zu werden, holte jemand eine Frau von der Geschäftsleitung, aber da war es längst zu spät. Ihre Mutter war in dem Menschengewimmel verschwunden.

Bis auf den heutigen Tag hatte Holly diesen Schrecken nicht verwunden, und in Augenblicken wie diesem waren der Schock des Verlustes und das Gefühl der Verlassenheit so gegenwärtig wie damals. Sie hatte sich nie die Frage beantworten können, was für eine Mutter das war, die es fertigbrachte, ihr Kind am Tag vor Weihnachten einfach einer anonymen Menschenmenge und einem ungewissen Schicksal zu überlassen.

In Sekundenschnelle war dieser Film vor ihrem inneren Auge abgelaufen. Ihr Herz begann zu rasen, ihr Atem ging flach und zu schnell. Sie suchte irgendwo nach einem Halt – und fand ihn überraschenderweise, als sie Connor anschaute. Der hatte in unendlicher Geduld die Eltern des Mädchens, das auf seinem Schoß saß, ausfindig gemacht und zeigte sie ihr, wodurch er dem beunruhigten Kind ein strahlendes Lächeln entlockte.

Langsam beruhigte sich auch Holly wieder und lockerte die unwillkürlich zu Fäusten verkrampften Finger. Sie fing einen fragenden Blick von Connor auf, als ob er ahnte, dass irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung war. Holly nickte ihm aufmunternd zu, und Connors Aufmerksamkeit kehrte wieder zu dem Kind auf seinen Knien zurück, dem er feierlich ein liebevoll eingewickeltes Päckchen überreichte, bevor er es zu seinen Eltern entließ. Connor machte das wirklich perfekt. Jedes Kind bekam sein Geschenk und durfte ihm seine Wünsche ins Ohr flüstern, um dann freudig zu den Eltern zurückzulaufen.

Als das letzte Päckchen seinen Abnehmer gefunden hatte, beendete Holly mit einer kurzen Ansage die Kinderparty. Der lebhafte Applaus der Kinder und Erwachsenen bestätigte, dass Connor seine Aufgabe bravourös gemeistert hatte. Hollys Anspannung löste sich. Noch eine Party, dann ist es geschafft, dachte sie. Dann war Weihnachten für sie vorüber, und sie hatte wieder für ein Jahr davor Ruhe.

„Was war denn mit Ihnen los?“, hörte sie plötzlich Connors Stimme hinter sich.

Sie drehte sich um. „Nichts. Ist doch alles wunderbar gelaufen. Sie waren großartig.“

„Sie waren weiß wie eine Wand. Als hätten Sie ein Gespenst gesehen.“

Holly seufzte. Sich jetzt herauszureden war nicht einfach. Die Fähigkeit, andere zu durchschauen, gehörte zu seinem Beruf, und darin war er besser als die meisten anderen.

„Das war wohl nur eine kleine, vorübergehende Schwäche. Die letzten Tage waren ziemlich hektisch.“ Einen Moment lang dachte sie, er würde sich damit zufriedengeben.

„Danach sah es mir aber nicht aus.“ Seine braunen Augen funkelten. „Ich hatte schon befürchtet, Sie kippen um. Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Ja, ganz bestimmt.“

„Vielleicht haben Sie sich in letzter Zeit wirklich etwas viel zugemutet. Es wird besser sein, Janet übernimmt für den Rest des Abends Ihren Job.“

„Nicht nötig. Mit mir ist alles in Ordnung – wirklich“, versicherte sie.

Connor sah sie durchdringend an. „Wir werden sehen. Jetzt bereiten wir uns erst einmal auf die nächste Runde vor.“

Holly blickte ihm nach, als er zum Fahrstuhl ging. Wie konnte er gemerkt haben, dass sie sich nicht gut fühlte?

Sie schaute sich um. Inzwischen war ein Reinigungstrupp dabei, die Cafeteria und die Räume für die nächste Weihnachtsfeier herzurichten. Es war Hollys Idee gewesen, die Dekoration vom Kinderfest im Wesentlichen beizubehalten. Ein bisschen Märchenatmosphäre konnte auch den Erwachsenen nicht schaden. Obendrein war es praktisch und sparte Zeit. Hier wurde sie nicht länger gebraucht.

Oben in ihrem Büro angekommen, holte Holly ihr Abendkleid, das in einer Hülle auf dem Bügel hing, aus dem Garderobenschrank. Sie öffnete den Knoten in ihrem Haar und bürstete die lange seidige Mähne durch. Während sie sich dabei im Spiegel betrachtete, dachte sie daran, wie lange es her war, dass sie ihr Haar offen getragen hatte. Wann war sie das letzte Mal ein wenig aus sich herausgegangen? Aber es hatte keinen Zweck, mit dem Schicksal zu hadern. Es war nun einmal so: Zu viel hing von ihr ab, als dass sie es sich leisten konnte, sich gehen zu lassen.

Holly band ihr langes schwarzes Haar zu einem etwas weniger strengen Knoten zusammen, als sie ihn sonst gewohnt war zu tragen – ein Kompromiss gewissermaßen. Ein anderes Zugeständnis war ihr Lippenstift, dessen Rubinrot deutlich auffälliger war als der Farbton, den sie normalerweise benutzte. Sie schnitt eine Grimasse im Spiegel. War das zu gewagt? Aber man musste zugeben, dass die Farbe ihre schön geschwungenen, vollen Lippen gut zur Geltung brachte. Und überhaupt: Heute war ihr Geburtstag, und sie hatte ein Recht darauf, sich für diesen Tag herauszuputzen.

Zeit, lange darüber nachzudenken, blieb ihr ohnehin nicht mehr. Sie nahm ihre Sachen und eilte damit in den Waschraum der Damen. Sie schlüpfte aus ihrem Bürokostüm, zog vorsichtig den Reißverschluss der Kleiderhülle auf und holte ein langes, enges, scharlachrotes Abendkleid heraus. Das Kleid war von schlichter Eleganz, hochgeschlossen zwar, aber mit einem tiefen, v-förmigen Rückenausschnitt. Holly hakte ihren BH auf und verstaute ihn im Kleidersack. Dann stieg sie in ihr Kleid.

Sie strich den eng anliegenden, fließenden Stoff glatt und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Holly fragte sich, ob ihre Aufmachung nicht ein bisschen zu auffällig war. Normalerweise lieh sie sich zu Gelegenheiten wie diesen ein kleines Schwarzes aus. Aber als sie dieses Kleid im Schaufenster entdeckt hatte, hatte es sie wie magisch angezogen. Lange hatte sie gezögert, ob sie die Ausgabe dafür verantworten konnte. Aber andererseits wurde sie nicht gerade mit Geschenken überhäuft – genauer gesagt, es gab überhaupt keine. Wer sollte ihr auch etwas schenken? Sie hatte weder Familie noch einen Liebhaber. Und so beschloss sie, sich dieses eine Mal selbst zum Geburtstag zu beschenken.

Sie war fertig. Jetzt brauchte sie nur noch ihr Kostüm und den Kleidersack in den Garderobenschrank zu hängen. Als sie vom Waschraum zurückkam, hörte sie durch die offene Tür aus Connors Büro eine schrille Frauenstimme, die sie aus Tausenden wiedererkannt hätte: Carla Knight, Connors Exfrau, die gekommen sein musste, als Holly sich gerade umzog. Oft genug war sie früher hier aufgekreuzt, und die Mädchen im Schreibpool zogen heimlich Streichhölzer, welche von ihnen sich mit Carla abgeben musste, um ihr einen ihrer Extrawünsche zu erfüllen.

„Mich bespitzeln zu lassen – so eine Unverschämtheit! Die Krankenblätter aus der Klinik gehen dich gar nichts an.“

So leise wie möglich, um nicht auf sich aufmerksam zu machen, hängte Holly ihre Sachen weg.

„Mit deinem Geschrei bestätigst du nur, dass die Ergebnisse meiner Nachforschungen richtig sind.“ Aus der Stimme von Connor konnte man den reinen Abscheu heraushören. „Du kannst deinem albernen Scheidungsanwalt ausrichten, dass du über die Abfindung hinaus, die du bereits bekommen hast, keinen Cent mehr siehst. Und nun verschwinde.“

„Mit Vergnügen.“

Es war zu spät, sich zurückzuziehen. Holly konnte einer Begegnung mit Mrs. Knight nicht mehr ausweichen.

„Ich wünsche dir viel Spaß heute Abend, Connor“, rief Carla höhnisch zurück, als sie an Holly vorüberrauschte und sie mit einem vernichtenden Blick bedachte. „Machst du wieder mit deinen Sekretärinnen rum, ja? Aber was bleibt dir auch anderes übrig. Zu Hause ist ja niemand mehr.“

Sprachlos starrte Holly hinter ihr her. Der Duft von Carlas schwerem Parfüm erfüllte den Raum.

„Es tut mir leid, dass Sie das mit anhören mussten, Holly“, sagte Connor, der in die Tür getreten war. Seine Augen funkelten noch immer vor Zorn.

Holly atmete einmal tief durch. „Kein Problem, Sir“, meinte sie und griff nach ihrer kleinen Abendtasche. Tatsächlich konnte ihr eine Beleidigung wie die gerade eben wenig anhaben. Sie hatte in ihrem Leben schon Schlimmeres ertragen müssen und hatte gelernt, keine Miene dabei zu verziehen. „Ich bin fertig.“

„Das sehe ich.“ Er trat einen Schritt näher und stieß einen leisen Pfiff aus, während er sie bewundernd betrachtete. Für einen winzigen Augenblick glaubte Holly so etwas wie Verlangen in seinem Blick entdecken zu können. Aber sie musste sich getäuscht haben. „Holly, Sie sehen einfach umwerfend aus.“

Der Gegenstand von Carlas Hohn zu sein war eine Sache. Das prallte an ihr ab. Aber Connors Blick, der fast wie eine Liebkosung über sie glitt, war weniger leicht zu ignorieren. Noch weniger war Connors überwältigende Erscheinung zu übersehen. Er trug einen maßgeschneiderten Smoking, dazu ein weißes Hemd mit einer schmalen schwarzen Smokingschleife. Mit anderen Worten: Connor Knight sah aus, als sei er soeben einem ihrer Träume entsprungen, einem Traum, in dem er mit ihr vor einen Altar trat … Entschieden verdrängte Holly diese Hirngespinste.

Schnell drehte sie sich um und ging zur Tür, bevor sie irgendetwas Dummes tat oder sagte. In ihr herrschte an diesem Tag sowieso schon genug Chaos.

„Warten Sie einen Augenblick“, bat Connor und trat an ihre Seite. Dann bot er ihr den Arm. „Sollen wir?“

Zögernd nahm Holly das Angebot an. Durch den Ärmel hindurch spürte sie seine kräftigen Muskeln und die Wärme seiner Haut. Sie spürte die leise Berührung zwischen ihnen, während er seinen Schritt dem ihren anpasste. Sie kam sich vor wie die Feder in einem Uhrwerk, das man immer stärker aufzieht, bis die Feder fast überspannt wird.

Als sie den Fahrstuhl betraten, sah Holly die Chance zu entkommen. Sie zog die Hand weg, drückte auf die Taste des achten Stockwerks und blieb einen Schritt entfernt von Connor stehen. Aber er nahm ihre Hand und legte sie wieder zurück.

„Mr. Knight …“, wandte sie unsicher ein.

In seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den sie nicht recht deuten konnte. Sein Mundwinkel zuckte, als ob er sich über sich selbst lustig machte. „Tun Sie mir den Gefallen, Holly. Ich glaube, heute Abend brauche ich eine schöne Frau an meiner Seite.“

2. KAPITEL

Im Fahrstuhl sprach keiner von ihnen ein Wort. Holly kam die Fahrt endlos vor, und sie hatte Mühe, ihre gewohnte Gelassenheit zu bewahren. Sie wich Connors Blick aus und starrte auf ihre Hand, die reglos auf seinem Arm lag. „Ich brauche eine schöne Frau an meiner Seite“ hatte er gesagt und damit ganz offensichtlich sie, Holly, gemeint. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste gar nicht, was sie mit dieser Äußerung anfangen sollte. Natürlich war er nach dem Zusammentreffen mit Carla vorhin aufgewühlt. Holly spürte das genau. Aber sosehr sie auch versuchte, die Situation rational zu erklären, es half ihr nicht, die kleinen Flämmchen zu ersticken, die seine Nähe bei jeder Berührung in ihr aufzüngeln ließen.

Als die Türen endlich aufglitten, kam ihr die Luft in der Cafeteria im Gegensatz zur stickigen Schwüle im Fahrstuhl kühl und erfrischend vor. Es herrschte schon viel Betrieb. Etliche der Angestellten hatten ihre Partner mitgebracht, und Stimmengemurmel und Lachen erfüllten den Raum.

Connor fragte sich, wie lange er wohl anstandshalber hier ausharren musste, bevor er in sein Penthouse-Apartment verschwinden konnte. Außerdem plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Vorhin während der Kinderparty war Holly kalkweiß geworden, und er hatte sich Sorgen gemacht, sie könne jeden Augenblick zusammenbrechen. Jetzt führte er sie am Arm durch die Menge und benutzte sie dazu, seine Stimmung zu heben, die nach Carlas Auftritt ziemlich mies war. Begreiflich war das schon. Holly war das genaue Gegenteil von Carla: zurückhaltend, Ruhe ausstrahlend, rücksichtsvoll und absolut zuverlässig. Das hatte er schon immer an ihr geschätzt, größtenteils allerdings einfach als gegeben hingenommen. Heute Abend nun hatte er sie plötzlich mit ganz anderen Augen gesehen. Er hat sie registriert als das, was sie vor allem war: eine verführerisch schöne Frau.

Er betrachtete ihren Nacken, während sie auf der Suche nach irgendetwas in ihrer Abendtasche kramte. Unwillkürlich fragte er sich, wie sich ihre Haut dort wohl anfühlte, wenn man mit den Lippen darüberfuhr. Unwillig verscheuchte er den Gedanken, bevor die Fantasie ganz mit ihm durchging.

Erfreut stellte er fest, dass ihre Blässe verschwunden war. Connor beglückwünschte sich im Stillen zu seiner Entscheidung, Janet die Organisation des weiteren Ablaufs an diesem Abend zu übertragen. Holly hatte sich diese Pause wirklich verdient. Janet war es sicher recht, denn sie brannte darauf, sich zu bewähren. Und er selbst hatte sich für den ganzen Abend Hollys Gesellschaft gesichert.

Connor beugte sich zu Holly und sagte leise: „Machen Sie sich keinen Stress mehr. Sie haben heute Abend frei – ganz offiziell.“ Er nahm den Duft ihres Haars und ihrer warmen Haut wahr. „Ich habe Janet Bescheid gesagt, dass sie das heute übernimmt. Es wird schon klappen. Die Vorbereitungen, die Sie getroffen haben, waren absolut perfekt. Es kann also gar nichts schiefgehen.“

Holly wollte widersprechen, sah dann aber ein, dass es keinen Zweck hatte.

Unterdessen bemerkte Connor, dass ihr Gespräch, das aus der Entfernung anmuten musste wie ein vertrauliches Tête-à-Tête, begann, Aufmerksamkeit zu erregen. Da gerade ein Kellner vorbeikam, nutzte Connor die Gelegenheit zu einem Ablenkungsmanöver und nahm schnell zwei mit Champagner gefüllte Gläser vom Tablett. Eines gab er Holly. „Feierabend, Holly“, sagte er. „Jetzt ist Party angesagt. Und“, er hob sein Glas, „danke für ein Jahr großartiger Zusammenarbeit.“ Dann stieß er mit ihr an.

Ihr Gesicht verriet eine Mischung aus Stolz und Verlegenheit. Ihre blauen Augen funkelten, als sie ihn ansah, während sie sich zuprosteten.

Wieso hatte er dieses außergewöhnlich tiefe Blau ihrer Augen noch nie bemerkt, wunderte sich Connor.

Immer mehr Partygäste strömten herein. Connor konnte der Versuchung nicht widerstehen, im Schutze der Menge ein wenig näher an Holly heranzurücken und ihr die Hand auf den Rücken zu legen. Er merkte, wie sie zusammenzuckte und den Atem anhielt. Das geht zu weit, dachte er. Etwas gerät hier außer Kontrolle. Ich gerate außer Kontrolle.

Widerstrebend nahm er die Hand wieder weg, und das war richtig so. Denn im selben Augenblick kam Janet zu ihnen. Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Du kannst ganz beruhigt sein, Holly, ich habe alles im Griff. Jetzt kannst du endlich auch mal die Weihnachtsfeier ganz entspannt genießen.“

Holly zwang sich zu einem Lächeln. „Danke. Aber du brauchst wirklich nur Bescheid zu sagen, wenn irgendetwas ist …“

„Ich bin überzeugt, Sie machen das großartig, Janet“, unterbrach Connor. „Ich bin Ihnen sehr dankbar.“

Wieder streiften seine Fingerspitzen Hollys Rücken und lösten den nächsten Schauer aus, den sie bis in die Zehenspitzen spürte.

Sie hielt es nicht länger aus. Sie trat einen Schritt vor und drehte sich zu Connor um. „Mr. Knight …“

„Für heute Abend Connor“, korrigierte er. „Befehl vom Boss“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu. „Und da wir gerade vom Boss sprechen – lassen Sie uns mal hinübergehen, um meinen Boss zu begrüßen.“ Er machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in der sein Vater stand. Der große Tony Knight entsprach ganz dem Bild des Patriarchen, der er in der Tat auch war.

Wieder spürte Holly Connors Hand auf dem Rücken, während er sie sanft zu der Gruppe leitender Direktoren des Unternehmens dirigierte, wo Mr. Knight senior stand.

Als sie sich der Gruppe der älteren Herren näherten, musste Holly das leichte Zittern ihrer Knie bezwingen, das sich jedes Mal einstellte, wenn sie mit Tony Knight zu tun hatte. Holly fürchtete sich sonst nicht vor Direktoren oder Firmenbesitzern, aber Antony Knight hatte etwas Respekteinflößendes, wie sie es noch bei niemandem sonst erlebt hatte. Und diesen Respekt verdiente er auch. Er, Sohn mittelloser italienischer Einwanderer, die ihren Familiennamen anglisiert hatten, als sie sich in Neuseeland niederließen, hatte Knight Enterprises aus dem Nichts aufgebaut und zu dem gemacht, was die Firma heute war.

Was sie aber noch mehr beeindruckte, war seine bedingungslose Hingabe für die Familie. Nachdem Tony Knight früh seine Frau verloren hatte, hatte er es trotz der gewaltigen Anstrengungen für die Firma geschafft, seine drei Söhne großzuziehen, und hatte gerade, was ihre Erziehung betraf, nichts anderen überlassen. Das feste Band zwischen Vater und Söhnen war geblieben. Holly gelang es, Connors Hand sanft abzuschütteln und wenigstens einen Meter auf Distanz zu halten, während sie seinen Vater begrüßte.

Verstohlen blickte Holly zur Wanduhr der Cafeteria, und die Verkrampfung in ihren Schultern ließ ein wenig nach. Die Party neigte sich dem Ende zu. Mr. Knight senior hielt wie gewöhnlich seine kurze Ansprache zum Abschluss des Jahres, wobei er nicht vergaß, den Mitarbeitern zu danken, die als Notbesetzung das Geschäft am Laufen hielten, während die meisten nach den Feiertagen in die Betriebsferien gingen. Schließlich wünschte er allen frohe Weihnachten.

Bei diesem Stichwort kniff Holly unwillkürlich die Lippen zusammen. Würde Andrea morgen überhaupt merken, dass Weihnachten war? Die Schwestern im Pflegeheim hatten Holly geraten, über die Feiertage nicht zu kommen und sie stattdessen mit Freunden zu verbringen und sich zu erholen. Aber davon wollte Holly nichts wissen. Andrea war der einzige Mensch, der so etwas wie eine Familie für sie war, und die einzige angenehme Erinnerung an ihre Vergangenheit. Nein, Holly wollte Andrea besuchen und ihr das niedliche Nachthemd schenken, das sie ihr gekauft hatte – moosgrün, weil das so gut zu Andreas Augen passte.

Jemand stieß Holly an. „Hey, was machen Sie denn für ein trauriges Gesicht? Wir haben Weihnachten.“ Connors leise Stimme klang warm und freundlich.

„Ich mache doch gar kein trauriges Gesicht.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil ich nicht traurig bin, ganz einfach.“

„Sind Sie sicher?“

„Natürlich.“ Um das zu bekräftigen, prostete sie Connor mit ihrem halb vollen Glas Wein zu. Sie wollte gerade einen Schluck trinken, als er sie am Handgelenk festhielt und ihr das Glas wegnahm. Er ließ ihre Hand nicht gleich los.

„Trinken Sie doch nicht dieses lauwarme Zeug. Ich besorge Ihnen ein neues Glas.“ Er gab einem Kellner in der Nähe ein Zeichen, der nur Sekunden später mit frisch gefüllten Gläsern zurückkehrte. Ohne sich um Hollys zaghaften Widerstand zu kümmern, gab er ihr ein Glas Weißwein. „Trinken Sie.“

Als Holly das Glas anfasste, verschüttete sie ein wenig von dem Wein. Connor sah sie prüfend an. „Alles in Ordnung“, versicherte sie schnell. „Ich bin wohl doch ein bisschen abgespannt nach diesem Tag. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich gleich gehen.“

„Ausgezeichnete Idee.“ Connors Blick schweifte in die Runde. „Ich denke auch, wir haben unseren Teil getan. Verschwinden wir.“

Wir? Was wollte er damit sagen?

„Aber nein. Sie können doch nicht schon gehen. Ihr Vater …“

„Mein Vater hat mir den Auftritt von Santa Claus eingebrockt, also habe ich etwas gut bei ihm.“ Sein verbindliches Lächeln verschwand für einen Augenblick aus seinem Gesicht, und sein Blick wurde hart. „Was Kinder angeht, weiß der alte Fuchs genau, was mit mir los ist.“

Holly verstand nicht, was er damit meinte. Er war zauberhaft zu den Kindern gewesen, lieb und unendlich geduldig. „Mögen Sie denn keine Kinder?“

„Ganz im Gegenteil. Sie bedeuten mir außerordentlich viel. Das weiß er auch ganz genau. Aber verabschieden müssen wir uns trotzdem von ihm.“ Er bot ihr wieder den Arm, und sie gingen zu der kleinen Gruppe, die Tony Knight um sich geschart hatte.

Holly wunderte sich noch immer. Wenn er Kinder mochte, warum hatte er sich dann so geziert, den Weihnachtsmann zu spielen? Es sei denn, dachte sie, es trifft seinen Nerv, weil es ihn an etwas erinnert, das er nicht hat. Aber was geht das mich an, fügte gleich eine warnende Stimme in ihrem Inneren hinzu.

„Ihr beide wollt schon gehen?“, fragte Tony Knight und musterte seinen Sohn mit einem strengen Blick, in dem Holly eine deutliche Spur von Missbilligung zu erkennen glaubte. Sie ahnte, warum, und konnte Connors Verhalten auch nicht verstehen. Es war allgemein bekannt, dass Tony Knight Techtelmechtel innerhalb der Belegschaft nicht schätzte. Warum provozierte Connor seinen Vater derart? Es war wie ein stummes Kräftemessen zwischen den beiden, und niemandem war zu empfehlen, zwischen diese Fronten zu geraten.

„Ja, Dad. Wir gehen.“

Der Blick des Seniors ging zwischen ihnen hin und her. Mit Sicherheit vermutet er das Falsche, dachte Holly mit wachsender Unruhe. Dann, aus heiterem Himmel, beugte Tony Knight sich vor und gab ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange, wie er in der Heimat seiner Eltern üblich ist. Wenn sich die Familie auch die größte Mühe gegeben hatte, sich dem Lebensstil ihrer neuen Heimat anzupassen, war Tony im Grunde seiner Seele doch immer Italiener geblieben.

„Sie haben das alles wieder absolut perfekt organisiert, Holly“, erklärte er mit einem Lächeln und ließ sie dabei nicht aus den Augen.

„Es war mir eine Freude, Sir“, brachte Holly nach einer verlegenen Pause heraus.

Tony Knight wandte sich wieder an seinen Sohn. „Ich erwarte dich morgen früh. Du weißt, dass meine Cousine Isabella und ihre Tochter kommen.“

„Ja, ich weiß“, erwiderte Connor. Holly merkte, wie sich seine Schultern strafften. „Ich dachte, ich lade Holly auch ein. Das ist dir doch recht, oder?“

Für eine Sekunde schien Tony Knight überrumpelt, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt. „Wenn Sie morgen früh nichts Besseres vorhaben“, meinte er verbindlich zu Holly.

„Ich … ich kann doch Ihr Familientreffen nicht stören“, stotterte sie.

„Sollten Sie jedoch andere Verpflichtungen haben, wollen wir Sie davon keineswegs abhalten“, meinte Tony Knight.

„Nein, ich habe keine“, antwortete Holly kleinlaut. Es war ihr unangenehm, denn es verriet einiges über ihr Privatleben.

„Wunderbar. Wir sehen uns also um halb elf, Dad.“

Holly kam es fast vor, als sei sie gerade gekidnappt worden. Connor hatte Nerven, sie in seinen Machtspielchen mit seinem Vater einzusetzen. Dabei war ihr vollkommen unklar, was er mit seiner Einladung bezweckte.

„Und sei pünktlich“, meinte Tony Knight noch, bevor sie sich endgültig verabschiedeten und Connor Holly zum Ausgang führte.

Nachdem die Fahrstuhltüren sich hinter ihnen geschlossen hatten, atmete Connor einmal tief durch und lehnte sich gegen die Wand der Kabine. Er hatte keine Lust auf diesen Kleinkrieg mit seinem Vater. Tony Knight führte bis auf den heutigen Tag ein strenges Regiment über seine drei Söhne, und Connor hatte es immer als Segen betrachtet, dass er als Jüngster am wenigsten unter der väterlichen Autorität zu leiden hatte. Doch durch seine Trennung von Carla war er jetzt mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Anfangs waren die Einmischungen seines Vaters, mit dem Ziel, Connor wieder Heim und Familie zu verschaffen, noch einigermaßen erträglich gewesen. Aber allmählich nahm der Druck zu. Heute Abend war der Punkt gekommen, da er es nicht mehr hinnehmen konnte, dass ihm immer wieder Töchter in heiratsfähigem Alter aus der entfernten Verwandtschaft vorgeführt werden sollten.

Trotzdem war es nicht richtig gewesen, Holly da mit hineinzuziehen. Die letzte Frau, die er zu Weihnachten der Familie vorgestellt hatte, war Carla gewesen. Es konnte morgen für ihn recht ungemütlich werden. Aber wenn schon? Vielleicht ergab sich ja sogar die Gelegenheit, seinen Vater über die wirklichen Hintergründe seiner Trennung aufzuklären und ihm von dem Enkel zu erzählen, den er hätte haben können.

Connor schaute zu Holly hinüber. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und verfolgte wie gebannt die nacheinander aufleuchtenden Zahlen auf der Stockwerksanzeige über der Tür. Was für einen schönen Hals sie hat, dachte er. Wie musste es sein, diesen Hals mit kleinen Küssen zu bedecken, die Lippen langsam an ihm abwärts gleiten zu lassen?

Sein Körper reagierte prompt auf diese Träumereien. Connor riss sich zusammen. Holly verdiente es nicht, dass er sie dafür benutzte, ein Feuer wieder zu entfachen, das Carla zum Erlöschen gebracht hatte. Trotzdem konnte er seine Blicke nicht von Holly losreißen, und seine Fantasie quälte ihn mit den verlockendsten Bildern.

Die Fahrstuhltüren glitten auf und entließen sie auf die Etage, auf der sich ihre Büros befanden. Holly ging voran, und Connor konnte sie nun in aller Ruhe von hinten betrachten. Der tiefe Rückenausschnitt ihres Kleides betonte ihre makellose, zart gebräunte Haut, und Connor stellte sich vor, wie es wäre, Holly zu streicheln – nicht nur ihren Rücken, sondern ihren ganzen Körper.

3. KAPITEL

„Es ist immer ein seltsames Gefühl, wenn alle anderen schon weg sind und man hier ganz allein ist“, bemerkte Holly, während sie die Kleiderhülle und ihre andere Tasche aus der Garderobe holte.

Connor stand ein Stück entfernt und hatte die Hände in den Hosentaschen. „Ja, das ist es.“

Holly drehte sich um. Sie bildete sich ein, sie hätte einen bestimmten Unterton in seiner Antwort gehört, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Er starrte sie an. Sein Blick schien sich in sie zu bohren und brachte sie ganz durcheinander.

Während sie sich eine Weile nur schweigend ansahen, wurde Holly immer unruhiger. Krampfhaft suchte sie nach einem Gesprächsthema. „Also wegen der Einladung …“, fing sie an.

Connor ließ sie nicht weitersprechen. „Ich hole Sie ab. Aber Sie müssten mir dazu Ihre Adresse sagen.“ Er trat einen Schritt näher.

Ein dezenter Duft nach Limone mit herber männlicher Note stieg Holly in die Nase, und sie erschauerte. Sie war nahe daran, sich zu vergessen. Mit aller Macht hielt sie sich zurück. Man kann sich in seinen Chef verlieben, sagte ihre innere Stimme, aber zeigen darf man das nicht. Die Warnung kam zu spät. Er hatte erraten, was mit ihr los war. Sein männlicher Instinkt war ausgeprägt genug, um die Signale zu empfangen, die sie aussandte.

Auch Holly spürte, dass die Situation kritisch wurde. Das musste aufhören – augenblicklich.

„Ihr Angebot ist sehr freundlich. Aber es wäre doch sicherlich besser, ich rufe Ihren Vater gleich morgen früh an und sage ab. Mir fällt schon ein plausibler Vorwand ein. Ich kann mich doch nicht einfach in Ihre Familienfeier drängen.“

„Zerbrechen Sie sich darüber nicht Ihren hübschen Kopf. Natürlich kommen Sie.“ Connor löste, während er zur Tür seines Büros ging, seine Smokingschleife und öffnete den Kragen seines Hemdes. „Haben Sie nicht heute Geburtstag?“, fragte er unvermittelt.

Holly war verblüfft, dass er daran gedacht hatte. „Nicht so wichtig“, wehrte sie ab.

„Geburtstage sind immer wichtig. Kommen Sie mit, ich habe etwas für Sie.“

Er ging vor und warf beim Betreten seines Büros die Schleife achtlos auf eine Ledercouch in der Sitzecke. Hollys Herz schlug wie verrückt. Sie legte ihre Sachen auf ihren Schreibtisch und folgte ihm. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er tatsächlich ein Geschenk für sie hatte. Leise fiel hinter ihr die Tür zu.

Connor ging zu seinem Schreibtisch, bückte sich und förderte ein dekorativ in Zellophan eingepacktes Geschenk zutage. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie diese Pflanzen mögen. Herzlichen Glückwunsch!“ Damit drückte er ihr einen prächtigen Christstern in die Hand, dieses Mal war es einer in Weiß.

Holly wusste im ersten Augenblick nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Die Frage war im nächsten Moment entschieden, als sie merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie senkte den Kopf und versuchte sie zurückzuhalten. „Er ist so wunderschön“, sagte sie leise. „Danke, Mr. Knight.“

Er hob ihr Kinn sacht mit dem Zeigefinger. „Ich dachte, wir hätten uns auf Connor geeinigt.“

Sie musste ihm ins Gesicht sehen, und plötzlich rollte ihr eine dicke Träne über die Wange.

„Sie weinen, Holly?“, fragte er verwundert.

Holly drehte den Kopf weg. Auch wenn Connor es gut meinte, sie konnte einfach kein Mitleid ertragen – und schon gar nicht seines. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich gegen Mitleid gewehrt. Sie schluckte. „Es ist nichts. Ich bin, wie gesagt, nur ein bisschen abgespannt und habe Kopfschmerzen. Das hat alles nichts zu bedeuten.“

Connor trat zu ihr, nahm ihr den Blumentopf wieder ab und stellte ihn auf den Schreibtisch. „Nichts? Das sieht mir aber anders aus als – nichts.“ Er nahm sie bei den Händen und zog sie zu sich heran, sodass sie sich leicht berührten. Holly spürte, dass ihr Körper heftig reagierte, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte, und Connor merkte genau, dass etwas mit ihr vorging. Seine Pupillen weiteten sich, und seine Augen wurden noch dunkler.

Für einen Moment gab Holly sich der Hoffnung hin, er könne ihre Gefühle erwidern. Für einen winzigen Augenblick kam es ihr vor, als müsse Connor ihr ins Herz blicken können. Aber das sind Illusionen, sagte sie sich schnell. Widerstrebend machte sie sich von ihm los.

„Ich muss jetzt gehen. Ich danke Ihnen sehr für den Christstern.“ Sie nahm den eingepackten Topf vom Schreibtisch und drehte sich um, um zu gehen, wobei sie sich innerlich verfluchte, dass sie es überhaupt hatte erst so weit kommen lassen. Wenigstens lagen jetzt drei Wochen Ferien vor ihr. Drei Wochen, in denen sie das Büro und Connor nicht zu sehen bekam. Der Abstand würde ihr guttun.

Du lügst. Du willst ihn, meldete sich ihre innere Stimme.

„Holly?“ Connor hielt sie am Ellbogen fest und drehte sie wieder zu sich herum.

Sie wich seinem Blick aus und blickte an ihm vorbei. Hinter den großen Fenstern waren die Lichter Aucklands zu sehen, funkelnd wie ein Piratenschatz. Warum konnte Connor sein verdammtes Mitleid nicht für sich behalten? Sie wollte es ebenso wenig wie die alberne Pflanze.

Er wischte ihr mit dem Handrücken eine weitere Träne aus dem Gesicht. Im Nu brachte diese eine Bewegung all die Gefühle zurück, die sie gerade so mühsam zurückgedrängt hatte. Was bringt dir deine heroische Zurückhaltung ein, meldete sich erneut ungefragt ihre innere Stimme. Morgen wirst du es bitter bereuen. Gerade du solltest doch wissen, dass man nehmen muss, was man kriegen kann. Diese Chance, Connor zu bekommen, und sei es auch nur für eine Nacht, bietet sich vermutlich nur dieses eine Mal.

Holly ließ den Topf mit dem Christstern los. Er fiel auf den Boden und hinterließ dabei eine dunkle Spur von Blumenerde auf dem teuren grauen Teppichboden.

Holly achtete nicht darauf. Sie legte Connor die Arme um den Nacken und küsste ihn.

Connor war wie vom Donner gerührt. Schlagartig erwachte ein Verlangen in ihm, das er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Holly war dabei, etwas in ihm zu wecken, das auf Eis lag, seitdem seine Exfrau Verlangen und Vertrauen in ihm abgetötet hatte.

Er neigte den Kopf, um ihren Kuss zu erwidern. Sein Körper, so kam es ihm vor, schien aus einer Art Starre zu erwachen. Mit der Zunge erforschte er ihren Mund, den sie ihm willig darbot. Dann umfasste er ihre Taille und zog Holly eng an sich. Er stöhnte auf, als er ihren warmen Körper spürte. Wie ein Fieber ergriff ihn eine unbezähmbare Begierde.

Connor streichelte ihren Rücken und genoss es, ihre weichen Brüste zu spüren, die sich an ihn pressten. Doch es genügte ihm nicht. Er wollte mehr.

Er ließ seine Hand zu ihrem Nacken gleiten, wo sich die ersten kleinen Strähnen aus ihrem Knoten gelöst hatten, was Connor wie ein heimlicher Wink erschien, dass der Schutzschild, hinter dem sie sich sonst verbarg, allmählich verschwand.

Connor löste die Lippen von ihrem Mund und drehte Holly so, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Mit beiden Händen fasste er im Rückenausschnitt unter ihr Kleid. Er blickte ihr über die Schulter und beobachtete im Spiegel des getönten Glases der bis zum Boden reichenden Fenster, wie er ihr langsam das Kleid abstreifte und erst ihre Schultern und dann ihre vollen Brüste entblößte.

Er stieß einen Laut der Bewunderung aus. „Wie schön du bist“, murmelte er, als er die vollendeten Rundungen mit den kleinen aufgerichteten Knospen sah.

Holly spürte seinen heißen Atem in ihrem Nacken, und ein Anflug von Panik erfasste sie. Ihr war, als sei ihr Körper in tanzende Flämmchen gehüllt. Auch sie beobachtete das, was Connors Hände mit ihr machten, im Spiegel der Fenster. Es war ein doppelt erregender Genuss, zu fühlen und zu sehen, wie Connor ihre Brüste umfasste. Aus den Flämmchen wurde ein loderndes Feuer, als er mit dem Daumen die harten Spitzen ihrer Brüste streifte, die ihr jetzt tausendmal empfindlicher erschienen als sonst. Doch am heftigsten brannte dieses Feuer in ihrem Schoß.

Ein Schauer überlief sie, und dann stieß sie einen kleinen Schrei aus, so intensiv war die Lust, die sie durchzuckte, als Connor ihr Ohrläppchen zwischen die Lippen nahm und sie seine Zähne spüren ließ. Langsam glitt er tiefer, hauchte kleine, heiße Küsse auf ihren Hals.

Er ließ ihre Brüste los, und Holly seufzte vor Sehnsucht. Sie wollte ihn besitzen und ihm gehören, auch wenn ihr selbst in diesem Augenblick der Leidenschaft klar war, dass es nur für dieses eine Mal sein konnte.

Connor strich ihr sanft über den Rücken. An ihren Hüften angekommen, hielt er kurz inne. Dann schob er mit einer schnellen Bewegung das Kleid ganz herunter, sodass es auf den weichen Teppichboden fiel und sich um Hollys Füße bauschte. Er betrachtete ihre langen, makellos geformten Beine und entdeckte, dass sie einen zum Rot ihres Kleides passenden Spitzenslip trug.

„Gefällt dir, was du da siehst?“, fragte Connor, den Mund ganz dicht an ihrem Ohr.

„Ja“, hauchte sie, und es war nicht ganz eindeutig, ob das die Antwort auf seine Frage war oder eine Aufforderung, mit seinen Zärtlichkeiten nicht aufzuhören.

„Mir auch“, sagte er.

Tatsächlich konnte Holly den Blick nicht von den großen Fensterscheiben losreißen und beobachtete weiter wie gebannt, was Connor mit ihr machte. Sie sah und fühlte, wie er erst seine Hand über ihre Hüften gleiten ließ, dann über ihren Bauch. Während er mit der anderen Hand wieder ihre Brüste zu streicheln begann, glitt er mit den Fingern der anderen unter ihren Slip und zog ihn ein Stück herunter. Hollys Erregung wuchs. Er fuhr mit den Fingern durch die feinen schwarzen Löckchen zwischen ihren Beinen und landete da, wo er hinwollte. Geschickt liebkoste er ihre empfindlichste Stelle. Hollys ganzer Körper spannte sich wie ein Bogen, und Connor fühlte ihr Erschauern.

Sanft drang er mit dem Finger in sie ein, und fast wäre es jetzt schon um Connor geschehen gewesen. Er versuchte, das Spiegelbild im Fenster mit kühlem Verstand zu genießen, um sich nicht vorzeitig zu verausgaben.

Allein der Kontrast, den sie boten, genügte, seine Lust weiter anzustacheln: Hollys leicht gebräunte Haut vor dem Hintergrund seines schwarzen Smokings, der eigentümliche Reiz, der darin lag, dass er noch vollständig angezogen und Holly, von ihrem winzigen Slip abgesehen, völlig nackt war. All das trug dazu bei, dass er sich kaum noch zurückhalten konnte, fast, als wäre er ein liebeshungriger Jugendlicher bei seinem ersten Date.

Inzwischen umkreiste er mit den Fingerspitzen ihren sensibelsten Punkt, während ihr Atem schneller ging. Connor wusste, dass es nur noch eine Frage von Augenblicken sein konnte, bis sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, und tatsächlich folgte gleich darauf ein befreiter Aufschrei, der ihm ein Hochgefühl des Triumphes schenkte, sodass es seiner äußersten Selbstherrschung bedurfte, nicht zu kommen.

Er zog ihr den Slip ganz aus. Es waren vollendete Rundungen, die sich ihm darboten. Rasch befreite sich Connor von Hose und Slip, die ihm schon lange zu eng geworden waren. Er lenkte Holly so, dass sie am Schreibtisch Halt fand, indem sie leicht vornübergebeugt die Hände auf die Mahagoniplatte legte. Er berührte Holly nur ganz spielerisch mit seiner pulsierenden Härte und genoss Hollys Bewegungen, die ihm zeigten, dass sie gar nicht erwarten konnte, ihn endlich ganz zu spüren.

Schließlich konnte er sich nicht länger zügeln. Er stieß einen heiseren, kehligen Laut aus, den er selbst wie aus weiter Ferne wahrnahm, und drang ein. Sie war so eng, so weich … Gleichzeitig ließ er eine Hand zwischen ihre Beine gleiten und liebkoste wieder ihren sensibelsten Punkt. Er hatte sich vorgenommen, Holly ein zweites Mal zum Gipfel zu führen, auch wenn es ihn eine große Willensanstrengung kostete, sich so lange zurückzuhalten. Als er spürte, dass Holly wieder erbebte, ließ er seiner Leidenschaft freien Lauf und drang, so tief er konnte, in sie ein. Holly erreichte ihren Höhepunkt, und dieses Mal folgte Connor ihr widerstandslos.

Heftig atmend, stand er da. Erst nach einer ganzen Weile wurde er sich wieder seiner Umgebung bewusst. Er hörte das unverkennbare „Ping“, das die Ankunft des Fahrstuhls auf ihrem Stockwerk ankündigte.

Widerstrebend löste er sich von Holly und ordnete hastig seine Kleidung. Dann bückte er sich und half Holly, ihr Kleid anzuziehen, was sich nicht so einfach gestaltete, denn es hatte vollkommen verdreht auf dem Boden gelegen. Bei dieser Gelegenheit fiel Connors Blick auf die Innenseiten ihrer Schenkel, auf denen er ein kleines dunkles Rinnsal bemerkte.

„Hast du gerade deine Regel bekommen?“, fragte er.

Holly zog ihren Slip hoch. „Nein, das ist nicht meine Regel.“ Mit leicht zitternden Händen strich sie das Kleid glatt.

„Nicht deine Regel? Was denn sonst? Du meinst …“ Connor verschlug es die Sprache. Doch bestand kein Zweifel: Holly war noch Jungfrau oder, genauer gesagt, sie war es bis heute Abend gewesen. Da sie gehen wollte, griff er nach ihrer Hand. „Du kannst jetzt nicht einfach gehen, Holly. Wir müssen reden …“

Es klopfte an der Tür zum Büro.

Holly hob den Kopf und nahm all ihre Kraft zusammen, um Haltung zu bewahren. „Ich denke, für heute Abend ist alles gesagt. Frohe Weihnachten, Mr. Knight.“ Nicht gerade originell, dachte sie, noch während sie es aussprach. Aber etwas anderes fiel ihr in diesem Moment nicht ein. Sie machte sich aus seinem Griff frei und ging zur Tür. Mit Schwung öffnete sie sie. Draußen stand Janet.

„Hallo, Janet“, sagte Holly. Niemand sollte ahnen, dass ihr Herz noch immer hämmerte wie das eines Läufers nach einem Marathonlauf. „Was gibt’s?“

„Ich … äh … ich wollte nur meine Sachen holen. Und da kam es mir so vor, als hätte ich in Mr. Knights Büro Geräusche gehört. Es tut mir leid. Ich habe nicht geahnt, dass hier noch jemand ist.“ Eine leichte Röte stieg in das Gesicht der jungen Frau, und ihr Blick wanderte unstet hin und her, während ihre Stimme bei den letzten Silben fast erstarb.

Holly konnte nur hoffen, dass ihr die Verlegenheit weniger deutlich anzumerken war als ihrer Kollegin. Dann spürte sie, dass Connor hinter ihr stand. Sofort merkte sie, wie ihr Körper auf seine Nähe reagierte, ohne dass sie darauf Einfluss hatte. Ihr erster Impuls, den sie mit Mühe unterdrückte, war, auf Janets Anwesenheit und auf ihren eigenen guten Ruf zu pfeifen und sich an Connor anzulehnen, um die Erinnerung an das eben Erlebte wieder aufzufrischen.

„War das alles?“, fragte Connor ernst.

Janet nickte eifrig.

„Dann wollten Sie jetzt wohl nach Hause gehen?“

„Ja, Sir, natürlich.“

„Gut. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten, Janet.“

„Vielen Dank. Das wünsche ich auch. Und dir natürlich auch, Holly.“

„Danke, Janet. Genieße die Feiertage und die Ferien.“ Holly wunderte sich selbst, wie glatt und flüssig ihr das über die Lippen kam, während sie darauf achten musste, dass ihre Knie unter ihr nicht nachgaben. Sie erlaubte sich einen leisen Seufzer der Erleichterung, als Janet ihr unsicher zuwinkte und sich endlich zum Gehen wandte.

Sekunden später waren Connor und sie wieder allein.

Holly stand wie angewurzelt da. Dann gewann jedoch ihre Vernunft die Oberhand, und sie ging zur Tür, überlegte es sich dann aber anders. Denn insgeheim wusste sie, dass sie mehr wollte, viel mehr. Und viel mehr, als sie sich jemals erhoffen durfte.

„Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen, Holly. Das kann doch nicht alles schon vorbei sein.“

„Doch, es ist vorbei. Und das muss auch sein.“ Ohne sich weiter aufzuhalten oder umzudrehen, sammelte sie ihre Sachen zusammen, holte ihre Handtasche und den Kleiderbeutel aus ihrem Büro vom Schreibtisch und ging zum Fahrstuhl, jeden Moment gewärtig, Connors Schritte hinter sich zu hören.

Aber auch als sie bereits im Fahrstuhl stand, die Taste für das Erdgeschoss gedrückt hatte und quälend lange Sekunden darauf wartete, dass die Türen sich schlossen, stand Connor immer noch regungslos und mit unergründlicher Miene im Durchgang zu seinem Büro. Holly schloss die Augen. Jetzt hörte sie, wie die Fahrstuhltüren endlich zuglitten, und hätte im nächsten Moment fast laut aufgeschrien. Connor hatte mit seinem Arm verhindert, dass der Spalt zwischen den beiden Türen sich ganz schloss, und bewirkt, dass sie wieder aufglitten. Er betrat die Kabine und stellte sich neben sie.

„Was tun Sie da?“, fragte Holly, und ihre eigene Stimme kam ihr seltsam schrill vor.

„Wir haben einiges zu bereden. Erstens haben wir nicht verhütet – ich jedenfalls nicht – und ungeschützten Sex gehabt. Und zweitens fühle ich mich in der Verantwortung, weil es das erste Mal für dich war. Ich möchte nicht, dass du diese Erfahrung mit mir in schlechter Erinnerung behältst.“

„Sie brauchen sich deswegen keine Umstände zu machen. Ich …“

„Da bist du im Irrtum, Holly. Ich muss mich sehr wohl um dich kümmern.“

4. KAPITEL

Stumm sah Holly zu, wie Connor seine Chipkarte durch das Lesegerät im Fahrstuhl zog. Es war die einzige Möglichkeit, in sein Penthouse-Apartment zu gelangen. Hier schlief er, wenn er bis in die Nacht arbeitete und es sich nicht mehr lohnte, mit dem Hubschrauber auf seine Insel zu fliegen.

Holly wusste, dass er sie sofort gehen lassen würde, wenn sie jetzt darauf bestand. Die Wahrheit war, dass sie keineswegs darauf bestand.

Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, jetzt allein nach Hause zu fahren, allein in ihrer Wohnung zu sitzen. Da war es schon besser, sich einer Illusion hinzugeben, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick. Träume waren manchmal das Einzige, das sie davor bewahrte, ganz in ein schwarzes Loch zu fallen. Und Heiligabend war für sie der schlimmste Tag des Jahres.

Connors Bemerkung über die fehlende Verhütung machte ihr Angst. Als sie beide in seinem Büro waren, hatte sie keine Sekunde daran gedacht, so sehr hatte sie sich von Connor mitreißen lassen. Im Stillen überlegte sie, wann sie ihre letzte Periode gehabt hatte. Nein, es konnte nichts passiert sein.

Außerdem gab es ja auch noch „die Pille danach“. Das setzte allerdings voraus, dass sie bis morgen früh eine Apotheke fand, die geöffnet hatte. Ja, das wollte sie tun. Auf dem Heimweg würde sie sich darum kümmern.

Holly sah aus den Augenwinkeln zu Connor. Wo würde dieser Abend für sie enden? Hatte er vor, die ganze Nacht mit ihr zu verbringen? Sie hatte plötzlich so ein eigenartiges Gefühl. Wie war sein plötzliches Interesse an ihr überhaupt zu erklären? Drei Jahre lang war sie ihm keiner größeren Beachtung wert gewesen.

Carla! Natürlich! Die Konfrontation mit seiner Exfrau hatte ihn aufgewühlt, und da hatte er etwas gebraucht, um sich abzureagieren. Ein ernüchternder Gedanke. Aber wenn sie eines gelernt hatte, so war das, wie man Enttäuschungen umging.

Soll Connor doch seinen Spaß haben, dachte Holly, ich hole mir so lange meinen – bis die Sache ausgereizt ist. Denn das, davon ging sie aus, würde bald der Fall sein, wenigstens was Connor betraf.

Sie waren angekommen und betraten ein exquisit eingerichtetes Apartment. Connor nahm ihr ihre Sachen ab und legte sie auf eine Ledercouch. Ohne ein Wort zu sagen, ging er zur Bar, wo er zwei Gläser Wein einschenkte. Damit kehrte er zu Holly zurück, die noch immer unsicher war, was sie hier erwartete.

Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, während sie das Glas an die Lippen hob und trank. Er blickte auf ihre Kehle, als sie schluckte, und das Gefühl seiner Lippen auf ihrem Hals war ihm wieder gegenwärtig. Stumm prostete er ihr zu und nahm selbst einen Schluck.

„Könntest du schwanger werden?“

Die unverblümte Offenheit seiner Frage überrumpelte Holly, aber schnell fasste sie sich wieder. „Das glaube ich nicht. Nein, unmöglich.“

„Unmöglich ist nichts, Holly. Und wenn doch?“

„Ich werde nie Kinder haben“, erklärte sie mit Nachdruck in der Stimme.

Wenigstens, dachte er, ist das eine klare Aussage. Sie spielte ihm kein Theater vor und hielt ihn nicht zum Narren, wie Carla es getan hatte. „Soll das heißen, du würdest eine Schwangerschaft abbrechen?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Was wolltest du denn damit sagen?“, beharrte er.

„Sollte es tatsächlich so weit kommen, würde ich es schon schaffen, mich um das Kind zu kümmern.“

„Mich um das Kind zu kümmern“, äffte er sie nach. „Das klingt in meinen Ohren nicht gerade nach Begeisterung.“

„Was soll das Ganze? Es ist ziemlich ausgeschlossen, dass ich schwanger werde. Das sagte ich bereits.“

„Ja. Aber verhütet hast du ebenso wenig wie ich, oder?“ Er blickte sie über den Rand seines Glases an. Holly schüttelte den Kopf. Er nahm ihr das Glas ab und stellte es auf dem Couchtisch ab. Dann hielt er ihre Hand fest. „Ich werde mich um dich kümmern.“

„Ich kann mich um mich selbst kümmern“, erwiderte Holly trotzig.

Dass sie ihn so herausforderte, ärgerte ihn. Noch mehr ärgerte er sich über sich selbst. Was machte er hier? Hatte das, was Carla ihm angetan hatte, ihn so weit aus der Bahn geworfen, dass er nach der nächsten sich bietenden Gelegenheit gegriffen hatte und dabei alles vergaß – seine Stellung, seine Verantwortung? Oder hatte er es unbewusst auf ein gewisses Risiko sogar ankommen lassen? Das würde bedeuten, dass er Holly für seine Zwecke missbraucht hatte. Ihm wurde deutlich, dass er diesen unerfreulichen Gedanken nicht so weit von sich weisen konnte, wie er es gern gewollt hätte.

Er ließ ihre Hand los. „Holly, ich …“ Nein, er brachte es nicht fertig, sich dafür zu entschuldigen, was er getan hatte. Zumal er fühlte, wie groß sein Verlangen war, es wieder zu tun.

Sie hob schnell die Hand und legte ihm sanft den Finger auf den Mund. „Bitte sag nicht, dass es dir leidtut, was wir gemacht haben.“

Connor war überrascht. Kannte sie ihn so gut, dass sie ahnte, was er sagen wollte?

„Wir sind beide erwachsene Menschen und wissen, was wir tun.“ Sie sah ihm in die Augen, und ihre Stimme wurde fester. „Ich erwarte keine Treueschwüre von dir, Connor. Was zählt, ist allein diese Nacht.“

Sie fuhr mit den Fingerspitzen über seine Lippen, und Connor genoss die wunderbare Wirkung ihrer Berührung. Schon seinen Namen aus ihrem Mund zu hören ließ ihn alles andere vergessen. Aufmerksam betrachtete er ihr Gesicht.

„Diese Nacht“, wiederholte er mit leicht belegter Stimme. Er nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. „Jetzt – gleich?“

„Jetzt gleich“, antwortete Holly, ohne zu zögern. Sie ließ keinen Zweifel daran, was sie wollte. Sie stieß einen leisen Laut des Entzückens aus, als seine Zungenspitze die zarte Haut zwischen ihren Fingern berührte.

Connor ließ ihre Hand erst los, als sie im Schlafzimmer angekommen waren. Er schloss die Vorhänge mit der Fernbedienung. „Komm“, forderte er sie auf, als sie zögernd in der Tür stehen geblieben war, während er an das sehr breite Bett trat.

Sie kam mit Herzklopfen näher.

„Dieses Mal ziehst du mich aus“, sagte er.

Holly hielt einen Moment ratlos inne. Dann streifte sie ihm die Smokingjacke von den Schultern und ließ sie auf den Boden fallen. Als Nächstes zog sie das weiße Hemd aus der Hose und knöpfte es mit ihren ungeübten Fingern aufreizend langsam auf, löste darauf die Manschettenknöpfe und war endlich so weit, ihm das Hemd ausziehen zu können. Mit seinen breiten Schultern, den muskulösen Armen und schmalen Hüften war er ein Bild von einem Mann. Holly merkte, wie ein Schauer über seine Haut lief, als sie mit der Hand über seine Brust und seinen flachen Bauch glitt. Sie dachte an die Szene am früheren Abend, als sie ihn als Santa Claus zurechtgemacht und versehentlich berührt hatte.

Sie wollte gerade den Hosenbund öffnen, da hielt er ihre Hände fest. „Bitte“, sagte Connor rau, „noch nicht.“ Sie schaute ihn einen Augenblick lang fragend an, dann ließ sie wieder die Hand über seinen Oberkörper gleiten. Sie tastete sich langsam zu seinen Brustwarzen vor und strich mit den Fingerkuppen darüber. Es machte ihr Vergnügen zu sehen, wie sie sich zusammenzogen, genau wie ihre es in diesem Moment taten. Holly fragte sich, ob er dabei wohl auch dasselbe schmerzliche Verlangen spürte.

„Warte.“ Wieder ließ er sie innehalten. „Lös deinen Knoten. Ich möchte dein Haar berühren.“

Holly hätte gerne weitergemacht. Aber folgsam zog sie einige Haarnadeln heraus, die den Knoten im Nacken zusammenhielten, und ließ sie auf den Teppich fallen. Dann löste sie die Spange, und das Haar fiel ihr auf die Schultern und den Rücken.

Connor fuhr mit den Händen durch die seidigen Strähnen, hingerissen von der weichen Fülle. Dann schob er ihren Kopf ein wenig nach hinten und küsste sie endlich voller Verlangen.

Zaghaft zuerst, dann entschlossener und mutiger erwiderte Holly seinen Kuss. Sie öffnete den Mund weit, um seine Zunge eindringen zu lassen, und begann ein wildes Spiel mit ihr. Jeder Muskel in ihm war angespannt, und Holly konnte deutlich spüren, wie sehr er sie begehrte. Auch wenn ihr Verlangen nach ihm ein ganz anderes war, war sie heute Abend bereit, alles von ihm zu akzeptieren, was er ihr zu geben hatte. Sie war sensibilisiert wie nie zuvor und voller Sehnsucht, seine Lippen auf ihren empfindlichen Brüsten zu spüren.

Er streichelte ihren Rücken, und im nächsten Moment streifte er ihr das Kleid von den Schultern und zog es ihr aus. Holly empfand es geradezu als ungerecht, wie leicht er es damit hatte, während sie sich so unbeholfen mit seinem Smoking abgemüht hatte. Aber das war im nächsten Augenblick bereits unwichtig. Sie wollte, dass er sie hielt und wieder tief in ihr war. Endlich gab er ihre Lippen frei und wanderte tiefer. Als sein Mund eine Brust berührte, erschauerte Holly vor Lust. Er nahm die harte Knospe zwischen die Lippen und sog so intensiv an ihr, dass Holly einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken konnte.

Connor hob sie auf die Arme, und instinktiv schlüpfte sie aus ihren Pumps und schmiegte sich eng an seine nackte Brust. Behutsam legte er sie behutsam auf das kühle, glatte Laken, das ihr schon bei der ersten Berührung ein Gefühl von nie gekanntem Luxus gab. Jede Einzelheit versuchte Holly sich genau einzuprägen, um diese Nacht für immer in ihrer Erinnerung bewahren zu können.

Rasch entledigte sich Connor seiner restlichen Kleidungsstücke und legte sich neben sie. Die Berührung seiner rauen, behaarten Beine rief einen Schauer bei ihr hervor, der aber sogleich einem weit stärkeren Gefühl wich, als sie ihn groß und hart an sich fühlte.

„Ich werde dir dieses Mal nicht wehtun“, flüsterte Connor.

„Aber du hast mir nicht …“ Weiter kam sie nicht. Er fuhr ihr mit der Zunge über die Lippen.

„Magst du es, wenn man dir über den Mund fährt?“, fragte er und lächelte.

Holly war überrascht. Sie hätte nicht gedacht, dass er es schaffen könnte, sie in einer Situation wie dieser fast zum Lachen zu bringen.

Holly kuschelte sich tiefer in die Kissen, als Connor weiter mit seinen Händen und dem Mund ihren Körper erkundete. Mit kleinen Küssen arbeitete er sich vom Hals bis zum Nabel vor, bei dem er ein wenig länger verweilte. Dann setzte er seinen Weg weiter nach unten fort. Sie blickte an sich herunter, sah seinen Kopf mit dem dunklen Haar und sah sich selbst zu bei dem, was er machte. Es war ein Bild voller Erotik, so neu, so aufregend, dass sie fast nicht glauben konnte, dass sie selbst es war, die hier mit ihm lag. Aber mit ihrer Rolle als unbeteiligter Beobachterin war es schnell vorbei, als sie seinen heißen Atem zwischen ihren Schenkeln spürte. Sie hatte ihren Slip noch an, und seine Küsse durch den zarten Stoff hindurch brachten sie fast um den Verstand.

Sie krallte die Finger in die Laken, als er ihr den Slip herunterzog und ihn auf den Boden warf. Dann spürte sie seine glatten, heißen Lippen auf ihrer empfindlichsten Stelle und glaubte vor Lust zu vergehen.

Kurz bevor sie den Punkt erreicht hatte, der ihr hätte die Erlösung bringen können, unterbrach Connor seine Zärtlichkeiten und hob den Kopf. Holly fühlte sich allein gelassen. Bebend vor Verlangen, lag sie hilflos da.

Connor legte sich wieder neben sie, streichelte sie und langte dann mit einer Hand an ihrem Kopf vorbei zum Nachttisch. Sie hörte ein Knistern, als würde eine Zellophanhülle aufgerissen. Dann rückte Connor ein Stück von ihr weg, kehrte aber gleich wieder zu ihr zurück.

„Lass mich zu dir kommen“, bat er leise.

Holly spreizte die Beine und hob die Hüften ein Stück an. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung glitt er in sie hinein und füllte sie ganz aus. Sie schwelgte in dem Gefühl, mit ihm eins zu sein. Ihr Herz gehörte ihm schon so lange, ohne dass er etwas davon ahnte – jetzt gehörte ihm auch ihr Körper. Nie hatte sie sich zu einem Menschen so sehr hingezogen gefühlt wie zu ihm. Sie merkte, wie sehr sie ihn brauchte, und dieses Bewusstsein erregte und erschreckte sie gleichermaßen.

Ihr Atem ging stoßweise und keuchend. Sie stöhnte auf, als Connor sich ein wenig zurückzog, aber nur, um gleich wieder zurückzukommen, noch tiefer, noch kraftvoller. Sie war auf die wunderbarste Art erfüllt von ihm. Es war ganz anders als das erste Mal unten in seinem Büro, als sie beide nur von der Hitze des Augenblicks getrieben gewesen waren. Hier hatte sie Gelegenheit, jede Bewegung, jede Steigerung ihres Empfindens zu genießen, und alle ihre Sinne waren geschärft wie nie zuvor.

Wie in aufsteigenden Spiralen wurde sie auf immer höhere Wellen der Lust emporgetragen. Holly drängte sich an Connor, fieberte dem Höhepunkt entgegen.

Raum und Zeit schienen nicht länger zu existieren. Es gab nur noch sie beide, eingesponnen in einen Kokon aus Verlangen und lustvoller Hingabe. Wie in einem Rausch fanden sie beide Erfüllung, und dem Rausch folgte tiefste Befriedigung.

Holly legte Connor die Arme um den Hals, als er zur Seite rollte. Sie schmiegte sich an seine Brust und atmete den zarten Duft seiner Haut ein. Ein Hauch von Wehmut überkam sie bei dem Gedanken, dass sie das, was sie gerade erlebt hatte, nicht festhalten, sondern nur in ihrer Erinnerung bewahren konnte.

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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