Julia Collection Band 16

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FREUNDSCHAFT - ODER HEISSE LIEBE? von CHILD, MAUREEN
Drei Monate ohne Sex? Kein Problem, denkt Connor Reilly, und hat die Rechnung ohne seine beste Freundin Emma gemacht. Bislang war sie für ihn nur ein Kumpel. Aber jetzt dreht sie plötzlich auf, kleidet sich umwerfend und wirkt wahnsinnig sexy! Was hat Emma nur vor?

UNENDLICH BEGEHRT - RAFFINIERT VERFÜHRT von CHILD, MAUREEN
Als Tina nur mit einem Handtuch bekleidet vor ihm steht, wird Brian Reilly klar: Es war ein Riesenfehler sich von dieser umwerfenden Frau zu trennen! Doch jetzt hat er gewettet: Drei Monate darf er keinen Sex haben! Also muss er dieser Versuchung irgendwie widerstehen…

DIE LIEBESWETTE von CHILD, MAUREEN
Noch zwei Wochen, dann hat Aidan Reilly die Wette mit seinen Brüdern gewonnen, und die enthaltsame Zeit ist überstanden. So lange will er jeden Kontakt zu attraktiven Frauen vermeiden. Und die hübsche Sally unterstützt ihn dabei, so gut es geht. Aber das geht nicht gut …


  • Erscheinungstag 22.12.2009
  • Bandnummer 16
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956586
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maureen Child

Wetten, dass … du mich liebst?

MAUREEN CHILD

Wetten, dass … du mich liebst?

Unendlich begehrt – raffiniert verführt

Wie viel Sex braucht ein Mensch? Brian Reilly hat keine Ahnung. Er merkt nur, dass es fast unmöglich ist, die Wette zu gewinnen, die er eingegangen ist: Neunzig Tage ohne Sex! Denn ausgerechnet jetzt taucht seine Exfrau Tina wieder auf: hinreißend schön, begehrenswert und entschlossen, alles nachzuholen, was sie beide versäumt haben. – Und Brians Wette?

Freundschaft – oder heiße Liebe?

Wie bitte? Emma glaubt, sich verhört zu haben: Ihr guter Freund Connor Reilly erklärt, dass er sie nicht als Frau wahrnimmt. Das lässt sie nicht auf sich sitzen! Ein sexy Minirock, hohe Stiefel, die langen blonden Haare offen – und tatsächlich spricht schon bald aus seinen Augen die pure Leidenschaft. Doch irgendetwas scheint ihn noch zurück zu halten …

Die Liebeswette

Ob ausgerechnet Sally die Richtige ist, um Aidan beim Gewinn der Wette zu helfen? Fast drei Monate hat der charmante Reilly-Bruder Wort gehalten und keine Frau angerührt. Aber nun bietet dem gut gebauten Rettungsschwimmer seine ausgesprochen anziehende Chefin ihre Unterstützung an. Zwei Wochen muss er noch standhaft bleiben. Eine unerträglich lange Zeit …

1. KAPITEL

„Zehntausend Dollar sind eine schöne Stange Geld.“ Brian Reilly griff nach seinem Bierglas und lehnte sich behaglich in dem verschlissenen roten Kunststoffsessel zurück.

„Freu dich nicht zu früh“, entgegnete sein Bruder Aidan lächelnd und bediente sich bei den Kartoffelchips, die auf dem Tisch standen. „Du bekommst nicht alles davon, vergiss das nicht.“

„Genau“, warf Connor ein. „Du musst mit uns teilen.“ „Und dich von mir leiten lassen“, fügte Liam mit einem schelmischen Lächeln hinzu.

„Als ob ich das nicht wüsste.“ Brian sah seine Brüder voller Zuneigung an. Liam, der drei Jahre älter war, schien sich in der schwach beleuchteten Bar wie zu Hause zu fühlen, was nichts Ungewöhnliches war, wenn man nicht in Betracht zog, dass Liam ein Priester war. Aber vor allem war er ein Reilly, und die Reilly-Brüder waren eine feste Einheit und hielten zusammen. Das war schon immer so gewesen und würde sich auch nicht ändern.

Bei diesem Gedanken wandte Brian seinen Blick den anderen beiden Männern am Tisch zu. Es war, als würde er in einen Spiegel schauen und sein Spiegelbild gleich doppelt darin entdecken. Die Reilly-Drillinge Aidan, Brian und Connor, alphabetisch in der Reihenfolge ihrer Geburt benannt, standen zueinander, seit sie ihre ersten Schritte getan hatten.

Sie waren sogar gemeinsam der Army beigetreten und hatten das Rekrutenlager in stoischer Solidarität hinter sich gebracht. Sie waren immer füreinander da – um moralische Unterstützung zu leisten oder sich gegenseitig den Kopf zurechtzurücken, je nachdem, was gerade notwendig war.

Jetzt waren sie zusammengekommen, um einen unverhofften Gewinn zu feiern.

Ihr Großonkel Patrick, der letzte überlebende Bruder von Drillingen, war gestorben und hatte den Reilly-Drillingen zehntausend Dollar vermacht, da er keine eigene Familie hatte. Jetzt mussten sie sich nur noch entscheiden, wie sie das Geld aufteilen sollten.

„Ich bin der Meinung, wir sollten die Summe durch vier teilen“, sagte Connor und warf Liam einen Blick zu. „Alle für einen, einer für alle.“

Liam lächelte. „Ich würde ja gern dankend ablehnen“, sagte er. „Aber da die Kirche dringend ein neues Dach braucht, gefällt mir dieser Gedanke ausgesprochen gut.“

„Mit zweitausendfünfhundert Dollar kannst du kein neues Dach kaufen“, warf Aidan ein. „Keiner kann sich besonders viel dafür kaufen, wenn ihr mich fragt.“

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, sagte Liam. „Was haltet ihr von einer Wette? Und der Gewinner bekommt alles.“

Brian spürte, wie ihn der Gedanke an einen Wettkampf erregte. Er wusste, dass es seinen Brüdern nicht anders erging. Es gab nichts, was die Reilly-Brüder mehr genossen als eine Herausforderung. Besonders dann, wenn sie gegeneinander antreten mussten. Das leichte Lächeln um Liams Lippen war ihm allerdings eine Warnung. Vermutlich würde der Vorschlag seines Bruders ihm nicht besonders gefallen. Liam war zwar ein Mann Gottes, aber er war ein Reilly. Und das bedeutete, er hatte in der Regel immer noch ein Ass im Ärmel.

„Was für eine Wette?“, fragte Brian.

Liams Lächeln vertiefte sich. „Schlottern dir etwa schon die Knie, Brüderchen?“

„Quatsch“, rief Aidan. „Der Tag, an dem ein Reilly vor einer Herausforderung klein beigibt, ist der Tag …“

„… an dem er in den Sarg gelegt wird“, beendete Connor den Satz für ihn. „Was hast du im Sinn, Liam?“

Liam, der gern den großen Bruder herauskehrte, spitzte nachdenklich die Lippen. „Ihr Jungs redet doch immer von eurer Bereitwilligkeit, eure Pflicht zu tun und Opfer zu bringen, stimmt’s?“

Brian sah seinen Bruder misstrauisch an und nickte dann. „Ja, natürlich. Wir sind schließlich Marines. Bei uns geht es um nichts anderes als Pflichterfüllung und Opferbereitschaft.“

Connor und Aidan stimmten ihm lauthals zu.

„Ach, wirklich?“ Liam lehnte sich zurück und ließ den Blick abwechselnd auf jedem seiner drei Brüder ruhen. „Aber Tatsache ist doch, dass ihr weder vom einen noch vom anderen auch nur die geringste Ahnung habt.“

Aidan und Connor wollten empört aufbrausen, aber Brian brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Wie bitte?“

„Natürlich gebe ich gern zu, dass ihr eure militärische Pflicht erfüllt. Der Himmel weiß, wie oft ich für euch drei gebetet habe. Aber hier geht es um etwas ganz anderes, etwas viel Schwierigeres.“

„Schwieriger, als in den Kampf zu ziehen?“ Connor nahm einen Schluck Bier. „Hör doch auf, Liam.“

„Was du auch vorschlägst, wir werden damit fertig“, behauptete Aidan.

„Worauf du wetten kannst“, fügte Brian hinzu.

„Das freut mich zu hören.“ Liam stützte die Ellbogen auf den Tisch und sah wieder von einem Reilly zum anderen. Dann senkte er seine Stimme und sagte: „Die Wette hat nichts mit euren Kriegsspielchen zu tun.“ Er machte eine effektvolle Pause. „Sondern sie lautet: Neunzig Tage keinen Sex.“

Stille legte sich über sie, als hätte jemand plötzlich alle Gäste aus der Bar gescheucht. „Komm schon, Liam“, sagte Connor und warf seinen Drillingsbrüdern einen mehr als beunruhigten Blick zu. „Neunzig Tage?“, rief Aidan entsetzt. „Auf keinen Fall. Ganz ausgeschlossen.“

Brian hielt den Mund und musterte seinen älteren Bruder, während er zu verstehen versuchte, was hier vorging. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

„Ich rede doch nur von drei Monaten“, sagte Liam spöttisch. „Schon zu schwer für euch? Ich habe mich sogar verpflichtet, mein ganzes Leben ohne auszukommen.“

Aidan schauderte.

„Das ist verrückt.“ Connor schüttelte den Kopf.

„Was ist los mit euch?“, fragte Liam herausfordernd. „Seid ihr zu ängstlich, es wenigstens zu versuchen?“

„Wer zum Teufel will es überhaupt versuchen?“, erwiderte Aidan.

„Drei Monate ohne Sex? Unmöglich.“ Brian sah Liam finster an.

„Ihr habt wahrscheinlich recht.“ Liam lächelte wieder und nahm einen Schluck Bier. Dann zuckte er die Achseln und sagte: „Ihr hättet es sowieso nicht geschafft. Keiner von euch. Die Frauen sind schon seit der High School hinter euch her wie der Teufel hinter der armen Seele. Ihr würdet niemals drei ganze Monate durchhalten.“

„Wir haben nicht gesagt, dass wir nicht könnten, wenn wir wollten“, murrte Connor.

„Wir haben aber auch nicht gesagt, dass wir wollen“, betonte Aidan, damit niemand auf dumme Gedanken kam.

„Aber ja, ich verstehe schon“, beschwichtigte Liam ihn. „Was ihr damit sagen wollt, ist, dass ein Priester sehr viel härter ist als alle Marines zusammengenommen.“

Selbstverständlich war es undenkbar, dass die Drillinge diese Behauptung auf sich sitzen ließen. Schon Sekunden später hatte Liam, was er wollte, und die Reilly-Drillinge gingen eine der schwierigsten Wetten ihres Lebens ein.

Wie sie sich dazu hatten überreden lassen, war Brian selbst eine Woche später noch nicht klar. Aber er war ziemlich sicher, dass Liam seine wahre Berufung verfehlt hatte. Er hätte Autoverkäufer werden sollen, nicht Priester.

„Neunzig Tage lang keinen Sex“, sagte Brian leise und tauschte nervöse Blicke mit seinen Brüdern. Connor und Aidan schienen genauso wenig erfreut zu sein wie er, aber jetzt gab es kein Zurück mehr, wenn sie vor ihrem älteren Bruder nicht wie Schwächlinge dastehen wollten. „Und der Verlierer verzichtet freiwillig auf seinen Anteil des Erbes.“

„Und wenn ihr alle drei verliert“, fügte Liam freundlich hinzu, „bekommt meine Kirche die ganze Summe für ein neues Dach.“

„Wir werden schon nicht verlieren“, versicherte Brian ihm. Er freute sich nicht gerade, drei Monate lang den Mönch zu mimen, aber da er sich nun mal auf die Wette eingelassen hatte, würde er alles tun, um sie zu gewinnen. Die Reillys waren keine guten Verlierer.

„Freut mich sehr“, sagte Liam. „Dann wird euch auch die Strafe nichts ausmachen.“

„Was für eine Strafe?“, fragte Brian.

Liam lächelte.

„Du hast das Ganze doch geplant, oder?“, verlangte Connor zu wissen und beugte sich drohend über den Tisch.

„Sagen wir, ich habe darüber nachgedacht.“

„Und zwar offensichtlich nicht wenig“, warf Aidan ein.

Liam nickte schamlos grinsend. „Die Kirche braucht nun mal ein neues Dach. Vergiss das nicht.“

„Ja, ja“, sagte Brian, „aber hier geht es nicht bloß um ein Dach, stimmt’s? Hier geht es um den unheiligen Spaß, den du daran hast, uns zu quälen.“

„Na ja“, meinte Liam und tat zerknirscht. „Ich bin euer großer Bruder. Daher ist das mein Job.“

„Und du hast ihn immer sehr gut erledigt“, sagte Connor trocken.

„Danke, Connor. Also, jetzt zu eurer Strafe, solltet ihr es nicht schaffen.“

Liam genoss die Situation viel zu sehr, wie seine Brüder fanden.

„Ich bin ziemlich stolz auf meine Idee“, fuhr er fort. „Erinnert ihr euch noch an letztes Jahr, als Captain Gallagher die Golfpartie gegen Aidan verloren hat?“

Aidan erinnerte sich, und ein zufriedenes Lächeln erschien um seine Mundwinkel. Brian dagegen sog scharf den Atem ein, als ihm klar wurde, worauf Liam hinauswollte.

„Auf keinen Fall“, protestierte er sofort.

„Ich denke doch“, meinte Liam mit einem süffisanten Lächeln. „Gallagher sah in seinem Kostüm so süß aus, findet ihr nicht? Und ich bin sicher, euch würde es auch nicht schlecht stehen, Jungs. Also, die Verlierer müssen einen Kokosnuss-BH und einen Bastrock tragen und in diesem Aufzug in einem offenen Cabrio durch die Militärbasis fahren.“ Und dann fügte er noch genüsslich hinzu: „Und zwar am Battle Color Day während der Waffenparade.“

Also an einem Tag, an dem alle Würdenträger und hochrangigen Offiziere wegen der Feierlichkeiten mit ihren Familien die Basis besuchten. Diese Demütigung dürfte den Verlierer gesellschaftlich ruinieren.

Aidan und Connor brachten sofort Einwände vor. Brian dagegen sah Liam nur nachdenklich an. Als seine Brüder alles gesagt hatten, was ihnen auf dem Herzen lag, bemerkte er: „In Ordnung, großer Bruder, und was setzt du bei dem Ganzen aufs Spiel? Ich sehe hier nicht das geringste Risiko für dich.“

„Immerhin riskiere ich das neue Dach.“ Liam nahm wieder einen langen Zug aus seiner Bierflasche und zwinkerte Brian nachsichtig zu. „Meine zweitausendfünfhundert sind auch im Einsatz. Wenn einer von euch Jungs tatsächlich die vollen drei Monate durchhält, dann bekommt er die ganze Summe. Wenn ihr alle zusammenklappt, was ich persönlich für am wahrscheinlichsten halte, dann bekommt die Kirche alles, und das neue Dach gehört mir. Ich meine, uns.“ Er runzelte die Stirn. „Also, der Kirche.“

„Und woher willst du wissen, ob wir die drei Monate durchhalten oder nicht?“

„Ich vertraue euch.“ Liam lächelte. „Ihr seid Reillys. Reillys lügen nicht. Wenigstens nicht innerhalb der Familie.“

Brian sah seine Drillingsbrüder an. Die nickten knapp, wenn auch widerwillig, und er wandte sich wieder an Liam. „Wir sind einverstanden. Wann soll die Wette beginnen?“

„Heute Abend.“

„He, ich habe heute noch ein Rendezvous mit Deb Hannigan“, beschwerte sich Connor.

„Ich bin sicher, dass sie es zu schätzen wissen wird, wenn du dich ausnahmsweise mal wie ein Gentleman benimmst“, erwiderte Liam nur lächelnd.

„Das sieht gar nicht gut aus für uns“, meinte Aidan gereizt.

Brian stimmte ihm insgeheim zu. Aidan hatte den Nagel vermutlich noch nie so perfekt auf den Kopf getroffen. Er und seine Brüder wechselten betretene Blicke, und Brian fragte sich, wer von ihnen wohl am längsten durchhalten würde.

Er war jedenfalls zu allem entschlossen.

Tina Coretti Reilly parkte ihren Mietwagen in der Auffahrt vor dem Haus ihrer Großmutter und stieg aus. Die schwüle Hitze des frühsommerlichen Tages schlug ihr entgegen. Sie hatte ein Gefühl, als hätte man sie in ein nasses Tuch gewickelt. Selbst im Juni war die Luft schwer, und wie jedes Jahr würden alle in der Stadt gegen Ende August um kühleres Wetter beten.

Die kleine Stadt Baywater in South Carolina war kaum mehr als ein winziger Punkt auf der Landkarte und lag wenige Kilometer von Beaufort entfernt. Uralte knorrige Bäume, Magnolien, Kiefern und Eichen säumten die Straßen in den Wohngebieten. Die Hauptstraße, in der Dutzende von kleinen Geschäften ihre Waren anboten, war der Mittelpunkt geselligen Treibens. In Baywater schien die Zeit langsamer zu vergehen als überall sonst im Süden, und das wollte schon etwas heißen.

Tina dachte mit einem wehmütigen Seufzer, dass ihr dieses Lebensgefühl in Los Angeles doch sehr fehlte.

Sie sah zur breiten Veranda des alten Bungalows hinüber, und Erinnerungen stiegen so schnell in ihr hoch, dass sie glaubte, an ihnen ersticken zu müssen. Sie war in diesem Haus aufgewachsen, großgezogen von ihrer Großmutter, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Von ihrem zehnten Lebensjahr an und bis vor fünf Jahren war Baywater ihr Zuhause gewesen. Insgeheim gestand sie sich ein, dass es das immer noch war, obwohl sie jetzt auf der anderen Seite des Landes lebte. Doch daran wollte sie im Moment nicht denken. Kalifornien war weit weg.

Ihre Überlegungen erinnerten sie wieder an ein Gespräch, das sie am Tag zuvor geführt hatte.

„Bist du durchgedreht?“, hatte Janet sie gefragt.

Tina hatte über den verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Freundin lachen müssen. Sie konnte Janet diese Frage nicht übel nehmen. Immerhin war ihre Freundin oft genug dabei gewesen, wenn sie, Tina, sich über ihren Exmann beklagt hatte.

„Jedenfalls nicht offiziell“, hatte sie deshalb gewitzelt.

„Du bist verrückt, wenn du freiwillig nach South Carolina zurückgehst. Um Himmels willen! Und das auch noch mitten im Sommer, wo die Hitze dich höchstwahrscheinlich umbringen wird. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass dein Ex da wohnt.“

„Aber das ist ja genau der Grund, weswegen ich zurückgehe, wenn du dich erinnerst.“

„Ja“, hatte Janet grimmig gesagt und ihren von der sechsmonatigen Schwangerschaft schweren Körper herumgewuchtet und sich auf die Kante des Schreibtisches gesetzt. „Ich glaube nur nicht, dass du dir das alles gut genug überlegt hast.“

„Doch, habe ich.“ Tina hatte sich bemüht, selbstbewusst zu klingen, sie wünschte nur, sie wäre es auch. Doch auch darüber wollte sie nicht nachdenken, denn wenn sie sich erst die Zeit nahm, über ihren Plan nachzugrübeln, würde sie womöglich doch noch ihre Meinung ändern, und das wollte sie auf keinen Fall.

Sie war jetzt neunundzwanzig Jahre alt, und ihre biologische Uhr tickte wie eine Zeitbombe und wurde von Minute zu Minute lauter. Jedenfalls kam es ihr so vor.

„Hör zu“, hatte sie gesagt und Janet beruhigend die Hand getätschelt. „Ich weiß, was ich tue, okay? Ehrlich.“

Janet hatte den Kopf geschüttelt. „Ich mache mir Sorgen um dich“, gab sie zu und fuhr sich unbewusst mit einer Hand über den bereits recht ansehnlichen Bauch.

Wie immer, wenn ihre Freundin das tat, war Tinas Blick dieser Bewegung gefolgt, und sie musste einen Seufzer unterdrücken – wie schon viel zu häufig in letzter Zeit.

Sie wünschte sich so sehr ein eigenes Kind. Das war schon immer so gewesen. Und wenn sie etwas tun wollte, um das in die Wege zu leiten, dann wurde es langsam höchste Zeit. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, aber du hast keinen Grund dazu.“

„Tina, ich habe dich erst sechs Monate nach deiner Scheidung kennengelernt“, hatte Janet streng eingeworfen, „und ich weiß noch genau, wie unglücklich du da immer noch darüber warst. Selbst jetzt noch, fünf Jahre später, trägst du sein Foto in deiner Brieftasche mit dir herum.“

Tina erinnerte sich, dass sie leicht zusammengezuckt war. „Na schön, aber es ist auch ein tolles Foto.“

„Zugegeben“, hatte Janet zugestimmt. „Aber wie kommst du auf den Gedanken, dass du ihn wieder in dein Leben holen kannst, ohne erneut leiden zu müssen?“

Eine innere Stimme nagte praktisch ständig zaghaft an ihr mit ungefähr derselben Botschaft, aber Tina ignorierte sie. „Ich lasse ihn nicht wieder in mein Leben. Ich schaue nur kurz bei ihm vorbei, und dann verschwinde ich genauso schnell, wie ich gekommen bin.“

Janet hatte geseufzt und war aufgestanden. „Na schön. Ich kann es dir nicht ausreden, wie ich sehe. Aber ruf mich an, Tina, okay? Sooft dir danach ist.“

„Werde ich. Mach dir keine Sorgen.“

Und nun stand sie hier auf der Auffahrt. Mit einem Seufzer richtete Tina ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart. Natürlich machte Janet sich trotz all ihrer Beteuerungen Sorgen, und wenn sie, Tina, nicht so entschlossen wäre, würde sie sich auch Sorgen machen.

Sie sah sich um und ließ ihren Blick über die Veranda und die Auffahrt schweifen und von dort zur Garage und der Wohnung darüber.

Wieder seufzte sie und gestand sich ein, dass Janet vielleicht doch recht haben könnte und sie gerade dabei war, einen fürchterlichen Fehler zu begehen.

Doch dann beruhigte sie sich. Wenigstens unternahm sie etwas. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie das Gefühl gehabt stillzustehen. Ihre Karriere lief zwar wunderbar, und sie hatte gute Freunde und ein nettes Zuhause, aber es gab niemanden, den sie lieben konnte. Und selbst wenn dieser Schritt sich als falsch herausstellen sollte, so rührte sie sich wenigstens und ging nicht mehr wie scheintot durchs Leben. Das war doch auch etwas wert.

„Andererseits“, sagte sie leise zu sich selbst und wandte ihren Blick von den Fenstern der Wohnung ab, „rührst du dich im Moment überhaupt nicht. Und dir bleiben nur drei Wochen, Coretti. Also, verschwende keine Zeit.“

Sie lud ihr Gepäck aus dem Auto und zog den schweren Koffer auf seinen kleinen Rollen über den holprigen Ziegelsteinpfad bis zur Haustür hinter sich her. Er schlug dumpf gegen die vier Stufen, die sie hinaufsteigen musste, und auf den Holzdielen der Veranda quietschten die Räder leicht.

Tina schloss die Haustür auf, trat ein und blieb einen Moment im Foyer stehen. Der große Raum war strahlend hell wegen des Sonnenlichts, das durch die hohen Panoramafenster drang. Dank der Klimaanlage, die ihre Großmutter selbst dann einstellte, wenn sie nicht zu Hause war, war es angenehm kühl. Gelbe Rosen in einer Bodenvase erfüllten die Luft mit ihrem süßen Duft. Es war genauso, wie Tina es in Erinnerung hatte, und einen Augenblick stand sie einfach nur da und genoss das Gefühl, wieder zu Hause zu sein.

Lautes Bellen und Jaulen riss sie aus ihren Gedanken und rief ihr ins Gedächtnis, dass sie nicht allein war. Sie schloss die Tür hinter sich, ließ ihren Koffer stehen und ging durch das Wohnzimmer in die Küche und von dort durch die Speisekammer zur Hintertür des Hauses.

Der Lärm nahm noch zu, und Tina lachte leise, während sie versuchte, den Riegel zurückzuschieben. Ein Kratzen am Holz der Tür vermischte sich mit dem lauten Bellen, und zusammen hatte es ungefähr dieselbe Wirkung wie Fingernägel, die quietschend über eine Tafel strichen.

Tina beeilte sich, und als sie die Tür vorsichtig öffnete, fielen ihr die Unruhestifter wie zwei wild gewordene Wollknäuel entgegen und sprangen unaufhörlich an ihr hoch. Die dunklen Abdrücke, die sie dabei auf ihrer Hose mit ihren Pfoten hinterließen, wirkten wie zarte schwarze Spitze. In ihrem Bemühen, Tina jeweils vor dem anderen zu erreichen und von ihr begrüßt und getätschelt zu werden, stolperten und fielen die beiden Hunde ständig übereinander. Sie wollten gar nicht wieder damit aufhören, Tina abzulecken und zu beschnüffeln, bis die es aufgab, die Tiere beruhigen zu wollen, und lachend auf den Boden sank.

„Okay, Mädchen, ich freue mich ja auch, euch wiederzusehen.“ Sie versuchte, sie zu streicheln, aber die Pudel hielten nicht lange genug still, bedrängten und schubsten sich gegenseitig, um den Rivalen vom Schoß der Besucherin zu vertreiben.

Muffin und Peaches, einer cremefarben, der andere pfirsichfarben, liebten Frauen und hassten Männer, was sie mit vielen von Tinas Freundinnen gemeinsam hatten.

Tina allerdings hasste Männer nicht. Sie konnte nicht einmal den einen Mann hassen, der es sehr wohl verdient hätte. Tatsächlich war gerade dieser Mann der eigentliche Grund, weshalb sie jetzt nach Baywater gekommen war.

Ihre Großmutter hatte sie zwar gebeten, im Haus zu wohnen und auf „ihre Mädchen“ aufzupassen, während sie mit zwei ihrer Freundinnen eine Reise durch Norditalien unternahm, aber Nanas Timing hätte nicht besser sein können, fast wie vom Schicksal so arrangiert. Es war, als hätte ihre Glücksfee Tina bei den Schultern gepackt, sie aufgerüttelt und gesagt: Ran an den Speck, mein Mädchen. Hol dir, was du haben willst.

Sosehr Tina sich freute, ihrer Großmutter Nana einen Gefallen tun zu können, gab es doch einen anderen, wichtigeren Grund, weshalb sie zugestimmt hatte, für drei Wochen den Babysitter für die Hunde zu spielen.

Sie wollte ein Baby, wollte endlich schwanger werden. Der Mann, der ihr dazu verhelfen sollte, lebte genau hier über der Garage. Und dieser Mann war niemand anderer als ihr Exmann Brian Reilly.

2. KAPITEL

Die zwei verwöhnten Pudel begannen, einen Heidenlärm zu machen, kaum dass Brian in die Auffahrt eingebogen war. Er runzelte unwillig die Stirn, stellte den Motor ab und warf einen grimmigen Blick zum Garten hinter dem Haus, wo die kleinen Ungeheuer wahrscheinlich gerade versuchten, sich durch den Zaun zu schlängeln, um sich auf ihn zu stürzen.

Kopfschüttelnd stieg er aus und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum die kleinen Biester ihn eigentlich so hassten. Bisher war ihm keine Erklärung eingefallen, es sei denn, er wäre in seinem früheren Leben ein Hundefänger gewesen, und sie könnten es noch an ihm wittern.

„Hört schon auf“, rief er gereizt, obwohl er sicher war, dass er damit nichts erreichte. Er wurde auch diesmal nicht enttäuscht. Wenn sich überhaupt etwas veränderte, dann nahm das Gekläff eher noch zu.

Die Tatsache, dass Brian sich mit diesen kleinen Biestern abgeben musste, seit er die Wohnung über der Garage neben Angelina Corettis Haus bezogen hatte, war ein Nachteil, aber auch der einzige, den dieses Arrangement beinhaltete. Ansonsten hatte es nur Vorteile.

Angelina war froh zu wissen, dass er in der Nähe war, falls sie jemals seine Hilfe brauchen sollte, und er hatte seine Ruhe, musste sich keine Sorgen machen, dass er seine Wohnung verlieren könnte, wenn er wieder mal mehrere Monate im Einsatz war. Außerdem bekam er von der süßen alten Dame, der das Kochen Spaß machte, ab und zu beste Hausmannskost vorgesetzt. Dafür nahm er Muffin und Peaches gern auf sich.

Seine Anwesenheit hier hatte noch einen weiteren Vorteil. Da Angelina die Großmutter seiner Exfrau war, konnte Brian wenigstens eine lockere Verbindung zu Tina Coretti Reilly aufrechterhalten. Es war nicht viel und wahrscheinlich auch nicht besonders klug, aber er konnte Tina nie wirklich aus seinen Gedanken bekommen, obwohl sie jetzt schon seit über fünf Jahren geschieden waren.

Das Bellen wurde lauter und schärfer, als Brian auf die Treppe zuging, die an der Seite der Garage zu seiner Wohnung führte. Genau in dem Moment, als er noch einen letzten genervten Blick auf den weiß getünchten Gartenzaun und die Höllenhunde dahinter warf, wurde die Hintertür geöffnet, und er erstarrte mitten in der Bewegung.

Es kam ihm vor, als hätte man mit einem Schlag den Sauerstoff aus der Luft entfernt. Sein Magen schien einen Purzelbaum zu schlagen, und ein Mischmasch aus Gefühlen wie Sehnsucht, Verlangen und Ärger schnürte ihm regelrecht die Kehle zu.

„Nach deinem Gesichtsausdruck zu urteilen“, sagte Tina laut, damit er sie über dem Gekläff der Hunde hören konnte, „bist du nicht sehr froh, mich zu sehen.“

Die nachmittägliche Sonne tauchte sie in strahlendes Licht, als wäre sie eine Schauspielerin und stünde mitten auf einer Bühne. Ihre braunen Augen blitzten vor Belustigung. Das schwarze Haar reichte ihr bis auf die Schultern, und sie trug ein hellgrünes Top, das ihre sonnengebräunten Arme sehen ließ und ihr Dekolleté hervorragend zur Geltung brachte. Brian war froh, dass der Zaun zwischen ihnen lag und seine Sicht auf Tina etwas behinderte, denn er war nicht sicher, dass es nicht über seine Kräfte gegangen wäre, wenn er jetzt auch noch ihre unendlich langen sonnengebräunten Beine hätte betrachten können.

„Tina.“ Er schluckte mühsam und räusperte sich, denn er war bis ins Innerste erschüttert, sie so plötzlich und ohne Vorwarnung vor sich zu sehen. Er dachte jedoch nicht im Traum daran, sich das auch noch anmerken zu lassen. „Was tust du denn hier?“

„Ich passe auf die Mädchen auf, solange Nana in Italien ist.“

Brian nahm an, dass sie mit „die Mädchen“ Muffin und Peaches meinte. Er hätte einen besseren Ausdruck für die kleinen Köter gewusst.

„Angelina hat mir nicht gesagt, dass du kommen würdest.“

„Warum sollte sie auch?“

„Und warum sollte sie nicht?“, fragte Brian leicht gereizt.

„Ach ja“, sagte Tina mit einem Lächeln und ließ die Tür hinter sich zuklappen. „Derselbe alte Brian, der immer noch mit einer Frage antwortet, um Zeit zu schinden.“

Die Hunde bellten immer noch, und Brian und Tina waren fast gezwungen zu schreien, um sich verständlich zu machen.

In Brians Kopf pochte ein unangenehmer Schmerz, und er wollte lieber gar nicht erst darüber nachdenken, was dieser Ruck bedeutete, der eben durch sein armes Herz gegangen war.

Verdammt! Angelina hätte ihn warnen müssen. Dann hätte er Zeit gehabt, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen. Nun war es zu spät.

Allerdings wusste er, dass Tinas Großmutter ihn gut genug kannte, um genau zu wissen, dass er dann die Stadt verlassen hätte, als ob der Teufel hinter ihm her wäre, und genau deswegen hatte sie ihm wohl auch nichts von Tinas Besuch erzählt. Angelina machte kein Hehl daraus, dass sie der Meinung war, er und ihre Enkelin gehörten zusammen und sollten es noch einmal miteinander versuchen. Es sähe ihr ähnlich, sich als geschickte Kupplerin zu betätigen.

Brian nahm sich vor, sich zusammenzureißen, aber leicht würde es ihm nicht fallen, das war ihm klar.

Tina kam die Veranda herunter und öffnete das Tor. Sofort stürzten Muffin und Peaches hindurch und fielen wie die Höllenhunde über Brian her. Mit grimmigem Gehabe, als wären sie so groß und Furcht einflößend wie Wölfe und nicht wie zwei zu groß geratene Ratten, zerrten sie an den Schnürsenkeln seiner Turnschuhe und schnappten nach dem Saum seiner Jeans. Brian betrachtete sie fast wohlwollend, so dankbar war er für die Ablenkung von Tina.

„Hört auf damit“, befahl er halbherzig.

„Sie mögen dich wirklich nicht besonders, was?“, überlegte Tina laut. „Ich meine, Nana sagte mir schon, dass sie dich nicht gerade ins Herz geschlossen haben, aber ich dachte, sie übertreibt mal wieder.“

Brian hörte sie, ohne richtig auf ihre Worte zu achten. Stattdessen sah er sie an und wünschte sich inbrünstig, sie wäre hinter dem schützenden Zaun geblieben. Es war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Sie trug Jeansshorts, die sich eng an ihre Hüften schmiegten und viel zu viel von ihren langen Beinen sehen ließen.

Wie immer, seit er Tina kannte, reagierte sein Körper sofort und so heftig, dass es ihn fast schmerzte. Seit ihrer ersten Verabredung war die Anziehung zwischen ihnen nicht zu leugnen gewesen, und seitdem hatte sich nichts daran geändert, obwohl sie schon so lange geschieden waren.

Diese Tatsache besserte seine Laune nicht gerade.

Zwei Wochen waren vergangen seit der unglaublich dämlichen Wette, die er und seine Drillingsbrüder mit Liam eingegangen waren. Das waren zwei volle Wochen ohne Sex, und er spürte jetzt schon, wie ihn die Selbstbeherrschung zu verlassen drohte. Am Ende der drei Monate würde er wahrscheinlich den Verstand verloren haben. Und Tinas Anwesenheit machte seine Lage noch um etliches schlimmer.

„Angelina hätte mich vorwarnen sollen, dass du kommst, verdammt noch mal.“

Tina hob leicht ihr Kinn – eine herausfordernde Geste, an die Brian sich nur allzu gut erinnerte. Das Streiten mit Tina hatte immer eine gewisse Würze gehabt und war fast so aufregend gewesen wie der Sex mit ihr. Und der war jedes Mal unglaublich gewesen.

„Ich habe sie gebeten, es dir nicht zu sagen.“

„Und warum, zum Teufel, hast du das getan?“, wollte er wissen und versuchte, Peaches von seinem Fuß zu schütteln. Sie ließ jedoch nicht locker.

„Weil ich wusste, dass du dich aus dem Staub gemacht hättest, sobald du es erfahren hättest.“

Es ärgerte ihn ein wenig, dass sie damit recht hatte. Er hätte sich um mehr Überstunden beworben oder hätte einen neuen Einsatz verlangt, der sich möglichst einige tausend Meilen von hier entfernt hätte abspielen sollen.

Seit wann bist du denn so ein Feigling, wenn es um Tina geht, dachte er plötzlich erschrocken. Doch dann verscheuchte er den Gedanken hastig und fragte: „Und warum sollte ich das tun wollen?“

„Ich weiß nicht, Brian“, sagte Tina und verschränkte die Arme vor der Brust. Oder vielmehr, unter ihren Brüsten, wobei sie sie ein wenig nach oben schob und Brian so eine noch bessere Sicht in den Ausschnitt ihres Tops gewährte.

Brian zwang sich, den Blick auf ihr Gesicht zu richten.

„Aber du tust es immer“, fuhr Tina fort. „Jedes Mal, wenn ich in den letzten zwei Jahren hergekommen bin, um Nana zu besuchen, musstest du ganz zufällig irgendeinen Auftrag weit weg ausführen.“

Daran war nichts Zufälliges gewesen. Seit ihrer Scheidung hatte er immer mit Absicht verhindert, Tina zu begegnen. Brian fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Ich wollte es nur einfacher für dich machen. Ich wollte, dass du deine Großmutter besuchen kannst, ohne …“

„… den Mann sehen zu müssen, der sich ohne eine Erklärung von mir scheiden ließ?“, beendete Tina den Satz für ihn.

Sie war immer noch wütend auf ihn, das sah er ihren Blicken aus den schönen dunkelbraunen Augen deutlich an. Und Brian konnte es ihr nicht übel nehmen. „Sieh mal, Tina …“

„Vergiss es.“ Sie machte eine abwehrende Handbewegung und schüttelte den Kopf. „Ich wollte keinen Streit anfangen. Ich wollte dich nur sehen. Mehr nicht.“

Brian betrachtete sie abwartend und wünschte, er könnte ihre Gedanken lesen. Es war ihm noch nie leichtgefallen, Tina zu durchschauen, aber die Zeit mit ihr zusammen war immer ein wundervolles Abenteuer gewesen. Und wenn er sie auch nur ein wenig kannte, dann steckte hinter ihrem plötzlichen Auftauchen sehr viel mehr als nur ihr Wunsch, ihrem Exmann einen guten Tag zu wünschen.

Andererseits, kannte er sie wirklich noch? Sie waren ein Jahr lang verheiratet gewesen und seit fünf Jahren geschieden, also kannte er sie vielleicht doch nicht. Vielleicht hatte sie sich auch verändert und war ihm womöglich sogar fremd geworden. Der Gedanke bedrückte ihn sehr viel mehr, als er es eigentlich hätte tun sollen.

„Warum wolltest du mich sehen?“, fragte er misstrauisch.

Sie sah ihn mit unschuldigem Augenaufschlag an. „Du liebe Güte, Brian, entspann dich. Kann deine Exfrau nicht mal kurz vorbeikommen und Hallo sagen, ohne gleich ins Verhör genommen zu werden?“

„Eine Exfrau, die aus Kalifornien herfliegt, nur um Hallo zu sagen?“

„Und um sich um zwei süße Wollknäuel zu kümmern.“

„Zwei kleine Monster, meinst du wohl“, sagte er grimmig und schüttelte Peaches ab, die immer noch versuchte, an seinem Bein hochzuklettern. Wahrscheinlich wollte sie ihm an die Kehle gehen.

Tina lachte, und Brian musste erneut schlucken.

Er warf ihr einen verstohlenen Blick zu und hoffte inständig, dass sie ihm nicht ansehen konnte, wie verlockend er sie fand.

Wir sind geschieden, sagte er sich. Doch schon ihr Lachen genügte, damit ihm warm ums Herz wurde.

Fünf Jahre waren vergangen, und er glaubte immer noch, an seinen Fingerspitzen die Zartheit ihrer Haut fühlen zu können. Ihr Duft, eine Mischung aus Blumen und Zitrusfrüchten, schien ihn immer zu umgeben, besonders wenn er träumte. Und die Erinnerung an ihre leidenschaftlichen Nächte ließ ihn jetzt beinahe aufstöhnen vor Verlangen.

Gott, ausgerechnet jetzt hätte er auf Tinas Anwesenheit gut verzichten können. Schließlich war da noch die verdammte Wette.

„Ich weiß nicht, warum sie dich nicht mögen“, sagte Tina und bückte sich, um Muffin hochzuheben. Der kleine Hund zitterte vor Aufregung und fuhr Tina mit der rosa Zunge liebevoll über den Hals.

Brian hätte nichts dagegen gehabt, etwas ganz Ähnliches bei ihr zu tun.

„Weil sie wissen, dass ihre Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen“, sagte er hastig, um das Bild, das seine Gedanken heraufbeschworen hatten, schnell zu verscheuchen.

Tina kraulte Muffin hinter den Ohren, was den kleinen Hund augenscheinlich in den siebten Himmel versetzte und ihr die Gelegenheit gab, ihre Hände zu beschäftigen. Wenn sie Muffin nicht auf den Arm genommen hätte, hätte sie womöglich noch ihrem Drang nachgegeben und wäre Brian um den Hals gefallen.

Sein dunkles Haar war immer noch militärisch kurz geschnitten, wodurch die markanten Linien seines attraktiven Gesichts betont wurden. Und seine dunkelblauen Augen kamen ihr immer noch so faszinierend und geheimnisvoll vor wie der Ozean bei Nacht. Das dunkle T-Shirt, das er trug, betonte deutlich die breiten Schultern und die muskulöse Brust. Seine schmale Taille und die langen Beine kamen in der engen Jeans wundervoll zur Geltung.

Tina unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte ganz vergessen, was für eine unglaubliche Wirkung Brian immer auf sie hatte. Vielleicht hatte Janet ja doch recht. Vielleicht war ihr Plan doch nicht so gut, ging es ihr durch den Kopf.

Sicher, sie wünschte sich von ganzem Herzen ein Baby, und sie wollte, dass Brian der Vater war, aber wenn ihr die Knie schon weich wurden, nur weil er in ihrer Nähe war, welche Garantie gab es dann, dass sie nicht wieder so dumm sein würde, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben?

Sobald ihr dieser Gedanke kam, verdrängte sie ihn entschlossen.

Sie würde es schaffen. Schließlich waren fünf Jahre vergangen. Sie liebte ihn nicht mehr. Sie war kein junges Mädchen mehr, das glaubte, nur ein einziger Mann auf der Welt könnte es glücklich machen.

Sie hatte hart für ihre Karriere gearbeitet, und man respektierte sie. Also war sie auch reif genug, um mit Brian Reilly fertig zu werden, ohne sich wieder die Finger zu verbrennen. Und wenn sie ihn immer noch attraktiv fand, so war das sehr gut, denn dann würde es ihr leichterfallen, ihn zu verführen.

„Hör zu, Brian“, sagte sie und streichelte Muffin weiter, während Peaches einen neuen Angriff auf Brians Hose startete. „Es gibt keinen Grund, warum wir nicht höflich miteinander umgehen können, oder?“

„Natürlich nicht.“

„Gut.“ Das war ja schon mal ein Anfang. „Also, ich möchte heute Abend grillen. Soll ich ein Steak für dich dazutun?“

Einen Moment dachte sie, dass er sich überreden lassen würde. Sie sah es ihm an. Er zögerte kurz, aber dann überlegte er es sich doch anders.

„Nein, danke. Ich muss heute Abend zu Connor. Er … äh … hat da ein paar Probleme mit seinem …“

Tina lächelte und schüttelte den Kopf. „Du warst noch nie ein guter Lügner, Brian.“

Brian zuckte schuldbewusst zusammen. „Wer lügt denn hier?“

„Du“, erwiderte sie, wandte sich ab und ging langsam zurück. „Aber das macht nichts. Ich nehme es nicht persönlich. Noch nicht. Komm, Peaches. Gleich gibt’s Abendessen.“

Sofort gab die kleine Nervensäge Brians Hosenbein frei und wetzte auf das Haus zu.

„Tina“, sagte Brian.

Tina blieb am Zaun stehen und schenkte Brian ein strahlendes Lächeln. Es freute sie festzustellen, dass sie ihn immer noch so leicht durcheinanderbringen konnte. Wenn er sich keine Sorgen machen würde, mit ihr allein zu sein, hätte er sich nie eine angebliche Verabredung mit Connor ausgedacht. Und jetzt sah er sie völlig verwirrt an. Das war auch nicht schlecht. Wenn sie es schaffte, ihn wenigstens für diese drei Wochen aus dem Gleichgewicht zu bringen, dann konnte alles genau nach Plan laufen.

„Schon gut, Brian“, sagte sie und zuckte leichthin mit den Schultern. „Ich werde noch drei Wochen hier sein, da werden wir uns sicher noch oft sehen.“

„Ja.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und zog die breiten Schultern hoch, als müsse er eine schwere Last auf ihnen balancieren, die man ihm plötzlich und ohne Warnung aufgebürdet hatte.

Tina war nicht sicher, ob ihr dieser Vergleich gefiel, aber er schien leider zu passen.

„Schönen Abend noch“, rief sie und machte die Gartenpforte hinter sich zu. „Und grüß Connor von mir.“

„Okay.“

Tina ging mit den Hunden ins Haus. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, schaute sie vorsichtig durch die Vorhänge zur Treppe hinüber, die zur Garagenwohnung führte. Brian stieg mit hängenden Schultern die Stufen hinauf, als warte auf der obersten Stufe der Galgen auf ihn. Als er den Absatz erreichte, hielt er inne und sah zum Wohnhaus herüber.

Tina zuckte unwillkürlich zusammen. Es war fast so, als würden ihre Blicke sich treffen. Sie bildete sich ein, die Hitze und die Kraft zu spüren, die von ihm ausgingen, und das ließ sie erschauern.

Nachdem Brian in seiner Wohnung verschwunden war, stand Tina noch eine ganze Weile in der Küche und sah aus dem Fenster. Sie fragte sich unruhig, wer von ihnen beiden wirklich aus dem Gleichgewicht geraten würde.

Zwei Stunden später saß Brian beim Abendessen und ließ das amüsierte Lachen seines Bruders Connor über sich ergehen, der die neueste Entwicklung offenbar entschieden komisch fand. Brian wusste, dass er selbst schuld war. Natürlich hatte er kein Mitgefühl erwartet, aber offene Belustigung fand er nun wirklich völlig unangebracht.

„Tina ist also wieder da“, sagte Connor mit unverhohlener Schadenfreude. „Mann, ich fühle genau in diesem Moment, wie meine Brieftasche sich mit Geld füllt.“

„Vergiss es“, fuhr Brian ihn an, doch er spürte immer noch die Wirkung von Tinas Lächeln. „Sie wird dir nicht helfen, die Wette zu gewinnen. Ich habe mich von ihr scheiden lassen, wie du dich vielleicht noch erinnerst.“

„Ja“, sagte Connor und gab dem Kellner ein Zeichen, ihm noch eine Flasche Bier zu bringen. „Ich habe allerdings nie verstanden, wieso.“

Keiner aus seiner Familie hatte das je verstanden. Brians Gedanken gingen unwillkürlich in die Vergangenheit zurück. Ihm selbst war es auch nicht leichtgefallen, sich klarzumachen, dass es das einzig Richtige war, sich von Tina scheiden zu lassen. Es war nicht leicht gewesen, aber richtig. Das glaubte er immer noch. Wenn er das nicht täte, müsste er die Scheidung bereuen, und damit könnte er nicht leben.

Tina Coretti ging ihm trotz der fünf Jahre Trennung nicht aus dem Kopf. In den seltsamsten Momenten erinnerte er sich plötzlich an sie – an ihr Lachen, an ihre Gewohnheit, Songs aus dem Radio falsch mitzusingen, wenn sie einen ihrer berüchtigten Ausflüge unternahmen oder an die Gerichte, die sie gekocht hatte.

Er erinnerte sich daran, wie sie sich gestritten hatten, bis einer von ihnen zu lachen anfing, und wie sie dann in der Regel zusammen aufs Bett gefallen waren und sich stundenlang geliebt hatten.

Der Sex mit Tina war immer unglaublich gewesen.

Es waren nicht nur zwei Körper gewesen, die Befriedigung suchten. Er hatte bei ihrem Liebesspiel oft das Gefühl gehabt, dass ihre Seelen sich genauso vereinten wie ihre Körper. Und als Tina nicht mehr bei ihm war, war er sicher, dass es so gewesen war, denn von da an fühlte er sich leer und unausgefüllt. Ihre Scheidung hatte ihm das Herz gebrochen und seine Seele verletzt. Und obwohl er sich immer wieder sagte, dass er es zu ihrem Besten getan hatte, war der Schmerz geblieben.

Er schob seinen Teller von sich, ohne den Rest seines Hamburgers aufzuessen, und lehnte sich zurück.

Das Lighthouse war ein beliebtes Restaurant und immer gut besucht. Ehepaare mit ihrem lärmenden Nachwuchs saßen an den großen Tischen, und verliebte Paare schmiegten sich in den dunklen Nischen aneinander. Von der Decke hingen Gusseisenleuchter und verbreiteten gemütliches Licht.

Brian musterte seinen Bruder eine Weile und beschloss dann, dass es klüger war, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Und wie läuft es bei dir?“

Connor hätte sich fast an seinem Bier verschluckt. Als er aufgehört hatte zu husten, schüttelte er den Kopf. „Mann, es ist viel unangenehmer, als ich angenommen habe.“

Brian lachte.

„Im Ernst“, protestierte Connor. „Ich bin fast schon so weit, dass ich mich vor den Frauen verstecke, um nicht in Versuchung zu geraten.“

„Ja, ich verstehe genau, was du meinst“, stimmte Brian zu, aber für ihn war es seit heute etwas schwieriger geworden, sich zu verstecken. Sich von den Frauen bei seiner Arbeit fernzuhalten, war leicht. Es gab nicht so viele weibliche Piloten oder sonstiges weibliches Personal bei der Staffel, der er angehörte.

Und die wenigen, die es gab, gingen den Männern aus dem Weg, was ihnen kaum jemand übel nehmen konnte. Sie mussten doppelt so viel leisten wie ein Mann, um akzeptiert zu werden, und sie hatten gewiss nicht die Absicht, wegen eines Flirts mit einem ihrer Offizierskollegen ihre Karriere aufs Spiel zu setzen.

Also stellte sein Job kein Problem dar. Er hatte geplant, sich während seiner Freizeit zu Hause zu verkriechen und in keine der üblichen Bars oder in einen Club zu gehen, wo die Versuchung auf ihn lauern könnte. Aber jetzt war sein Zuhause keine Zuflucht mehr. Jetzt war Tina wieder da, und seine Wohnung war der gefährlichste Ort überhaupt geworden.

„Dabei sind erst zwei Wochen vorbei“, sagte Connor düster. „Ich muss zugeben, dass mein Respekt für Liam mächtig gestiegen ist.“

„Ganz deiner Meinung.“

„Ich habe gestern Abend mit Aidan gesprochen, und er sagt, er spielt mit dem Gedanken, für drei Monate einem Kloster beizutreten.“

Beide lachten leise. „Wenigstens leidet er auch“, meinte Brian.

„Ja.“ Connor machte dem Kellner ein Zeichen, ihnen die Rechnung zu bringen. „Ich kann meine Frustration wenigstens täglich an den Rekruten auslassen.“

Brian lächelte. Die armen Rekruten taten ihm leid.

„Ist dir eigentlich aufgefallen“, fuhr Connor fort, „dass der Einzige, der hier nicht leidet, unser lieber Bruder, der Priester, ist?“ Connor schüttelte entschieden angewidert den Kopf. „Er lehnt sich einfach locker zurück und lacht uns drei aus. Wie hat er uns bloß zu dieser verdammten Wette überredet?“

„Er kennt uns eben zu gut. Er weiß genau, dass wir keiner Herausforderung widerstehen können.“

„Sind wir so berechenbar?“

„Für ihn schon. Vergiss nicht, Geistlicher oder nicht, er war schon immer der Gerissenste von uns allen.“

„Das kann man wohl sagen.“ Connor zückte seine Brieftasche und warf einen Geldschein auf die Theke. „Und was wirst du jetzt wegen Tina unternehmen?“

„Ich werde mich von ihr fernhalten, so gut ich kann.“

„Das hast du aber nie besonders gut gekonnt.“

Brian zahlte seinen Anteil und sagte gereizt: „Ich habe ja nicht behauptet, dass es mir leichtfallen wird.“

Connor stand auf und lächelte plötzlich. „Wir könnten ja den alten Trick mit den vertauschten Rollen probieren. Da du in ihrer Nähe zu Wackelpudding wirst, könnte ich ja mit ihr reden und sie bitten, wieder wegzufahren.“

Brian sah seinen Bruder nachdenklich an. Solche Tricks benutzten sie schon seit ihrer Kindheit nicht mehr. Die Drillinge sahen sich so ähnlich, dass selbst ihre Mutter manchmal Schwierigkeiten gehabt hatte, sie auseinanderzuhalten. Also hatten sie das zu ihrem Vorteil ausgenutzt. So hatten sie Lehrer, Trainer und sogar ab und zu ihre Eltern hinters Licht geführt. Brian erinnerte sich aber daran, dass es Tina immer gelungen war, ihn von seinen Brüdern zu unterscheiden. Sie hatten sie kein einziges Mal täuschen können. Aber wer weiß, dachte er, es sind Jahre vergangen, seit sie uns drei gesehen hat und seit wir uns so nahe waren, dass sie mich instinktiv erkannte.

„Ich bin einverstanden, wenn du es versuchen willst“, sagte Brian.

Was hatte er schon zu verlieren? Wenn Tina auf den Trick hereinfiel, würde sie vielleicht sogar abreisen und ihm das Leben nicht mehr so schwer machen. Und wenn sie ihn und seinen Bruder doch durchschaute, dann würde er eben noch einmal einen von Tina Corettis beeindruckenden Wutanfällen erleben.

Er erinnerte sich noch gut daran, wie umwerfend sie aussah, wenn sie wütend war.

3. KAPITEL

Tina hörte Brians Auto, als er spät am Abend nach Hause kam, und atmete erleichtert auf. Sie trat an das Fenster des Schlafzimmers im ersten Stock, das sie schon als Kind bewohnt hatte, und sah verstohlen hinaus, um einen Blick auf Brian zu werfen. Auf dem Weg zu seiner Wohnung blieb er stehen, um den kläffenden Hunden ein paar unflätige Bemerkungen zuzuwerfen, und sie musste lächeln.

Sie hatte schon halb befürchtet, dass er die Flucht ergriffen hätte. Es wäre leicht für ihn, für ein paar Wochen einfach auf der Militärbasis zu bleiben und so das Problem zu lösen. Aber er hatte es nicht getan, und Tina war ziemlich sicher, dass sie wusste, wieso.

Brian würde nie zugeben, dass er sich einer Situation nicht gewachsen fühlte und dass er es nicht schaffte, ihr, Tina, täglich zu begegnen. Er würde nicht einmal sich selbst eingestehen, dass es wegen ihrer Anwesenheit für ihn einen Grund zur Sorge geben könnte.

Jetzt lief er die Stufen zu seiner Wohnung hinauf, und Tinas Herz klopfte allein schon bei seinem Anblick schneller. Als er die Tür öffnete und hineinging, ohne ein einziges Mal zu ihr herüberzusehen, stieg ihr Puls ruckartig.

„Na schön“, sagte sie leise, „vielleicht bin eher ich diejenige, die hier Grund zur Sorge hat.“

Als hinter ihr ein Klingeln ertönte, wandte sie sich dankbar vom Fenster ab, warf sich auf das breite Doppelbett mit der handgenähten Steppdecke und griff nach dem Hörer des altmodischen Telefons. „Hallo?“

„Also hast du es wirklich getan.“

„Janet.“ Tina rollte sich auf den Rücken und sah lächelnd zur Decke. „Jawohl, ich bin wieder da, wo ich angefangen habe.“

„Hast du ihn schon gesehen?“

„Oh ja.“

„Und?“

Tina ließ verträumt das Telefonkabel durch ihre Finger gleiten. „Er ist noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte.“ Tatsächlich war er sogar noch attraktiver, noch unwiderstehlicher, noch aufreizender.

„Du bist also immer noch zu allem entschlossen.“

Tina seufzte. „Janet, das haben wir schon tausendmal durchgekaut. Ich will nun mal zu keiner Samenbank gehen. Kannst du dir das Gespräch vorstellen, wenn ich versuche, meinem Kind das zu erklären? ‚Aber natürlich, Liebling, selbstverständlich hast du einen Daddy. Er ist Nummer 3075. Ist doch eine nette Nummer, nicht wahr?‘“

Janet lachte. „Na schön. Ich sage ja nur, dass ich glaube, du handelst dir mit diesem verrückten Plan Schwierigkeiten ein. Ich mache mir eben Sorgen um dich.“

„Und das weiß ich ja auch zu schätzen.“ Tina lächelte und ließ den Blick unwillkürlich durch ihr altes Schlafzimmer schweifen. Nana hatte im Lauf der Jahre nicht viel verändert. Es hingen immer noch Poster von Tahiti und London an den Wänden, die Regale waren mit ihren Lieblingsbüchern gefüllt und all den kleinen Schätzen aus ihren Teenagertagen, und im Raum standen noch die Möbel, die seit Ewigkeiten im Besitz der Corettis waren.

Nur hier fühlte sie sich zu Hause. Hier überkam sie das wundervolle Gefühl, ihren Platz zu haben, hier fand sie Ruhe und Frieden. Tina war überrascht, als ihr plötzlich bewusst wurde, wie sehr sie diesen Frieden nötig gehabt hatte.

Sie war in diesem Haus geboren worden und war hier aufgewachsen, aber sie war so viele Jahre nicht mehr hier gewesen. Deshalb fand sie es ein wenig unheimlich, dass sie schon am ersten Tag das Gefühl hatte, nie fort gewesen zu sein.

„Aber du willst, dass ich dich zufrieden lasse“, sagte Janet nun.

Tina hörte die Belustigung in Janets Stimme. „Du hast es erfasst“, gab sie zu.

„Tony hat mich gewarnt, dass ich genau das von dir zu hören bekommen würde“, gestand Janet ihr und rief dann ihrem Mann zu: „Schon gut, schon gut. Ich schulde dir fünf Dollar, Tony.“

Tina lachte. Die Anspannung in ihr ließ allmählich nach.

„Ich bin froh, dass du angerufen hast.“

„Ja, wirklich?“

„Ja. Es hat mir gutgetan, eine freundliche Stimme zu hören“, fügte Tina hinzu. Nana war in Italien, und Brian hatte sich in seine Höhle verkrochen. Im Moment fühlte sie sich so einsam wie schon lange nicht mehr. „Es war mir gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich es nötig hatte.“

„Ich freue mich, wenn ich helfen konnte“, sagte Janet. „Ruf mich an, wenn du mit jemandem reden willst oder dich ausheulen willst oder deine Wut rauslassen oder … was auch immer.“

„In Ordnung. Wir sehen uns in drei Wochen.“

Nachdem ihre Freundin aufgelegt hatte, setzte Tina sich auf. Sie sah sich in ihrem Zimmer um, und wieder überfielen sie Erinnerungen an die Vergangenheit. Sie hatte noch in diesem Zimmer gewohnt, als sie und Brian angefangen hatten, miteinander zu gehen. Es kam ihr vor, als wäre eine Ewigkeit seitdem vergangen.

Damals hatte sie noch einen Halbtagsjob im Diego’s gehabt, einer schicken Bar am Hafen. Tagsüber hatte sie studiert und für ihren Magister in Betriebswirtschaft gebüffelt. Brian war gerade zum Lieutenant befördert worden. Eines Abends war er in die Bar gekommen, und – so klischeehaft es auch klang – ihre Blicke hatten sich getroffen, und alles war klar gewesen. Von da an ging alles seinen Gang.

In einem wahren Rausch der Gefühle hatten sie den folgenden Monat jede freie Minute zusammen verbracht und erzürnten schließlich sogar ihre Familien, weil sie einfach durchbrannten. Sie waren zu verrückt aufeinander gewesen, um auf die große, schicke Hochzeitsfeier zu warten, die man von ihnen verlangt hätte.

Stattdessen hatten sie sich schlicht und unauffällig von einem Friedensrichter trauen lassen. Tina hatte eine einzige Rose in der Hand gehalten, die Brian ihr im Garten vor dem Haus des Friedensrichters gepflückt hatte. Sie hatte gewusst, dass er der Richtige für sie war, ihre verwandte Seele – der Mann, den das Schicksal für sie ausersehen hatte und den sie von ganzem Herzen liebte.

Sie waren ein Jahr zusammen gewesen, dann hatte Brian plötzlich die Bombe platzen lassen. Er hatte ihr eröffnet, dass er die Scheidung wollte und war gleich am folgenden Tag zu einem sechsmonatigen Einsatz auf einem Flugzeugträger abgereist.

„So viel zum Thema verwandte Seelen“, flüsterte Tina und löste sich von der Erinnerung an die Vergangenheit. Sie kuschelte sich auf das Bett, legte sich einen Arm über die Augen und versuchte sich einzureden, dass der Schmerz in ihrem Herzen nur ein Echo aus längst vergangener Zeit war.

Am nächsten Tag machte Tina sich im Garten ihrer Großmutter an die Arbeit. Nana liebte Blumen, aber sie war nicht ganz so wild aufs Unkrautjäten. Sie behauptete immer, dass sie zwar keine Schwierigkeiten habe, sich ins Gras zu knien, aber sie sei nie sicher, ob sie auch wieder aufstehen könne. Doch Tina kannte die Wahrheit. Ihre Großmutter hasste das Unkrautjäten ganz einfach. Das war schon immer so gewesen.

Die Rosen ließen ein wenig die Köpfe hängen, die Gänseblümchen wurden von Löwenzahn erstickt, und die Stiefmütterchen hatten ganz den Geist aufgegeben. Tina kniete sich ins sonnenwarme Gras und genoss die Hitze auf ihrer Haut, während sie sich an die Arbeit machte. Bekannte Rockmelodien drangen von der Stereoanlage im Wohnzimmer durch das offene Fenster zu ihr herüber, sodass sie zu einem beschwingten Rhythmus arbeiten konnte. Der Lärm von Kindern, die Basketball spielten, und Hundegebell klangen von weiter unten aus der Straße zu ihr herauf. Muffin und Peaches beobachteten vom Zaun aus jede von Tinas Bewegungen und kläfften aufgeregt, wann immer etwas besonders Interessantes – zum Beispiel ein Schmetterling – in ihre Nähe kam.

Tina hatte schon eine Stunde gearbeitet, als sie sich schließlich aufrichtete, die Hände ins Kreuz legte und sich streckte, um ihre müden Muskeln zu entspannen. In Kalifornien lebte sie in einer Wohnung und gab sich mit einigen Blumentöpfen auf ihrem Balkon zufrieden, von dem aus sie den Strand von Manhattan Beach überblicken konnte. Dort war sie viel zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt oder dachte über ihre Arbeit nach oder plante etwas Neues für ihre Arbeit, um Zeit für irgendetwas anderes zu haben. Sie fragte sich, wie es so hatte kommen können. Wann hatte sie ihre gesunde Ausgeglichenheit verloren? Seit wann war die Arbeit ihr so viel wichtiger als ihr Leben?

Sie kannte die Antwort auf all diese Fragen natürlich sehr gut.

Wie es schien, hatte alles in ihrem Leben in irgendeiner Weise mit Brian zu tun. Sie hatte sich in ihre Arbeit gestürzt, seit sie von ihm geschieden war. Als ob sie durch die Anstrengung und die Ablenkung hätte vergessen können, wie einsam sie ohne ihn war. Natürlich funktionierte es nicht.

Es war wunderschön, wieder in einem Garten zu arbeiten, und sie genoss die herrliche Gewissheit, dass sie sich nicht ständig darüber Sorgen machen musste, ob sie es noch rechtzeitig bis zum nächsten Geschäftstermin schaffte. Es war wundervoll, einfach nur zu existieren, zu leben, sie selbst zu sein. Deshalb störte es sie auch nicht, dass die Luftfeuchtigkeit in South Carolina kaum zu ertragen war.

Plötzlich erklang wie aus dem Nichts ein donnerndes, ohrenbetäubendes Getöse, und Tina legte gerade noch rechtzeitig den Kopf in den Nacken, um einen Jet so schnell über den Himmel zischen zu sehen, dass gleich darauf nur noch ein langer weißer Kondensstreifen übrig war. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals, wie es das immer tat, wenn sie einen Militärjet sah. Jedes Mal stellte sie sich vor, dass Brian der Pilot war. Sie war immer stolz auf ihn gewesen und bewunderte ihn dafür, dass er so eine schwierige Aufgabe meisterte. Sie hatte zwar auch Angst um ihn gehabt, aber wenn man mit einem Marine verheiratet war, wusste man, dass diese Sorge immer dazugehören würde.

Sie hob eine Hand, um ihre Augen vor der Sonne abzuschirmen.

„Ein schöner Anblick“, sagte jemand hinter ihr.

Tina sog scharf die Luft ein und drehte sich langsam um, um ihren Besucher anzusehen. Sie hatte seinen Wagen nicht gehört und hatte auch nicht erwartet, dass er mitten am Tag nach Hause kommen würde. Sie hatte eher damit gerechnet, dass er sich so lange wie möglich von seiner Wohnung fernhalten würde.

Und doch war er hier.

Brian war höhergewachsen als die meisten Piloten und hatte sich deswegen auch oft über die engen Kabinen in den Jets beklagt. Ihr hatte es immer gefallen, dass er so viel größer war als sie. Es sei denn, sie hockte auf der Erde und musste sich fast den Hals verrenken, um zu ihm aufsehen zu können. Sie stand auf, klopfte sich das Gras von den Knien und zog die schmutzigen Gartenhandschuhe aus.

Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht, und sie musste blinzeln. Den Ausdruck auf Brians Gesicht konnte sie nicht sehen, weil es im Schatten lag. Aber sie spürte, dass er sie musterte. „Was hast du gesagt?“, fragte sie schließlich, erinnerte sich wieder und fügte hinzu: „Ach ja, der Jet. Ja, sehr schön.“

„Den Jet habe ich gar nicht gemeint“, erwiderte er. „Aber der war auch nicht übel.“

Tina spürte, wie ihr warm wurde, und sie sagte sich ungeduldig, dass ein Kompliment von Brian nichts bedeutete. Er hatte es schon immer verstanden, die richtigen Worte zu finden, um sie zu dem zu überreden, was er gerade von ihr wollte – sie entweder beschwichtigen, wenn sie wütend auf ihn war, oder sie ins Bett kriegen. Tina hatte ihm nie lange böse bleiben können, und was das Verführen anging, hatte er sogar noch weniger Schwierigkeiten gehabt.

Bei der Erinnerung an die leidenschaftlichen Momente in seinen Armen wurde ihr noch heißer, und ihre Knie fingen leicht zu zittern an. Himmel noch mal, konnte sie diesem Mann denn überhaupt nicht widerstehen?

„Brian …“

„Tina …“

Sie hatten beide gleichzeitig zu sprechen angefangen, hielten abrupt inne und lachten verlegen. Tina hatte das Gefühl, ihr Herz zöge sich vor Bedauern zusammen. Wie hatte es nur so mit ihnen kommen können? Wie hatten die Leidenschaft, die Liebe, die sie füreinander empfunden hatten, sich in diese unbehagliche Höflichkeit wie zwischen Fremden verwandeln können?

„Du zuerst“, sagte er schließlich.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, schon gut. Du zuerst.“

Er nickte, schob die Hände in die Taschen seiner Jeans, senkte einen Moment den Blick und musste sich sichtlich einen Ruck geben, um sie wieder anzusehen. „Tina, es fällt mir nicht leicht, was ich jetzt sagen muss, aber …“

Während er sprach, betrachtete Tina ihn nachdenklich. Dabei erholte sie sich von der ersten Überraschung, ihn so unerwartet vor sich zu sehen, und sie konnte wieder klarer denken. Sie sah, wie er den Kopf hielt, wie er mit den Schultern zuckte, wie er stand und wie er einen Mundwinkel nach oben verzog, während er sprach. Irgendetwas war anders an ihm. Nicht nur sein Aussehen und sein Verhalten kamen ihr heute anders vor, sie fühlte sich auch anders in seiner Gegenwart. Oder vielmehr, sie fühlte nichts in seiner Gegenwart. Es lag keine Sinnlichkeit in der Atmosphäre, es liefen ihr keine Schauer über den Rücken. Wie die Dinge auch immer zwischen ihnen gestanden hatten, nie hatte es an einer ganz bestimmten, unerklärlichen Anziehung zwischen ihnen gefehlt.

Wann immer sie in Brians Nähe war, schien sich die Luft zu verändern, die sie atmete, und es kam ihr vor, als würde ihr ganzer Körper kribbeln. Jetzt spürte sie jedoch nicht das Geringste. Es war nicht schwer, aus dieser Tatsache die einzig mögliche Schlussfolgerung zu ziehen. Tina unterdrückte nur mühsam ihre aufsteigende Wut.

„Ich weiß, ich habe nicht das Recht, irgendetwas von dir zu verlangen“, sagte ihr Gegenüber gerade.

Tina hätte ihm jetzt sofort sagen können, dass sie ihn durchschaut hatte. Er hätte es verdient. Wahrscheinlich ist es Connor, sagte sie sich. Aidan hätte es gar nicht erst versucht. Sie überlegte angestrengt, wie sie mit dem jüngsten Drilling umgehen sollte. Als ihr eine Idee kam, musste sie lächeln.

Connor erwiderte automatisch ihr Lächeln. „Siehst du?“, sagte er. „Ich wusste doch, dass du vernünftig bist. Es hat doch keinen Sinn, dass du hierbleibst, wenn es die Situation für uns beide so unbehaglich macht. Findest du nicht auch?“

„Unbehaglich?“, sagte Tina mit leiser, sinnlich angehauchter Stimme. „Brian, Liebster, wir kennen uns doch viel zu gut, um uns in der Gegenwart des anderen unbehaglich zu fühlen, nicht wahr?“

„Hm?“ Connor sah sie verwirrt an.

Sehr gut. Tina jubilierte innerlich schadenfroh. Äußerlich ließ sie sich nichts anmerken, schenkte ihm nur ein verlockendes Lächeln und trat dichter an ihn heran. Sie ließ ihre Hand über seine Brust gleiten und streichelte dann seine Wange. „Du hast mir gefehlt, Brian“, flüsterte sie, holte tief Luft und stieß sie leise seufzend wieder aus. „Ich bin so … einsam.“

Sie machte eine bedeutungsschwere Pause und beobachtete voller Befriedigung, wie Connor erschrocken die Augen aufriss und hastig einen Schritt zurückwich. „Hör mal, Tina, ich glaube nicht, dass du das wirklich meinst, und …“

„Brian, Baby“, säuselte sie und rückte ihm wieder auf die Pelle. Sie würde sich nicht so schnell abwimmeln lassen. „Habe ich dir denn überhaupt nicht gefehlt?“

„Äh … doch, sicher.“ Er sah sich hilflos um, als könnte von irgendwo seine Rettung kommen.

Tina stand jetzt dicht vor ihm. Sie legte ihm die Arme um den Nacken, schmiegte sich an ihn und drückte ihre Brust an seine.

Connor nahm die Hände aus den Taschen und versuchte, Tina sanft von sich zu schieben.

Sie spürte sein wildes Herzklopfen und wusste, dass sie ihre Rache bekommen hatte. „Dann küss mich doch, Connor.“

„Dich küssen …“ Er stutzte und sah sich hastig um. „Connor?“

„Du Idiot.“ Tina gab ihn frei und trat zurück. Sie stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete ihn mit einem zufriedenen Lächeln.

„Hör zu, Tina …“

„Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich täuschen?“, fragte sie ärgerlich. Je mehr ihr klar wurde, was er versucht hatte, desto wütender wurde sie.

„He, beruhige dich“, sagte er hastig und schluckte mühsam. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Tina. Ich wollte nur …“

Ihr Ärger nahm nun erheblich zu. Sie spürte regelrecht, wie ihr das Blut zu Kopf stieg und verstand, warum es hieß, dass man manchmal rotsah vor Wut. „Und ob du weißt, wovon ich rede. Es sieht ganz so aus, als hättet ihr beide, du und Brian, ein paar Dinge vergessen. Ich kann euch Drillinge unterscheiden, das habe ich schon immer gekonnt. Weißt du das nicht mehr?“

Connor strich sich mit der Hand über das Kinn und schob dann wieder in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände in die Hosentaschen. „Na schön, es war also keine besonders gute Idee.“

„Keine besonders gute Idee?“ Tina sah ihn mit vor Verblüffung offenem Mund an. „Ich kann es einfach nicht fassen. Glaubt ihr denn, wir sind immer noch auf der High School? Was solltest du denn tun, Connor? Mich dazu überreden, meine Koffer zu packen, damit Brian sich nicht die Mühe zu machen braucht? Hat er so große Angst vor mir?“

Connor lachte verlegen, nahm die Hände aus den Taschen und hielt sie abwehrend vor sich. „Komm schon, Tina. Es war doch nur …“

„Was?“, verlangte sie zu wissen und ging auf ihn zu, während er instinktiv zurückwich. „Ein Witz?“

„Nein!“ Er strich sich wieder über das Kinn, offenbar seine Art zu reagieren, wenn ihm eine Situation unangenehm war, trat erneut einen Schritt zurück und stolperte über den Gartenschlauch, der auf dem Rasen lag. Er fasste sich jedoch schnell wieder und ging weiter rückwärts auf Brians Auto in der Auffahrt zu. „Brian dachte nur … ich meine, ich dachte …“

Muffin und Peaches bellten aufgeregt an der Gittertür, und Connor warf ihnen einen unsicheren Blick zu.

„Das war seine Idee, stimmt’s?“, fragte Tina verächtlich. Sie war so wütend auf Brian und Connor, dass sie kaum ein Wort herausbringen konnte.

„Nein … ja … ich meine …“

Connor warf die Hände hoch, als wollte er sagen, dass er völlig unschuldig sei, aber überzeugen konnte er Tina nicht.

„Es war einfach nur ein blöder Einfall, mehr nicht, Tina.“

„Ein sehr schlechter noch dazu.“

„Ja, das gebe ich ja zu.“ Er nickte und schluckte. „Glaub mir. Du hast mir ein paar Sekunden lang einen ganz schönen Schrecken eingejagt, weißt du.“

„Wo ist Brian?“, fragte sie streng.

„Weißt du, Tina …“

Sie konnte sehen, wie er verzweifelt nach einer Ausrede suchte, die glaubhaft genug klang, damit sie ihn in Ruhe ließ. Ihr war natürlich klar, dass die Drillinge sich niemals gegenseitig verraten würden und dass sie unmöglich etwas aus Connor herausbekommen würde. Andererseits war das auch gar nicht nötig.

„Schon gut“, sagte sie knapp. „Irgendwann muss er ja schließlich nach Hause kommen, nicht wahr?“

„Ja, klar.“ Connor hatte jetzt den Wagen erreicht, öffnete hastig die Tür und setzte sich hinter das Lenkrad.

Bevor er die Tür wieder schließen konnte, war Tina bei ihm und beugte sich zu ihm ins Auto. Es bereitete ihr unglaubliche Befriedigung, die Unruhe in den blauen Augen zu sehen, die Brians so ähnlich waren. Geschah ihm nur recht.

„Und jetzt hörst du mir mal gut zu, Connor Reilly …“

„Aber natürlich, Tina.“

Wenn sie nicht so wütend gewesen wäre, hätte sie lachen müssen über seine Unterwürfigkeit. „Sag deinem Bruder, dass ich mit ihm sprechen will.“

„In Ordnung.“ Er griff nach dem Autoschlüssel, der schon im Zündschloss steckte, und stellte den Motor an. „Ich werde es ihm sagen.“

„Und wage es ja nicht, so was noch mal mit mir zu probieren, Connor.“

Er sah sie einen Moment an und lächelte zögernd. „Auf keinen Fall, Lady. Dafür jagst du mir viel zu viel Angst ein.“

Jetzt, da ihre erste Wut ein wenig verflogen war, wurde Tina der Witz an dieser Situation bewusst, zumindest, was Connors Rolle in dieser Farce anging. Trotzdem unterdrückte sie ein Lächeln.

„Weißt du was, Tina?“, sagte er leise. „Obwohl du mich gerade eben fünf Jahre meines Lebens gekostet hast, freue ich mich, dass du wieder zu Hause bist.“

Jetzt musste sie doch lächeln. Wie wäre es auch anders möglich gewesen? Keine Frau konnte einem Reilly lange widerstehen. „Fahr jetzt endlich, Connor.“

„Jawohl, Ma’am.“

Tina trat zurück, schlug die Tür zu und sah ihm nach, als er die Auffahrt verließ und davonfuhr. Sobald er außer Sicht war, ging sie ins Haus. Wenn sie und Brian sich bald gegenüberstehen und aussprechen sollten, dann wollte sie das auf keinen Fall tun, solange sie noch schmutzig und verschwitzt von der Gartenarbeit war.

4. KAPITEL

Connors Lachen hallte ihm noch in den Ohren wider, als Brian in die Auffahrt bog. Was sein Bruder so verdammt lustig gefunden hatte, hatte Tinas Laune ganz bestimmt nicht verbessert.

Er hatte gewusst, dass dieser Trick niemals funktionieren würde. Die Tatsache, dass er bereit gewesen war, es Connor dennoch versuchen zu lassen, zeigte deutlich, wie verzweifelt er war. Seltsamerweise war er sogar froh, dass es nicht geklappt hatte. So war er wenigstens sicher, dass Tina ihn immer noch von seinen Brüdern unterscheiden konnte. Das hatte sie schon immer gekonnt. Obwohl alle anderen die Drillinge für völlig austauschbar hielten, war das bei ihr nie so gewesen. Tina war eben etwas Besonderes, und zwar etwas so Besonderes, dass er verloren war, wenn er sie nicht irgendwie dazu bewegen konnte, die Stadt zu verlassen. Wenn sie blieb, würde er niemals die Wette mit seinen Brüdern gewinnen können.

Ein Besuch von Tina wäre zu jeder anderen Zeit schon schwer genug für ihn gewesen. Sie war immer eine Ablenkung, das konnte er nicht leugnen. Doch ausgerechnet jetzt, da er sowieso schon wie auf glühenden Kohlen saß, wurde er durch sie noch stärker in Versuchung geführt.

Er hatte keine Frau je so begehrt wie Tina, und das hatte sich auch in den letzten Jahren nicht geändert. Sie waren seit fünf Jahren getrennt, aber schon das Wissen, dass sie in der Stadt war, brachte sein Blut in Wallung und sein Herz zum Klopfen. Und dann auch noch zu wissen, dass sie allein, gleich im Haus neben seiner Wohnung, lebte, raubte ihm den Schlaf. Jede wache Minute war eine Qual für ihn.

Er war nicht um den Zustand zu beneiden, in dem er sich befand.

In Gedanken noch mit dem Treffen beschäftigt, das ihm bevorstand, stieg er aus dem Auto und genoss die kühle Abendluft. Die Sonne war untergegangen, die ersten Sterne tauchten am Himmel auf, und es duftete nach Jasmin.

Die Haustür zum Haupthaus stand offen, und ein Lichtstreifen fiel in den dunklen Garten hinaus wie ein Teppich, den man zur Begrüßung ausgerollt hatte – den Tina aber bestimmt nicht als freundliche Einladung gemeint hatte, da war Brian sicher. Er runzelte die Stirn und sagte sich gereizt, dass es ihm egal war, was Tina von seinem Plan hielt. Er hatte es versuchen müssen. Außerdem war es sowieso nicht wichtig, ob sie wütend auf ihn war oder nicht. Er schuldete ihr keine Erklärungen. Sie waren nicht mehr verheiratet.

Warum hatte er dann trotzdem ein so schlechtes Gewissen? Und warum zögerte er so sehr, ihr gegenüberzutreten? Du lieber Himmel, er war ein Marine! Er war ein starker Mann, der täglich den Mut bewies, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Genau diesen Mut kannst du jetzt gut gebrauchen, sagte er sich trocken, während er auf die Tür zuging. Man brauchte sehr viel Mut, wenn der Gegner Tina Coretti Reilly hieß.

Brian nahm die Stufen mit zwei langen Schritten und blieb einen Moment zögernd an der Tür stehen. Aus dem Wohnzimmer drang eine sinnlich wehmütige Jazzmelodie zu ihm heraus. Die Hunde mussten im Garten sein, sonst hätten sie schon längst ihre frechen kleinen Gesichter an die Gittertür gepresst und versucht, den Draht durchzubeißen, um über ihn herzufallen. Wenigstens eine positive Entwicklung. Er würde nicht auch noch mit den Hunden zu kämpfen haben.

Brian klopfte an, erhielt jedoch keine Antwort.

Er klopfte wieder. Dieses Mal lauter.

„Brian?“, rief Tina. „Bist du das?“

„Ja, ich bin’s.“

„Komm doch rein.“

Brian atmete auf. Bis jetzt klang sie ganz vernünftig. Das war nicht schlecht. Das war sogar sehr gut. Er betrat das Wohnzimmer und warf seine Uniformmütze auf den nächsten Tisch. Dann ging er in die Küche hinüber. Dort saß Tina am Tisch, ein Glas Weißwein in der Hand.

Sie war wütend, das sah er sofort. Ihre Augen blitzten regelrecht. Sie sah einfach hinreißend aus. Er spürte, wie sein Puls sich beschleunigte, und wusste, dass er in großen Schwierigkeiten war.

„Setz dich doch.“

„Nein, danke“, sagte er und ließ den Blick unwillkürlich über ihre langen sonnengebräunten Beine gleiten, sowie über ihre blassgrünen Shorts und das knappste Top, das er je gesehen hatte. Nein, er würde sich auf keinen Fall setzen, denn er hatte nicht vor, lange zu bleiben. Er konnte es sich nicht leisten, in der Nähe einer Frau zu verweilen, die ihn so leicht aus der Fassung bringen konnte. Also war es am besten, wenn er sofort zur Sache kam und sagte, was er zu sagen hatte, um dann so schnell wie möglich die Flucht zu ergreifen. „Hör zu, Tina, es tut mir leid …“

„… dass du Connor geschickt hast, um mich loszuwerden?“, fuhr sie für ihn fort und nahm dann seelenruhig einen Schluck Wein.

Er zuckte die Achseln. „Ja.“

„Und das war’s auch schon? Mehr nicht?“ Sie drehte sich auf dem Stuhl zu ihm herum, schlug ein langes, schlankes Bein über das andere und wippte leicht mit dem Fuß. Ihre Zehen waren zartrosa lackiert, und sie trug einen silbernen Zehenring. Brian spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.

„Mehr hast du nicht zu sagen?“ Tina hob eine zarte Augenbraue.

Brian fuhr sich nervös mit der Hand durch das Haar. „Ich habe es halt versucht, Tina. Was soll ich noch sagen?“ Er musste so schnell wie möglich von hier fort, doch er saß in der Falle.

Tina stand auf, stellte ihr Weinglas auf den Tisch und kam einen Schritt näher. Ihr Top hatte diese zarten Spaghettiträger, die so dünn waren, dass sie genauso gut gar nicht da sein könnten. Ihre Schultern wirkten, als wären sie nackt. Natürlich bedeutete das, dass sie keinen BH darunter trug. Brians Blick wanderte wie von selbst zu ihren Brustspitzen, die sich gegen den dünnen Stoff zu drängen schienen. Die Situation wurde immer unerträglicher.

„Warum bist du so wild darauf, mich aus der Stadt zu jagen, Brian? Kannst du mir wenigstens das sagen?“

„Nein, bin ich überhaupt nicht“, sagte er und fügte innerlich hinzu: Ich bin am Rand der Verzweiflung. Aber das konnte er ihr gegenüber natürlich nicht zugeben. Er konnte sie unmöglich wissen lassen, dass sie ihn immer noch mit nur einem einzigen Blick völlig aus der Fassung bringen konnte.

„Connor hat mich keinen Moment täuschen können“, sagte sie.

„Ja, ich weiß.“ Brian gab sich alle Mühe, den Blick nicht von ihrem Gesicht zu wenden. Selbst das war nicht ganz ungefährlich, weil ihre braunen Augen ihn schon immer fasziniert hatten und ihn alles außer ihr vergessen ließen. Doch es war immer noch ungefährlicher, als ihre zarte Haut zu bewundern oder sich anzusehen, wie ihr verrutschtes Top ihren flachen Bauch freigab oder wie ihre Shorts sich an ihren sexy Po schmiegten. Oh ja, sehr viel ungefährlicher sogar.

„Warum hast du es getan, Brian?“, fragte Tina wieder und hielt seinen Blick fest.

Sie war wie ein verdammter Lügendetektor. Wenn man ihr in die Augen sah, musste man einfach die Wahrheit sagen. Jedenfalls war es ihm immer so ergangen.

„Weil ich dich nicht hierhaben will“, sagte er mit rauer Stimme.

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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