Julia Exklusiv Band 256

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DIE BRAUT DES SULTANS von MORGAN, SARAH
Rasend vor Eifersucht beobachtet Tariq, wie seine ehemalige Geliebte Farrah halbnackt über den Catwalk läuft - und das, nachdem sie ihn kurz zuvor brüsk abgewiesen hat! Aber nicht mit mir, schwört sich der heißblütige Sultan und entführt Farrah in seinem Privatjet …

EINSAME HERZEN von KENDRICK, SHARON
Angelica ist fassungslos! Ausgerechnet sie soll sich um das Baby ihres verunglückten Mannes und dessen Geliebter kümmern? Was verlangt Rory da nur von ihr? Doch als sie in die Augen ihres attraktiven Schwagers schaut, beginnt sie zu träumen - von einer gemeinsamen Zukunft!

WAGE DEN SCHRITT INS GLÜCK! von SHAW, CHANTELLE
Rafe Santini staunt nicht schlecht, als er seine Exfreundin Eden wiedersieht: Aus dem naiven Mädchen ist eine atemberaubende und selbstbewusste Frau geworden! Sofort setzt er alles daran, Eden zurückzuerobern - doch sie will nichts von ihm wissen. Ist sie noch immer verletzt?


  • Erscheinungstag 27.02.2015
  • Bandnummer 0256
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703615
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah Morgan, Sharon Kendrick, Chantalle Shaw

JULIA EXKLUSIV BAND 256

SARAH MORGAN

Die BRaut des Sultans

„Was bildest du dir ein?“ Wütend weist Society-Girl Farrah den Heiratsantrag von Sultan Tariq bin Omar zurück. Schließlich hat er sie vor fünf Jahren einfach sitzen lassen und ihr damit das Herz gebrochen. Doch als der Wüstenprinz Farrah kurzerhand kidnappt, spürt sie erneut dieses erotische Prickeln, das sie schon damals nahezu willenlos gemacht hat …1200

SHARON KENDRICK

Einsame Herzen

Eine ungewöhnliche Bitte führt Rory Mandelson zu seiner Schwägerin Angelica: Gemeinsam mit ihm soll sie sich um das Baby ihres verunglückten Mannes und seiner Geliebten kümmern! Rory weiß, dass er viel von Angelica verlangt, doch insgeheim hat er schon immer davon geträumt, sie für sich zu gewinnen. Hilft sein kleiner Neffe ihm nun dabei, Angelica zu erobern?

CHANTALLE SHAW

Wage den Schritt ins Glück!

Jahre nachdem der attraktive Formel-1-Pilot Rafael Santini sie verlassen hat, scheint er plötzlich wieder an Eden interessiert zu sein. Noch immer zutiefst verletzt, weist sie seine Avancen zurück – obwohl er noch immer leidenschaftliche Gefühle in ihr weckt. Darf Eden hoffen, dass Rafe diesmal ernste Absichten hat? Schließlich ist er ein notorischer Frauenheld!

1. KAPITEL

Alles war bereit.

Unnahbar und schweigend, jedoch hellwach und reglos wie ein Raubtier, das auf der Lauer lag, saß Sultan Tariq bin Omar al-Sharma an dem wohlweislich etwas versteckt platzierten Tisch und ließ seine Blicke durch den Raum schweifen. Seine arrogante Kopfhaltung sowie das kalte Glitzern in den dunklen Augen zeitigten den erwünschten Effekt, die anderen Gäste auf Abstand zu halten. Als zusätzliche Maßnahme waren Leibwächter im Hintergrund postiert, entschlossen, sich jedem in den Weg zu stellen, der es wagte, sich dem Sultan unerlaubt zu nähern.

Tariq ignorierte seine Männer ebenso wie die neugierigen Blicke der Anwesenden. Das Aufsehen um seine Person ertrug er mit der Ungerührtheit eines Menschen, der es von Kindesbeinen an gewöhnt war, Gegenstand des öffentlichen Interesses und wildester Spekulationen zu sein.

Er war der begehrteste Junggeselle der Welt, reich an Macht, Einfluss und Geld, ein Mann in besten Jahren, unnachgiebig und zäh und darüber hinaus auch noch atemberaubend gut aussehend.

Für die Frauenwelt stellte Tariq den ultimativen Fang dar. Und so buhlte auch hier wieder jede Einzelne mehr oder minder versteckt um ihn, überzeugt, dass allein sie seiner Aufmerksamkeit würdig war.

Normalerweise hätte Tariq diesen Umstand skrupellos ausgenutzt, heute Abend jedoch war er nur an einer einzigen Frau interessiert.

Und die hatte er bis jetzt noch nicht entdecken können.

Nichts an seiner kraftvollen, athletischen Erscheinung ließ ahnen, dass seine Anwesenheit hier einem anderen Wunsch entsprang als dem, an einer glamourösen Benefizgala teilzunehmen. Sein ebenmäßiges aristokratisches Gesicht verriet mit keiner Miene, dass dieser Abend den Schlusspunkt monatelanger akribischer Planungen markierte.

Er war heute Abend nicht hier, um sich zu amüsieren, sondern um seinem Land zu dienen.

Er musste die Tyndall Pipeline Corporation unter seine Kontrolle bringen. Der Bau einer Ölpipeline war für eine blühende Zukunft Tazkashs unverzichtbar – ausschlaggebend für Sicherheit und Wohlstand seines Volkes. Dass das Projekt wirtschaftlich, umweltpolitisch und finanziell durchführbar war, hatten die Untersuchungen bereits ergeben. Alles war vorbereitet.

Aber Harrison Tyndall weigerte sich mitzuspielen. Nicht einmal verhandeln wollte er. Und Tariq kannte auch den Grund.

Das Mädchen.

Farrah Tyndall.

Daddys kleiner Liebling. Die verwöhnte reiche Tochter. Das glamouröse Partygirl. Das Mädchen, das stets seinen Willen bekam.

Nur mich hat Farrah Tyndall nicht bekommen.

Tariqs harter Mund verzog sich zu einem Lächeln. Dabei hätte sie ihn durchaus haben können. Allerdings nur zu seinen Bedingungen, und die hatten ihr nicht gefallen.

Ebenso wenig, wie sie Harrison Tyndall gefallen hatten. Wochenlange zähe Verhandlungen zwischen dem Staat Tazkash und der Tyndall Pipeline Corporation hatten am Ende zu keinem Ergebnis geführt. Seitdem herrschte Funkstille – und das nun schon fünf lange Jahre.

Grotesk, wenn wegen einer Frau Geschäftsbeziehungen eingefroren wurden.

Neben ihm saß Hasim Akbar, sein Erdölminister, der sich jetzt respektvoll räusperte. „Vielleicht sollte ich mich mal umsehen, ob die kleine Tyndall inzwischen eingetroffen ist, Exzellenz.“

„Die Mühe können Sie sich sparen.“ Tariq sprach langsam und gedehnt, sein vornehmes Oxford-Englisch war Ausdruck der besten Bildung, die man sich mit Geld erkaufen konnte. „Ich wüsste es, wenn sie hier wäre.“

Hasim, der alle Mühe hatte, seine wachsende Nervosität zu zügeln, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum. „Dann kommt sie aber extrem spät.“

Tariq lächelte zynisch. „Was dachten Sie denn? Mit Pünktlichkeit kann man schließlich kein Aufsehen erregen.“

Er war überzeugt, dass Farrah Tyndall in irgendeinem Flügel des Hauses bereits ungeduldig auf ihren Auftritt wartete, der natürlich so effektvoll wie möglich vonstatten gehen musste. Denn lag in der Inszenierung der eigenen Person nicht der einzige Sinn ihres müßiggängerischen Daseins? Nachdem sie vermutlich den ganzen Tag beim Frisör und mit ihrem Stylisten verbracht hatte, wollte sie jetzt der Öffentlichkeit die Früchte ihrer harten Arbeit präsentieren. Das war typisch für die Frauen, mit denen Tariq es zu tun hatte. Sie interessierten sich nur für ihr Aussehen.

„Es ist wirklich spät. Vielleicht ist sie ja doch schon hier, und wir haben sie nur übersehen.“

„Da kennen Sie Farrah Tyndall schlecht“, gab Tariq zurück. „Sonst wüssten Sie, dass es absolut unmöglich ist, sie zu übersehen.“

Sie war so außergewöhnlich schön, dass wahrscheinlich jedem Mann hier im Saal bei ihrem Eintritt der Atem stocken würde. Leider war sie auch sträflich oberflächlich.

Tariq interessierten im Moment allerdings weder ihre Schönheit noch ihre Charaktereigenschaften. Seine Leute hatten in den letzten Monaten diskret sämtliche verfügbaren Aktien der Tyndall Pipeline Corporation aufgekauft, und jetzt lag die Übernahme endlich in Tariqs Reichweite. Alles, was ihm dafür noch fehlte, war ein Aktienanteil von zwanzig Prozent.

Und genau diese zwanzig Prozent hielt Farrah Tyndall.

Hasim war so nervös, dass er schneller als normal atmete. „Ich halte diesen Plan immer noch für undurchführbar.“

Tariq lächelte. „Na, dann ist es wenigstens eine echte Herausforderung“, erklärte er ungerührt, während er den Stiel seines Weinglases zwischen den langen Fingern drehte.

„Um Ihr Ziel zu erreichen, werden Sie das Mädchen heiraten müssen“, gab der Erdölminister zu bedenken.

Tariqs Finger legten sich fester um das Weinglas. „Ich weiß. Allerdings nur vorübergehend“, schränkte er schroff ein, woraufhin sich Hasims Gesicht noch mehr verdüsterte.

„Sie denken ernsthaft daran, auf dieses uralte Gesetz zurückzugreifen, das es Ihnen gestattet, sich nach einer Wartezeit von vierzig Tagen und vierzig Nächten scheiden zu lassen?“

„Warum nicht? Ich brauche diese Aktienmehrheit, aber ich habe nicht die geringste Sehnsucht danach, länger als nötig ein verheirateter Mann zu sein.“

Der Plan war perfekt.

Hasim zupfte sich nervös ein unsichtbares Stäubchen vom Ärmel. „Soweit ich weiß, fand dieses Gesetz seit Urzeiten keine Anwendung mehr.“

„Egal.“

„Es ist eine schwere Kränkung für eine Braut und ihre Familie, Exzellenz“, wandte Hasim heiser ein. Tariq zog eine schwarze Braue hoch.

„Wie kann man eine Frau kränken, die nur an ihr eigenes Vergnügen denkt?“, fragte er. „Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich mit Farrah Tyndall Mitleid habe.“

„Und was ist, wenn sie heute Abend nicht kommt? Davon hängt alles ab.“ Der Minister rutschte unbehaglich in seinem Sessel herum und tupfte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn.

Tariq hingegen saß ganz entspannt da und schaute immer noch zu dem Treppenaufgang, der in den Ballsaal führte. „Sie wird kommen, verlassen Sie sich darauf. Erstens, weil ihr Vater der Schirmherr dieser Veranstaltung ist, und zweitens, weil sie nicht zu den Leuten gehört, die sich einen glamourösen Auftritt entgehen lassen. Beruhigen Sie sich, Hasim.“

Kaum hatte er seinen Satz zu Ende gesprochen, erschien Farrah Tyndall auf dem obersten Treppenabsatz.

Sie kam herabgeschwebt wie eine Prinzessin, das goldblonde Haar aufgesteckt zu einer kunstvollen Frisur, die zweifellos nur dazu diente, ihren grazilen schlanken Hals zur Schau zu stellen, in einem bodenlangen hochgeschlossenen goldenen Kleid, das sich eng an einen einfach perfekten Körper schmiegte.

Immerhin hat der Aufwand beim Frisör und beim Stylisten das erwünschte Ergebnis gebracht, dachte Tariq kalt, während sein erfahrener Blick langsam über ihren Körper glitt.

Und was er da sah, verriet, dass sich ihre Prioritäten in den letzten fünf Jahren nicht verlagert hatten.

Dennoch stellte er gewisse Veränderungen fest. Sie war selbstbewusst geworden. Erwachsen. Ihr Gang war sicher, sie bewegte sich nicht mehr leicht tapsig wie ein junges Reh, das nicht recht weiß, was es mit diesen langen Beinen anstellen soll. Sie hatte Haltung und Stil entwickelt, war in diesen umwerfenden Körper hineingewachsen.

Aus dem bildhübschen Mädchen von damals war eine atemberaubend schöne Frau geworden.

In diesem Moment wurde Tariq hinterrücks von einer abscheulichen Begierde gepackt. Nur unter Aufbietung seiner gesamten Selbstbeherrschung gelang es ihm, sich nichts anmerken zu lassen.

Was nur ein weiteres Mal bewies, dass das männliche Verlangen unberechenbar war und mit dem Verstand nicht kontrolliert werden konnte.

Verärgert über seine heftige Reaktion, beobachtete er schweigend, wie Farrah zwischen den Tischen hindurchging und gelegentlich stehen blieb, um irgendwen zu begrüßen. Dabei hatte sie ein unschuldig kokettes Lächeln aufgesetzt, mit dem sie versuchte, den Männern den Kopf zu verdrehen.

Was ihr natürlich perfekt gelang.

Ihr Tisch befand sich direkt neben seinem. Dafür hatten seine Leute gesorgt. Jetzt saß er reglos da, wie ein Tiger kurz vor dem Sprung, und wartete darauf, dass sie ihn entdeckte.

Seine Anspannung wuchs, in seinen Adern pochte das Blut.

Gleich, jetzt gleich …

Sie begrüßte einen Mann, der ihr galant die Hand küsste. Dann legte sie ihre kleine Abendhandtasche auf dem Tisch ab und drehte sich, immer noch lächelnd, um.

Das war der Moment, in dem sie ihn entdeckte.

Sie wurde bleich, ihr strahlendes Lächeln erlosch. In den Tiefen ihrer leuchtend grünen Augen flackerte ein Ausdruck von Verletzlichkeit auf, und für einen Sekundenbruchteil sah Tariq wieder das Mädchen vor sich, das sie vor fünf Jahren gewesen war.

Für einen Moment wirkte sie, als ob sie unter Schock stünde, dann aber riss sie ihren Blick von ihm los, legte ihre Finger fest um die Stuhllehne und atmete mehrmals tief durch.

Durch ihre Reaktion sah Tariq sich voll bestätigt. Jetzt zweifelte er keine Sekunde mehr daran, dass alles ganz einfach werden würde. Er beobachtete, wie sie die schmalen Schultern straffte und die Stuhllehne losließ, an der sie Halt gesucht hatte. Als sie jetzt wieder in seine Richtung schaute, war ihr Gesicht undurchdringlich. Offenbar hatte sie sich wieder in der Gewalt. Sie begrüßte ihn mit einem leichten Kopfnicken, bevor sie sich wieder umwandte, und nichts, aber auch gar nichts in ihrem Verhalten legte die Vermutung nah, dass er mehr sein könnte als ein flüchtiger Bekannter.

Sie gab sich äußerst gelassen.

Während sein Blick über ihre anziehende Rückansicht glitt, wurde Tariq klar, dass er in diesem Fall nichts dagegen hatte, sich nach der erfolgreichen Firmenübernahme ein kleines Vergnügen zu gönnen – obwohl er es sich zum Grundsatz gemacht hatte, Geschäftliches und Privates nie miteinander zu verquicken. Aber diesmal gestattete er sich eine Ausnahme. Auch wenn seine Heirat mit der Tyndall-Erbin rein geschäftlicher Natur war, würde die Hochzeitsnacht doch ein sinnlicher Genuss werden.

Ebenso wie die darauf folgenden vierzig Tage und Nächte. Tariq verzog den Mund zu einem süffisanten Lächeln. Vielleicht ließ sich diesem Deal ja doch etwas mehr abgewinnen als ursprünglich angenommen.

Plötzlich bekam diese Ehe für ihn einen Reiz, den er vorher nicht bedacht hatte.

Sie musste sofort weg hier. Auf der Stelle.

Farrah stand in einer Ecke der dunklen, von einem gepflegten Rasen umgebenen Terrasse. Der Regen hatte schon seit geraumer Zeit nachgelassen, sodass es jetzt wieder schwülwarm war, trotzdem fröstelte sie. Da half es auch nichts, sich die Arme zu reiben.

Tariq bin Omar al-Sharma. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er im Lande war.

Sonst wäre sie zu Hause geblieben oder ans andere Ende der Welt geflohen oder im Boden versunken – alles, alles, nur nicht ihm Auge in Auge gegenüberstehen zu müssen. Und schon gar nicht so ohne Vorwarnung, ohne die Chance, sich gegen den Schock eines Wiedersehens mit ihm zu wappnen.

Ein Blick in diese exotischen dunklen Augen hatte ausgereicht, sie wieder in das schüchterne, unsichere Mädchen von vor fünf Jahren zu verwandeln. Schüchtern, unsicher und bis über beide Ohren verliebt.

Aber sie war nicht gut genug gewesen für ihn.

Er hatte ihr zerbrechliches, eben erst aufkeimendes Selbstbewusstsein mit Füßen getreten. Traurigkeit und ein Gefühl tiefer Demütigung stiegen in ihr auf, sodass sie sich am liebsten in einer dunklen Ecke verkrochen hätte.

Da hieß es immer, man könnte seine Vergangenheit einfach hinter sich zurücklassen, aber was war, wenn diese Vergangenheit eine ganze Armada aus Privatflugzeugen besaß und einen verfolgte?

Das Essen war die Hölle gewesen. Sie hatte geplaudert und gelacht, verzweifelt bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl sie sich die ganze Zeit Tariqs Anwesenheit überdeutlich bewusst gewesen war.

Das Schicksal hatte es so eingerichtet, dass sie mit dem Rücken zu ihm saß, aber das hatte nichts geändert. Sein dunkler Blick hatte in ihrem Nacken gebrannt, bis sie unter einem Vorwand nach draußen geflüchtet war.

Seltsam, dass man sich in seinem Wesenskern immer gleich bleibt, egal wie sehr man sich äußerlich auch verändert, überlegte sie benommen. Selbst wenn man sich nach außen hin noch so souverän und glamourös gebärdete, änderte das doch nichts an eventuell vorhandenen, tief sitzenden Unsicherheiten. Innerlich war sie immer noch das unscheinbare schüchterne Mädchen, das für seine Mutter ein nie versiegender Quell der Enttäuschung gewesen war.

Sie legte eine Hand an ihre pochende Schläfe. Der Gedanke an ihre Mutter vergrößerte ihr Elend noch. Ihre Mutter war jetzt seit sechs Jahren tot, aber der verzweifelte Wunsch, ihren Stolz zu erringen, war Farrah geblieben. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. Plötzlich glaubte sie zu wissen, wie Aschenputtel sich gefühlt haben mochte, als die Kirchturmuhr Mitternacht geschlagen hatte. Denn genauso fühlte sie sich jetzt auch. Falls sie es nicht schaffte zu entkommen, würde die Wahrheit ans Licht kommen, und dann würde sich die wahre Farrah Tyndall zeigen. Und das musste sie verhindern, das war sie ihrer Mutter schuldig. Sie musste sofort nach Hause, wo sie ohne Zeugen sie selbst sein konnte.

Aus dem Ballsaal drang Gelächter, dann vernahm sie Schritte – unüberhörbar männliche. Sie drückte das Kreuz durch und straffte die Schultern, eine Körperhaltung, die hoffentlich ihren Wunsch nach Ungestörtheit ausdrückte.

„Na, hast du schon genug? Das würde mich doch sehr wundern.“

Die Stimme erklang dicht hinter ihr, tief, seidenweich und unverwechselbar. Alles in Farrah spannte sich an.

Eine Stimme, die sie früher einmal geliebt hatte. Der glatte, einschmeichelnde Tonfall hatte in ihren Ohren exotisch und verführerisch geklungen.

Früher war ihr alles an Tariq exotisch und verführerisch erschienen.

Man hatte ihn den Wüstenprinz genannt, und dieser Name war ihm geblieben, obwohl er seit vier Jahren der Alleinherrscher von Tazkash und Sultan war. Außerdem war Tariq bin Omar al-Sharma als Prinz wie als Sultan ein äußerst erfolgreicher und kluger Wirtschaftsführer. Als Kronprinz hatte er sein kleines Land zu einem bedeutenden Mitspieler auf dem Weltmarkt gemacht. Als Sultan hatte er sich die Achtung der Politiker und Wirtschaftsinstitutionen der Welt verdient.

Sein Wort hatte Gewicht.

Jetzt brachte Farrah der Klang seiner Stimme an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.

Ein Teil von ihr wollte diesen Mann ignorieren, wollte ihm die Genugtuung versagen, dass sie sich auch nur an ihn erinnerte, während ein anderer Teil ihm am liebsten die Augen ausgekratzt hätte.

Glücklicherweise hatte sie mittlerweile gelernt, ihre Gefühle im Zaum zu halten, eine Lehre, die sie ihm zu verdanken hatte. Er war ein Mensch, der nicht die kleinste Kleinigkeit von sich selbst preisgab.

Sie hatte ihm ihre wahren Gefühle gezeigt, und ihm war nichts Besseres eingefallen, als darauf herumzutrampeln.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf drehte sie sich langsam um, entschlossen, so zu tun, als ob seine Anwesenheit für sie nicht mehr als eine unerwünschte Störung wäre. Sie waren so grundverschieden, wie zwei Menschen es nur sein konnten. Und er hatte ihr schmerzhaft deutlich gemacht, dass sie nicht in seine Welt gehörte.

„Guten Abend, Hoheit“, sagte sie in spöttischem Ton, aber verzweifelt bemüht, seinem Blick auszuweichen, weil sie aus Erfahrung wusste, dass man in seinen Augen ertrinken konnte, und das würde sie in keinem Fall zulassen. Sie schaute an ihm vorbei zur Tür, wo sie einen großen Schatten auf der Schwelle stehen sah – einer seiner Leibwächter wahrscheinlich. Seine Bodyguards waren immer zur Stelle, ganz egal, wo Tariq sich aufhielt. „Mir war es drinnen zu warm geworden.“

„Und trotzdem zitterst du.“ Mit den für ihn so typischen sparsamen Bewegungen kam er näher, während Panik in Farrah aufstieg.

Ihr Mund wurde trocken, ihre Finger legten sich automatisch fester um ihre perlenbestickte Abendhandtasche, was natürlich unsinnig war, da kaum zu befürchten stand, dass der reichste, begehrteste Junggeselle der Welt vorhatte, sie auszurauben. Und doch hatte er ihr vor Jahren das Wertvollste geraubt, das sie besaß.

Ihr Herz.

Und dann schaute sie ihn doch an – und bereute es auf der Stelle. Beim Anblick seines geheimnisvoll wirkenden, ebenmäßig geschnittenen Gesichts verschlug es ihr den Atem.

„Ich habe keine Lust auf Spielchen.“ Sie war stolz, dass sie es schaffte, ihre Stimme ruhig zu halten. Dass sie nicht die Nerven verlor. „Es ist ein unglückliches Zusammentreffen, aber nur, weil wir zufällig auf derselben Veranstaltung sind, heißt das noch lange nicht, dass wir uns miteinander abgeben müssten. Niemand verlangt von uns, dass wir so tun, als wären wir alte Freunde.“

In diesem Dinnerjacket sah er wirklich umwerfend aus. Obwohl ihm alles stand, wie sie wusste. Ganz egal, ob er nun die traditionelle Tracht seines Landes oder westliche Kleidung trug, an ihm wirkte alles elegant und passend. Tariq bewegte sich mit einer geradezu traumwandlerischen Sicherheit zwischen den Kulturen, um die ihn weniger anpassungsfähige Menschen nur beneiden konnten.

Er spielte in einer anderen Liga als Farrah, und dass sie irgendwann einmal an eine gemeinsame Zukunft mit ihm geglaubt hatte, war eine demütigende Erinnerung daran, wie naiv sie damals gewesen war.

Vergiss es, ermahnte sie sich, als sie erneut von einer Welle der Unsicherheit überschwemmt wurde. Sie hatte schon lange ihr eigenes Leben – ein Leben, das sie liebte. Ein Leben, das zu ihr passte. Sie hatte gelernt, sich in der Welt der Schönen und Reichen zu behaupten, weil man es von ihr erwartete, aber das war nur ein kleiner Teil von ihr.

Und ganz gewiss nicht der wichtigste.

Aber das ging Tariq nichts an. Durch die kurze Beziehung mit ihm hatte sie gelernt, wie unklug es war, sich anderen gegenüber zu öffnen, weil es in den meisten Fällen nur Kummer und Schmerz nach sich zog. Wichtig war, dass man sich selbst schützte.

Jetzt trug der Nachtwind Musik durch die offenen Türen nach draußen, ein Zeichen dafür, dass der Ball eröffnet worden war. In einer halben Stunde würde die Modenschau beginnen, bei der mitzumachen Farrah sich bereit erklärt hatte. Aber wie konnte sie das? Wie sollte sie über den Laufsteg spazieren, wenn sie wusste, dass Tariq im Publikum saß?

Sie würde Henry, den Familienchauffeur, anrufen und ihn bitten, sie abzuholen.

Sich selbst zu schützen bedeutete, dass sie diese Veranstaltung hier so schnell wie möglich verließ.

Sie versuchte um Tariq herumzugehen, aber er hielt sie am Arm fest.

„Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet. Du bist noch nicht entlassen.“

Sie hätte fast laut aufgelacht. Anderen Menschen Befehle zu erteilen war Tariq zur zweiten Natur geworden. Er war geboren, um zu herrschen, und es machte ihm nichts aus – im Gegenteil. Mit achtzehn war sie von diesem Maß an Macht geblendet gewesen … Macht gepaart mit einer unerhört starken erotischen Ausstrahlung.

Aber inzwischen hatte sie dazugelernt.

Trotzdem spürte sie jetzt bei so viel körperlicher Nähe eine Erregung in sich aufsteigen, die ihren gesamten Körper erfasste. Sie versuchte krampfhaft, ihre Empfindungen zu ignorieren.

„Ich brauche deine Erlaubnis nicht, Tariq“, erklärte sie, verärgert über sich selbst, weil sie sich überhaupt auf ein Gespräch mit ihm einließ. „Am besten vergessen wir diese Begegnung ganz schnell.“

Ich ganz bestimmt, schwor sie sich benommen, während sie ihr wild klopfendes Herz und die Schmetterlinge in ihrem Bauch energisch zur Ordnung rief.

Diese Gefühle waren nicht echt. Sie zählten nicht.

„Glaubst du wirklich, diese Begegnung heute ist Zufall?“ Er stand so nah, dass sie durch den dünnen Stoff ihres Kleides die Hitze spüren konnte, die sein Körper abstrahlte. Sie bekam ganz weiche Knie. Obwohl sie extrem hohe Absätze trug, war Tariq immer noch fast einen Kopf größer als sie und ihr auch sonst physisch weit überlegen. Ihm so nah zu sein bedeutete Qual und Versuchung zugleich, und wieder ergriff ein leidenschaftliches Verlangen von ihr Besitz. Und als sie hörte, wie sich seine Atmung beschleunigte, wusste sie, dass es ihm genauso ging.

So war es immer zwischen ihnen gewesen.

Von diesem ersten Tag am Strand – von diesem ersten Kuss in den Höhlen von Zatua an.

Genau deshalb hatte sie sich damals zum Narren gemacht. Sie hatte sich von einer sexuellen Anziehungskraft blenden lassen, die stark genug war, den gesunden Menschenverstand auszuschalten und sämtliche kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen ihnen einzuebnen.

Für einen Moment stand sie reglos da, gebannt von Tariqs Ausstrahlung. Da war etwas Wildes, Ungezähmtes. Etwas durch und durch Männliches. Das hatte sie schon damals vom ersten Moment an gespürt, und jetzt spürte sie es erneut. Ihre Brustspitzen wurden hart und drückten sich gegen den Stoff ihres Kleides, in ihrem Unterleib entfaltete sich eine dunkle, gefährliche Hitze und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.

Und dann brach Gelächter aus dem Ballsaal den Bann, der es ihr unmöglich gemacht hatte, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen oder gar sich zu bewegen.

Mit dem Gefühl, gedemütigt worden zu sein, trat sie einen Schritt zurück und dachte an die Lektionen, die sie in dem Wüstenland gelernt hatte. Zum Beispiel, dass Liebe gepaart mit Leidenschaft für eine Beziehung nicht immer ausreichte.

Oder dass Tariq rücksichtslos und zynisch war und sie beide weder von ihrem Charakter noch von ihren Erwartungen her zueinander passten.

„Und du willst mir weismachen, dass du dieses Wiedersehen heute absichtlich herbeigeführt hast, ja?“, fragte sie spöttisch. „Vielleicht weil du vor fünf Jahren so todunglücklich über meine Abreise warst? Dass ich nicht lache. Ich war unpassend, erinnerst du dich nicht? Hast du wirklich vergessen, wie du dich für mich geschämt hast?“

Genauso, wie sich ihre Mutter für sie geschämt hatte.

„Du warst noch sehr jung und unerfahren damals.“ Sein Ton war kühl. „Aber ich habe deinen Werdegang in den letzten fünf Jahren mit Interesse verfolgt.“

„Was sagst du da?“, fragte sie verblüfft. „Wie meinst du das … verfolgt?“

Er lächelte trocken. „Das ist keine Kunst, man braucht nur die einschlägigen Illustrierten zu lesen. Die Designer stehen Schlange bei dir und beknien dich, zu öffentlichen Anlässen ihre Kollektionen zu wählen. Mode, die du trägst, verkauft sich gut.“

Farrah setzte ein künstliches Lächeln auf, nur scheinbar geschmeichelt. In Wahrheit fand sie die Vorstellung absurd, für andere eine Art Modeikone zu sein. Fast so absurd wie den Umstand, dass Tariq dies registriert hatte und es auch noch bemerkenswert fand.

Er war der Herrscher über ein Königreich, ein Mann, der Milliarden-Dollar-Ölgeschäfte tätigte. Warum sollte er, um Himmels willen, an derlei Dinge auch nur einen einzigen Gedanken verschwenden? Aber es war egal, ebenso wie im Grunde genommen alles, was andere mit ihrem öffentlichen Bild verbanden.

Sie hatte gelernt, ihre wahren Interessen nicht laut in die Welt hinauszuposaunen und das Spiel mitzuspielen, so wie man es von ihr erwartete. Und genau das tat sie auch jetzt, indem sie das Kinn hob und sich hinter dem Image versteckte, das sie selbst von sich entworfen hatte. Er taxierte sie eingehend aus zusammengekniffenen Augen.

„Du hast Stil entwickelt, Farrah. Und Eleganz.“

Und Schauspieltalent, dachte sie. Sie war eine Meisterin der Verstellungskunst, aber das wusste niemand außer ihr, und die traurige Wahrheit war, dass es auch gar niemand wissen wollte.

Quälende Erinnerungen stiegen in ihr auf.

Für eine kurze glückliche Zeit hatte sie geglaubt, Tariq sei anders, er mache sich etwas aus ihr. Aber das war ein großer Irrtum gewesen.

Erst nachdem er sie zurückgewiesen hatte, war in ihr der Beschluss gereift, sich neu zu erfinden. Um endlich die Tochter zu werden, die ihre Mutter sich immer gewünscht hatte, zumindest für einen gewissen Teil ihrer Zeit. Darüber hinaus führte sie ein völlig anderes Leben – das Leben, das ihr wirklich wichtig war. Ein Leben, von dem nur wenige Menschen wussten.

Ein Leben, von dem zu erzählen sie nicht die Absicht hatte.

„Freut mich, dass es deine Zustimmung findet“, sagte sie und drängte sich an ihm vorbei. „Aber jetzt muss ich gehen und …“

„Du musst gar nichts.“ Blitzschnell legte er ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich. Sie hob abwehrend die Hand, doch zu spät. Ihr Körper hatte seine harten Schenkel bereits gespürt und reagierte umgehend.

Damit ihr Kopf wieder klar wurde, schüttelte sie ihn und holte tief Luft, aber das führte nur dazu, dass ihr Tariqs Duft in die Nase stieg, was alles noch schlimmer machte.

Sie verkrampfte sich in seinen Armen und gab sich größte Mühe, die Maske kühler Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, auf die sie normalerweise so stolz war. „Was willst du plötzlich von mir? Ich kann mir kaum vorstellen, dass du an Frauenmangel leidest.“

„Eher nicht.“

Seine kühlen Worte hätten ihr eigentlich nicht wehtun dürfen, und doch war es so. Sie musste sich zwingen, ihren Blick von dem dunklen Bartschatten an seinem Kinn loszureißen.

„Dann schlage ich vor, du hältst dich an eine Frau, die interessiert ist“, sagte sie, während sie die Erinnerung an vergangene Demütigungen entschlossen beiseiteschob. „Und nun lass mich los. Auf der Stelle.“

Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. „Und warum hast du dann solches Herzklopfen, wenn du nicht interessiert bist?“

Schlimm genug, dass sie fühlte, was sie fühlte, schlimmer noch aber war, dass er es wusste. „Ich mag es nicht, wenn man mich festhält“, erklärte sie eisig. „Und ebenso wenig mag ich es, wie du mit aller Gewalt deinen Willen durchzusetzen versuchst. Auf Druck reagiere ich nicht.“

„Du fühlst dich von mir bedrängt?“ Sein Ton war gefährlich sanft, sein Mund nur einen Atemzug von ihrem entfernt. „Das ist seltsam, weil du dich bis jetzt noch keinen Millimeter bewegt hast, Farrah. Wenn es anders wäre, würde ich dich selbstverständlich sofort loslassen. Dein Körper ist immer noch an meinem, und ich frage mich, warum das so ist.“

Sie schnappte erschrocken nach Luft, als ihr bewusst wurde, dass er recht hatte, und wich eilig einen Schritt zurück, woraufhin er sie umstandslos freigab.

„Siehst du? Sie ist immer noch vorhanden“, stellte er gelassen fest, während er Farrah mit der Hand flüchtig über eine brennende Wange fuhr. „Die sexuelle Anziehungskraft, meine ich. Und das war schon immer so. Was nur beweist, wie richtig es war zu kommen.“

Irgendwie fand sie ihre Stimme wieder. „Hör auf mit dem Quatsch. Sag mir endlich den wirklichen Grund.“

Tariq tat nichts aus einer Laune heraus, das wusste sie genau. Wie auch, wo doch sein Terminkalender bis obenhin voll und jede Minute seines Tages verplant war.

Schweigend musterte er sie durch auffallend lange, dichte Wimpern. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Du warst noch sehr jung und unbedacht damals und kanntest die Sitten meines Landes nicht. Es war wohl unvermeidlich, dass es zwischen uns zu Problemen kam. Zu Missverständnissen.“

Seine Worte trafen sie. Trotzig drückte sie das Kreuz durch und straffte die Schultern.

Natürlich war sie damals noch sehr jung gewesen. Gerade mal achtzehn. Unbedacht? Vielleicht, vor allem aber sträflich naiv. Man hatte ihr immer wieder Fallen gestellt, in die sie prompt hineingetappt war, weil sie keine Ahnung von den Gepflogenheiten des Palastlebens gehabt hatte. Letztendlich war sie an Tariqs Familie und der Palastpolitik gescheitert.

„Ich will nicht über den Palast reden, und deine Meinung interessiert mich nicht, Tariq.“ Ihre Stimme war ausdruckslos. „Das ist alles längst Geschichte.“

„Wirklich?“ Sein Blick glitt über sie hinweg, dann ergriff er ihre rechte Hand und hob sie hoch. „Und warum trägst du dann immer noch meinen Ring?“

Der Ring.

Erschrocken schaute sie auf den glitzernden Brillantring an ihrem Finger. Der Ring war die Versinnbildlichung ihrer Mädchenträume gewesen, deshalb hatte sie es nicht über sich gebracht, ihn abzulegen, auch nicht, als ihr Traum längst ausgeträumt gewesen war.

Sie verwünschte sich für ihre Sentimentalität und riss sich von Tariq los. „Ich trage ihn nur noch, um nicht zu vergessen, dass man Männern, die einen mit wertvollen Geschenken überschütten, nie trauen sollte.“

Er lächelte nachsichtig. „Belüg dich ruhig weiter, Laeela. Aber mir kannst du nichts vormachen. Starke Gefühle verschwinden nicht einfach über Nacht. Sie überdauern.“

Schmerz zum Beispiel, dachte sie dumpf.

„Lass mich in Ruhe, Tariq.“ Ihr Herz klopfte wie verrückt, und sie begann wieder zu zittern. „Verschwinde und lass mich mein Leben weiterleben.“

Er musterte sie nachdenklich. „Es ist kühl hier draußen. Du wirst dir einen Schnupfen holen.“

Bevor sie sich versah, hatte er auch schon sein Dinnerjacket ausgezogen, um es ihr um die nackten Schultern zu legen.

Und dann war sie wieder eingehüllt in diesen vertrauten männlichen Duft, der ihren Verstand lahmlegte.

Jetzt kam Tariq so nah heran, dass sein warmer Atem ihre Wange streifte. Panik stieg in ihr auf, sie hatte das Gefühl zu ersticken. Sie wollte dieses Jackett nicht, es war viel zu intim.

Doch bevor sie es ihm zurückgeben konnte, fühlte sie sich auch schon gegen die kalte Steinbalustrade gedrängt, und Tariq blieb dicht vor ihr stehen. Jetzt sah sie nur noch ein dunkel glitzerndes Augenpaar und einen harten sinnlichen Mund. Und einen Atemzug später war das Jackett unwichtig geworden.

„Tariq …“, brachte sie mühsam heraus, was ihn veranlasste, den Mund zu einem selbstzufriedenen Lächeln zu verziehen. Er weiß alles, dachte sie verzweifelt. Er konnte ihre Gedanken lesen. Ihre Gefühle. Ihm entging nichts, auch nicht das seltsame Summen in ihrem Körper.

„Siehst du?“, fragte er in gefährlich sanftem Ton, während er ihr mit den Fingerspitzen sacht über die Wange fuhr. „Wie ich gesagt habe: Es ist immer noch da. Das ist gut.“

Seine Berührung löste auf ihrer Haut ein heftiges Kribbeln aus. Sie musste an den Klatsch denken, den man sich über ihn erzählte. Dass er alles über Frauen und ihre Wünsche wusste. Und dass er ein atemberaubend guter Liebhaber war. Der beste überhaupt.

Sie hatte nie Gelegenheit gehabt, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu überprüfen.

„Zwischen uns ist nichts mehr, Tariq“, sagte sie mit einer Stimme, die sich anhörte, als käme sie von ganz weit her. „Du hast es zerstört.“

Er lächelte selbstgewiss. „Du kannst es nicht leugnen, dafür spricht dein Körper eine zu deutliche Sprache.“

„Willst du wissen, was eine deutliche Sprache ist?“ Wütend riss sie den Arm hoch und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Im selben Augenblick sprangen zwei Gestalten aus der Dunkelheit – seine Bodyguards. Tariq hielt sie mit einer Handbewegung auf, wobei er Farrah immer noch ungläubig anstarrte.

„Offenbar lebst du gern gefährlich, Laeela. Aber ich vergebe dir, weil ich weiß, was für ein leidenschaftlicher Mensch du bist.“ In seinen Augen blitzte Zorn auf, der jedoch gleich darauf einem viel gefährlicheren Ausdruck Platz machte. „Zwischen uns war immer sehr viel Feuer, und ich wünsche mir gar keine unterwürfige, demütige Ehefrau, auch wenn du dir das wahrscheinlich nicht vorstellen kannst.“

Farrah, die es immer noch nicht fassen konnte, dass sie tatsächlich einen Menschen geschlagen hatte, schaute ihn verständnislos an. „Ehefrau? Bist du verheiratet?“

An diese Möglichkeit hatte sie bisher noch gar nicht gedacht, aber warum sollte er nicht verheiratet sein? Selbst wenn er noch so viel Wert auf seine Freiheit legte, würde er sich auf Dauer der Ehe nicht entziehen können. Zu heiraten war seine Pflicht, denn immerhin brauchte der Palast irgendwann einen Thronfolger.

„Noch nicht.“ Sein Ton war seidenweich. „Und genau aus diesem Grund bin ich heute hier.“

„Ah, also auf Brautschau“, sagte sie mit beißendem Spott. „Dann solltest du jetzt aber unbedingt wieder zurück in den Saal gehen und dich umsehen, Tariq. Ich wette, die Kandidatinnen stehen bereits Schlange.“

„Gut möglich.“ Er zuckte gleichmütig die Schultern. „Aber ich brauche mich nicht umzusehen, weil die Frau meiner Wahl bereits vor mir steht.“ Er neigte den dunklen Kopf, sein Mund schwebte dicht über ihrem. „Ich werde dich heiraten, Farrah.“

2. KAPITEL

Farrah war so schockiert, dass sie kein Wort herausbrachte.

Weil die Frau meiner Wahl bereits vor mir steht … Ich werde dich heiraten, Farrah.

Sie hörte seine Worte wieder und wieder in ihrem Kopf, und als sie schließlich sprach, war es nicht mehr als ein Flüstern. „Machst du Witze?“

Früher hatte sie von nichts anderem geträumt, als Tariq zu heiraten. Und er wusste es. Machte er sich auf grausame Weise über sie lustig?

Er zog finster die schwarzen Augenbrauen zusammen. „Mit so etwas scherze ich nicht.“

„Aber du kannst es unmöglich ernst meinen. Wir hatten fünf Jahre lang keinen Kontakt, und jetzt stehst du plötzlich vor mir und willst mich heiraten? Nach allem, was passiert ist? Nachdem du mich zwar nicht als Ehefrau, dafür aber als Mätresse wolltest?“

Noch während sie redete, begann sie wieder zu zittern. Schlagartig stand ihr die Vergangenheit wieder überdeutlich vor Augen, und ihr wurde klar, dass sie sich von diesem schweren Schlag bis zum heutigen Tag nicht erholt hatte. Dass die Zeit alle Wunden heilte, gehörte eindeutig in den Bereich der unwahren Behauptungen. Man passte sich an, verdrängte. Man lernte, mit Dingen zu leben, die man nicht ändern konnte. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass man tatsächlich geheilt war.

„Das war nur so dahingesagt. In Wahrheit warst du viel zu jung und zu naiv, um eine perfekte Mätresse zu sein.“ Tariq musterte sie nachdenklich, dann fuhr er ihr mit einer Hand über die Wange. „Die perfekte Mätresse ist sexuell erfahren und emotional unbeteiligt. Du warst weder das eine noch das andere.“

Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss, während sie sich von Tariq losriss. „Deine Definition einer perfekten Mätresse kannst du dir sparen. Ich habe die Rolle dankend abgelehnt, erinnerst du dich?“

Er schenkte ihr ein mildes Lächeln. „Gewiss. Du wolltest mehr.“

„Ich war naiv genug zu glauben, dass dir unsere Beziehung etwas bedeutet.“

„Das war auch der Fall. Wir waren gut füreinander“, sagte er mit einem wissenden Glitzern in den Augen. „Wenn du mit mir ins Bett gegangen wärst, hättest du die wahre Bedeutung des Wortes Lust entdeckt.“

Hitze durchfuhr ihren Körper. „Mit dir ins Bett zu gehen wäre ein Fehler gewesen, den ich anschließend bitter bereut hätte.“

Er zog scharf die Luft ein. „Ich habe dir ein sehr großzügiges Angebot gemacht.“

„Großzügig? Tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht, was daran großzügig gewesen sein soll.“ Sie hatte ihn geliebt! Mit leidenschaftlicher Ausschließlichkeit. Mit jeder Faser ihres Herzens. Und sie hatte gehofft, dass er sie ebenfalls liebte. „Kann sein, dass du intelligent bist, aber von Gefühlen verstehst du rein gar nichts.“

„Als meine Mätresse hättest du dir nicht zu verachtende Vergünstigungen erworben.“

„Vielen Dank“, sagte sie angewidert. „Aber du hast mir Geld für Sex angeboten! Dafür gibt es ein Wort, Tariq, und das ist nicht nett.“

„Eine Ehe war damals zwischen uns nicht möglich.“

„Ach, aber jetzt ist sie möglich, ja?“, konterte sie sarkastisch.

„Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Du warst, wie gesagt, sehr jung damals, das entschuldigt eine Menge.“

„Kann sein. Aber ich suche keine Vergebung.“ Das Einzige, was sie sich vorzuwerfen hatte, war ihre damalige Gutgläubigkeit, und zwar nicht nur ihm, sondern auch seiner Familie gegenüber. „Du warst absolut gnadenlos, Tariq. Nachdem ich dein ach so großzügiges Angebot zurückgewiesen hatte, legte man meinem Vater und mir nahe, dein Land zu verlassen.“

Sein Gesichtsausdruck gab nichts preis. „Zu bleiben wäre unter den gegebenen Umständen für euch wenig sinnvoll gewesen.“

Sie dachte an die Wüste, die herrlichen weiten Sandstrände. Die goldenen Tempel, die staubigen Straßen. Sie dachte an die Geheimnisse des Soukhs und die wundervollen Morgenspaziergänge am Strand, den die Sonne bereits vorgewärmt hatte. Sie dachte an die Höhlen von Zatua und die Legende von Nadia und ihrem Sultan. „Für eine kurze Zeit war dein Land mein Zuhause. Ich habe es geliebt. Es ist mir schwergefallen, es zu verlassen.“

Noch viel schwerer aber war es gewesen, ihn zu verlassen.

Sie hatte sich gefühlt, als ob sie das Wichtigste von sich in der Wüste zurückließe. Sie hatte an Tariqs Liebe geglaubt, und die Entdeckung, dass seine Gefühle rein sexueller Natur gewesen waren, hatte ihrem ohnehin geringen Selbstbewusstsein einen schweren Schlag versetzt.

„Wenn du mein Land wirklich liebst, wirst du mit Freuden zurückkehren.“

„Ich werde nie wieder zurückkehren.“ Tazkash und Tariq würden in ihren Gedanken für immer eins sein. Es war ein Land mit viel zu vielen schmerzlichen Erinnerungen. „Diese ganze Diskussion ist lächerlich, und ich weigere mich, sie noch länger fortzuführen.“

„Es gab einmal eine Zeit, da hast du davon geträumt, meine Ehefrau zu werden, Farrah Tyndall“, erinnerte er sie sanft, während er ihr mit der Daumenkuppe über die Unterlippe fuhr. „Du konntest es gar nicht erwarten, mit mir ins Bett zu hüpfen. Ich war es, der Zurückhaltung geübt hat, weil du so jung warst, oder hast du es vergessen?“

Ihr Puls raste wie verrückt. Sie wollte nicht daran erinnert werden, wie offen sie Tariq gegenüber gewesen war. Sie hatte ihr Herz auf der Zunge getragen, und er hatte sich wahrscheinlich köstlich über sie amüsiert. „Damals wusste ich noch nicht, dass es liebenswerte Prinzen nur im Märchen gibt. Und ich wusste auch nicht, was für ein gefühlloser, kalter Schuft du bist.“

Er kniff drohend die Augen zusammen. „Pass auf, was du sagst. So spricht niemand mit mir, auch du nicht.“

„Das beweist nur, was für eine unpassende Ehefrau ich wäre. Ich dachte eigentlich, das weißt du inzwischen, aber vielleicht muss man dich ja wieder daran erinnern.“ Sie nahm das Jackett von ihren nackten Schultern und gab es ihm zurück. „Danke für die Fürsorge. Aber ich wärme mich lieber drinnen auf.“

Seine Augen blitzten gefährlich. „Du kommst mit! Jetzt auf der Stelle!“ Das war unüberhörbar ein Befehl, bei dem Farrah eine Gänsehaut bekam.

Oh, natürlich, Tariq war nicht daran gewöhnt, dass man ihm widersprach, das hatte sie fast vergessen. Und wehe, jemand erdreistete sich, seine absolute Autorität anzuzweifeln.

„Warum sollte ich?“ Sie zwang sich zu einem leichten Ton. „Willst du mir den Weg ins Paradies zeigen? Da war ich bereits, aber ehrlich gesagt, fand ich es dort nicht so toll. Und jetzt möchte ich dich bitten, mich zu entschuldigen.“

Lange bronzefarbene Finger legten sich wie eine Stahlmanschette um ihr Handgelenk. „Ich will mit dir reden. Und zwar an einem Ort, an dem wir ungestört sind.“

„Aber ich will das nicht. Fünf Minuten mit dir haben ausgereicht, um mich davon zu überzeugen, dass du dich kein bisschen verändert hast.“

Sie konnte ihm seine Frustration ansehen. „Ich bestehe aber darauf, dass du mitkommst“, beharrte er.

„Und was ist, wenn ich mich weigere? Entführst du mich dann?“

Seine dunklen Augen verschleierten sich. „Ich glaube nicht, dass eine so drastische Maßnahme erforderlich sein wird.“

Als sich ihre Blicke trafen, wurde ihr erneut schlagartig heiß. Er meinte es ernst. Was will er bloß, überlegte sie verzweifelt. „Glaubst du wirklich, ich käme freiwillig mit?“

„Gib’s endlich zu, Farrah, es ist immer noch da. Du spürst es genauso wie ich. Und jetzt kannst du haben, was du dir immer gewünscht hast. Lass dir nicht von einem kindischen Trotz deine Träume zerstören.“

Ihr Herz hämmerte. „Sogar für einen Sultan bist du unerträglich arrogant“, fauchte sie. „Du hattest deine Chance, Tariq, aber du hast sie nicht genutzt. Jetzt ist es zu spät.“

Das schien ihn nicht weiter zu stören. Seine Augen glitzerten, und zu spät fiel ihr ein, dass Tariq ein Mann war, der die Herausforderung suchte. Er brauchte stets Hindernisse, um sie niederzureißen und so der Welt seine Überlegenheit zu beweisen.

„Schön, ich bin bereit, dein trotziges Spiel für eine Weile mitzuspielen, vorausgesetzt, du findest dich damit ab, dass wir heiraten. An gewisse Regeln musst du dich als meine zukünftige Frau allerdings halten. Wie ich gehört habe, hast du gleich vor, bei dieser Modenschau aufzutreten.“

Farrah starrte ihn an. Oh Gott, die Modenschau! Die hatte sie ja ganz vergessen. Ab dem Moment, in dem ihr Blick auf Tariq gefallen war, hatte sie nur noch an Flucht denken können. Flucht vor ihm und den verwirrenden Gefühlen, die er in ihr auslöste. Der Gedanke an die Modenschau, deren Erlös wohltätigen Zwecken diente, machte sie ganz hilflos. Wie um Himmels willen sollte sie in diesem Zustand zwei Stunden im grellen Scheinwerferlicht überstehen?

„Ich verbiete dir, daran teilzunehmen!“

„Du verbietest mir …“ Vor Empörung verschlug es ihr die Sprache.

„So etwas schickt sich nicht für meine zukünftige Ehefrau“, erklärte er rigoros.

Und dann kam ihr die rettende Idee. Die Modenschau war die perfekte Gelegenheit, Tariq ein für allemal loszuwerden.

„Damit wäre das Thema wohl erledigt“, sagte sie in süßem Ton, während sie sich aus seinem Griff herauswand. „Weil ich natürlich daran teilnehmen werde. Deshalb sollten sich Hoheit besser ganz schnell nach einer anderen Ehefrau umsehen.“

Er sog scharf die Luft ein, seine dunklen Augen flackerten ungläubig. „Lächerlich. Du bestehst also darauf, dich weiterhin desinteressiert zu geben. Ist dir überhaupt klar, dass das eben ein Heiratsantrag war?“

„Ein Heiratsantrag?“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf. „Tut mir leid, aber da muss ich wohl etwas falsch verstanden haben. Bei einem Heiratsantrag hat man nämlich die Wahl, aber alles, was ich von dir gehört habe, waren Befehle. Nein, wirklich, Tariq, such dir jemand anders. Ich bin tatsächlich nicht interessiert.“

Damit ließ sie ihn stehen und ging zurück in den Ballsaal und von dort aus in den Raum, in dem die hektischen Vorbereitungen für die Modenschau bereits in vollem Gange waren. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, ihre Hände waren feucht und kalt, und ihr war übel.

Tariq wollte sie heiraten?

Was hatte das bloß zu bedeuten?

Warum kam er nach fünf Jahren Funkstille plötzlich an und verkündete in Diktatorenmanier, dass er vorhabe, sie zur Frau zu nehmen? Was für ein Spiel spielte er? Und warum reagierte ihr Körper immer noch auf ihn, obwohl sie schon seit langer Zeit wusste, was für ein erbärmlicher Schuft er war?

Es ist wie bei jeder Sucht, überlegte sie düster. Der Körper gierte nach dem Suchtmittel, auch wenn es noch so schädlich war. Und Tariq war für sie extrem schädlich.

„Gott sei Dank, Farrah, da bist du ja endlich!“, rief Enzo Franconi, der berühmte italienische Designer und Freund, erleichtert. „Wir haben uns schon Gedanken gemacht, wo du steckst. Du wirst heute Abend nämlich das aufregendste Kleid der ganzen Kollektion tragen. Du wirst atemberaubend aussehen, das prophezeie ich dir, absolut einmalig, so …“

„Vergiss das Kleid“, unterbrach Farrah ihn schroff, während sie die Haarnadeln aus ihrer Frisur zog. „Was ist mit Bademoden, Enzo? Hast du die auch im Programm?“ Ihr langes blondes Haar fiel ihr wie ein schimmernder Wasserfall über den Rücken, während Enzo überrascht nach Luft schnappte.

„Ja, sicher. Aber bisher hast du dich doch immer geweigert, so viel Haut zu zeigen.“

Farrah dachte nur an Tariq. An seinen Heiratsantrag, den er unmöglich ernst gemeint haben konnte. Die ganze Begegnung mit ihm ergab keinen Sinn. „Schön, heute Abend weigere ich mich nicht. Wenn du willst, führe ich die ganze Kollektion vor, besonders aber die gewagtesten Teile.“

Der Wüstenprinz würde sein blaues Wunder erleben.

Tariq hatte immer noch schwer daran zu knabbern, dass ihm die erste Frau, der er je einen Heiratsantrag gemacht hatte, einen Korb gegeben hatte. Stumm in seinem Sessel vor sich hinbrütend, wartete er auf den Beginn der Modenschau.

Typisch, dass Farrah sich keine Gelegenheit entgehen ließ, sich öffentlich zur Schau zu stellen. Genau wie ihre Mutter. Unter anderem deshalb hatte er es vor fünf Jahren nicht gewagt, an der Beziehung mit Farrah festzuhalten. Eine solche Entwicklung hatte sich damals schließlich bereits angekündigt. Die genaueren Umstände von Sylvia Tyndalls frühem Tod hatten die Medien nicht beleuchtet, nichtsdestotrotz hatte ihr ausschweifendes Leben zu Gerüchten Anlass gegeben, die besagten, dass ihr Tod durch Drogen oder Alkohol oder vielleicht auch durch eine Mischung aus beidem verursacht worden war.

Und inzwischen deutete in der Tat alles darauf hin, dass Farrah ihrer Mutter im Lauf der Jahre immer ähnlicher wurde.

Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum, während er ihren Disput auf der Terrasse noch einmal Revue passieren ließ.

Das unschuldige junge Mädchen, das ihn vor fünf Jahren in den Bann gezogen hatte, gab es nicht mehr. Aber warum überraschte ihn das? Wo er doch schon lange wusste, dass es nur ein Wunschbild gewesen war? Seine damalige persönliche Situation war schwierig gewesen, deshalb hatten ihn Farrahs frische, unkomplizierte Art und ihre Begeisterungsfähigkeit stark beeindruckt. Es hatte allerdings nicht lange gedauert, bis er eines Besseren belehrt worden war. Sobald er sie aus der Wüstenstadt Nazaar in seinen Palast gebracht hatte, war sie eine andere geworden. Da hatte sie sich in Windeseile in eine junge Frau verwandelt, die sich allein für ihr Aussehen interessierte und um jeden Preis auffallen wollte.

Er warf einen kurzen Blick zum Laufsteg, wo bereits langbeinige Models in Aktion getreten waren. Von Farrah war bis jetzt noch nichts zu sehen, aber er kannte sie zu gut, um sich der Hoffnung hinzugeben, sie könnte es sich doch noch anders überlegt haben. Und als sie schließlich erschien, war ihr Auftritt so spektakulär, dass es Tariq die Sprache verschlug. Das grelle Scheinwerferlicht und die laute stampfende Musik, die provozierende Erotik vermittelte, machten das Ganze noch dramatischer.

Das lange blonde Haar, das ihr offen über Schultern und Rücken fiel, war das Einzige, was man an dem unerhört freizügigen Badekostüm als andeutungsweise schicklich bezeichnen konnte. Unter den männlichen Zuschauern erhob sich beifälliges Gemurmel, während Hasim Akbar neben ihm einen erstickten Laut der Empörung von sich gab. Tariq saß wie versteinert da, nur das Zucken eines Muskels auf seiner Wange deutete darauf hin, dass sein Adrenalinspiegel besorgniserregend anstieg.

Als die Musik noch lauter wurde, begann Farrah sich unerhört lasziv im Takt zu bewegen. Kaum vorstellbar, dass sie auf diesen schwindelerregend hohen Absätzen laufen konnte, doch als sie es schließlich tat, wirkte es so selbstverständlich, als ob sie mit diesen Schuhen bereits auf die Welt gekommen wäre.

Der Badeanzug betonte ihre atemberaubend langen Beine, die schlanke Taille, die hohe Brust. Ein durchsichtiger langer Schleier, der sie umwehte, erweckte die Illusion, als schritte sie durch Nebelschwaden.

Sie war ein Abbild weiblicher Perfektion, der zum Leben erwachte Traum eines jeden Mannes, und Tariq spürte, wie die Begierde ihre scharfen Krallen in seine Lenden schlug.

Eine zeitlich begrenzte Ehe hat definitiv ihre Vorteile, überlegte er. Auf diese Weise gelangte er nicht nur in den Besitz von Farrah Tyndalls Aktienanteilen, die für die Zukunft seines Landes unverzichtbar waren, sondern darüber hinaus würde ihm diese Frau vierzig Tage und Nächte zur Verfügung stehen. Während dieser Zeit konnte er sie in seinem Bett festhalten, und dann würde er sich von ihr scheiden lassen, bevor sie ihn erneut so in Verlegenheit bringen konnte wie im Augenblick.

Auf der anderen Seite des Laufstegs erhob sich ein Mann halb aus seinem Sessel, mit einem Ausdruck nackten Verlangens in den Augen. Sie versucht, männliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und es gelingt ihr spielend, wütete Tariq in Gedanken. Und das alles machte sie nur, um ihm einen Schlag zu versetzen, weil sie ihm seine Zurückweisung von vor fünf Jahren immer noch nicht verziehen hatte, dessen war er sich sicher.

Er schlug die Beine übereinander und ließ mit wachsender Wut ihre geschmacklose Darbietung über sich ergehen. Doch bald schon widmete er sich in Gedanken wieder seinem Plan, sie zur Seinen zu machen.

Jetzt war sie am Ende des Laufstegs angelangt, wo sie in absichtsvoll aufreizender Pose stehen blieb und herausfordernd in seine Richtung schaute.

Wage es nicht, mich an irgendetwas zu hindern, warnte ihr Blick, was Tariq veranlasste, mit einem Satz aufzuspringen, um genau dies zu tun.

Wütend erklomm er den Laufsteg, ohne sich um das Tohuwabohu zu scheren, das seine Bodyguards bei dem Versuch, sich an seine Fersen zu heften, verursachten. Bei Farrah angelangt, hob er sie umstandslos hoch und trug sie, ohne nach rechts und links zu schauen, aus dem Ballsaal.

„Tariq …“ Ihre Stimme klang schockiert und atemlos, während sie mit den Fäusten seine Schultern bearbeitete. „Was soll das?“

Für einen Sekundenbruchteil war er verunsichert, als ihm klar wurde, dass er zum ersten Mal in seinem Leben vollkommen spontan gehandelt hatte.

Er hatte schlicht nicht gewusst, was er tat. Sein Verstand war ausgeschaltet gewesen.

„Lass mich sofort los!“

Immer noch kochend vor Wut, spürte er, wie sich etwas Dunkles, Primitives in ihm Bahn brach. Dabei musste er daran denken, dass er bereits früher durch Farrah mit Seiten von sich selbst konfrontiert worden war, deren Existenz er am liebsten geleugnet hätte.

„Worüber beklagst du dich, Laeela? Du sehnst dich doch so nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Jetzt hast du sie bekommen.“ Er versuchte, das heiße Verlangen, das ihm die Sinne zu rauben drohte, zu ignorieren, während er mit langen Schritten das luxuriös ausgestattete Foyer durchquerte. Einen Augenblick später trat er durch die Drehtür hinaus auf die Straße, wo sein Chauffeur auf seine Rückkehr wartete.

Sie ist leicht wie eine Feder, dachte er, als er sie auf dem Rücksitz absetzte und dem Fahrer ein paar schroffe Anweisungen gab.

„Tariq, ich werde nicht …“

„Sei still!“, herrschte er sie an, wobei er zum zweiten Mal an diesem Abend sein Jackett auszog. „Hier, zieh das über.“

„Ich werde nicht …“

„Ich habe gesagt, du sollst das überziehen!“ Da er selbst hörte, wie wütend er klang, konnte er es ihr schlecht verübeln, dass sie sich schutzsuchend in ihren Sitz drückte. „Gleich bekommst du vernünftige Kleidung.“

Er wollte keinen Millimeter nackter Haut mehr sehen.

In Farrahs Augen stand flammende Empörung. „Du führst dich auf wie ein Neandertaler.“

„Als Neandertaler wäre ich meinen niedersten Instinkten gefolgt und hätte getan, worum du mit deinem Aufzug praktisch gebettelt hast. Das heißt, ich hätte dir mitten im Saal diesen erbärmlichen Fetzen vom Leib gerissen und dich auf einem der Tische genommen“, erwiderte er kalt.

Sie keuchte schockiert. „Ich bettele nie um etwas“, beteuerte sie, aber ihr Blick hielt seinen einen Moment länger als nötig fest.

Er glaubte, sich sicher sein zu können, dass er ihr nicht gleichgültig war, auch wenn sie sich alle Mühe gab, diesen Anschein zu erwecken.

„Und ich gehe auch nirgends mit dir hin. Setz mich zu Hause ab“, verlangte sie, aber immerhin schlüpfte sie in sein Jackett und machte es zu. Sie war so schlank, dass sie fast darin ertrank, während ihre langen Beine, immer noch unverhüllt, nichts von ihrer Verführungskraft eingebüßt hatten. Das war ihr offenbar bewusst, weil sie fest die Knie zusammenpresste und die Beine eng an den Sitz zog.

Tariq lächelte spöttisch. „Etwas spät für Sittsamkeit, meinst du nicht?“ Aus irgendeinem Grund entfachte der Anblick ihrer Beine seinen gerade erst mühsam gebändigten Zorn von Neuem. „Ich muss schon sagen, die Benefizveranstaltungen haben sich ziemlich rasant entwickelt, seit ich zum letzten Mal in England war. Müssen sich die Gäste dafür jetzt schon ausziehen?“

„Es ist für einen guten Zweck“, erwiderte sie mit abgewandtem Gesicht.

„Erzähl mir nichts. Wir wissen beide, dass du jede Gelegenheit nutzt, um im Rampenlicht zu erscheinen.“ Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm, dachte Tariq grimmig.

„Wie recht du doch hast.“ Jetzt schaute sie ihn an, mit leuchtend grünen Augen, die im Halbdunkel glitzerten. „Ich habe den ganzen Tag im Bett verbracht, um heute Abend ganz besonders hübsch zu sein. Gibt es daran etwas auszusetzen, Tariq? Das erwartet man doch von mir, oder?“

Und dabei wirkt sie so unschuldig, ging es ihm durch den Kopf, während sein Blick an ihrem verführerischen Mund hängen blieb. Gar nicht wie eine Frau, für die Flirten Daseinszweck war und die nur am wachsenden Volumen ihres ohnehin überquellenden Kleiderschranks interessiert war.

„Reiz mich nicht“, warnte er leise. „Wenn du das nächste Mal meinst, unbedingt eine gute Tat vollbringen zu müssen, sag mir einfach Bescheid, dann stelle ich einen Scheck aus. Das erspart es dir, dich halbnackt zu präsentieren.“

„Was geht dich das eigentlich alles an?“ Sie hob trotzig das Kinn und starrte ihn wütend an. „Lass mich in Ruhe, ich will nichts von dir. Du kennst mich nicht und hast mich nie gekannt“, schloss sie, und er spürte, wie sich etwas gefährlich Wildes Bahn brach zwischen ihnen.

Das Auto fuhr schnell und geräuschlos durch die Nacht, während sich in dem dunklen Innenraum das Gefühl zunehmender Intimität noch verstärkte.

Plötzlich glaubte Tariq fast zu ersticken. Er lockerte seine Krawatte, machte die beiden obersten Hemdknöpfe auf. Farrah verfolgte seine Bewegungen mit Blicken, dann schaute sie ihm für einen Moment in die Augen, bevor sie den Kopf abwandte und ihr Gesicht hinter einem schimmernden Haarvorhang versteckte. Doch zu spät, er hatte bereits gesehen, dass sie rot geworden war.

Die Atmosphäre war erfüllt von der sexuellen Anziehungskraft zwischen ihnen.

Farrah schien es ebenfalls zu spüren, weil sie krampfhaft schluckte und sein Jackett noch enger um sich zog. Dabei versuchte sie, ihre Beine seinem Blickfeld zu entziehen, aber es gab nichts, das ihr Schutz hätte bieten können.

„Starr mich nicht so an, Tariq.“ Ihre in heiserem Ton vorgebrachte Bitte nahm Tariq etwas von seiner Anspannung. Offenbar war Farrah längst nicht so ungerührt, wie sie vorgab.

„Das soll dieser Badeanzug doch bezwecken“, sagte er kalt, während sein Blick an ihren langen nackten Beinen hochkletterte. „Das kann dir ja wohl kaum verborgen geblieben sein.“

Sie faltete ihre Hände so fest in ihrem Schoß, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. „Ich habe ihn nur vorgeführt, weil ich dich ärgern wollte!“

Er lächelte amüsiert. „Oh, so schrecklich ist der Anblick auch wieder nicht. Genauer gesagt, beschleichen mich jetzt, wo wir allein sind, sogar ganz wohlige Gefühle.“

„Deine Gefühle interessieren mich nicht.“

„Nein? Wir haben es nie herausgefunden, nicht wahr, Laeela?“ Er beugte sich zu ihr hinüber und strich ihr behutsam das Haar aus dem Gesicht, um ihr fein gezeichnetes Profil freizulegen. „Wir haben nie herausgefunden, wie es mit uns wäre. Wir haben nur geträumt und uns die wirkliche Leidenschaft versagt. Unsere heimlichen Treffen am Strand, die heißen Küsse in den Höhlen von Zatua, das alles war ein einziges langes Vorspiel.“ Er schloss einen kurzen Moment die Augen, bevor er fortfuhr. „Fünf Jahre. Fünf lange Jahre warte ich jetzt schon auf eine Antwort auf die Frage, wie es mit uns wohl sein mag.“

Jetzt wandte sie ihm das Gesicht zu, und er sah, dass sich ihre Atmung beschleunigt hatte. „Dann kann ich dir nur wünschen, dass deine Geduld noch lange anhält, weil du es nämlich nie erfahren wirst. Ich bin kein Spielzeug, Tariq. Und ich lasse mir weder etwas befehlen, noch lasse ich mich kaufen. Du kannst nicht einfach beschließen, mich zu heiraten.“

„Oh doch, das kann ich wohl. Ich brauche dich nur zu berühren, und schon gehörst du mir.“ Er wickelte sich lässig eine Haarsträhne von ihr um den Finger. „Und du willst es ganz genauso wie ich.“

Sie starrte ihn gebannt an. „Irrtum“, sagte sie heiser. „Ich will das nicht. Deine Arroganz ist wirklich unerträglich.“

„Ein Herrscher ohne Selbstbewusstsein würde es schwer haben bei seinem Volk“, gab er zurück, wobei er sich noch weiter zu ihr vorbeugte, „und wir wissen beide, dass meine angebliche Arroganz hier nicht das Problem ist. Das Problem sind deine Gefühle. Oder genauer gesagt deine Entschlossenheit, sie zu ignorieren. Gib es doch einfach zu: Du bist genauso erpicht darauf, mit mir ins Bett zu gehen, wie ich es mit dir bin.“

Wieder beobachtete er, wie sie schwer schluckte, sah ihre Augen schockiert aufleuchten, mit einem Funken Erregung in den grünen Tiefen. „Hör auf damit“, flüsterte sie gequält. „Ich will, dass du sofort aufhörst.“

„Glaubst du wirklich, mir wären deine Gefühle damals verborgen geblieben? Mit achtzehn konntest du dich noch nicht so gut verstellen, Laeela. Du warst noch nicht geübt darin, Spielchen zu spielen. Deine Blicke sind mir überallhin gefolgt, und wenn ich dir zu nah kam, stockte dir der Atem.“

Sie wurde erneut rot. „Du bist wirklich unerträglich arrogant“, wiederholte sie, in dem kläglichen Versuch, ihm Widerstand zu bieten.

„Nicht arrogant, nur ehrlich.“ Er lehnte sich wieder zurück, diesmal zufriedener mit ihrer Reaktion. „Im Gegensatz zu dir. Vor fünf Jahren habe ich das junge Mädchen kennengelernt. Jetzt kann ich es nicht erwarten, die Frau zu entdecken. Und diesmal werden wir die Leidenschaft nicht meiden, sondern uns kopfüber in ihre brodelnden Tiefen stürzen.“

Wie schön sie ist, dachte er, während er beobachtete, wie ein Ausdruck von Verwirrung über ihr herzförmiges Gesicht huschte. In diesem Moment fragte er sich zum ersten Mal, ob vierzig Tage und Nächte ausreichen würden.

„Ich komme nicht mit dir, Tariq.“

„Ich hasse es, auf das Offensichtliche hinzuweisen“, entgegnete er glatt, „aber du bist schon bei mir.“

„Ein Fehler, den ich umgehend korrigieren werde.“ Als sie den Kopf wandte und aus dem Fenster schaute, keuchte sie überrascht. „Der Flughafen? Was wollen wir hier?“

„Ich sagte es bereits. Ich nehme dich mit. In mein Land. Wir fliegen nach Tazkash.“

3. KAPITEL

Farrah saß von Panik erfüllt neben Tariq in dessen Privatflugzeug und zermarterte sich das Hirn nach einem Ausweg. Sie ignorierte das Flugpersonal, das sich um ihr leibliches Wohl kümmerte, ebenso wie Tariq, der es sich mit größter Selbstverständlichkeit neben ihr bequem gemacht hatte.

Sie hätte ihn am liebsten erwürgt. Er war selbstherrlich, herrschsüchtig, autoritär – vor lauter Wut fehlten ihr die Worte, obwohl sie mit ihrer Aufzählung noch längst nicht am Ende war.

Am meisten aber haderte sie mit sich selbst. Wie hatte sie es bloß so weit kommen lassen können?

Warum hatte sie nicht schneller reagiert?

Tariq war es gewöhnt, von Menschen umgeben zu sein, deren einziger Lebensinhalt darin bestand, seine Befehle zu befolgen.

Es war töricht gewesen, ihn zu provozieren, so viel war ihr inzwischen klar.

Kein vernünftiger Mensch käme je auf die Idee, ein angriffslustiges wildes Tier auch noch zu reizen, und doch hatte sie genau dies mit dem Wüstenprinzen getan.

Warum hatte sie sich nicht daran erinnert, dass es unmöglich war, gegen ihn zu gewinnen? Wie auch, bei den Waffen, die ihm zur Verfügung standen? Neben seinem Scharfsinn und seiner Intelligenz besaß er eine Macht, von der sie nur träumen konnte. Ein Befehl von ihm, und das Hindernis, welches auch immer, wurde aus dem Weg geräumt. Auf der Stelle.

Und genau deshalb saß sie jetzt hier in seinem Flugzeug, dazu verurteilt, nach seiner Pfeife zu tanzen.

Sie hatte ihren Augen nicht trauen wollen, als sie sich auf dem Flughafen wieder gefunden hatte, und war viel zu überrumpelt gewesen, um eine Flucht überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Deshalb hatte sie sich von Tariq ziemlich widerspruchslos ins Flugzeug führen lassen. Dass sein Personal bei ihrem Anblick – sie trug immer noch den Badeanzug – keine Miene verzogen hatte, ließ ihre Demütigung nur noch größer erscheinen. Offenbar war man daran gewöhnt, Tariq bisweilen in Gesellschaft sehr leicht bekleideter Damen zu sehen.

Das machte sie aus einem unerfindlichen Grund wütend.

Noch wütender war sie geworden, als zwei sich ständig verbeugende Frauen sie in eine Kabine begleitet hatten, in der man eine beachtliche Auswahl an Garderobe bereithielt, aus der Farrah sich etwas aussuchen sollte. Die Frauen hatten ihr beim Umziehen behilflich sein wollen, aber sie hatte sie weggeschickt.

Während sie mit den Kleiderbügeln herumgefuhrwerkt und sich schließlich für einen hochgeschlossenen Hosenanzug aus feiner Seide entschieden hatte, war sie zu der Erkenntnis gelangt, dass Tariq zweifellos die Angewohnheit hatte, in seinem Flugzeug halbnackte Frauen zu transportieren, denn wozu brauchte er sonst hier die vielen Kleider?

Und jetzt saß sie wieder neben ihm, dankbar dafür, dass sie wenigstens diesen Hosenanzug trug, der sie vor seinen unverhohlenen Blicken schützte. Draußen war es dunkel, und die gedämpfte Beleuchtung erzeugte eine intime Atmosphäre, die an Farrahs Nerven zerrte.

Sie hatte Tariq nie wiedersehen wollen.

Und doch war sie jetzt hier, gefangen in der erstickenden Intimität seines Privatflugzeugs. Konnte es etwas Schlimmeres geben?

„Ich will nach Hause, Tariq.“ Sie schaute ihn an und wiederholte in scharfem Ton: „Bring mich sofort nach Hause!“

„Ich bringe dich nach Tazkash. In dein neues Zuhause.“

„Bist du übergeschnappt? Das ist Freiheitsberaubung! Man kann nicht einfach beschließen, jemanden zu heiraten.“

Er lächelte nachsichtig. „Im Gegensatz zu vielen Engländern habe ich kein Problem damit, Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, was ich will. Unentschlossenheit ist ein Charakterzug, den ich bei anderen nicht schätze, bei mir selbst allerdings keinesfalls dulde.“

„Mein Vater würde zu dieser Heirat nie sein Einverständnis geben.“

„Das ist auch nicht erforderlich, außerdem hat dein Vater derzeit ganz andere Sorgen“, gab Tariq zurück. „Wie ich gehört habe, ist er in Sibirien mit einem äußerst komplexen Projekt beschäftigt, das seine gesamte Aufmerksamkeit beansprucht. Du spielst bei ihm im Moment vermutlich nur eine untergeordnete Rolle.“

Sie schluckte. Gab es eigentlich nichts, was er nicht wusste? „Für mich ist mein Vater jederzeit erreichbar“, behauptete sie nicht ganz wahrheitsgemäß.

„Und was wirst du ihm sagen?“ Tariq nahm zwei Gläser entgegen und reichte eines davon Farrah. „Dass du vorhast, mich zu heiraten? Ich nehme an, er gratuliert dir, weil er weiß, dass damit ein alter Herzenswunsch von dir in Erfüllung geht.“

Farrah schluckte. „Du hältst dich wohl für unwiderstehlich, was?“

Tariq lächelte. „Ich halte mich nur an die Tatsachen. Heuchelei und falsche Bescheidenheit sind nicht meine Art und außerdem Zeitverschwendung.“

„Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass ich dich vielleicht gar nicht heiraten will?“

„Warum nicht? Früher hast du an nichts anderes gedacht. Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?“ Seine Stimme war jetzt tief und verführerisch. „Am Strand, bei Sonnenaufgang.“

Sie starrte ihn lange an, bevor sie sich ruckartig abwandte.

Oh ja, und wie sie sich erinnerte.

Es war an ihrem ersten Morgen in Nazaar gewesen, der Zeltstadt am Rand der Wüste.

Ihr Vater war wegen langwieriger Vertragsverhandlungen dorthin geflogen, und sie hatte ihn begleitet. Sie war achtzehn gewesen und hatte immer noch um ihre Mutter getrauert, die sechs Monate zuvor gestorben war.

Sie war am Strand entlangspaziert, neugierig auf ihr neues vorübergehendes Zuhause.

Da hatte Tariq sie angesprochen, und sie war völlig geblendet gewesen von ihm. Einen Monat später hatte sie gewusst, dass er der Mann ihres Lebens war. Und hatte nicht daran gezweifelt, dass er ihre Liebe erwiderte.

Ihr Vater war allerdings von Anfang an skeptisch gewesen und hatte sie eine naive Träumerin genannt. „Prinz Tariq bin Omar al-Sharma lebt in einer anderen Welt“, hatte er besorgt eingewandt. „Du bist ganz bestimmt nicht die richtige Frau für ihn.“

„Ich weiß aber, dass er mich liebt“, hatte sie trotzig beharrt.

„Du wirst dich zum Narren machen und am Ende furchtbar enttäuscht werden, glaub mir“, hatte ihr Vater sie gewarnt.

Und er hat recht gehabt, dachte Farrah, während sie, immer noch betäubt, aus dem Flugzeugfenster starrte. Sie hatte sich tatsächlich zum Narren gemacht.

Für eine kurze glückliche Zeit hatte sie in der Illusion gelebt, dass Tariq ihr eines nicht allzu fernen Tages bestimmt einen Heiratsantrag machen würde. Aber er hatte keine Sekunde daran gedacht.

Als seine Mätresse wäre sie gut genug für ihn gewesen, nicht aber als seine Ehefrau.

Die wunderschönen zärtlichen Momente, die sie in der Zeltstadt Nazaar geteilt hatten, waren von seiner Seite nicht mehr als eine ausgefeilte Verführungstechnik gewesen. Und sie, ein achtzehnjähriges Mädchen mit dem Kopf voller romantischer Träume, war darauf hereingefallen.

Sie war wirklich sträflich naiv gewesen.

Aber heute weiß ich es besser, dachte sie, während sie in die äußerste Ecke ihres Sitzes rückte, um den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern.

Heute wusste sie sehr genau, was Tariq für ein Mann war und welche Qualitäten er an Frauen schätzte.

Offensichtlich hatte ihn das glatte, glamouröse Image beeindruckt, das sie sich in den letzten Jahren zugelegt und immer weiter perfektioniert hatte. Vielleicht war er deshalb plötzlich der Meinung, dass sie sich an seiner Seite ganz gut machen würde. Traurige Ironie der Geschichte war, dass sie dieses Image erst in Reaktion auf die übersteigerten Erwartungen ihrer Mutter und Tariqs grausame Zurückweisung entwickelt hatte.

Dabei hatte Farrah sich in ihrem tiefsten Innern überhaupt nicht verändert. Sie interessierte sich immer noch viel mehr für Geschichte und Pferde und natürlich für die Kinder, mit denen sie, streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit, arbeitete, als für Partys, Frisuren und Kleider. Aber das würde Tariq nie erfahren.

Und diesmal würde sie sich nicht von der sexuellen Anziehungskraft zwischen ihnen blenden lassen. Ein weiteres Mal würde sie sich nicht zum Narren machen, ganz gleich, wie ihr Körper reagierte.

Sie war fest entschlossen, ihm keinen Einblick in den glitzernden Kokon zu gewähren, in den sie sich aus Selbstschutz eingesponnen hatte.

Im Morgengrauen landeten sie und stiegen für die Fahrt durch die Wüste in eine Limousine um.

Obwohl es fünf Jahre her war, erkannte Farrah die Gegend auf Anhieb wieder. „Ist das nicht die Straße nach Nazaar?“ Nazaar war früher ein wichtiger Handelsposten auf der Weihrauchroute gewesen.

Nazaar, der Ort, an dem sie sich verliebt hatte.

Autor

Chantelle Shaw
<p>Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs. Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills &amp; Boon,...
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