Julia Collection Band 126

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

DIE PRINZESSIN KEHRT ZURÜCK! von LINDSAY, YVONNE
Brent verschlägt es die Sprache, als er Amira Forsythe nach acht Jahren plötzlich wiedersieht. Der unschuldige Augenaufschlag, das sexy Kostüm - unverkennbar, die Forsythe-Prinzessin, wie sie genannt wird, ist zurückgekehrt. Aber warum? Will sie etwa eine zweite Chance?

DIESES UNWIDERSTEHLICHE VERLANGEN von LINDSAY, YVONNE
Eigentlich wollte sie ihn nicht wiedersehen. Als Draco Sandrelli jedoch plötzlich vor ihr steht und erneut diese tiefe Sehnsucht in ihr weckt, kann sie nicht anders. Blair gibt sich der Versuchung hin - ohne zu ahnen, dass sie längst mehr mit ihm verbindet als bloßes Verlangen …

EIN WOCHENENDE MIT DEM CHEF? von LINDSAY, YVONNE
Lainey?! Adam kann es nicht glauben. In diesem sexy Kleid hätte er seine Assistentin fast nicht wiedererkannt. Führt sie etwa ein Doppelleben? Er beschließt, es herauszufinden, und lädt sie über das Wochenende auf seine Jacht ein. Rein geschäftlich, natürlich …


  • Erscheinungstag 09.11.2018
  • Bandnummer 126
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711375
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Yvonne Lindsay

JULIA COLLECTION BAND 126

1. KAPITEL

„Heirate mich. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.“

Brent Colby fuhr erschrocken zusammen. Er kannte die Stimme nur allzu genau. Was, zum Teufel, wollte sie hier? Amira Forsythe, besser bekannt als die Forsythe-Prinzessin, hatte hier auf der Herrentoilette seiner alten Schule genauso wenig zu suchen wie in seinem Leben. Und ihr Vorschlag war nun wirklich das Letzte. Wie kam sie nur darauf? Er drehte den Wasserhahn zu, richtete sich auf und griff nach einem Papiertuch. Sorgfältig trocknete er sich die Hände ab und ließ das Tuch in den Papierkorb fallen. Erst dann drehte Brent sich um.

Langsam und eingehend musterte er Amira Forsythe und musste zugeben, dass sie noch genauso aufregend aussah wie früher. Das naturblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern, das dezente Make-up war perfekt, das schwarze, eng anliegende Kostüm betonte ihre Kurven und bot einen auffallenden Kontrast zu der hellen Haut. Ihr raffiniertes Parfüm duftete unwiderstehlich, und unwillkürlich atmete Brent tief ein. Das hätte er nicht tun sollen, denn sofort spürte er, wie sein Puls sich beschleunigte und ein warmes Verlangen in ihm aufstieg.

Aber auch sie war nicht so gelassen, wie sie tat. Das erkannte er deutlich. Sie hatte Angst. Vor ihm? Dazu hatte sie wahrhaftig allen Grund. Schließlich hatte sie ihn vor acht Jahren vor dem Altar stehen lassen, und auch heute noch verspürte er eine unbändige Wut, wenn er daran dachte. Denn damals hatte Amira es noch nicht einmal für nötig gehalten, ihm ihr Verhalten zu erklären. Also hatte er sich sein Leben ohne sie eingerichtet. Und das war auch gut so.

Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Ihre Pupillen hatten sich geweitet, sodass von der eisblauen Iris so gut wie nichts mehr zu sehen war. Diesen Blick kannte er nur zu gut, er war typisch für die Forsythes. Sie heiraten? Das konnte doch wohl nicht ihr Ernst sein!

„Nein“, sagte er und wollte an ihr vorbeigehen, doch sie hielt ihn am Arm fest.

„Ich weiß, Brent“, sagte sie leise. „Die Trauerfeier für Professor Woodleys Frau ist nicht gerade der passende Rahmen, um dir einen Heiratsantrag zu machen. Aber ich habe keine Zeit zu verlieren. Du musst mich heiraten.“

Er blieb stehen und blickte nachdrücklich auf ihre Hand, wobei er sich nichts vormachte. Ihre Berührung hatte immer noch die gleiche Wirkung auf ihn. Ihm wurde heiß vor Erregung, seine Haut schien zu kribbeln, und er hätte nichts lieber getan, als in ihr glänzendes Haar zu greifen und ihre glatte warme Haut mit den Lippen zu liebkosen. Auch nach acht Jahren hatte sie nichts von ihrer Anziehungskraft verloren.

Erstaunlicherweise ließ sie ihn auch nicht gleich los, sondern drückte noch einmal fester zu, bevor sie die Hand zurückzog. Schade, dachte er, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder. Was auch immer sie vorhatte, er wollte nichts, gar nichts damit zu tun haben.

„Selbst wenn ich bereit wäre, mit dir über dieses Thema zu sprechen, Amira, eine Trauerfeier ist nun wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt.“

„Bitte, Brent. Ich weiß, es ist allerlei Unerfreuliches zwischen uns vorgefallen, aber …“

„Was?“ Unerfreuliches? Sie hatte ihn vor der Kirche stehen lassen, in der bereits mehrere hundert Gäste versammelt gewesen waren, und seinen Trauzeugen per SMS informiert, dass sie ihn, Brent, leider nicht heiraten könne. Per SMS, das musste man sich mal vorstellen. Das war wohl etwas mehr als unerfreulich gewesen. Beinah hätte Brent laut losgelacht.

„Lass mich ausreden.“ Ihre Stimme klang jetzt unsicher, was den Forsythes gar nicht ähnlich sah. Denn sie behielten in jeder Situation die Nerven. Wenn Amiras Großmutter noch am Leben wäre, hätte sie wegen dieser Schwäche ihres einzigen Enkelkindes sicher schwer enttäuscht reagiert.

„Wenn ich mich richtig erinnere“, sagte Brent ironisch, „dann hattest du durchaus Gelegenheit, mich zu heiraten. Diese Chance hast du nicht wahrgenommen. Also gibt es in diesem Punkt zwischen uns auch nichts mehr zu bereden.“ Mit zwei Schritten war er bei der Tür.

„Aber du bist der einzige Mann, dem ich vertraue. Der sich auf so etwas einlassen würde.“

Brent blieb stehen, die Hand bereits auf der Türklinke, und drehte sich langsam um. Vertrauen? Sie wagte es, von Vertrauen zu sprechen? Das war einfach grotesk. „Wenn du dich da nur nicht irrst! Ich würde mir nicht über den Weg trauen, vor allem wenn es um Geld geht. Und das ist doch genau der Punkt, um den es geht, oder?“

„Woher weißt du das?“

Er seufzte leise. „Bei Leuten wie dir geht es doch immer nur um Geld.“ Warum war er nicht weitergegangen? Er hätte sich gar nicht erst auf ein Gespräch mit Amira einlassen sollen.

„Warte. Lass mich wenigstens erklären, warum ich dir diesen Vorschlag mache. Ehrlich, du wirst es nicht bereuen. Das verspreche ich dir.“

„Als ob dein Wort noch irgendetwas wert ist.“

„Ich brauche dich.“

Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre er für diese Worte durchs Feuer gegangen. Aber das war lange vorbei. Leute wie die Forsythes brauchten niemanden. Sie nutzten die Menschen nur aus. Und wenn sie mit ihnen fertig waren, ließen sie sie einfach fallen. Dennoch, irgendetwas war da in Amiras Tonfall, was ihn aufhorchen ließ. Dass sie ein Problem hatte, war offensichtlich. Das zeigten schon die Schatten unter ihren Augen. Und anscheinend war sie der Meinung, dass er dieses Problem lösen könne. „Okay, lass uns darüber reden. Aber nicht jetzt. Morgen arbeite ich zu Hause. Du kannst mich dort treffen. Um halb zehn.“

„Halb zehn? Aber ich habe …“

„Halb zehn oder gar nicht.“ Verdammt noch mal, er würde sich nicht nach ihrem Terminkalender richten. Wenn sie ihn sprechen wollte, dann zu seinen Bedingungen oder gar nicht.

„Gut, halb zehn.“

Amira wandte sich zum Gehen. Typisch, dachte Brent. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und nun wurde er gnädig entlassen. Doch zu seiner Überraschung blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um.

„Brent?“

„Was ist?“

„Danke.“

Du solltest mir lieber noch nicht danken, dachte er, während er ihr nach draußen folgte und sie beobachtete, wie sie sich unter die Trauergäste mischte. Sollte sie es gewesen sein, die ihn seit Tagen in seinem Stadtbüro zu erreichen versuchte, während er noch geschäftlich in Übersee zu tun gehabt hatte? Seine Assistentin hatte ihm von einer Frau erzählt, die immer wieder angerufen, sich aber geweigert hatte, eine Nachricht zu hinterlassen. Wie, um alles in der Welt, hatte Amira ihn hier aufgespürt? Er war erst am Vorabend zurückgekommen, weil er unbedingt an dem Trauergottesdienst für seine frühere Direktorin teilnehmen wollte, der Frau seines Lieblingslehrers. Er hatte sie sehr verehrt, und es ärgerte ihn, dass Amira ihn ausgerechnet an einem Tag aufgesucht hatte, der für ihn schon schwer genug war.

Sein Blick schweifte über die Trauergemeinde. Auch ohne die Augen zu schließen, sah er sie wieder vor sich, diese Reihe tadellos gekleideter kleiner Jungen, die sich jeden Morgen zum Schulappell versammeln mussten. Wieder hörte er die sonore Stimme der Direktorin, und wieder hatte er das Gefühl, dass er eigentlich nicht dorthin gehörte.

Er hatte sich auch gesträubt, nach Ashurst zu gehen, auf eine von Neuseelands besten Privatschulen. Aber sein Onkel mütterlicherseits hatte darauf bestanden. Selbst wenn Brent nicht den Namen Palmer trug, so gehörte er doch zur Familie und hätte das Recht auf die gleiche Erziehung wie alle Palmers. So war es mit den alten Familien, die Geld besaßen. Es wurde einfach über einen bestimmt, ob man wollte oder nicht, weil die Tradition es so verlangte.

Brent hatte jegliche finanzielle Unterstützung abgelehnt. Denn er hatte gesehen, wie sehr sein Vater in seinem Stolz getroffen worden war, weil die Palmers die hohen Schulgebühren bezahlten. Auch wenn Zack Colby nie so reich gewesen war wie die Familie seiner Frau, so hatte er dem Sohn doch etwas sehr Wichtiges mitgegeben: Er hatte ihm beigebracht, dass man für seinen Platz in der Welt etwas tun musste. Deshalb hatte Brent sich auch enorm angestrengt, sodass er einer der wenigen war, die im zweiten Jahr ein Stipendium erhalten hatten. Außerdem hatte er neben der Schule noch gearbeitet, um dem Onkel noch vor dem Abschlussexamen jeden Cent zurückzuzahlen.

Aber nicht immer war alles so glattgegangen. Er und seine beiden besten Freunde hatten so allerlei angestellt. Wo waren sie überhaupt? Suchend sah Brent sich um. Adam Palmer und Draco Sandrelli waren doch sicher auch gekommen. Dahinten, ja, das waren sie. Jetzt hatten sie ihn gesehen und kamen auf ihn zu.

Adam hatte ihn als Erster erreicht. „Hallo, Buddy. Sag mal, wer ist denn da eben vor dir aus der Herrentoilette gekommen? Das war doch nicht etwa …?“

„Doch, du hast ganz richtig gesehen.“ Brent nahm sich ein Glas Wasser von dem Tablett, das ein Kellner ihm hinhielt, und trank einen großen Schluck.

„Nicht möglich! Und was wollte Ihre Hoheit?“

Sollte er Adam lieber nicht die Wahrheit sagen? Aber zwischen ihnen hatte es bisher nie Geheimnisse gegeben, und so sollte es auch in Zukunft bleiben. „Sie hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“

„Du willst uns wohl auf den Arm nehmen!“ Inzwischen war Draco zu ihnen getreten. Dass er ursprünglich aus Italien kam, war immer noch an seinem Akzent zu hören, obwohl er inzwischen viel in der Welt herumgekommen war.

„Leider nein. Aber egal, morgen weiß ich Näheres.“

„Willst du damit sagen, dass du sie wiedersehen wirst? Nach allem, was sie dir angetan hat?“ Adam war entsetzt.

„Ja. Aber macht euch keine Sorgen. Ich habe nicht vor, in absehbarer Zeit Ja zu sagen.“ Brent schaute sich um, entdeckte Amira jedoch nirgends.

„Hast du eine Ahnung, warum sie dich heiraten will?“, fing Draco wieder an und musterte den Freund kopfschüttelnd.

„Ihre letzte Nachricht an mich war diese verdammte SMS, mit der sie die Hochzeit abgesagt hat“, fügte Adam mit kaum unterdrückter Wut hinzu. „Wir waren schon alle in der Kirche und haben auf sie gewartet.“

Brent erinnerte sich nur zu gut an diesen quälenden Augenblick. Er und seine besten Freunde hatten neben dem Altar gestanden und noch ihre Witze darüber gemacht, dass die Braut wohl kalte Füße bekommen hatte. Als Adams Handy geklingelt hatte, hatte er dem zunächst keine Beachtung geschenkt. Doch als Amira auch nach weiteren zehn Minuten nicht erschienen war, hatte er verstohlen die Nachrichten gecheckt – und war kreidebleich geworden.

Sag Brent, dass ich ihn nicht heiraten kann. Amira.

Anfangs hatte Brent sich noch Gedanken gemacht, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie die Nachricht früher gelesen hätten. Vielleicht hätte er Amira dann noch abfangen können, bevor sie mit ihrer Großmutter verschwand. Doch dann hatte er diesen Gedanken als Energieverschwendung abgetan. Der anfängliche Schock war bald in kalten Zorn umgeschlagen, und er hatte sich selbst verflucht, dass er so leichtgläubig gewesen war. Wie hatte er ihr abnehmen können, dass sie wirklich nicht die Frau war, zu der die Großmutter sie hatte erziehen wollen.

Damals hatte sie ihm gesagt, dass Geld ihr nichts bedeute, und er hatte ihr geglaubt. Wenige Wochen vor der Hochzeit dann hatte er geschäftlich einen herben Rückschlag erlitten. Ein Container von Übersee mit sehr teuren Computerspielen war defekt, sodass die Ware unbrauchbar war. Das war ein Verlust, mit dem er nicht gerechnet hatte und der nicht schnell wieder auszugleichen war. Um Amira nicht zu beunruhigen, hatte er ihr nichts davon erzählt, aber irgendwie war es doch herausgekommen. Und gerade an ihrem Hochzeitstag hatten die Morgenzeitungen das Ganze genüsslich ausgeschlachtet.

Da hatte Brent erfahren müssen, dass Geld ihr offenbar sehr viel mehr bedeutete, als sie zugeben wollte. Dass sie nicht den Mut hatte, sich mit ihm auszusprechen, sondern nur die lakonische Nachricht übers Handy schickte, hatte ihn besonders getroffen. Doch er war nicht der Mann, der um Zuneigung bettelte. Er hatte seine Lektion gelernt. Die Forsythe-Prinzessin würde keine Gelegenheit mehr bekommen, sein Leben erneut durcheinanderzubringen.

„Ich habe keine Ahnung, was sie vorhat, aber ich werde es herausbekommen“, sagte Brent grimmig. „Aber nun kommt. Wir wollen Professor Woodley kondolieren und dann möglichst bald wieder verschwinden.“

Plötzlich sehnte er sich danach, auf seiner Moto Guzzi zu sitzen, Gas zu geben und all seinen bösen Erinnerungen zu entfliehen. Doch erst mussten sie sich von Professor Woodley verabschieden, der immer ihr Lieblingslehrer gewesen war. Während sie sich vorsichtig durch die Menge schoben, folgten ihnen viele neugierige Blicke, vor allem von Frauen, die bereitwillig zur Seite wichen. Dann endlich standen sie vor dem Professor.

„Na, da sind sie ja, meine drei Strolche. Ich freue mich, dass ihr gekommen seid, Jungs.“ Professor Woodley streckte ihnen lächelnd die Hand entgegen.

Doch Brent zögerte, sie zu ergreifen. Nie wieder hatte ihn jemand Strolch genannt, seit der Professor sie damals erwischt hatte. Sie waren nachts auf der Küstenstraße in halsbrecherischem Tempo mit ihren Motorrädern unterwegs gewesen, was streng verboten war. Immer noch hatte er die Stimme des Professors im Ohr, der damals schwer enttäuscht von ihnen gewesen war. Sie waren mit vier Wochen Ausgangssperre davongekommen. Aber alle drei hatten immer noch ein schlechtes Gewissen, dass sie damals dem geliebten Lehrer so viel Kummer bereitet hatten. Vor allem, als sie erfuhren, dass Professor Woodley seinen einzigen Sohn bei einem Unfall auf genau dieser Straße verloren hatte.

Das Ganze war in ihrem letzten Schuljahr passiert, und bis zum Examen hatten sie sich dann mustergültig verhalten.

„Wie geht es euch denn so? Ich hoffe, ihr seid alle verheiratet. Es gibt nichts Besseres als die Liebe einer guten Frau, die einem treu zur Seite steht.“ Der Professor senkte kurz den Blick und räusperte sich. „Sie wird mir sehr fehlen.“

„Sir, es tut uns allen so leid“, sagte Adam leise. Auch früher schon hatte er das Wort für die drei ergriffen.

„Mir auch, mein Junge, das kannst du mir glauben. Aber so schnell entkommt ihr mir nicht.“ Woodley lächelte verschmitzt. „Seid ihr nun verheiratet oder nicht?“

Alle drei blickten zu Boden und traten verlegen von einem Fuß auf den anderen, bis der Professor leise lachte. „Also nicht. Aber macht euch nichts draus. Ich habe das sichere Gefühl, dass es irgendwann passieren wird, wenn ihr der Richtigen begegnet.“

„Vielleicht ist nicht jeder für die Ehe geeignet“, wagte Brent einzuwerfen. Aber damit gab er dem Professor nur die Gelegenheit, ihnen einen seiner berühmten Vorträge über den Segen der Ehe zu halten.

Doch bald wurde Brent abgelenkt. Als Draco einen Blick zur Seite warf, hielt er plötzlich inne und sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Dann entschuldigte er sich kurz und strebte auf die andere Seite des Raums, dorthin, wo die Cateringfirma ihre Tische aufgebaut hatte. Glücklicherweise wurde Professor Woodley gerade von einer anderen Gruppe begrüßt, die ihm ihr Beileid aussprechen wollte.

Auch Adam blickte dem Freund hinterher. „Was ist denn in den gefahren?“

„Ich weiß es nicht, aber irgendetwas ist da los.“ Brent warf einen Blick auf die große schlanke Frau mit kurzem schwarzem Haar, die offenbar zur Cateringfirma gehörte und Draco entgegensah. Doch nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war sie nicht gerade begeistert, dass Draco auf sie zukam. Und als er sie mit seinem berühmten Sandrelli-Charme anlächelte, drehte sie sich einfach auf dem Absatz um und verschwand.

„Hm, das wird ihm nicht gefallen“, meinte Adam. Und tatsächlich: So schnell ließ sich Draco nicht abschütteln. Entschlossen folgte er der jungen Frau.

„Sieht so aus, als könnten wir diesmal nicht mit ihm rechnen. Schade.“ Brent war enttäuscht. Ihre gemeinsamen Motorradtouren waren selten genug. Die drei Freunde hatten einfach zu wenig Zeit füreinander. „Lass uns gehen. Ich habe genug. Ich will hier weg.“

Draußen sahen sie den Freund mit der jungen schwarzhaarigen Frau stehen. Offenbar bemühte er sich nach Kräften, sie davon abzuhalten zu gehen. Doch sie schien sich nicht überzeugen zu lassen, denn sie öffnete jetzt die Tür eines alten Kombi und stieg ein. Schnell ließ sie den Motor an und verschwand in einer Staubwolke.

Draco lief auf die Freunde zu. „Sagt nichts“, warnte er, die dunklen Augenbrauen drohend zusammengezogen, und griff nach seinem Motorradhelm. Schweigend taten Brent und Adam das Gleiche, und bald waren die drei Freunde auf der Autobahn in Richtung Auckland.

Amira beobachtete Brent von ihrem Wagen aus, den sie unter den herabhängenden Zweigen einer großen Eiche geparkt hatte. Als er zusammen mit Adam aus der Aula herausgekommen war, durchfuhr es sie heiß, und auch jetzt noch zitterten ihr die Hände, die das Steuerrad des BMW umfasst hielten. Und dabei hatte sie gerade ihre Nerven wieder einigermaßen unter Kontrolle gehabt.

Immer noch konnte sie kaum glauben, dass sie den Mut gehabt hatte, Brent anzusprechen und ihm diesen verrückten Vorschlag zu machen. Doch als sie die Anzeige für die Trauerfeier in der Zeitung gesehen hatte, hatte sie den Plan gefasst, Brent aufzulauern. Da er immer in den höchsten Tönen von Professor Woodley gesprochen hatte, war sie absolut sicher gewesen, dass er an der Trauerfeier teilnehmen würde. Da hätte sie endlich die Gelegenheit, ihn zu sehen. Schon tagelang hatte sie sich vorgestellt und ausgemalt, wie sie sich ihm gegenüber benehmen und was sie zu ihm sagen würde. Dass sie dann aber tatsächlich den Mut hatte, ihn anzusprechen, und das auch noch auf der Herrentoilette, hatte sie selbst überrascht.

Sie hatte sich nicht an ihm sattsehen können. Diese breiten Schultern, die schmalen Hüften, das geliebte Gesicht mit den grünbraunen Augen, das glänzende dichte Haar, das sie ihm am liebsten wie früher aus der Stirn gestrichen hätte …

Die letzten acht Jahre hatten es gut mit ihm gemeint, trotz der finanziellen Probleme, die er in der Zeit ihrer Trennung hatte. Aber auf der neuesten Liste der reichsten Männer beziehungsweise Frauen Neuseelands rangierte er unter den ersten zwanzig, das war sehr beeindruckend. Ob ihm so etwas immer noch wichtig war? Diese Art der Anerkennung hatte er früher immer gesucht, vor allem da er von den wohlhabenden Familien nicht akzeptiert wurde, nachdem aus ihrer Ehe nichts geworden war.

Sie konnte den Blick nicht von ihm lösen, als er sich jetzt seine alte schwere Lederjacke überzog, den dunklen Helm aufsetzte und das Visier herunterzog, sodass sein Gesicht vollkommen verborgen war. Doch sie hätte ihn trotzdem erkannt, an der Art, wie er sich bewegte und den Kopf hielt.

Er wirkte ein wenig schwerer als damals mit fünfundzwanzig, aber das stand ihm gut. Irgendwie umgab ihn eine Aura von Macht und Stärke, die sie verwirrte. Aber sie hatte immer schon so intensiv auf seine Nähe reagiert, daran hatte sich bis zu diesem Tag nichts geändert.

Auch jetzt noch konnte sie sich kaum erklären, wie sie den Mut gefunden hatte, ihn anzusprechen. Aber sie war auch noch nie so verzweifelt gewesen. Offenbar ist man dann zu allem fähig, dachte sie und verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln. Und sie würde alles tun, damit Brent auf ihren Vorschlag einging.

Verärgert umklammerte Amira das Steuerrad fester, denn immer noch zitterten ihre Hände. Wenn sie Erfolg haben wollte, musste sie am folgenden Tag eine sehr viel bessere Vorstellung abliefern als an diesem. Die erste Hürde hatte sie überwunden. Vielleicht war die nächste Begegnung sogar etwas einfacher? Das wollte sie nur zu gern glauben. Auch wenn Brent Colby geschäftlich sehr erfolgreich war, so würde er doch immer der „Neue“ bleiben, wenn er nicht endlich Zugang zu dem Netzwerk der „Alten“ bekam, die in Neuseelands Wirtschafts- und Finanzwelt das Sagen hatten. Genau das hatte ihre jetzt verstorbene Großmutter Isobel damals mit Erfolg verhindert. Doch jetzt konnte Amira dafür sorgen, dass er endlich in den „Club“ aufgenommen wurde. Sie konnte nur hoffen, dass ihm diese „Mitgliedschaft“ noch wichtig war.

Ihre Zukunft und alles, was ihr etwas bedeutete, hingen davon ab.

Keiner konnte verstehen, was hier für sie auf dem Spiel stand. Keiner. Denn sie wollte endlich ernst genommen werden, wollte etwas für die Gesellschaft tun, was sich nicht nur darin erschöpfte, den Vorsitz bei Wohltätigkeitskomitees zu führen. Endlich könnte sie in der Lage sein, frei zu entscheiden und sich einzusetzen, ohne dass die Großmutter über ihr Leben bestimmte. Es musste einfach klappen.

Isobel Forsythes Tod hatte Amira erschüttert, und zwar weniger die Tatsache, dass ihre Großmutter nicht mehr am Leben war. Viel mehr war sie über das Testament und die drakonischen Bestimmungen entsetzt, mit denen die Großmutter sie noch über ihren Tod hinaus knebelte. Allerdings hatte sie immer gewusst, dass Isobel mit ihren, Amiras, Plänen, etwas für die Armen zu tun, überhaupt nicht einverstanden gewesen war. Und so hatte sie versucht, der Enkeltochter auch noch mit dem Testament einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Amira ballte die Hände zu Fäusten. Sie musste es schaffen, und sie würde es schaffen.

Als die Motoren der drei schweren Maschinen aufheulten, fuhr Amira zusammen. Wie selbstverständlich übernahm Brent die Führung der kleinen Gruppe. Er war so distanziert, ja, geradezu kalt gewesen, als sie mit ihm sprach, was eigentlich auch kein Wunder war. Aber er hatte noch nicht einmal Zorn gezeigt, kein Gefühl, obgleich sie genau wusste, wie schwer sie ihn damals mit ihrer Absage getroffen hatte. Gerald Stein, der Familienanwalt der Forsythes, hatte es ihr erzählt, denn er war bereits im Vorraum der Kirche gewesen, um sie zum Altar zu führen.

Noch heute versetzte es ihr einen Stich, wenn sie daran dachte, dass sie damals davongelaufen war. Aber diesmal musste es klappen, Brent musste sie heiraten. Sonst würde sie ihr Versprechen der kleinen Casey und den anderen Kindern gegenüber, die arm und krank waren, nicht halten können. Und die ihre ganze Hoffnung auf sie setzten.

2. KAPITEL

Amira zögerte vor dem Tor, das auf die lange, geschwungene Einfahrt führte. Sie brauchte lediglich das Seitenfenster herunterzulassen und auf den Knopf zu drücken. Dann würde sich das Tor öffnen, und sie hatte Zugang zu Brents Anwesen. Alles war sehr ordentlich und gepflegt. Warum hatte sie dann trotzdem den Eindruck, sie würde damit die Tür zu einem Löwenkäfig öffnen?

Akkurat geschnittene Hecken säumten die Straße, die zu seinem Grundstück führte, das direkt am Fluss Tamaki lag. Außer seinem gab es lediglich fünf weitere Grundstücke an dieser Straße, die an der Flussmündung endeten. Brent hatte es wirklich weit gebracht. Das hier war etwas ganz anderes als das Apartment mitten in der Stadt, in dem er gewohnt hatte, als sie sich kennenlernten.

Endlich riss sie sich zusammen und drückte auf den Knopf. Brent würde sicher verärgert sein, wenn sie zu spät kam. Und das durfte sie nicht riskieren.

Es knackte. „Ich bin’s. Amira Forsythe.“

Niemand antwortete, aber das schwere schwarze Eisentor glitt lautlos zur Seite. Rein in den Löwenkäfig. Amira wurden die Handflächen feucht, als sie das Steuerrad fester umklammerte und langsam die Einfahrt hinauffuhr.

Die Hausfront war nicht weniger beeindruckend als das Eingangstor. Amira parkte den Wagen vor einer riesigen Garage, stieg aus und ging auf den Eingang zu. Interessiert betrachtete sie die Villa, die im Stil eines französischen Landhauses gebaut war. Offenbar hatte Brent an nichts gespart. Von den teuren Natursteinplatten bis zu den Holzschindeln, mit denen das Dach gedeckt war, war ihm das Beste wohl gerade gut genug gewesen.

Sie hob die Hand und wollte gerade auf die blank geputzte Messingklingel drücken, als die Tür plötzlich aufging. Amira stockte der Atem. Brent trug einen Anzug, der ganz eindeutig nicht von der Stange war, hatte das Haar glatt zurückgekämmt und das makellos weiße Hemd nicht ganz zugeknöpft, sodass ein kleines Dreieck seiner gebräunten Haut zu sehen war. Selbst ihre Großmutter hätte an seinem Outfit nichts aussetzen können.

Wären die Umstände noch so wie früher, hätte Amira ihm schon längst in den Armen gelegen. Sie würde seine Lippen spüren, sich an seine muskulöse Brust schmiegen … Plötzlich war ihr siedend heiß …

Doch dann fiel ihr ein, weshalb sie gekommen war, und sie riss sich zusammen.

„Du bist pünktlich. Sehr gut. Komm herein.“

„Ich bin immer pünktlich, besonders wenn es um etwas geht, das mir sehr wichtig ist.“ Sie trat über die Schwelle in eine Halle, die mit schwarzen Marmorplatten gefliest war.

„Tatsächlich? Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, bei der du ziemlich unpünktlich warst, sehr unpünktlich sogar. Aber vielleicht war das ja ein Anlass, der dir nicht so wichtig war.“

Sie wurde rot. Er war ja schnell zur Sache gekommen. Übel nehmen konnte sie ihm eigentlich nicht, dass er sofort auf die geplatzte Trauung anspielte. Damit hatte sie rechnen müssen. „Ich hatte dir später alles erklären wollen. Aber ich wusste, du würdest mich sowieso nicht anhören.“

„Richtig. Das hätte ich auch nicht getan. Wie kommst du also auf die Idee, ich könnte heute anders reagieren?“

Er stand ihr gegenüber, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sie an. Seine ganze Haltung drückte Feindseligkeit aus. Die fest zusammengepressten Lippen zeigten deutlich, dass er es ihr nicht leicht machen würde.

„Möglicherweise habe ich dir etwas anzubieten, das dich interessieren könnte.“ Amira wies auf das angrenzende Wohnzimmer. „Könnten wir uns vielleicht setzen?“

„Oben in meinem Arbeitszimmer.“ Ohne eine weitere Aufforderung drehte Brent sich auf dem Absatz um und fing an, die großzügig geschwungene Treppe in den ersten Stock hinaufzusteigen. Oben im Flur öffnete er die Tür zu einem großen hellen Büro und ließ Amira eintreten. Der dicke taubengraue Teppich dämpfte das Geräusch ihrer Schritte. Sie trat in die Mitte des Raumes und sah sich um. Sehr deutlich war an der Einrichtung zu erkennen, zu was für einem Mann er sich entwickelt hatte, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.

Auch für das Büro war nur das Teuerste gut genug, das war nicht zu übersehen. Schreibtisch und Ledersessel, Computer, Telefonanlage und Drucker, alles war vom Feinsten. Doch in einem unterschied sich dieses Arbeitszimmer von anderen Büros und war ganz typisch Brent. Ringsum an die Wände hatte er Bücherregale montieren lassen, die gut bestückt waren. Brent war immer ein begeisterter Leser gewesen, und man konnte den Buchrücken ansehen, dass die Bücher hier nicht nur zur Dekoration aufgestellt waren.

„Du hast Bücher immer geliebt“, sagte sie leise, strich gedankenverloren über einen Buchrücken und ließ sich dann in den schweren Ledersessel sinken, auf den Brent wies. Plötzlich war die Erinnerung wieder da, wie sie Brent, den Kopf in seinen Schoß gebettet, zuhörte, während er ihr vorlas.

„Unter anderem auch die“, sagte er knapp und setzte sich auf den Sessel hinter seinem Schreibtisch.

Amira seufzte. Das alles würde viel schwieriger werden, als sie gedacht hatte. Geradezu körperlich spürte sie seine Abwehr und seine Feinseligkeit. Unwillig blinzelte sie in das Licht, das hinter ihm durch die großen Fenster hereinfiel. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie strategisch ausgesprochen ungünstig saß. Die Sonne schien ihr direkt in die Augen, sodass sie Brents Gesichtsausdruck nicht erkennen, geschweige denn in seinen Augen lesen konnte, was ihr früher keine Probleme gemacht hatte. Wenn sie den Kopf zur Seite neigte, war es etwas besser. Bestimmt hatte Brent sie mit Absicht so platziert, aber in Zukunft würde sie auf der Hut sein. Zu viel hing für sie von diesem Gespräch ab. Ihr ganzes Leben und alles, was sie erreichen wollte.

„Hübsches Haus“, sagte sie freundlich. Auf keinen Fall sollte er merken, wie nervös sie war und wie ihr dieses Treffen bevorgestanden hatte. Der Gegensatz zwischen den schönen Erinnerungen an frühere Zeiten und dem jetzigen kalten Empfang war nur schwer zu ertragen.

„Hör auf, Amira. Wir wissen beide, dass es sich hier nicht um einen Freundschaftsbesuch handelt. Was hast du vor? Weshalb hast du mir diesen verrückten Vorschlag gemacht?“

Amira atmete einmal tief durch, bevor sie antwortete. Sie wusste, sie musste ihre Karten auf den Tisch legen. Alles andere würde Brent sofort durchschauen.

„Es geht um Geld. Wie du gestern schon ganz richtig vermutet hast.“

Brent lachte kurz und trocken auf. „Das habe ich mir doch gleich gedacht. Für euch Forsythes ist Geld das Einzige, was zählt. Immerhin bist du diesmal ehrlich.“

Amira richtete sich auf und sah ihn kühl an. „Und du? Bist du anders? War Geld für dich nicht auch immer der eigentliche Anreiz?“

„Vielleicht früher. Aber jetzt nicht mehr.“

„Das kann ich irgendwie nicht glauben.“

Betont lässig zuckte er mit den Schultern. „Mir egal. Du kannst glauben, was du willst. Geld bedeutet mir nichts mehr.“

Und ich auch nicht. Vorbei waren die Zeiten, in denen sie einander alles bedeutet hatten. Aber das alles hatte schlagartig geendet, als sie ihn öffentlich und vor allen Leuten bloßgestellt hatte. Aber was auch immer sie ihm damals angetan hatte, die Erinnerung daran durfte sie nicht von ihren jetzigen Plänen abbringen. Irgendwie musste sie ihn davon überzeugen, dass eine Heirat auch für ihn von Nutzen war. Zwar war eindeutig, dass Geld allein für ihn nicht mehr so wichtig war und ihn nicht motivieren konnte, sie zu heiraten. Aber sie hatte doch noch die Hoffnung, dass zusätzlich zu den finanziellen Vorteilen etwas anderes ihn neugierig machen könnte. Wenn sie ihm versprach, ihm den Zugang zu den alten Familien und deren Netzwerk zu ermöglichen, würde er sie dann auch noch so schnöde zurückweisen?

„Gut.“ Sie zwang sich zur Ruhe. Wenn sie die Nerven verlor und wütend wurde, würde sie ihr Ziel ganz sicher nicht erreichen. „Du hast bestimmt gehört, dass meine Großmutter vor Kurzem gestorben ist.“

„Ja. Und?“

Er zeigte keinerlei Anteilnahme, aber das hatte sie wohl auch nicht erwarten können. Schließlich hatte ihre Großmutter ihn nie akzeptiert. Sie war es letzten Endes auch gewesen, die Amira gezwungen hatte, ihn aufzugeben.

„Sie hat gewisse Bedingungen in ihr Testament aufgenommen, die ich erfüllen muss, wenn ich das Erbe antreten will.“

„Was für Bedingungen?“ Brent lehnte sich zurück.

Auch wenn er äußerlich so tat, als sei er vollkommen entspannt und nur am Rande an dem interessiert, was sie ihm zu erzählen hatte, so kannte sie ihn besser. Er war aufmerksam und hörte genau zu. So war es immer gewesen, wenn sie zusammen waren, sie waren vollkommen aufeinander konzentriert. Auch jetzt spürte sie wieder die Spannung, die sie immer in seiner Nähe überfiel. Die konnte sie zwar jetzt in diesem Augenblick nicht gebrauchen, da sie ihre Gedanken beisammenhaben musste, doch ein Blick in seine gelangweilt wirkenden Augen genügte, und sie fand den Faden wieder.

„Bedingungen, die mir bestimmte Fesseln anlegen. Leider. Ich kann das Erbe nur antreten, wenn ich vor meinem dreißigsten Geburtstag verheiratet bin.“

„Oh, dann hast du nur noch ein gutes Jahr Zeit, um den Dummen zu finden, der sich auf eine Ehe mit dir einlässt.“ Brent richtete sich wieder auf und stützte sich auf der Schreibtischplatte ab, während er sie von oben bis unten musterte. „Nun, bei deinen offensichtlichen Vorzügen sollte das keine Schwierigkeit sein.“

„Ich will nicht irgendeinen Dummen, ich will dich.“ Ach du Schreck. Das hätte sie so nicht sagen sollen, das war alles andere als diplomatisch. Wo war ihre sonstige Gelassenheit geblieben, die von den Medien immer so gerühmt wurde?

Brent lächelte freudlos. „Also einen reichen Dummen wie mich? Hast du dir das vielleicht vorgestellt? Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Ich habe keinerlei Absichten zu heiraten, und dich schon gar nicht.“

„Nein! Das habe ich überhaupt nicht gemeint.“ Wie sollte sie ihn nur überzeugen, dass er unbedingt auf ihren Vorschlag eingehen musste? „Grundsätzlich brauche ich einen Ehemann, das stimmt. Aber ich bin keineswegs an all dem interessiert, was mit einer Ehe verbunden ist – die Last der Verantwortung und mögliche Beziehungsprobleme und all das. Davon habe ich weiß Gott die Nase voll. Und momentan habe ich außerdem genug am Hals. Aber all diese Schwierigkeiten würde ich mit dir nicht haben. Mit dir würde ich mich vollkommen sicher fühlen. Es gibt niemanden außer dir, dem ich dieses Angebot machen könnte und der nicht alles Mögliche von mir erwarten und verlangen würde. Mehr, als ich zu geben bereit bin. Ich glaube, ich irre mich nicht, wenn ich vermute, dass du keinerlei Interesse mehr an mir hast. Also wärst du der perfekte Partner für eine geschäftliche Abmachung.“

„Eine geschäftliche Abmachung?“ Er runzelte die Stirn und sah sie fragend an.

Endlich hatte sie ihn aus der Reserve gelockt. Aber war er wirklich interessiert, oder machte er sich nur über sie lustig?

„Ja, eine Abmachung zwischen zwei alten Freunden.“

„So.“ Er presste kurz die Lippen aufeinander. „Und was würde dieser alte Freund dafür von dir bekommen?“

„Zehn Prozent meines Erbes.“ Als sie die Summe nannte, hob Brent überrascht die Augenbrauen. „Außerdem die Platin-Mitgliedskarte des ‚Clubs neuseeländischer Geschäftsleute von 1935‘.“

„Und das alles für das Vergnügen, dein Ehemann zu sein, wenn auch nur auf dem Papier?“

Aus seinen Worten sprach der pure Sarkasmus, und wieder wurde Amira knallrot. „Mir ist klar, dass ich in deinen Augen ein solches Opfer nicht wert bin. Aber ich weiß, dass du bisher trotz all deines Geldes nicht Mitglied dieses exklusiven Clubs hast werden können. Ich kann dir die Garantie geben, dass dein Aufnahmeantrag akzeptiert wird. Denk doch nur an all die nützlichen Kontakte. Ich weiß, dass du ein neues Projekt in der Stadt geplant hast, aber immer wieder auf Widerstand stößt, was verschiedene Genehmigungen betrifft. Diese Verzögerungen sind sehr kostenintensiv. Wenn du die richtigen Leute kennst, lösen sich all diese Probleme von selbst.

Ganz sicher kann dein Anwalt eine Art von Ehevertrag aufsetzen, der diese Bedingungen beinhaltet. Die zehn Prozent meines Erbes und die Platinkarte, die dir nach der Eheschließung zustehen.“

„Und was ist mit meinem Geld? Vermutlich möchtest du doch davon auch einen Anteil.“

„Oh, nein. Von dir will ich keinen Cent. Darum geht es bei dieser Abmachung auch gar nicht. Dass du bereit bist, mich zu heiraten, ist alles, was ich brauche. Und du bist der einzige Mann, der dafür infrage kommt.“

„Tatsächlich?“

So, wie er es sagte, klang es wie eine Beleidigung. Als sei Amira nicht fähig, andere Männer für sich zu interessieren. Aber sie ließ sich nicht provozieren. Auf keinen Fall wollte sie sich auf eine Diskussion einlassen. Sie hatte gesagt, was zu sagen war. Nun musste er sich entscheiden.

„Ich kann dich nur bitten, dir mein Angebot genau zu überlegen“, sagte sie ruhig und zog eine Visitenkarte aus der Tasche. „Ruf mich an, wenn du zu einem Entschluss gekommen bist.“ Sie legte die Karte auf den blank polierten Schreibtisch. „Ich finde allein hinaus.“

Brent sah ihr schweigend hinterher, als sie sein Büro verließ. Die Karte beachtete er nicht weiter. Schließlich wusste er Amiras Telefonnummer aus dem Kopf. Er konnte sie nicht vergessen, sosehr er sich auch in den letzten acht Jahren bemüht hatte.

So, Amira glaubte also, dass sie bei ihm gut aufgehoben sei. Wenn sie sich da nur nicht täuschte! Vor ihm sicher? Diesen Gedanken konnte er vergessen, er brauchte sie nur anzusehen. Auch das fein gestreifte klassische Kostüm konnte ihre aufregende Figur nicht verbergen, und ihre Rühr-mich-nicht-an-Haltung hatte ihn immer besonders scharf gemacht.

Dass sie tatsächlich davon ausging, er brauche ihre Hilfe, um Zugang zu diesem „Altherrenclub“ zu finden, weil er sonst sein Projekt nicht durchziehen könnte, war geradezu lachhaft. Offenbar war sie nicht richtig informiert. Brent Colby brauchte niemanden, um erfolgreich zu sein. Bisher hatte er alles geschafft, was er sich vorgenommen hatte. Sicher, die Baugenehmigungen zu bekommen war ein mühseliger und zeitraubender Prozess. Aber es würde am Ende klappen, davon war er überzeugt. Das Ganze war ein Machtspiel innerhalb der Stadt und der Behörden, und er war bereit, diese Spielchen mitzumachen, wenn sie ihn an sein Ziel brachten. Seit er seine erste Million verdient und dann wieder verloren hatte, hatte er gelernt, geduldig zu sein. Auf Amira Forsythes Kontakte konnte er sehr gut verzichten.

Dieses lächerliche Angebot hätte er gleich ablehnen sollen. Es lohnte sich kaum, darüber nachzudenken. Dass sie ihn damals verlassen hatte, als er ihren Beistand am dringendsten brauchte, war Beweis genug. Es war ihr damals nur um Geld gegangen, und das war heute nicht anders.

Die Zahl, die sie ihm als seinen Anteil genannt hatte, war zwar hoch, konnte ihn aber bei seinem gegenwärtigen Kontostand kaum beeindrucken. Sein Reichtum … vielleicht war das ihr eigentliches Motiv? Ihre Großmutter hatte ihr geradezu eingehämmert, wie wichtig finanzielle Sicherheit sei. Vielleicht wollte sie ihn mit ihren paar Millionen ködern, um an seine heranzukommen? Wie weit würde sie gehen, um das zu erreichen? Ihn heiraten?

Aber irgendwie ergab das Ganze keinen Sinn. Amira hatte selbst reichlich Geld. Die Forsythes gehörten zu den ersten Familien, die Neuseeland besiedelt hatten, und waren nicht nur für ihren enormen Reichtum, sondern auch für die Großzügigkeit bekannt, mit der sie alle möglichen Einrichtungen unterstützten. Amira war die letzte der Forsythes, wenn man einmal von einem entfernten Verwandten absah, der irgendwo in Australien lebte und von dem man nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Er hatte sein Geld verspielt und war vollkommen heruntergekommen.

Irgendwie hatte Brent das unbestimmte Gefühl, dass hinter Amiras Vorschlag mehr steckte, als auf Anhieb zu erkennen war. Zwar hatte sie sich in den letzten acht Jahren verändert, aber doch nicht so sehr, dass er nicht spürte, wenn sie etwas vor ihm verbarg. Was genau mochte das sein?

Er lehnte sich zurück und drehte sich mit dem Sessel zum Fenster. Immer wieder war er begeistert von diesem Blick über den gepflegten Rasen bis hin zum Mündungsgebiet des Tamaki. Grund dafür war weniger die landschaftliche Schönheit, als dass ihm hier besonders deutlich bewusst wurde, wie weit er es gebracht hatte. Denn der Unterschied zwischen dem kleinen Haus, in dem er aufgewachsen war, und dem großzügigen Anwesen hier konnte kaum größer sein.

Menschen wie Amira Forsythe würden nie begreifen können, was es bedeutete, sich alles selbst erarbeiten zu müssen. Sie waren in den Reichtum hineingeboren worden und hatten nie etwas anderes gekannt. Wieder musste er an Amiras Großmutter Isobel denken. Der alte Drache hatte nur mit Mühe tolerieren können, dass er mit der Enkeltochter ausging, und das auch nur, weil die Zeitungen über ihn berichteten. Er galt damals als der aufgehende Stern am Unternehmerhimmel.

Doch als dann seine große Frachtsendung unrettbar beschädigt wurde und er den letzten Cent für die Garantieleistungen ausgeben musste, hatte sich das sehr schnell geändert. Natürlich hätte er sich für zahlungsunfähig erklären können, dann hätten seine Gläubiger das Nachsehen gehabt. Aber so etwas war nicht sein Stil.

Danach war die Eigentumswohnung sein einziger Besitz gewesen. Und mit dieser Sicherheit im Rücken hatte er angefangen, sein Unternehmen wieder aufzubauen. Das war ein mühsamer Weg gewesen, aber ihm schließlich gelungen. Die Firma stand jetzt besser da als vorher. Wieder hatte er den Wert harter Arbeit kennengelernt, etwas, das Amira mit ihrem sozialen Hintergrund nie begreifen würde.

Sicher würde die alte Isobel sich vor Zorn im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass ihre kostbare einzige Enkeltochter diesem hergelaufenen Brent Colby einen Heiratsantrag gemacht hatte.

Als er Amira damals kennengelernt und sich mit ihr angefreundet hatte, meinte er, das große Los gezogen zu haben. Die Forsythe-Prinzessin! Nur wenige Männer hatten es gewagt, sich mit ihr zu verabreden. Das hatte nicht nur mit der Großmutter zu tun, der kein Mann gut genug war, sondern auch mit Amiras fast königlichem Auftreten und ihrem Vermögen, was viele einschüchterte. Doch nicht Brent Colby.

Er hatte sie damals einfach während des Ellerslie Derbys angesprochen, als sie versuchte, sich der vielen Fotografen zu erwehren. Ohne zu fragen, hatte er sie beim Arm genommen und mit sich gezogen. Er hatte ihr einen Lunch weitab von der Menge der Derbybesucher versprochen, und zu seiner Überraschung und Freude hatte sie eingewilligt.

Ihre Romanze bot wochenlang Stoff für endlose spekulative Geschichten auf den Titelseiten der Zeitungen. Wie waren sie verliebt gewesen! Brent wagte seinem Glück kaum zu trauen. Er war eher etwas laut und ungehobelt, was zu ihrer Familie eigentlich überhaupt nicht passte. Und dennoch schien sich Amira daran nicht zu stören und liebte ihn leidenschaftlich. Zumindest hatte er das damals geglaubt. Doch als sie ihn verließ, weil er sein Vermögen verloren hatte, da zeigte sie ihr wahres Gesicht, das der echten Forsythe, der es nur auf Geld ankam. Gerade in einer Situation, in der er ihre Unterstützung und Liebe besonders gebraucht hätte.

Wieder stiegen Zorn und Bitterkeit in ihm auf. Seine Freunde und die Familie hatten zwar versucht, ihn zu trösten. Es sei doch besser, den wahren Charakter jetzt zu entdecken als später. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende und so weiter. Doch all das hatte ihm nichts genützt. Sie hatte seine Liebe verraten und ihn zutiefst verletzt. Und diese Wunde schmerzte noch immer.

Von Racheaktionen hatte er eigentlich nie viel gehalten. Aber als er so auf den Fluss blickte, dachte er plötzlich anders darüber. Hatte Amira ihm die Möglichkeiten einer befriedigenden Rache nicht sozusagen auf dem Silbertablett serviert?

Sein Puls beschleunigte sich, als er die ganze Sache näher durchdachte. Zwar hatte Amira klargemacht, dass die Ehe nur auf dem Papier bestehen sollte, aber er hatte seine Zweifel, ob sie ihm auf Dauer widerstehen könnte. Sicher war es nicht schwer, sie zu verführen. Sie hatten sich immer sehr zueinander hingezogen gefühlt. Und wenn sie sich dann erst wieder in ihn verliebt haben würde …

Wie befriedigend würde es sein, diesmal sie fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Dann würde sie am eigenen Leib spüren, was sie ihm damals angetan hatte. Und war sie diesmal nicht in einer ähnlichen Situation wie er damals? Auch für sie bestand die Gefahr, alles zu verlieren, was ihr wichtig und was mit dem Namen Forsythe verbunden war. Macht. Prestige. Vermögen.

Brent drehte sich schnell wieder um und griff nach dem Telefonhörer. Er stellte den Lautsprecher an und tippte die ihm wohl vertraute Nummer.

„Amira Forsythe.“ Ihre Stimme erfüllte den Raum und war so vertraut, dass sich ihm das Herz zusammenzog.

„Ich werde dich heiraten.“

„Brent? Bist du’s?“

„Hast du jemand anderen erwartet?“

„Nein. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass du dich so schnell entscheiden würdest.“

„Wieso? Bist du dir plötzlich nicht mehr sicher?“

„Keineswegs. Ich bin nur überrascht … aber angenehm überrascht. Dann sollten wir uns möglichst bald treffen, um Näheres zu besprechen. Hast du heute Zeit? Sollen wir sagen, Dinner um halb neun? In unserem Lieblingsrestaurant am Fluss?“

„Wenn du nichts dagegen hast, dass man uns schon so schnell zusammen sieht. Du weißt, die Presse wird sich auf diese Story stürzen. Kannst du damit umgehen?“

„Je eher, desto besser, findest du nicht?“ Ihre Stimme klang geschäftsmäßig. „Wann kannst du mich abholen? Wir sollten lieber zusammen das Restaurant betreten.“

„Gut. Ich bin gegen acht bei dir.“

„Wunderbar. Bis dann. Und, Brent, danke, dass du das für mich tust. Du wirst es bestimmt nicht bereuen.“

Ihr war die Erleichterung deutlich anzumerken, was gleich wieder Brents Misstrauen wachrief. Irgendetwas verbarg sie vor ihm, aber das würde er schon noch herausbekommen. „Bis später also.“ Er legte den Hörer auf und lächelte triumphierend.

3. KAPITEL

Später am Nachmittag öffnete Amira die Tür zu ihrer Einliegerwohnung auf dem großen Landsitz der Forsythes. Früher, als sie gedacht hatte, hatte sie das Büro der Fulfillment Stiftung verlassen können, der Stiftung für notleidende Familien, die sie gegründet hatte. So hatte sie noch ein wenig Zeit, bevor Brent sie zum Dinner abholte.

Amira war froh, dass sie in dem riesigen Landhaus ihrer Familie, das in Aucklands teuerstem Vorort Remuera lag, einen eigenen Eingang hatte. Dadurch hatte sie sich auch zu Lebzeiten der Großmutter noch so etwas wie eine Privatsphäre bewahren können. Denn die Großmutter hatte unbarmherzig über Amiras Kommen und Gehen gewacht. Und sosehr sie, Amira, sich auch bemüht hatte, Isobel hatte immer etwas zu kritisieren gehabt.

Die meisten Menschen hätten sich darüber wohl achselzuckend hinweggesetzt. Aber Amira war anders. Ihr war bewusst, was für ein Glück sie hatte, dass die Großmutter sie nach dem plötzlichen Unfalltod der Eltern aufgenommen und ihr ein Zuhause gegeben hatte. Dadurch hatte sie die besten Startchancen im Leben gehabt. Leider war sie keine große Leuchte in der Schule gewesen, und deshalb kam eine akademische Karriere nicht infrage, auf die die Großmutter wohl gehofft hatte. Außerdem sah Amira eher ihrer Mutter als ihrem Vater, Isobels Sohn, ähnlich. Aber sie hatte das Durchhaltevermögen der Forsythes, und so setzte Isobel sie bei den vielen Wohltätigkeitsaktivitäten der Familie ein. Amira tat diese Arbeit gern, sie konnte etwas bewegen. Und sie besaß ein ausgesprochenes Organisationstalent.

Auch jetzt, nach dem Tod der Großmutter, freute sie sich über ihr eigenes Apartment, obgleich keine Kontrolle mehr zu befürchten war. Das übrige Haus war ihr sowieso viel zu groß. Es war eher ein Museum als ein Zuhause. Das hatte sie gleich bei ihrer Ankunft damals als Zehnjährige gedacht, und dieser Eindruck war geblieben.

Bis ein halbes Jahr vor ihrem Tod hatte Isobel die Familienangelegenheiten gemanagt. Dann hatte eine Reihe von Schlaganfällen sie daran gehindert, weiterhin das Regiment zu führen. Deshalb hatte Amira sich darum kümmern müssen, so gut sie konnte. Doch das war nicht gut genug. Isobel konnte zwar nicht mehr sprechen, aber ihre tadelnden Blicke waren mehr als deutlich.

Doch auch das war jetzt vorbei.

Amira seufzte erleichtert auf und zog sich die Schuhe aus. Das tat gut. Der Anrufbeantworter blinkte, und sie drückte auf den Knopf. Auch das noch. Die schmierige Stimme kannte sie leider nur zu gut.

„Amira, Darling … Ich habe gerade die schriftliche Bestätigung des Testaments bekommen, du weißt, von dem letzten Willen meiner geliebten Tante Izzy. Und ich muss dir einfach sagen, wie sehr ich mich darauf freue, bei dir einzuziehen. Vielleicht können wir zu einer Vereinbarung kommen, die für beide Teile … befriedigend ist.“ Er lachte leise. Dann seufzte er theatralisch auf. „Aber leider müssen wir ja noch so lange warten. Schrecklich. Ich kann es kaum aushalten …“

Wütend drückte Amira auf den Knopf und löschte die Nachricht. Wenn sie die Erinnerung an diesen Verwandten doch auch so schnell loswerden könnte. Roland Douglas, ein Neffe zweiten Grades ihrer Großmutter, hatte etwas von einem widerlichen Insekt an sich – und war auch genauso schwer loszuwerden. Schon vor langer Zeit hatte Isobel alle Bindungen zu diesem Teil der Familie gekappt, aber aus irgendwelchen nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hatte sie dem Testament einen Zusatz hinzugefügt. Der besagte, dass Roland Alleinerbe wäre, sollte Amira bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag nicht verheiratet sein oder ein Kind in die Welt gesetzt haben.

Warum Isobel das getan hatte, konnte sich keiner erklären. Vielleicht wollte sie Amira unter Druck setzen. Auf alle Fälle war eins klar: Sollte Amira diese Frist nicht einhalten, würde sie alles verlieren, auch die monatlichen Zuwendungen, von denen sie vorläufig ihren Lebensunterhalt bestritt. Sie hatte sich mit ihrem Anwalt besprochen, ob die Möglichkeit bestand, diesen Testamentzusatz anzufechten. Aber da die Großmutter damals noch klar bei Verstand gewesen war, gab es diesbezüglich keine Hoffnung.

Schnell ging Amira in ihr Badezimmer. Sie fühlte sich beschmutzt von Rolands Worten und sehnte sich nach einer heißen Dusche. Was für ein widerlicher Typ er doch war! Dauernd rief er sie an und belästigte sie. Wenn es wirklich zum Schlimmsten kam und er alles erbte, war eins sicher: Mit ihm würde sie nie zu einer Vereinbarung kommen und schon gar nicht zu einer befriedigenden.

Sie musste unbedingt das Erbe antreten, um den vielen Menschen, die sich auf sie verließen, nicht die letzte Hoffnung zu nehmen. Und wenn das nur mit einer Eheschließung möglich war, dann musste sie eben heiraten.

Ah, das tat gut! Das warme Wasser schien alle Spannungen des Tages abzuspülen. Nicht nur Roland hatte sie genervt. Brent wiederzusehen und Gelassenheit vorzutäuschen hatte viel Kraft gekostet. Obgleich die Situation sich merkbar entspannt hatte, als er sich einverstanden erklärte, sie zu heiraten. Aber noch schlimmer war der Druck, unter dem sie in Bezug auf die Stiftung stand. Finanziell standen sie so ziemlich am Abgrund, seit fast einem Monat hatte sie die Gehälter der Angestellten nicht bezahlen können.

Zwar hatten die Mitarbeiter das bisher klaglos hingenommen, weil sie großes Vertrauen in Amira hatten. Aber in einer Zeit, in der viele wohltätige Stiftungen auf Spenden angewiesen waren, wurde es zunehmend schwieriger, das notwendige Geld zusammenzubekommen. Sie musste unbedingt in den nächsten Wochen Geld auftreiben, sonst waren auch die loyalsten Mitarbeiter gezwungen, sie zu verlassen.

Dass sie heute mit Brent ausging, war ein Schritt in die richtige Richtung. Ganz sicher war die Öffentlichkeit wild darauf, mehr über diese neue Liebesgeschichte zu erfahren. Und Amira war entschlossen, die „Story ihrer Liebe“ an den Meistbietenden zu verkaufen. Je mehr sie das Interesse der Leser wecken konnte, bevor sie offiziell ihre Verlobung bekannt gaben, desto besser.

Amira schloss die Augen und musste an die kleine Casey McLauchlan denken. Auf dem Nachhauseweg war sie noch an dem Kinderkrankenhaus vorbeigefahren und hatte die Kleine besucht. Deren größter Wunsch war es, mit ihren neuen Adoptiveltern Disneyland zu sehen. Die Leukämiebehandlung hatte bisher gute Ergebnisse gebracht, aber es war wichtig, dass sie fortgeführt wurde. Und für die Finanzierung war die Stiftung verantwortlich. Auf irgendeinem Weg musste Amira Geld heranschaffen, sonst konnte sie ihr Versprechen der Kleinen gegenüber nicht halten. Und Casey hatte in ihrem kurzen Leben schon so viel ertragen müssen.

Aber Brent hat Ja gesagt, sprach sie sich wieder Mut zu. Der wichtigste Schritt war getan. Wenn alles nach Plan ging, würde sie am Tag der Hochzeit ihr Erbe antreten können, und die kleine Casey war gerettet. Jetzt musste sie nur dafür sorgen, dass auch alles so klappte, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Ihr war sehr viel leichter ums Herz, nachdem sie sich tüchtig abgetrocknet hatte und sich dann in Shorts und Top auf dem Sofa niederließ. Frühestens in zwei Stunden würde Brent sie abholen, also konnte sie es sich noch ein bisschen mit einem Buch gemütlich machen. Sie breitete ihr feuchtes Haar auf dem Handtuch aus, das sie über die Armlehne des Sofas gelegt hatte. Am liebsten ließ sie es an der Luft trocknen, auch wenn es sich dann manchmal zu sehr lockte. Den Roman hatte sie schon vor Wochen angefangen, und es wurde Zeit, dass sie ihn endlich zu Ende las. Aber auch heute fiel es ihr schwer, sich auf die Buchstaben zu konzentrieren. Zu viel ging ihr durch den Kopf …

Die Türklingel schrillte. Amira fuhr hoch und sah sich verwirrt um. Du liebe Zeit, es war schon beinah dunkel. Sie sprang auf und stürzte zur Tür, während sie einen schnellen Blick auf die Kaminuhr warf. Himmel, es war bereits Viertel nach acht! Hatte sie so lange geschlafen?

Ungeduldig klopfte Brent mit dem Fuß auf den Boden, während er darauf wartete, dass die Tür endlich geöffnet wurde. Gerade als er die Hand hob, um wieder auf die Klingel zu drücken, wurde die Tür aufgerissen, und Amira sah ihn entsetzt an.

„Brent! Es tut mir so leid, ich bin eingeschlafen! Aber ich brauche nicht lange, um mich umzuziehen. In zehn Minuten bin ich fertig, versprochen! Komm rein, und mach dir was zu trinken, ich bin gleich wieder da.“

„Immer mit der Ruhe“, sagte er und musterte sie eingehend. Mit den wirren Locken, dem knappen Top, dessen einer Träger ihr über die Schulter gerutscht war, und den weit aufgerissenen hellblauen Augen sah sie süß und sexy aus. Vor allem als sich unter seinem Blick ihre Brustspitzen verhärteten und sehr deutlich sichtbar waren. „Ich rufe das Restaurant an und sage, dass wir etwas später kommen.“

Er lächelte anzüglich, und sie errötete.

„Gut. Sorry noch mal. So was passiert mir normalerweise nicht.“

„Mach dir nichts draus.“

Brent war ziemlich sicher, dass sie nicht innerhalb von zehn Minuten fertig sein würde. Aber, oh Wunder, er hatte sich kaum einen Drink eingeschenkt, da war sie schon wieder zurück. Beinah war er enttäuscht, denn die sexy junge Frau hatte sich wieder in die unnahbare Forsythe-Prinzessin verwandelt. Zu dem eleganten burgunderroten Kleid trug sie High Heels, sodass sie fast so groß war wie Brent, das Haar hatte sie hochgesteckt, und ihr Make-up war wie immer perfekt.

Schade, die andere Amira hatte ihm viel besser gefallen. Aber er wusste, dass die Aufmachung eine Art Schutzschild war. Das wusste er noch von früher. Wann immer sie sich in einer Situation unwohl und unsicher fühlte, hatte sie die Unberührbare hervorgekehrt und die Überlegene gespielt. Früher hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, den Grad ihrer Unsicherheit an der Höhe der Absätze zu messen. Nun, an diesem Abend waren die Absätze sehr hoch …

„Okay, ich bin fertig. Wir können gehen“, sagte sie, allerdings etwas atemlos.

„Einen Moment noch.“

Er konnte sie zwar nicht dazu bringen, die Schuhe zu wechseln, aber er konnte etwas anders verändern. Er trat dicht vor sie hin und zog ihr mit beiden Händen die Klammern aus dem Haar, sodass ihr die Locken weich auf die Schultern fielen. Mit gespreizten Fingern lockerte er die blonde Mähne auf. „So, das ist besser.“

Verdammt, er hätte sie nicht berühren sollen. Sein Körper reagierte sofort auf sie.

Amira warf ihm einen eisigen Blick zu. „Wenn du meinst.“ Entschlossen drehte sie sich um und ging zur Tür.

Als er die Beifahrertür seines Porsches für sie aufhielt und sie sich auf den tief liegenden Sitz niederließ, konnte er kurz einen Blick auf ihre langen schlanken Beine werfen. Als spüre sie seinen Blick, zog sie den Kleiderstoff schnell über die hellen Oberschenkel. Brent biss sich auf die Lippen. Er hätte einen seiner anderen Wagen nehmen sollen. In diesem Sportwagen saßen sie einfach zu dicht nebeneinander. Aber dazu war es jetzt zu spät.

Er schlug die Tür zu, wütend auf sich selbst, dass Amira immer noch eine solche Wirkung auf ihn hatte. Schnell setzte er sich hinter das Steuerrad und ließ den Motor an. Glücklicherweise war die Fahrt zu dem Restaurant am Fluss nicht weit. Bereits eine Viertelstunde später betraten sie das italienische Restaurant, in dem sie früher sehr oft gegessen hatten.

Auch jetzt war es gut besucht. Der Oberkellner begrüßte sie und führte sie an den reservierten Tisch, der für zwei gedeckt war und an der sanft beleuchteten Rückwand stand. Während sie dem Kellner folgten, legte Brent Amira die Hand auf den Rücken. Er lächelte kurz, als er merkte, wie sie zusammenzuckte und sich dann wieder entspannte. Daran würde sie sich wohl gewöhnen müssen, wenn sie das verliebte Paar spielen wollten, das kurz vor seiner Verlobung stand.

Schon jetzt hatten sie die Aufmerksamkeit der anderen Gäste erregt, denn als sie sich setzten, drehten sich viele Köpfe nach ihnen um, und ihre Namen wurden geflüstert. Am nächsten Tag würde die Gerüchteküche brodeln, da war Brent sicher.

Zwar hatte er ziemlich oft mit der Presse zu tun, aber er hasste diese Art von Publicity. Im Mittelpunkt des Stadtklatsches zu stehen und ein derart öffentliches Leben zu führen war für ihn alles andere als erstrebenswert. Damals vor acht Jahren hatte er gelitten wie ein Hund. Erst brach seine Firma zusammen, dann verließ Amira ihn am Tag ihrer Hochzeit, diese Zeit würde er nie vergessen. Er hatte sich kaum noch aus dem Haus getraut. Heutzutage diktierte er der Presse die Bedingungen, unter denen sie über ihn berichten durften, und dabei ging es immer nur um Geschäftliches.

Zu seiner Erleichterung war ihr Tisch durch eine große Palme wenigstens etwas vor den Blicken der anderen Gäste geschützt. Nachdem sie die Speisekarten in Empfang genommen hatten, beugte er sich leicht vor. „Sieht ja so aus, als seien wir bereits Gesprächsthema Nummer eins. Stört dich das?“

Überrascht sah Amira ihn an. „Aber nein! Hast du geglaubt, dass mich das einschüchtert? Offenbar hast du vergessen, dass ich so etwas gewohnt bin.“

Brent lehnte sich wieder zurück. Dieser schnippische Tonfall gefiel ihm gar nicht. „Dann hättest du also nichts dagegen, wenn wir morgen Stadtgespräch wären?“

„Ach, du weißt doch, dass die Leute gern klatschen. Und ich weiß es auch. Außerdem ist es von Vorteil, wenn vor der Verlobung schon so einiges über uns in der Presse steht.“

„Von Vorteil? Wieso denn das?“

„Weil wir dann unsere Story zu einem höheren Preis verkaufen können. Ich meine, wenn die Neugier der Menschen schon durch allerlei Gerüchte über unsere neu aufgewärmte Beziehung angefacht wurde. Findest du nicht?“

„Doch … oh ja, zweifellos.“ Eingehend studierte Brent die Speisekarte.

Das Herz wurde ihm schwer. Da war es wieder. Geld. Es ging nur um Geld. Das hätte ihn nicht überraschen sollen. Aber es enttäuschte ihn doch irgendwie, dass Amira sich in diesem Punkt überhaupt nicht geändert hatte. Für wenige Augenblicke hatte er die Amira wiedergefunden, in die er sich damals verliebt hatte. Das war, als sie so hastig die Tür aufgerissen und in Shorts, Top und mit wirren Locken vor ihm gestanden hatte. Aber das war offenbar nicht die wirkliche Amira Forsythe, auch wenn er das gern glauben wollte. Die richtige Amira saß jetzt vor ihm, schön, unnahbar und besessen von dem Gedanken an Geld.

Noch konnte er sich aus dieser ganzen Farce zurückziehen. Er brauchte nur aufzustehen und den Tisch zu verlassen. Andererseits gab er damit seinen Racheplan auf, den er sich am Nachmittag in allen Einzelheiten ausgedacht hatte. Er wollte ihr zeigen, auf was sie wirklich verzichtet hatte, als sie ihn damals so kalt abservierte. Und wenn sie das begriffen hatte und bedauerte, wie sie ihn behandelt hatte, dann würde er sie fallen lassen, und sie würden quitt sein. Und er war hoffentlich endlich in der Lage, die Erinnerung an Amira Forsythe aus seinem Gedächtnis zu streichen.

„Wann, meinst du, sollen wir unsere Verlobung bekannt geben?“, unterbrach Amira ihn in seinen Gedanken. „In einer Woche? Oder ist das zu früh?“

„In einer Woche schon?“ Brent war überrascht, dass sie es so eilig hatte. Schließlich wurde sie doch nicht gleich im nächsten halben Jahr dreißig. „Ist das nicht ein bisschen zu kurzfristig nach dem Tod deiner Großmutter? Wann ist sie gestorben? Doch erst vor sechs Wochen, oder?“

„Ja. Dennoch …“ Amira zog nachdenklich die feinen Brauen zusammen und brach ein Stück von dem Knoblauchbrot ab. „Es ist ja nicht so, als hätten wir uns gerade erst kennengelernt. Ein Monat wäre wirklich etwas lang. Wie ist es mit vierzehn Tagen? Das ist doch ein guter Kompromiss.“

„In vierzehn Tagen?“ Brent nickte dem Weinkellner zu, der anfing, die Flasche zu entkorken. „Na gut, das wäre möglich.“

„Und wie ist es mit der Hochzeit?“, fuhr Amira eifrig fort. „Was hast du da für Vorstellungen? Jetzt haben wir Mitte März. Der früheste Termin für mich wäre Ende Mai, Anfang Juni. Vielleicht an dem Wochenende von Queens Birthday? Hättest du da Zeit?“

„Am Geburtstag der Queen? Ja, warum nicht?“ Da die Hochzeit nie stattfinden würde, konnte er sich problemlos auf dieses Datum einlassen. „Ist mir recht, wenn du bis dahin alles organisieren kannst. Denn kurz danach bin ich geschäftlich ziemlich ausgebucht, sodass für mich als nächster Termin erst die Weihnachtstage infrage kämen. Aber so lange willst du sicher nicht warten. Ich meine, du willst doch möglichst bald dein Erbe antreten.“

Nervös spielte Amira mit ihrem Weinglas und zog so unbewusst Brents Aufmerksamkeit auf ihre langen schlanken Finger. Gepflegt bis in die Spitzen, jeder Nagel mit absoluter Perfektion lackiert, genauso wollte sie sich der Welt präsentieren. Das wurde Brent wieder mehr als deutlich. Kurz musste er daran denken, ob sie auch dann noch diese Fassade aufrechterhalten könnte, wenn alles um sie herum zusammenbrach.

„So kurzfristig wird es allerdings schwierig sein, etwas Passendes für die Feier zu finden“, erwiderte sie, ohne auf seine letzte Bemerkung einzugehen. „Aber wir können es natürlich bei uns machen. Das Haus ist groß genug, und wir werden sicher nicht wieder so viele Gäste wie das letzte Mal einladen. Ich werde eine Public-Relations-Agentur engagieren, die das Ganze organisieren soll. Und zwar möglichst bald.“

„Public-Relations-Agentur? Ist das nötig?“ Das wurde ja immer schlimmer.

„Natürlich. Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen. Das Ganze soll einschlagen wie eine Bombe. Schließlich ist es doch eine geschäftliche Abmachung, oder nicht?“ Sie sah ihn kurz von der Seite her an.

„Doch. Und du hast recht. Wir dürfen kein Risiko eingehen, dass etwas nicht klappt.“ Auch das hätte ihn nicht überraschen dürfen. Er wusste doch, dass sie einen sehr guten Draht zu den Medien hatte. Als Vorsitzende der verschiedenen Wohltätigkeitsvereine hatte sie diese Kontakte aufgebaut und beherrschte sie spielend. Er sollte sich nicht wundern, dass sie ihm und ihrer Hochzeit die gleiche Aufmerksamkeit angedeihen ließ.

Wie anders lief diese Hochzeitsplanung ab. Damals vor acht Jahren hatten sie sich über jede Einzelheit verständigt und alles miteinander abgesprochen. Aber hat es uns etwas genützt?, dachte er traurig. Nein, nichts. Die Hochzeit hatte nicht stattgefunden. Wahrscheinlich hatte sie recht. Es war besser, die ganzen Vorbereitungen von einem neutralen Profi treffen zu lassen. Auch wenn es in diesem Fall zu keiner Hochzeit kommen würde …

„Kennst du nicht jemanden, der den ganzen PR-Kram und die Organisation der Hochzeit übernehmen kann?“, fragte er. „Je weniger Leute mit dem Ganzen zu tun haben, desto besser. Desto geringer ist die Gefahr, dass die wahren Hintergründe dieser Zweckehe herauskommen.“

„Ja, ich kenne ein paar Leute, die das könnten. Ich überlege mir jemanden. Wir können die Interviews dann auch gern gemeinsam führen. Du sollst dich ja nicht mit jemandem abgeben müssen, von dem du nichts hältst.“

„Danke für deine Rücksicht“, sagte er trocken. „Wollen wir jetzt bestellen?“

„Ja. Aber da ist noch etwas.“

„Was denn?“

Amira atmete einmal tief durch, als müsse sie ihren ganzen Mut zusammennehmen. „Wie benehmen wir uns in der Öffentlichkeit? Ich weiß, ich habe gesagt, ich sei nicht interessiert an …“ Wieder wurde sie rot. „Du weißt schon … an körperlichen Dingen … Aber ich glaube doch, dass es besser ist, wenn wir uns in der Öffentlichkeit wie jedes andere verliebte Paar verhalten.“

Brent streckte den Arm aus und nahm ihre verkrampfte Hand in seine. Sanft strich er ihr mit dem Daumen über den Handrücken, immer wieder, bis Amira die Augen aufriss und ihn überrascht ansah.

„Etwa so?“, fragte er leise.

„Ja, genau so“, brachte sie schließlich heraus.

Lächelnd ließ er ihre Hand los und richtete sich auf. „Damit habe ich keine Schwierigkeiten. Glaub mir, ich kann jeden davon überzeugen, dass wir kaum die Hände voneinander lassen können. Aber wie ist es mit dir?“

„Äh … ich denke, das kriege ich auch noch hin“, sagte sie schnell und versteckte das Gesicht hinter der Speisekarte.

Der weitere Abend verlief friedlich und harmonisch. Unter anderem sprachen sie über die folgende Woche. Amira hatte verschiedene Verpflichtungen, bei denen Brents Anwesenheit erwünscht war. Er hatte nichts dagegen einzuwenden.

Erst als er sich die Rechnung kommen ließ, fiel ihm auf, dass an der Eingangstür Unruhe herrschte.

Der Oberkellner kam und machte ein besorgtes Gesicht. „Ich bin untröstlich, Mr. Colby. Und ich kann Ihnen versichern, keiner von meinem Stab ist dafür verantwortlich, dass diese Leute hier aufgetaucht sind.“

Einige Reporter mit Kameras hatten sich Zugang verschafft und wurden von drei Kellnern an der Tür zurückgehalten. Die Gäste blickten neugierig zwischen den Reportern und Brent und Amira hin und her.

„Gibt es einen Hinterausgang, den wir benutzen können?“, fragte Brent.

„Aber warum denn? Wir können doch auch durch die Vordertür gehen“, sagte Amira lächelnd, noch bevor der Oberkellner antworten konnte. „Vielleicht wäre es eine gute Idee, unseren Wagen vor dem Eingang vorfahren zu lassen. Dann werden wir nicht den ganzen Weg bis zum Parkplatz von der Meute verfolgt.“

Brent blickte sie misstrauisch an, während er seinen Autoschlüssel aus der Tasche zog und dem hinzugeeilten Angestellten hinhielt. Amira wirkte beinah fröhlich, auf keinen Fall aber irritiert oder genervt. „Dich scheint dieser Überfall nicht zu überraschen.“

„Warum sollte er? Ich selbst habe heute Nachmittag ein wenig herumtelefoniert.“

„Dann hast du das Ganze arrangiert?“

„Ja. Was dagegen?“

Sie blickte ihn freundlich an, eine junge Frau von vollendeter Eleganz und makelloser Schönheit – die mal so eben die ganze Klatschpresse auf sie gehetzt hatte. Das musste er ihr lassen. Sie reizte ihre Karten voll aus.

Dann hörte er das schwere Motorengeräusch seines Wagens und ein wildes Gehupe von anderen Autofahrern, die die Straße nicht passieren konnten. Der Porsche war in zweiter Reihe geparkt.

Brent sprang auf. „Nein. Aber lass uns jetzt gehen und die Sache hinter uns bringen.“

Der Oberkellner ging mit entrüsteter Miene und erhobenen Händen voraus, als könne er so die Flut der Fragen abwehren, die auf sie einprasselten. Als Brent Amira die Beifahrertür aufhielt, musste er an sich halten, weil sie sich beim Einsteigen quälend viel Zeit ließ. Sie tat so, als sei sie sich ihrer Umgebung überhaupt nicht bewusst. Aber er merkte genau, dass jede ihrer Bewegungen kontrolliert war, da sie ihn immer wieder im besten Winkel zu den Kameras zärtlich anlächelte. Schließlich hatte sie sich zurechtgesetzt und blickte gelassen geradeaus, unbeeindruckt von all dem, was um sie herum ablief.

Brent warf die Tür zu, ging schnell auf die andere Seite, glitt hinter das Steuer und ließ den Motor an. Mit kreischenden Reifen schoss der Sportwagen auf den Tamaki Drive … bloß weg von dem Menschenauflauf! Er hasste diesen Medienzirkus. Wenn die nächsten Wochen ähnlich wie dieser Abend verlaufen würden, dann hätte er eine schwere Zeit durchzustehen.

Andererseits war er Herausforderungen noch nie aus dem Weg gegangen. Im Gegenteil, er liebte sie.

4. KAPITEL

„Möchtest du noch auf einen Schluck mit hereinkommen?“, fragte Amira und beendete damit das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte. Seit dem Verlassen des Restaurants hatten sie kein Wort miteinander gewechselt.

„Ja, warum nicht?“

Überrascht schaute Amira zu Brent hinüber. Die ganze Fahrt über hatte er sie kein einziges Mal angesehen, sondern nur verbissen auf die Straße geblickt. Er war verärgert, frustriert, was auch immer … und nun wollte er noch mit hereinkommen?

Auch in ihrem Apartment war der Druck, unter dem er stand, sehr deutlich spürbar. Sie entschloss sich, den Stier bei den Hörnern zu packen. „Du bist sauer auf mich“, sagte sie ruhig, während sie aus ihren 500-Dollar-Schuhen schlüpfte, aufatmend mit den Zehen wackelte und barfuß zu dem kleinen Barschrank ging.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Ach, Brent. Auch wenn wir uns in den letzten acht Jahren nicht gesehen haben, so gut kenne ich dich. Du platzt fast vor Wut. Warum?“

„Ich kann es nicht leiden, wenn man mich benutzt.“

„Benutzt?“ Sie goss eine gute Portion seines Lieblingsbrandys in ein bauchiges Glas und nahm sich selbst einen Bailey’s auf Eis.

„Ich möchte mich in der Öffentlichkeit nicht zum Hanswurst machen.“

„Aber das war doch noch gar nichts. Wahrscheinlich bist du so wütend, weil du nicht damit gerechnet hattest. Entschuldige, das war mein Fehler. In Zukunft werde ich dich immer rechtzeitig informieren.“

„Sehr freundlich!“

Amira musterte ihn nachdenklich. Er war wirklich sehr gereizt. Langsam setzte sie das Glas auf dem Couchtisch ab und ließ sich auf das Sofa sinken. „Was ist denn los?“

„Ich habe den Eindruck, hier nur hin und her geschoben zu werden. Wie eine Schachfigur, die du dahin setzt, wo es dir gerade passt. Aber wir sind beide aktive Spieler. Wir haben beide etwas zu gewinnen. Wenn du mich nicht in die Planungen einbeziehst und ich nicht selbst meine Vorstellungen einbringen kann, dann mache ich nicht mit. Dann kannst du nicht mit meiner Unterstützung rechnen. Und die brauchst du sehr viel dringender als ich deine.“

Da war sie, seine erste Drohung, aus der Sache auszusteigen. Sofort musste Amira an die Stiftung und an die trostlose finanzielle Situation denken. Die Mitarbeiter, die auf ihr Gehalt warteten, die Kinder wie Casey, deren einzige Hoffnung sie war. Das alles konnte sie nicht aufs Spiel setzen. Entschlossen straffte sie sich und sah zu Brent hoch, der noch immer vor ihr stand.

„Ich weiß, was ich dir zugemutet habe, und ich habe mich dafür entschuldigt. So etwas wird nicht wieder vorkommen. Für mich steht zu viel auf dem Spiel, als dass ich deine Absage riskieren könnte.“

Als Brent sich neben sie setzte und einen Schluck Brandy trank, entspannte sie sich ein wenig.

„Ehrlich gesagt“, begann er, sah sie dabei aber nicht an, „du hast mich heute sehr an deine Großmutter erinnert. Auch sie musste immer alle Fäden in der Hand haben und bestimmen, wo es langgeht.“

Das tat weh. Amira presste kurz die Lippen aufeinander. Nein, sie würde ihm nicht zeigen, wie sehr er sie mit diesem Vergleich getroffen hatte. „Danke für das Kompliment“, sagte sie knapp.

„Es war nicht so gemeint.“ Er umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Wieder war sie fasziniert von seinen grünbraunen Augen mit dem goldenen Rand, der die Iris umschloss. Unwillkürlich musste sie an die Zeit acht Jahre zuvor denken, als schon ein kurzer Blickkontakt genügt hatte, um sich der gegenseitigen Liebe zu versichern.

Doch dann ließ Brent ihr Kinn los, die Erinnerung schwand, und zu deutlich wurde ihr bewusst, wie anders jetzt alles war. Und was sie tun musste.

Vor allem Haltung bewahren. Er durfte nie erfahren, wie stark sie seine Bemerkung getroffen hatte. Dass Brent und Isobel sich nicht hatten leiden können, hatte sie immer gewusst. Aber so gefühlskalt die Großmutter auch gewesen war, sie hatte immer nur das Beste für Amira gewollt. Und sie war eine unglaublich mächtige und einflussreiche Frau gewesen, die sich verständlicherweise auch viele Feinde gemacht hatte.

„Auch wenn du das nicht als Kompliment gemeint hast, Isobel wurde gerade von den Männern sehr geschätzt, mit denen du es wegen deines neuen Bauprojekts zu tun hast. Deshalb kann es sehr wichtig für dich sein, zu wissen, wann du dich wie wem gegenüber zu verhalten hast. Glaubst du nicht auch?“ Obgleich sie innerlich aufgewühlt war, klang ihre Stimme ruhig.

„Apropos, wann wirst du mit den Leuten sprechen, die über meine Aufnahme in den Club zu entscheiden haben?“

„Morgen, wenn du willst. Der ganze Prozess kann dann noch etwas dauern.“

„Hast du Möglichkeiten, die Sache zu beschleunigen?“

„Ich werde sehen, was sich machen lässt. Sicher ist es kein Fehler, wenn morgen die ersten Berichte über unser romantisches Abendessen in den Zeitungen erscheinen. Eigentlich ist das Timing sogar ziemlich erstklassig. Der Club ist zwar als unzugänglich berüchtigt. Aber das bedeutet nicht, dass man dort nicht sehr aufmerksam verfolgt, was sonst so in der Stadt passiert.“

Auch wenn sie Isobel Forsythes Enkelin war, sie hatte nicht Isobels Reputation, die ihr spielend die Tür zu dem Club öffnen würde. Amira konnte nur hoffen, dass man ihr diesmal zuhörte. Dass Brent ein Gewinn für die Organisation war, davon war sie überzeugt. Und auch die alteingesessenen Clubmitglieder würden es so sehen, wenn sie seiner Herkunft nicht allzu viel Beachtung schenkten. Denn schließlich stammte er nicht aus einer der alten Familien.

Es musste einfach klappen.

Alles hing davon ab, dass diese Ehe zustande kam, selbst das Dach über ihrem Kopf. Wieder wurde ihr bewusst, wie schmal der Grat war, auf dem sie hier balancieren musste. Ein Tritt daneben, und Roland würde alles erben. Dann standen sie und ihre Stiftung draußen im Regen. Buchstäblich.

Später, als Brent gegangen war, betrat Amira den Hauptteil des Herrenhauses. Es war totenstill, als warte alles darauf, dass die Dame des Hauses ihre Befehle gab.

Am Fuß der geschwungenen Treppe, die in das obere Stockwerk führte, blieb Amira stehen. Lange blickte sie auf das große Porträt ihrer Großmutter, das über dem ersten Treppenabsatz hing. Obgleich sie ihre Großmutter respektiert und in mancher Hinsicht auch bewundert hatte, hatte sie nie eine herzliche Beziehung zu ihr gehabt. Und die Vorstellung, dass sie wie Isobel geworden war oder werden könnte, war erschreckend.

Würde sie wie die Großmutter jeden von sich stoßen, sodass sie schließlich alt und einsam starb? Allein gelassen von denen, die sie geliebt hätten, wenn sie ihnen nur ein bisschen mehr entgegengekommen wäre?

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
Mehr erfahren