Julia Exklusiv Band 310

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HERZ AUS FEUER, HERZ AUS EIS von MILBURNE, MELANIE
Rache ist heiß! In einem Restaurant gießt die junge Schauspielerin Mia dem Kritiker Bryn Dwyer kurzerhand Kaffee über die Hose. Schließlich hat er ihre Karriere zerstört! Aber statt wütend zu sein, macht ihr Feind einen skandalösen Vorschlag: Mia soll seine Ehefrau spielen …

KÜSS MICH WACH, MEIN PRINZ von WALKER, KATE
Katherine ist vom Glück verzaubert, als ihr Jugendfreund Heath plötzlich bei ihr auftaucht. Wie Dornröschen wird sie von ihm wach geküsst. Bis sie entdeckt, dass er nicht aus Liebe, sondern aus Rache zurückgekehrt ist. Doch da hat sie längst ihr Herz an ihn verloren …

CHAMPAGNER MIT DEM MILLIARDÄR von ELLIS, LUCY
Rose hat eine tolle PR-Idee. Aber dazu braucht sie die Unterstützung des Milliardärs Rafael Kuragin. Als sie auf einer Pressekonferenz seine Aufmerksamkeit erregt, bittet er Rose in seinen Privatjet. Um dort alles Weitere zu besprechen - oder um sie über den Wolken zu verführen?


  • Erscheinungstag 26.04.2019
  • Bandnummer 0310
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713225
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne, Kate Walker, Lucy Ellis

JULIA EXKLUSIV BAND 310

1. KAPITEL

„Es ist nicht zu fassen! Wie kann er so was über mich schreiben!“ Mia warf die Zeitung auf den Tisch; ihre grauen Augen sprühten vor Zorn. „Die erste große Rolle auf der Bühne, und er verreißt mich gnadenlos! Meine Karriere ist zu Ende, bevor sie richtig anfängt.“

„Ich würde das nicht so tragisch nehmen“, sagte Shelley besänftigend. Sie war dabei, den Geschirrspüler in Tony Petrellis Café zu bestücken. „Bryn Dwyer verreißt so ziemlich jeden. Hast du seine Rundfunksendung von gestern nicht gehört? Der Gast, den er interviewt hat, muss sich wie der letzte Idiot vorgekommen sein. Das ist eben sein Stil; deswegen hat er diese fantastische Einschaltquote.“

„Ich hasse ihn wie die Pest, und wenn sich mir je die Gelegenheit bietet, dann sage ich ihm das persönlich.“

„Wer weiß, vielleicht hast du Glück.“ Shelley stellte die Spülmaschine an und richtete sich auf. „Die letzten drei Tage kam er jeden Morgen zum Frühstück, immer mit einer anderen Begleiterin. Du solltest sehen, wie Tony um ihn herumschwänzelt! Einfach widerlich.“

„Bryn Dwyer? Hier bei uns?“, wiederholte Mia hoffnungsvoll.

„Hör zu, Mia! Du bist erst ein paar Tage hier und hast die Stelle nur bekommen, weil ich ein gutes Wort für dich eingelegt habe. Wenn du …“

„Einen Cappuccino und einen Koffeinfreien mit extra Milch für Tisch sieben.“ Der Besitzer Tony Petrelli knallte die Bestellung auf die Theke. „Und ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf. Unser Stargast gibt sich wieder die Ehre.“

Mia warf einen verstohlenen Blick in den Saal und stieß einen Pfiff aus. Ein breitschultriger dunkelhaariger Mann und eine attraktive Brünette saßen an einem der runden Tische und unterhielten sich angeregt. „Wenn man vom Teufel spricht …“

Shelley packte sie beim Arm. „Mach keinen Mist! Du kennst Tony, er feuert dich auf der Stelle, wenn du einem Kunden frech kommst, erst recht einem Stargast.“

Mia schob Shelleys Hand beiseite. „Ich glaube, in diesem Fall lasse ich es darauf ankommen.“ Sie griff nach dem Tablett mit dem Cappuccino und dem Koffeinfreien und machte sich auf den Weg zu Tisch sieben.

Bryn Dwyer saß mit dem Rücken zu ihr, und Mia nahm unwillkürlich die durchtrainierten Muskeln wahr, die sich unter dem exklusiven hellblauen Hemd deutlich abzeichneten. Die lässig hochgekrempelten Manschetten zeigten braune Handgelenke mit feinen dunklen Härchen und eine teure Armbanduhr. Das dunkelbraune Haar war dicht und leicht gewellt – allem Anschein nach benutzte der Mann keinen Kamm, sondern seine langen schlanken Finger, um es in Ordnung zu halten.

Bryn Dwyer war Australiens populärster Radiomoderator. Sein Programm lief täglich zur Hauptsendezeit, und zusätzlich schrieb er eine wöchentliche Kolumne für eine der Tageszeitungen. Sein Foto erschien in sämtlichen Magazinen, besonders oft in Frauenzeitschriften, nachdem man ihn im letzten Monat das zweite Mal zum Junggesellen des Jahres gekürt hatte. Und aufgrund erfolgreicher Investitionen auf dem Immobilienmarkt war er mit dreiunddreißig Multimillionär. Er besaß, wovon die meisten Menschen nur träumten: fabelhaftes Aussehen, Reichtum und Ruhm.

Mia warf einen kurzen Blick in die Spiegelwand: Würde er sie von der gestrigen Theateraufführung wiedererkennen? Kaum. In dem T-Shirt und Minirock, ohne Make-up, das schulterlange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, sah sie wie jede x-beliebige Kellnerin aus.

„Schönen guten Morgen, die Herrschaften“, grüßte sie, wobei sie zur weiteren Tarnung einen irischen Akzent nachahmte. „Ein Cappuccino, ein Koffeinfreier. Wer bekommt was?“

„Der Koffeinfreie ist für mich“, erwiderte die Brünette mit einem freundlichen Lächeln.

Mia stellte den Kaffee auf den Tisch und wandte sich Bryn Dwyer zu. „Und für Sie der Cappuccino?“

Er nickte, ohne von dem Schriftstück vor ihm aufzusehen.

„Bitte sehr.“ Mit einer zügigen Geste schüttete sie ihm das heiße Getränk in den Schoß.

Entgeistert sprang Bryn vom Stuhl auf. „Was fällt Ihnen ein?“

„Oh! Das tut mir aber leid … Wie ungeschickt von mir! Ich bringe Ihnen sofort einen neuen …“

„Sparen Sie sich die Mühe!“, fuhr er sie wütend an, dann kniff er die Augen zusammen. „Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?“

„Das ist unmöglich. Ich bin Ihnen noch nie begegnet.“ Sie wandte sich ab und wollte gehen, doch er packte sie am Arm. „Jetzt erinnere ich mich! Sie sind das Mädchen in dem Werbespot für Toilettenpapier, stimmt’s?“

Mia schüttelte seine Hand ab. „Sie müssen mich verwechseln“, entgegnete sie kühl.

„Ich vergesse nie ein Gesicht, und Ihres ist …“

„Sie sind entlassen!“ Zornbebend eilte Tony Petrelli durch den Saal auf sie zu. „Fristlos entlassen! Haben Sie mich verstanden, Miss Forrester?“

Bryn runzelte die Stirn. „Forrester? Mia Forrester?“

„Es tut mir sehr leid, Mr. Petrelli“, sagte sie und vergaß ganz den irischen Akzent. „Die Tasse ist mir aus der Hand gerutscht.“

„Sie lügen! Sie haben es absichtlich getan, ich habe alles mit angesehen. Verlassen Sie mein Café, und zwar sofort!“ Tony wandte sich an Bryn. „Bitte entschuldigen Sie das schockierende Verhalten meiner Angestellten, Mr. Dwyer. Oder vielmehr meiner Ex-Angestellten. Ich werde dafür sorgen, dass sie für den Schaden aufkommt. Darf ich Ihnen einen frischen Cappuccino bringen? Vielleicht mit einem unserer speziellen Buttercroissants? Natürlich auf Kosten des Hauses.“

„Danke, nein.“ Bryn lächelte flüchtig. „Allerdings würde ich mit Ihrer – äh – Ex-Angestellten gern ein ernstes Wort sprechen.“ Er musterte Mia von oben bis unten.

„Mit mir?“ Alarmiert trat sie einen Schritt zurück. „Ich wollte gerade gehen.“

„Nicht so schnell, Miss Forrester, Ihr ehemaliger Boss hat mit Sicherheit nichts dagegen, wenn ich Sie einen Augenblick in Anspruch nehme.“ Er umschloss ihr Handgelenk mit eisernem Griff.

Hilfesuchend sah Mia sich nach Tony um, aber er war bereits an die Theke zurückgekehrt.

Die Brünette erhob sich. „Dann gehe ich jetzt, Bryn.“ Freundlich streckte sie Mia die Hand entgegen. „Ich bin Annabelle Heyward, Miss Forrester. Mr. Dwyers Agentin.“

„Sie Ärmste!“ Mia schüttelte die dargebotene Hand. „Nett, Sie kennenzulernen – trotz der miesen Begleitung.“

„Wie bitte?“ Empört runzelte Bryn die Stirn.

„Ich rufe Sie später wegen der Einschaltquote an.“ Annabelle nickte ihm zu und verließ das Café, ein amüsiertes Funkeln in den Augen.

„Lassen Sie mich los!“, zischte Mia. „Alle schauen uns an.“

„Das ist mir gleichgültig. Wenn Sie meinen, Sie können mir ungestraft Kaffee über die Hose schütten, dann haben Sie sich geirrt.“

Sie hob das Kinn. „Ich wurde bestraft. Haben Sie nicht gehört, dass Tony mich entlassen hat?“

„Mit vollem Recht. Was haben Sie sich dabei gedacht? Was habe ich Ihnen getan?“

„Das fragen Sie noch?“ Erbost schüttelte sie seine Hand ab. „Ihretwegen bin ich meinen Job als Kellnerin los und vielleicht auch meinen Vertrag mit Peach Pie Productions. Und alles nur wegen Ihrer blödsinnigen Rezension in der Zeitung. Das war meine erste richtige Rolle auf der Bühne! Die Hauptdarstellerin wurde krank, und ich durfte einspringen. Und bloß, weil Sie so voreingenommen und überheblich sein mussten, kann ich meine gerade begonnene Karriere beim Theater in den Wind schreiben und …“

„Oh, das waren Sie.“ Er strich sich mit der Hand über das Kinn.

„Allerdings. Das war ich.“

„Na und? Sie haben eine negative Kritik bekommen. Was ist schon dabei?“

„Sie … Sie …“ Mia trat einen Schritt vor und stach ihm den Zeigefinger auf die Brust. „Sie arroganter, selbstgefälliger Wichtigtuer! Bloß weil es Ihnen nicht gefallen hat, bilden Sie sich ein, Sie können mich einfach derart verreißen. Aber da haben Sie sich die falsche Person ausgesucht, das lasse ich mir nicht gefallen. Schon gar nicht von einem Chauvi wie Ihnen! Wenn ich Ihretwegen meinen Vertrag verliere, dann werden Sie das bitter bereuen, das verspreche ich Ihnen.“

Bryn betrachtete die kleine Xanthippe mit steigendem Interesse. Wann hatte ihm jemand das letzte Mal so unverblümt die Meinung gesagt? Die meisten Menschen – und besonders die Frauen – dachten nur daran, ihm Honig um den Bart zu schmieren. Nicht sie! Mit den blitzenden Augen und dem wippenden Pferdeschwanz glich sie einem Schulmädchen, aber nicht einer Verführerin, die sie gestern in Theodore Frankstons neuem Drama so erbärmlich gespielt hatte.

„Sie sollten bei Toilettenpapier-Werbespots bleiben“, sagte er. „Oder die Branche wechseln und sich einen anderen Beruf suchen.“

„Wie wär’s, wenn Sie Ihre Persönlichkeit wechseln?“, konterte Mia wütend.

Bryn unterdrückte ein Lächeln und musterte sie unauffällig. Sie hatte die schlanke Figur und den klaren, rosigen Teint derer, die ihre Freizeit an der frischen Luft verbrachten. Ihr ungeschminktes Gesicht besaß eine bezaubernde natürliche Schönheit. Sie war genau der Typ, der Großtante Agnes gefiel – und die ideale Lösung für ein Problem, mit dem er sich seit Monaten herumschlug.

„Hören Sie, Miss Forrester …“ Er zog sie ein wenig beiseite, damit die Gäste am Nebentisch ihrer Unterhaltung nicht folgen konnten. „Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen entlassen wurden. Andererseits verstehe ich nicht, wieso ein Talent wie Sie als Kellnerin arbeitet.“

„In Ihrem Artikel steht nichts von Talent; da heißt es, und ich zitiere, ‚… der klägliche Versuch einer jungen und unerfahrenen Schauspielerin, die Femme fatale zu verkörpern‘. Sind das Ihre Worte oder nicht?“

„So ungefähr.“

„Was? Sie erinnern sich nicht, was Sie über mich geschrieben haben?“

„Herrgott noch mal!“ Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. „Ich war unter Termindruck und kam spät nach Hause, weil ich noch mit Freunden aus war …“

„Wollen Sie etwa sagen, Sie waren betrunken, als Sie den Artikel geschrieben haben?“

„Natürlich nicht!“ Verstohlen sah er sich um. „Können Sie nicht leiser sprechen? Auf diese Art von Publicity kann ich im Moment verzichten.“

Mia richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, doch im Vergleich zu seinen zwei Metern kam sie sich wie eine Liliputanerin vor. „Ihre Karriere ist mir schnuppe, nach dem, wie Sie mit meiner umgegangen sind.“

Er biss sich auf die Lippe. „Okay, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Hier ist meine Visitenkarte – rufen Sie mich an, falls Ihr Vertrag gekündigt wird. Dann helfe ich Ihnen, ein neues Engagement zu finden.“

Mia nahm die Karte, riss sie in Stücke und warf sie ihm vor die Füße. „Darauf verzichte ich. Und meinen Bekannten sage ich, dass sie ab sofort Ihr Programm nicht mehr einschalten sollen. Falls es Sie interessiert – ich habe einen sehr großen Bekanntenkreis.“ Damit ließ sie ihn stehen und rauschte davon.

Bryn schaute ihr nach. Das Letzte, was er von ihr sah, bevor sie in der Küche verschwand, war der wippende Pferdeschwanz. Er lächelte: Ja, Mia Forrester würde Tante Agnes gefallen.

Er zog das Handy aus der Hosentasche und wählte. „Annabelle? Können Sie mir Theodore Frankstons Nummer geben? Und den Namen und die Telefonnummer von Mia Forresters Agent?“

„Wozu?“, fragte Annabelle argwöhnisch.

„Ich habe eine großartige Idee. Sie jammern doch andauernd, dass ich mein Image verbessern soll, damit die Einschaltquote wieder steigt. Jetzt weiß ich, wie ich das erreiche.“

„Wenn das so ein verrückter Einfall ist wie Ihr letzter, dann übernehme ich für die Folgen keine Verantwortung. Seit dieser Geschichte mit einer verheirateten Frau stehen Sie bei den Zuhörerinnen nicht sehr hoch im Kurs.“

„Serena Riley war geschieden – oder so gut wie geschieden.“

„Was auch immer. Die Affäre mit ihr hat Ihnen sehr geschadet und …“

„Genau darum geht es. Hören Sie zu: Ich verliebe mich in eine junge, unerfahrene Schauspielerin und sie sich in mich, obwohl ich sie einen Tag vorher in meiner Kolumne gnadenlos verrissen habe … Es ist die perfekte Lovestory, wie in einem Hollywoodfilm, und genau, was die Frauen lieben. Na, was sagen Sie jetzt?“

Die Agentin stöhnte. „Ich bin sprachlos.“

„Annabelle! Jede Frau in Sydney wird am Radio sitzen, um den Fortgang zu verfolgen. Die Idee ist genial.“

„Und wie wollen Sie Mia Forrester dazu überreden, sich in Sie zu verlieben? Ich hatte nicht gerade den Eindruck, dass sie zu Ihrem Fanclub gehört.“

„Das lassen Sie nur meine Sorge sein. Was ich von Ihnen brauche, sind die Telefonnummern, um den Rest kümmere ich mich selbst. Ciao.“

Eine Stunde später rief er Theodore Frankston an. Das Gespräch war kurz und sachlich.

„Ihre Rezension war wirklich sehr miserabel, Dwyer“, meinte der Autor, nachdem Bryn sich am Telefon vorgestellt hatte.

„Mia Forrester auch. Sie eignet sich überhaupt nicht für diese Rolle. Wenn Sie die Femme fatale nicht umbesetzen, dann wird Ihr Stück ein Reinfall.“

„So? Und wenn ich mich weigere?“

„Dann empfehle ich meinen Zuhörern heute Nachmittag, dass sie sich das Geld für die Eintrittskarte sparen und lieber den Fernseher einschalten sollen. Und Peach Pie Productions – Ihr Produzent, Theo – verliert seine Sponsoren.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. „Das Ganze gefällt mir nicht“, murrte der Autor. „Zugegeben, es fehlt ihr an Erfahrung, doch das wird sich ändern. Ich mag Mia – sie gefällt mir.“

„Mir auch. Ich kümmere mich um sie, machen Sie sich keine Sorgen.“

„Sie sind ein arroganter Hund, Dwyer. Hat Ihnen das noch niemand gesagt?“

Bryn schmunzelte. „Doch. Es war äußerst erfrischend. Bis bald, Theo.“ Er legte auf und wählte die Nummer von Mias Agentin.

Das Gespräch mit Roberta Askinthorpe verlief ebenso erfolgreich. Bryn kannte sie von verschiedenen Partys und hatte ein paar Mal mit ihr geflirtet. Er wusste, dass sie ihm einen Gefallen tun würde.

„Hallo, Bryn!“, gurrte Roberta. „Rufst du an, um dich für Mias schlechte Kritik zu entschuldigen?“

„Natürlich nicht.“

Sie lachte. „Wie dumm von mir. Seit wann entschuldigt sich Bryn Dwyer für das, was er sagt oder schreibt?“

„Ich brauche deine Hilfe, Roberta, aber es muss unter uns bleiben.“

„Dein Wunsch ist mir Befehl, Darling.“

„Ich möchte, dass du Mia Forrester vorübergehend aus deiner Kartei streichst.“

„Warum? Sie ist sehr talentiert und außerdem ein netter Mensch. Ich weiß, die Rolle in Theodores Stück ist nichts für sie, aber Sabina wurde in letzter Minute krank und Peach Pie Productions brauchte Ersatz. Davon ganz abgesehen – Schauspieler, vor allem Anfänger, müssen ihr Repertoire erweitern.“

„Das wird sie – ich habe eine Rolle für sie.“

„Aber wie soll ich ihr erklären, dass ich sie nicht mehr vertrete?“

„Nimm meinen Artikel zum Vorwand. Du kannst ja später wieder ihre Agentin werden. Ich will nur, dass sie im Moment auf dem Trockenen sitzt, damit sie mein Angebot akzeptiert.“

„Das klingt ja sehr geheimnisvoll. Du hast dich doch nicht in sie verliebt, oder?“

Bryn lachte. „Roberta! Du solltest doch wissen, dass ich mich nicht verliebe.“

„Das mag sein, aber Mia ist nicht wie andere Frauen … Was hast du mit ihr vor?“

„Schalte meine Sendung ein, dann wirst du es erfahren. Und vergiss nicht – dieses Gespräch bleibt unter uns.“

„Schön. Aber es kostet dich ein Dinner.“

„Einverstanden.“

„In Paris!“

Bryn lächelte und legte auf.

2. KAPITEL

Das Telefon klingelte, als Mia ihre Wohnung betrat. Sie überlegte, ob es nicht besser wäre, den Anruf einfach zu ignorieren.

„Hebst du ab?“, rief ihre Freundin und Mitbewohnerin Gina aus dem Badezimmer.

„Okay.“ Sie nahm den Hörer ab. „Hallo?“

„Mia? Ich bin’s, Ellie.“ Ihre kleine Schwester!

„Ellie! Wo bist du? Noch in Südamerika? Die Verbindung ist fürchterlich.“

„Ich weiß. Hör zu, Mia, ich … ich habe Schwierigkeiten.“ Ein Schluchzen kam aus der Leitung.

Mia erschrak. „Was ist passiert, Ellie?“

„Ich bin verhaftet worden.“

Verhaftet? Wo? Warum?“

„In Brasilien, bei einer Protestkundgebung. Es ging um den Regenwald im Amazonas … Und jetzt sitze ich im Gefängnis und brauche Geld, damit sie mich freilassen.“

„Oh Gott, Ellie! Ich telefoniere sofort mit Mum und Dad.“

Nein! Bitte nicht, Mia. Ich will ihnen den Urlaub nicht verderben.“

„Aber wir müssen sie informieren, Ellie!“

„Mia! Bitte ruf sie nicht an. Dad kriegt einen Herzinfarkt, wenn er das hört. Du weißt, die Ärzte haben ihm seit dem letzten Anfall jede Aufregung verboten.“

„Was ist mit unserem Schwager? Ich bin sicher, Jake schickt dir das Geld sofort.“

„Wenn Ashleigh erfährt, dass ich im Gefängnis bin, flippt sie aus, du kennst sie. Bitte sag ihnen nichts.“

Mia seufzte. Sie wusste, wie dickköpfig ihre kleine Schwester war. „Okay. Wie viel brauchst du?“ Als Ellie die Summe nannte, erblasste sie. „W…wie soll ich dir das Geld schicken?“

„Überweise es mir einfach. Zum Glück hatte ich meine Kreditkarte in der Hosentasche und den Reisepass auch, als mir der Rucksack gestohlen wurde. Mit dem Flugticket!“

„Du Ärmste! Aber mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um das Geld. Ein paar Tage wird es wohl dauern – mein Bankkonto ist im Moment ziemlich leer.“

„Danke, Mia. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich in diese Geschichte hineinziehen muss, aber du bist die Einzige … Ich will nicht, dass Mum und Dad damit belastet werden. Du wirst den Mund halten, nicht wahr?“

„Ehrenwort. Vielleicht sollte ich die australische Botschaft in Brasilien verständigen, damit sie Bescheid wissen und dir …“

„Nein, lass mir nur das Geld zukommen. Ich kenne hier jemanden, der mir weiterhilft. Das geht bedeutend schneller als mit der Botschaft.“

„Ich mache mir solche Sorgen, dass dir etwas passiert …“

„Das brauchst du nicht, Mia, wirklich. Ich muss jetzt auflegen, der Wärter wird schon ungeduldig. Sobald ich entlassen bin, rufe ich dich an, das verspreche ich. Und noch mal … Vielen, vielen Dank. Mach’s gut.“

„Du auch …“ Sie legte auf und starrte das Telefon an. Die Summe, die Ellie benötigte, war nicht enorm, aber wenn Peach Pie Productions ihren Vertrag kündigte, dann wurde es kritisch. Vor allem, nachdem der Job im Café auch futsch war …

Wieder klingelte es. Diesmal war Theodore am Apparat, um ihr mitzuteilen, dass er die Rolle in seinem Stück mit einer anderen Schauspielerin besetzt hatte.

„Aber ich …“

„Tut mir leid, Mia, es ging nicht anders. Nach dem, was heute in der Zeitung steht, drohen meine Sponsoren mit einem Rückzieher. Vielleicht ein andermal wieder …“

Mia war fassungslos. Schlimmer konnte es kaum werden. Eine schlechte Besprechung hatte genügt, um ihr Engagement zu beenden. Den Job im Café war sie los. Und Ellie saß in einem Gefängnis in Brasilien und brauchte so schnell wie möglich Geld.

Sie atmete ein paar Mal tief durch, dann straffte sie die Schultern. Sie würde etwas finden, eine neue Rolle, einen Werbespot, was auch immer.

Sie wählte die Nummer ihrer Agentin, doch auch dieses Gespräch verlief niederschmetternd.

„Sorry, Mia, ich bin im Moment völlig überlastet.“

„Roberta …“

Aber Roberta hatte bereits aufgelegt.

„Stimmt was nicht?“, fragte Gina, als sie aus dem Badezimmer kam. „Du machst ein Gesicht, als wärst du dabei, einen Mord zu planen.“

„So ungefähr“, erwiderte Mia böse, während sie sich suchend umsah. „Hast du meine Autoschlüssel gesehen?“

„Nein. Wohin willst du?“

„Zu dem Typen, dem ich es verdanke, dass ich arbeitslos bin. Der kann sich auf was gefasst machen!“

„Du bist entlassen worden?“, fragte Gina ungläubig.

Mia fand den Schlüsselbund unter einem der Sofakissen und griff danach. „Ja, von Peach Pie Productions und von Tony Petrelli. Und Roberta hat mir eben mitgeteilt, dass sie mich nicht länger vertreten kann, weil sie angeblich überlastet ist.“

„Aber warum denn? Ich finde, du warst spitze in der Aufführung gestern Abend, trotz allem, was in der Zeitung steht.“

„Du hast es also gelesen – und mit dir vermutlich die halbe Stadt. Wie soll ich jetzt eine neue Rolle finden? Oder einen anderen Agenten?“

„Nimm es dir nicht so zu Herzen, Mia“, versuchte Gina sie zu trösten. „Jeder Schauspieler bekommt ab und zu eine schlechte Kritik, das ist unvermeidlich. Vielleicht ist ein Agentenwechsel gar nicht übel.“

Mia biss die Zähne zusammen. Die Sorge um Ellie vergrößerte nur ihre Wut auf Bryn Dwyer. Er war Schuld, und dafür würde er büßen!

„Warum hat Tony dich entlassen?“

„Weil ich einem Kunden einen Cappuccino auf die Hose geschüttet habe.“

„Du meinst … absichtlich?“

Herausfordernd hob Mia das Kinn. „Er hat es sich selbst zuzuschreiben, nach dem, was er über mich veröffentlicht hat.“

Gina fiel fast in Ohnmacht. „Du hast Bryn Dwyer Kaffee auf die Hose gegossen? Dem Multimillionär und Junggesellen des Jahres? Dem Rundfunk-König?“

„Keinem anderen.“

„Dann ist es mit deiner Karriere wirklich vorbei.“

„Das werden wir noch sehen.“ Rachedurstig klimperte Mia mit den Autoschlüsseln.

„Was … was hast du vor?“

„Ich gehe jetzt zu ihm ins Studio und sage ihm persönlich, was ich von ihm halte.“

„Das halte ich für keine gute Idee. So, wie ihm die Frauen nachsteigen, hat er bestimmt einen Leibwächter. Wenn der dich sieht, meint er womöglich, du willst seinem Schützling an den Kragen.“

Die Türklinke in der Hand, drehte Mia sich noch einmal um. „Genau das will ich, und daran hindert mich auch kein Leibwächter. Diesmal hat sich Bryn Dwyer das falsche Opfer ausgesucht.“

Die Radiostation Hot Spot FM befand sich in Lane Cove, einem gepflegten Vorort von Sydney. Mia parkte in einer Seitenstraße und ging zu dem hohen Gebäude zurück.

„Ich habe einen Termin für ein Interview mit Bryn Dwyer“, informierte sie den Sicherheitsbeamten am Eingang. „Mein Name ist Mia Forrester, ich bin Schauspielerin.“

Der Mann überprüfte eine Liste auf seinem Schreibtisch. „Es tut mir leid, Miss Forrester, aber Sie sind nicht vorgemerkt. Sind Sie sicher, das Interview ist heute Nachmittag?“

„Ja, Mr. Dwyer und ich haben den Termin heute Morgen bei … bei einer Tasse Kaffee vereinbart.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber der Zweck heiligte die Mittel. „Vielleicht könnten Sie in seinem Studio anrufen und sich den Termin bestätigen lassen. Wir sind … äh … alte Freunde.“

„Einen Moment.“ Der Mann griff zum Telefonhörer, führte leise ein kurzes Gespräch, und reichte Mia, nachdem er aufgelegt hatte, einen Passierschein. „Hier ist Ihr Ausweis. Gehen Sie den Korridor entlang, immer geradeaus. Mr. Dwyer hat Studio Nummer Fünf, das dritte auf der linken Seite.“ Er betätigte den Summer, und Mia trat ein, erstaunt, aber froh, dass sich ihr Plan so leicht in die Tat umsetzen ließ.

Sie klopfte an die Tür mit der Nummer Fünf. Ein Techniker öffnete und ließ sie eintreten. Durch eine Glaswand erblickte sie Bryn Dwyer im Senderaum an einem Tisch, den Kopfhörer auf den Ohren, das Mikrofon vor dem Mund. Er hob den Kopf und lächelte ihr zu, als er sie sah. Sie kräuselte die Lippen und nickte unterkühlt.

„Noch ein Song vor den Nachrichten und dem Wetter, dann wird er mit Ihnen sprechen“, informierte sie der Mann hinter dem Schaltpult und zeigte auf einen Stuhl.

„Danke.“ Mia setzte sich. Wahrscheinlich war er der Produzent.

Über die Lautsprecheranlage im Büro vernahm sie Bryns einschmeichelnde Stimme, als er den nächsten Song ankündigte. Plötzlich drehte er sich wieder zu ihr und lächelte erneut, diesmal jedoch verschmitzt. Mia erwiderte seinen Blick noch kälter, doch bei seinen nächsten Worten wäre sie fast vom Stuhl gefallen.

„Unser letzter Gast ist eine junge Schauspielerin – die hinreißende Mia Forrester, der ich heute Morgen in meinem Stammcafé zum ersten Mal begegnet bin. Es war ein denkwürdiger Augenblick, Mia schüttete mir nämlich aus Versehen meinen Cappuccino auf die Hose. Und wollen Sie wissen, was geschah? Ich habe mich in sie verliebt.“

Entgeistert starrte „die hinreißende Mia Forrester“, ihn an. Hatte der Mann den Verstand verloren?

„Und jetzt …“, sprach er weiter, „… möchte ich von Ihnen allen, die Sie draußen vor Ihrem Radio sitzen, hören, wie Sie Ihre Herzensdame oder den Mann Ihres Lebens gefunden haben. Rufen Sie mich an, gleich nach den Nachrichten, und erzählen Sie unseren Zuhörern von dieser romantischen Begegnung.“

„In fünf Minuten sind Sie dran“, informierte der Produzent die sprachlose Mia.

„Aber …“ Sie presste die Lippen aufeinander. Na warte! Dir werde ich es zeigen! Ich werde deinen Zuhörern und Zuhörerinnen genau sagen, was ich von dir halte. Von wegen romantisch!

Fünf Minuten später saß sie Bryn im Senderaum gegenüber. Wie er trug sie Kopfhörer, durch die sie das Ende der Wettervorhersage vernahm und darauf erneut seine Stimme.

„Hier ist wieder Bryn von Hot Spot FM. Vor mir sitzt die bezaubernde Miss Forrester. Danke, Mia, dass Sie ins Studio gekommen sind, um Ihre Story mit unseren Zuhörern zu teilen. Doch zunächst die ersten Anrufe. Hallo, Jennifer … Von wo rufen Sie an? … Aus Campbelltown! … Erzählen Sie uns, wie Sie dem Mann Ihres Lebens begegnet sind.“

Durch die Kopfhörer drang eine Frauenstimme an Mias Ohren. „Hi Bryn, hi Mia … Mein Mann und ich haben uns an einer Straßenkreuzung kennengelernt. Die Ampel stand auf Rot, und er fuhr voll in mein Auto. Natürlich war ich fuchsteufelswild, aber als er ausstieg, fiel mir sofort auf, wie umwerfend er aussah. Als ich meinem Ärger Luft gemacht hatte, grinste er und lud mich zu einem Date ein, und da konnte ich einfach nicht widerstehen. Tja, und jetzt sind wir verheiratet.“

„Danke, Jennifer, das war wundervoll, ich wünsche Ihnen beiden noch sehr viel Glück … Hallo Andy. Sie rufen aus Castle Hill an? Und wie sind Sie der Frau Ihres Herzens begegnet?“

„In einem Kosmetiksalon. Sie hat mir für ein Triathlon die Beine enthaart.“

„Tatsächlich?“ Bryn zwinkerte Mia zu. „Und wie viele Enthaarungen haben Sie bis zum ersten Date durchstehen müssen?“

„Fünf, aber die Schmerzen haben sich gelohnt.“

Bryn lachte. „Und da sage noch einer, dass Männer keine romantische Ader haben! Alles Gute, Andy … Und jetzt, glaube ich, ist mein Gast mit ihrer Geschichte an der Reihe. Mia?“

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich traf Bryn in dem Café“, wo ich bis heute früh als Teilzeitkellnerin beschäftigt war. Nach dem … Unfall mit dem Kaffee verlor ich meinen Job und …

„… und gleichzeitig Ihr Herz. So war es doch, Mia, oder?“

„Ich …“

„Ist das nicht wunderbar?“, fiel er ihr erneut ins Wort. „Jetzt sind Sie wieder dran, liebe Zuhörer. Rufen Sie an und sagen Sie uns, wie Sie über Liebe auf den ersten Blick denken. Die Leitung ist frei. Ah, da ist ja schon der erste Anruf …“

Während Mia mit einem Ohr zuhörte, überlegte sie erbittert, was er mit diesem ganzen Unsinn beabsichtigte.

Das Telefon klingelte ununterbrochen, und der Produzent an seinem Schaltpult strahlte über das ganze Gesicht.

„Hallo, Sharon …“, sagte Bryn. „Von wo rufen Sie an? Aus dem sonnigen Seaforth … Sie möchten Mia etwas fragen? Kein Problem, hier ist sie.“

„Danke, Bryn. Hallo, Mia! Wie fühlt man sich, wenn man Sydneys begehrtesten Junggesellen erobert hat? Haben Sie keine Angst vor einer Enttäuschung? Ich meine, dass er Sie wegen einer anderen Frau verlassen könnte?“

Zunächst wusste Mia nicht, was sie sagen sollte, aber plötzlich hatte sie eine Eingebung. Sie schenkte Bryn ein honigsüßes Lächeln und erwiderte: „Ich glaube nicht, dass er das tun wird, Sharon. Er hat mich nämlich vor einer Stunde um meine Hand gebeten. Wir wollen so schnell wie möglich heiraten.“

Innerhalb von Sekunden war die Telefonzentrale mit Anrufern blockiert, und der Produzent gab das Zeichen für eine musikalische Einlage.

Mia versicherte sich, dass die Mikrofone ausgeschaltet waren, bevor sie Bryn anfuhr: „Haben Sie nicht alle Tassen im Schrank? Ich bin doch nicht in Sie verliebt!“

Er lehnte sich zurück. „Das weiß ich, aber die Zuhörer wissen es nicht und der Produzent auch nicht.“

Was? Sie behaupten doch nicht etwa, die nehmen das ernst?“

„Natürlich. Jeder nimmt es ernst.“

„Sind Sie wahnsinnig?“

„Ganz im Gegenteil.“ Er musterte sie spöttisch. „Ich dachte, da Sie heute Morgen meine teure Armani-Hose ruiniert haben, ist es nur gerecht, dass Sie meiner Einschaltquote ein wenig auf die Sprünge helfen. Und das können Sie, indem Sie ein oder zwei Wochen lang so tun, als wären Sie in mich verliebt. Das mit dem Heiratsantrag war vielleicht ein wenig übertrieben. Morgen wird es in allen Zeitungen stehen.“

„In den …“

„Das können Sie sich doch denken. Die Presse ist wild auf so was. ‚Playboy begegnet Frau seines Lebens beim Frühstück‘.“ Er lächelte spöttisch. „Nicht übel. Eine Weile sollten wir sie in dem Glauben belassen, finden Sie nicht?“

„Ich finde, Sie gehören ins Irrenhaus. Wegen Ihnen habe ich meinen Job verloren …“

„Aber Sie sind doch viel zu schade dafür, als Kellnerin zu arbeiten.“

„Ich spreche nicht vom Café! Theodore Frankston von Peach Pie Productions hat mich an die Luft gesetzt, und meine Agentin hat plötzlich keine Zeit mehr für mich. Und wem habe ich das zu verdanken? Ihrem dämlichen Artikel!“

„Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern.“

„Das sagen Sie so einfach. Wovon soll ich leben und meine Miete zahlen, wenn ich arbeitslos bin?“

„Aber das sind Sie ja gar nicht.“

„Wovon reden Sie?“

„Von dem Job, den ich Ihnen anbiete.“ Er lehnte sich vor, und Mia bemerkte zum ersten Mal, wie tiefblau seine Augen waren. „Sie werden meine Verlobte spielen. Eigentlich hatte ich an Freundin gedacht, aber da Sie einen Heiratsantrag erwähnt haben …“ Er zuckte mit den Schultern.

„Ihre was?“

„Meine Verlobte. Sie sind doch Schauspielerin, oder?“

„Ja, aber Ihrem Zeitungsartikel zufolge, keine gute.“

„Jetzt können Sie mir beweisen, dass ich mich getäuscht habe. Wenn Sie die Presse und mein Publikum davon überzeugen, dass Sie in mich verliebt sind, leiste ich öffentlich Abbitte. Natürlich bekommen Sie ein Honorar von mir. Was haben Sie bei Peach Pie Productions verdient?“

Sie sagte es ihm, und er lachte verächtlich. „Kein Wunder, dass Sie so schlecht spielen, wofür sollten Sie sich auch abmühen? Ich zahle Ihnen das Vierfache, plus Unkosten.“

„Unko…“

„Einen Moment.“ Er schaltete die Kopfhörer ein und sprach ins Mikrofon. „Hallo, hier bin ich wieder – Bryn Dwyer von Hot Spot FM, Ihrer bevorzugten Rundfunkstation. Sie haben es gehört: Der Junggeselle aus Überzeugung hat die Waffen gestreckt und sich verlobt. Wenn das kein Grund zum Gratulieren ist! Gehen Sie ans Telefon … Rufen Sie mich an, jetzt gleich … Ich warte …“

Mia lauschte erbittert. Dachte er wirklich, dass sie auf diesen lächerlichen Vorschlag einging?

Dann erinnerte sie sich an den Betrag, den er genannt hatte. Es war eine Menge Geld für ein oder zwei Wochen. Ellies Problem wäre im Handumdrehen gelöst, und das war im Moment das Wichtigste. Mia war Schauspielerin, und was er von ihr verlangte, war, eine Rolle zu spielen. Dennoch …

Verstohlen musterte sie ihn: Attraktiv war er, das ließ sich nicht bestreiten.

„Nun?“ Er nahm die Kopfhörer ab und sah sie fragend an. „Sind Sie einverstanden?“

„Was ist, wenn ich nicht will?“

Eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, so, als denke er nach. Mia wurde unbehaglich – sie hatte das Gefühl, dass er die besseren Karten in der Hand hielt.

„Bei dem Zwischenfall heute Morgen gab es Zeugen“, sagte er nach kurzem Schweigen. „Und wie Sie habe auch ich einen großen Bekanntenkreis, zu dem ein paar sehr gute Anwälte gehören. Wenn ich einen von ihnen anrufe, könnte es recht unangenehm für Sie werden.“

Mia schluckte. Er beabsichtigte doch nicht etwa, wegen einer ruinierten Hose Anzeige gegen sie zu erstatten! Doch sein Gesichtsausdruck bestätigte, dass er genau das tun würde.

„Sie … Sie sagten etwas von Unkosten …“

„Ja, für Kleidung, Friseur und dergleichen. Ich erwarte nicht, dass Sie dafür selbst aufkommen.“

„Wie lange müsste ich Ihre Verlobte spielen?“

„Ein oder zwei Wochen, vielleicht etwas länger … Auf keinen Fall mehr als einen Monat.“

„Und danach? Ich meine, was wird dann aus Ihrer Einschaltquote?“

Bryn schmunzelte. „Wahrscheinlich steigt sie dann noch mehr, weil jeder mich bemitleidet, dass Sie mich nicht heiraten.“

Mia rollte mit den Augen.

Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. „Die Sendung ist in dreißig Minuten zu Ende, danach können wir in aller Ruhe die Einzelheiten besprechen. Ich schlage vor, Sie gehen in die Cafeteria und warten dort auf mich. Nur eins noch … Von dieser Abmachung darf niemand erfahren, sie bleibt unter uns.“

„Was ist mit Ihrer Agentin?“

„Annabelle? Sie bekommt von mir die notwendigen Informationen, aber außer ihr darf niemand wissen, dass die Verlobung nicht echt ist. Nicht einmal Ihre Familie.“

„Ich kann meine Eltern nicht anlügen!“

„Sie lügen nicht, Mia, Sie spielen eine Rolle. Das sind zwei grundverschiedene Dinge.“

Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, doch er setzte die Kopfhörer wieder auf und ging erneut auf Sendung. Verstimmt griff sie nach ihrer Handtasche und verließ das Studio.

3. KAPITEL

Als Bryn eine halbe Stunde später in die Cafeteria kam, saß Mia an einem der Tische, wo sie die Glückwünsche seiner Mitarbeiter zu der bevorstehenden Hochzeit entgegennahm.

„Kommen Sie, wir gehen in mein Büro, da sind wir unter uns.“

Erleichtert stand sie auf und folgte ihm. Er öffnete eine Tür, an der sein Name stand, und ließ Mia eintreten.

„Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben.“

Ich? Wenn Sie den Artikel nicht geschrieben hätten, wäre das alles nicht passiert.“

„Das mit der Heirat war nicht meine Idee.“

„Ich wollte es Ihnen heimzahlen, dafür, dass Sie diesen Blödsinn verbreitet haben.“ Verächtlich schüttelte sie den Kopf. „Als ob ich mich in jemanden wie Sie verlieben würde!“

„Warum machen Sie eigentlich so ein Theater? Ihr Vertrag mit Theodore wäre in zwei Wochen ohnehin ausgelaufen, und dann hätten Sie weiter Kaffee und Kuchen serviert, bis Ihnen irgendjemand irgendwann einmal eine neue Rolle anbietet. Ich tue Ihnen einen Gefallen, Mia, ist Ihnen das nicht bewusst? Durch diesen Blödsinn, wie Sie es nennen, werden Sie bekannt. Morgen erscheint Ihr Foto in jeder Zeitung, und bald werden Sie sich vor Angeboten nicht mehr retten können.“

Sie krauste die Stirn – daran hatte sie nicht gedacht. Nur … Was würden ihre Eltern sagen? Wie sollte sie ihnen das Ganze plausibel machen?

„Sie haben mich erpresst. Dagegen habe ich etwas.“

„Und ich habe etwas dagegen, wenn man mich mit Kaffee verbrüht – besonders in diesem Bereich.“

Ihr Blick streifte die hoch gewachsene Gestalt, die am Schreibtisch lehnte: „In diesem Bereich“ saßen die Designerhosen ziemlich stramm …

Sie sah auf und bemerkte ein schalkhaftes Funkeln in seinen Augen. „Eine kleine Ruhepause kann ihm nicht schaden“, erwiderte sie kühl. „Ich bin sicher, er funktioniert noch.“

„Vielleicht sollten Sie sich selbst davon überzeugen.“

„Danke, ich verzichte.“

Er lachte und kam auf sie zu, um eine Hand unter ihr Kinn zu legen. „Was für ein ausdrucksvolles Gesicht Sie haben, Mia. Diese großen grauen Augen … Dunkel und stürmisch wie der Himmel vor einem Gewitter.“ Sacht ließ er den Daumen über ihre weichen Lippen gleiten.

Ein Prickeln lief Mia über die Haut. Wie gebannt verharrte sie und sah ihn an. Sie zuckte zusammen, als er ihr die andere Hand auf die Hüfte legte.

„Wa…was fällt Ihnen ein?“, stammelte sie. „Hören Sie s…sofort auf!“

Er lächelte. „Ich dachte, wir sollten eine Probe aufs Exempel machen, so lange uns niemand dabei zuschaut. Dann ist es später nicht so ungewohnt.“

„W…wovon reden Sie?“

„Vom Küssen natürlich, was sonst? Wenn wir ausgehen, erwartet man, dass wir uns ab und zu küssen. Das ist bei Verlobten so üblich.“

„K… küssen?“

„Ja …“ Er neigte sich zu ihr, und sein Atem streifte ihr Gesicht: Er war warm und roch nach Pfefferminz. „Sie wissen schon … Ich lege den Arm um sie und dann …“

„Ich weiß, wie man küsst, aber ich …“ Weiter kam sie nicht mehr – im nächsten Moment bedeckten seine Lippen ihre.

Sie wollte ihn wegstoßen, doch ihre Hände gehorchten ihr nicht. Eine magische Kraft, die Widerstand unmöglich machte, schien von ihm auszugehen, und sie reagierte instinktiv. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen und gaben den Weg frei für das sinnliche Spiel seiner Zunge.

Was sie empfand, war so unglaublich, dass sie es mit jeder Faser ihres Körpers fühlte. Der Verstand sagte ihr, dass es Wahnsinn war, Bryn zu küssen. Er hatte sie überrumpelt und in eine Rolle gedrängt, die ihrem geradlinigen Naturell aufs Tiefste widerstrebte. Er war gewissenlos, arrogant, ein Macho – und er küsste, wie kein Mann je zuvor sie geküsst hatte. Und das nannte er Probe aufs Exempel! Wie sollte das erst später werden?

Später?, flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Ein Später gibt es nicht. Das Ganze ist eine Farce, eine Show für die Öffentlichkeit, damit seine Einschaltquote in die Höhe schießt. Es wäre gut, wenn du das nicht vergisst.

Bryn hob den Kopf und betrachtete ihr erhitztes Gesicht. „Wow! Ich nehme alles zurück, was in meinem Artikel steht. Das war eine sehr gelungene Vorstellung.“

Mia befreite sich aus seinen Armen. „Wenn Sie glauben, dass Sie Ihr Spiel nach Lust und Laune mit mir treiben können, dann haben Sie sich aber gewaltig geirrt“, zischte sie.

„Wieso? Es gehört doch mit zu Ihrem Beruf, Männer zu küssen. Was ich nicht verstehe, ist, warum Sie gestern auf der Bühne dabei so zurückhaltend waren. Hatte Ihr Kollege schlechten Atem?“

„Nein.“

„Ist er Ihnen unsympathisch?“

„Sympathisch oder unsympathisch, wenn man spielt, ist das nebensächlich. Sie sind das beste Beispiel, denn ich finde Sie ausgesprochen unsympathisch, das können Sie mir glauben.“

„Wirklich?“ Er lächelte ironisch. „Dann wird es nicht ganz leicht für Sie sein, unser Publikum davon zu überzeugen, dass Sie mich lieben.“

„Möglich, aber ich sehe darin einen Test für meine Schauspielkunst. Eine Talentprobe sozusagen.“

„Gut. Heute Abend bekommen Sie die erste Gelegenheit, Ihr Talent zu beweisen. Ich lasse Sie um sieben von meinem Chauffeur abholen, und ich möchte, dass Sie elegant, aber sexy angezogen sind.“

„In meinem Kleiderschrank hängt nichts Elegantes.“

Er nahm ein Bündel Geldscheine aus seiner Brieftasche und hielt sie ihr entgegen. „Dann kaufen Sie etwas.“

Mia rührte sich nicht.

„Worauf warten Sie? Das ist Teil unserer Abmachung, oder haben Sie das vergessen?“

„Ich will Ihr Geld nicht. Lieber gehe ich in Lumpen.“

Bevor sie es verhindern konnte, steckte er ihr die Scheine in den Ausschnitt. „Jetzt hören Sie mir genau zu: Wenn ich sage, Sie sollen elegant und sexy aussehen, dann meine ich das auch. Ich bezahle Sie und erwarte von Ihnen eine erstklassige Darbietung. Und dazu gehört die richtige Aufmachung. Ist das klar?“

Blass vor Zorn zog Mia das Geld aus dem Ausschnitt und stopfte es in die Gesäßtasche. „Und jetzt hören Sie mir zu, Bryn Dwyer! Ich tue, was Sie verlangen, aber eins versichere ich Ihnen: In meinem ganzen Leben habe ich noch niemanden so verabscheut wie Sie. Ist das auch klar?“

„Glasklar.“ Er öffnete die Tür zum Gang. „Ich begleite Sie zu Ihrem Auto.“

„Danke, ich brauche Ihre Gesellschaft nicht.“ Sie wollte an ihm vorbei, doch er versperrte ihr den Weg. Sein Arm streifte ihre Brüste, und Mia zuckte zurück.

„Ich warne Sie! Lassen Sie es nicht auf einen Kampf ankommen. Fairplay ist nicht meine starke Seite.“

„Das weiß ich inzwischen selbst. Sie sind skrupellos und so von sich eingenommen, dass Sie es nicht ertragen können, wenn es nicht nach Ihrem Willen geht. Ich finde das geradezu jämmerlich.“

„So? Soll ich Ihnen sagen, was ich jämmerlich finde? Ihren kindischen Racheversuch von heute Morgen. Er beweist, wie unreif Sie sind. Sie sollten das Theater vergessen und bei Werbespots bleiben, die liegen Ihnen wenigstens.“

Mia ballte die Fäuste. „Vielleicht ist es besser, wir vergessen unsere Abmachung und Sie rufen stattdessen Ihren Freund, den Rechtsanwalt, an.“

„Fordern Sie mich nicht heraus, Sie kleiner Hitzkopf, sonst tue ich es und mache Sie zum Gespött von ganz Sydney! Dann ist Ihre Karriere endgültig ruiniert, wie Sie sehr wohl wissen.“

Sie sah ihm an, dass es keine leere Drohung war. Und was konnte sie gegen jemand wie ihn ausrichten? Bryn Dwyer war daran gewöhnt, das zu bekommen, was er wollte, und er besaß die Mittel dazu – Geld, Ruhm, die notwendigen Verbindungen. Gegen ihn kam sie nicht an, das wurde ihr immer deutlicher.

Schweigend nahm er sie bei der Hand, und Mia ließ es geschehen, obwohl sie sich ihm liebend gern entzogen hätte. Sie verließen das Gebäude und gingen zu ihrem Auto. Er öffnete die Tür. „Wir sehen uns heute Abend“, sagte er und trat einen Schritt zurück.

Wortlos setzte sie sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an. Dann trat sie das Gaspedal durch und brauste davon.

Bryn sah ihr nach. Das Aroma ihrer weichen Lippen haftete noch an seinem Mund, und der Duft der seidigen Haare an seinen Händen. Mit einem seltsamen Ziehen in der Brust erinnerte er sich daran, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte. Es kam ihm vor, als wäre ihr zierlicher Körper speziell für ihn geschaffen.

Ungeduldig wandte er sich um und ging zum Studio zurück. Liebe war ein Begriff, mit dem er nichts anfangen konnte. Er glaubte nicht daran, und schon gar nicht an Liebe auf den ersten Blick. Verlangen, Begierde, Lust – damit war er vertraut. Das ergab einen Sinn.

Und Mia Forrester weckte diese Empfindungen in ihm.

Warum auch nicht? Damit kam er zurecht.

Er atmete tief ein und ignorierte das sonderbare Ziehen.

4. KAPITEL

„Endlich!“, rief Gina aufgeregt, als Mia die Wohnung betrat. „Eben habe ich dich im Radio gehört. Stimmt es wirklich, dass ihr verlobt seid?“

„Ich … äh … Ich meine, wir …“

„Das ist ja soo romantisch! Und ich dachte, du kannst ihn nicht ausstehen. Wann ist die Hochzeit?“

„Wir … wir haben noch kein Datum festgelegt, alles ging so schnell.“ Sie wich Ginas Blick aus – es war so schwer, ihre beste Freundin zu belügen.

„Erzähl! Hast du ganz plötzlich gemerkt, dass du in ihn verliebt bist?“

Mia holte tief Atem. „Also … Ich ging ins Studio, um ihm die Meinung zu sagen, aber dann, als ich ihn vor mir sah, da …“ Sie gab sich alle Mühe, überzeugend zu klingen. „Ich weiß auch nicht … Es geschah einfach …“

„Glückspilz! Ich wünschte, so etwas würde mir auch passieren. Er sieht einfach umwerfend aus. Und denk nur, wie reich er ist! Wenn du ihn heiratest, hast du ausgesorgt.“

„Sein Geld ist mir völlig gleichgültig“, log Mia.

Geld war der einzige Grund, weshalb sie Bryn Dwyers Angebot akzeptierte; ohne sein Honorar konnte sie ihre Schwester nicht freikaufen. Was er ihr für das Kleid gegeben hatte, war bereits auf Ellies Kreditkartenkonto, und dieser Gedanke beschwichtigte ein wenig ihre Bedenken über den Handel, auf den sie sich eingelassen hatte. Ellie brauchte Hilfe, und sie würde ihre kleine Schwester nicht im Stich lassen.

„Das weiß ich, aber es schadet nicht, welches zu haben“, meinte Gina nüchtern. „Wann seht ihr euch wieder?“

Mia warf einen Blick auf die Armbanduhr und erschrak. Oh Gott, war es wirklich schon so spät? „In zwei Stunden.“

„Dann wird es Zeit, dass du dich zurecht machst. Du hast ja nicht mal die Haare gewaschen!“

Mia streifte die Schuhe ab und eilte ins Bad. „Kann ich dein schwarzes Kleid ausleihen, Gina?“

„Welches? Das mit den Glitzersteinen am Ausschnitt oder das mit dem Schlitz an der Seite?“

„Er will, dass ich sexy aussehe.“

„Dann das mit dem Schlitz – du hast die richtigen Beine dafür.“

Kurz vor sieben begutachtete Mia kritisch ihr Spiegelbild, dann nickte sie zufrieden: Niemand würde sie jetzt für eine brotlose Künstlerin halten. Was sie sah, war eine elegante und sehr attraktive junge Frau in einem eng anliegenden Abendkleid aus schwarzem Satin, das blonde Haar kunstvoll hochgesteckt, die schönen Schultern und der schlanke Hals durch lange glitzernde Ohrgehänge hervorgehoben.

„Sagenhaft!“, rief Gina begeistert. „Wenn Bryn dich sieht, verliebt er sich noch mehr in dich.“

Bryn Dwyer, dachte Mia zynisch, liebt niemanden außer sich selbst. Zeitungen und Magazine berichteten ständig von seiner jeweiligen neuesten Freundin, die, wie alle Vorgängerinnen, nach zwei Wochen seine Ex-Freundin wurde. Was durchaus nicht verwunderlich war – keine Frau würde es länger mit ihm aushalten.

Jemand klingelte. „Das ist er!“, hauchte Gina.

Mia holte tief Atem, dann öffnete sie die Tür. Ein Mann in Uniform stand vor ihr.

„Guten Abend, Miss Forrester. Mein Name ist Henry. Ich bin Mr. Dwyers Chauffeur und soll Sie abholen. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er noch eine Verpflichtung hat und sich im Hotel, in dem die Veranstaltung stattfindet, mit Ihnen treffen wird.“

Gina war sprachlos, aber Mia ließ sich nicht beeindrucken. Wenn Bryn Dwyer sich einbildete, er könne ihr auf diese Art imponieren, dann irrte er sich. Wahrscheinlich will er den starken Mann markieren, dachte sie. Und was die angebliche Verpflichtung betraf, so konnte sie sich gut vorstellen, um was es sich handelte …

Sie nickte lächelnd und folgte dem Chauffeur zu der weißen Stretchlimousine, die vor dem Haus parkte.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Als sie über die Harbour Bridge in Richtung Innenstadt fuhren, bewunderte Mia wieder einmal den großartigen Blick, der sich ihr bot: Sydneys wunderschöner Hafen mit den vielen Jachten, die im Licht der untergehenden Sonne golden glänzten – die Wolkenkratzer, die sich wie schlanke Pfeiler vom Himmel abhoben – das Opernhaus mit dem berühmten Dach, das an prall gefüllte Segel erinnerte.

Kurz darauf hielt Henry in der Einfahrt eines exklusiven Hotels, vor dem sich ein Heer von Reportern tummelte. Der Portier kam ihnen entgegengeeilt und öffnete die Wagentür.

In einem von zahlreichen Theater-Workshops hatte Mia die Rolle einer Prinzessin gespielt, und das kam ihr nun zu Hilfe. Ohne das Blitzlichtgewitter zu beachten, stieg sie lächelnd aus der Limousine und schritt in königlicher Haltung über den roten Teppich in das strahlend erleuchtete Foyer.

Schwere Kristalllüster hingen von der Decke, und der Marmorboden glänzte wie ein Spiegel. Zu beiden Seiten der geschwungenen Treppe standen zauberhafte Blumenarrangements.

Ein Reporter stellte sich Mia in den Weg und hielt ihr ein Mikrofon hin. „Miss Forrester, wie fühlt man sich als Verlobte von Sydneys begehrtestem Junggesellen?“

Sie strahlte ihn an. „Einfach wundervoll“, erwiderte sie mit einer Stimme à la Marilyn Monroe.

„Ich bin sicher, dass jede Frau in Sydney Sie beneidet und bewundert. Niemand glaubte daran, dass Bryn jemals vor den Traualtar treten würde. Wie haben Sie es geschafft, ihn zu bekehren? Können Sie unseren Leserinnen Ihr Rezept verraten?“

„Es gibt kein Rezept. Die Liebe kommt, wenn man sie am wenigsten erwartet.“

„Stimmt es, dass Ihre Bekanntschaft mit einem kleinen … äh … Unfall begonnen hat?“

„Ja, das stimmt“, erwiderte sie und lachte verschämt. „Ich habe versehentlich einen Cappuccino auf seine Hose geschüttet.“

„Man flüstert, dass sein Artikel in der Zeitung über Ihre Rolle in Theodore Frankstons Theaterstück der Grund für das … hm … Versehen war.“

„Das ist eine Lüge!“, erwiderte sie mit gespielter Entrüstung. „Es war ein Unfall.“

„Und das Gerücht, dass Bryn und Sie sich aus Publicity-Gründen verlobt haben … ist das auch eine Lüge, Miss Forrester?“, rief der Reporter einer Fernsehstation und richtete die Kamera auf sie.

Sie lächelte seelenvoll. „Für die Skeptiker unter Ihnen – Liebe auf den ersten Blick gibt es wirklich, Bryn und ich sind der Beweis. Unsere Begegnung war, wenn Sie so wollen, vorbestimmt. Schicksal, mit anderen Worten.“

„Vielen Dank, Miss Forrester.“ Der Reporter drehte sich zur Kamera. „Jetzt wissen Sie es aus erster Quelle, liebe Zuschauer. Für Sie, die Sie gerade erst eingeschaltet haben – Bryn Dwyer, zwei Mal Junggeselle des Jahres, ist nicht mehr zu haben. Seine sensationelle Verlobung mit Mia Forrester ist offiziell.“

Jemand berührte ihren Arm. „Miss Forrester … Wenn Sie jetzt bitte mit mir in den Ballsaal kommen würden … Mr. Dwyer wird jeden Moment eintreffen.“

Mia folgte dem Hotelangestellten die Treppe hinauf. Die ganze Geschichte machte ihr langsam Spaß, was sie eigentlich nicht erwartet hatte. Da sollte noch einer behaupten, sie habe kein Talent zur Schauspielerin!

Der Ballsaal war mit rosa und hellblauen Luftballons und Luftschlangen dekoriert. Die meisten Gäste saßen bereits an den weiß gedeckten Tischen, die hufeisenförmig um eine kleine Tanzfläche standen. „Sie sind am Tisch Nummer Eins, Miss Forrester“, informierte sie der Angestellte, als er sie zu ihrem Platz brachte. Auf dem Weg kamen zahlreiche Gäste auf sie zu, um ihr zu gratulieren. Mia bedankte sich lächelnd, schüttelte Hände und versuchte, sich all die Namen einzuprägen. Sie kam sich wie ein Filmstar vor.

Ihr Platz befand sich neben dem einer älteren Dame, die ihr freundlich zulächelte. „Ich bin Jocey – Jocey Myers. Wie hübsch Sie sind! Kein Wunder, dass Bryn sich sofort in Sie verliebt hat.“

Sie setzte sich auf ihren Stuhl. „Vielen Dank, Mrs. Myers.“

„Er ist wahrscheinlich noch bei seiner Großtante in der Klinik. Sie wissen doch, dass sie krank ist, nicht wahr?“

„Äh … ja.“ Mia hatte keine Ahnung, dass er eine Großtante hatte oder dass sie krank war.

„Die Ärmste … Es geht ihr gar nicht gut, und die Ärzte geben ihr nicht mehr lange … Aber das weiß niemand, Bryn spricht nie über sie. Ich habe es ganz zufällig erfahren – eine Bekannte von mir liegt auf derselben Station“, fügte sie vertraulich hinzu.

Mia nickte. Sie schämte sich ein wenig, weil sie angenommen hatte, Bryn vertreibe sich die Zeit mit einer seiner Freundinnen, während er in Wirklichkeit eine schwer kranke Verwandte besuchte.

Sie dachte an ihre Großeltern und all die alten Onkel und Tanten in ihrer Familie, die sie sehr gern hatte, und plötzlich empfand sie Mitleid mit ihm. An seiner Stelle wäre sie …

„Ah, da kommt er“, verkündete Jocey Myers mit einer Kopfbewegung in Richtung Eingang.

Mia beobachtete, wie Bryn durch den Saal auf sie zukam. Alle Blicke folgten ihm.

Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie lange und ausgiebig. „Und wie geht es meiner schönen Braut?“, fragte er.

Sie lächelte ihn an, doch in ihren Augen stand die unmissverständliche Warnung, es nicht zu weit zu treiben.

Ohne darauf zu achten, gab er ihr auch noch einen Kuss auf die Nasenspitze.

Ein älterer Herr klopfte ihm im Vorbeigehen anerkennend auf die Schulter. „Sie sind ein Glückspilz, Bryn, sie ist bezaubernd.“

„Das finde ich auch“, bekräftigte seine Begleiterin. „Und wie geschickt sie mit den Medien umgeht!“

„Das höre ich gern.“ Bryn lächelte ihnen zu und setzte sich neben Mia. „Waren die Reporter sehr zudringlich?“

Beschämt erinnerte sie sich, wie eifrig sie die dumme Blondine gespielt hatte, weil sie davon ausging, dass man sich Bryn Dwyers Zukünftige so vorstellte. „Nein“, murmelte sie. „Sie waren alle sehr nett.“

„Umso besser.“ Er griff nach seinem Glas. „Die Veranstaltung dient einem Kinderhilfswerk, und da ist gute Presse besonders wichtig.“

„Kinder…“ Mia warf einen Blick auf das Podium am Ende des Saals. „Hilfswerk für krebskranke Kinder“, verkündete ein riesiges Spruchband mit Bryns Namen als Schirmherr. Sie spürte, wie sie rot wurde: Anscheinend war er mehr als nur ein Playboy.

„Was ist?“, fragte er. „Fühlst du dich nicht wohl?“

Sie runzelte die Stirn, als sie hörte, dass er sie duzte. Doch das ließ sich unter den Umständen wohl nicht vermeiden.

„Doch … Mir ist nur heiß.“

„Du hast recht, hier ist es wirklich etwas warm. Komm, wir gehen ein wenig an die frische Luft.“ Er erhob sich und zog ihren Stuhl zurück, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Nachsichtige Blicke folgten ihnen, als sie den Ballsaal verließen. Ein paar Blitzlichter flammten auf.

Als sie außer Hörweite waren, blieb er stehen. „Du verstehst, dass wir uns nicht länger siezen können. Im Allgemeinen ist das zwischen Verlobten nicht üblich.“

„Ja, das ist mir klar.“

„Gut. Es tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin, aber ich musste vorher noch etwas erledigen.“

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du deine Großtante besuchen gehst?“

Bryn reagierte angespannt und kniff die Augen zusammen. „Wer hat dir von meiner Großtante erzählt?“

„Jocey Myers.“

Er schwieg einen Moment, dann entgegnete er verstimmt: „Was denkt sie sich eigentlich? Meine Privatangelegenheiten gehen niemanden etwas an.“

„So? Mich auch nicht? Wie kann ich als deine Verlobte auch nur halbwegs überzeugen, wenn ich so gut wie nichts von dir weiß?“

„Was du wissen musst, habe ich dir gesagt, alles andere ist nebensächlich. Halte dich an meine Anweisungen, dann …“

„Deine Anweisungen? Was hast du mir schon groß mitgeteilt? Wie soll ich in der Öffentlichkeit die verliebte Braut spielen, wenn ich keine Ahnung habe, wer du wirklich bist und was in deinem Leben vorgeht?“

Er überlegte eine Weile. „Also gut. Aber was ich dir sage, bleibt unter uns, ist das klar?“

Sie nickte.

Bryn atmete tief ein – wo sollte er beginnen? „Als ich sieben war, kamen meine Eltern bei einem Unfall ums Leben. Ich erinnere mich kaum noch an sie. Meine Großtante Agnes hat mich aufgezogen. Das ist alles.“

„Aber …“

„Das ist alles!“ Seine Züge verhärteten sich. „Komm! Wir müssen zurück an unseren Tisch, wir sind nicht zum Vergnügen hier.“ Er wandte sich ab und ging voran.

„Warum sind wir dann hier?“, fragte sie, während sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten.

„Um einhunderttausend Dollar für die Krebsstation der Kinderklinik zusammenzubekommen.“

Mia starrte auf seinen Rücken. „Bryn!“

Er blieb stehen und drehte sich um.

„Was genau erwartest du von mir?“

Sein Blick glitt über ihren Mund, dann sah er ihr in die Augen. „Das habe ich dir heute Nachmittag erklärt. Du sollst so tun, als wärst du unsterblich in mich verliebt. Hast du auf der Schauspielschule nicht gelernt, wie man das macht?“

Sie hob das Kinn. „Doch. In einem Workshop für Fortgeschrittene mit dem Thema ‚Schwierige zwischenmenschliche Beziehungen‘.“

Bryn warf den Kopf zurück und lachte.

„Was ist daran so komisch?“

Er legte ihr den Arm um die Schulter. „Ich habe das Gefühl, dass ich deine Gaben unterschätzt habe.“

„Davon bin ich überzeugt.“

Sie blieben stehen und lächelten, als jemand ein Foto von ihnen aufnahm. Beim Weitergehen meinte Bryn: „Bis heute habe ich dich auch erst einmal in Aktion gesehen, gestern auf der Bühne. Und da warst du nicht sehr beeindruckend.“

„Für die Rolle fehlt es mir eben noch an Erfahrung. In ein paar Tagen wäre ich bestimmt …“

Er blieb stehen. „Soll das heißen, du warst noch nie richtig verliebt?“

„Ja … Ich meine nein. Hin und wieder dachte ich, ich wär’s, aber …“

„Warst du schon einmal verlobt?“

„Natürlich nicht“, entgegnete sie entrüstet. „Falls es dir entgangen ist – normalerweise liebt eine Frau den Mann, den sie heiraten will.“

Er betrachtete sie nachdenklich. Gleich will er wissen, ob ich schon mit jemandem geschlafen habe, dachte sie.

„Ich hoffe, der Abend wird dir gefallen“, wechselte er schließlich das Thema. „Tanzt du gern?“

Die Frage entsprach nicht der, die sie erwartet hatte. „Ja … Für mein Leben gern“, erwiderte sie nach kurzem Zögern.

Während sie weitergingen, warf er ihr einen verstohlenen Blick zu. In dem schwarzen Kleid sah sie hinreißend aus; der Satin betonte jede Kurve ihrer schlanken Gestalt. Geschminkt erschienen die grauen Augen noch ausdrucksvoller und die rosa Lippen noch weicher. Sie besaß eine natürliche Frische und etwas Kindliches, das ihm über alle Maßen gefiel und noch nie begegnet war. Die Frauen, mit denen er verkehrte, waren erfahren und oft blasiert, und nach ein paar Wochen langweilten sie ihn. Er wusste, welche Rolle sowohl sein Vermögen als auch sein Status in diesen Beziehungen spielte. Mia war anders; weder das eine noch das andere schien sie zu beeindrucken. Sie war mit ihm zusammen, weil sie keine Wahl hatte und zögerte nicht, ihm das bei jeder Gelegenheit vorzuwerfen.

Seine Skrupel regten sich, als er an den Besuch bei seiner Großtante dachte. Er verdankte ihr so viel, und es war ihm nicht leicht gefallen, sie zu belügen. Aber die Freude auf ihrem von der langen Krankheit gezeichneten Gesicht sagte ihm, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Als er ihr mitteilte, er habe die Frau fürs Leben gefunden, ergriff sie zutiefst bewegt seine Hand und drückte sie schwach.

„Mein lieber Junge! Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht. Heute Nachmittag, als ich in deiner Sendung von der Verlobung hörte, da wollte ich es nicht glauben. Ich dachte, es ist einer von deinen üblichen Gags – oder dass es vielleicht mit meinem Testament zusammenhängt. Ich weiß, du bist mit den Bedingungen nicht einverstanden, aber ich kann nicht zulassen, dass du dich an eine dieser selbstsüchtigen Frauen wegwirfst, die nur an Geld denken.“

Das Testament der alten Dame war Bryn allerdings ein Dorn im Auge. Nicht, dass er sie beerben wollte – er war reich genug. Doch dass der Mann, der am Tod seiner Eltern schuld war, das Riesenvermögen bekommen sollte, ging ihm entschieden gegen den Strich. So weit reichte seine Nächstenliebe denn doch nicht …

„Du bist wie dein Vater“, fuhr Tante Agnes fort. „Als er deiner Mutter begegnete, hat er sich auf den ersten Blick in sie verliebt.“ Sie seufzte glücklich. „Und jetzt ist dir das auch passiert. Ich wünsche mir schon so lange, dass du einem netten Mädchen begegnest und sesshaft wirst. Wann wirst du mir deine Verlobte vorstellen? Ich habe sie mit dir im Radio gehört – sie hat so eine liebe Stimme …“

„Morgen, Tante Agnes.“ Im Stillen hoffte er, dass Mia damit einverstanden sein würde.

„Oh, darauf freue ich mich schon. Ich habe das Gefühl, dass sie die perfekte Frau für dich ist.“

Er hatte an Mias herzförmiges Gesicht gedacht und sich zu der Kranken hinabgebeugt, um sie leicht auf die Wange zu küssen. „Du hast recht, Tante Agnes. Sie ist perfekt.“

Mia atmete auf, als sie sich wieder an den Tisch setzten. Gleich darauf wurde die Vorspeise serviert, und Bryn begann eine Unterhaltung mit seiner Tischnachbarin zur Rechten.

Mia war sich seiner Nähe fast schmerzhaft bewusst. Seine Gesten, der Klang seiner Stimme, die Kraft seines Körpers, von dem der Duft eines herben Rasierwassers ausging, all das verwirrte sie mehr, als sie zugeben wollte. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, dass er sie in der Öffentlichkeit liebkoste, und die Erinnerung, wie stürmisch sie am Nachmittag auf seinen Kuss reagiert hatte, gab ihr ein Gefühl von Hilflosigkeit.

Sie griff nach dem Weinglas und spürte, wie sich unter der Tischdecke ihre Beine streiften. Als sie von Bryn abrückte, legte er eine Hand auf ihren Schenkel: Seine schlanken Finger auf dem dünnen Satin brannten wie glühende Eisen. Mias Puls ging schneller, und das Blut stieg ihr in die Wangen.

„Ist alles in Ordnung, Liebling?“, fragte er.

„Ja, d… danke.“ Nervös fuhr sie mit der Zungenspitze über ihre trockenen Lippen.

Er neigte sich zu ihr und murmelte: „Warum entspannst du dich nicht etwas?“

„Ich bin entspannt.“

„Ja, wie ein Artist auf dem Drahtseil.“

„Dann nimm deine Hand weg.“ Sie lächelte gezwungen, als jemand ein Foto von ihnen machte.

„Warum? Ich bin dein Verlobter. Die Leute erwarten, dass ich zärtlich bin.“

„Nicht unter dem Tisch, wo es niemand sieht.“

Mit einem kleinen Lächeln zog er die Hand zurück und legte sie ihr auf den Nacken. „Ist das besser?“

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie sah, dass man sie verstohlen beobachtete, und zwang sich, Bryns Blick zu erwidern.

„Komm, lass uns tanzen“, sagte er.

Erleichtert folgte sie ihm zur Tanzfläche. Als er jedoch den Arm um sie legte und sie an sich presste, erkannte sie, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen war.

Er hielt sie so eng umschlungen, dass sie kaum atmen konnte. Durch das dünne Kleid fühlte sie die erregende Wärme, die von ihm ausging, ebenso wie den harten Druck seiner Männlichkeit.

„Das war wohl keine gute Idee“, murmelte sie. Ihre Wangen glühten.

„Warum nicht?“ Sein Blick glitt hinab zu ihrem Dekolletee, während sie sich zu den Takten eines Foxtrotts drehten. „Mir gefällt es.“

„Das bezweifle ich nicht“, zischte sie. „Aber mir nicht.“

„Ich dachte, du tanzt gern.“

„Das nenne ich nicht tanzen, sondern … Du weißt, was ich meine. Jeder schaut uns zu.“

„Möchtest du lieber, dass wir allein sind?“

„Ich möchte an den Tisch zurück.“ Sie versuchte, ihn von sich zu schieben.

„Nimm dich zusammen, Mia! Wie du sagtest, jeder schaut uns zu, einschließlich der Fotografen mit ihren Kameras. Mach nicht so ein böses Gesicht, sondern lege mir die Arme um den Nacken und küss mich, wie es sich für eine verliebte Braut gehört.“

„Nie und nimmer.“

„Das werden wir ja sehen.“ Bevor sie wusste, wie ihr geschah, neigte er sich vor und küsste sie auf den Mund.

5. KAPITEL

Da man sie beobachtete, blieb ihr nichts anderes übrig, als Bryns Kuss zu erwidern. Die Rolle verlangte ein gewisses Maß an Hingabe, dafür wurde Mia bezahlt. Sie sagte sich, dass sie lediglich ihre Verpflichtung erfüllte, aber die kleine Stimme in ihrem Inneren flüsterte, dass sie ohne Zuschauer genauso stürmisch reagiert hätte.

Sein Mund war warm und verführerisch. Sie spürte eine heiße Woge in sich aufsteigen, als seine Zungenspitze ihre geschlossenen Lippen sanft auseinanderdrängte und sich sein Atem mit ihrem vermischte. Das Verlangen nach ihm wurde zu einer züngelnden Flamme, die sie alles um sich herum vergessen ließ.

Was Mia empfand, war neu und erregend und gleichzeitig beängstigend. Wie konnte ein Mann, den sie aus tiefster Seele verabscheute, diese leidenschaftliche Reaktion verursachen? Wo waren ihr Wille, ihr Verstand? Hatte sie jegliche Kontrolle verloren? War das alles nur physisch oder bedeutete es mehr?

Er trat einen kleinen Schritt zurück und betrachtete ihr heißes Gesicht. Das Orchester spielte noch immer, und andere Paare glitten an ihnen vorbei, doch weder Bryn noch Mia achteten darauf. Sie standen auf der Tanzfläche und sahen sich an, als gäbe es nur sie allein.

„Wir sollten an den Tisch zurückgehen“, sagte er schließlich. Seine Augen waren dunkel und der Ausdruck in ihnen unergründlich.

„Ja …“

Langsam glitt seine Hand an ihrem Arm hinab, bis sich ihre Finger trafen und miteinander verflochten. Wortlos kehrten sie zu ihren Plätzen zurück.

Der Rest des Dinners verlief ohne Zwischenfall. Mia lächelte, bis ihr das Gesicht wehtat. Ein Gast nach dem anderen kam an den Tisch, um ihr zu gratulieren, jeder wollte wissen, wie es ihr gelungen war, Bryn Dwyers unbeständiges Herz zu zähmen. Und während sie lachend schlagfertige Antworten gab, sagte sie sich, dass sie diese netten Menschen absichtlich belog. Alle glaubten, dass sie auf Wolke sieben schwebte, niemand ahnte, was in Wirklichkeit vor sich ging. In ihrer kurzen Karriere hatte sie schon mehrere Rollen gespielt, die ihrem Temperament nicht entsprachen, aber keine war ihr so schwer gefallen wie diese.

Am schlimmsten war es, wenn sie mit Bryn tanzen musste. Wenn sie in seinen Armen über das Parkett glitt, fühlte sie sich der magischen Ausstrahlung, die von ihm ausging, wehrlos ausgeliefert. Seine Nähe, sein Blick, der Druck seiner Schenkel – all das weckte ein unbegreifliches Verlangen in ihr, und sie wusste nicht mehr, was sie tat.

Was machte ihn so unwiderstehlich? Jede Frau im Saal, ob jung oder alt, himmelte ihn an, und was Mia am allerwenigsten wollte, war, es ihnen gleichzutun.

Als die ersten Gäste aufbrachen, sagte Bryn: „Ich glaube, wir sollten auch gehen, du hast schon drei Mal gegähnt.“

„Es war ein langer Tag.“

„Und er ist noch nicht zu Ende.“

Sie runzelte die Stirn. „Was meinst du mit ‚er ist noch nicht zu Ende‘?“

Er gab keine Antwort, sondern nahm ihre Hand, und sie verließen den Saal. Sie wartete, bis sie in der Limousine saßen, dann wiederholte sie ihre Frage und fügte hinzu: „Ich bin müde und will nach Hause.“

Bryn lehnte sich vor und schob die Glasscheibe zwischen ihnen und dem Chauffeur zu. „Da ist noch ein Punkt, den wir besprechen müssen. Und das erledigen wir am besten bei mir, wo uns niemand stört.“

Mia verkrampfte sich. „Ich will nicht zu dir, ich will nach Hause.“

„Keine Angst, ich trete dir nicht zu nahe. Das tue ich nur, wenn man uns zuschaut.“

„Ja, so wie heute Abend unter dem Tisch.“

„Du hast so fantastische Beine, und da wollte ich wissen, wie sie sich anfühlen.“

„Sehr originell“, erwiderte sie sarkastisch. „Ist das ein Beispiel für deine Methode, die Frauen zu bezirzen? Dann verstehe ich nicht, was sie so toll an dir finden.“

„Ich wollte nicht originell sein, und eine Methode habe ich nicht. Was ich sage, ist die Wahrheit. Du hast eine fabelhafte Figur.“ Er ergriff ihre Hand und tippte auf den Ringfinger. „Du brauchst einen Verlobungsring, und den habe ich bei mir zu Hause.“

„Wie praktisch. Du bist offensichtlich auf alles vorbereitet.“

„Ich möchte, dass du ihn trägst.“

Mia zog ihre Hand zurück. „Nein, danke. Deinen Geschmack kann ich mir gut vorstellen – je auffälliger, desto besser.“

Für einen kurzen Moment erschien eine zornige Falte auf seiner Stirn, bevor er entgegnete: „Ich glaube, du wirst angenehm überrascht sein.“

„Das bezweifle ich.“

„Wir werden ja sehen.“

Mia wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Sie sehnte sich nach ihrer kleinen Wohnung und Ginas vertrauter Gesellschaft. Der Mann neben ihr gab ihr das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu stehen. Sosehr sie sich auch dagegen wehrte – ein Blick von ihm, eine leichte Berührung, und sie verlor die Kontrolle.

Sie lehnte sich zurück – ihre Lider waren auf einmal bleischwer. Durch das leise Summen des Motors und die perfekte Federung der Limousine wurde sie noch schläfriger, als sie ohnehin schon war. Sie schloss die Augen, und im nächsten Moment war sie eingeschlafen.

Bryn betrachtete den blonden Kopf auf seinem Schoß. Entspannt war Mia eine atemberaubend schöne junge Frau. Von dem kleinen Hitzkopf mit der scharfen Zunge war nichts mehr zu spüren. Erneut fiel ihm ihre unschuldige, fast kindliche Ausstrahlung auf. Die kleinen Brüste hoben und senkten sich kaum merklich, und eine fein gegliederte Hand ruhte vertrauensvoll auf seinem Schenkel.

Sacht strich er ihr eine blonde Strähne hinter das Ohr. Wieder verspürte er das seltsame Ziehen in seiner Brust – so, als säße dort ein winziger Angelhaken, an dem jemand zupfte, um ihn gleich darauf wieder loszulassen.

Bryn seufzte und fragte sich, ob er auch wirklich das Richtige tat. Er war an Frauen gewöhnt, die seine Spielregeln kannten und bereitwillig akzeptierten. Sie nahmen, was er ihnen bot, und stellten keine Fragen. Mia Forrester war anders. Er wusste, dass sie mit dem, was er ihr vorschlagen wollte, nicht einverstanden sein würde und spürte so etwas wie Gewissensbisse. Aber ebenso wusste er, dass er sie überreden musste, denn er sah keine andere Lösung, und die Zeit wurde knapp.

Sie erwachte sofort, als die Limousine anhielt.

„Na? Hast du gut geschlafen?“, fragte er mit einem kleinen Lächeln.

Hastig setzte sie sich auf. Oh Gott, war ihr das peinlich! Sie strich sich das Haar aus der Stirn und warf einen Blick aus dem Fenster: Sie standen vor einer imposanten Villa im exklusivsten Stadtteil von Sydney.

„Ist das dein Haus?“

„Ja. Komm, ich zeige es dir.“

Widerstrebend stieg sie aus. In seinem eigenen Heim mit ihm allein zu sein war etwas ganz anderes, als in der Öffentlichkeit seine Verlobte zu spielen. Sie traute ihm nicht – er war zu allem fähig, und auf ihre Willensstärke konnte sie sich nicht verlassen. Um Männer wie ihn – zu erfahren, zu selbstsicher – hatte sie stets einen großen Bogen gemacht.

Er wandte sich an den Chauffeur. „Sie können heimfahren, Henry, ich bringe Miss Forrester später selbst nach Hause.“

„Vielen Dank, Mr. Dwyer.“ Er nickte Mia zu. „Gute Nacht, Miss Forrester. Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Abend.“

„Danke, Henry. Gute Nacht.“

Sie wartete, bis die Limousine verschwunden war, dann drehte sie sich zu Bryn um. „Ich hatte gesagt, dass ich müde bin und nach Hause will.“

„Du kannst morgen früh ausschlafen, niemand wartet auf dich.“

„Wofür ich mich bei dir bedanken kann“, erwiderte sie erbittert.

„Sag bloß nicht, du hast gern in dem Café gearbeitet.“ Er öffnete die Haustür und ließ Mia vorangehen. „Die Bezahlung war miserabel. Und dein Umgang mit der Kundschaft … nun, da habe ich so meine Erfahrungen, wozu du in der Lage bist, wenn dir jemand unsympathisch ist.“

„Nicht alle sind wie du!“

Er streifte das Jackett ab und lockerte er die Krawatte. „Möchtest du etwas trinken?“

„Nein.“

Er führte sie in ein luxuriös eingerichtetes Wohnzimmer, von dem man einen fantastischen Ausblick auf den Hafen von Sydney hatte. Zwei tiefe hellbraune Ledersofas standen vor dem Fenster, ein cremefarbener Teppich bedeckte den Boden, und an den Wänden hingen Originalgemälde mehrerer bekannter Künstler. An einer Wand befand sich eine gut ausgestattete Hausbar und gegenüber eine exklusive TV- und Stereoanlage.

Mia trat ans Fenster und schaute auf die Lichter der Stadt. „Wohnst du schon lange hier?“, fragte sie Bryn, der sich hinter ihr an der Bar einen Drink mixte.

„Ungefähr zwei Jahre.“ Er warf ein paar Eiswürfel in das Glas. „Ich wollte einen Ort, an dem ich nicht ständig von Reportern verfolgt werde.“

Sie drehte sich um. „Ich dachte, du suchst Publicity. Ist das nicht der Grund für unsere Abmachung?“

Er nahm einen Schluck, bevor er erwiderte: „Das ist einer der Gründe.“

Einer? Gibt es mehrere?“

Er stellte das Glas auf eine Konsole und kam zu ihr ans Fenster. Ihre Blicke trafen sich, und Mia schluckte. Seine Augen waren dunkler als der Nachthimmel.

„Nach dem kleinen Zwischenfall von heute Morgen kam mir die Idee mit der Liebe-auf-den-ersten-Blick-Geschichte. Ich war ziemlich sicher, dass meine Einschaltquote davon profitieren würde, und anscheinend hat es funktioniert. Annabelle rief mich vor der Veranstaltung an, um mir den neuesten Stand durchzugeben: Die Zuhörerzahl hat enorm zugenommen. Und nach den Zeitungsberichten von morgen wird sie noch besser werden. Aber es gibt noch einen Anlass, weshalb ich dich gebeten habe, meine Braut zu spielen.“ Er verstummte.

Mia wartete. Welchen Anlass konnte es sonst noch geben? Es wurde höchste Zeit, dass Bryn Dwyer aus ihrem Leben verschwand. Mit jedem Kuss fiel es ihr schwerer, sich daran zu erinnern, dass sie nur eine Rolle spielte. Und je länger sie zusammen waren, desto mehr verwischte sich die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit für sie.

„Jocey Myers erwähnte meine Großtante Agnes“, sagte er schließlich.

Autor

Kate Walker
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