Julia Collection Band 202

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Obwohl sie die Namen von Engeln tragen, sind die D'Angelo-Brüder die pure Versuchung! Doch jetzt geraten diese drei Männer selbst in den Bann verführerisch schöner Frauen …

Miniserie von Carole Mortimer

ZU SCHÖN FÜR DIE LIEBE?

Darf ein Mann so schön sein? Die junge Malerin Bryn kann sich an Gabriel D'Angelo nicht sattsehen. Doch der reiche Galerist hat einst ihre Familie ins Unglück gestürzt. Auf keinen Fall will sie ihm nahekommen – sagt ihr Verstand. Aber Bryns Körper sendet ganz andere Signale …

SCHÖNER ALS JEDER DIAMANT

Eine Flut feuerroter Haare ergießt sich über Ninas Schultern – und Rafe D'Angelos Herz steht in Flammen. Wie gerne würde er die Tochter eines Juwelensammlers nach allen Regeln der Lust verführen! Doch Nina wird Tag und Nacht überwacht. Kann er sie aus dem goldenen Käfig befreien?

AUFREGENDES RENDEZVOUS IN PARIS

Sie ist wunderschön! Fasziniert schaut Michael D'Angelo in die veilchenblauen Augen der Frau, die ihn in seiner Galerie in Paris aufgesucht hat – bis er schockiert erfährt, was Eva ihm vorwirft …


  • Erscheinungstag 14.09.2024
  • Bandnummer 202
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525961
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carole Mortimer

JULIA COLLECTION BAND 202

PROLOG

„Keine Sorge, Mik, er kommt schon noch.“

„Nimm deine verdammten Füße von meinem Schreibtisch“, sagte Michael scharf, ohne von dem Ordner aufzublicken, den er gerade durchlas. „Außerdem mache ich mir keine Sorgen.“

„Von wegen!“, entgegnete Rafe gedehnt, ohne der Aufforderung seines Bruders nachzukommen.

„Wirklich nicht, Rafe!“

„Weißt du, ob …?“

„Du siehst doch, dass ich gerade lese!“ Michael seufzte und sah seinen Bruder genervt an. Wie immer war er sehr konservativ und korrekt gekleidet. Er trug ein hellblaues Hemd mit sorgfältig gebundener dunkelblauer Seidenkrawatte, eine dunkle Weste und eine Anzughose. Das dazu passende Jackett hing über seinem ledernen Schreibtischstuhl.

Ihre Mutter hatte sich den Scherz erlaubt, ihren drei Söhnen die zu ihrem Nachnamen passenden Vornamen Michael, Raphael und Gabriel zu verpassen. Wenn man schon D’Angelo hieß, dann musste man auch Vornamen wie Erzengel haben. Auf dem Internat waren sie deswegen ständig aufgezogen worden, doch jetzt, wo sie die dreißig überschritten und aus den drei Galerien und Auktionshäusern in London, New York und Paris die besten und renommiertesten Privatgalerien der Welt gemacht hatten, wagte es niemand mehr, sich über sie lustig zu machen.

Ihrem Großvater Carlo D’Angelo war es gelungen, bei seiner Flucht aus Italien vor fast siebzig Jahren sein Vermögen nach England zu retten, bevor er eine Engländerin geheiratet und einen Sohn gezeugt hatte, Giorgio: Michaels, Raphaels und Gabriels Vater.

Wie dessen Vater vor ihm hatte Giorgio einen ausgezeichneten Geschäftssinn bewiesen, indem er vor dreißig Jahren die erste Archangel-Galerie in London eröffnet und damit zum Vermögen der Familie beigetragen hatte. Seitdem er mit seiner Frau seinen Ruhestand in Florida genoss, hatten seine drei Söhne dieses Vermögen mit der Eröffnung zweier weiterer Galerien in New York und Paris vervielfacht. Inzwischen waren die drei Multimillionäre.

„Und nenn mich nicht Mik“, fügte Michael gereizt hinzu, während er die Lektüre des Ordners fortsetzte. „Du weißt genau, wie sehr ich das hasse.“

Natürlich wusste Rafe das, doch er betrachtete es als seine brüderliche Pflicht, seinen älteren Brüdern auf die Nerven zu fallen. Nicht dass er dazu heutzutage viel Gelegenheit bekam, jetzt, wo sie meistens in unterschiedlichen Galerien arbeiteten. Aber sie legten immer großen Wert darauf, einander zu Weihnachten und an ihren Geburtstagen zu besuchen, und heute war Michaels fünfunddreißigster Geburtstag. Rafe war ein Jahr jünger und Gabriel, das „Baby“ der Familie, ein weiteres Jahr später geboren.

„Ich habe vor etwa einer Woche mit Gabriel telefoniert.“ Rafe verzog das Gesicht.

„Wozu diese Grimasse?“ Michael zog eine dunkle Augenbraue hoch.

„Er war genauso mies drauf wie immer seit fünf Jahren. Keine Ahnung, was er je an ihr fand.“ Rafe zuckte die Achseln. „Für mich war sie immer nur eine graue Maus. Das Einzige, was für sie sprach, waren diese Riesen…“

„Rafe!“, ermahnte Michael seinen jüngeren Bruder streng.

„… augen“, ergänzte Rafe trocken.

Michael presste missbilligend die Lippen zusammen. „Ich habe erst vorgestern mit ihm gesprochen.“

„Und?“, fragte Rafe ungeduldig, als sein älterer Bruder mal wieder perfekt die verschlossene Auster spielte.

„Er hat gesagt, er würde heute rechtzeitig zum Abendessen kommen“, antwortete Michael achselzuckend.

„Warum zum Teufel hast du mir das nicht schon früher gesagt?“

Rastlos schwang Rafe die Füße vom Schreibtisch, stand auf und fuhr sich irritiert mit einer Hand durch das lange volle Haar. Er war groß, sehnig und trug ein enges schwarzes T-Shirt und ausgeblichene Jeans. „Aber das wäre vermutlich zu einfach gewesen.“ Er funkelte seinen Bruder wütend an.

„Zweifellos.“ Michaels schwaches Lächeln war genauso schwer zu deuten wie der Blick aus seinen dunklen Augen. Wie immer.

Die drei Brüder sahen sich äußerlich sehr ähnlich; alle waren etwa eins neunzig groß und hatten tiefschwarzes Haar. Michael trug seins kurz geschnitten, während Rafes Haar ihm fast bis auf die Schultern fiel, und im Gegensatz zu Michaels fast schwarzen Augen waren seine hellbraun. „Und?“, fragte er ungeduldig, als Michael nichts hinzufügte.

„Und was?“ Sein Bruder zog arrogant eine Augenbraue hoch und lehnte sich entspannt in seinem Schreibtischstuhl zurück.

„Wie war er drauf?“

Michael zuckte die Achseln. „Wie du selbst gesagt hast, so mies wie immer.“

Rafe verzog das Gesicht. „Ihr beide seid wirklich das ideale Paar!“

„Ich habe keine schlechte Laune, Rafe, sondern nur Probleme mit Dummköpfen.“

„Ich nehme an, ich bin bei diesem Pauschalurteil nicht mit eingeschlossen?“, entgegnete Rafe.

„Wohl kaum.“ Michael entspannte sich wieder etwas. „Außerdem bevorzuge ich für uns drei eher die Bezeichnung … anspruchsvoll.“

Rafe lächelte schief. Michael hatte nicht ganz unrecht. Vielleicht hatte deshalb bisher niemand von ihnen geheiratet. Die meisten Frauen fühlten sich vor allem wegen ihres Aussehens und ihres Reichtums zu ihnen hingezogen – offensichtlich keine gute Basis für eine Beziehung, die nicht rein körperlich war. „Okay. Was steht eigentlich in dem Ordner, in den du seit meiner Ankunft so vertieft bist?“

„Ach, der.“ Michael verzog das Gesicht.

Rafe stutzte. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass deine Antwort mir nicht gefallen wird.“

„Da könntest du recht haben.“ Sein Bruder drehte den Ordner um und schob ihn über den Tisch.

Rafe las den Namen auf dem Deckel. „Wer ist Bryn Jones?“

„Eine der Bewerberinnen für die Ausstellung junger Künstler in der Londoner Galerie nächsten Monat.“

„Verdammt, deshalb wusstest du, dass Gabriel heute kommen würde! Stimmt, er will ja die Ausstellung in der Londoner Galerie organisieren.“

„Während ich für eine Weile nach Paris gehe“, fügte Michael hinzu.

„Wirst du die schöne Lisette sehen, wenn du schon mal da bist?“ Rafe sah seinen Bruder vielsagend an.

Michael presste die Lippen zusammen. „Wen?“

Sein gleichgültiger Tonfall verriet Rafe, dass Michaels Beziehung mit der „schönen Lisette“ nicht nur vorbei, sondern auch schon Schnee von gestern war. „Und? Was ist denn nun so besonders an dieser Bryn Jones, dass du eine Akte über sie angelegt hast?“

„Vielleicht hilft dir dieses Foto ja auf die Sprünge …“ Michael schlug den Ordner auf und nahm eine Schwarz-Weiß-Fotografie heraus. „Es stammt von einer der Aufnahmen der Überwachungskameras, als sie gestern persönlich in die Galerie kam, um Eric Sanders ihr Portfolio zu überreichen.“ Eric war Kunstsachverständiger in der Londoner Galerie.

Rafe nahm das Foto und betrachtete es aufmerksam. Bryn Jones war eine junge Frau, vermutlich Anfang bis Mitte zwanzig, in einem dunklen Kostüm. Auf der Schwarz-Weiß-Aufnahme war ihre Haarfarbe schwer zu erkennen, doch es wirkte eher hell.

Sie hat ein wunderschönes Gesicht, dachte Rafe, während er das Foto betrachtete: herzförmige Gesichtsform, helle Augen, Stupsnase, hohe Wangenknochen und volle sinnliche Lippen.

Ein faszinierendes, ihm vage bekannt vorkommendes Gesicht …

„Irgendwie habe ich das Gefühl, sie zu kennen.“ Er hob den Kopf.

„Vermutlich kennst du sie auch. Wir alle“, fügte Michael hinzu. „Stell sie dir etwas … rundlicher vor, mit einer großen dunkel gerahmten Brille und langem mausbraunem Haar.“

„Klingt nicht gerade wie die Art Frau, zu der sich einer von uns je hingezogen …“ Rafe verstummte abrupt.

„Ach ja … ich habe vergessen zu erwähnen, dass du dir vielleicht die Augen näher ansehen solltest“, fügte Michael trocken hinzu.

Rafe blickte verblüfft hoch. „Das kann doch nicht sein, oder?“ Er betrachtete das Foto noch eingehender. „Willst du damit etwa sagen, dass diese schöne Frau hier Sabryna Harper ist?“

„Ja.“

„William Harpers Tochter?“

„Eben die.“ Michael nickte grimmig.

Bei dem Gedanken an den Skandal vor fünf Jahren presste Rafe die Lippen zusammen. Damals hatte William Harper ihrer Londoner Galerie einen angeblich bislang unbekannten Turner zum Verkauf angeboten. Normalerweise wäre die Existenz des Gemäldes geheim gehalten worden, bis es offiziell von Experten als Original anerkannt worden wäre, aber irgendwie hatte die Presse Wind davon bekommen, und die ganze Kunstwelt hatte hitzig darüber spekuliert, ob das Gemälde tatsächlich von William Turner stammte.

Gabriel war damals Leiter der Londoner Galerie gewesen, hatte die Harpers zwei Mal besucht und bei diesen Gelegenheiten auch Harpers Frau und Tochter kennengelernt. Es war ihm daher sehr schwergefallen, vor Gericht bezeugen zu müssen, dass es sich bei dem Werk um eine fast perfekte Fälschung handelte. Harper war zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Die Medien hatten sich auf seine Frau und die halbwüchsige Tochter gestürzt wie Hyänen. Die ganze traurige Geschichte war erneut breitgetreten worden, als Harper nach nur vier Monaten Haft im Gefängnis starb. Seitdem waren seine Frau und seine Tochter wie vom Erdboden verschluckt.

Bis jetzt, so wie es aussah …

Rafe beäugte Michael skeptisch. „Bist du dir absolut sicher, dass sie es ist?“

„Der Ordner in deiner Hand stammt von dem Privatdetektiv. Ich habe ihn sofort angeheuert, nachdem sie mir gestern in der Galerie über den Weg lief.“

„Du hast mit ihr gesprochen?“

Michael schüttelte den Kopf. „Nein, ich ging gerade zufällig durchs Foyer, als Eric mit ihr an mir vorbeilief. Wie schon gesagt, sie kam mir irgendwie bekannt vor. Der Privatdetektiv hat herausgefunden, dass Mary Harper kurz nach dem Tod ihres Mannes ihren Mädchennamen wieder angenommen hat.“

„Dann ist diese Bryn Jones also wirklich Sabryna Harper?“

„Ja.“

„Und was hast du jetzt vor?“

„Wie meinst du das?“

Rafe seufzte ungeduldig. „Na, offensichtlich kann sie unmöglich in die engere Auswahl für die Ausstellung nächsten Monat kommen.“

Michael zog die Augenbrauen hoch. „Und warum nicht?“

„Na, schon allein deshalb, weil ihr Vater uns ein gefälschtes Gemälde andrehen wollte und dafür ins Gefängnis kam!“ Rafe funkelte seinen Bruder wütend an. „Und nicht nur das, Gabriel hat dabei geholfen, ihn ins Gefängnis zu bringen!“

„Und die Tochter muss für die Sünden ihres Vaters büßen, meinst du das?“

„Nein, natürlich nicht! Aber … wie willst du wissen, dass die Gemälde in ihrem Portfolio tatsächlich von ihr stammen?“

„Das tun sie.“ Michael nickte. „Steht alles in der Akte. Sie hat einen erstklassigen Abschluss an der Kunsthochschule gemacht und versucht seit zwei Jahren erfolglos, ihre Bilder in anderen Galerien unterzubringen. Ich habe mir ihr Portfolio angesehen, Rafe, und sie ist gut. Mehr als gut sogar. Sie ist originell, was vermutlich der Grund dafür ist, dass die anderen Galerien sie bisher abgelehnt haben. Deren Pech und unser Gewinn. Ich habe die Absicht, eins ihrer Gemälde für meine Privatsammlung zu erwerben.“

„Dann wird sie also zu den sechs Siegern des Wettbewerbs gehören?“

„Ohne Zweifel.“

„Und was ist mit Gabriel?“

„Was soll mit ihm sein?“

„Wir hatten ihn damals wiederholt davor gewarnt, vor Gericht gegen Harper auszusagen, aber er hat nicht auf uns hören wollen. Nur ihretwegen ist er seit fünf Jahren so schlecht gelaunt. Was geht wohl in ihm vor, wenn er erfährt, wer Bryn Jones wirklich ist?“

„Jedenfalls ist sie mit den Jahren optisch erheblich ansehnlicher geworden“, antwortete Michael trocken.

Daran bestand kein Zweifel. „Klar, es ist nur … verdammt, Michael!“

Michael presste die Lippen zusammen. „Bryn Jones ist eine sehr talentierte Künstlerin und verdient daher eine Chance bei Archangel.“

„Fragst du dich denn gar nicht, warum sie sich bei uns beworben hat?“ Rafe runzelte besorgt die Stirn. „Vielleicht führt sie ja irgendetwas im Schilde? Vielleicht will sie sich für das, was mit ihrem Vater passiert ist, an uns oder an Gabriel rächen.“

„Das schoss mir auch schon durch den Kopf.“ Michael nickte.

„Und?“

Er zuckte die Achseln. „Zu diesem Zeitpunkt würde ich sagen, im Zweifel für die Angeklagte.“

„Aber was ist mit Gabriel?“

„Er hat mir schon des Öfteren versichert, dass er erwachsen ist und sich die Einmischung seines großen Bruders in sein Leben verbietet.“

Kopfschüttelnd ging Rafe auf und ab. „Willst du ihm etwa nicht sagen, wer sie ist?“

„Noch nicht“, erwiderte Michael. „Oder hast du etwa einen anderen Vorschlag?“

Nein, hatte Rafe nicht. Ehrlich gesagt war er absolut ratlos.

1. KAPITEL

Eine Woche später …

Vor mir liegt feindliches Terrain – schon wieder! stellte Bryn stirnrunzelnd fest, als sie die Marmorfassade der größten und renommiertesten Privatgalerie mit Auktionshaus in London betrachtete. Der Name Archangel glitzerte in goldenen Buchstaben im Sonnenlicht über der breiten Glasfront.

Nachdem sie sich innerlich einen Ruck gegeben hatte, trat sie durch die sich automatisch öffnende Glastür und betrat entschlossen das prachtvolle, mit Schaukästen voller wertvoller Kunstwerke ausgestattete Marmorfoyer.

Bryns innerer Widerstand war deshalb so groß, weil das hier für sie tatsächlich feindliches Terrain war. Die D’Angelos, vor allem Gabriel, waren nämlich dafür verantwortlich, dass ihr Vater vor fünf Jahren im Gefängnis gestorben war … und für ihr gebrochenes Herz …

Aber daran durfte sie jetzt nicht denken. Sie musste sich auf ihre verzweifelte Notlage konzentrieren. In den letzten zwei Jahren war sie von einer Galerie nach der anderen abgelehnt worden. Nach ihrem Abschluss an der Kunstakademie hatte sie noch geglaubt, die Welt stehe ihr offen, doch noch lag die ersehnte Anerkennung in weiter Ferne.

Viele ihrer ehemaligen Kommilitonen hatten dem Druck ihrer Familien und ihrer finanziellen Situation nachgegeben und waren in die Werbung gegangen oder Lehrer geworden, anstatt ihren Traum zu verwirklichen, von der Malerei zu leben. Aber nicht Bryn. Oh nein, sie hatte stur an ihrem Wunsch festgehalten, in einer Londoner Galerie ausgestellt zu werden – in dem festen Glauben, dass sie eines Tages ihre Mutter stolz machen und die mit dem Namen ihrer Familie verknüpfte Schande auslöschen würde.

Doch nachdem sie sich zwei Jahre lang eher schlecht als recht durchgeschlagen hatte, wurde es Zeit, sich ihre Niederlage einzugestehen. Das hieß natürlich noch lange nicht, dass sie die Malerei an den Nagel hängen, sondern dass sie zähneknirschend an dem renommierten Wettbewerb für Nachwuchskünstler der Archangels teilnehmen würde.

„Miss Jones?“

Bryn drehte sich zu einer der beiden Empfangsdamen hinter dem eleganten Marmortresen um und straffte die Schultern. Sie hatte nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen … weder von der prachtvollen Umgebung noch von den kühlen eleganten Damen. „Ja, das bin ich.“

„Ich bin Linda“, sagte die andere Frau, stand auf und ging auf Bryn zu. Das Klacken ihrer hohen Absätze hallte laut in der Halle wider.

Bryn kam sich in ihrer schwarzen Hose und der geblümten Seidenbluse plötzlich ziemlich underdressed vor. „Ich habe einen Termin mit Eric Sanders“, sagte sie.

Linda nickte. „Wenn Sie mir bitte zum Fahrstuhl folgen würden? Mr. D’Angelo hat mich gebeten, Sie gleich nach Ihrer Ankunft nach oben zu bringen.“

Bryn erstarrte. Ihre Füße fühlten sich plötzlich bleischwer an. „Ich dachte, ich bin mit Mr. Sanders verabredet.“

Als Bryn keine Anstalten machte zu folgen, drehte Linda sich wieder zu ihr um. „Mr. D’Angelo übernimmt heute Morgen die Vorstellungsgespräche.“

Bryns Mund wurde so trocken, dass ihr die Zunge am Gaumen zu kleben schien. „Mr. D’Angelo?“, stieß sie hervor.

Die ältere Frau nickte. „Einer der drei Brüder, denen diese Galerie gehört.“

Bryn wusste genau, wer die drei D’Angelo-Brüder waren. Aber welchen von ihnen meinte Linda. Den hochmütigen Michael? Den arroganten Playboy Raphael? Oder den grausamen Gabriel, der vor fünf Jahren auf ihrem naiven Herzen herumgetrampelt war?

Doch im Grunde genommen spielte es keine Rolle. Sämtliche drei Brüder waren arrogant und mitleidlos, und Bryn würde sich keinem von ihnen auch nur bis auf drei Schritte nähern, wenn sie nicht den Ehrgeiz hätte, zu den sechs Gewinnern zu gehören, deren Gemälde nächsten Monat ausgestellt werden würden. Schrecklich, wie weit die pure Verzweiflung einen treiben konnte!

Sie schüttelte den Kopf „Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor“, sagte sie stirnrunzelnd. „Ich habe den Termin mit Mr. Sanders’ Sekretärin vereinbart.“

„Weil Mr. D’Angelo zu dem Zeitpunkt außer Landes war“, erklärte Linda.

Bryn starrte die Frau hilflos an.

Oh Gott! Vielleicht wäre es das Beste, die Flucht zu ergreifen, solange sie noch Gelegenheit dazu hatte.

Gabriel stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und verfolgte gebannt die Bilder, die die Überwachungskamera im Foyer der Galerie auf seinen Laptop schickte.

Er hatte Bryn Jones im selben Moment erkannt, als sie die Galerie betreten hatte. Fasziniert beobachtete er ihr Zögern und ihren verwirrten Gesichtsausdruck, als Linda sie ansprach, gefolgt von völliger Erstarrung. Vermutlich erzählte Linda ihr gerade, dass sie den Termin mit ihm statt mit Eric hatte.

Bryn Jones …

Oder vielmehr Sabryna Harper.

Er hatte sie zuletzt vor fünf Jahren in einem überfüllten Gerichtssaal gesehen. Tagelang hatte sie ihn voller Abscheu aus glitzernden, wenn auch samtweichen taubengrauen Augen hinter dunkel gerahmten Brillengläsern angefunkelt.

Damals war Sabryna Harper erst achtzehn Jahre alt gewesen, etwas übergewichtig und ungeschickt. Ihr Haar war hellbraun und glatt gewesen und ihre Augen hinter den dicken Brillengläsern groß und verletzlich. Eine Verletzlichkeit, die Gabriel unerklärlicherweise stark angezogen hatte.

Inzwischen war sie gertenschlank und hatte eine tolle Figur, die in der lockeren geblümten Bluse und der engen Hose vorteilhaft zur Geltung kam. Ihr hellbraunes Haar war mit blonden Strähnchen durchzogen und war gut geschnitten und gestylt. Außerdem verzichtete sie inzwischen auf die Brille, vermutlich zugunsten von Kontaktlinsen. Ihrem entschlossenen Auftreten nach zu urteilen, war sie inzwischen auch selbstsicherer als früher.

Der Gewichtsverlust machte sich am stärksten in ihrem Gesicht bemerkbar, vor allem den hohen Wangenknochen. Und ihr sexy Mund erst … Gott sei Dank hatte Rafe ihn schon davor gewarnt. Bei dem Anblick bekam Gabriel unwillkürlich eine Erektion. Hoffentlich würde sie abgeklungen sein, bis sie sein Büro betrat.

Hätte er in dieser selbstbewussten jungen Frau die Sabryna Harper von vor fünf Jahren erkannt, wenn Rafe ihm nicht ihre wahre Identität verraten hätte? Oh ja, Gabriel hatte keinen Zweifel daran! Üppig oder schlank, Brille oder nicht, linkisch oder elegant und selbstsicher – er hätte sie immer wiedererkannt.

Die Frage war nur, ob sie sich anmerken lassen würde, dass sie ihn ebenfalls kannte.

Traumhaft, dekadent, sündhaft, braun wie geschmolzene Schokolade – nur so kann man Gabriel D’Angelos Augen beschreiben, dachte Bryn voller Selbstekel, als sie vor dem Marmorschreibtisch des Mannes stand, den sie jetzt schon so lange als ihren Erzfeind betrachtete. Des Mannes, der mit seiner Arroganz und Mitleidlosigkeit nicht nur ihren Vater ins Gefängnis gebracht, sondern auch Sabryna Harper getötet und Bryn Jones aus deren Asche hatte auferstehen lassen.

Desselben Mannes, der die jugendliche Sabryna verzaubert, sie geküsst und ihr das Herz gestohlen hatte.

Desselben Mannes, der nur wenige Wochen später in einem Gerichtssaal ihren Vater zu Gefängnis verdammt hatte.

Desselben Mannes, den Sabryna trotz allem gewollt hatte. Schon allein sein bloßer Anblick im Gerichtssaal war erregend gewesen, obwohl sie doch nichts als Hass für ihn hätte empfinden dürfen.

Sie hatte die gefährliche Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, in ihren Jahren als Bryn verdrängt und geleugnet. Sie hatte sich eingeredet, dass ihre Gefühle bei seinem Anblick nur leidenschaftliche Abneigung gewesen waren, Hass vielleicht sogar, weil sie sich auf keinen Fall zu ihm hingezogen fühlen durfte, nach allem, was er ihrer Familie angetan hatte.

Doch ein Blick auf ihn genügte, um zu wissen, dass sie sich in den letzten fünf Jahren nur etwas vorgemacht hatte; dass Gabriel D’Angelo trotz allem nach wie vor eine gefährliche Wirkung auf sie hatte. Er hatte eine solche Präsenz, dass er das dramatisch elegant eingerichtete Büro mit Blick auf die Londoner Skyline komplett auszufüllen schien.

Gabriel D’Angelo …

Warum hatte er nicht inzwischen eine Halbglatze, einen Bauch und Falten? Aber nein, er war genauso aufreizend schlank und muskulös wie früher, eine Tatsache, die durch seinen dunklen maßgeschneiderten Designer-Anzug noch betont wurde. Auch sein lässig aus dem Gesicht gekämmtes welliges Haar war noch so voll und dunkel wie in ihrer Erinnerung.

Und sein Gesicht erst!

Er hatte das Gesicht eines Models, die Art Gesicht, bei deren Anblick Frauen jeden Alters schwach wurden. Seine Stirn über seinen sündhaft braunen Augen war hoch, er hatte eine gebogene Nase, hohe scharf geschnittene Wangenknochen und olivfarbene Haut ohne eine Spur von Falten! Seine Lippen waren perfekt, wie gemeißelt – die obere voller als die untere –, und sein markantes Kinn verriet Entschlossenheit.

„Miss Jones.“ Gabriel D’Angelos kultivierte Stimme klang genauso tief und heiser wie früher. Und Bryn reagierte darauf genauso wie damals: mit weichen Knien.

Als er aufstand und um den Schreibtisch herumkam, musste sie sich dazu zwingen, nicht vor ihm zurückzuweichen. Anscheinend wollte er ihr nur zur Begrüßung die Hand reichen. Eine schlanke elegante Hand, deren Händedruck sich bestimmt genauso kräftig anfühlen würde, wie sie aussah.

Bryn zuckte innerlich zusammen, als er sie eingehend unter halb geschlossenen Lidern musterte. Der Blick aus seinen schokoladenbraunen Augen war so durchdringend, dass sie das Gefühl hatte, er sehe bis auf den Grund ihrer Seele.

Würde er erkennen, dass sie Sabryna Harper war? Irgendwie bezweifelte sie das, denn die linkische Sabryna hatte trotz ihres Kusses bestimmt keinen großen Eindruck auf ihn gemacht. Außerdem hatte es in den letzten fünf Jahren unter Garantie jede Menge andere Frauen in seinem Leben gegeben – und in seinem Bett!

Abgesehen davon hatte sie inzwischen einen anderen Namen und sah komplett anders aus. Sie war zehn Kilo leichter, ihr Haar war jetzt kürzer und mit blonden Strähnchen durchzogen, ihr Gesicht war schmaler und kantiger, und sie trug Kontaktlinsen anstatt der dicken Brille von damals.

Bryn wischte sich verstohlen die feuchte rechte Hand an der Hose ab, bevor sie sie Gabriel reichte. Sie hatte die Absicht, seine Hand nur ganz flüchtig zu schütteln, doch sein Griff war so warm und fest, dass die Berührung sie wie ein Stromschlag durchzuckte. Ihre Brüste kribbelten, und ihre Brustwarzen richteten sich unter der Bluse auf.

Gabriel D’Angelo schien die Berührung ähnlich intensiv zu empfinden, wenn sein sich festigender Griff um ihre Hand und seine sich verengenden Augen nicht trogen.

„Endlich lernen wir uns kennen, Miss Jones“, murmelte er, ohne ihre Hand loszulassen.

Bryn blinzelte. Argwöhnisch schaute sie ihn aus jenen taubengrauen Augen an, die ohne Brille noch schöner aussahen. „Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen.“

Gabriel hatte selbst keine Ahnung.

Rafe hatte ihm geraten, Bryn Jones von der Künstlerliste für die Ausstellung zu streichen – ein Rat, den Gabriel aus professioneller Sicht gut nachvollziehen konnte, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er ihren verstorbenen Vater William Harper ins Gefängnis gebracht hatte.

Aber …

… es hatte da auch etwas zwischen ihm und ihr gegeben. Zugegebenermaßen war damals nicht viel passiert, nur ein Kuss, als er sie eines Abends nach einem Besuch bei Archangel nach Hause gefahren hatte, aber er hatte sich mehr erhofft. In den letzten fünf Jahren hatte er oft an sie denken müssen und sich immer wieder gefragt, was aus ihnen wohl geworden wäre, wenn der Skandal sie nicht auseinandergerissen hätte.

Gabriel war alles andere als stolz auf seine Rolle bei den Ereignissen damals. Er dachte nicht gern an William Harpers Inhaftierung, seinen Tod und die erbarmungslose Art und Weise, wie seine Frau und seine Tochter von den Medien verfolgt worden waren.

Gegen den Rat seiner Brüder hatte er nach Harpers Verhaftung immer wieder versucht, Sabryna aufzusuchen, aber sie hatte ihm nie die Tür geöffnet und ihre Telefonnummer geändert, sodass er sie nicht mehr hatte erreichen können. Er hatte schließlich beschlossen, ihr Zeit zu lassen, um alles zu verarbeiten.

Doch dann war William Harper im Gefängnis gestorben, und sein Tod hatte alle Hoffnungen Gabriels auf eine Beziehung mit Sabryna zunichtegemacht.

In den letzten Tagen hatte er einen objektiven Blick, einen rein professionellen Blick auf die Gemälde geworfen, die Bryn Jones für den Wettbewerb eingereicht hatte. Sie waren wirklich gut – ihre Stillleben so sorgfältig gemalt, dass man die welkenden Rosen in der Vase förmlich riechen konnte.

Ihr großes künstlerisches Talent war in jedem Pinselstrich erkennbar. Gabriel war davon überzeugt, dass Bryn Jones’ Gemälde eines Tages begehrte Sammlerobjekte sein würden – nicht nur wegen ihrer Ästhetik, sondern auch als solide Investition. Er hatte daher nicht vor, Bryn von der Ausstellung Neuer Künstler auszuschließen, nur um sich selbst die Unannehmlichkeit zu ersparen, ihr gegenüberzutreten und eventuell ihren Hass zu spüren.

Als seine Erektion mit Macht zurückkehrte, ließ er ihre Hand abrupt los und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Damit meine ich, dass Sie die siebte und letzte Kandidatin sind, die zum Gespräch kommt.“ Sie war zwar die einzige Kandidatin, mit der Gabriel persönlich sprach, aber das brauchte sie ja nicht zu erfahren.

Bryn wurde blass. „Die siebte Kandidatin?“

Gabriel zuckte die Achseln. „Es ist immer gut, eine Notbesetzung zu haben, finden Sie nicht?“

Sie war die Notbesetzung?

Bryn hatte gedacht – nein, sie war davon überzeugt gewesen –, das zweite Gespräch bei Archangel bedeute, dass sie auf jeden Fall an der Ausstellung teilnehmen würde. Und jetzt erzählte Gabriel D’Angelo ihr, dass sie die Notbesetzung war? Sie kam sich vor wie eine Schauspielerin, die den ganzen Text gelernt hatte und perfekt beherrschte und jetzt Nacht für Nacht hinter der Bühne auf eine Chance warten musste, die vielleicht nie kam.

Hatte Gabriel sie vielleicht doch erkannt? Und falls ja, erlaubte er sich einen grausamen Scherz mit ihr? War das seine perfide Art, sich für den Skandal zu rächen, in den ihr Vater die Archangel-Galerie und ihre drei Besitzer vor fünf Jahren verstrickt hatte?

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Jones?“ Gabriel erhob sich stirnrunzelnd. „Sie sind ganz blass geworden …“

Nein, mit Bryn war durchaus nicht alles „in Ordnung“. Ehrlich gesagt ging es ihr hundeelend. So elend, dass sie noch nicht mal versuchte zurückzuweichen, als Gabriel ihr viel zu nahe kam. Hatte sie ihren Stolz etwa vergeblich hinuntergeschluckt? War sie umsonst das Risiko eingegangen, von den D’Angelo-Brüdern erkannt zu werden, nur um sich jetzt anhören zu müssen, dass sie nicht gut genug war?

„Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser bekommen?“ Mit zitternder Hand wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

„Natürlich.“ Gabriel wirkte ziemlich besorgt, als er zur Bar ging.

Sie war die Notbesetzung!

Was für eine herbe Enttäuschung.

Und was für eine Demütigung.

„Ich habe es mir anders überlegt“, sagte sie kühl und richtete sich würdevoll auf. „Haben Sie Whisky?“

Gabriel drehte sich langsam zu ihr um und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Bryn Jones hatte wieder Farbe in den Wangen, und ihre Augen funkelten wütend. Diesen Blick kannte er nur allzu gut aus dem Gerichtssaal. Was war bloß los mit ihr? Sie hatten sich doch gerade ganz normal unterhalten, und zwar über …

Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Er hatte ihr mitgeteilt, dass sie die siebte Kandidatin bei einem Wettbewerb für sechs Kandidaten war.

Er ging mit dem Whiskyglas zu ihr zurück. „Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor.“

„Eindeutig.“ Nickend nahm Bryn ihm das Kristallglas ab und stürzte den Inhalt hinunter, bevor sie erschrocken aufkeuchte und einen Hustenanfall bekam. Der scharfe Alkohol brannte wie Feuer in ihrer Kehle.

„Ein dreißig Jahre alter Single-Malt-Whisky sollte genossen anstatt hinuntergestürzt werden wie Limonade auf einem Kindergeburtstag“, meinte Gabriel trocken, als er ihr das leere Glas abnahm und auf dem Schreibtisch abstellte. „Soll ich …?“

„Lassen Sie sich ja nicht einfallen, mir auf den Rücken zu klopfen!“, warnte Bryn ihn, als sie seine erhobene Hand sah. Ihre Wangen waren hochrot, und ihre Augen tränten.

Gabriel hoffte, dass die Ursache ihrer Tränen der Hustenanfall war und nicht Enttäuschung. Offensichtlich hatte sie seine vorherige Bemerkung gründlich missverstanden, und er hatte ihr weiß Gott schon genug Kummer bereitet. „Möchten Sie jetzt das Glas Wasser?“

Ihre Augen blitzten noch wütender auf als vorher. „Nein, nicht nötig“, antwortete sie scharf. „Und was Ihr Angebot angeht, Mr. D’Angelo …“

„Gabriel.“

Sie blinzelte überrascht. „Wie bitte?“

„Ich habe Sie gebeten, mich Gabriel zu nennen.“

Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Warum um alles in der Welt sollte ich das tun?“

Gabriel musterte sie belustigt. „Vielleicht im Sinne einer … harmonischeren Arbeitsbeziehung?“

Bryn schnaubte verächtlich. „Wir haben keine Beziehung, Mr. D’Angelo, weder eine Arbeitsbeziehung noch sonst irgendeine.“ Sie hob die Handtasche auf, die bei dem Hustenanfall heruntergefallen war. „Ich bin davon überzeugt, dass viele Künstler sich geschmeichelt fühlen würden, die siebte Kandidatin bei einem Wettbewerb für sechs zu sein, aber ich fürchte, ich gehöre nicht dazu.“ Ruckartig drehte sie sich um und marschierte zur Tür.

„Bryn.“

Beim Klang ihres Namens blieb sie abrupt stehen. Gabriel hatte ihn mit sanfter heiserer Stimme ausgesprochen – mit demselben perfekten Mund, mit dem er sie vor fünf Jahren geküsst hatte und der sie in ihren nächtlichen Fantasien vor, während und nach der Verhandlung und Inhaftierung ihres Vaters gequält hatte.

Er hatte ihren Namen so … zärtlich und verführerisch ausgesprochen. Seine Stimme war so sexy, dass Bryn sofort wieder in Flammen stand. Langsam drehte sie sich zu Gabriel um. Ihr verräterischer Körper schien Gabriel D’Angelo noch immer für den attraktivsten Mann zu halten, den er je gesehen hatte.

Aber das durfte nicht sein.

Sie durfte nicht.

Wie konnte sie noch Gefühle für ihn haben, wo er doch bei der Zerstörung ihrer Familie eine so entscheidende Rolle gespielt hatte?

Bryn und ihre Mutter hatten fünf harte Jahre hinter sich. Sie hatte mit ihrem Studium und ihrem Nebenjob in einem Café so viel um die Ohren gehabt, dass ihr nie viel Zeit für Männer geblieben war – hier und da mal ein Date, aber nichts Festes oder Intimes. Außerdem hätte eine ernste Beziehung bedeutet, dass sie ihre Identität hätte preisgeben müssen, etwas, das sie nur sehr ungern getan hätte.

Zumindest hatte sie das bisher immer vorgeschoben …

Gabriel D’Angelo wieder gegenüberzustehen, seine Stimme zu hören und mit der Tatsache konfrontiert zu werden, dass er der Grund für ihr mangelndes Interesse an anderen Männern war, war unglaublich demütigend.

Genauso wie die verstörende Tatsache, dass schon allein seine bloße Gegenwart, sein Anblick und der Klang seiner Stimme eine erregende Wirkung auf sie hatten. Er brauchte noch nicht mal einen Finger zu krümmen.

Ausgerechnet Gabriel D’Angelo, ein Mann, der sie nur ein einziges Mal geküsst und das vermutlich sofort hinterher bereut hatte, war ihr Maßstab für alle anderen Männer nach ihm. Das war nicht nur total masochistisch und verrückt, sondern auch illoyal gegenüber ihrer Mutter und der Erinnerung an ihren Vater …

2. KAPITEL

„Sie sind ja schon wieder ganz blass geworden“, sagte Gabriel besorgt und ging rasch auf Bryn zu, die wie erstarrt vor seiner Bürotür stand. „Vielleicht sollten Sie sich für einen Moment hinsetzen.“

„Bitte nicht!“, protestierte Bryn, als er sie am Arm nehmen wollte. Krampfhaft umklammerte sie ihre Handtasche und schüttelte vehement den Kopf. „Ich muss jetzt gehen.“

Gabriel presste die Lippen zusammen. „Unser Gespräch ist noch nicht beendet, Bryn.“

„Oh, es ist beendet, Mr. D’Angelo“, versicherte sie ihm hitzig. „Wie schon gesagt, danke für die … die Ehre, zur siebten Kandidatin auserwählt worden zu sein, aber ich werde meine Zeit nicht damit verschwenden, die zweite Geige zu spielen.“ Ihre Augen funkelten wütend. „Ich frage mich, wie Sie überhaupt auf die Idee gekommen sind, dass ich …“

„Sie sind mit Abstand die beste der für die Ausstellung vorgesehenen Kandidaten, Bryn“, fiel Gabriel ihr ins Wort, bevor sie sich mit ihren Angriffen womöglich noch ihr eigenes Grab schaufelte. „Ich habe mir das Beste bis zum Schluss aufbewahrt“, fügte er trocken hinzu.

„Danke für Ihr Interesse, aber …“ Bryn schwieg und starrte verdutzt Gabriel an, als der Sinn seiner Worte endlich durch den Nebel ihrer Wut drang. Sie befeuchtete sich kurz die Lippen – diese sexy Schmolllippen. „Haben Sie wirklich gerade gesagt …?“

„Ja, habe ich“, bestätigte Gabriel grimmig.

„Aber vorhin meinten Sie doch … Sie meinten, dass ich die Siebte bin, die Sie eingeladen haben …“

„Und einer der anderen sechs ist die Notbesetzung. Und fühlt sich sehr geschmeichelt“, fügte Gabriel pointiert hinzu.

Bryn starrte ihn verdutzt an. Jetzt erst wurde ihr bewusst, wie daneben sie sich benommen hatte. Gabriel hatte völlig recht. Zu keinem Zeitpunkt hatte er gesagt, dass sie die siebte Kandidatin war, nur die siebte Künstlerin, die sich vorstellte.

Sie versuchte, gegen ihre Übelkeit anzukämpfen, doch leider brachte das nichts, weil der Single-Malt-Whisky, den sie „wie Limonade auf einem Kindergeburtstag“ hinuntergestürzt hatte, sich offensichtlich nicht mit ihrem leeren Magen vertrug. Sie war heute Morgen viel zu nervös gewesen, um zu frühstücken. „Ich glaube, mir wird schlecht“, sagte sie und schlug eine Hand vor den Mund.

„Das Badezimmer ist dort drüben“, antwortete Gabriel rasch, nahm sie am Arm und zog sie hastig zu einer geschlossenen Tür auf der anderen Seite des Büros.

Diesmal setzte Bryn sich nicht gegen ihn zur Wehr, als er die Badezimmertür öffnete und sie hineinschob. Sie war zu viel beschäftigt damit, ihre Übelkeit zu unterdrücken.

Badezimmer? So etwas würde man eher in einem Privathaushalt erwarten. Der Raum hatte eine ebenerdige Dusche und musste ungefähr so groß wie das Einzimmerapartment sein, in dem Bryn seit einem Jahr wohnte und malte.

Sie ließ ihre Handtasche auf den Marmorboden fallen und schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilettenschüssel, bevor sie sich übergab.

„Was für eine Verschwendung des dreißig Jahre alten Single-Malt-Whiskys!“, kommentierte Gabriel trocken, als Bryn ein paar Minuten später absolut nichts mehr im Magen hatte.

Sie fühlte sich noch stärker gedemütigt, als ihr bewusst wurde, dass sie die Tür nicht geschlossen und er sie anscheinend die ganze Zeit beobachtet hatte. „Ich kaufe Ihnen eine neue Flasche“, murmelte sie, als sie die Spülung betätigte. Sie versuchte, Gabriels Blick auszuweichen, ging zum Waschbecken, drehte den goldenen Wasserhahn auf und benetzte sich die Wangen mit kaltem Wasser.

„Für tausend Pfund die Flasche?“

Erschrocken riss Bryn die Augen auf und ließ das Handtuch sinken, mit dem sie sich abgetrocknet hatte. Als sie sich zu Gabriel umdrehte, lehnte er lässig im Türrahmen, die Arme vor der muskulösen Brust verschränkt.

Beim Anblick seines belustigten Blicks bereute sie sofort, sich zu ihm umgedreht zu haben. „Wer gibt denn so viel Geld für …? Sie offensichtlich“, fügte sie beim Anblick seiner hochgezogenen Augenbrauen hinzu. „Okay, ich fürchte, ich kann es mir gerade nicht leisten, Ihnen eine neue Flasche zu kaufen.“

Als sie Gabriels heiseres Lachen hörte, beschleunigte sich ihr Herzschlag.

Es war Jahre her, dass Gabriel in ihrer Gegenwart gelacht hatte – nach der Verhaftung ihres Vaters hatten sie nichts zu lachen gehabt –, und sein völlig verändertes Gesicht erinnerte sie wieder daran, warum sie sich vor all den Jahren so heftig in ihn verliebt hatte.

Sie hatte geglaubt – gehofft –, dass sie nicht mehr so intensiv auf ihn reagieren würde, wenn sie sich je zufällig begegnen sollten, aber die Wärme in seinem Blick, die Grübchen in seinen Wangen und das Aufblitzen seiner weißen Zähne zwischen den sinnlich geschwungenen Lippen zeigten, dass sie sich geirrt hatte. Gabriel sah schon sündhaft gut aus, wenn er ernst war, doch seine Anziehungskraft wurde geradezu tödlich, wenn er lachte!

Bryn wandte abrupt den Blick ab und betrachtete ihr Spiegelbild – ihre dunklen Augenringe, ihre blassen Wangen … ihre Verletzlichkeit. Eine Verletzlichkeit, die sie sich in der Gegenwart dieses Mannes einfach nicht leisten konnte.

Sie holte tief Luft, bevor sie sich wieder zu Gabriel umdrehte. „Ich entschuldige mich für meine Bemerkungen vorhin, Mr. D’Angelo. Das war unhöflich und übereilt von mir …“

„Hören Sie auf damit, Bryn“, unterbrach er sie und löste sich vom Türrahmen. „Kleinlaute Entschuldigungen passen nicht zu Ihnen.“

Sie errötete. „Sie hätten mich wenigstens ausreden lassen können, bevor Sie sich über mich lustig machen“, sagte sie wütend. Als sie sah, dass er sich das Lachen verkniff, senkte sie den Blick und betrachtete den schönen Marmorfußboden. Ob er inzwischen gemerkt hatte, wer sie war? Oh Gott, hoffentlich nicht!

„Ich würde vorschlagen, wir setzen unser Gespräch jetzt fort“, sagte Gabriel. „Oder brauchen Sie noch mehr Zeit über meiner Toilette?“

Bryn verzog das Gesicht. „Das lag nur am Whisky auf nüchternen Magen.“ Und daran, dass sie voreilige Schlüsse aus seinen Worten gezogen hatte.

„Selbstverständlich“, erwiderte Gabriel trocken und trat zur Seite, damit Bryn ihm zurück ins Büro folgen konnte. „Wie schon gesagt, Sie gehören zu den sechs Kandidaten für unsere Ausstellung. Wollen wir uns hinsetzen und die Details besprechen?“ Er zeigte auf das bequeme braune Ledersofa und die beiden Sessel, die vor dem großen Panoramafenster um einen Couchtisch gruppiert waren.

„Natürlich.“ Bryn nahm demonstrativ auf einem der Sessel anstatt auf dem Sofa Platz, bevor sie akkurat die Beine übereinanderschlug und zu Gabriel aufblickte.

Er holte eine Flasche Wasser und ein sauberes Glas von der Bar, stellte beides vor sie hin und setzte sich ihr gegenüber.

„Danke“, murmelte Bryn, öffnete die Flasche und goss sich etwas Wasser ein. Dankbar trank sie einen Schluck. „Mr. Sanders hat mir letzte Woche schon ein paar Einzelheiten zur Ausstellung erzählt, aber ich würde natürlich gern mehr erfahren.“ Ihr Tonfall war plötzlich ganz geschäftsmäßig.

Gabriel musterte sie immer wieder verstohlen, während sie die Details zur Ausstellung besprachen und Bryn sich Notizen machte. Vor fünf Jahren war sie noch süß und unschuldig gewesen, ein junges Mädchen an der Schwelle zur Frau – eine damals für ihn faszinierende Kombination. Die letzten Jahre hatten ihr etwas von ihrer Unschuld genommen, zumindest was Menschen und Ereignisse anging. Körperlich hatte Gabriel keine Ahnung, aber er bezweifelte, dass sie noch Jungfrau war. Fünf Jahre waren eine lange Zeit.

Sie war nicht nur schöner, sondern auch selbstsicherer geworden – vor allem, was Kunst anging. Ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet waren beachtlich. „Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, in einer Galerie wie Archangel zu arbeiten?“, fragte er, als sie nach einer halben Stunde fertig waren.

Bryn, die gerade ihren Notizblock in ihrer Handtasche verstaute, blickte überrascht hoch. „Wie bitte?“

Er zuckte die Achseln. „Sie kennen sich offensichtlich gut mit Kunstobjekten aus und sind begeisterungsfähig und intelligent. Sie wären ein Gewinn für jede Galerie, nicht nur für Archangel.“

Bryn musterte Gabriel stirnrunzelnd. „Bieten Sie mir etwa einen Job an?“, fragte sie.

Ungerührt erwiderte er ihren Blick. „Warum nicht?“

„Weil ich das Angebot natürlich ablehnen muss! Danke“, fügte sie etwas verspätet hinzu, als ihr bewusst wurde, dass sie schon wieder ziemlich unhöflich war – ein in Anbetracht der Situation völlig unangemessenes Verhalten.

„Warum?“

„Warum?“ Ungeduldig schüttelte sie den Kopf. „Weil ich meine Gemälde in einer Galerie verkaufen will, nicht in einer arbeiten!“

Gabriel zuckte die Achseln. „Was spricht dagegen, Ihre Rechnungen bezahlen zu können, bis es so weit ist?“

Bryn musterte ihn misstrauisch. Ihr war bewusst, dass ihre Miete nächste Woche fällig wurde und sie noch dringend weitere Rechnungen zu begleichen hatte. Ein gut bezahlter Job wäre eine Riesenerleichterung, aber sie hatte schon einen, auch wenn ihr Verdienst kaum ihre Ausgaben deckte.

Wollte Gabriel etwa den Wohltäter spielen?

Sofort schalt sie sich selbst für diesen Gedanken. Gabriel D’Angelo war alles andere als selbstlos. Er wusste nur genauso gut wie sie, dass sie mehr als fähig für den Job in der Galerie war, und nahm daher an, dass sie eine solche Chance sofort beim Schopf packen würde, zumal Künstler dafür bekannt waren, in Mansarden zu verhungern. Bryn hungerte aber nicht wirklich, sie aß nur an manchen Tagen nichts.

„Nichts natürlich“, antwortete sie kurz angebunden. „Aber ich habe schon einen anderen Job.“ Sie bückte sich, um ihre Handtasche aufzuheben. „Und meine nächste Schicht beginnt in einer halben Stunde, also …“

„Ihre nächste … Schicht?“

„Ja“, bestätigte Bryn, irritiert über seine Ungläubigkeit. „Ich arbeite in der Filiale einer bekannten Coffeeshop-Kette.“

Gabriel zog die Augenbrauen hoch. „Latte, Cappuccino, Espresso und Muffins? Diese Art Coffeeshop meinen Sie?“

Die letzte halbe Stunde der Unterhaltung war relativ glatt verlaufen. Streckenweise war sie sogar ganz angenehm gewesen, zum Beispiel als sie die Auswahl von Bryns Gemälden für die Ausstellung besprochen hatten. Aber der Friede war anscheinend trügerisch gewesen, wenn Gabriel jetzt die arrogante Millionärsnummer abzog. Bryn sah ihn trotzig an. „Haben Sie etwas gegen Coffeeshops?“

Er presste die Lippen zusammen. „Ich kann mich nicht erinnern, je einen aufgesucht zu haben.“

War ja klar. Reiche Menschen wie Gabriel D’Angelo bevölkerten exklusive Restaurants und schicke Bars, keine Coffeeshops.

„Aber ich habe etwas dagegen, wenn eine meiner Künstlerinnen in einem arbeitet, ja“, fuhr er fort.

Bryn erstarrte. „Eine Ihrer Künstlerinnen?“

„Die Ausstellung bei uns ist Ihre erste öffentliche Ausstellung, nehme ich an?“

„Ich habe in den letzten Jahren ein oder zwei Gemälde in kleineren Galerien verkauft“, verteidigte sie sich.

„Aber bei uns werden doch erstmalig mehrere Werke von Ihnen auf einmal öffentlich ausgestellt, oder?“

Bryn zögerte einen Moment. „Ja, schon …“

Gabriel nickte. „Dann wird Ihr Name in Zukunft mit der Archangel Galerie verknüpft sein, ob Ihnen das gefällt oder nicht.“

Bryn gefiel das ganz und gar nicht. Es war ihr schon unangenehm genug gewesen, an dem Wettbewerb der verhassten D’Angelo-Brüder teilnehmen zu müssen. Die Vorstellung, dass man ihren Namen von jetzt an für immer mit einer ihrer Galerien verbinden würde, war der absolute Horror.

Sie hatte ihrer Mutter bisher noch nichts von ihrer Verzweiflungstat erzählt. Wie würde Mary wohl reagieren, wenn sie erfuhr, dass Bryn ihre Gemälde in seiner Galerie ausstellte? Vielleicht hätte sie vorher mal darüber nachdenken sollen …

Gabriel sah ihr an, dass sie innerlich hin und her gerissen war. Sie war offensichtlich ehrgeizig genug, um für ihre öffentliche Anerkennung Opfer zu bringen, aber die Vorstellung, mit den D’Angelos in Verbindung gebracht zu werden, ging ihr anscheinend gewaltig gegen den Strich. Noch ein Hinweis mehr darauf, wie sehr sie ihn und alles verabscheute, wofür er stand.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo Ihr Problem liegt“, sagte Bryn schnippisch.

Gabriel verzog das Gesicht. „Ich glaube, es macht sich nicht gerade gut in Ihrem Lebenslauf für den Katalog, dass Sie in einem Coffeeshop arbeiten.“

„Gut für wen?“

Gabriel war irritiert. Er hatte nicht die Absicht, ihr zu verraten, dass er bereits von ihrem Nebenjob wusste – und dass ihre Tätigkeit ihm aus ganz persönlichen Gründen gegen den Strich ging. Zumal er den Eindruck hatte, dass sie mit den Einkünften kaum ihre Rechnungen bezahlen konnte. Ein Job als Assistentin bei Archangel würde sie zumindest von dieser Last befreien.

Er runzelte die Stirn. „Aus welchem Grund sollten Sie den Job ablehnen?“

„Mal sehen …“ Mit einer übertriebenen nachdenklichen Geste legte sie einen Finger ans Kinn. „Erstens will ich nicht in einer Galerie arbeiten. Zweitens will ich nicht in einer Galerie arbeiten. Und drittens will ich nicht in einer Galerie arbeiten!“ Triumphierend sah sie ihn an.

„Wollen Sie nur in dieser Galerie nicht arbeiten oder in überhaupt keiner?“, fragte Gabriel.

„In keiner“, antwortete Bryn resolut. „Außerdem … würde es nicht ein bisschen … wie Vetternwirtschaft wirken, wenn ich jetzt ausgerechnet bei Archangel jobbe?“

„Wegen der Ausstellung?“

„Genau.“

Gabriel presste die Lippen zusammen. „Ist das Ihr letztes Wort?“

„Ja.“

Finster zog er die Augenbrauen hoch. „Sie sind ganz schön … widerspenstig, Miss Jones.“

„Ich wahre eben gern meine Unabhängigkeit, Mr. D’Angelo“, entgegnete sie kühl.

„Wie Sie wollen.“ Er stand auf. „Ich glaube, für heute haben wir alles Notwendige besprochen. In …“, er warf einen Blick auf die teuer aussehende goldene Armbanduhr an seinem Handgelenk, „… zehn Minuten habe ich einen weiteren Termin.“ Er sah Bryn herausfordernd an.

„Oh. Klar.“ Bryn stand so hastig auf, dass sie aus Versehen gegen ihre Handtasche trat und der Inhalt sich auf dem Fußboden verteilte. „Verdammt!“ Errötend kniete sie sich hin und begann, ihre Sachen einzusammeln … darunter einige sehr persönliche Gegenstände.

„Ich habe mich schon immer gefragt, was Frauen wohl alles in ihren Handtaschen haben“, sagte Gabriel D’Angelo belustigt.

„Tja, jetzt wissen Sie’s!“ Bryn hob den Kopf und schaute ihn wütend an. „Und ich wäre erheblich schneller fertig, wenn Sie mir beim Einsammeln helfen würden, anstatt bloß grinsend in der Gegend rumzustehen!“ Wie ein Idiot, hätte sie um ein Haar hinzugefügt, aber das wäre ziemlich unhöflich gewesen.

Gabriel sah nämlich überhaupt nicht wie ein Idiot aus, wenn er grinste. Verwegen, auf eine sehr lässige sinnliche Art anziehend, vielleicht sogar lausbübisch, ja, aber auf keinen Fall wie ein Idiot.

Außerdem grinste er gar nicht mehr, sondern musterte sie durchdringend aus schokoladenbraunen Augen.

Gabriel runzelte die Stirn, als er Bryn auf Händen und Knien vor sich hocken sah. Ihre Körperhaltung war auf jeden Fall … provokativ … wie die wachsende Schwellung unter seiner Hose bezeugte. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Lippen feucht und halb geöffnet, und dieser knackige Po in der engen schwarzen Hose und dessen Wirkung auf seine Erektion müssten verboten werden.

„Sie haben recht“, sagte er heiser und hockte sich neben Bryn. Den Blick abgewandt griff er nach ihrem Notizblock und dem Kugelschreiber, die sie vorhin benutzt hatte. Ihr Parfum stieg ihm in die Nase; sie duftete nicht blumig, sondern nach einer Mischung aus Zimt, etwas Fruchtigem, einer Spur Honig und … nach sinnlicher Frau. „Weißer Pfeffer, Bryn?“, fragte er spöttisch und hielt eine kleine Dose hoch.

„Das ist billiger als Pfefferspray!“ Sie riss ihm die Dose aus der Hand und stopfte sie in ihre Handtasche.

Gabriel sah sie fragend an. „Pfefferspray?“

„Ich muss mehrmals in der Woche abends in der Dunkelheit nach Hause laufen.“ Sie vermied den Blickkontakt mit ihm.

„Vom Coffeeshop?“, fragte er steif.

„Was stört Sie eigentlich so an meinem Job?“

Gute Frage. Gabriel fiel ehrlich gesagt keine Antwort darauf ein. Vor allem weil er nicht verraten wollte, dass er wusste, wer sie war und inwiefern er für ihre derzeitigen Lebensumstände verantwortlich war. Irgendetwas an ihrem abwehrenden Verhalten verriet ihm nämlich, dass sie das nicht hören wollte.

Die letzte halbe Stunde in ihrer Gesellschaft hatte genügt, um zu wissen, dass das, was sie als Wahrung ihrer Unabhängigkeit bezeichnete, in Wirklichkeit Stolz war. Ein enormer Stolz.

War die Ursache der Skandal, in den ihr Vater vor fünf Jahren verwickelt gewesen war? Der trug bestimmt dazu bei, aber Gabriel hatte den Eindruck, dass Bryn immer schon ziemlich kratzbürstig gewesen war. Das erkannte man schon an ihren blitzenden Augen und ihrem trotzig erhobenen Kinn.

„Ich dachte, Sie haben noch eine andere Verabredung“, sagte sie spitz, als Gabriel keinerlei Anstalten machte aufzustehen.

Und wie kratzbürstig! „Ich habe mich nur gerade gefragt, welchen Eindruck wir wohl machen würden, wenn man uns jetzt sehen könnte“, erwiderte er.

„Sollte Ihre nächste Verabredung zu früh kommen, werden wir das bald erfahren!“, erwiderte Bryn errötend und beugte sich vor, um einen unter den Couchtisch gerollten Lippenstift aufzuheben.

Der adlige Kunstsammler, den Gabriel gleich erwartete, würde beim Anblick von Bryns knackiger Rückseite bestimmt einen Herzinfarkt bekommen.

„Habe ich irgendetwas Witziges gesagt?“ Bryn hockte sich hin und musterte den schon wieder breit grinsenden Gabriel irritiert. Als sie bemerkte, dass ihm das dunkle Haar verwegen in die Stirn fiel, musste sie sich beherrschen, ihm es nicht aus dem Gesicht zu streichen.

„Privatwitz.“ Gabriel hörte auf zu grinsen. Seine Augen wurden fast schwarz, als er sie eindringlich musterte.

Nur dass er nicht wirklich sie musterte, sondern ihre Lippen. Feuchte und halb geöffnete Lippen, die Bryn sofort zusammenpresste. Abrupt stand sie auf und schlang sich den Gurt ihrer Handtasche um eine Schulter, erstarrte jedoch verlegen, als ihr bewusst wurde, dass Gabriels Gesicht sich wegen des Größenunterschiedes zwischen ihnen jetzt auf einer Höhe mit ihren Brüsten befand. Eine Tatsache, die er skrupellos ausnutzte: Er gab sich nämlich keine Mühe, sein Interesse an ihren nackten Brüsten unter dem durchsichtigen Material ihrer geblümten Bluse zu verbergen …

3. KAPITEL

„Mr. D’Angelo?“

„Hm?“ Gabriel konnte den Blick nicht von Bryns üppigen und wundervollen Brüsten mit den rosigen Knospen losreißen … rasch hart werdenden und unter seinem Blick noch rosiger werdenden Brustwarzen.

„Mr. D’Angelo? Gabriel“, fügte Bryn mit Nachdruck hinzu, als er noch immer nicht reagierte.

Er leckte sich über die Lippen, während er besagte Brustwarze im Geiste in den Mund nahm und daran saugte. Seine Erektion pochte zustimmend. „Sie tragen keinen BH …“, sagte er geistesabwesend.

„Nein. Ich …“

„Wollen Sie diese Bluse etwa heute bei der Arbeit tragen?“

„Wir haben alle schwarze T-Shirts mit dem Franchise-Logo drauf an“, antwortete Bryn errötend. „Und würden Sie jetzt bitte aufstehen?“ Sie nahm ihn am Arm und versuchte, ihn hochzuziehen – eine Bewegung, bei der ihre unglaublichen Brüste sich verführerisch vor Gabriels hitzigem Blick bewegten. Wenn er sich jetzt vorbeugte …

„Verdammt, Gabriel, da klopft gerade jemand an der Tür“, zischte Bryn. Endlich drangen ihre Worte in Gabriels vor Erregung vernebeltes Bewusstsein. Als er merkte, was er gerade tat … und welche Fantasien ihm gerade durch den Kopf schossen, runzelte er die Stirn.

Bryn seufzte erleichtert auf, als Gabriel abrupt aufstand, sich mit einer Hand durchs Haar fuhr und sie gereizt anschaute, bevor er zur Tür stapfte und sie aufriss.

„Tut mir leid, Mr. D’Angelo, ich wusste nicht, dass Miss Jones noch hier ist.“ Seine Empfangsdame prallte erschrocken einen Schritt zurück, als sie Gabriels finsteren Gesichtsausdruck bemerkte.

„Schön, Sie wiederzusehen, Gabriel!“ Der ältere Mann neben der Rezeptionistin begrüßte Gabriel völlig ungerührt und betrat das Zimmer. Er warf Bryn einen neugierigen Blick zu. „Möchten Sie mich der jungen Dame nicht vorstellen?“

„Ich bin nur der letzte Termin von Mr. D’Angelo“, erklärte Bryn rasch, damit der Mann gar nicht erst auf die Idee kam, sie und der arrogante Gabriel D’Angelo könnten ein Paar sein. „Und ich habe seine Zeit schon viel zu lange beansprucht“, fügte sie betont locker hinzu und musterte den noch immer stirnrunzelnden Gabriel kühl.

Verdammt, sie versuchte gerade ihr Bestes, falsche Schlussfolgerungen zu verhindern. Es wäre wirklich schön, wenn er sie dabei unterstützen würde, anstatt wegen der Unterbrechung nur irritiert die Stirn zu runzeln!

Wobei sind wir eigentlich unterbrochen worden? fragte Bryn sich plötzlich.

Kein Zweifel, sie hatte Begierde in Gabriels sexy Augen aufflackern sehen, als er ihre Brüste angestarrt hatte. Er hatte sich sogar etwas vorgebeugt. Hätte er ihre Brüste etwa geküsst, wenn er nicht von dem Klopfen an der Tür gestört worden wäre? Vielleicht sogar mehr als das?

Bei der Vorstellung, seine tollen Lippen und seine heiße Zunge an ihren harten Brustwarzen zu spüren, bekam sie weiche Knie.

„Bryn, das ist Lord David Simmons“, stellte Gabriel den älteren Herrn schroff vor. „David, das ist Bryn Jones.“ Eine Spur höflicher fügte er hinzu: „Eine der Künstlerinnen, deren Gemälde wir nächsten Monat bei der Ausstellung junger Künstler zeigen.“

„Tatsächlich?“ David Simmons’ blaue Augen leuchteten interessiert auf, als er Bryn die Hand schüttelte. „Ich freue mich schon sehr darauf“, erklärte er. „Ich war vor zwei Monaten in Paris bei der Archangel-Ausstellung dort und kann Ihnen versichern, dass Sie bei Gabriel in sehr guten Händen sind. Er hat einen ausgezeichneten Blick für junge Talente.“

Bryans Lächeln gefror, als ihr einfiel, dass Gabriel nicht nur einen ausgezeichneten Blick für Kunst, sondern auch für Fälschungen hatte. „Dann werden wir uns zweifellos nächsten Monat wiedersehen, Lord Simmons …“

„Bitte nennen Sie mich David“, forderte der Mann sie freundlich auf.

„Ich heiße Bryn. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich habe noch einen anderen Termin.“

„Linda, tragen Sie für Montag einen Termin für Miss Jones und Eric ein“, beauftragte Gabriel die Rezeptionistin.

„Natürlich, Mr. D’Angelo.“

Bryn blinzelte überrascht. „Darf ich fragen, wozu ich noch einen Termin brauche?“

Gabriel presste missbilligend die Lippen zusammen. „Wir brauchen noch mehr persönliche Informationen und Fotos für den Katalog für unsere Kunden – wie vorhin übrigens besprochen.“

Bryn errötete. „Anscheinend war ich so von der Neuigkeit überwältigt, zu den ausgestellten Künstlern zu gehören, dass ich gar kein Ohr mehr für die Details hatte“, antwortete sie honigsüß, doch ihr Blick war mörderisch.

Gabriel fiel wieder ein, dass Bryn sich übergeben hatte, als er von einem weiteren Termin gesprochen hatte. Vermutlich hatte sie mit ihrer Übelkeit zu kämpfen gehabt, anstatt ihm zuzuhören. Ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit, die er vor wenigen Minuten noch ihren Brüsten geschenkt hatte!

Nicht dass Gabriel stolz auf diese Entgleisung war. Bryn hatte seine Selbstbeherrschung schon vor fünf Jahren auf die Probe gestellt, und ihr heutiges Treffen hatte ihm bewiesen, dass sich daran nichts geändert hatte. Vielleicht hätte er doch auf Rafe hören und sich von ihr fernhalten sollen.

„Vereinbaren Sie einfach den Termin, Bryn“, sagte er genervt. „Ich werde Eric bitten, Ihnen die Details am Montag noch einmal genauer zu erläutern.“

Bryn drehte sich um und lächelte dem älteren Mann freundlich zu. „Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Lord Simmons. Mr. D’Angelo?“, verabschiedete sie sich merklich kühler und ohne die Spur eines Lächelns von Gabriel.

„Hübsches Mädchen“, meinte David Simmons, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Gabriel spielte den Ahnungslosen. „Linda?“

David lächelte vielsagend. „Sind Miss Jones’ Gemälde so schön wie sie selbst?“

„Schöner sogar“, antwortete Gabriel wahrheitsgemäß. Bryns Arbeit war wirklich herausragend. Er hatte keinen Zweifel dran, dass David Simmons ihr Talent genauso erkennen würde wie er selbst und mindestens ein Gemälde kaufen würde.

„Interessant.“ Der ältere Mann nickte und folgte Gabriel zur Sitzgruppe.

Nachdem ihre geschäftlichen Anliegen geklärt waren und Linda den älteren Herrn hinausbegleitet hatte, hatte Gabriel Zeit, sein Wiedersehen mit Bryn noch einmal Revue passieren zu lassen.

Ihrer Kratzbürstigkeit nach zu urteilen, hatte sie ihm seinen Anteil an dem Skandal um ihren Vater längst noch nicht verziehen. Vermutlich hätte sie nie an dem Wettbewerb der Galerie teilgenommen, wenn ihr eine andere Wahl geblieben wäre.

Sein Blick fiel auf etwas Glänzendes unter einem der Sessel. Etwas, das Bryn aus der Handtasche gefallen sein musste.

„Und was kann ich Ihnen heute Abend zu trinken anbieten – Gabriel?“ Das letzte Wort kam erheblich lauter als beabsichtigt aus Bryns Mund, nachdem sie in dem nächsten Kunden vor dem Tresen Gabriel D’Angelo erkannt hatte.

Einen Gabriel D’Angelo, der legerer, wenn auch nicht weniger gut gekleidet war als vorhin in seinem Büro. Er trug Jeans und einen schwarzen Kaschmirpullover, dessen Ärmel er über die muskulösen Unterarme geschoben hatte und der seine breiten Schultern betonte. Sein dunkles Haar war vom Wind leicht zerzaust.

Da er ihr vorhin erst mitgeteilt hatte, noch nie einen Fuß in einen Coffeeshop gesetzt zu haben, fragte Bryn sich natürlich sofort, was er jetzt in einem zu suchen hatte. Und ausgerechnet in dem, wo Bryn arbeitete. Das konnte unmöglich ein Zufall sein.

Sie runzelte die Stirn, als sie die ungeduldigen Menschen in der Schlange hinter Gabriel sah. Um sechs Uhr abends war im Coffeeshop immer am meisten los, weil die Leute dann von der Arbeit kamen und sich auf dem Heimweg etwas zu essen oder zu trinken holten oder sich für eine Stunde mit Freunden entspannen wollten.

„Was möchten Sie trinken, Mr. D’Angelo?“, wiederholte sie kurz angebunden.

Er warf einen Blick auf die Tafel hinter ihr. „Schwarzen Kaffee.“

„Schwarzen Kaffee?“, wiederholte sie ungläubig. Der Coffeeshop bot diverse Kaffee- und Teesorten mit Milch, Schlagsahne und in diversen Geschmacksrichtungen an, und Gabriel wollte schwarzen Kaffee?

Er nickte. „Wenn es nicht zu viel Mühe macht.“

„Ganz und gar nicht. Wenn Sie mir bitte folgen würden.“ Bryn ging zum Kaffeeautomaten und überließ einer anderen Aushilfe ihren Platz. „Was machen Sie hier?“, murmelte Bryn kurz darauf leise, als sie Gabriels Tablett vorbereitete.

„Wie bitte?“

„Ich habe gefragt …“

„Sie müssen lauter reden, Bryn“, sagte er gedehnt. „Ich kann Sie bei dem Lärm hier nicht verstehen.“

Irritiert zog sie die Augenbrauen hoch und hob etwas die Stimme. „Ich habe Sie gefragt, was Sie hier machen!“

„Ach so.“ Er nickte. „Sie haben vorhin etwas auf dem Fußboden in meinem Büro liegen lassen, und ich dachte, Sie möchten es vielleicht gern wiederhaben.“

Bryn erstarrte. Ihr stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, dass mehrere Menschen in ihrer Nähe nach dieser Bemerkung abrupt verstummt waren und offensichtlich ihre eigenen Schlüsse daraus zogen …

„Haben Sie das mit Absicht gemacht?“, fragte Bryn ihn ein paar Minuten später, als sie seinen Nachbartisch abräumte und abwischte.

Gabriel saß in einem bequemen Sessel und genoss den überraschend guten kolumbianischen Kaffee. „Was meinen Sie damit?“

Bryn runzelte die Stirn. Ihre Haut sah in dem schwarzen T-Shirt noch heller und zarter au...

Autor

Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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