Julia Collection Band 143

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HEISSER FLIRT MIT DEM FEIND von KATE CARLISLE
"Was soll ich denn mit einer Aushilfe?" Als Trish diese Worte hört, will sie am liebsten wieder gehen. Aber sie braucht die Stelle bei Adam Duke, also reicht sie dem Hotelier die Hand - und wird von einem so heftigen Verlangen gepackt, dass sie fast ihren Plan vergisst: Rache am Feind!

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  • Erscheinungstag 06.03.2020
  • Bandnummer 143
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715335
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Carlisle

JULIA COLLECTION BAND 143

1. KAPITEL

„Betrachte das als letzte Warnung. Halte die Augen offen, oder du bist geliefert. Garantiert.“

„Ach, blas die ganze Sache doch nicht so auf“, erwiderte Adam Duke, während er seinen schwarzen Ferrari auf seinen Parkplatz in der Nähe des VIP-Eingangs von Duke Development International fuhr.

„So siehst du das also!“ Durch das Hightech-Soundsystem von Adams Sportwagen wirkte es fast so, als würde sein Bruder Brandon direkt neben ihm sitzen. „Ich werde dich an deine Naivität erinnern, wenn du die Frau aus Moms Träumen geheiratet hast!“

„Jetzt entspann dich mal“, murmelte Adam, stellte den Motor ab und schnappte sich seine Aktentasche.

„Wie du meinst. Es ist deine Beerdigung“, murrte Brandon. „Beziehungsweise Hochzeit. Aber tu ja nicht überrascht, wenn du dich plötzlich in den Flitterwochen wiederfindest – neben einer Frau, die unsere diabolische Mutter dir untergejubelt hat.“

Adam lachte und stellte sein Handy auf Headset um. Dann rückte er sich die Krawatte zurecht, stieg aus und betrat das ultramoderne Gebäude, in dem sich der Hauptsitz der Firma befand, die er mit seinen Brüdern Brandon und Cameron gegründet hatte. „Ich glaube nicht, dass ich etwas zu befürchten habe. Die Chancen, dass Mom mir eine Frau unterjubelt, ohne dass ich es merke, stehen nicht gerade günstig. Immerhin arbeite ich im Moment zweiundzwanzig Stunden am Tag an diesem Abschluss.“

Jetzt mischte sich noch Cameron, der dritte Teilnehmer der Konferenzschaltung, ein. „Auch wenn Brandon wie immer maßlos übertreibt, solltest du Mom nicht unterschätzen. Du kennst sie doch. Sie ist gnadenlos, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, und sie findet nun mal, dass wir alle heiraten sollten. Mom kämpft mit harten Bandagen.“

„Genau das meine ich“, rief Brandon, der anscheinend froh war, dass wenigstens einer seiner Brüder ihn verstand.

„In jedem Fall sollten wir wachsam bleiben“, meinte Cameron.

„Wachsam bleiben zu Mutters Leiden“, reimte Brandon, was seinen Brüdern ein leises Lachen entlockte.

„Wir sehen uns später. Dann können wir weiterreden“, sagte Adam und beendete damit das Telefonat.

Noch immer lachend, legte er auf und winkte dem Sicherheitsmann zu, der neben dem breiten Marmorempfangstisch in der luxuriösen Lobby Wache hielt. Dann betrat er den Lift und fuhr nach oben ins Penthouse.

Dass seine Mutter versuchte, ihn und seine Brüder unter die Haube zu bringen, war nichts Neues. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte sie deutlich gemacht, dass sie sich Enkelkinder wünschte. Aber Brandon übertrieb ganz eindeutig.

„Versuch’s nur, Mom“, murmelte Adam, während er aus dem Lift trat. Er liebte Sally Duke, die Frau, die ihn adoptiert hatte, als er acht Jahre alt gewesen war, von ganzem Herzen. Aber wenn es um die Ehe ging, blieb er hart.

Leise vor sich hin pfeifend, lief er an dem Schreibtisch seiner Assistentin vorbei. Aus dem Augenwinkel registrierte er, dass ihr Computer nicht hochgefahren war. Adam wunderte sich, dass er ausnahmsweise vor ihr im Büro erschienen war. Cheryl Hardy war ein noch größerer Workaholic als er, was vor allem im Augenblick Gold wert war. Denn bis Ende des Monats würden sie Tag und Nacht arbeiten müssen, um die Eröffnungsgala des neuen Duke-Hotels in Fantasy Mountain zu stemmen.

„Was soll das heißen: Sie hat gekündigt?“, rief Adam eine Stunde später. „Meine Angestellten kündigen nicht einfach!“

„Diese schon“, erwiderte Marjorie Wallace, die Leiterin der Personalabteilung, gelassen.

„Unmöglich. Wir stehen kurz davor, ein Milliardengeschäft abzuschließen!“ Adam stieß sich vom Mahagonischreibtisch ab und begann, unruhig vor der Fensterfront auf und ab zu laufen, die den Blick auf die Küste und den Ozean freigab. Er hatte ein atemberaubendes Panorama der kalifornischen Küste vor sich, doch im Moment hatte Adam keinen Sinn für Schönheit. „Sie darf nicht einfach gehen.“

„Doch, das darf sie. Schließlich war sie nicht deine Leibeigene“, konterte die ältere Dame. „Sie ist weg, Adam. Finde dich damit ab, und lass uns eine Lösung suchen.“

„Hat sie gesagt, warum?“ Adam fuhr sich durchs Haar. „Egal. Sag ihr, ich verdopple ihr Gehalt, dann wird sie schon zurückkommen.“

Marjorie lachte sarkastisch auf. „Das glaubst du doch wohl nicht im Ernst! Wie oft hat sie dich darauf aufmerksam gemacht, dass sie Urlaub braucht? Und wie oft hast du sie ignoriert? Du hast ja nicht einmal mitbekommen, dass sie geheiratet hat!“

„Das hat sie nie erwähnt.“

„Nein, mein Junge, nur ungefähr hundert Mal.“

„Hat sie nicht“, wiederholte Adam stur, obwohl sich leise Erinnerungen in ihm regten. Irgendetwas in die Richtung hatte Cheryl erwähnt, aber es war ihm in dem Moment nicht wichtig vorgekommen.

„Sie hat“, erklärte Marjorie. „Ende der Diskussion.“

Adam umrundete seinen Schreibtisch und baute sich vor seiner anmaßenden Mitarbeiterin auf. „Es gehört sich nicht, dem Chef zu widersprechen.“

Diesmal klang Marjories Lachen richtiggehend amüsiert. „Ach, Adam.“

„Warum habe ich dich noch mal nie wegen Aufmüpfigkeit gefeuert?“, fragte er ärgerlich und runzelte die Stirn.

„Lass mich mal überlegen.“ Grinsend verschränkte Marjorie die Arme vor der Brust. „Vielleicht, weil ich so verdammt gute Arbeit leiste? Oder weil ich die beste Freundin deiner Mutter bin und dich kenne, seit du acht Jahre alt warst? Oder vielleicht, weil ich deiner Mom nie verraten habe, wer damals das Fenster zerbrochen hat und durch ihre Zuchttulpen getrampelt ist? Ach ja, und wo ich schon mal dabei bin: Erinnerst du dich noch, dass ich dich damals nachts aufgelesen habe, nachdem du …“

„Schon gut, schon gut“, unterbrach Adam sie barsch, doch mittlerweile umspielte ein belustigtes Lächeln seine Lippen. „Für solche Geschichten sollte es wirklich eine Verjährungsfrist geben.“

„Tut mir leid“, erwiderte Marjorie grinsend, „aber meine Wenigkeit hat das Gedächtnis eines Elefanten.“

„Kann man wohl sagen“, murmelte Adam. „Wie auch immer, das ist doch alles lächerlich. Lass uns Cheryl einfach anrufen.“

„Sie hat gekündigt, Adam“, wiederholte Marjorie und betonte dabei jede Silbe. „Sie wird nicht wiederkommen. Cheryl ist im dritten Monat schwanger, aber vermutlich hast du auch das nicht mitbekommen.“

Erschrocken hielt Adam inne und fuhr herum. „Schwanger?“, wiederholte er ungläubig.

Schweigend nickte Marjorie.

Erschrocken hob er die Hände. „Sie hat mir immer erzählt, wie sehr sie das Business liebt, dass sie eine Kämpfernatur ist! So jemand wird doch nicht plötzlich schwanger und rennt mitten in einem wichtigen Abschluss davon!“

Marjorie zuckte die Schultern. „Vermutlich war sie doch weniger Wolf als Lamm.“

„Sehr witzig!“ Adam wandte sich ab. „Auf niemanden ist mehr Verlass.“

„Hör auf, dich selbst zu bemitleiden“, ermahnte Marjorie ihn streng, doch Adam ignorierte sie. „Was für ein Glück, dass ich vorgesorgt habe“, fuhr die Personalleiterin, noch immer grinsend, fort.

„Wehe, das ist wieder jemand, der plötzlich schwanger wird und verschwindet. Oder eines von diesen austauschbaren Püppchen, die den ganzen Tag Kaugummi kauen und am Telefon hängen.“ Inzwischen hatte er sich richtig in Rage geredet. „Ich will eine Projektleiterin mit Erfahrung. Jemanden, der das verdammte Alphabet beherrscht, damit er die Akten richtig einsortiert. Und ich will auf keinen Fall …“

„Ich weiß, was du willst“, besänftigte Marjorie ihn. „Und ich habe genau die Richtige für dich. Alle, die hier im Haus mit ihr zusammengearbeitet haben, überschlagen sich vor Lob, ihre Qualifikationen sind überwältigend, und sie ist eine der besten Assistentinnen, von denen ich je …“

„Eine Assistentin?“, unterbrach Adam sie ungläubig. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“

„Die beste“, wiederholte Marjorie stur, doch Adam wischte ihren Einwand beiseite.

„Ich arbeite nicht mit irgendeiner dahergelaufenen Assistentin. Dieses Projekt ist viel zu wichtig, um …“

„Aber wir haben keine Wahl!“, warf Marjorie in scharfem Ton ein. Dann fuhr sie etwas sanfter fort: „Ihr Lebenslauf ist ausgezeichnet, sie war auf einem der besten Colleges und hat ihren MBA mit Auszeichnung abgeschlossen. Außerdem ist sie blitzgescheit. Meiner bescheidenen Meinung nach ist sie genau das, was du brauchst.“

„Wie gescheit kann jemand sein, der es noch nicht weiter als bis zur Assistenz gebracht hat?“

Marjorie richtete sich auf und durchbohrte ihn mit einem vernichtenden Blick. „In diesem Haus werden sogar die Assistenten sorgfältig ausgesucht, und das weißt du ganz genau.“

„Natürlich.“ Sie hatte ja recht: Die freundlich als Assistenten bezeichneten Aushilfen, die bei Duke Development International herumgereicht und immer dort eingesetzt wurden, wo gerade Not am Mann war, waren normalerweise hoch motiviert und gut ausgebildet. Aber trotzdem …

„Und jetzt würde ich vorschlagen, dass du endlich anfängst, dich zu benehmen“, fuhr Marjorie streng fort. Sofort fühlte Adam sich wieder wie ein Zwölfjähriger, der beim Kirschenklauen erwischt worden war.

„Kann sie wenigstens tippen?“, murmelte er noch, auch wenn er sich schon längst geschlagen gegeben hatte.

Trish James hatte genug von Adam Duke gehört. Offenbar war ihm überhaupt nicht aufgefallen, dass sie bereits seit fünf Minuten an der offenen Tür gestanden und jedes Wort mitbekommen hatte.

It’s Showtime! dachte sie, sammelte sich kurz und trat dann in den geräumigen, elegant möblierten Raum, um sich vorzustellen.

„Mein Anschlag liegt bei 120 Worten pro Minute, Mr. Duke“, war das Erste, was ihr einfiel, während sie ihm die Hand entgegenstreckte. „Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Trish James, Ihre neue Assistentin.“

Als sich ihre Hände berührten, breitete sich ein irritierend angenehmes Kribbeln in Trishs Arm aus. Überrascht sah sie zu ihrem neuen Vorgesetzten auf. Natürlich war ihr klar gewesen, dass der Geschäftsführer von Duke Development ein Gegner war, den man nicht unterschätzen durfte. Doch dass er dermaßen beeindruckend und einschüchternd sein würde, hatte sie nicht erwartet. Und noch viel weniger, dass er so attraktiv war – jedenfalls wenn man ein Faible für Männer hatte, die Selbstsicherheit und Souveränität ausstrahlten. Kurz gesagt: die Sorte Mann, der Frauen in der Regel zu Füßen lagen. Als sie in seine dunkelblauen Augen sah, spürte sie ein ausgesprochen unwillkommenes Kribbeln in der Magengegend. Selbst jetzt, wo Adam Duke vor Wut kochte, strahlte jeder Millimeter seiner hochgewachsenen, muskulösen Erscheinung reinen Sex-Appeal aus. Am liebsten hätte Trish auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre aus diesem Raum, nein, am besten gleich aus dem Gebäude geflüchtet.

Aber Grandma Anna hatte keinen Feigling großgezogen, und deshalb blieb Trish in der Höhle des Löwen.

„Trish, meine Liebe“, sagte Marjorie und zwinkerte ihr zu. Wenigstens der Personalchefin schien klar zu sein, dass Trish fast das ganze Gespräch mitbekommen hatte. „Das hier ist Adam Duke, mit dem Sie die kommenden Wochen zusammenarbeiten werden. Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendwelche Fragen haben. Ich bin mir sicher, dass Sie trotz dieses unglücklichen Anfangs ausgesprochen gut miteinander auskommen werden.“

Mit diesen Worten warf Marjorie dem Boss von Duke Development einen letzten warnenden Blick zu und verließ das Büro.

Fast hätte Trish laut gelacht. Na klar, als ob man mit jemandem wie Adam Duke gut auskommen könnte. Nachdem die Tür leise hinter Marjorie ins Schloss gefallen war, sah Trish wieder zu ihrem neuen Chef auf. Dem Mann, der das gesamte letzte Jahr über der Hauptdarsteller in ihren Albträumen gewesen war. Dem Mann, der keinen blassen Schimmer hatte, wer sie war und welches Ziel sie verfolgte.

„Willkommen“, sagte Adam Duke mürrisch.

„Danke“, erwiderte Trish so liebenswürdig, wie sie nur konnte. Fest entschlossen, die Situation etwas aufzulockern, räusperte sie sich und fuhr fort: „Mir ist klar, dass Sie lieber nicht mit einer Aushilfe zusammenarbeiten würden, Mr. Duke. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass ich weiß, was ich tue.“

Mit einem tadelnden Blick bemerkte er: „Aushilfen gibt es hier nicht. Wir bevorzugen die Bezeichnung Assistenten, Miss James.“

Sie brauchte einen Augenblick, bis sie merkte, dass er scherzte. „Natürlich, wie konnte ich nur.“

„Schon besser.“ Und dann lächelte er.

In Trish schrillten die Alarmsirenen. Was für ein Lächeln … Ignorier es, ignorier es! ermahnte sie sich. Kein Wunder, dass sich seine letzte Assistentin für ihn aufgeopfert hatte, bis sie kurz vor dem Burn-out gestanden hatte.

Trish wandte entschlossen den Blick ab und straffte die Schultern. Adam Duke war ein Haifisch, ein Raubtier. Daran konnten auch seine muskulöse Brust, seine atemberaubende Ausstrahlung und sein entwaffnendes Lächeln nichts ändern. Dieser Mann hatte alles zerstört, was sie jemals geliebt hatte, und jetzt würde sie es ihm heimzahlen. Nur deswegen war sie hier.

„Miss James?“

„Ja, bitte?“ Trish blinzelte. Sie musste sich konzentrieren.

„Ich muss gleich zu einem Meeting, aber vorher würde ich Ihnen gerne Ihren neuen Arbeitsplatz zeigen. Hier befindet sich die Hausbar.“ Wieder lächelte er und zeigte auf ein Sideboard, auf dem eine Kaffeemaschine sowie diverse Kaltgetränke standen. „Bedienen Sie sich jederzeit.“

„Danke, das weiß ich sehr zu schätzen“, murmelte Trish, während sie verzweifelt versuchte, sein Lächeln zu ignorieren. Wieso nur musste er sich so charmant und entgegenkommend zeigen? Je schlechter er sie behandelte, desto leichter würde es ihr fallen, ihn zu vernichten! Doch nun, da sie sich dem Mann gegenübersah, der ganz nebenbei ihr Leben zerstört hatte, fühlte sie sich beunruhigend stark zu ihm hingezogen. Aber ganz egal wie attraktiv und freundlich er auf den ersten Blick auch wirken mochte: Adam Duke hatte ihr das Zuhause und die Großmutter weggenommen, und dafür würde er bezahlen.

Leicht benommen folgte sie ihm durch eine Tür am hinteren Ende seines Büros in eine geräumige Fensternische, in der sich das Vorzimmer befand. Hinter dem Schreibtisch ragte eine hohe Aktenwand empor, in der alle Informationen über seine Kunden sowie die aktuellen Projekte abgelegt waren.

„Das hier ist Ihr Reich“, erklärte er und wies auf den imposanten Schreibtisch. „Die Akten sind alphabetisch sortiert.“

„Nun ja, mit dem Alphabet bin ich zum Glück bestens vertraut“, erwiderte Trish in Anspielung auf Adams Bemerkung gegenüber Marjorie.

Er lachte leise in sich hinein und murmelte: „Das will ich doch schwer hoffen.“

In den nächsten zehn Minuten diktierte er Trish eine Liste mit Namen von Personen, deren Anrufe sie immer direkt zu ihm durchstellen sollte, und erklärte ihr kurz und bündig das Wichtigste über alle laufenden Vorgänge. „Während ich weg bin, bringen Sie bitte diese Kostenanalyse und die übrigen Briefe und Dokumente auf Ihrem Schreibtisch in Form“, meinte er am Ende. „Wenn Sie danach noch Zeit haben, können Sie anfangen, die Akten durchzugehen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Bei meiner Rückkehr brauche ich dann alle Unterlagen zum Mansfield-Projekt.“

Trish, die eifrig mitgeschrieben hatte, lächelte ihn an. „Selbstverständlich, Mr. Duke. Sie werden es nicht bereuen, dass Sie mir eine Chance gegeben haben.“

Sein Blick verriet, dass er es schon jetzt bereute, doch er sagte nur höflich: „Bitte nennen Sie mich doch Adam.“

„Gerne, ich bin Trish“, erwiderte sie.

Er warf ihr einen kurzen, nachdenklichen Blick zu. „Vergessen Sie die Mansfield-Akten nicht, Trish.“

Wenige Sekunden später war sie allein. Und sie atmete erst einmal tief durch.

„Na, das ist ja toll gelaufen“, murmelte Adam, während er auf den Aufzugknopf drückte. „Du Vollidiot.“

Insgesamt gab es drei Dinge, die ihn an seiner attraktiven neuen Assistentin störten. Zum einen hatte sie ihn belauscht, ohne dass er etwas davon mitbekommen hatte. Wie hatte er nur so unaufmerksam sein können? Ihrem schelmischen Lächeln und ihren Anspielungen zufolge hatte sie jedes Wort seiner Tirade über Cheryl und das Assistentinnenproblem mitbekommen. Womit er bei Punkt zwei angekommen war: Er mochte es nicht, wenn jemand mitkriegte, wie er die Fassung verlor. Tatsächlich hatte außerhalb eines sehr kleinen Kreises von Vertrauten, der eigentlich nur seine Familie und Marjorie einschloss, seit Jahren niemand erlebt, dass Adam Duke wütend wurde. Seine Selbstbeherrschung war legendär. Aber jetzt hatte diese Trish James mitangesehen, wie er die Fassung verloren hatte, und das war ganz sicher kein guter Start für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Nicht dass sie lange währen würde, wie er in Gedanken hastig hinzufügte. Diese Trish war eine Notlösung, und sobald er Zeit hatte, würde er sich jemanden mit mehr Berufserfahrung suchen, keine Aushilfe, wie qualifiziert sie auch sein mochte.

Und dieser Gedanke führte ihn schnurstracks zu seinem dritten Problem: Trish James wirkte überhaupt nicht wie die typische Aushilfe! Nicht nur, dass sie souverän auftrat und laut Marjories Schilderung vollkommen überqualifiziert für ihre Tätigkeit war. Sie war auch viel zu … anziehend. Sofort musste er an ihre vollen Lippen denken, an ihre mandelförmigen dunkelgrünen Augen, aus denen sie ihn so wissend gemustert hatte. Und dann ihre selbstbewusste Haltung, die feste Entschlossenheit, sich zu beweisen … Widerwillig musste er sich eingestehen, dass er seine neue Assistentin fast ein wenig bewunderte.

Ihr glänzendes kastanienfarbenes Haar hatte sie zu einem klassischen Knoten hochgesteckt, und ihr Nadelstreifenanzug saß wie angegossen. Eigentlich mochte Adam keine Hosenanzüge, doch in diesem Fall war er bereit, eine Ausnahme zu machen. Zumal er glaubte, unter dem weichen Stoff eine atemberaubende Figur ausgemacht zu haben.

Bei dem bloßen Gedanken war er schmerzhaft erregt. In dem kurzen Augenblick, in dem er Trish James’ Hand berührt hatte, hatte seine Haut zu prickeln begonnen, und sein Puls war unwillkürlich in die Höhe geschossen. Was ebenfalls keine gute Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit war.

„Und dann bist du Idiot auch noch aus deinem Büro geflüchtet, als wäre der Teufel hinter dir her“, murmelte er leise und betrat die Fahrstuhlkabine. Die beiden Haustechniker, die ihm wegen seiner Selbstgespräche irritierte Blicke zuwarfen, ignorierte er einfach.

Frustriert rieb er sich das Kinn. Was war nur los mit ihm, verdammt noch mal? Er war doch kein hormongesteuerter Teenager mehr! Adam Duke ließ sich nicht von seinem Verlangen irritieren. So einfach war das.

Als er das Gebäude verließ und auf seinen Wagen zuging, begriff er endlich, was gerade geschehen war, woher dieser plötzliche Anfall von Erregung rührte: Monatelang hatte er Tag und Nacht an dem Vertragsabschluss für die Ferienanlage in Fantasy Mountain geackert. Er brauchte einfach einen Ausgleich. Aber nicht mit meiner Assistentin, fügte er in Gedanken hinzu. Er brauchte unverfänglichen Sex, der keine Konsequenzen nach sich zog. Sobald er diesen Vertrag unter Dach und Fach hatte, würde er das Projekt „Ausgleich schaffen“ in Angriff nehmen.

Als er sich auf den Fahrersitz seines Ferraris gleiten ließ, musste er an sein Telefonat mit Cameron und Brandon denken, und an seine Mutter, der laut Brandon momentan jedes Mittel recht war, um ihre Söhne unter die Haube zu bringen.

Im nächsten Moment schoss ihm der Anblick von Trish James durch den Sinn. Missmutig runzelte Adam die Stirn. Ach, das war doch lächerlich! Auf keinen Fall konnte seine Mutter bei Trishs Anstellung die Finger im Spiel gehabt haben. Andererseits waren an diesem Morgen beachtlich viele Zufälle aufeinandergetroffen, und an Zufälle glaubte Adam nicht.

Dass seine Mutter so weit gehen würde, war trotzdem eine verrückte Idee. Er war dabei, sich von Brandons Verfolgungswahn anstecken zu lassen. Und das kam überhaupt nicht infrage.

Auf jeden Fall würde er aber versuchen, seiner neuen Assistentin aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls soweit das möglich war, wenn man Tag für Tag nur wenige Schritte voneinander entfernt saß. Adam Duke würde sein geregeltes, ruhiges Leben nicht von einer Frau durcheinanderbringen lassen. Nicht mal von einer, die sogar im Hosenanzug umwerfend aussah.

Nachdem sie ein Glas Wasser hinuntergestürzt und eine Minute lang einfach nur dagesessen und versucht hatte, ruhig zu atmen, machte Trish sich an die Arbeit. Dass sie Adam Duke letzten Endes vernichten wollte, hieß noch lange nicht, dass sie ihre Pflichten vernachlässigen würde, solange sie in seinen Diensten stand.

Ihr helles, geräumiges Büro grenzte direkt an das von Adam, mit dem es durch eine große Flügeltür verbunden war. Der Sekretär aus Kirschholz war fast so groß wie ihr gesamtes Wohnzimmer, und neben ihrem Arbeitsplatz ragten deckenhohe Fenster empor, die ihr denselben Blick auf die Küste gewährten, den auch Adam von seinem Büro aus hatte. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich nur allzu schnell an diesen Luxus gewöhnen.

Aber du wirst aufpassen, ermahnte sie sich streng. Schließlich war sie nicht hier, um sich wohlzufühlen. Genauso wenig, wie sie hier war, um Adam Duke anzuhimmeln wie ein verknallter Backfisch.

Konnte dieser verdammte Mann nicht einfach aussehen wie ein Troll?

Hör auf damit, Trish! schalt sie sich erneut und verdrehte die Augen.

Vierzig Minuten später hatte sie Adams Korrespondenz erledigt und die Kostenanalyse vervollständigt. Nun wandte sie sich der Aktenwand zu. Eigentlich wusste sie gar nicht genau, wonach sie suchte. Aber irgendwie musste sich doch beweisen lassen, dass ihr neuer Chef Dreck am Stecken hatte! Je schneller sie etwas Belastendes fand, desto eher konnte sie ihren Scheinjob aufgeben und aus dem irritierend angenehmen Dunstkreis von Adam Duke verschwinden.

„Er riecht sogar gut“, murmelte sie düster, als sie sich an den unaufdringlichen Duft nach Wald und Herbstregen erinnerte, den er verströmte.

Dann zog sie mit einer resoluten Geste die oberste Schublade auf und begann, die Akten systematisch durchzugehen. Eine Stunde später hatte sie sich zwar die Namen aller Klienten von A bis M eingeprägt, aber rein gar nichts gefunden, woraus sie Adam Duke einen Strick hätte drehen können. Seufzend zog sie die Mansfield-Akte hervor, die er angefordert hatte, überprüfte kurz, ob sie vollständig war, und legte sie ihrem neuen Chef auf den Schreibtisch.

Sie würde ein Traum von Assistentin sein, eine unentbehrliche Stütze, der Adam Duke blind vertraute.

Bis sie ihn vernichtete.

2. KAPITEL

„Ich sage dir: Diese Frau ist außer Rand und Band.“ Brandon Duke tigerte vor dem Panoramafenster des Jachtklubs von Dunsmuir Bay auf und ab. Er schien so aufgebracht, dass ihn selbst der atemberaubende Blick auf den strahlend blauen Himmel und das glitzernde Wasser, auf dem ein Heer von Segelbooten schaukelte, nicht besänftigen konnte. „Sie ist geradezu besessen!“

„Na, so überraschend ist das nun auch wieder nicht.“ Adam grinste seinen Bruder an und trank einen Schluck Kaffee. „Wieso regst du dich so auf? Es ist doch nicht das erste Mal, dass Mom versucht, uns die Freuden der Ehe schmackhaft zu machen. Sie will Enkelkinder, und wir drei zeigen uns nicht gerade kooperativ.“

„Genau“, warf Cameron ein, der es sich in einem Kapitänsstuhl bequem gemacht hatte. Trotz seines Tausend-Dollar-Anzugs und der eleganten Seidenkrawatte wirkte er vollkommen entspannt. Doch Adam wusste, dass sein Bruder nie wirklich loslassen konnte. Als ehemaliger Marine war Cameron ehrgeiziger und womöglich auch skrupelloser als irgendjemand sonst, den Adam kannte. Mit Ausnahme vielleicht von ihm selbst.

„Erinnert ihr euch noch, wie sie uns neulich gezwungen hat, uns die Videos von ihrer Hochzeit anzusehen?“, fragte Cameron kopfschüttelnd. „Als würde uns das irgendwie überzeugen.“

„Grausam“, bestätigte Brandon. „Aber die Hochzeitstorte sah echt lecker aus.“ Er streckte sich, sah sich in dem gut besuchten Speisesaal um und warf dann einen Blick auf die Frühstückskarte des Jachtklubs. „Essen wir was?“

„Du tust ja den ganzen Tag nichts anderes“, scherzte Cameron mit einem Hauch von Vorwurf in der Stimme.

Ungerührt winkte Brandon die Kellnerin heran und bestellte Pfannkuchen, Eier, Speck und eine doppelte Portion Toast.

„Und ich nehme das Denver-Omelett“, sagte Cameron, nachdem er die Karte sorgfältig studiert hatte.

„Gerne“, erwiderte Janie, die Kellnerin. Dann wandte sie sich an Adam. „Und für Sie, Mr. Duke?“

„Danke, aber Kaffee reicht mir“, murmelte er und hielt ihr die Tasse zum Nachschenken hin. Kaffee würde von nun an sein ständiger Begleiter sein. Kaffee würde ihm helfen, wach und aufmerksam zu bleiben, wenn seine neue Assistentin drohte, ihn in einen stotternden Idioten zu verwandeln.

„Also, wegen Mom“, meinte Brandon mit Grabesstimme. „Das hier ist etwas anderes. Diesmal ist es ihr wirklich ernst damit. Ihr hättet mal hören sollen, wie sie neulich mit ihrer Freundin Beatrice telefoniert hat. Wisst ihr, was sie gesagt hat? Ich zitiere wörtlich: ‚Die Jungs werden verheiratet sein, bevor sie es überhaupt mitbekommen.‘ Anscheinend hat sie all ihre Bekannten aufgefordert, sich nach geeignetem Brautmaterial für uns umzusehen.“

„Ach ja?“, erwiderte Cameron mit einem anzüglichen Grinsen. „Ich bin immer auf der Suche nach neuen Frauen. Erinnert mich dran, dass ich mich bei Mom bedanke, wenn ich sie am Wochenende sehe.“

Adam hob eine Braue. „Wenn du mit jemandem ausgehen willst, den Mom ausgesucht hat, wäre da immer noch Susie Walton.“

Bei der Erinnerung an seine Highschool-Freundin schauderte Cameron sichtlich. „Musst du mir immer den Appetit verderben?“

„Ist mir stets ein Vergnügen.“ Dann wandte sich Adam an Brandon. „Hast du Mom schon gesagt, dass du ihr auf die Schliche gekommen bist?“

Sein Bruder zuckte hilflos die Schultern. „Du machst wohl Witze! Wenn Mom sich etwas in den Kopf gesetzt hat, benimmt sie sich wie eine Dampfwalze, und ich habe wirklich kein Interesse daran, mich von ihr überrollen zu lassen.“

Adam nickte schweigend und sah etwas wehmütig einem Segelboot hinterher, das gerade auf das offene Meer hinausfuhr. „Wie kommt sie nur darauf, dass ich einfach irgendeine Frau heiraten würde, die sie anschleppt?“

„Keine Ahnung“, murmelte Brandon frustriert.

„Wie kommt sie überhaupt darauf, dass wir irgendwann irgendjemanden heiraten werden?“, fragte Cameron empört.

„Ist wohl so ein Mutter-Ding“, antwortete Brandon achselzuckend.

„Klar.“ Cameron seufzte. „Nur dass unsere Mutter bei bestimmten Anlässen das Talent hat, sich in einen Kampfroboter zu verwandeln.“

„Interessante Metaphorik“, bemerkte Adam und trank noch einen Schluck Kaffee. „Aber deswegen nicht minder zutreffend.“

Cameron warf Adam einen spöttischen Blick zu. „Metaphorik? Nicht minder zutreffend? Hat der Herr heute Morgen einen britischen Lord zum Frühstück verspeist? Red doch mal normal, Mann!“

Besänftigend legte Brandon seinem Bruder die Hand auf den Arm. „Lass ihn in Ruhe. Wenn es ihm guttut, den Klugscheißer zu spielen, ist das seine Sache.“

Cameron schnaubte und verschränkte die Arme. „Klar. Tut mir leid.“

Doch Adam hatte den kurzen Disput überhaupt nicht mitbekommen, weil er viel zu sehr in Gedanken versunken war. „Mich wird sie jedenfalls nicht verkuppeln“, murmelte er nachdenklich.

„Ganz genau“, bestätigte Brandon. „Keinen von uns. Diesmal hat sie den Überraschungsvorteil verloren, weil wir sie durchschauen. Und du, Adam“, er zeigte anklagend mit dem Finger auf seinen Bruder, „bist der Erste auf ihrer Liste. Wenn du klein beigibst, haben Cameron und ich keine Chance mehr.“

„So weit wird es nicht kommen“, sagte Adam entschlossen.

„Na dann, viel Glück mit Moms teuflischen Machenschaften“, grollte Brandon.

Cameron tat so, als würde er sich eine Träne aus dem Augen wischen. „Es wird so ergreifend sein, Adam zuzusehen, wie er den heiligen Bund der Ehe schließt.“

Brandon grinste und trug ein paar gespielte Schniefer zu Camerons oscarreifer Vorstellung bei. „Ja, unser Kleiner ist richtig erwachsen geworden.“

„Echt witzig“, meinte Adam seufzend. „Hier wird keiner heiraten. Wir drei haben einen Pakt geschlossen!“

Die Erinnerung an ihr Versprechen ließ seine Brüder verstummen. Sie alle waren acht Jahre alt gewesen, als ihre Pflegemutter Sally Duke sie gezwungen hatte, Frieden miteinander zu schließen. Den ganzen Morgen über hatten sich die drei Bengel gezankt, und schließlich hatte es ihrer Mutter gereicht. Mit einem Picknickkorb und der Ermahnung, sich bloß nicht wieder blicken zu lassen, ehe sie sich versöhnt hatten, hatte sie die drei Jungen in das Baumhaus im Garten ihres Anwesens geschickt.

Es dauerte Stunden, ehe sie den Mut fanden, einander zu erzählen, wie sie zu Sally Duke gekommen waren. Cameron beichtete von seinem Leben mit seiner drogenabhängigen Mutter, und Brandon hatte schließlich von seinem Vater erzählt, einem brutalen Säufer, der ihn regelmäßig verprügelt hatte und schließlich bei einer Schlägerei ums Leben gekommen war. Seine Mutter war schon lange vorher verschwunden. Deswegen gab es außer Pflegeeltern niemanden mehr, der sich um ihn kümmern konnte.

Adam selbst hatte seine Eltern nie kennengelernt. Im Alter von zwei Jahren war er vor einem Krankenhaus ausgesetzt und dann in ein Waisenhaus gegeben worden. Später hatte man ihn in eine Reihe von Pflegefamilien gegeben, doch eine war schlimmer als die andere gewesen. Als Sally ihn zu sich nahm, befand er sich trotz seiner acht Jahre bereits auf direktem Kollisionskurs mit der Jugendstrafanstalt.

Alle drei Jungen galten als Problemfälle, doch Sally, eine junge, wohlhabende Frau, die gerade Witwe geworden war, schreckte das nicht ab. Ihr verstorbener Mann war selbst bei einer Pflegefamilie aufgewachsen, und Sally fühlte sich dazu verpflichtet, einen Teil zu dem System beizutragen, das einen so wunderbaren Mann wie ihren William hervorgebracht hatte.

Nachdem sich die drei Jungen dort oben im Baumhaus ihre Geheimnisse verraten hatten, schworen sie einander ewige Treue. Von diesem Moment an waren sie Blutsbrüder auf Leben und Tod, wie die drei Musketiere. Zu ihrem Pakt gehörte natürlich auch das Zugeständnis, nie zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Denn ihren Erfahrungen nach neigten verheiratete Leute dazu, einander zu verprügeln, und Eltern ließen ihre Kinder früher oder später stets im Stich. Auch Sally trauten sie damals noch nicht so recht über den Weg. Deswegen schworen sie sich außerdem, auch dann zusammenzuhalten, wenn sie die schicke Villa an der Dunsmuir Bay verlassen und getrennte Wege gehen müssten.

Doch Sally war fest entschlossen, ihren Jungs ein Zuhause und eine Familie zu bieten. Sie war warmherzig und liebevoll, was sie aber nicht davon abhielt, im richtigen Moment streng zu sein und hart zu bleiben, wenn ihre Pflegekinder ihre Grenzen austesteten. Schließlich hatte sie sich dazu entschlossen, Adam, Brandon und Cameron zu adoptieren. Und mit den Jahren war aus den drei Duke-Brüdern eine Rasselbande geworden, die fest zusammenhielt, egal was kam.

„So, Ihr Frühstück“, verkündete Janie und riss die Männer damit aus ihren Gedanken. Amüsiert beobachtete Adam, wie seine Brüder sich wie Wölfe über ihre Teller hermachten.

Er selbst ließ sich noch einmal Kaffee nachschenken und dachte weiter über Sally Duke nach, die Frau, die ihnen eine echte Chance gegeben hatte. Nur durch ihre Liebe und Fürsorge hatten die drei Brüder gelernt, sich selbst zu achten und etwas aus ihrem Leben zu machen.

Adam hatte seiner Mutter alles zu verdanken. Doch das hieß noch lange nicht, dass er sich ihrem Willen fügte, nur weil sie beschlossen hatte, dass es an der Zeit für Enkelkinder war.

„Willst du was von meinem Speck?“, fragte Brandon.

„Nein, danke“, erwiderte Adam und warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich muss los. In einer halben Stunde treffe ich Jerry Mansfield.“

„Und was machen wir wegen Mom?“, hakte Brandon nach.

„Am besten hören wir einfach auf, uns zu viele Sorgen zu machen“, schlug Cameron vor. „Es wird schon alles gut gehen.“

Verzweifelt schüttelte Brandon den Kopf. „Mit der Einstellung sind wir verloren.“

„Deb, ich muss auflegen“, flüsterte Trish. Ihre beste Freundin hatte angerufen, um nachzufragen, wie ihr neuer Job lief. Aber Trish konnte sich kaum konzentrieren, weil sie wusste, dass Adam jede Minute aus seinem Meeting zurückkehren würde.

„Nur noch eins“, sagte Deb. „Morgen Abend gehe ich mit Ronnie aus. Er möchte mich zu meinem Geburtstag überraschen.“

„Soll ich babysitten?“

„Nein, aber danke für das Angebot. Meine Mutter kommt rüber.“

„Ach so!“ Nun ging Trish ein Licht auf. „Ihr geht zum ersten Mal zusammen aus, seit das Baby da ist!“

„Genau. Und ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll“, jammerte Deb. „Meine Garderobe besteht derzeit aus Gummizughosen und Still-BHs. Ich will sexy aussehen, aber ich weiß schon gar nicht mehr, wie das geht!“

In Gedanken ging Trish die Garderobe ihrer Freundin durch, die sie fast so gut kannte wie ihre eigene. „Wetten, dass du wieder in den heißen roten Fummel passt?“

„Ich glaube schon, aber meine Brüste sind noch so geschwollen, dass sie wahrscheinlich aus dem Dekolleté purzeln werden.“

„Ich bin mir sicher, dass es für Ronnie Schlimmeres gibt“, erwiderte Trish trocken. „Zieh es an. Trau dich!“

„Ich will ihn so richtig umhauen!“

„Vertrau mir“, beruhigte Trish sie. „Er wird gar nicht wissen, wie ihm geschieht!“

Als sie ein Rascheln hinter sich hörte, fuhr Trish zusammen und drehte sich hastig um. „Mr. Duke!“

Ihr neuer Chef lehnte lässig im Türrahmen. „Adam. Und ich brauche die Mansfield-Akte.“

Hastig legte Trish auf, ohne sich von Deb zu verabschieden, und sprang errötend auf. Ihr erster Tag, und schon hatte Adam sie bei einem Privatgespräch erwischt. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken. „Die Akte liegt auf Ihrem Tisch, Mr. D… Adam.“

Er nickte langsam und musterte sie aufmerksam. „Gut. Danke.“

„Gerne“, murmelte Trish verzagt. Was war nur in sie gefahren, dass sie sich in Anwesenheit dieses Mannes wie ein alberner Teenager benahm? Und jetzt kam er auch noch näher und sah sich neugierig ihren Arbeitsbereich an. Seine Anwesenheit wirkte einschüchternd und auch ein wenig beängstigend, aber gleichzeitig löste sie in Trishs Magengegend ein warmes Kribbeln aus.

„Was haben Sie gemacht?“, fragte er und sah ihr in die Augen.

Verblüfft antwortete sie: „Ich … gar nichts!“

Doch er schüttelte den Kopf. „Doch, Sie haben hier irgendetwas verändert. Die Sachen stehen nicht mehr so wie früher.“

Erleichtert atmete Trish auf. „Ach so. Ich habe meinen Schreibtisch neu hergerichtet und die Topfpflanze umgestellt, damit sie mir den Blick nicht mehr versperrt.“

Mit erhobenen Brauen bemerkte Adam: „Cheryl hatte keine Zeit, sich mit der Aussicht zu beschäftigen.“

„Das ist schade für sie“, meinte Trish. „Das Panorama ist wirklich umwerfend.“

„Allerdings“, murmelte Adam und sah sie durchdringend an.

Wieder spürte sie, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Keine Sorge, ich habe nicht vor, den ganzen Tag über aus dem Fenster zu starren“, warf sie hastig ein. „Selbstverständlich bin ich hier, um zu arbeiten.“

„Dann wäre das ja geklärt“, murmelte er. Danach räusperte er sich und wandte sich zur Tür um. „Rufen Sie durch, wenn Jerry Mansfield eintrifft“, fügte er im Gehen hinzu.

Als eine Sekunde später die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stand Trish kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Was war nur los mit ihr? Es war ja nicht so, als wäre sie zum ersten Mal in ihrem Leben einem attraktiven Mann begegnet! Aber aus irgendeinem Grund fiel sie jedes Mal, wenn Adam Duke in Sichtweite war, in einen tranceartigen Zustand. Ein einziger Blick genügte, und sie konnte kaum noch atmen.

Verwirrt lehnte sie sich an ihren Schreibtisch und sah auf den Ozean hinab. Ein eiskaltes Bad wäre jetzt genau das Richtige gewesen. Ihre Gefühle waren einfach inakzeptabel. Adam Duke war der Feind, basta!

„Reine Chemie“, flüsterte sie, um sich selbst zu beruhigen. „Nichts und niemand zwingt dich, auf deine Hormone zu hören.“ Sie war näher an ihrem Ziel, als sie sich jemals erträumt hatte. Und sie würde auf keinen Fall alles über den Haufen werfen, nur weil der Mann, dessen Ruf sie zerstören wollte, aussah wie Adonis höchstpersönlich.

„Also reiß dich am Riemen!“, befahl sie sich streng. „Was würde Grandma Anna wohl sagen, wenn sie dich so sehen würde!?“

Nun ja, vermutlich hätte Grandma Anna einen einzigen bewundernden Blick auf Adam Duke geworfen und ihn zum Mann des Jahres erklärt. Ihre Großmutter hatte ein Faible für attraktive Männer gehabt, immer getreu dem Motto „alt, aber oho“.

Doch dann war sie einem Herzinfarkt zum Opfer gefallen. Einem Herzinfarkt, an dem Trish niemand anderem als Adam Duke und seinen rücksichtslosen Geschäftspraktiken die Schuld gab.

Ohne ihn wäre Grandma Anna immer noch am Leben gewesen und hätte gemeinsam mit Trish in der wunderschönen Altbauwohnung über ihrem Antiquitätenhandel „Anna’s Attic“ gewohnt.

Das Victorian Village, eine entzückende dreistöckige viktorianische Häuserzeile in der Sea Cove Lane, war über mehrere Generationen hinweg das Zuhause von sechs Familien gewesen. Trish war dort aufgewachsen. Nachdem sie vor acht Monaten ihren Abschluss gemacht hatte, wollte sie gemeinsam mit den übrigen Mietern ein Kaufangebot bei ihrem Vermieter einreichen. Wenn die Häuserzeile erst einmal den Menschen gehörte, die seit Jahrzehnten dort lebten und arbeiteten, würden sie ein Gesuch einreichen, die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Doch kurz vor dem Ziel hatte sich von einem Tag auf den anderen alles geändert: Ihr Vermieter war unerwartet gestorben, und ehe das Amt für Denkmalschutz ihren Fall bearbeiten konnte, hatte ein Bauunternehmen das Gelände aufgekauft. Nur Wochen später waren die Mietverträge gekündigt worden, und kurz darauf hatte man die wunderschönen Häuser abgerissen, um auf dem Grundstück ein Parkhaus zu errichten.

Und bei diesem „man“ handelte es sich um Duke Development International.

Sechs Familien waren durch die Gier des Unternehmens ihrer Träume, ihres Zuhauses und ihres Lebensunterhalts beraubt worden. Der Umzug hatte Grandma Anna buchstäblich das Herz gebrochen.

Wütend schob Trish die traurigen Gedanken beiseite und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Selbstmitleid würde ihr jetzt nicht weiterhelfen.

Doch die Erinnerungen gaben ihr die Kraft, sich wieder auf ihr Ziel zu konzentrieren. Voller Eifer stürzte sie sich in die Arbeit. Während ihrer kurzen Pausen stöberte sie erneut in den Akten herum. Irgendeinen Beweis musste es einfach für Adam Dukes Verwicklung in zwielichtige Geschäfte geben! Doch bisher hatte sie nichts weiter gefunden als penibel geordnete Akten mit astreinen Kostenaufstellungen. Kein Anzeichen für doppelte Buchführung, fragwürdige Investitionen oder dubiose Transaktionen. Aber Trish war sich absolut sicher, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie auf den Beweis stoßen würde, den sie brauchte. Die Zerstörung ihres Zuhauses konnte kein Einzelfall gewesen sein. Zwar war ihr bewusst, dass Adam in Bezug auf das Victorian Village nichts getan hatte, was wirklich illegal war. Aber er hatte einfach heimtückisch, unfair und rücksichtslos gehandelt. Und erst wenn Trish der Öffentlichkeit bewiesen hatte, was für ein Mensch Adam Duke war, würde sie die Vergangenheit hinter sich lassen und in die Zukunft blicken können. Erst dann hätte sie das Versprechen erfüllt, das sie ihrer sterbenden Großmutter gegeben hatte.

Doch am Ende des Tages war Trish ihrem Ziel noch keinen Schritt näher gekommen. Frustriert fuhr sie ihren Computer herunter und griff nach ihrer Handtasche. Dann klopfte sie an Adams Bürotür und steckte den Kopf herein. „Wenn Sie nichts weiter benötigen, würde ich mich jetzt auf den Heimweg machen.“

„Verdammt“, murmelte Adam.

Erschrocken warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war schon kurz nach sechs.

„Meine üblichen Bürozeiten sind von neun bis halb sechs, aber ich kann selbstverständlich gern länger bleiben, wenn Sie mich brauchen.“

„Was?“ Adam sah auf und musterte sie mit gerunzelter Stirn, als hätte er sie vorher gar nicht bemerkt. „Ach so, tut mir leid. Jaja, bitte gehen Sie nur. Einen schönen Abend noch.“

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Trish, als sie bemerkte, dass Adam sich mit grimmiger Miene weiter durch den Aktenberg auf seinem Schreibtisch arbeitete.

„Die Akte ist nicht vollständig“, erwiderte er missmutig.

Erschrocken meinte sie: „Aber … ich habe Ihnen alles zurechtgelegt, was sich in den Unterlagen finden ließ!“

„Ja, sicher, das ist nicht Ihre Schuld.“ Frustriert warf er den dicken Ordner auf die Tischplatte. „Aber das Vertragsaddendum fehlt. Irgendwo muss es ja sein.“

„Moment, ich sehe nach“, sagte Trish schnell und hastete zu ihrem Schreibtisch, wo sie eilig alle Schubladen durchsuchte. Hatte sie etwa unabsichtlich eine Akte sabotiert? Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, gelang es ihr, wieder logisch zu denken. Sie hatte die Akte aus dem Schrank gezogen und auf Adams Tisch gelegt, ohne sie anzurühren. Aber vielleicht …

Ein kurzer Blick in die Akten, zwischen denen die Mansfield-Unterlagen gestanden hatte, genügte. „Ich glaube, ich habe das Addendum“, rief sie durch die offene Tür und eilte zu Adams Tisch zurück.

Adam sprang auf und kam auf sie zu. „Wo war es?“, fragte er herrisch.

„Es hat in der Manning-Akte gesteckt.“

Er verdrehte die Augen. „Manning. Na toll. Ich nehme an, die Akte stand direkt neben Mansfield.“ Dann nahm er ihr die Unterlagen aus der Hand und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, der über und über mit Aktenbergen bedeckt war. „Danke für Ihre Hilfe. Mansfield hätte mir den Kopf abgerissen, wenn er herausgefunden hätte, dass das Addendum verloren gegangen ist.“

„Es freut mich, dass ich helfen konnte.“

„Mal sehen, wie viele Überraschungen dieser Art noch auf uns warten.“

„Wenn Sie möchten, kann ich gleich morgen anfangen, alle Akten durchzugehen.“

„Ja, das klingt nach einer guten Idee.“ Müde rieb er sich die Augen. „Ich schätze, Cheryl stand doch stärker unter Druck, als sie sich hat anmerken lassen.“

„Im dritten Monat schwanger, bis zum Hals in Hochzeitsvorbereitungen und berufstätig?“, warf Trish ein. „Ich denke mal, das würde jeder als Druck empfinden.“

Adam lachte leise auf. „Jaja, mir ist schon klar, dass ich ein Trampel war. Marjorie hat da wenig Interpretationsspielraum gelassen. Aber trotzdem hätte uns Cheryls Fehler eine Menge Geld kosten können. Ich wäre dankbar, wenn Sie die Akten morgen durchgehen könnten.“

„Gern.“ Trish hätte sich totlachen können. Gerade eben hatte Adam Duke ihr auf dem Silbertablett einen guten Grund dafür geliefert, ganz offiziell seine Akten zu durchstöbern! „Kann ich jetzt noch etwas für Sie tun?“

„Nein danke“, erwiderte er und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. „Machen Sie sich einen schönen Abend.“

Als Trish beobachtete, wie er sich seine Hemdsärmel hochkrempelte, unter denen sehnige, muskulöse, leicht gebräunte Unterarme zum Vorschein kamen, musste sie wider Willen schlucken. Adams dickes dunkles Haar war zerzaust, und sein Jackett und die Krawatte hatte er nachlässig über eine Sessellehne geworfen. Ein kleiner Schauer lief ihr den Rücken hinab. Es war einfach nicht fair, dass er so gut aussah. Erst nach einigen Sekunden wurde ihr klar, dass sie ihren Boss gerade anstarrte. Mühsam löste sie ihren Blick von ihm und fragte: „Arbeiten Sie heute bis spät?“

„Es ist noch nicht spät.“

Nach einem kurzen Blick auf die Uhr erwiderte sie: „Es ist halb sieben.“

Doch Adam zuckte nur mit den Schultern. „Ich höre selten vor neun, halb zehn auf zu arbeiten. Und im Moment sind Überstunden für mich sowieso ein Muss. Morgen steht ein wichtiges Meeting an.“

„Ich könnte noch etwas bleiben, falls Sie Hilfe brauchen.“

Adam warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Aber Ihnen ist doch wohl klar, dass ich das nicht von Ihnen erwarte?“

„Lassen Sie mich Ihnen wenigstens noch etwas zu essen bestellen.“

„Nicht nötig.“

Doch Trish sah ihn entschlossen an. „Vermutlich werde ich vor schlechtem Gewissen heute Nacht kein Auge zubekommen, wenn ich Sie ohne Abendessen hier zurücklasse. Sie tun mir also einen Gefallen, wenn Sie mir einfach sagen, was Sie essen möchten.“

Wieder gab Adam dieses leise, kehlige Lachen von sich, bei dem es Trish heiß und kalt den Rücken hinablief. Dann drückte er ihr einen Fünfzig-Dollar-Schein in die Hand. „Sie sind schwer zu beeindrucken, Trish, das muss ich schon sagen. Eine Pizza wäre toll. Ich glaube, Cheryl hat die Nummer von Angelo’s eingespeichert.“

„Pizza. Sind Sie sicher?“

„Ich esse immer Pizza, wenn ich spät arbeite.“

Trish sah ihn streng an. „Wie oft arbeiten Sie spät?“

„Fast jeden Tag.“

„Dann essen Sie also fast jeden Abend Pizza?“

Achselzuckend sagte Adam: „Kommt schon hin.“

„Besonders gesund ist das ja nicht“, stellte Trish trocken fest.

Adam grinste jungenhaft. „Pizza enthält alle wichtigen Nährstoffe.“

Wortlos hob Trish die Brauen und kehrte zu ihrem Schreibtisch zurück, wo sie den Hefter mit den Speisekarten der Lieferservices hervorzog. In einem benachbarten Restaurant bestellte sie gegrilltes Hühnchen mit Reis und Bohnen und einen Salat.

Bis das Essen geliefert wurde, beschäftigte sie sich mit den Aktenordnern, konnte aber immer noch nichts Interessantes finden.

Nachdem sie vierzig Minuten später Adams Abendessen in Empfang genommen und bezahlt hatte, suchte sie in der kleinen Küchenzeile am anderen Ende des Ganges ein Tablett aus und trug die Teller in Adams Büro. Als sie das Tablett vor ihm abstellte, fragte er entgeistert: „Was ist das denn?“

„Ein richtiges Abendessen.“

„Sie sind ganz schön herrisch, was?“, fragte Adam mit zuckenden Mundwinkeln. Dann beäugte er skeptisch die Bohnen.

„Gute Ernährung hat noch niemandem geschadet“, erklärte sie und beobachtete etwas nervös, wie er sich durch die Beilagen probierte.

„Schmeckt wirklich gut“, bemerkte er schließlich etwas erstaunt.

Erleichtert atmete Trish auf und setzte sich in den Besuchersessel gegenüber von Adams Schreibtisch. „Das freut mich. Bestimmt halten Sie heute länger durch, wenn Sie etwas Ordentliches im Magen haben.“

„Kann schon sein.“ Nachdem er sich über das Hühnchen hergemacht hatte, fuhr er fort: „Marjorie hat erzählt, dass Sie BWL studiert haben?“

„Wundert mich, dass Sie das überhaupt mitbekommen haben, so stinkwütend, wie Sie waren“, erwiderte Trish trocken, doch schon im nächsten Moment hätte sie sich am liebsten selbst für ihr vorlautes Mundwerk geohrfeigt.

Aber Adam reagierte unerwartet gelassen. Statt sie zurechtzuweisen, warf er ihr ein schuldbewusstes Lächeln zu. „Ich schätze, den Seitenhieb habe ich verdient. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings anmerken, dass ich bisher nur schlechte Erfahrungen mit unseren Aushilfen gemacht habe.“

„Sie meinen wohl Assistenzkräfte“, korrigierte Trish ihn mit zuckenden Mundwinkeln.

Lachend sagte Adam: „Schon klar, ich habe verstanden. Heute Morgen habe ich mich wirklich benommen wie die Axt im Wald.“

Jetzt musste auch Trish lachen. „Ganz so schlimm war es auch wieder nicht. Immerhin hatten Sie gute Gründe. Sie mitten in einem so wichtigen Deal auf dem Trockenen sitzen zu lassen gehört sich einfach nicht.“

„Damit haben Sie natürlich recht, aber ich war ja auch nicht ganz unschuldig an der Gesamtsituation. Cheryl hat mir ihr Problem mehrfach geschildert, doch ich war einfach zu sehr mit dem Abschluss von Fantasy Mountain beschäftigt, um wirklich hinzuhören.“

„Handelt es sich dabei um den Wintersportort, von dem in den letzten Wochen alle geredet haben?“, fragte Trish.

„Genau“, bestätigte Adam zwischen zwei Bissen. „Ende des Monats wollen wir alles unter Dach und Fach haben. Wir planen eine große Gala mit allem Drum und Dran, zu der auch die Investoren mit ihren Familien kommen sollen. Natürlich nur, falls es uns gelingt, den Vertrag rechtzeitig abzuschließen.“

„Ich bin mir sicher, dass Sie das schaffen“, meinte Trish. „Ich habe ein paar Fotos von der Anlage gesehen. Das Hotel sieht wunderschön aus.“

Mit glänzenden Augen beugte sich Adam nach vorne. „Fantasy Mountain ist ein Traum“, schwärmte er. „Absoluter Luxus, ein Sterne-Restaurant, ein toller Spa-Bereich und ein weltberühmtes Skigebiet. Die Zimmer sind rustikal, aber gleichzeitig elegant und stilvoll. Ich kann es gar nicht abwarten, das Hotel zu eröffnen.“

Gegen ihren Willen ließ sich Trish von seinem Enthusiasmus anstecken. „Das klingt wirklich sensationell.“

Adam ließ sich wieder in seinen Stuhl zurückfallen und warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. „Cheryl war für die Organisation der Gala verantwortlich“, sagte er schließlich. „Könnten Sie sich vorstellen, für sie einzuspringen und das bis Ende des Monats zu organisieren?“

„Ich habe immer davon geträumt, so etwas …“, platzte Trish heraus, doch dann biss sie sich auf die Zunge. Was dachte sie sich nur? Sie war nicht hier, um zu träumen, und auch nicht, um Adam Dukes Charme und Charisma zu verfallen! Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und erhob sich. „Selbstverständlich werde ich die Vorbereitungen für die Gala übernehmen. Aber jetzt sollte ich mich wirklich auf den Weg machen. Alles Weitere können wir dann ja morgen besprechen.“

Ihr plötzlicher Sinneswandel schien Adam zu verwundern, doch er nickte nur knapp und sagte: „Natürlich, es ist schon spät. Danke für alles und bis morgen.“

„Ja, gute Nacht“, murmelte Trish und flüchtete aus seinem Büro. Während sie auf den Aufzug wartete, ließ sie den Kopf gegen die kühle Wand sinken. Kaum arbeitete sie einen Tag lang für Adam Duke, saß sie schon in ihrer Freizeit in seinem Büro herum und plauderte mit ihm, als wären sie alte Freunde. Sie war wirklich nicht für Intrigen geschaffen.

Und was die Eröffnungsgala von Fantasy Mountain betraf, so hoffte Trish schwer, dass sie am Ende des Monats überhaupt nicht mehr für Adam Duke arbeiten würde. Denn bis dahin würde sie gefunden haben, was sie suchte.

3. KAPITEL

Sie hätte gestern einfach kündigen sollen.

Heute war Trishs vierter Arbeitstag an der Seite von Adam Duke. Sie hatte jede einzelne Akte durchsucht, aber immer noch nichts Belastendes finden können. Nichts, was auch nur einen Hauch von öffentlicher Empörung erregt hätte. Ganz im Gegenteil – gestern hatte sie zu allem Überfluss auch noch eine dicke Akte gefunden, in der sorgfältig über alle Spenden Buch geführt wurde, die ihr neuer Boss in den letzten Jahren getätigt hatte. Der Mann schien geradezu ein Musterknabe zu sein.

„Sogar die blöden Wale will er retten“, murmelte sie frustriert.

Doch natürlich waren Adams Sympathien für Meeressäuger nicht der Grund, aus dem sie kündigen wollte. Das eigentliche Problem war, dass sich Adam Duke mehr und mehr als Gutmensch entpuppte. Und obwohl Trish ganz genau wusste, dass all das nur eine Fassade war, hinter der er seine wahren Machenschaften verbarg, fing sie tatsächlich an, ihn zu mögen. Zu ihrem Erschrecken musste sie sich eingestehen, dass ihre Gefühle nicht einfach nur darauf beruhten, dass Adam unglaublich gut aussah. Jedes Mal, wenn er den Raum betrat, fing ihr Herz an, wie wild zu hämmern, und nachts träumte sie von ihm.

Irgendwann in den letzten Tagen hatte Trish begonnen, ihn wirklich zu mögen. Ihn, den Mann, der ihr Leben ruiniert hatte. Doch sein Sinn für Humor, seine Vorstellungen von Richtig und Falsch, seine Arbeitsethik, die Art und Weise, wie er mit seinen Angestellten umging … Jeder bei Duke Development schien ihn zu verehren, und sosehr sich Trish auch dagegen wehrte: Es war so gut wie unmöglich, Adam nicht zu bewundern. Nur dass Bewunderung auf ihrer persönlichen Agenda ganz weit hinten stand.

Aber selbst wenn sie ihre Gefühle zugelassen hätte, wäre sie sowieso nicht Adam Dukes Fall gewesen. Zum einen würde er sich ganz sicher nicht mit einer seiner Angestellten einlassen. Und zum anderen hatte Trish genug Klatsch und Tratsch mitbekommen, um zu wissen, dass sie bei ihm keine Chance hatte. Schließlich war sie kein Supermodel, gehörte nicht zu den oberen Zehntausend und hatte auch keine Schönheitsoperationen hinter sich.

Kochend vor Wut, knallte sie die Tür des Aktenschranks zu. Adam Duke war der Feind, und ihr fiel nichts Besseres ein, als von einem Date zu träumen. Wie lächerlich.

„Guten Morgen, Trish.“ Adams Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Trish fuhr zusammen, aber immerhin nur ein kleines bisschen – ein riesiger Fortschritt, für den sie sich innerlich applaudierte. Woher hatte ihr neuer Boss nur diesen Tick, sich immer wieder anzuschleichen? Machte es ihm etwa Spaß, sie zu erschrecken?

„Guten Morgen“, erwiderte sie mit zittriger Stimme. Dann räusperte sie sich.

„Sie wollen mich wohl dumm dastehen lassen, was?“, fragte er und warf ihr einen strengen Blick zu.

„Was? Ich? Nein!“ Sie sah sich hastig um. Doch ihre Suche hatte keine Spuren hinterlassen. Wie konnte er wissen, was sie den Morgen über getan hatte? Mit rasendem Herzen sah sie zu ihm auf, doch Adam sah einfach nur gut gelaunt aus.

Verzagt räusperte sich Trish. „Ich glaube, ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Seit Sie für mich arbeiten, versuche ich, früher im Büro aufzutauchen als Sie“, erklärte er. „Aber bisher haben Sie jeden Rekord geschlagen.“

„Oh.“ Siehst du, du hysterischer Angsthase? Kein Grund zur Panik. „Ach so.“ Sie versuchte, unbekümmert zu wirken, und zog eine Akte aus einer Schublade. Dabei hätte sie sich jedoch fast den Finger eingeklemmt, weil ihre Hände so zitterten. „Ich bin eben ein Morgenmensch.“

„Toll“, stellte Adam fest, zwinkerte und lächelte sie unwiderstehlich an. „Dann sind wir ja schon zwei.“

Nur mit Mühe und Not gelang es Trish, dem Drang zu widerstehen, sich im Aktenschrank zu verstecken. Sie versuchte zu schlucken, doch ihre Kehle war staubtrocken.

„Alles in Ordnung?“, fragte Adam.

„Ja.“

„Hat schon irgendwer angerufen?“

„Nein, Sir.“

„Sir?“ Er grinste belustigt. „Gefällt mir irgendwie.“

Trish spürte, wie sie in sich zusammensank. Blöde Ziege! schalt sie sich in Gedanken. „Haben Sie Zeit, mit mir über meine Pläne für die Gala zu sprechen?“, murmelte sie mit schwacher Stimme.

„Selbstverständlich. Schnappen Sie sich Ihre Unterlagen, und legen Sie los“, sagte er und winkte sie in sein Büro. Mit großen, geschmeidigen Schritten durchmaß er den Raum. Seine hochgewachsene Gestalt schien von einer Aura aus Charisma, Sex-Appeal und reiner Kraft umgeben zu sein, die Trish schier den Atem raubte. Eine Welle verbotener, süßer Lust brandete durch ihren Körper.

Sie hätte wirklich gestern kündigen sollen.

Adam ignorierte das schmerzhafte Ziehen und setzte sich hinter seinen schweren Mahagonischreibtisch. Mittlerweile hätte er sich eigentlich an die lächerliche Begierde gewöhnt haben sollen, die die bloße Anwesenheit seiner neuen Assistentin in ihm auslöste. Daran und an die körperlichen Folgen, die sie mit sich brachte.

Körperliche Folgen? Er verdrehte die Augen. Nenn das Kind doch einfach beim Namen: Du hast einen dicken, harten Ständer. Seine Brüder wären stolz gewesen, wenn sie gewusst hätten, wie sehr sich sein Wortschatz in letzter Zeit erweitert hatte.

Doch trotz seiner schmerzhaften Erregung war es einer der Höhepunkte seines Tages, wenn er Trish morgens zum ersten Mal sah. Sie war einfach umwerfend, ohne sich die geringste Mühe zu geben, und es machte Spaß, sie auf den Arm zu nehmen. So schreckhaft, wie sie war, hätte man fast glauben können, dass sie etwas zu verbergen hatte.

Aber als sie ihm gegenüber Platz nahm und die Beine übereinanderschlug, setzten seine Gedanken mit einem Schlag aus. Heute trug sie zum ersten Mal ein Kleid, und ganz wie er vermutet hatte, waren ihre Beine Weltklasse. Glatt, schön geschwungen und leicht gebräunt. Sein Blick folgte der runden Linie ihrer Waden und blieb an ihren Pumps hängen. Wie Trish wohl aussehen würde, wenn sie sonst nichts tragen würde? Er würde mit ihren Fesseln anfangen und sich dann langsam seinen Weg ihre Oberschenkel hinauf bis zu …

„Bevor wir meine Anmerkungen durchsprechen“, sagte Trish und riss ihn damit aus seinen Wunschträumen, „sollten Sie diesen Brief lesen. Er ist gestern angekommen und sieht wichtig aus.“ Sie zog ein Blatt Papier aus seinem Posteingang und hielt es ihm unter die Nase.

Als ihm der Briefkopf einer großen Anwaltskanzlei in die Augen sprang, hob Adam die Brauen. Das sah nicht gut aus. Überhaupt nicht gut. Besorgt überflog er den Inhalt. Dann griff er nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer des Bauunternehmers, der Fantasy Mountain betreute.

„Was ist los?“, fragte Trish, nachdem er zehn Minuten später wieder aufgelegt hatte. „Das klang nach schlechten Neuigkeiten.“

Er warf ihr einen Blick zu und bemerkte erstaunt, dass sie tatsächlich besorgt wirkte. Doch noch mehr erstaunte ihn, dass er einen Anflug von Dankbarkeit verspürte. Es tat gut zu wissen, dass sie auf seiner Seite stand. Unwirsch schob er das ungewohnte Gefühl beiseite und erhob sich.

„Allerdings“, erwiderte er, während er zur Kaffeemaschine hinüberspazierte. „Möchten Sie auch?“, fragte er und hielt Trish eine Tasse hin.

„Nein, danke“, murmelte sie und sah ihn erwartungsvoll an. „Ist etwas Schlimmes passiert?“

„Sie haben den Brief doch gelesen, oder?“, fragte Adam.

„Ja, aber ehrlich gesagt, habe ich das Fachchinesisch nicht verstanden“, meinte sie und verzog das Gesicht.

Adam lachte auf und setzte sich mit seinem Kaffee wieder hinter seinen Schreibtisch. „Wissen Sie, was der ADA ist?“

„Ja, der Americans with Disabilities Act, ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen.“

„Richtig.“ Adam war beeindruckt, dass Trish von dem Gesetz wusste. Cheryl hatte er immer wieder erklären müssen, was es damit auf sich hatte. „Wir haben uns große Mühe gegeben, die Anlage in Fantasy Mountain so zu gestalten, dass sie den Vorgaben des ADA gerecht wird. Eigentlich lief alles bestens, aber nun hat einer der Subunternehmer das Parkhaus nicht den Richtlinien entsprechend ausgebaut.“

„Und in den Richtlinien ist festgelegt, wie viele behindertengerechte Parkplätze Sie brauchen?“

„Unter anderem. Wir mussten auch auf die Breite der Gänge und der Türen sowie auf die Höhe der Badewannen und vieles mehr achten. Die Details sind sterbenslangweilig. Jedenfalls entspricht Fantasy Mountain durch den Fehler des Subunternehmers nicht mehr den Vorgaben des ADA.“

„Und wie hat dieser Anwalt davon erfahren?“, fragte Trish nach und wies auf den Brief.

„Gute Frage“, stellte Adam fest und trank einen Schluck Kaffee. „Es gibt Organisationen, die Einrichtungen wie Hotels, Einkaufszentren und so weiter auf die Vorgaben hin überprüfen. Und das ist auch gut so. Bisher hatten wir nie Probleme, weil wir immer sorgfältig darauf geachtet haben, uns an die Regeln zu halten. Aber diesmal ist etwas schiefgelaufen, und jetzt müssen wir den Fehler so schnell wie möglich beheben, damit wir das Hotel rechtzeitig eröffnen können.“

„Und das geht so schnell?“

„Aus genau diesem Grund habe ich eben telefoniert. Bob ist auf hundertachtzig und schon an der Sache dran. Gerade macht er dem Subunternehmer Dampf, das Chaos wieder zu beseitigen, das er hinterlassen hat. Vorher will dieser Anwalt hier aber das Gelände mit uns besichtigen und es genau auf weitere Fehler hin überprüfen.“

Trish lächelte ihn verständnisvoll an. „Sie mögen wohl keine Anwälte.“

„Sie sind ein notwendiges Übel“, sagte Adam achselzuckend. Dann lächelte er. „Abgesehen davon habe ich meine eigene Armee von Anwälten, die bisher noch jeden Prozess gewonnen hat.“

Trish lachte hell auf. „Das glaube ich gern.“

Einen Augenblick lang war Adam einfach nur glücklich, dass er Trish zum Lachen gebracht hatte, doch dann fing er sich wieder. „Wir sollten diese Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schließlich bin ich zwischen Kindern mit Behinderungen aufgewachsen. Also weiß ich, wie schwer es für gehandicapte Personen sein kann, den Alltag zu bewältigen.“

Bist du wahnsinnig geworden?

Schnell wechselte er das Thema. „Zusammengefasst lässt sich sagen, dass diese Angelegenheit mit dem Parkhaus nervtötend und zeitraubend ist, aber nicht unlösbar.“

Trish nickte langsam, sagte aber kein Wort. Offenbar war sie noch damit beschäftigt, die Informationen, die er preisgegeben hatte, zu verarbeiten. Am liebsten hätte er sich selbst in den Hintern getreten. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich zuletzt derart verplappert hatte. Außerhalb seiner Familie ging seine Vergangenheit im Waisenhaus niemanden etwas an. Sein Leben vor seiner Rettung durch Sally Duke war seine Privatsache. Sicher, die Presse hatte einiges von selbst herausgefunden. Aber Adam sprach nicht über jene Zeit. Niemals.

„Wir werden meinen Privatjet benutzen“, sagte er plötzlich, nur um sich von seinen unangenehmen Gedanken abzulenken.

„Sie besitzen ein Flugzeug?“, fragte Trish überrascht.

Mit einem knappen Nicken öffnete Adam seinen digitalen Kalender. „Natürlich. Bitte buchen Sie den Jet für Mittwochvormittag.“

Geschäftig klappte Trish ihr Notizbuch auf und fragte: „Wo und wann genau?“

„Sagen wir acht Uhr, ab Dunsmuir Airport. Fantasy Mountain verfügt über einen eigenen Landeplatz. Bitte teilen Sie dem Personal auch mit, was Sie frühstücken möchten. Ich nehme das Übliche.“

Verblüfft sah sie auf. „Das Übliche? Frühstück? Ich? Warum?“

Ihr verdattertes Stottern brachte ihn zum Lachen. „Na, weil Sie mitkommen natürlich.“

„Aber wofür brauchen Sie mich denn?“, fragte sie verwirrt.

„Das werden Sie schon sehen“, erwiderte er, während er erneut zur Kaffeemaschine hinüberging. „Und packen Sie für zwei Tage“, fügte er hinzu.

„Was?“ Sie sprang auf und stellte sich ihm in den Weg. „Weshalb müssen wir denn über Nacht bleiben?“

Er blickte in ihre schönen, leuchtend grünen Augen, die ihn fast vergessen ließen, worüber sie gerade sprachen. „Es könnte ein langer Tag werden. Außerdem könnten wir in den Bergen stecken bleiben. Im November weiß man nie, was das Wetter bringt.“ Auf einmal wurde ihm bewusst, wie angespannt seine Stimme klang. Mein Gott, reichte jetzt schon ein einfaches Gespräch über Termine, damit er sich fühlte wie ein Schuljunge kurz vor dem Abschlussball?

„Ich verstehe“, erklärte sie langsam. Aber sie wirkte ganz und gar nicht überzeugt. Offensichtlich wollte sie ihn nicht begleiten. Doch je heftiger sie protestierte, desto wichtiger war ihm, dass sie mitkam. Sie war ihm so nah, dass er sie mit einer einzigen raschen Bewegung in seine Arme hätte ziehen können.

„Außerdem“, fügte er hinzu, nachdem er sich geräuspert hatte, „können Sie sich so ein genaues Bild von der Anlage verschaffen. Für die Gala-Vorbereitungen ist das sicher hilfreich.“

„Aber ich verstehe nicht …“ Verzagt verstummte sie und sank ein wenig in sich zusammen.

Und da kam ihm ein Verdacht. „Trish? Haben Sie etwa Flugangst?“

„Natürlich nicht“, erwiderte sie empört und hob kämpferisch das Kinn.

„Dann spricht ja nichts dagegen, dass Sie mich begleiten. Mittwochmorgen, acht Uhr.“

„In Ordnung.“

„Ihre Pläne für die Gala können wir dann während des Fluges besprechen. Bis dahin werde ich wohl kaum Zeit dafür finden.“

Mit einem knappen Nicken verließ Trish sein Büro. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, atmete Adam wieder auf.

Nachdenklich begann er, in seinem Büro auf und ab zu laufen. In den letzten Tagen hatte sein Leben einem Eiertanz geglichen. Im Moment durfte es für ihn nichts Wichtigeres geben als den Fantasy-Mountain-Deal. Und doch hatte sich seine neue Assistentin immer wieder in seine Gedanken geschlichen.

„Verdammt!“, fluchte er leise vor sich hin, während er auf den Ozean hinabblickte. Und dabei konnte er ihr noch nicht einmal einen Vorwurf machen! Trish arbeitete effizient, war diskret und intelligent. Außerdem schien sie Sinn für Humor zu haben. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so viel gelacht hatte wie in den letzten Tagen. Das größte Problem aber war, dass Trish sich wirklich für ihn zu interessieren schien. Sie sorgte sich um ihn, bestellte ihm gesundes Essen, fragte klug nach, wenn er ihr etwas erzählte … und er konnte dabei an nichts anderes denken als daran, ihr die Kleider vom Leib zu reißen, sie auf die Couch zu werfen und …

Ja, genau das war das Problem: Lust und Begierde. Aber wie sollte er dieses Problem lösen? Im Moment lag es außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass eine andere Frau dieses brennende Verlangen stillen könnte, das ihn zu verzehren drohte. Andererseits war es nicht sein Stil, seine Angestellten zu verführen.

Es gab nur einen Ausweg: die bittere Pille zu schlucken und einen Monat andauernder Frustration durchzustehen.

Eine Stunde später läutete die Gegensprechanlage, und Adam nahm ungeduldig den Hörer ab. „Was gibt’s?“, fragte er mürrisch.

„Ihr Bruder Brandon auf Leitung zwei“, kündigte Trish an. „Ich stelle durch.“

„Danke.“

Adam stellte auf Lautsprecher um und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Hallo, Bruderherz.“

„Wer war das denn?“, fragte Brandon ohne große Umschweife.

„Meine neue Assistentin.“

„Ist sie scharf?“

„Mach nur weiter so, und ich lege auf.“

„Also ist sie scharf.“

„Tschüss, Brandon!“

„Warte“, beeilte sich Brandon zu sagen. „Ich wollte dich nur darüber aufklären, dass Mom und Marjorie gestern Abend zusammen gegessen haben.“

„Und was soll das heißen?“

„Adam, kapierst du es denn immer noch nicht?“, fragte Brandon, als würde er mit einem Idioten reden. „Marjorie ist eine von Moms ältesten Freundinnen. Bestimmt ist sie in Moms Pläne eingeweiht. Denk doch mal nach! Was könnte praktischer sein, als die Personalabteilungsleiterin von Duke Development für sich arbeiten zu lassen? Marjorie befindet sich in einer optimalen taktischen Position, um dich zu verkuppeln.“

„Du bist ja vollkommen übergeschnappt.“

„Wie du meinst. Aber behaupte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

„Wann genau bist du eigentlich so paranoid geworden, Brandon?“

„Mom will Enkel, Adam, und ihr ist jedes Mittel recht“, erwiderte Brandon ernst. „Ich habe aus ihrem eigenen Mund gehört, dass du ihr erstes Opfer sein wirst. Also hüte dich vor schönen Frauen, die durch deine Bürotür spazieren.“

„Ach, Brandon, du spinnst“, meinte Adam lachend.

„Das ist also der Dank dafür, dass mir dein Wohl am Herzen liegt“, murrte sein Bruder empört.

„Bis bald, Bruderherz“, erwiderte Adam kopfschüttelnd. „Wir sehen uns am Wochenende bei Moms Grillparty.“ Dann legte er, immer noch lachend, auf und rief Trish, um sie zu bitten, ihm die Weingut-Akte zu bringen. Als sie sein Büro betrat, wurde sein Blick wie magisch von ihren Beinen angezogen. So konservativ und zurückhaltend ihr Kleid auch sein mochte, es trieb Adam fast in den Wahnsinn. Vorne wurde es durch eine unauffällige Knopfleiste geschlossen, und zum wiederholten Mal fragte er sich, wie es wohl sein mochte, es Stück für Stück zu öffnen. Er konnte sich nicht entscheiden, ob es ihm besser gefallen würde, Trish quälend langsam auszuziehen oder ihr das Kleid einfach mit einem kräftigen Ruck vom Leib zu reißen. Nicht, dass eine der beiden Alternativen tatsächlich infrage gekommen wäre, aber …

„Wohin soll ich die Akte legen?“, fragte sie. Wenn sie gewusst hätte, was er in Gedanken gerade mit ihr angestellt hatte, hätte sie wohl nicht so freundlich gelächelt.

„Adam?“

„Ja, auf meinen Schreibtisch bitte“, murmelte er heiser. Hölle noch mal, was war denn nur los mit ihm? „Danke, Trish.“

„Ich wusste gar nicht, dass das Unternehmen auch eine Winzerei besitzt.“

„Wie bitte?“

Sie wies auf die Akte. „Duke Cellars! Mir war nicht bewusst, dass das Weingut zu Duke Development gehört.“

„Ach so, ja. Nächstes Jahr wollen wir eine Hotelanlage in den Weinanbaugebieten eröffnen.“

„Das klingt fantastisch“, meinte Trish.

„Es ist tatsächlich ein vielversprechendes Projekt“, murmelte Adam. Doch alles, woran er denken konnte, war, Trish auf seiner Schreibtischplatte zu nehmen, hier und jetzt, komme, was wolle, und sie …

„Alles in Ordnung?“, fragte Trish besorgt.

„Jaja, alles bestens“, erwiderte er und faltete seine Hände im Schoß, um ihr Zittern zu verbergen.

„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

Adam wäre da so einiges eingefallen. Aber er bezweifelte, dass Trish mit seinen Vorschlägen einverstanden gewesen wäre. „Nein, danke.“

Auch wenn sie nicht wirklich überzeugt wirkte, zog sie sich wieder in ihr Vorzimmer zurück. Wie gebannt sah Adam ihr hinterher. Ihr, ihren langen Beinen und ihren Hüften, die sich bei jedem Schritt wiegten.

Hüte dich vor schönen Frauen, die durch deine Bürotür spazieren.

Und da begriff Adam. „O nein“, murmelte er verzweifelt und vergrub sein Gesicht in den Händen. „O nein, o nein, o nein.“

Marjorie befindet sich in einer optimalen taktischen Position, um dich zu verkuppeln.

Aber das konnte doch nicht sein! Auf gar keinen Fall steckte Trish mit seiner Mutter unter einer Decke. Das war doch lächerlich!

Unruhig sprang er auf und trat vor das Panoramafenster. Doch wie so oft in den letzten Tagen konnte selbst der Anblick des Ozeans ihm keinen Seelenfrieden verschaffen.

War es wirklich möglich, dass seine Mutter und Marjorie all das eingefädelt hatten? Hatten sie dafür gesorgt, dass Cheryl kündigte? Nein, wahrscheinlicher war, dass sie nur die Gunst der Stunde genutzt hatten. Womöglich hatte Marjorie ja schon von langer Hand geplant, Trish bei ihm einzuschmuggeln, und nur auf den richtigen Augenblick gewartet.

Plötzlich kam ihm das alles gar nicht mehr so weit hergeholt vor.

Und dann erinnerte er sich daran, was Trish neulich gesagt hatte, als er sie bei ihrem Privatgespräch überrascht hatte: Er wird gar nicht wissen, wie ihm geschieht.

Hatte Trish mit seiner Mutter telefoniert? Oder mit Marjorie? Hatte er nicht vor erst vor Kurzem vermutet, dass sie etwas zu verbergen hatte, weil sie so schreckhaft war?

Auf einmal ergab alles einen Sinn. Sie hatten es klug angestellt, das musste er ihr lassen. Trish war genau sein Typ, und es hatte lange gedauert, bis er Verdacht geschöpft hatte. Und gleichzeitig entsprach Trish genau den Vorstellungen, die Sally von einer geeigneten Schwiegertochter hatte. Sie war hübsch, aber nicht aufgedonnert, klug, bodenständig und selbstständig. Der Traum jeder besorgten Mutter … Ein sarkastisches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Sie wollten spielen? Das konnten sie haben. Aber die Regeln würde jetzt er aufstellen!

4. KAPITEL

„Wenn du nicht sofort mit der Sprache rausrückst, platze ich vor Neugierde! Schieß los: Ist es so schlimm, wie du dachtest?“

„Nein, eigentlich nicht“, sagte Trish. „Alles läuft bestens.“

Es war Freitagabend, das Ende einer anstrengenden Woche, die sie fast den letzten Nerv gekostet hätte. Trish entspannte sich bei einem Glas kühlem Weißwein, während ihre Freundin Deb versuchte, ihren kleinen Sohn an die Flasche zu gewöhnen. Wie so oft an Trishs freien Abenden, saßen sie zusammen in Debs gemütlichem Wohnzimmer.

„Du warst schon immer eine lausige Lügnerin“, meinte Deb.

„Warum sollte ich lügen?“, fragte Trish, die sich seltsam ertappt fühlte.

„Woher soll ich das wissen?“ Deb strich Gavin sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. „Vielleicht versuchst du ja, etwas zu verbergen! Und nur so als Tipp: Wenn sich deine Stimme vor Aufregung überschlägt, klingst du nicht wirklich so, als ob du alles im Griff hättest.“

Trish beugte sich vor und kitzelte das Baby an seinem winzigen Fuß. „Armer kleiner Gavin, deine Mom ist eine echte Spürnase.“

Grinsend sagte Deb: „Ganz genau, also raus mit der Sprache. Ist dieser Adam Duke wirklich so ein Monster, wie du gedacht hast?“

„Viel schlimmer“, murmelte Trish und ließ sich wieder in das kuschelige Sofa sinken.

„Schlimmer? Wie aufregend! Aber wirklich überrascht bin ich nicht. Auch wenn alle von ihm schwärmen, weiß man nie, was hinter verschlossenen Türen vor sich geht. Wahrscheinlich stimmt es einfach, dass Geld den Charakter verdirbt.“

„Aber genau das ist das Problem. Er ist überhaupt kein Monster. Ehrlich gesagt, ist das genaue Gegenteil der Fall. Er ist klug und hat Humor und scheint ein echter Samariter zu sein, wenn man seinen Spendenlisten Glauben schenken darf. Du hättest mal sehen sollen, wie wütend er geworden ist, als er herausgefunden hat, dass ein Subunternehmer den behindertengerechten Ausbau dieses Hotels verpatzt hat.“

„Du machst Witze!“ Deb schien ehrlich erstaunt. „Klingt fast so, als wäre er der reinste Traumprinz!“

„Ich weiß.“ Trish trank einen ordentlichen Schluck Wein, um ihren Frust herunterzuspülen.

„Aber irgendetwas muss doch faul sein an dem Kerl“, meinte ihre Freundin.

„Bisher habe ich den Haken an der Sache leider noch nicht entdecken können“, seufzte Trish.

„Ach, komm schon. Irgendetwas muss es doch zu lästern geben!“

Trish lachte auf und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“

„Wenn es sein muss, werde ich betteln. Ich sitze hier den ganzen Tag herum, wechsle Windeln und unterhalte mich in Babysprache. Als meine beste Freundin bist du moralisch dazu verpflichtet, mich mit Klatsch und Tratsch zu versorgen.“

Trish lachte. „Immerhin habe ich dich überredet, das rote Kleid anzuziehen. Wie ist der Abend eigentlich gelaufen?“

„Fantastisch, Ron war im siebten Himmel. Aber glaub ja nicht, dass du mir mit so einem durchschaubaren Themenwechsel davonkommst!“

Seufzend gab sich Trish geschlagen. Ohne Deb hätte sie sowieso niemals eine Stelle bei Duke Development bekommen. Ihre Freundin hatte vor der Babypause in der Verwaltung gearbeitet. Kurz bevor sie ging, hatte sie eine Empfehlung an Marjorie Walsh ausgesprochen, die Trish daraufhin sofort einstellte. Letztlich schuldete sie ihrer Freundin die Wahrheit – nur dass sie sich nicht sicher war, wie die Wahrheit überhaupt aussah.

„Jedenfalls hättest du mich warnen können, dass dieser Job gesundheitsschädigend ist“, meinte sie, während sie sich ein weiteres Glas Wein einschenkte. Als sie die Flasche wieder verkorkte, fiel ihr Blick auf das Etikett. Duke Cellars. Na toll. Nicht einmal in ihrer Freizeit hatte sie Ruhe vor diesem Mistkerl.

Deb sah sie fragend an. „Was soll das heißen?“

Doch Trish winkte ab. „Ach, egal.“

Aber so leicht ließ Deb sich nicht abwimmeln. „Trish, du bist nicht allein mit deinen Problemen. Rede mit mir!“

„Ach, manchmal …“ Trish seufzte tief. „Sobald ich mich in einem Raum mit Adam aufhalte, kann ich nicht mal mehr atmen.“

Debs Lippen verzogen sich zu einem schelmischen Lächeln. „Dieser Adam muss wirklich ein süßer Typ sein.“

Autor

Kate Carlisle
New York Times Bestseller-Autorin Kate Carlisle konnte sich nie so richtig entscheiden: Sollte sie die Haare lang oder kurz, glatt oder gelockt tragen? Sollte sie beim Fernsehen arbeiten oder Brathähnchen verkaufen? Jura studieren oder doch lieber Schauspielunterricht nehmen? Nachdem sie alles einmal ausprobiert hatte, besann sie sich schließlich auf das...
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