Julia Collection Band 158

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Die Schwestern Marley, Bridget und Evie hatten bisher wenig Glück mit Männern. Aber liegt das wirklich an dem berüchtigten Heiratsfluch, vor dem ihre Grandma sie gewarnt hat? Oder gibt es einfach keine Traumprinzen mehr in New York? Die Bennett-Schwestern ahnen nicht, welch zauberhafte Begegnungen ihnen bevorstehen!

Mini-Serie von Jule McBride

FIT FÜR EINEN HEISSEN FLIRT?
Der Auftritt bei einer TV-Flirtshow wird für die hübsche Fitnesstrainerin Marley und den gutaussehenden Cash zu einem aufregenden Event. Seit der ersten Sekunde haben sie beide und das begeisterte Publikum gespürt, wie stark die Anziehungskraft zwischen ihnen ist. Geht es vielleicht sogar um Liebe, an die Marley nicht mehr glauben wollte?

BESTE FREUNDIN - SINNLICHE GELIEBTE?
Die attraktive Bridget denkt sich nichts dabei, sich auf einer Reise mit ihrem besten Freund Dermott ein Zimmer zu teilen. Doch plötzlich entbrennt eine nie gekannte, alles verzehrende Leidenschaft in ihr! Soll sie ihre Freundschaft aufs Spiel setzen für eine einzige berauschende Nacht?

DIE LIEBESPARTY
Hochzeitsplanerin Edie hat einen neuen Mitarbeiter – den unglaublich attraktiven Seth! Sofort knistert es heftig, und beide stürzen sich in eine leidenschaftliche Affäre. Schon glaubt Edie sich am Ziel ihrer Träume, da muss sie erkennen: Seth hütet ein Geheimnis …


  • Erscheinungstag 30.04.2021
  • Bandnummer 158
  • ISBN / Artikelnummer 9783751502702
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jule McBride

JULIA COLLECTION BAND 158

1. KAPITEL

Sagt die Hochzeit ab, oder die Braut wird sterben.

Edie Benning sah von dem Drohbrief auf, der vor ihr auf dem Konferenztisch lag, und musterte Emma Goldstein, eine Reporterin des Magazins Celebrity Weddings, und Julia Darden, die zukünftige Braut. Julia turtelte scheinbar völlig unbesorgt mit ihrem Verlobten. Edie hielt beide nicht für sonderlich intelligent, dennoch erstaunte es sie, dass sie ihr Geschmuse nicht einmal unterbrachen, um Besorgnis über ihre Sicherheit zu äußern.

Edie machte sich dafür umso mehr Sorgen, schließlich hatte sie von Sparky Darden, Julias Vater, der das Hotelimperium der Dardens leitete, den Auftrag erhalten, eine der bisher größten Hochzeiten in New York auszurichten. Ein Ereignis, das für sie als Hochzeitsplanerin einen gewaltigen Karrieresprung bedeutete.

Schon unter normalen Umständen war dies eine große Verantwortung, doch die Drohbriefe, die Julias Bodyguard Pete Shriver präsentierte, machten alles noch schwerer. Vielleicht musste die Hochzeit sogar abgesagt werden. Edie hatte gehofft, lukrative Aufträge nach der Ausrichtung dieser Feier zu bekommen, und fühlte ihren Traum langsam zerrinnen.

„Jemand legt es darauf an, die Hochzeit zu verhindern“, erklärte Pete. „Deshalb werden wir die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen.“

Edie hoffte nur, dass Pete dem jungen Paar nicht vorschlagen wollte, aus Sicherheitsgründen auf eine Feier zu verzichten. Die beiden schienen nichts von den Problemen mitzubekommen. Da ihr eigenes Liebesleben mehr als deprimierend war, ging Edie ihr ständiges Geschmuse ziemlich auf die Nerven.

Sie traf sich zwar seit einem Monat mit einem Mann, der aus New Orleans kam und sich Cash Champagne nannte, aber bisher hatte der noch keinen Versuch unternommen, über ein paar lahme Küsse hinauszugehen. Vielleicht erzählte ihre Großmutter Ginny doch keine Märchen, wenn sie behauptete, die Benning-Schwestern Edie, Marley und Bridget seien mit einem Heiratsfluch geschlagen.

„Von nun an“, sagte Pete, „sollte Julias morgendliches Fitnesstraining mit Marley auf dem Anwesen der Dardens stattfinden. Julia und Lorenzo waren heute schon in der Stadt, deshalb konnten wir uns hier treffen, aber bis wir den Verfasser dieser Briefe ermittelt haben, sollte Julia sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen. Wir haben herausgefunden, wo die Drohbriefe eingesteckt worden sind, also werden wir den Mistkerl hoffentlich bald haben.“

„Es macht Marley bestimmt nichts aus, auf das Anwesen rauszufahren“, behauptete Edie. Zumindest hoffte sie es. Bei Marley konnte man nie wissen.

Edie hatte alles getan, um ihrer Zwillingsschwester nach deren Scheidung wieder auf die Beine zu helfen, und ihr die Möglichkeit verschafft, Julia Dardens persönliche Fitnesstrainerin zu werden. Marley hatte sich zu einer hoffnungslosen Zynikerin entwickelt, seit ihre Ehe gescheitert war, und sich nicht einmal für den Job bei ihr bedankt.

Auch den Rest der Familie Benning hatte Edie mit Arbeit versorgt. Joe, ihr Vater, würde die Speisen und Getränke für die Hochzeit liefern, ihre Mutter, eine gelernte Schneiderin, nähte die Kleider der Brautjungfern, und Edies jüngste Schwester Bridget, die bei Tiffany’s beschäftigt war, entwarf die Trauringe.

Edie verstand sich gut mit ihrer Familie, nur Marley war seit ihrer Scheidung schwierig. Besonders, wenn es darum ging, von Edie Hilfe anzunehmen. Und sie misstraute jedem, mit dem Edie ausging. Obwohl das manchmal lästig war, konnte Edie ihre Zwillingsschwester allerdings verstehen, denn deren Exmann hatte das Geschäftskonto von Marleys Fitnessclub leer geräumt und war auf Nimmerwiedersehen mit dem Geld verschwunden. Marley war gezwungen gewesen, ihren Club zu schließen.

Wenn es um Männer und ums Heiraten ging, dann waren die Benning-Töchter zweifellos mit einem Fluch geschlagen.

Big Apple Brides wird alles tun, um Julias Sicherheit nicht zu gefährden“, versicherte sie Pete nun und warf der zukünftigen Braut einen Blick zu. Julia war schön. Überdurchschnittlich groß und schlank wie ein Model. Sie hatte warme, braune Augen, einen makellosen Teint und einen unerhört sinnlichen Mund. Obwohl sie kamerascheu war, hatte ihr Aussehen sie zu einem Liebling der Medien gemacht. Auch Lorenzo, ein professioneller Hockeyspieler, war alles andere als hässlich.

„Machen Sie ruhig so weiter wie bisher, Edie“, sagte Pete. „Ich vermute, Julia ist nicht die eigentliche Zielscheibe dieser Drohungen. Die Briefe könnten auch von einem Rivalen von Mr. Darden stammen. Von jemandem, der hofft, der Familie den großen Tag zu verderben, aber Julia selbst nichts antun will. Wir müssen allerdings für alle Fälle die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen.“

„Ich hatte es bisher noch nicht erwähnt, aber …“

„Was?“, unterbrach Pete sie alarmiert.

„Vielleicht irre ich mich ja“, sagte Edie, „aber ich hatte in den letzten Tagen das Gefühl, beobachtet zu werden. Allerdings könnte ich es mir auch nur eingebildet haben. Mein Geschäft liegt in einer sehr belebten Gegend.“

Edie warf einen Blick durch die offene Tür des Konferenzraums in ihren Laden, und Stolz erfüllte sie. Ihre Geschäftsräume waren sehr beeindruckend. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sie die notwendigen Renovierungsarbeiten allein mit hilfe ihrer Familie ausgeführt hatte. Ihr Laden hatte ein wunderbar romantisches Ambiente, das sich bisher allerdings nicht positiv auf ihr eigenes Liebesleben ausgewirkt hatte.

Wie denn auch, dachte sie mit einem Anflug von Verärgerung, wenn in Sachen Liebe ein jahrhundertealter Fluch für Misserfolge sorgt?

„Ich werde ein mal am Tag einen meiner Leute bei Ihnen vorbeischicken, okay?“

Edie nickte. Es war noch gar nicht so lange her, da war das Leben der Reichen und Berühmten das Letzte gewesen, woran sie gedacht hatte. Sie war nur mit den Vorbereitungen für die Eröffnung ihrer Hochzeitsboutique beschäftigt gewesen. Alle Bennings wussten, dass dies ihre Art war, dem Fluch entgegenzuwirken. Früher hatte sie immer geglaubt, ihre Großmutter wollte sie mit ihren Geschichten über den Fluch nur unterhalten, aber es schien doch etwas dran zu sein. In all den Jahren hatte sie sich tatsächlich nie richtig verliebt, Marley war schon wieder geschieden, und Bridget, ihre jüngste Schwester, war drauf und dran, eine Eintragung im Guinness-Buch der Rekorde zu bekommen, für die peinlichsten Dates in Manhattan.

Edie hoffte, dass gutes Karma und ihr Einsatz für das gute Gelingen des wichtigsten Tages im Leben anderer Frauen das Blatt für sie und ihre Schwestern wenden würde. Bisher schien alles gut zu klappen. Auch wenn die Chemie zwischen ihnen nicht hundertprozentig stimmte, so traf sie sich zumindest mit einem gut aussehenden Mann.

Auch beruflich lief es gut. Ihre Familienangehörigen waren zwar nicht ihre Angestellten, unterstützten sie aber tatkräftig. Deshalb standen Edie talentierte und vertrauenswürdige Subunternehmer zur Verfügung.

„Wenigstens haben Sie wegen Jimmy Delaney eine einstweilige Verfügung erreicht“, sprach Emma den nächsten Punkt der Tagesordnung an.

Seit der Ankündigung der Hochzeit war Julia von Paparazzi belästigt worden. Einer der beharrlichsten von ihnen war Jimmy Delaney.

„Ja.“ Pete sah aus, als wäre er ungeheuer stolz auf sich.

„Nur Fotografen von Celebrity Weddings dürfen das Ereignis fotografieren“, ermahnte ihn Emma. „Wir haben die Exklusivrechte.“

„Delaney wird nicht einmal in die Nähe des Anwesens gelangen“, beruhigte Pete sie.

„Nun seid doch nicht so furchtbar ernst!“ warf Julia lachend ein. „Ich dachte, wir reden hier über eine Hochzeit!“

„Ja“, sagte Lorenzo, ohne den Blick von Julia zu lassen. „Lasst uns lieber über Herzen und Blumen sprechen. Denn wenn ich diese Frau nicht schnellstens heirate, dann sterbe ich.“

Edie lächelte. „Du hast Glück, Lorenzo. Ich habe Bänder mit Musikvorschlägen mitgebracht. Und die Entwürfe für die Ringe.“ Sie reichte dem Paar einige Zeichnungen. „Wir hoffen, dass sie euch gefallen werden.“

„Ihr müsst euch entscheiden“, drängte Emma. „Bald erscheint unsere nächste Ausgabe, und die Leser möchten Resultate sehen.“

„Die Hochzeit wird sensationell“, versicherte ihr Julia.

Nicht wenn du dich nicht endlich für eine Musik entscheidest, dachte Edie, und für den Ring. In vielen anderen Punkten war Julia sehr entgegenkommend gewesen. Die Torte, die sie bewilligt hatte, war ein Entwurf, den Edie sich ursprünglich für ihre eigene Hochzeit ausgedacht hatte. Das klassische Brautkleid war perfekt, die pinkfarbenen Rosen, für die sie sich entschieden hatte, würden mit Ketten aus lavendelfarbenen Glasperlen umwunden werden. Edie wünschte nur, die Hochzeit wäre nicht im April. Die Trauung und der Empfang fanden auf dem Anwesen der Dardens statt, und Edie hatte keine Ahnung, worauf sie sich einstellen sollte – auf einen Schneesturm oder auf Frühlingsregen.

Julia sog scharf den Atem ein, als sie die neuen Entwürfe für die Ringe sah. „Sieh mal, Lozo!“

Edie konnte immer noch nicht verstehen, warum Julia die ersten abgelehnt hatte. Bridget, ihre jüngste Schwester, die bei Tiffany’s arbeitete, hatte sich mit Feuereifer an die Arbeit gemacht. Ihr ursprüngliches Angebot hatte sogar Marley sehr beeindruckt, was schon etwas heißen wollte. Überzeugt, dass er Julia gefallen würde, hatte Bridget einen Ring mit einem würfelförmigen Stein aus Zirkon in Auftrag gegeben, den Julia dann aber abgelehnt hatte. Nun trug Bridget den Ring, was Edie unpassend fand. Es kam ihr vor, als hätte Bridget sich selbst einen Verlobungsring an den Finger gesteckt, um dem Heiratsfluch entgegenzuwirken.

„Das ist er!“, verkündete Julia.

Edie fand den Ring nicht so apart wie Bridgets ersten Entwurf, aber er war zweifellos sehr eindrucksvoll, ebenso wie Lorenzos Ring. „Die Diamanten sind von bester Qualität“, versicherte sie Julia. „Und sie werden bei Tiffany’s gefasst.“

Julia strahlte. „Wunderbar!“

„Oh“, warf Emma ein, „bevor ich es vergesse. Da ihr nachher bei Rate the Dates erwartet werdet, Edie, möchte ich, dass unsere Fotografen euch dort im Studio treffen. Okay?“

Edie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Wenige Tage nachdem sie den Auftrag der Dardens erhalten hatte, hatte die Chefredakteurin von Celebrity Weddings angerufen und sich die Exklusivrechte an der Hochzeit sichern wollen. Edie war sicher gewesen, dass die Dardens ablehnen würden, aber Sparky war entzückt gewesen. Er wollte eine ausführliche Dokumentation über Julias großen Tag in Auftrag geben. Bis dahin schön und gut. Aber dann hatte eins zum anderen geführt, und nun wollte man bei Celebrity Weddings, dass Edie und Cash Champagne an der Realityshow Rate the Dates teilnahmen.

Bei dieser Show wurden Paare, die sich noch nicht sehr lange kannten, bei verschiedenen Rendezvous gefilmt. Natürlich wurde alles vom Studio arrangiert. Das Studiopublikum und eine Jury stimmten dann über die Wahrscheinlichkeit ab, ob das jeweilige Paar zusammenbleiben würde oder nicht. Durch das öffentliche Interesse an Edies Liebesleben hoffte Celebrity Weddings, den Absatz der Ausgaben zu erhöhen, in denen über Julia und Lorenzo berichtet wurde. Edie hatte ursprünglich zugestimmt, weil sie gehofft hatte, dadurch neue Kunden zu gewinnen, dann hatte sie sich jedoch eines Besseren besonnen. Denn schließlich waren die Benning-Schwestern mit einem Heiratsfluch belegt, was bedeutete, dass ihr Auftritt in Rate the Dates ein totaler Reinfall werden musste. Und sie würde es sich nie verzeihen, wenn Julias Hochzeit durch ihre Schuld verdorben werden würde.

Außerdem konnte sie keine Ablenkung gebrauchen, während sie diese Hochzeit vorbereitete, was auch ein Grund war, sich nicht mehr mit Cash Champagne zu treffen.

„Emma“, sagte Edie fest. „Ich werde die ganze Sache abblasen. Wie du ja schon sagtest, hat Rate the Dates immer Ersatz bereit.“ Sie hielt es für besser, nichts von den enttäuschenden Küssen zwischen ihr und Cash zu erwähnen, und fügte hinzu: „Im Übrigen kennen Cash und ich uns erst seit einem Monat.“

„Das ist ja genau der Punkt!“, widersprach Emma. „Die Kandidaten lernen ihre Auserwählten kennen, während ganz Amerika ihnen dabei zusieht!“

Das fehlte Edie gerade noch, dass ganz Amerika ihre und Cashs quasi nicht vorhandene Leidenschaft füreinander im Fernsehen verfolgte! Zudem würde ein Misserfolg von ihren Schwestern als Beweis dafür betrachtet werden, dass sie tatsächlich alle verflucht waren und vermutlich niemals einen Mann finden würden. „Nein, ich kann es wirklich nicht, Emma.“ Ohne auch nur einen Gedanken an die beträchtliche Geldsumme zu verschwenden, die sie bei der Show gewinnen konnte, schloss sie entschieden: „Ich habe Marley auch schon gebeten, Cash Bescheid zu geben.“

Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie es ihm selbst hätte sagen können, aber der Mann war praktisch unerreichbar. Stirnrunzelnd blickte sie auf ihre Uhr und fragte sich, ob es Marley wohl gelungen war, ihn zu finden. Gleichzeitig fiel ihr auf, dass ihre Zwillingsschwester sich in diesem Fall ungewöhnlich hilfsbereit gezeigt hatte. Sie war geradezu wild entschlossen gewesen, ihr zu helfen, Cash zu finden.

Auf dem Weg zum Rockefeller Center warf Marley im Vorübergehen einen Blick auf ihr Spiegelbild im Schaufenster eines Kaufhauses. Sie war kaum wieder zu erkennen, denn sie trug eine hauchdünne Strumpfhose, die ihre Beine nicht vor dem schneidenden Wind schützen konnte, und spitze, schwarze Stöckelschuhe, die die Durchblutung in ihren Füßen hemmten und womöglich dazu führen würden, dass sich ihr Ischiasnerv verklemmte.

Ihr normalerweise lockiges Haar war glatt geföhnt, und da sie einen Pelzmantel trug, war sie in der U-Bahn von einem Tierschützer getriezt worden, der ihr nicht von der Seite gewichen war, um sie über das traurige und kummervolle Leben von Zuchtnerzen aufzuklären.

Schließlich hatte sie die Geduld verloren und diesem Tierschützer erklärt, dass der Mantel nicht einmal ihr eigener war und dass es auch kein Nerz war, sondern Biber. Und da ihre Schwester ihn gebraucht gekauft hatte, konnte man sie auch nicht für den Tod eines Tiers verantwortlich machen, oder doch zumindest nicht direkt.

Marley seufzte. Sie hoffte, sie würde ihrer Schwester helfen können. Sie musste Edie davor bewahren, den gleichen Fehler zu begehen wie sie selbst, als sie Chris Lang geheiratet hatte. Edie war viel zu romantisch, um zu durchschauen, dass Cash Champagnes Charme nur aufgesetzt war.

Sie war überzeugt davon, dass Cash nicht ohne Hintergedanken mit ihrer Schwester ausging. Cash Champagne. Das klang wie ein Name aus einer Broadwayshow, und der Mann schien auch keiner anständigen Beschäftigung nachzugehen, genau wie ihr Exmann Chris. Und abgesehen davon, fand sie ihn viel zu gut aussehend, als dass er seriös sein konnte. Er schien allerdings tatsächlich aus New Orleans zu stammen – sein Akzent ließ zumindest darauf schließen. Aber die Art und Weise, wie er im Leben der Bennings aufgetaucht war, fand Marley höchst verdächtig, weshalb sie froh über die Chance war, sich etwas gründlicher über ihn zu informieren, als Edie es anscheinend zu tun bereit war.

Während sie die Fifth Avenue überquerte, hielt Marley den Blick auf den Asphalt geheftet, um nicht mit Edies Stöckelschuhen in einem Belüftungsgitter der U-Bahn hängen zu bleiben. Nein, die arme Edie wollte es einfach nicht begreifen. Sie war eine unverbesserliche Romantikerin, die immer noch von einer perfekten Hochzeit träumte. Und das, obwohl sie wusste, dass ein Fluch auf ihnen lastete und es ihnen nicht bestimmt war, in der Liebe Glück zu haben.

Sie, Marley, hatte den Fehler begangen, zu heiraten. Sie hatte die alten Familiengeschichten nicht glauben wollen und ihre Liebe zu Chris Lang als Beweis dafür betrachtet, dass der Fluch nicht existierte. Erst vor einem Jahr, als sie die Scheidungspapiere unterschrieben hatte, hatte sie den Tatsachen ins Auge gesehen. Grandma Ginny hatte ihnen wohl doch keine Märchen erzählt, wie die Schwestern es manchmal gehofft hatten. Und solange der Fluch noch seine Wirkung tat, war es ihr und ihren Schwestern bestimmt, allein zu bleiben. Deshalb war sie froh, dass ihre Großmutter in dieser Woche aus Florida zu Besuch kam. Jetzt, wo sie den Heiratsfluch ein wenig ernster nahmen, konnte Ginny ihnen vielleicht sagen, was sie dagegen unternehmen konnten.

Wie die Dinge standen, war Cash Champagne vermutlich bloß ein weiterer Herzensbrecher, der Edie verletzen würde.

Die eisige Luft, die sie einatmete, machte Marley noch durstiger, als sie es von dem langen Fußweg sowieso schon war. Aber sie hatte keine Zeit, um irgendwo etwas zu trinken. Ohnehin erschien ein Martini ihr langsam verlockender als eine Flasche Wasser. Sie unterdrückte einen Seufzer. Warum trug Edie immer so kurze Röcke und so dünne Strümpfe? Ihre Schwester war so unpraktisch!

Vor einem Monat, als der gut aussehende Cash Champagne plötzlich in Edies Leben getreten war, hatte Edie dies als positives Zeichen betrachtet. Jedenfalls anfangs. Zugegeben, dachte Marley, er ist ein Traum von einem Mann. Groß, stark und muskulös, mit dunklen Augen, die immer ein wenig zugekniffen waren, als würde er in die Sonne blicken. Und er hatte immer ein abwesendes Lächeln auf seinen Lippen, als wollte er sagen, er habe alles schon gesehen und nichts könne ihn noch überraschen.

Als die drei Schwestern Cash vor einem Monat in einem Comedyclub im East Village begegnet waren, hatte auch sie, Marley, auf ihn reagiert. Natürlich nur auf einer rein sexuellen Ebene, wie sie sich versicherte. Tatsächlich war sie sogar sicher gewesen, dass es ihr Lächeln war, was ihn dazu veranlasst hatte, ihnen einen Drink bringen zu lassen und dann zu ihnen herüberzukommen. Aber seine leise, sexy Stimme hatte sie augenblicklich wieder zur Vernunft gebracht und sie an ihre Scheidung und alles, was sie im vergangenen Jahr mit ihrem Mann durchgemacht hatte, erinnert.

Glücklicherweise musste sie am Morgen darauf ein Fitnesstraining leiten, sodass es ihr nicht möglich war, lange in dem Club zu bleiben und seinem Charme womöglich doch noch zu verfallen. Sie blieb allerdings lange genug, um zu erkennen, dass er ziemlich fehl am Platz wirkte als einziger Mann unter lauter Frauen, die über die Ausführungen der Darstellerin über Haarausfall, Penisgröße und die merkwürdige Beziehung von Männern zu ihren elektronischen Geräten lachten.

Da Touristen normalerweise den versteckt liegenden kleinen Pub nicht entdeckten, konnte Marley sich nicht erklären, wie Cash dorthin gekommen war, vor allem, da er weder Interesse an Comedy noch an der Darstellerin erkennen ließ. Er schien auch niemanden in dem Pub zu kennen, und er trank auch keinen Alkohol, sondern nur Mineralwasser. Das kam ihr ebenfalls ein bisschen seltsam vor, denn er behauptete, als Barkeeper gearbeitet zu haben, bevor er seine eigenen Clubs eröffnet hatte. Marley war noch nie einem abstinenten Barkeeper begegnet.

Er hatte an den richtigen Stellen gelacht, aber der Ausdruck seiner Augen war unergründlich gewesen, und Marley hatte den Eindruck, als versuchte er zu entscheiden, welche Schwester er kennen lernen wollte, statt den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er etwas im Schilde führte.

Cash hatte sie als mögliche Kandidatin allerdings sehr schnell verworfen, daran erinnerte Marley sich nur zu gut. Kaum hatte sie gesagt, sie müsse gehen, hatte er seine Aufmerksamkeit Bridget zugewandt. Die Männer sahen Bridget stets zuerst an. Sie erregte immer Aufsehen. Ihre Kleidung war auffälliger, ihre Stimme lauter, was vermutlich darauf zurückzuführen war, dass sie sich als Kind oft ausgeschlossen gefühlt hatte neben den Zwillingsschwestern, die früher praktisch unzertrennlich gewesen waren. Aber Bridget hatte gerade mit einer Freundin telefoniert, worauf Cash sich Edie zugewandt hatte, die sichtlich beeindruckt war von seinem guten Aussehen.

Zu dem Zeitpunkt hatte sie, Marley, sich verabschiedet. Nun wusste sie leider nur das, was sie von ihrer nicht sehr mitteilsamen Schwester erfahren hatte. Edie hatte nicht viel mehr verraten, als dass Cash ein miserabler Küsser war. Im Gegensatz zu Edie hatte sie ihn mit seinem charmanten Lächeln, seinem lockigen schwarzen Haar und dem großspurigen Gehabe sofort als Frauenheld eingeschätzt. Genau die Art Männer, die eigentlich wissen müssten, wie man einer Frau das Gefühl gibt, begehrenswert zu sein.

Edie hatte herumlamentiert, weil es nicht zwischen ihnen funkte und dass sie aufhören sollte sich mit Cash zu treffen, doch gleichzeitig hatte sie Entschuldigungen für sein Verhalten gesucht.

Bridget und sie, Marley, waren sich dagegen einig, dass Männer, die aussahen wie Cash, normalerweise sehr viel Übung beim Küssen hatten. Deshalb rieten sie Edie, ihm den Laufpass zu geben.

Der Heiratsfluch war schuld an dieser Misere. Darüber waren sie sich einig. Und sie hatten spekuliert, ob Cash vielleicht nur so schlecht küsste, wenn er mit einer Benning zusammen war.

Während Marley durch die Drehtür die Eingangshalle betrat, warf sie einen Blick auf Edies Armbanduhr und seufzte. Es war Viertel vor sechs und damit später, als sie gedacht hatte. Aber wenigstens konnte sie so sicher sein, dass Cash bereits hier war.

Aber wo? Im Foyer wartete das Studiopublikum darauf, eingelassen zu werden. Marley ging an ihnen vorbei auf einen Aufzug zu und hielt sich an die Anweisungen, die Edie ihr gegeben hatte. Als eine Frau in einem grünen Hosenanzug sie nach ihrem Namen fragte, stellte sie sich als Edie Benning vor und registrierte erleichtert, wie die Frau ihren Namen auf einer Liste ausstrich.

„Ich rufe oben an und sage Bescheid, dass Sie endlich hier sind“, sagte sie.

Endlich? dachte Marley, als sie im Aufzug stand. Das hörte sich ja fast so an, als käme sie zu spät. Aber hatte Edie nicht gesagt, sie sollte gegen sechs Uhr hier sein, da um sieben die Show begann? Plötzlich wünschte Marley, sie hätte sich etwas genauer informiert. Hatte Cash es sich vielleicht schon anders überlegt? Edie hatte gesagt, der Sender halte stets Ersatz bereit, sodass es kein Problem gab, falls jemand im letzten Augenblick noch absagen sollte. Und Cash war sowieso nicht sehr erfreut über die Idee gewesen, in einer Show mitzumachen.

Aber wenn er nun doch aus irgendeinem Grund versuchen würde, sie dazu zu zwingen? Sollte sie ihm dann sagen, dass sie gar nicht Edie war? Marley geriet plötzlich in Panik. Hätte sie früher kommen sollen? Hatte Edie etwas falsch verstanden? An allem ist sowieso nur dieser Cash Champagne schuld, dachte Marley ärgerlich. Wenn er ans Telefon gegangen wäre, hätte Edie ihm persönlich absagen können.

„Sag ihm einfach nur, ich kann nicht kommen“, hatte Edie gesagt. „Es wird ihm nichts ausmachen. Ich habe ihn sowieso erst zu der Teilnahme überreden müssen. Er schien nicht mal an dem Preisgeld interessiert zu sein.“

„Interessiert es dich denn auch nicht?“ hatte Marley gefragt und daran gedacht, wie gut sie das Geld gebrauchen könnte, um ihren Fitnessclub wieder zu eröffnen.

Edie hatte gezögert. „Doch“, hatte sie schließlich eingeräumt. „Aber ich glaube nicht, dass ich an dieser Show teilnehmen sollte. Ich meine, es funkt ja doch nicht zwischen mir und Cash, wie ich euch ja schon sagte …“

Marley konnte verstehen, dass Edie sich trotzdem weiter mit ihm traf. Der Mann war schließlich ausgesprochen attraktiv. Aber wieso war er noch interessiert, wenn es nicht zwischen ihnen funkte? Als die Aufzugtüren sich öffneten und Marley auf einen überfüllten Korridor hinaustrat, blieb ihr keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, denn eine weitere Frau in einem grünen Hosenanzug fragte: „Sie sind …?“

„Mar… äh … Edie Benning.“

Während sie sich noch nach Cash umsah, schloss sich eine überraschend starke Hand um ihren Oberarm. Sie schaute auf und blickte in das Gesicht eines großen Manns mit dunklem Haar, der sich Trevor Milane nannte und der Moderator der Show war. Er sah Pierce Brosnan verblüffend ähnlich. Bevor sie sich ihm allerdings vorstellen konnte, sagte er: „Wo haben Sie gesteckt? Wissen Sie denn nicht, dass die Show live übertragen wird? Ach, egal, gehen Sie einfach in die Garderobe.“

Der Gang war so überfüllt, dass Marley sich kaum bewegen konnte. „Ich bin eigentlich nur gekommen, um abzusagen. Wo finde ich Cash Champagne?“

„Absagen?“, knurrte Trevor und zog Marley mit sich. „Vergiss es, Schätzchen. Wir senden live, und für Absagen haben wir jetzt keine Zeit mehr. Kandidat sechs ist endlich da“, brüllte er über den Gang.

Doppeltüren öffneten sich in das Studio, und Marley machte große Augen, als sie das unglaubliche Durcheinander hinter diesen Türen sah. Leute hasteten herum und schleppten alles Mögliche von einer Ecke in die andere; die Zuschauer, die Marley im Foyer gesehen hatte, wurden nun von noch mehr Frauen in grünen Hosenanzügen zu ihren Plätzen im Studio geführt.

Ganz in der Nähe sagte jemand: „Gut, dass sie wenigstens schon angezogen ist!“

Ein anderer stöhnte. „Das Rot wird mit dem Hintergrund verschmelzen.“

Gerade als Marley bewusst wurde, dass sie von ihrem Kostüm sprachen, sagte eine weitere körperlose Stimme: „In sechs Minuten gehen wir auf Sendung!“ Da ihr Mund noch immer wie ausgetrocknet war, wollte sie um ein Glas Wasser bitten, vergaß es aber, als sie eine weitere Stimme hörte, die sagte: „Trevor sagt, wir sollen die blauen Sessel nehmen, nicht die roten. Sonst sieht man sie nicht ordentlich.“

Marley griff nach dem ersten Arm, den sie erwischen konnte, und hielt ihn fest. „Hören Sie“, sagte sie nervös, „das klingt, als würde die Sendung gleich beginnen, aber ich bin nur hergekommen, um abzusagen. Sie … man sagte mir, Sie hätten auch noch andere Kandidaten. Ich sollte um sechs Uhr hier sein …“

„Genau. Und wieso waren Sie es dann nicht?“

Sie warf einen Blick auf Edies Uhr. „Das war ich doch. Ich meine, ich …“

„Noch fünf Minuten!“

„Es ist sieben Uhr, Mrs. Benning. Sie sind eine Stunde zu spät.“

Marley hielt sich die Uhr ans Ohr. Sie war stehen geblieben. In jäher Panik begann ihr Herz wild zu pochen. Sie konnte unmöglich in der Show auftreten. „Ich muss meinen … Partner suchen. Sein Name ist Cash Champagne!“

„Vier Minuten!“

Wie konnte die Zeit so schnell verfliegen? Während Marley entsetzt nach Luft schnappte, wurde ihr Edies Pelzmantel von den Schultern gerissen. „Bitte“, sagte sie, ihre Panik unterdrückend, „ich brauche diesen Mantel.“ Edie würde sie umbringen, falls er verloren gehen sollte.

Sie erhielt keine Antwort, aber jemand drückte ihr eine Flasche Wasser in die Hand. Die konnte sie jetzt gut gebrauchen. Kaum fühlte sie die kühle Flüssigkeit durch ihre Kehle rinnen, wurde ihr auch schon ein Clipboard unter die Nase gehalten. „Hier, Edie. Wenn Sie das bitte unterschreiben würden …“

Obwohl sie es unhöflich fand, Kandidaten für Wasser bezahlen zu lassen, unterschrieb sie rasch mit dem Namen ihrer Schwester. „Danke. Ich war sehr durstig.“

„Nehmen Sie auch das hier“, sagte wieder jemand anders und reichte ihr einen Müsliriegel.

Plötzlich griff eine Hand über ihre Schulter. „Klebeband“, ertönte eine Stimme hinter ihr. „Ich befestige es an Ihrer Bluse. Es wird das Mikrofon festhalten.“

„Das Mikrofon?“

„Wenigstens ist sie schon frisiert.“

„Dieser Rock ist aber zu kurz. Darin kann sie nicht auf Sendung gehen.“

„Ich gehe ja auch nicht auf Sendung“, sagte Marley, obwohl ihr allmählich klar wurde, wie sinnlos ihr Protest war.

„Drei Minuten!“, rief jemand.

„Ihr Rock ist wirklich zu kurz, also achten Sie darauf, dass Sie die Knie zusammenhalten.“

Der Gedanke, womöglich ganz Amerika ihren Slip zu zeigen, erfüllte Marley erneut mit Panik. Sie sah sich nach den Aufzugtüren um und überlegte, ob sie nicht einfach wegrennen sollte. „Wo ist Cash? Ich muss ihn sprechen.“

„Alle Paare wollen vor der Sendung reden“, sagte eine Frau beruhigend. „Aber in einer Minute werden Sie ihn auf der Bühne sehen.“

„Nein! Ich bin nur hier, um …“

Eine andere Frau trat vor sie, wickelte den Müsliriegel aus und schob ihn Marley einfach in den Mund. „So ist es brav“, sagte sie. „Den meisten Kandidaten hilft es, vor der Sendung eine Kleinigkeit zu essen. Und nun lächeln Sie und zeigen Sie mir Ihre Zähne.“

„Bitte“, flehte Marley. „Ich mache bei der Show nicht mit. Und nun möchte ich einen Ihrer Vorgesetzten sprechen, falls Sie nichts dagegen haben.“

Sie bekam keine Antwort, aber jemand trat hinter sie und fuhrwerkte mit einem Kamm in ihrem Haar herum, um sie dann mit einer Wolke Haarspray zu benebeln. Schlimmer noch, Marley spürte, wie jemand ihre Hand ergriff und mit der Bemerkung: „Das wird zwar nicht mehr trocknen, aber Sie können die Hände ja einfach auf den Schoß legen“ ihre künstlichen Nägel zu lackieren begann.

War die Frau verrückt? „Was gefällt Ihnen nicht an meinen Nägeln?“

„Die Farbe passt nicht zu Ihrem Kostüm. Und der Lack wird sie etwas natürlicher aussehen lassen.“

„Bitte“, sagte Marley. „Ersparen Sie mir den Lack.“ Sie hatte noch nie in ihrem Leben roten Nagellack getragen.

„Die anderen Frauen haben auch alle lackierte Nägel.“

Aber sie wollte doch gar nicht mit den anderen Frauen auf die Bühne gehen! Die Show wurde eine ganze Woche lang gesendet. Wenn sie jetzt daran teilnahm, würde sie auch bei den anderen Sendungen dabei sein müssen. Und sie war noch nicht mal Edie. Doch bevor sie etwas sagen konnte, begann eine Assistentin ihre Lippen mit etwas zu betupfen, das nach Erdbeeren roch.

„Zwei Minuten noch!“

Die Worte hallten durch Marleys Kopf. Sie kam sich wirklich und wahrhaftig vor wie Alice im Wunderland, nachdem sie durch den Spiegel getreten war, und wollte nur noch weg. Auf dem Gang wimmelte es immer noch von Menschen, und der Geruch all dieser Körper, ganz zu schweigen von der Mischung aus Parfums und After shaves, drehte Marley fast den Magen um. Ihr wurde schwindlig vor Verzweiflung, und ihre Brust fühlte sich vor Panik so eng an, dass sie kaum noch atmen konnte.

„Eine Minute!“

„Bring sie in das grüne Zimmer!“

„Bitte“, sagte Marley, als jemand sie von hinten schubste. „Lassen Sie mich mit Cash reden. Ich bin sicher, dass er auch nicht in der Show erscheinen will.“

„Machen Sie Witze?“, fragte die Frau mit dem Müsliriegel. „Er ist im blauen Zimmer, wo die Männer warten, und er hat sich schon mehrmals erkundigt, ob Sie endlich erschienen sind.“

Marley überlegte, ob sie sich den Weg hinaus notfalls erkämpfen sollte. Das wäre vermutlich kein Problem für sie. Sie trainierte jeden Tag und war kräftig und fit, und normalerweise hatte sie auch genügend Durchsetzungsvermögen. Aber egal, was sie auch tat, es würde auf jeden Fall ein schlechtes Bild auf ihre Schwester werfen, selbst wenn sie den Leuten vom Sender gestand, dass sie nicht Edie war.

Und so zwang sie sich, ruhig zu bleiben, als sich eine weitere Tür vor ihr öffnete. Ah, dachte sie, das grüne Zimmer. Zwei Frauen saßen schon dort – eine Dunkelhaarige mit einer üppigen Figur und eine dünne, braun gebrannte Blondine, die von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet war.

Marley erschrak, als sich die Tür hinter ihr schloss, und fragte sich, was sie jetzt tun sollte. „Sie haben Ersatzkandidaten“, sagte sie zu der einzigen Assistentin, die mit ihnen im Raum geblieben war.

Die Frau winkte nur ab. „Die sind gegangen, als Sie kamen.“

„Gegangen?“ Marley fühlte sich, als würde der Boden ihr unter den Füßen weggezogen. „Was ist, wenn eine Kandidatin vor der Sendung einen Herzanfall bekommt?“

„Sie bekommen schon keinen Herzanfall, Edie.“

Marley war sich vage bewusst, dass die Sendung mittlerweile begonnen hatte. Sie konnte zwar nichts hören, aber an einer Wand war ein kleiner Monitor befestigt. Auf dem Bildschirm sah sie Trevor Milane, der das Studiopublikum begrüßte.

„Dreißig Sekunden!“

Und dann sah sie, wie von der Bühne aus die grüne Tür zu ihrem Raum geöffnet wurde. Die Zuschauer im Studio pfiffen und johlten, klatschten in die Hände und stampften mit den Füßen. Marley spürte, wie sie weiche Knie bekam. Eine der vielen Anweisungen, die sie soeben gehört hatte, schoss ihr durch den Kopf. Tun Sie einfach, was die anderen tun, hatte jemand zu ihr gesagt. Da sie wusste, dass ihr keine andere Wahl blieb, schaffte sie es irgendwie, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

„Willkommen bei Rate the Dates“, sagte Trevor Milane, als sie und die anderen Frauen die Bühne betraten. Er sah sehr gut aus. Ein Lächeln und ein Designer-Jackett verwandelten den barschen Mann, den sie auf dem Korridor getroffen hatte, in Mr. Charming, einen der beliebtesten Realityshow-Moderatoren. Nun strahlte er eine hübsche Blondine neben sich an und sagte: „Und nun, wo die Damen Platz genommen haben, werden wir auch die Herren hereinbitten.“

Einen flüchtigen Moment kam es Marley so vor, als würde die Welt aufhören, sich zu drehen. Dann war der Moment vorbei, und die Geräusche im Studio erschienen ihr beinahe unerträglich laut. Und es kam ihr alles viel heller vor, zu grell und geradezu surrealistisch. Als sie sich auf einem großen Bildschirm an der Wand hinter dem Moderator entdeckte, schlug ihr Herz noch schneller. Sie sah tatsächlich aus wie Edie!

Marley musste einen neuerlichen Anfall von Panik unterdrücken, als die Männer näher kamen. Ihr war schwindlig, und sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Sie hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Ihr Herzschlag schien kurzzeitig auszusetzen, ihre Kehle war wieder wie ausgedörrt. Und dann war es, als neigte sich das Studio zur Seite. Sekundenlang war Marley sicher, das Bewusstsein zu verlieren. Sie riss sich zusammen und atmete tief ein. Cash blieb vor ihr stehen und ließ lächelnd seinen Blick über sie gleiten, als spielte er bereits für die Kamera.

Es war ein denkbar schlechter Augenblick, sich daran zu erinnern, wie er sie in dem Comedyclub angeschaut hatte. Oder in Edies Geschäft, als sie sich dort erneut begegnet waren und er ihr sogar angeboten hatte, sie in seinem Wagen mitzunehmen, was sie natürlich abgelehnt hatte. Damals hatte Edie sie gerade gebeten gehabt, sich neue Trikots für das Training mit Julia Darden zu besorgen, und sie hatte eins dieser winzigen Tops und eine sehr eng anliegende Stretchhose getragen, als sie Cash zum letzten Mal gesehen hatte.

Aber daran konnte er unmöglich denken, denn schließlich glaubte er ja, sie sei Edie. Als er sich neben sie setzte und sein Arm sie streifte, erschauerte sie, und eine heiße Röte stieg in ihre Wangen, die sich sogar noch vertiefte, als er ihre Hand nahm und seine Finger mit ihren verschränkte.

Die Berührung nahm ihre Aufmerksamkeit so gefangen, dass sie zu spät an den noch feuchten Lack auf ihren Fingernägeln dachte. Bevor sie sich überzeugen konnte, dass sie in Ordnung waren, beugte Cash sich zu ihr und murmelte mit seiner tiefen Stimme: „Hallo, Edie-Schätzchen.“

Edie-Schätzchen? War die Beziehung ihrer Schwester mit Cash bereits so weit fortgeschritten, dass sie Kosenamen füreinander hatten? Oder spielte er nur für die Kamera? Wie auch immer, sein warmer Atem löste jedenfalls ein wohliges Erschauern in ihr aus. Obwohl Trevor bereits begonnen hatte, die anderen Paare zu interviewen, gelang es ihr nicht, sich zu konzentrieren. Cash war noch attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. So groß und kräftig, dass er vermutlich mühelos ihr zweifaches Gewicht im Fitnessstudio stemmen könnte.

Marley rief sich in Erinnerung, dass er zu Edie gehörte und dass sie ihm ja eigentlich misstraute.

„Und Sie sind also die Glückliche, die die bevorstehende Hochzeit des Hockeystars Lorenzo Santini und der Hotelerbin Julia Darden plant. Das ist doch richtig, Edie?“

Marley wurde blass. Was, wenn das Meeting mit den Dardens schon vorüber war und Edie sich die Show ansah?

„Wie Sie bereits erwähnten, Trevor“, antwortete sie und hoffte, dass niemand das Zittern ihrer Stimme bemerkte, „bin ich Hochzeitsplanerin.“ Na also. Sie hatte zu Tausenden, ja vielleicht sogar Millionen von Zuschauern gesprochen. Erstaunlich. Sie fühlte sich plötzlich geradezu elektrisiert. Aber vielleicht lag es ja auch daran, dass Cash Champagne begonnen hatte, ihre Hand zu streicheln, als sei er wild entschlossen, dem Publikum zu zeigen, was für ein heißes Paar sie waren.

Sie fand es allerdings sehr ärgerlich, dass ihre Hand in Cashs zu schwitzen begonnen hatte, während seine trocken war. Er wirkte so gelassen, als träte er jeden Tag in einer Liveshow auf. „Ich möchte auch etwas zu meiner Schwester sagen“, fügte Marley rasch hinzu. Vielleicht konnte ja auch sie hier neue Kunden gewinnen. „Ihr Name ist Marley … und sie ist Julia Dardens persönliche Fitnesstrainerin.“

Sie wusste, dass Edie sie nun auf jeden Fall umbringen würde. Es war schon schlimm genug, sich für ihre Zwillingsschwester auszugeben, aber nun machte sie auch noch für sich selber Werbung!

„Wie reizend von Ihnen, Ihre Schwester zu erwähnen!“, rief Trevor. „Sie haben damit die Art von Selbstlosigkeit bewiesen, die Kandidaten bei unseren Zuschauern so beliebt macht.“

Von einem leisen Schuldbewusstsein beschlichen, riskierte Marley einen Blick zu Cash und sagte: „Ach, wissen Sie, Trevor … ich bin mir eigentlich gar nicht sicher, dass Cash und ich an dieser Show teilnehmen sollten.“

Trevor lachte nur. Ein weiterer rascher Blick zu Cash verriet ihr, dass er mit der Situation gut fertig wurde. Sobald sie draußen waren, würde sie ihm alles erklären.

„Wir haben hier eine Frau, die kalte Füße bekommen hat“, bemerkte Trevor lächelnd in die Kamera. „Und was hat unser Studiopublikum dazu zu sagen?“

Tuten und Hupen erklang, als die Zuschauer auf die Tasten an den Armlehnen ihrer Sessel drückten. Ein Gong ertönte. Dann sagte Trevor: „Na also, Edie! Sie und Ihr Freund wurden soeben zu unserem chancenlosesten Paar erklärt! Sollten Sie gewinnen, verdoppelt sich Ihr Preis. Das würde bedeuten, einhunderttausend Dollar für Sie und Cash!“

Marley hätte vor Erstaunen fast nach Luft geschnappt. Edie hatte zwar von einem Geldpreis gesprochen, aber dass er so hoch sein würde, damit hatte Marley nicht gerechnet. Ihr erster Gedanke war, dass sie mit so viel Geld Räume für ihren neuen Fitnessclub mieten könnte. Ihr zweiter war, dass sie eine Woche voller traumhafter Rendezvous mit Cash nicht überleben würde, jedenfalls nicht, ohne Sex mit ihm zu haben.

Was denkst du dir eigentlich? rief sie sich zur Ordnung. Sie musste raus aus dieser Show. Es war gar nicht auszudenken, wie Edie reagieren würde.

„Nein, wirklich“, protestierte Marley, „ich habe es mir anders überlegt. Ich weiß, das ist ungewöhnlich, aber es wäre schön, wenn Sie die Ersatzkandidaten zurückholen könnten. Jeder hinter den Kulissen wird Ihnen bestätigen, dass ich versucht habe abzusagen. Ich …“

„Was sagt das Publikum?“, rief Trevor.

Die Zuschauer drückten wieder auf ihre Tasten. Ein weiterer Gong ertönte, und Trevor schrie: „Doppelt chancenlos! Sie sind doppelte Verlierer. Sie sagen, Sie wollen keine traumhaften Rendezvous mit diesem Mann? Sie verkaufen sich nicht gut. Wenn die beiden gewinnen, liegt der Preis jetzt bei zweihunderttausend Dollar für Cash und Edie!“

Marleys Entschlossenheit ließ deutlich nach. „Das ist eine Menge Geld, Trevor, aber ich glaube nicht …“

„Cash“, unterbrach Trevor sie. „Sie sind ein Gentleman aus dem Süden. Können Sie Ihrer Freundin klarmachen, dass sie Ihnen helfen muss, dieses Vermögen zu gewinnen?“

Marleys Herz setzte einen Schlag lang aus, als Cash der Kamera nun ein umwerfendes Lächeln schenkte. Er war absolut hinreißend mit seiner gebräunten Haut, dem schwarzen Haar und den dunklen Augen. Seine Blicke schienen zu verheißen, dass er ein wunderbarer Liebhaber sein konnte, selbst wenn Edie behauptete, dies sei nichts als die Vorspiegelung falscher Tatsachen.

„Ach, Trevor“, sagte Cash gedehnt. „Ich kann ungemein überzeugend sein bei den Damen.“

Überzeugend? Oh nein! Er meint doch wohl nicht … Entsetzt sah Marley zu, als Cash, der abgetragene Jeans, Westernstiefel und ein braunes Sportjackett trug, sich langsam aus seinem Sessel erhob. Dann wandte er der Kamera den Rücken zu, legte seine braun gebrannten Hände auf die Armlehnen ihres Sessels und beugte sich bis auf Augenhöhe zu ihr herab.

Langsam senkte er den Kopf noch etwas tiefer, und Marley stockte der Atem. Dann beugte er sich noch weiter vor und küsste sie! Vor den Augen ganz Amerikas, dachte Marley noch – und dann wurde ihr für die Dauer eines Herzschlags schwarz vor Augen.

Nervös versuchte sie sich zu erinnern, was geschehen war. Vielleicht war sie ohnmächtig geworden. Ihr war schwindlig, und obwohl ihre Augen geschlossen waren, erschien ihr das Licht so gleißend hell wie unter der heißen Sonne in der Wüste. Vage hoffte sie, dass Edie sich die Show nicht ansah. Andererseits konnte sie förmlich Edies Telefon klingeln hören und die aufgeregte Stimme ihrer Mutter, die zeterte: „Ich weiß, dass du nicht da bist, Edie. Ich wollte dir nur sagen, dass Daddy und ich dich gerade im Fernsehen sehen! Du hast gesagt, es funkt nicht zwischen dir und deinem neuen Freund, aber das ist nicht das, was ich gerade sehe!“

Eine wohlige Hitze durchflutete Marley, und sie war nur froh, dass niemand sehen konnte, wie sich ihre Zehen in Edies engen Stöckelschuhen krümmten.

Als Cash zurücktrat, sah das Studiopublikum ihre verblüffte Miene und kreischte vor Entzücken, und dann sagte Trevor: „Tja, meine Damen und Herren, es sieht ganz so aus, als hätte Edie sich nun doch entschlossen, an unserer Sendung teilzunehmen!“

2. KAPITEL

An der Show teilnehmen? Nach diesem Kuss? Auf keinen Fall, dachte Marley und riss das Mikrofon vom Revers ihres Kostüms, sobald sie nicht mehr auf Sendung waren. Nach all dem Wasser, das sie getrunken hatte, musste sie nun unbedingt eine Toilette finden.

Während sie aufstand, zog sie ihren viel zu kurzen Rock herunter und hoffte nur, dass sie während der Show die Knie zusammengehalten hatte. Jeden Blickkontakt vermeidend, schob sie sich an Cash vorbei und strebte auf die Tür zum Gang zu, durch die Trevor Milane gerade verschwunden war.

Marley wünschte, sie könnte die Erinnerung an die vergangene Stunde einfach aus ihrem Bewusstsein streichen. Sie nahm sich vor, das Prickeln auf ihren Lippen und all die anderen Empfindungen, die Cashs Kuss in ihr hervorgerufen hatte, zu ignorieren. Vor allem dieses Verlustgefühl, das sie verspürte, seit seine Lippen nicht mehr ihre berührten, oder dieses seltsame Gefühl der Schwerelosigkeit, von dem sie angenommen hatte, dass sie es nie wieder erleben würde.

Das letzte Mal, als sie ähnlich empfunden hatte, hatte ihr Exmann sich morgens, als sie zur Arbeit ging, mit einem Kuss von ihr verabschiedet. Elf Stunden später fand sie seinen Abschiedsbrief auf dem Küchentisch, in dem er ihr für immer Lebewohl sagte. Er hatte ihr Konto bis auf den letzten Cent abgeräumt und war nach Key West gefahren, um sich seinen Traum von einem Leben auf einem Hausboot zu erfüllen. Einen Traum, den er vergessen hatte, ihr gegenüber zu erwähnen.

Während Marley Trevor nacheilte, sagte sie sich, dass die Empfindungen, die Cash in ihr weckte, eine rein körperliche Reaktion auf männliche Reize waren. Natürlich hatte es sie heiß durchrieselt, als seine Lippen ihren Mund berührt hatten. Eine angenehme Schwere hatte sich in ihren Gliedern ausgebreitet, und durch ihre Brüste war ein fast schmerzhaftes Ziehen gegangen. Aber das hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Neujahr hatte sie den Männern abgeschworen, doch wenn ein Mann gewisse Dinge tat, reagierten gesunde Frauen darauf nun mal entsprechend. Marley befühlte ihre Oberlippe und wünschte, Schweißausbrüche würden nicht zu diesen Reaktionen gehören.

Ich bin erwachsen, sagte sie sich. Die Scheidung hat mich härter und erfahrener gemacht. Die Küsse eines Mannes konnten zwar ihren Körper durcheinander bringen, aber nicht ihren Verstand. Nie wieder würde sie ihr Urteilsvermögen von körperlichen Empfindungen beeinträchtigen lassen. Allerdings hatte sie zugestimmt, in der Show zu bleiben, nachdem Cash sie geküsst hatte. Für die Zuschauer mochte es so ausgesehen haben, als hätte er sie mit diesem albernen Kuss umgestimmt, aber sie wusste, dass dem nicht so war.

Sie hätte Cash mühelos in den Schwitzkasten nehmen oder ihm ihr Knie zwischen die Beine stoßen können. Sie traute ihm ganz und gar nicht. Er war zu attraktiv, zu oberflächlich und zu clever, um es mit einer Frau wie ihr oder Edie ernst zu meinen. Mit seinen hohen Wangenknochen, dem dichten schwarzen Haar und der geraden Nase sah er wie ein Model aus.

Er war absolut nicht ihr Typ, und er war der Freund ihrer Schwester. Na ja, Freund war vielleicht etwas übertrieben. Marley misstraute den Motiven dieses Mannes. Sie konnte es sich nicht genau erklären, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass Cashs Gründe, mit Edie auszugehen, nichts mit Liebe zu tun hatten.

Marley stieß die Tür auf und stöckelte auf unsicheren Beinen durch den langen Gang, auf dem sie vor der Show gewartet hatte. Sie würde in Edies Schuhen nie richtig laufen können, obwohl sie völlig gesunde Füße hatte. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung war Snowboarden, und mit ihren Inlineskates jagte sie schneller als der Stadtverkehr den West Side Highway hinab. Aber jetzt zitterten ihr die Knie.

Sie hielt nach Trevor Ausschau, doch bedauerlicherweise waren die meisten der Bürotüren geschlossen. Sie musste unbedingt mit ihm reden. Er würde wissen, was zu tun war. Sie musste raus aus dieser Show. Es gab keine andere Möglichkeit nach diesem Kuss.

Ihre Kehle wurde eng, als sie an Cash dachte, und vage fragte sie sich, ob sie tatsächlich schon ein Jahr keinen Sex mehr gehabt hatte. Sein Kuss hatte eine versengende Hitze in ihr entfacht, für die ihr Körper eine Menge Kalorien verbrannt haben musste. Selbst jetzt noch konnte sie seinen sauberen männlichen Duft spüren.

Sie fragte sich, wer dieser Mann eigentlich war. Er hatte bisher kaum sexuelles Interesse an Edie gezeigt, was Marley unnatürlich erschien und sie misstrauisch machte. Ihrer Meinung nach brauchten Männer Sex wie die Luft zum Atmen, und deshalb war Cashs Zurückhaltung ihrer Schwester gegenüber höchst verdächtig. Außerdem lebte er auch nicht in New York. Er hatte behauptet, aus New Orleans zu sein und einem Freund bei der Eröffnung eines Nachtclubs zu helfen, aber sie war überzeugt, dass die ganze Geschichte keiner genaueren Prüfung standhalten würde. Vielleicht sollte sie tatsächlich Detektiv spielen.

Plötzlich umschloss eine kräftige Hand ihren Oberarm. „Autsch!“, rief Marley aus. „Lass mich los, Cash!“

„Woher weißt du, dass ich es bin?“

Sie hatte seinen Duft wahrgenommen und seine Anwesenheit instinktiv gespürt, doch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden. Sie wagte es nicht, sich zu ihm umzudrehen und ihn anzusehen. Edie hatte behauptet, seine Küsse seien langweilig, doch sie, Marley, war noch nie einem aufregenderen Mann begegnet. Wütend entzog sie ihm ihren Arm und fuhr zu ihm herum. „Ich habe schon immer gewusst, dass die Gerüchte über Südstaatler wahr sind!“, fuhr sie ihn an.

Er lachte. „Welche? Dass unsere Küsse alles in den Schatten stellen?“

„Nein, das Gerücht, dass ihr glaubt, immer euren Willen bei Frauen zu kriegen. Du hast eine ziemlich hohe Meinung von dir.“

„Und dabei habe ich noch nicht einmal angefangen, von mir zu sprechen.“ Cashs dunkle Augen funkelten vor Belustigung. „Ich sprach nur von meinen Küssen.“

„Die auf Yankeeterritorium vielleicht gar nicht so viel Anklang finden“, gab Marley in ihrem besten Südstaatenakzent zurück und klimperte mit den Wimpern.

Sie entdeckte Trevors Büro und erinnerte sich daran, dass sie nun bald von ihrer Verpflichtung, an der Show teilzunehmen, erlöst sein würde. „Hör mal, Cash. Es ist nicht so, wie du denkst.“

„Nein?“

Marley schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht Edie.“

Sie hätte fast gelächelt, als sie sah, wie verwirrt er war. Endlich. Mit einem Gefühl der Genugtuung beobachtete sie, wie seine ruhige, gelassene Haltung sich veränderte. Nun war sie froh, dass sie Edies hochhackige Schuhe trug. Denn so war sie groß genug, um ihm in die Augen sehen zu können.

Als die Sekunden verstrichen, wurde ihr allerdings etwas unbehaglicher zu Mute. Nur allzu deutlich war sie sich der Blicke der Leute bewusst, die auf den Gang hinausströmten. Sie bemerkte ihre eigene Atemlosigkeit. Auch andere Dinge wurden ihr bewusst, die sie lieber ignoriert hätte, wie Cashs abgetragene Jeans zum Beispiel, die sich um seine schmalen Hüften schmiegte und ihren Blick auf die unmissverständliche Ausbuchtung unter seinem Reißverschluss lenkte. Die anderen männlichen Kandidaten trugen Anzüge. Cash hatte sich seine geliebte Jeans anscheinend nicht nehmen lassen. Marley sah sich um. Wo waren die anderen Kandidaten? Hatten sie das Studio schon durch eine andere Tür verlassen? Und warum sagte Cash nichts?

„Du bist nicht Edie?“, fragte er schließlich.

Sie hasste es, ihn zu enttäuschen. Mit einem Anflug von Schuldbewusstsein sagte sie: „Ich weiß, dass ich heute Abend so wie sie aussehe. Ich meine, mit den glatten Haaren und dem Make-up. Aber …“ Plötzlich bekam sie wieder einen trockenen Mund. Er war unwahrscheinlich attraktiv. Mühsam wiederholte sie: „Ich bin nicht Edie.“

„Was du nicht sagst, Marley.“

Ihr Herz schlug schneller. „Du wusstest es?“

„Natürlich.“

Marley sah ihn aus schmalen Augen an. „Wieso sahst du dann eben so überrascht aus?“

„Na ja, ich dachte, du wüsstest, dass ich wusste, dass du nicht …“

Wann war es ihm bewusst geworden? Sie musste einfach fragen. „Wann hast du es gemerkt? Vor oder nach dem … du weißt schon.“

Cash rieb sich das Kinn und runzelte die Stirn. „Ich habe es die ganze Zeit vermutet. Aber bis du mich geküsst hast, war ich mir nicht sicher. Sagen wir einfach so, du küsst anders.“

„Zu viel Erfahrung“, sagte Marley, um ihn nicht zu weiteren Bemerkungen über die Kussgewohnheiten ihrer Schwester zu ermutigen.

„Zu viel Erfahrung? Du oder ich?“

„Du natürlich! Ich habe dich nicht geküsst. Du hast mich geküsst.“ Als wäre das ein großer Unterschied. Wie konnten Männer nur so selbstgefällig sein? Marley verallgemeinerte nicht gern, aber es war nicht nur Cash, der sich zu wichtig nahm. Viele Männer überschätzten ihr Geschick in der Liebe. Und sie nahm an, sie war nicht die erste Frau, die das bemerkte. „Ich habe nichts getan“, erklärte sie und hoffte, dass er sie verstand. „Ich habe nur in fassungslosem Schweigen dagesessen.“

„Ach ja?“, erwiderte er mit großen Augen.

Warum sah er aus, als glaubte er ihr nicht? „Vorhin …“ Marley deutete mit dem Daumen auf das Studio. „Als du mich geküsst hast“, fuhr sie fort, „fiel mir fast die Kinnlade herunter, so schockiert war ich. Vielleicht hast du mehr darin gesehen, als da wirklich war, Cash.“

„Vielleicht“, sagte er und schürzte nachdenklich die Lippen, „und da ich normalerweise auf diese Dinge achte, Marley, muss ich mich wohl bei dir entschuldigen. Ich weiß nicht, was mich mehr verwirrt hat – wie du mir die Arme um den Nacken geschlungen hast oder mit welchem Eifer du den Kuss erwidert hast.“

Erwidert? Hatte sie den Kuss erwidert? Ihm die Arme um den Nacken gelegt? Einen Moment schloss Marley die Augen und versuchte vergeblich, sich daran zu erinnern. Er musste sich irren. Sie müsste es doch wissen, wenn sie seinen Kuss erwidert hätte.

„Hör mal“, begann sie diplomatisch. „Einigen wir uns doch einfach darauf, dass wir in diesem Punkt nicht einer Meinung sind. Anscheinend haben wir jeder unsere eigene Version.“

Bevor er widersprechen konnte, fuhr sie hastig fort: „Und mein Auftritt in der Show war nicht beabsichtigt. Edie hat nichts damit zu tun. Sie weiß es nicht einmal. Sie bat mich herzukommen, aber nicht, um mit dir in dieser Realityshow aufzutreten. Ich meine, es ist ja schließlich nicht so, als würden wir die Rollen tauschen, wie wir es früher manchmal taten, als wir Kinder waren.“ Auf seinen erwartungsvollen Blick hin fügte sie hinzu: „Aber das ist eine lange Geschichte.“

„Ich habe die ganze Nacht Zeit.“

„Aber ich nicht“, versicherte sie ihm rasch.

„Falls du es eilig hast, ich bin ganz Ohr.“

Marley, die immer noch zu ignorieren versuchte, dass sie sich geküsst hatten, atmete tief ein. „Edie hat den ganzen Tag versucht, dich anzurufen.“ Sie bemühte sich, nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen, aber wenn Cash erreichbar gewesen wäre, wäre nichts von all dem je geschehen. „Sie konnte dich aber nicht erreichen, und so bat sie mich, dir auszurichten, dass sie es sich anders überlegt hat und nicht kommen würde.

Ich habe versucht, dich im Hotel und über dein Handy zu erreichen, aber es ist niemand rangegangen, und so kam ich schließlich her, um dir eine Nachricht zu hinterlassen. Aber eins führte zum anderen“, erklärte sie. „Bevor ich es verhindern konnte, schoben mich die Studioangestellten in den grünen Raum.“

„Obwohl du ihnen gesagt hattest, du wolltest nicht an der Show teilnehmen?“

Sie nickte. „Ich habe versucht, sie daran zu hindern, mich zu schminken …“

Er sah sie an, als bemerkte er erst jetzt den Lidschatten. „Das ist verständlich.“

„… und meine Nägel zu lackieren. Sie scheinen zu glauben, je mehr Farbe, desto besser.“ Sie unterbrach sich, um ihn aufmerksam zu mustern. „Aber offenbar gilt das nur für Frauen, und die Männer werden verschont.“

Cash verzog keine Miene. „Gefallen dir meine geföhnten Haare nicht?“

„Du durftest sogar Jeans tragen.“

„Sie sagten, ich hätte die Ausstrahlung eines Cowboys.“

„Eines Cowboys?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wegen der Stiefel.“

„Das Einzige, was sie an mir mochten, war Edies Frisur.“ Plötzlich fiel ihr auf, dass Cash ihr direkt in die Augen blickte. Er hatte wunderschöne Augen. Wie kam es nur, dass Edie auf diesen Mann nicht reagierte? Obwohl es nur so von Menschen auf dem Gang wimmelte, hatte Marley plötzlich das Gefühl, mit Cash allein zu sein.

„Du gefällst mir besser in Trainingshosen.“

Marley wünschte, er hätte das nicht gesagt. „Du magst Trainingshosen?“

„Nicht so sehr wie die sexy kleinen Oberteile, die dazugehören.“

„Hm.“ Und das war der Mann, von dem Edie sagte, es mangele ihm an männlichen Hormonen? „Nun, du wirst vermutlich schon bemerkt haben, dass ich … nun ja … nicht gerade sehr kontaktfreudig bin.“

„Du bist ruppig“, stimmte er ihr mit einem sexy Lächeln zu, das zu besagen schien, dass es ihm absolut nichts ausmachte. „Du warst sogar richtig unhöflich an dem Tag, als ich dir anbot, dich in meinem Wagen mitzunehmen.“

„Das war nichts Persönliches“, versicherte sie ihm.

„Wie kann Unhöflichkeit nicht persönlich sein?“

„Ich versuchte nur, entmutigend zu sein“, berichtigte sie ihn. „Nicht unhöflich.“ Sie wünschte, er würde sie nicht so ansehen, mit Blicken, die heiß genug waren, um Gletscher zum Schmelzen zu bringen.

„Edie will also nicht mehr an der Show teilnehmen?“ Er wirkte aufrichtig enttäuscht.

„Tut mir leid, aber auch das ist nichts Persönliches. Sie hat es sich nur anders überlegt. Ich glaube, sie hat sich an den Heiratsfluch erinnert, der auf uns lastet, und einfach nur Angst bekommen. Du hast doch sicher schon von unserem Familienfluch gehört?“

„Nicht viel. Vielleicht kannst du mir ja mehr erzählen.“

Nicht in diesem Leben. „Im Augenblick haben wir Wichtigeres zu tun, nicht wahr? Ich denke, wir können das hier regeln. Trevor Milane wird wissen, was zu tun ist. Ich war gerade auf dem Weg zu ihm.“ Sie schenkte Cash ein falsches Lächeln, weil sie zu einem aufrichtigen gar nicht in der Lage war, solange sie seinen verführerischen männlichen Duft einatmete und er ihr so nahe war. „Warum kommst du nicht mit?“

Um die Qual nicht unnötig in die Länge zu ziehen, drehte sie sich auf dem Absatz um, ging den Gang hinunter und war gar nicht überrascht, Cash dicht hinter sich zu spüren. „Mr. Milane“, sagte sie, als sie Trevors Büro erreichte.

Milane blickte von seinem Schreibtisch auf. „Ja?“

Marley fühlte sich wie elektrisiert, als Cashs Oberkörper plötzlich ihren Rücken streifte. „Ich kann unmöglich an der Sendung teilnehmen. Seit ich hier bin, habe ich versucht, das zu erklären. Mit wem kann ich darüber reden?“

„Natürlich sind Sie in der Show“, versuchte Trevor sie zu beruhigen, während er sich erhob und um seinen Schreibtisch herumkam. „Ich weiß, dass Sie nervös sind. Aber unser Personal weiß, wie man den Kandidaten das Lampenfieber nimmt.“

„Ich habe kein Lampenfieber“, gab Marley leicht verstimmt zur Antwort.

„Es wird schon alles klappen, Edie“, versicherte ihr Trevor.

„Ach ja?“, entgegnete sie ärgerlich. Allein schon mit dem Namen ihrer Schwester angesprochen zu werden machte sie verrückt. Und obwohl es noch nicht mal Ende Januar war, brachte ein Mann ihre guten Vorsätze fürs neue Jahr, nie wieder Sex zu haben, ins Schwanken. Sie wollte als Single leben, ihr Geschäft wieder aufbauen, ihr eigenes Geld verdienen und reisen. Kein Mann durfte je wieder die Früchte ihrer Arbeit ruinieren.

„Sie werden gleich den Kameramann kennen lernen, der Ihre Rendezvous auf Video aufzeichnen wird“, fuhr Trevor fort. „Er heißt Vinny Marcel. Sobald er hier ist, werden wir beginnen.“

„Glauben Sie mir, es ist nicht so, wie es aussieht“, begann Marley noch einmal.

„Nein“, stimmte Trevor ihr mit einem dünnen Lächeln zu. „Das ist es nicht.“ Dann nahm er aus einer Schreibtischschublade ein Dokument. „Sie haben das hier unterschrieben?“

„Ja … ich dachte, es sei für das Wasser“, sagte sie. „So wie man in einem Hotel für Speisen und Getränke abzeichnet.“

„Sie sind hier beim NBC. Glauben Sie wirklich, wir ließen unsere Kandidaten ihr Wasser selbst bezahlen?“

Sie hatte es schon etwas unhöflich gefunden. „Ich war mir nicht sicher.“

„Nun, ich versichere Ihnen, das tun wir nicht.“

„Oh. Das ist doch kein Vertrag, oder?“

Als er nickte, fiel Marleys Blick auf die punktierte Linie, auf der sie mit Edies Namen unterschrieben hatte. „Aber ich wusste doch nicht, was es war …“ Gab es denn kein Gesetz, das Menschen schützte, die unter Zwang rechtsgültige Dokumente unterschrieben?

„Dann wissen Sie es jetzt, Edie“, sagte Trevor knapp.

Und ausgerechnet in diesem denkbar ungünstigen Moment erschien ein bärtiger Mann mit einer Videokamera in der Tür. „Cash und Edie“, sagte er. „Sind wir aufnahmebereit?“

„Aufnahmebereit?“, flüsterte Marley. In was für eine Hölle war sie nur geraten? Sollte sie wirklich eine ganze Woche lang beim Turteln mit diesem unglaublich gut aussehenden Südstaatler gefilmt werden?

Sie war richtig dankbar, als sie Cashs Hand auf ihrem Rücken spürte. Er übte zwar nur einen sanften Druck aus, doch die Berührung löste ein wohliges Erschauern in ihr aus. Und dann streiften seine Lippen ihr Ohr, und er flüsterte ihr so leise, dass nur sie es hören konnte, zu: „Mein Wagen steht im Parkhaus unten. Was meinst du? Wir könnten uns für einen Moment entschuldigen, um die Toilette aufzusuchen – und uns dann einfach aus dem Staub machen.“

Sein Vorschlag erinnerte sie daran, dass sie tatsächlich eine Toilette finden musste. „Okay“, flüsterte sie, aber im selben Augenblick durchflutete sie Panik. Es dauerte einen Moment, bis sie den Anlass dieser neuen Furcht erkannte: Wider alle Vernunft begann sie diesen Mann zu mögen.

3. KAPITEL

Marleys Einzimmerapartment war ein großer, heller Raum mit Ausblick auf den Hudson River und die Brooklyn Promenade. Cash sah sich neugierig um, während er seinen Mantel auszog, und wünschte, er würde sich nicht ganz so sehr für Marleys Lebensstil interessieren. Er hatte aus bestimmten Gründen mit einer der Benning-Schwestern ausgehen wollen, doch dass er sich tatsächlich für eine der drei Frauen interessieren würde, war nicht beabsichtigt gewesen.

„Du wirst mich einen Moment entschuldigen müssen, ich möchte mich nur rasch umziehen“, sagte Marley. Als sie daraufhin eine Trainingshose und ein Sweatshirt aus einer Kommode nahm, das leider sehr viel mehr von ihr verbergen würde als die kurzen Tops, die sie bei ihren anderen Begegnungen getragen hatte, spürte Cash Enttäuschung. Die sexy Tops und eng anliegenden Stretchhosen gefielen ihm.

Marley warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Nimm dir etwas aus dem Kühlschrank.“

„Hast du Bier?“

„Nur Sojamilch und Karottensaft.“

„Danke, aber ich verzichte lieber.“

Sie lachte, und er war froh darüber, weil es die Spannung zwischen ihnen minderte. „Das war nur ein Scherz. Ich habe Bass Ale und Moosehead da. Such dir was aus. Und du kannst auch ruhig schon mal den Futon zusammenklappen.“

„Den Futon zusammenklappen?“

„Du musst die Matratze umklappen, wenn du dich setzen möchtest.“

„Kein Problem.“ Wieder sah er sich um, und sein Blick verweilte auf dem Couchtisch voller leerer Fast-Food-Tüten, zusammengerollter Zeitschriften, Selbsthilfebücher und dunkle Kaffeetassenringe. „Das sieht aus wie eine Szene aus einem Film über deprimierte Single-Frauen“, scherzte er.

Marley lächelte. „Ich arbeite noch am Gesamteindruck. Ich glaube, es fehlen noch ein paar leere Schachteln vom Chinesen.“

„Oder ein paar überfällige Videos“, schlug er vor. „Und unbezahlte Rechnungen. Du könntest auch noch eine große, ungeöffnete Schachtel Kondome dazustellen, wenn auch nur, um etwas optimistischer zu wirken.“

An ihrer Tür hing eine Dartsscheibe, auf der das Foto eines Mannes aufgespießt war.

„Dein Ex?“

Wieder lachte sie. Cash war froh, dass ihre Stimmung sich gebessert hatte.

„Chris Lang“, antwortete sie nach kurzem Zögern. „Du bist klüger, als du aussiehst.“

„Du gibst mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein“, entgegnete er trocken, während er ein Buch mit dem Titel Leben nach der Scheidung vom Tisch nahm, dessen Einband mit etwas, was wie Müslireste aussah, bekleckert war. Mit hochgezogenen Augenbrauen fügte er hinzu: „Muss ich hier irgendetwas desinfizieren?“

„Wäre vielleicht besser“, empfahl sie düster, während sie ins Badezimmer ging. „Aber fühl dich bitte nicht dazu verpflichtet. Es liegt ganz bei dir.“

Cash beschloss, dass ihr Apartment ihm gefiel. Übertrieben ordentliche Wohnungen wie Edies machten ihn nervös. Er konnte sich in ihnen nicht entspannen. Dennoch konnte er sich eine Frage nicht verkneifen: „Bist du sicher, dass du Edies Schwester bist?“

„Es wird gemunkelt, der Postbote sei schuld daran“, versetzte Marley, bevor die Badezimmertür hinter ihr zufiel.

Cash starrte einen Moment darauf und schluckte, als er sich vorstellte, wie Marley ihre Kostümjacke und ihre Bluse auszog. Nie würde er das erste Mal vergessen, als er sie in diesem schmuddeligen Comedyclub im East Village gesehen hatte. Er hatte sie so atemberaubend attraktiv gefunden, dass er froh gewesen war, dass sie vorzeitig gehen musste. Am Ende hatte er mit ihrer nicht einmal halb so interessanten Zwillingsschwester angebändelt und sich gesagt, so würde es leichter sein, die ganze Sache wieder zu beenden, sobald er hatte, was er durch die Beziehung zu einer Benning erreichen wollte.

Leider hatte er Marley ein paar Tage vor Weihnachten wieder gesehen, als sie nach stundenlangem Joggen in Edies Hochzeitsboutique vorbeigeschaut hatte. Es hatte zu schneien begonnen, und sie war pitschnass geworden. Da ihre Mutter sie gebeten hatte, nicht direkt nach Brooklyn zu fahren, sondern zum Abendessen in der Stadt zu bleiben, hatte sie Edie mit von der kalten Luft heiserer Stimme um etwas Trocknes zum Anziehen gebeten.

Er war mit im Konferenzzimmer gewesen, und das Herz war ihm fast stehen geblieben, als er Marley in den Laden kommen sah. Sie hatte ihre Mütze abgenommen und ihr lockiges blondes Haar geschüttelt, bis es ihr in das von der Kälte gerötete Gesicht fiel. Und dann hatte sie gelächelt. Sie hatte so frei, so unabhängig und so stark gewirkt, dass eine seltsam freudige Erregung Besitz von ihm ergriffen hatte. Vor allem, als sie vollkommen unbefangen noch weitere Kleidungsstücke ablegte, bis sie nur noch in einem knappen Top und Leggings im Laden stand.

Als sie kurz darauf in den Konferenzraum gekommen war und Edie sie einander wieder vorgestellt hatte, hatte es ihn verärgert und ihn zugleich auch neugierig gemacht, zu sehen, wie Marleys Gesten und ihre Mimik zusehends zurückhaltender wurden.

Es war geradezu unheimlich, wie misstrauisch sie ihm gegenüber war. Als hätte sie ihn von Anfang an durchschaut. Wahrscheinlich bildete er es sich nur ein, aber es schien fast so, als würde sie seine geheimen Pläne erraten und all seine Geheimnisse kennen, angefangen bei seiner vergeudeten Jugend, bevor seine Mutter krank geworden war, bis hin zu seinen Alkoholexzessen auf ausschweifenden Partys und zu den Frauen, mit denen er sich in schwülen Nächten in seinem Pick-up vergnügt hatte. Vielleicht hatte Marley ja sogar erraten, dass er beinahe einen Mann getötet hätte.

Aber vielleicht war es auch nur sein schlechtes Gewissen, das sich da gemeldet hatte. Marley konnte höchstens eine unterschwellige Gefahr gespürt haben, vermischt mit einer ordentlichen Portion erotischem Interesse.

Nun überlegte Cash sich seinen nächsten Schritt. Es war möglich, dass Edie den Kuss im Fernsehen nicht gesehen hatte. Marley hatte erwähnt, dass sie an diesem Abend eine Besprechung hatte.

Schließlich kam er zu dem Schluss, dass eine Benning-Schwester so gut war wie die andere. Wenn Edie Marley gebeten hatte, ihn zu suchen und den Fernsehauftritt abzusagen, war es wahrscheinlich sowieso aus zwischen ihnen, worüber er nur Erleichterung verspürte. Es hatte absolut nicht zwischen ihnen gefunkt, was ihre wenigen Zärtlichkeiten fast unerträglich gemacht hatte. Bei Marley hingegen war alles anders.

Er verdrängte den Gedanken, denn er hätte schwören können, dass er in diesem Moment ihren Rock zu Boden fallen hörte. Er wünschte, die Wohnung wäre besser isoliert, oder Marley hätte wenigstens das Radio angestellt. Auch ihr Parfum hatte ihn schon während der Fahrt verlockt und die Fahrerkabine seines Pick-ups ausgefüllt. Der Kuss jedoch … der hatte ihn beinahe umgehauen und ihn zutiefst erschüttert. Darüber hatte er sogar vergessen, dass sie im Fernsehen waren.

Und nun stand Marley Benning nackt in ihrem Badezimmer.

Auch wenn eine Wand und eine geschlossene Tür zwischen ihnen war, verspürte er doch das dringende Bedürfnis, ihre Wohnung zu verlassen. Doch dann entfernte er sich nur so weit er konnte von der Badezimmertür und atmete tief durch. „Möchtest du ein Bier?“, rief er dann aus der kleinen Kochnische.

„Klar. Ein Bass.“

Er brachte die Getränke ins Wohnzimmer, klappte den Futon zusammen und überflog dann die an einer Pinnwand hängenden Artikel, die Marley für Celebrity Weddings geschrieben hatte.

„Sag nichts“, bat Marley und hob lachend die Hände, als sie kurz darauf ins Zimmer kam.

Obwohl sie den roten Nagellack noch nicht entfernt hatte, sah sie in ihrer kuscheligen weichen Jogginghose und einem alten Sweatshirt mit Kapuze wieder mehr wie sie selbst aus. Cash trank rasch einen Schluck Bier und war froh über die erfrischende Kälte in seinem Hals. Dann lächelte er. „Du kannst gut mit Worten umgehen. Honeyed Honeymoon – das beweist echtes Talent.“

Sie verdrehte die Augen. „Ich bin froh, dass ich diese Arbeit habe. Es war nett von Edie, mich mit Emma bekannt zu machen. Sie ist die Reporterin, die über die Darden-Hochzeit berichtet.“ Marley hielt inne. „Aber das weißt du ja bestimmt schon.“

„Ja. Edie meinte, du könntest dir etwas Besseres vorstellen, als Bräuten Fitnesstraining zu geben“, erwiderte er mit dem Anflug eines Lächelns. „Sie sagte, dein Ex hätte sich mit deinem Geld davongemacht, und darauf hättest du deinen Fitnessclub schließen müssen. Und dass du mehr auf Selbstverteidigungstraining für Frauen und auf Bodybuilding stehst.“ Er schwieg einen Moment. „Und für das neue Jahr den Vorsatz gefasst hast, dich nie wieder auf eine Beziehung einzulassen.“

Marley nahm einen Schluck Bier und dachte einen Moment nach. „Das hat sie dir alles erzählt?“

„Ja. Und dass du aus lauter Kummer angefangen hast, Fas-Food zu essen, obwohl du eigentlich Vegetarierin bist.“

„Ich habe fünf Jahre lang hart gearbeitet, um mir mein Geschäft aufzubauen“, verteidigte sie sich.

„Tut mir leid“, sagte er schlicht.

Sie setzte sich auf das andere Ende des Futons, zog ihre schlanken Füße unter sich und trank einen Schluck Bier. Als er ihrem Beispiel folgte und sich setzte, stieß sie beunruhigt einen Seufzer aus. „Ich war nie so diszipliniert wie Edie.“

Stirnrunzelnd betrachtete er die Fast-Food-Tüten. „McDonald’s?“

„Nur wenn Burger King nicht offen hat.“ Wieder seufzte sie. „Ich kann nicht glauben, dass Edie dir von meiner Ehe erzählt hat.“

„Nicht alles“, versicherte er ihr. „Nur vom Ende.“

„Trotzdem …“

Er zuckte mit den Schultern. „Es ergab sich so, als sie den Heiratsfluch erwähnte.“

„Hat sie dir auch gesagt, dass Joe Benning nicht unser leiblicher Vater ist?“

„Sie sagte, der erste Mann deiner Mutter, euer Vater, sei kurz nach eurer Geburt gestorben, und der Fluch käme von seiner Seite der Familie.“

Marley nickte. „Mein Vater starb, als Edie und ich drei waren. Bridget war damals noch ein Baby. Und die Mutter meines Vaters, Granny Ginny“, erklärte sie, „kommt Ende dieser Woche aus Florida. Nach allem, was geschehen ist … in meiner Ehe und so … bin ich langsam überzeugt davon, dass es stimmen könnte, was sie über den Fluch sagt.“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, als könnte sie selbst kaum glauben, was sie da sagte.

Wieder dachte er an den Kuss. „Ach was“, murmelte er. „Du kommst mir gar nicht vor wie jemand, der verflucht ist, Marley.“

„Kennst du dich mit Flüchen aus?“

„Nicht wirklich“, gab er zu.

Sie schüttelte den Kopf und starrte aus dem großen Fenster in die Nacht hinaus. „Normalerweise habe ich wirklich nur Sojamilch und Karottensaft“, gestand sie. „Ich stehe um fünf Uhr in der Frühe auf und arbeite, bis ich nachts ins Bett falle. Ich glaube, ich habe einfach nur ein bisschen den Überblick verloren, und das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass ich …“

Das klang so, als wollte sie sich für den Kuss entschuldigen. Cash war sich sicher, dass sie und nicht er diesen Schwindel erregenden Kuss begonnen hatte. Aber was sollte er ihr dazu sagen? „Edie sagte, dein Ex sei nach Florida gegangen“, bemerkte er, um Zeit zu gewinnen.

Sie nickte. „Chris und ich waren auf dem College schon zwei Jahre zusammen gewesen. Aber nachdem wir verheiratet waren, veränderte er sich. Ich glaube, er fühlte sich in seiner Freiheit eingeschränkt, vor allem, weil ich mir Kinder wünschte und er nicht. Er räumte unser Konto ab, ohne mir ein Wort davon zu sagen, was dazu führte, dass ich meinen Fitnessclub nicht mehr halten konnte. Ich musste sogar unsere Wohnung in Queens verkaufen, um unsere Schulden zu bezahlen – die vor allem seine waren.“

„Hast du ihn nicht verklagt?“

„Das habe ich nicht fertig gebracht.“

Sie hatte ihn also geliebt. „Das kann ich verstehen.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Er sagte, er wolle etwas Sinnvolleres mit seinem Leben tun.“

„Und was war für ihn sinnvoller, als dich zu lieben?“

„Auf einem Hausboot leben.“ Ein mutwilliges Funkeln trat plötzlich in ihre Augen. „Ich habe ihm gesagt, ich wünschte, er ginge mit seinem verdammten Hausboot unter. Das wäre die gerechte Strafe.“

Marley schien die Art von Mensch zu sein, der sehr tief stürzen konnte, aber immer wieder auf die Beine kam. Cash streckte seine langen Beine aus und rutschte ein wenig näher an sie heran, wobei er einen Arm auf die Rückenlehne des Futons legte.

„Was sollen wir jetzt also tun?“, fragte sie.

Cash fröstelte plötzlich.

„Ist dir kalt?“, fragte Marley.

„Ein bisschen“, gab er zu. „Als Südstaatler bin ich dieses Wetter nicht gewöhnt.“

„Die Heizung ist nicht besonders zuverlässig. Hier.“ Sie warf ihm das eine Ende einer Decke zu.

Als er sie über seine Beine legte, begegneten sich ihre Blicke, und einen Moment sahen sie sich schweigend an.

Sie verhält sich provozierender, als sie es sich einzugestehen wagt, dachte er. Und das bildete er sich nicht nur ein. Sie hatte ihm im Studio die Arme um den Nacken gelegt und ihn zu einem erstaunlich leidenschaftlichen Kuss an sich gezogen. Leider hatte dieser Kuss nur eine Minute gedauert, also nicht einmal annähernd lange genug, weshalb Cash nun das drängende Verlangen verspürte, sie erneut zu küssen.

Plötzlich fragte er sich, was er hier tat. Die Kehle wurde ihm eng, und er musste schlucken. Es war falsch, diese hübsche, nette, tatkräftige Frau auf diese Weise zu benutzen. Sie hatte sich aus eigener Kraft hochgearbeitet, nur um betrogen und enttäuscht zu werden, und nun trieb auch er ein Spiel mit ihren Emotionen.

„Marley“, begann er.

„Hm?“

Er sagte sich, das Beste wäre, aufzustehen und zu gehen. Vielleicht konnten seine Anwälte ihnen aus dem Vertrag mit NBC heraushelfen. Er könnte einfach behaupten, er hätte nur Edie zuliebe an der Show teilnehmen wollen. Stattdessen ertappte er sich dabei, wie er ihr in die Augen schaute und flüsterte: „Ich möchte dich wieder küssen, Marley.“

Sein Herz schlug schneller, als sie sich vorbeugte und ihr Bier wegstellte. Er dachte, es ginge ihr darum, ihre Hände frei zu haben, um sie ihm wieder um den Nacken zu legen, aber dann sah er, dass sie es tat, um sich verteidigen zu können. „Ich würde nichts tun, was du nicht willst“, beruhigte er sie schnell.

„Das könntest du auch gar nicht“, erwiderte sie. „Ich gebe Kurse in Selbstverteidigung.“

Die Vorstellung, mit ihr zu ringen, war nicht ohne Reiz für ihn. „Das habe ich gehört.“

„Selbst wenn ich es wollte … es wäre keine gute Idee, Cash.“

„Wir werden bald im Fernsehen sein“, hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung sagen. „Ich meine, es ist klar, dass wir aus dem Vertrag nicht mehr herauskönnen.“ Etwas beunruhigt fragte er sich, ob seine Anwälte ihm darin zustimmen würden, aber dann verdrängte er den Gedanken, weil er sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen durfte, Marley besser kennen zu lernen.

Autor

Jule Mc Bride
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