Julia Exklusiv Band 319

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HOCHZEITSNACHT AUF SPANISCH von RACHAEL THOMAS
Georgina hat an eine nüchterne Vernunftehe mit dem berühmt-berüchtigten Spanier Santos geglaubt. Aber in der Hochzeitsnacht auf seiner Jacht will Santos sie verführen! Zu spät erfährt Georgina, warum: Die Leitung des Familienimperiums bekommt er nur, wenn Georgina ihm einen Erben schenkt …

HEUT WILL ICH DICH EROBERN von JESSICA HART
"Der Hauptpreis, eine Reise nach Afrika, geht an das Brautpaar mit der romantischsten Geschichte: Freya und Max!" Nun hat Freya ein Problem: Max weiß noch gar nicht, dass sie ein Paar sind. Doch der gut aussehende Bruder ihrer Freundin reagiert auf ihr Geständnis ganz anders als gedacht!

ER IST DOCH MEIN BOSS! von SUSANNE JAMES
Als Assistentin des berühmten Autors Alexander McDonald reist Sabrina mit in sein Landhaus in Frankreich. Unter der Sonne des Südens sprühen die Funken zwischen ihnen mehr denn je. Doch nach einer leidenschaftlichen Nacht, in der sie ihr Herz verliert, tut er, als wäre nichts gewesen …


  • Erscheinungstag 03.01.2020
  • Bandnummer 319
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715144
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rachael Thomas, Jessica Hart, Susanne James

JULIA EXKLUSIV BAND 319

1. KAPITEL

Georgina fühlte sich vom ersten Moment an beobachtet, als sie das kühle, elegante Büro betrat. Argwöhnisch gemustert von einem Mann, der sowohl in der Geschäftswelt als auch bei den Frauen ehrfürchtige Bewunderung hervorrief.

„Miss Henshaw.“ Seine tiefe Stimme mit dem leichten Akzent war fest und befehlsgewohnt. „Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, weshalb Sie hier sind.“ Er stand an den Schreibtisch gelehnt, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, und sah aus, als hätte er nicht die Absicht, sie überhaupt anzuhören. Sein Haar war glänzend schwarz, sein Blick verwirrend intensiv.

„Nein, sicher nicht, Mr. Ramirez.“ Sie legte so viel kühle Bestimmtheit wie möglich in ihren Ton. Dieser Mann würde sie nicht vor die Tür setzen, ehe sie nicht losgeworden war, was sie zu sagen hatte. „Immerhin sind Sie die Ursache des Problems.“

„Bin ich das?“ Santos Lopez Ramirez sah sie so durchdringend an, dass sie fast den Faden verlor. Aber nur fast.

Sie suchte in seinem Gesicht nach den Anzeichen einer Gefühlsregung und fand keine. Sein Mund bildete eine harte Linie, seine markanten Wangenknochen traten scharf hervor. Nur der warme Bronzeton seiner Haut milderte die Schroffheit seiner Züge etwas ab. Seine Kiefermuskeln zuckten, als müsse er sich mühsam beherrschen, nicht ausfallend zu werden.

„Das wissen Sie genau.“ Sie wartete kurz ab, fügte dann hinzu: „Sie sind es doch, der Emma und Carlo davon abhält zu tun, was sie tun wollen.“

„Und was gedenken Sie dagegen zu unternehmen, Miss Henshaw?“

Die Art, wie er sie mit hochgezogenen Augenbrauen musterte, machte sie ganz kribbelig vor Nervosität. Doch es hing alles davon ab, dass sie exakt die Frau verkörperte, für die alle Welt sie hielt. Die kalte, berechnende Frau, die sich nahm, was sie wollte, und bedenkenlos wegwarf, was sie nicht mehr benötigte.

„Alles, was nötig ist, um die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Mr. Ramirez.“

Der Gedanke an Emma, ihre jüngere Schwester, die von einer Märchenhochzeit träumte und von nichts anderem mehr sprach, verscheuchte die Schmetterlinge aus Georginas Bauch. Ihr eigener Traum vom Liebesglück war längst zerplatzt, aber für Emma sollte er in Erfüllung gehen.

„Eine gewagte Behauptung.“

Gewagt. Dumm. Und wenn schon! Sollte er doch von ihr denken, was er wollte. Alles, was zählte, war Emmas Glück. In den letzten Jahren waren sie beide nicht gerade vom Glück verwöhnt worden.

„Ich bin eine wagemutige Frau.“

Ihre Antwort entlockte dem Mann am Schreibtisch ein amüsiertes Lächeln. Er ließ die Arme sinken und kam so zielstrebig auf sie zu, dass sie erschrocken den Atem anhielt.

„Mir gefallen mutige Frauen.“

Groß und einschüchternd stand er jetzt genau vor ihr. Selbst in diesem weiträumigen, minimalistisch möblierten Büro mit der riesigen Fensterfront wirkte seine Präsenz erdrückend.

Georgina aber wich keinen Millimeter zurück. „Ich bin nicht hier, um Ihnen zu gefallen.“

„Und ich habe keine Zeit für Ihre Spielchen, Miss Henshaw.“

„Ich bin hier, um Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen.“ Wenn er sie nur nicht wegschickte! Es war schwer genug gewesen, an seiner Sekretärin vorbeizukommen.

„Ein Geschäft?“

„Ich meine es ernst, Mr. Ramirez. Ich bin zu allem bereit.“

Nachdenklich musterte Santos die junge Frau mit den langen braunen Haaren und dem energisch vorgereckten Kinn. Sie wirkte so aufreizend forsch und selbstsicher, dass er sich nicht gewundert hätte, wenn sie gleich noch einen Paso Doble aufs Parkett gelegt hätte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.

Die Vorstellung weckte ein paar äußerst pikante Fantasien in ihm.

„Und warum dieser selbstlose Einsatz?“

Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, nahm Platz und ließ den Blick über die schlanke Gestalt seiner Besucherin gleiten. Ihr Businesskostüm in Grafitgrau, obwohl modisch korrekt, hob ihre weiblichen Reize geschickt hervor. Der Hauch schwarzer Spitze in ihrem Ausschnitt zog seinen Blick magisch an. Der Knaller aber waren ihre sexy High Heels. Die schwindelerregend hohen Designer-Pumps in Leopardenfelloptik sagten nicht nur alles über die Frau, die darinsteckte, sondern stellten auch ihre langen, wundervoll geformten Beine optimal zur Schau. Die schönsten Beine, die Santos je gesehen hatte.

Er war hingerissen. Nicht nur von ihrer großartigen Figur, sondern vor allem von der ganz besonderen Ausstrahlung dieser faszinierenden Frau.

„Emma ist meine Schwester. Ich will, dass sie glücklich wird.“

Ihr entschlossener Blick machte ihn nur noch neugieriger.

„Ich würde alles dafür tun.“

Von einer plötzlichen Unruhe getrieben, erhob er sich und trat ans Fenster. Sinnend blickte er hinaus auf die Dächer und Fassaden der Londoner Innenstadt, die sich im goldenen Licht der Herbstsonne vor ihm ausbreitete. In Gedanken fasste er zusammen, was er über die Schwester der stillen, zurückhaltenden Emma, der Freundin seines Halbbruders Carlo, herausgefunden hatte. Eine Verbindung, die für Aufruhr sorgte.

Emmas Schwester genoss nicht gerade den besten Ruf. Mit dreiundzwanzig verwitwet und durch den Tod ihres Mannes an ein ansehnliches Vermögen gekommen, war sie durch ihr reges Gesellschaftsleben und zahlreiche Männerbekanntschaften in die Schlagzeilen geraten. Den Gerüchten zufolge, die sich um ihre Heirat rankten, war sie ziemlich geldgierig.

„Und wie weit genau würden Sie im Namen der schwesterlichen Liebe gehen?“

Er hörte sie hinter seinem Rücken scharf einatmen. Aha, sie hatte den Wink verstanden. Unwillkürlich malte er sich aus, wie die schöne junge Frau sich seufzend an ihn schmiegen würde, wenn er jetzt hinging und sie küsste.

Aber er musste sich zusammenreißen. Es war kein guter Zeitpunkt für amouröse Abenteuer. Erst recht nicht mit einer Frau wie Georgina Henshaw, deren Leben von Skandalen überschattet war. Er hatte ein Unternehmen zu leiten, und genau das war der Knackpunkt zwischen ihm und Carlo. Es gab ein Problem zu lösen. Die Zeit lief.

„Wie gesagt, Mr. Ramirez. So weit wie nötig.“ Der rauchige Klang ihrer Stimme drohte seine guten Vorsätze ins Wanken zu bringen, also sammelte er sich noch einen Moment, bevor er sich wieder zu ihr umdrehte.

Er trat so dicht an sie heran, dass sein Arm fast ihre Schulter berührte. Ein Hauch ihres Parfüms stieg ihm in die Nase. Kein schwerer aufdringlicher Duft, wie er erwartet hätte, sondern ein zarter, femininer Blumenduft.

„Das heißt, Sie befürworten die Hochzeit zwischen Ihrer Schwester und meinem Bruder?“

Sie stand reglos da wie ein Soldat bei der Parade, während er sie von oben bis unten musterte. Ohne eine Miene zu verziehen, ließ sie seine Inspektion über sich ergehen. Ihr schönes braunes Haar schimmerte rötlich im Licht der Nachmittagssonne. Santos sah sie vor sich, wie sie nackt vor ihm in den Laken lag, die seidige Mähne verführerisch über das Kopfkissen gebreitet …

„Was spricht dagegen?“

Ihre nüchterne Frage holte ihn unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. „Die beiden sind noch sehr jung.“ Er wandte sich brüsk von ihr ab. Ihre Nähe brachte ihn nur auf dumme Gedanken. „Zu jung.“

„Aber sie lieben sich doch.“ In ihren Worten schwang so viel Leidenschaft mit, dass er überrascht zu ihr herumfuhr. Zweifelnd musterte er ihr glattes Gesicht, die aufgeworfenen Lippen, die arrogant hochgezogenen Augenbrauen. Hatte er sich die Erregung in ihrer Stimme nur eingebildet, beflügelt von seinen erotischen Fantasien? Gut möglich, denn plötzlich wirkte die Frau vor ihm nicht mehr nur kühl, sondern kalt wie Eis.

Was sie sogar noch reizvoller machte.

„Sie glauben also an die Liebe?“ Als Junge hatte er eine endlose Reihe von Freundinnen seines Vaters kommen und gehen sehen. Als Teenager war er unfreiwillig Zeuge davon geworden, wie sein Vater mit Haut und Haar einer jüngeren Frau verfiel. Für diese Beziehung, aus der als Krönung sein Halbbruder Carlo hervorgegangen war, fehlte ihm bis heute jedes Verständnis. Sie hatte nicht gerade dazu beigetragen, ihm ein positives Bild von der Liebe und dem Glück zu zweit zu vermitteln.

„Nicht mehr und nicht weniger als Sie.“

Ihr Blick war eine einzige Provokation.

„Scharf beobachtet, Miss Henshaw. Dann sind wir also verwandte Seelen, Sie und ich. Wir können uns mit den Vertretern des anderen Geschlechts amüsieren, ohne uns in emotionale Dramen zu verstricken.“

Das war die Haltung, an der er eisern festhielt, auch wenn er sich in letzter Zeit zunehmend unwohl damit fühlte. Doch die andere Alternative, nämlich sich so hoffnungslos in eine Frau zu verlieben, dass er sogar seinen eigenen Sohn dafür im Stich lassen würde, wie sein Vater es getan hatte, kam für ihn erst recht nicht infrage.

„So könnte man es ausdrücken, Mr. Ramirez.“

Georgina krümmte sich innerlich vor Unbehagen. Sie wusste genau, worauf Santos Ramirez anspielte. Wollte er ihre Vergangenheit ans Licht zerren, um die Heirat zwischen Emma und Carlo zu verhindern? Das würde sie nicht dulden. Schließlich kannte sie den wahren Grund, weshalb er gegen die Hochzeit war.

Ihre Nerven ließen sie fast im Stich, aber sie wusste, es gab nur eine Möglichkeit, das Glück ihrer Schwester zu retten. Keine, die ihr besonders zusagte, aber sie musste sie zumindest ansprechen.

„Also, was wollen Sie von mir, Miss Henshaw?“

Scheinbar gelangweilt schlenderte er zum Fenster und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen, doch seine angespannte Haltung verriet lauernde Wachsamkeit.

„Ich mache Ihnen ein Angebot.“

„Ein Angebot?“ Sofort kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und bot ihr mit einer weit ausholenden Geste an, Platz zu nehmen.

Georgina unterdrückte ein triumphierendes Lächeln. Das war die Sprache, die er verstand. Sie kam nicht umhin, das Spiel seiner Muskeln unter dem weißen Hemd zu bewundern, rief sich aber energisch zur Ordnung. Sich von seinem guten Aussehen ablenken zu lassen, stärkte nicht gerade ihre Verhandlungsposition. Außerdem war sie schon vor längerer Zeit zu dem Schluss gekommen, dass eine Beziehung das Letzte war, was sie brauchte.

„Danke, ich stehe lieber.“

„Wie Sie wünschen.“ Er ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder, die dunklen Augen forschend auf sie gerichtet.

„Ich will, dass meine Schwester glücklich wird, und Carlo macht sie glücklich“, brachte sie ihr Anliegen auf den Punkt, bemüht, keine Emotionen zu zeigen. Dieser Mann glaubte jedes Wort, das über sie in der Zeitung stand. Er dachte, sie wäre aus demselben Holz geschnitzt wie er, also würde sie ihm klar und sachlich ihren Vorschlag unterbreiten. „So wie ich die Situation einschätze, gibt es nur eine Lösung für das Problem.“

Sein Schweigen verunsicherte sie, aber sie ließ nicht locker. „Ich kenne die Klausel im Testament Ihres Vaters.“

„Sie sind hervorragend informiert, Miss Henshaw, aber ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“ Allmählich verstand sie, warum er als knallharter Verhandlungspartner galt.

„Ich weiß, dass Sie das Familienunternehmen nach dem Tod Ihres Vaters zu einem Weltkonzern ausgebaut haben. Und dass derjenige Sohn den Konzern erben soll, der als Erster heiratet“. Erschüttert über die plötzliche Kälte und Leere in den Augen ihres Gegenübers, musste sie ihren ganzen Mut zusammennehmen, um nicht doch noch das Handtuch zu werfen.

„Fleißig recherchiert“, spottete er.

Emma hatte ihr vom Inhalt des Testaments erzählt. Emma, die bitterlich geweint hatte, weil ihr Traum von einem glücklichen Leben an der Seite ihres geliebten Carlo zu scheitern drohte. An der Habgier dieses Mannes.

„Ich weiß auch, dass Carlo nicht so erfolgsbesessen ist wie Sie“, fuhr sie unbeirrt fort. „Er interessiert sich nicht wirklich für das Unternehmen. Er will nur meine Schwester heiraten und mit ihr zusammen ein ganz normales Leben führen.“

„Ein ganz normales Leben, aha.“

Sie sah ihm an, wie sehr es ihn ärgerte, dass sie sich in seine Privatangelegenheiten einmischte, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie musste etwas unternehmen, Emma zuliebe. Genau wie damals vor fünf Jahren.

„Ja, genau. Ein Leben, in dem nicht Profit und Karriere im Mittelpunkt stehen, sondern ein glückliches Familienleben.“ Wie von selbst kamen ihr die Worte über die Lippen.

„So glücklich wie zu Hause bei Ihren Eltern?“

Ihre Augen weiteten sich. Mit diesem Seitenhieb hatte sie nicht gerechnet. „Ich sehe, auch Sie waren fleißig, Mr. Ramirez“, erwiderte sie steif. „Aber die Ehe meiner Eltern hat nichts mit Emma und Carlo zu tun.“

„Oh, doch. Ich wünsche nicht, dass eine Frau, deren Mutter Alkoholikerin ist und deren Vater sich auf Nimmerwiedersehen verdrückt hat, in meine Familie einheiratet.“

„Ihr Widerstand gegen die Heirat hat also nichts damit zu tun, dass Sie zu machthungrig sind, um Carlo die Leitung des Unternehmens zu überlassen?“, konterte sie geistesgegenwärtig, obwohl sie innerlich vor Wut schäumte.

„Haben die beiden Sie zu mir geschickt, damit Sie ein gutes Wort für sie einlegen?“ Scheinbar gelassen faltete er die kräftigen, sonnengebräunten Hände vor sich auf dem Tisch, doch sie merkte ihm an, dass seine Ruhe nur vorgetäuscht war. Er war ein Machtmensch, erfolgsgewohnt und von sich überzeugt.

„Ganz im Gegenteil, Mr. Ramirez. Niemand weiß, dass ich hier bin, und so soll es auch bleiben.“

Er hob skeptisch eine Augenbraue, sagte aber nichts.

„Ich sehe nur einen einzigen Weg“, fuhr sie mühsam beherrscht fort, „das Glück der beiden und Ihren unersättlichen Ehrgeiz unter einen Hut zu bringen.“

Interessiert beugte er sich vor. „Und der wäre?“

„Sie heiraten als Erster, erben das Unternehmen und überlassen Emma und Carlo ihrem harmonischen Familienleben.“

Zu ihrem Schrecken verwandelte sich sein attraktives Gesicht von jetzt auf gleich in eine Maske eisiger Ablehnung. Hatte der Mann denn kein Fünkchen Empathie im Leib?

„Sie scheinen das Ganze ja gründlich durchdacht zu haben, Miss Henshaw. Dann können Sie mir sicher auch verraten, wen ich heiraten soll.“ Offenbar glaubte er, die Sache mit seiner zynischen Bemerkung vom Tisch wischen zu können.

Georgina sah ihm kühl in die Augen. Sie durfte sich nicht die geringste Blöße geben, sonst würde er ihre Angst wittern wie ein Raubtier die Beute.

„Mich.“

Kaum hatte sie es ausgesprochen, wäre sie am liebsten davongelaufen.

Er sagte kein Wort, sah sie nur an, ohne eine Miene zu verziehen. Sein Schweigen lastete bleischwer im Raum.

Ihr absurder Vorschlag verschlug Santos die Sprache, dabei hätte ihm ihr zweifelhafter Ruf schon eine Warnung sein müssen. Schließlich hatte Georgina Henshaw bereits eine Heirat hinter sich, von der sie enorm profitiert hatte. Nicht gerade eine Liebesheirat, wie man munkelte.

„Warum, bitte, sollte ich heiraten? Und dann auch noch ausgerechnet Sie?“

Er sah ihren verletzten Blick, sah, wie sie die schlanken Hände mit den rot lackierten Fingernägeln zu Fäusten ballte. Fast bereute er seine harten Worte, aber die Vorstellung, heiraten zu müssen, war nun einmal ein rotes Tuch für ihn. Er wollte nicht heiraten. Um keinen Preis.

Und doch musste er auch diese Option notgedrungen in Betracht ziehen. Sein Anwaltsteam arbeitete mit Hochdruck an einer anderen Lösung, aber im Ernstfall musste er eben in den sauren Apfel beißen, um sein Erbe zu retten. Die fünf Jahre knochenharter Arbeit, die er seit dem Tod seines Vaters in die Firma investiert hatte, sollten nicht umsonst gewesen sein.

Und war diese Frau, die sich freiwillig in die Höhle des Löwen begab, nicht die perfekte Ehefrau für ihn? Etwas kostspielig vielleicht, was ihren Lebenswandel betraf, aber das konnte er verschmerzen.

„Es wäre ja nur eine Scheinehe.“

Er musterte sie scharf. „Wie meinen Sie das?“

„Nun, es wäre ja keine Liebesheirat wie zwischen meiner Schwester und Ihrem Bruder. Keine Bindung fürs Leben.“ Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen.

„Sie suchen keine Liebe, Miss Henshaw, oder?“

„Nein, Mr. Ramirez. Mir geht es einzig und allein um das Glück meiner Schwester. Sobald sie mit Carlo verheiratet ist, lassen wir unsere Ehe annullieren und gehen getrennte Wege.“

Santos überlegte. Es konnte nicht schaden, vordergründig auf ihr verrücktes Angebot einzugehen. Dann hatte er einen Notfallplan in der Tasche, falls seinen Anwälten nichts Besseres einfiel.

„Und welche Vorteile erhoffen Sie sich persönlich davon?“ Sein Verstand arbeitete fieberhaft. Geschäftlich gesehen machte ihr Vorschlag durchaus Sinn. Die leidige Sache mit der Erbschaft wäre erst einmal geklärt, der Konzern gesichert, und sein Bruder konnte ihm eigentlich nur dankbar sein, wenn er ihn von der Last der Verantwortung befreite.

„Ich möchte nur unsere Namen auf der Heiratsurkunde sehen, mehr nicht. Sobald das erledigt ist, brauchen wir uns nie wiederzusehen. Wir müssen dann nur noch die Scheidung einreichen.“

Ihre Worte, kühl und emotionslos vorgetragen, versetzten ihn ohne jede Vorwarnung zurück in seine traurige Jugend. Unfähig, über den Tod seiner strengen, lieblosen Mutter zu trauern, war er umso verzweifelter gewesen, als sein Vater eine neue Ehe einging, diesmal mit einer liebevollen, warmherzigen Frau, die vor Liebe nur so überströmte. Er hatte sie gehasst, seine Stiefmutter, die seinen Vater so in Beschlag nahm, dass in dessen Leben für ihn kein Platz mehr war.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das genügt“, erwiderte er hart. „Was wollen Sie wirklich?“ Jeder wollte etwas. Jeder hatte seinen Preis.

„Nur, was ich gerade gesagt habe.“

Ihre Antwort klang ruhig und bestimmt.

Santos dachte an die perfide Regelung, die sein Vater in seinem Testament getroffen hatte, und presste vor Zorn die Lippen zusammen. Die attraktive junge Frau war gut informiert, aber offenbar nicht gut genug. Sie hatte die zweite Voraussetzung nicht erwähnt, die erfüllt sein musste, bevor das Unternehmen endgültig in seinen Besitz überging. Mit einer bloßen Eheschließung war es nicht getan.

Aber er würde sich hüten, seine Karten schon jetzt offen auf den Tisch zu legen.

„Ich dagegen will mehr“, erklärte er. „Wenn ich schon heirate, dann erwarte ich, dass meine Frau ihren ehelichen Pflichten in jeder Weise gerecht wird.“

Hatte sie gedacht, er würde ihr Angebot bedingungslos akzeptieren? Natürlich heiratete er immer noch lieber aus geschäftlichen Gründen als aus Gefühlsduselei wie sein Vater, den seine zweite Heirat schwach und verletzlich gemacht hatte. Aber er war ein heißblütiger Mann, und diese Frau machte ihn verrückt, schon seit sie hoch erhobenen Hauptes in sein Büro stolziert war.

Er sah die Verblüffung auf ihrem hübschen Gesicht, gefolgt von Resignation.

„Nein“, stieß sie hervor, „das kann ich nicht.“

„Dann haben Sie vorhin nicht die Wahrheit gesagt.“

Einerseits war er erleichtert, dass sie ihr Angebot nicht ernst gemeint hatte. Andererseits reizte es ihn, das Geschäft mit ihr abzuschließen, allerdings zu seinen Konditionen. Eine Heirat brächte die Erbschaft in greifbare Nähe, und seinem Ruf als Geschäftsmann konnte es auch nicht schaden, wenn man ihn für einen glücklich verheirateten Ehemann hielt. Ein weiterer Vorteil war, dass er bei dieser Frau keine lästigen emotionalen Verwicklungen zu befürchten brauchte. Die wollte er nämlich auf jeden Fall vermeiden.

Wohl wissend, dass er am längeren Hebel saß, fügte er kompromisslos hinzu: „Das ist das einzige Geschäft, auf das ich mich einlasse.“

Georgina verstand die Welt nicht mehr. Santos Ramirez wollte eine richtige Ehe mit ihr führen? Nicht nur öffentlich mit ihr auftreten, sondern auch im selben Bett mit ihr schlafen?

„Aber wir kennen uns doch gar nicht!“

„Das sehe ich anders, Georgina. Ich denke, wir wissen genug voneinander.“

Die Art, wie er ihren Namen sagte, erzeugte ein warmes Prickeln auf ihrer Haut. Sein Blick, dunkel und eindringlich, hielt sie gefangen. Ihr Herz raste, als sie sich vorstellte, jede Nacht neben ihm zu liegen. Als seine Frau.

Doch noch andere Bilder drängten sich ihr auf. Santos Arm in Arm mit einer seiner mondänen Freundinnen, die allesamt wie Supermodels aussahen. Würde er sich nicht schämen mit ihr an seiner Seite? Und würde sie ihm als Geliebte denn genügen? Besser gesagt, als Gespielin im Bett. Geliebte war wohl zu viel gesagt.

„Der Rest der Welt würde uns ohnehin nicht abkaufen, dass unsere Verbindung mehr als eine Zweckheirat wäre.“ Sie suchte verzweifelt nach Ausflüchten, weil sie nicht fassen konnte, was er da von ihr verlangte.

„Und das nicht ohne Grund. Schließlich haben Sie schon einmal des Geldes wegen geheiratet und nicht zu knapp davon profitiert.“

Ein scharfer Schmerz durchzuckte sie bei dem Gedanken an Richard Henshaw, den Mann, den sie geheiratet und von Herzen gemocht hatte. Der einzige Mensch, der ihr Halt und Sicherheit im Leben gegeben hatte. Sie hasste Santos Ramirez dafür, dass er Richard ins Spiel brachte.

„Nein“, widersprach sie ärgerlich. „Weil ich nicht der Typ Frau bin, für den Sie sich normalerweise interessieren.“

Ein schlaues Lächeln huschte über sein Gesicht. „Umso besser. Gerade deshalb hat es mich ja so heftig erwischt. Weil Sie so anders sind als Ihre Vorgängerinnen.“

„Wäre Ihnen das wirklich lieber, als gleich dazu zu stehen, dass das Ganze nur eine Scheinehe ist?“

„Ich habe nicht vor, das publik zu machen. Vor allem nicht Carlo gegenüber.“

Jetzt wurde es ihr allmählich zu bunt. Sie erkannte ihren eigenen Plan kaum wieder.

„Und wie soll das gehen?“

Emma würde ihr niemals glauben, dass sie diesen Mann nur aus Lust und Liebe heiraten wollte. Schließlich wusste sie inzwischen über die wahren Hintergründe ihrer Ehe mit Richard Bescheid.

„Sagten Sie nicht, dass niemand von Ihrem Besuch bei mir weiß? Ich hoffe, das stimmt.“

„Ja, natürlich.“ Sie hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.

„Gut.“ Er sprang auf, kam um den Schreibtisch herum und blieb dicht vor ihr stehen. „Ich gebe morgen Abend eine Party. Sie und Emma sind herzlich eingeladen.“

„Und wozu das Ganze?“, fragte sie verwirrt.

Sein träges, wissendes Lächeln zeigte, wie sehr er die Situation genoss. „Wir beide werden vom ersten Blick an unzertrennlich sein. Alle werden sehen, wie unwiderstehlich wir uns zueinander hingezogen fühlen. Wir verbringen das Wochenende zusammen, hängen vielleicht noch ein paar Tage dran. Dann geben wir unsere Verlobung bekannt.“

Nicht nur sein Lächeln, auch seine samtweiche Stimme gingen ihr direkt unter die Haut. Ein Gefühl sagte ihr, dass sie ihm vermutlich nicht widerstehen könnte, sollte er sich jemals ernsthaft für sie interessieren.

Ein Schauer durchrieselte sie, ihr Puls beschleunigte sich.

„Okay“, sagte sie heiser vor Nervosität. Sie wollte ihren Plan unbedingt durchziehen, auch wenn sie hoffte, Santos in gewissen Punkten noch umstimmen zu können. „Wir machen es so, wie Sie wollen.“

„Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt, querida, Darling.“

2. KAPITEL

Ihre Nervosität war noch um das Zehnfache gewachsen, als sie am nächsten Abend mit Emma zusammen das Hotel betrat, in dem Santos’ Party stattfand. Emma, ganz aus dem Häuschen, weil sie die Einladung für ein gutes Omen hielt, mischte sich sofort unter die Gäste. Georgina aber blieb zögernd am Eingang der Partylounge stehen. Sie hatte das Gefühl, dass alle sie anstarrten.

Buenas noches, Miss Henshaw.“

Wie aus dem Nichts tauchte Santos vor ihr auf, rasend gut aussehend in einem eleganten Abendanzug mit dezenter Krawatte und Seidenhemd. Der weiße Hemdkragen bildete einen wirkungsvollen Kontrast zu seinem dunklen Teint. Sein Begrüßungslächeln war offen und herzlich, sein Händedruck warm und angenehm. So angenehm, dass Georgina ein Kribbeln im Nacken verspürte.

Los, sag etwas!

„Guten Abend, Mr. Ramirez.“ Zum Glück fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass sie so tun musste, als sähe sie ihn zum ersten Mal. „Ich freue mich sehr, dass wir uns endlich einmal kennenlernen.“

Hatte sie zu dick aufgetragen? Santos zog amüsiert eine Augenbraue hoch, die Umstehenden schienen die Ohren zu spitzen. So weit Georgina sehen konnte, war die Crème de la Crème der Londoner Gesellschaft vertreten. Santos Ramirez rief, und alle, alle kamen.

„Bitte, nennen Sie mich Santos.“ Galant hob er ihre Hand an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf, was die Schmetterlinge in ihrem Bauch sofort wieder auf den Plan rief.

Gebannt blickte sie auf seinen dunklen Hinterkopf. Während sie noch überlegte, wie es sich wohl anfühlen mochte, sein dichtes welliges Haar zu streicheln, richtete er sich auf, und ihre Blicke trafen sich.

Reiß dich zusammen, Georgina! Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie fest, ein verwegenes Lächeln auf den Lippen.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.“ Da er sich weigerte, ihre Hand loszulassen, blieb ihr nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben und ihm in die Augen zu sehen. Sein Blick, dunkel und unergründlich, elektrisierte sie.

Sie war weder schüchtern noch auf den Mund gefallen, aber jetzt war sie kurz davor, den Kopf zu verlieren. Wie sollte sie nur diesen Abend überstehen, wenn Santos seinen Charme derart aufdrehte?

Ich muss, sagte sie sich. Emma zuliebe, und presste ihr Abendtäschchen an sich, in dem sich die allernötigsten Utensilien für eine Übernachtung befanden. Sie wusste, sie würde an diesem Abend nicht mehr nach Hause kommen.

Aber Santos Ramirez würde sie nicht in die Knie zwingen! Er zog nur eine Show ab, und was er konnte, das konnte sie schon lange. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

„Was ist so lustig?“ Seine Finger streichelten sanft ihre Handfläche. Sie spürte es bis hinauf in ihre Schulter, ein wohlig warmes Gefühl, das schon lange niemand mehr in ihr ausgelöst hatte.

„Ich bewundere nur Ihre Gentleman-Manieren.“ Mit einem strahlenden Augenaufschlag rückte sie etwas näher an ihn heran. Es fühlte sich gut an. Wie ein prickelnder Flirt. Gefährlich. „Ich bin sicher, die Damenwelt liegt Ihnen zu Füßen.“

Er lachte leise. Seine Finger schlossen sich fester um ihre, sein Blick veränderte sich. Georgina stockte der Atem, als sie pures Verlangen in seinen Augen aufblitzen sah. Sie konnte sich den Signalen nicht entziehen, die sein großer starker Körper aussandte.

„Das ist ganz meine Absicht, querida.“

Als er unvermittelt ihre Hand losließ, fühlte sie sich einen Moment lang verloren wie ein Schiff, das aus dem sicheren Hafen in das offene Meer hinaus treibt.

„Champagner?“, fragte er lächelnd.

Unsicher ließ sie den Blick durch den Raum wandern, bis sie Emma sah, die fröhlich mit einigen Gästen plauderte, Carlo an ihrer Seite. Ein Blick in die leuchtenden Augen ihrer Schwester, und sie wusste wieder, was sie zu tun hatte. Es gab kein Zurück.

Genau wie damals vor fünf Jahren würde sie auch diesmal Emmas Glück an erste Stelle setzen. Sie hatte es einmal getan, sie konnte es wieder tun. Emma durfte nur keinen Verdacht schöpfen.

„Liebend gern“, antwortete sie so zuckersüß, als hätte sie nichts als Flirten im Sinn. „Ein Glas Champagner wäre himmlisch.“ Vielleicht half der Alkohol ja ihrem Selbstbewusstsein auf die Sprünge.

Sie spürte Santos’ Hand im Rücken, als er sie unter den interessierten Blicken seiner Gäste in den Raum hineinschob. Mit zitternden Fingern nahm sie ein Glas Champagner von ihm entgegen. Dabei hatte sie das Gefühl, schon mindestens zwei Gläser getrunken zu haben.

Was hatte dieser mächtige, gut aussehende Großunternehmer nur an sich, dass sie sich in seiner Gegenwart so anders fühlte? So beschwingt und wunderbar lebendig?

Seine Charmeoffensive war einfach überwältigend. Er gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Und äußerst begehrenswert. Wenn er so weitermachte, könnte sie glatt vergessen, dass alles nur Theater war. Es fühlte sich nämlich täuschend echt an. Und noch dazu sehr schön.

Santos konnte die Augen kaum von ihr abwenden, während sie gedankenverloren an ihrem Champagner nippte. Kaum war Georgina auf der Bildfläche erschienen, war ihm klar gewesen, dass er sein Interesse nicht heucheln musste.

Ein Raunen war durch die Menge gegangen, alle Blicke hatten sich auf sie gerichtet, als sie stolz und würdevoll im Türrahmen stand. In einem jadegrünen Kleid aus weich fließender Seide, das weder übertrieben sexy, noch besonders brav war und raffiniert ihre hübschen Kurven betonte. Eine schwarze Stola, lose um ihre Schultern gelegt, lenkte den Blick auf ihr reizvolles Dekolleté. Er konnte sich gar nicht sattsehen an ihrer hellen, matt schimmernden Haut.

Ihr schlanker Hals war bar jeden Schmucks, eine Extravaganz, die sich kaum eine der anderen Frauen leisten konnte, die bei ihr aber großartig aussah.

Auch wenn er seinen Gästen nichts hätte vorspielen müssen, hätte er sie auf jeden Fall angesprochen. Sie löste dasselbe glühende Verlangen in ihm aus wie bei ihrem Auftritt in seinem Büro. Er konnte ihr einfach nicht widerstehen. Schon als er ihre schlanke, feingliedrige Hand in seiner hielt, war ihm siedend heiß klar geworden, dass er diese Frau mehr als jede andere begehrte.

„Ihr Plan scheint aufzugehen“, flüsterte er ihr ins Ohr, den frischen Duft ihrer Haare einatmend.

Sie wich leicht vor ihm zurück. „So, finden Sie?“

Ihr scheuer Blick hätte ihn fast dazu verleitet, ihr sanft über die Wange zu streichen, dabei waren zärtliche Gesten gar nicht sein Stil. Was machte diese Frau nur mit ihm?

„So überzeugend, wie Sie Ihre Rolle spielen, muss man sie Ihnen ja abnehmen.“ Blitzschnell tauschte sie ihr leeres Glas bei einem vorbeikommenden Kellner gegen ein volles aus.

Er durfte nicht vergessen, mit wem er es zu tun hatte. Georgina Henshaw, die reiche junge Witwe, war eine berechnende Frau. Und ebenso geübt darin, ihre Distanz zu wahren, wie er.

Ihr schönes Gesicht zeigte keine Regung, als sie jetzt mit den Augen den Raum absuchte. Erst als ihre Schwester in ihr Blickfeld geriet, wurde ihre Miene plötzlich wachsam. Auch Santos, der ihrem Blick gefolgt war, beobachtete mit Argusaugen, wie Emma sich vertrauensvoll an Carlo schmiegte. Er sah das liebevolle Lächeln auf den Lippen seines Bruders, die strahlende Bewunderung in den Augen der jungen Frau.

Was immer die beiden miteinander verband, es war so stark, dass es quer durch den Raum spürbar war. Die Situation erinnerte Santos an die Zeit, als sein Vater mit Carlos Mutter zusammenkam. Das alte Gefühl von Verlassenheit stieg wieder in ihm auf. Es war, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht. Er selbst blieb außen vor, während Carlo all die Liebe bekam, die er brauchte, um glücklich zu werden.

„Sind die beiden nicht ein schönes Paar?“

Georginas Worte rissen ihn aus düsteren Erinnerungen heraus, in die er nur selten abtauchte. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.

„Deshalb müssen sie doch nicht gleich heiraten.“

Seine Antwort fiel ungewollt ruppig aus. Vielleicht sollte er sich lieber mit etwas Erfreulicherem befassen. Zum Beispiel damit, wie ungeheuer sexy er die Frau neben sich fand.

„Wollen Sie etwa aus dem Geschäft aussteigen, Mr. Ramirez?“

„Santos“, verbesserte er lächelnd. „Wenn Sie wollen, dass die Sache funktioniert, dann nennen Sie mich Santos.“

Er sah sie an und hatte das Gefühl, sich in ihren Augen zu verlieren wie in einem tiefen dunklen Wald. Sein Blick glitt zu ihren leicht geöffneten Lippen.

Er wollte diese Frau.

Langsam neigte er den Kopf, drückte einen hauchzarten Kuss auf ihren warmen weichen Mund. Ihr Atem vermischte sich mit seinem. Es versprach eine interessante Nacht zu werden, denn es schien, als wollte sie seinen Kuss erwidern. Ihre vollen Lippen gaben bereitwillig unter den seinen nach.

Sein Körper brannte vor Verlangen. So sehr hatte es ihn noch nie erregt, eine Frau zu küssen. Es war überwältigend. Berauschend. Mitreißend. Heißer als alles, was er je erlebt hatte.

Prickelnde Hitze stieg in ihr auf, als Santos ganz leicht mit den Lippen die ihren berührte. Fast glaubte sie, es nur geträumt zu haben. Von Sehnsucht getrieben, schloss sie die Augen und schmiegte sich an ihn, als er den Arm um sie legte.

Im selben Augenblick wurde ihr erschreckend klar, wie sehr dieser Mann sie in der Hand hatte. Er weckte Gefühle in ihr, die sie nie wieder zulassen wollte. Sie musste vor ihm auf der Hut sein.

Krampfhaft umklammerte sie den Stiel ihres Sektkelches. Das Ganze war nur ein Spiel. Eine Täuschung. Das musste sie sich ständig vor Augen halten, sonst lief sie Gefahr, sich komplett lächerlich zu machen. Denn nichts wünschte sie sich in diesem Moment mehr, als dass Santos sie küsste.

Nicht spielerisch sanft, sondern richtig. Nachdem sie jahrelang keine heißen Küsse mehr mit einem Mann getauscht hatte, genügte die leiseste Berührung seiner Lippen, um sie ganz wild vor Verlangen zu machen. Sie wollte mehr. Sie wollte Leidenschaft pur.

Sie wollte ihn.

Doch sie musste sich beherrschen, musste die Situation unter Kontrolle halten. Niemals wollte sie sich so verzweifelt nach der Liebe eines Mannes sehnen, dass sie ihn auf Knien anflehen würde, bei ihr zu bleiben, wie es ihre Mutter bei ihrem Vater getan hatte. Santos war genauso beziehungsunfähig wie ihr Vater. Die denkbar schlechteste Wahl also, wenn es darum ging, ihr Herz zu verschenken.

Nein, es wäre fatal, ihn wissen zu lassen, welche Wirkung er auf sie hatte.

Sie löste sich von ihm und sah ihn an. Er spielte seine Rolle bewundernswert gut. Seinem schmachtenden Blick nach zu urteilen war er kurz davor, sie gleich hier auf der Party zu vernaschen. Und auch in ihr flammte die Sehnsucht nach seinem Kuss wieder auf, obwohl ihr Verstand Protest einlegte.

Wie auch immer, sie musste ihrer Rolle treu bleiben. „Santos“, hauchte sie, einen Blick in die Runde werfend, „das war brillant.“ Hoffentlich hielt er ihre rauchige Stimme für Koketterie und nicht für die Folge seines unwiderstehlichen Charmes.

„Brillant?“ Sein italienischer Akzent war ungemein sexy.

„Aber ja doch. Emma sieht richtig schockiert aus. Sie glaubt sicher, da läuft etwas zwischen uns.“

„Und du, Darling?“ Lächelnd zog er sie an sich, bis die Spitzen ihrer Brüste sein Jackett berührten. „Glaubst du das auch?“

Du? Sie schluckte nervös.

„Ja, wir … wir sind recht überzeugend.“ Verflixt, warum stammelte sie so?

Sein warmes dunkles Lachen ging ihr durch und durch. Sie wollte auf Abstand zu ihm gehen, doch er legte eine Hand an ihren unteren Rücken und drückte sie sanft, aber bestimmt an sich. So eng, dass sie deutlich spürte, wie erregt er war.

„Mich hast du jedenfalls überzeugt“, raunte er. Sein heißer Atem kitzelte sie am Ohr. „Davon, dass wir diese verdammte Party jetzt verlassen sollten.“

Verzweifelt suchte sie nach Worten, um die Situation zu entschärfen. Was hier zwischen ihnen geschah, war brandgefährlich. Doch schon spürte sie seine raue Wange an ihrer, und instinktiv wandte sie sich ihm zu, bis sein Mund den ihren fand.

Ein kurzer Blick in seine Augen, dann schloss sie die Lider und überließ sich ganz dem Ansturm seiner Lippen. Ihre Arme glitten um seinen Nacken, obwohl sie in einer Hand noch das leere Champagnerglas hielt. Alles, was zählte, war dieser Mann, der so wunderbar küssen konnte, dass sie nicht genug davon bekommen konnte.

Mit wild pochendem Herzen ließ sie zu, dass seine anfänglich vorsichtigen Liebkosungen in einen heißen Zungenkuss übergingen. Er schmeckte aufregend gut, nach Leidenschaft und Abenteuer, und ihr wohliger Seufzer schien ihn noch anzufeuern.

Irgendwann löste er sich von ihr, nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es ab. Langsam und begehrlich ließ er den Blick von ihrem Gesicht über ihr Dekolleté zu ihren Brüsten gleiten, als wollte er sie streicheln.

Sie rührte sich nicht. Ihre Haut glühte.

Erst allmählich wurde sie sich wieder der rauschenden Party um sie herum bewusst. Und war froh, dass sie sich in einem Raum voller Menschen befand. Was wäre passiert, wenn sie mit Santos allein gewesen wäre?

Keine Frage, sie hätte sich von zu viel Champagner und der Lust auf Sex zu einer großen Dummheit verleiten lassen. Einer verheerenden Dummheit. Sie hätte Gefühle gezeigt und sich verletzlich gemacht.

Wozu das führen konnte, wusste sie nur zu gut. Sie hatte das abschreckende Beispiel ihrer Mutter vor Augen. So tief würde sie niemals sinken!

„Wir gehen.“ Sein rauer Ton duldete keinen Widerspruch.

Georgina nickte nur stumm. Auf ihre Stimme war momentan kein Verlass.

Als Santos sie zum Ausgang führte, einen Arm um ihre Taille gelegt, fing sie den ein oder anderen neiderfüllten Blick einer anderen Frau auf. Doch obwohl sie innerlich vor Erregung bebte, saß ihre Maske kühler Gelassenheit längst wieder an ihrem Platz.

Sie fragte sich, was die Leute wohl sagen würden, wenn sie wüssten, was hier gespielt wurde. Wären sie entsetzt über die Kaltblütigkeit, mit der Georgina Henshaw ihren Plan verfolgte?

„Georgie?“ Die Stimme ihrer Schwester durchdrang die Mauer aus Gleichgültigkeit, hinter der sie sich verschanzte.

Sie drehte sich um, sah Emmas glücksstrahlendes Gesicht vor sich und wusste, dass sie das Richtige tat. Mit dem verklärten Lächeln einer Frau, die gerade den Mann ihrer Träume getroffen hat, berührte sie ihre Schwester am Arm.

„Ich ruf dich morgen früh an, ja?“

Erstaunt blickte Emma von ihr zu Santos. „Alles klar.“ Sie lächelte noch einmal verschwörerisch, dann stürmte sie davon, vermutlich, um Carlo alles brühwarm zu berichten.

Georgina spürte Santos’ prüfenden Blick auf sich, erwiderte ihn aber nicht. Sie kam sich vor wie eine schäbige Betrügerin, als sie zusammen den Saal verließen und das hell erleuchtete Foyer durchquerten.

„Gefällt mir.“ Santos klang so zufrieden wie ein Kater, der die Maus schon in den Fängen hält.

„Was denn?“, fragte sie spitz, als sie in die kühle Herbstluft hinaustraten.

„Georgie.“

Ihr Kosename klang exotisch aus seinem Mund. Aufregend sinnlich. Trotz der frischen Brise, die ihr das Haar ins Gesicht wehte, wurde ihr warm unter der dünnen Stola.

„Ich bevorzuge Georgina“, erwiderte sie steif, fand es aber ganz gegen ihren Willen wunderbar, als er ihre Hand in seine nahm. So musste es sich anfühlen, geliebt und umsorgt zu werden.

Wenig später saß sie neben ihm im Fond seiner Limousine, während ein Chauffeur sie durch das nächtliche London kutschierte. Als sie im matten Schein der Straßenlaternen einen Seitenblick riskierte, sah sie Santos’ dunkle Augen forschend auf sich gerichtet.

„Du bist eine sehr schöne Frau.“

Sie richtete sich kerzengerade auf. Irgendetwas lief hier falsch „Sie brauchen nicht länger Theater zu spielen, Mr. Ramirez.“

„Wir duzen uns, schon vergessen?“ Seine Stimme war verführerisch sanft, das Wechselspiel von Licht und Schatten verlieh seinen herben Zügen etwas geheimnisvoll Verwegenes. „Man kann nie wissen, wer gerade zuhört oder zusieht.“

Stirnrunzelnd blickte sie auf den Chauffeur, dann wieder auf ihn. Er lachte.

Er war wirklich attraktiv. Verhängnisvoll attraktiv. Eine innere Stimme sagte ihr, dass er in der Lage wäre, sie tiefer zu verletzen als irgendein anderer Mann. Er war ein Frauenheld, genau wie die Männer, auf die ihre Mutter immer hereinfiel. Er war wie ihr Vater.

„Und das soll ich glauben?“

„Keine Sorge, mein Personal ist äußerst diskret“, versicherte er, während der Wagen vor einer exklusiven Apartmentanlage am Ufer der Themse hielt.

„Da bin ich aber beruhigt, obwohl ich für dein Personal vermutlich eine von vielen bin.“ Ihre Bemerkung, die leider nicht ganz so cool klang wie beabsichtigt, schien ihm nicht zu gefallen, denn er runzelte grimmig die Stirn. Volltreffer, dachte sie.

Als er ihr beim Aussteigen half, wirkte er äußerst zugeknöpft, was nicht weiter verwunderlich war. Männer wie er waren es gewöhnt, dass man ihnen nach dem Mund redete. Aber war es klug, ihn zu provozieren?

Vielleicht wäre es klüger gewesen, schleunigst das Weite zu suchen. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, verwarf ihn aber. Erstens täte sie Emma damit keinen Gefallen, und zweitens trug sie definitiv die falschen Schuhe für einen Sprint um den Block.

„Wenn du es dir anders überlegt hast, kannst du gern nach Hause fahren“, sagte Santos kurz angebunden. „Aber vergiss nicht, querida, es war deine Idee.“

Er hatte recht. Sie hatte die Sache ausgeheckt, sie würde sie auch zu Ende führen. Sie musste nur sicherstellen, dass Emma ihren heiß geliebten Carlo auch wirklich heiraten konnte, ohne dass dieser machthungrige Mann sich einmischte. Der Mann, der so unverschämt sexy aussah, während er dastand und auf ihre Antwort wartete. Würde er wirklich darauf bestehen, dass sie ihre Rollen auch privat weiterspielten?

Immerhin hatten alle gesehen, wie sie zusammen die Party verließen. Reichte das nicht? Sie dachte an Emmas strahlendes Lächeln, so voller Hoffnung und Zuversicht. Ob die anderen ihr die Blitzromanze abnahmen oder nicht, war ihr egal. Ihr kam es nur darauf an, dass Emma es tat.

Emma war der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Ihr zuliebe würde sie dieses Spiel weiterspielen.

Entschlossen ergriff sie Santos’ ausgestreckte Hand und stieg aus dem Wagen. Ihr Blick wanderte an der Fassade der vornehmen Uferresidenz empor. Klare Linien, modernes Design. Genau das Ambiente, das sie bei einem Mann wie ihm erwartet hatte.

„Ich wette, du wohnst im Penthouse, Panoramablick inklusive.“

„Bravo. Du weißt also doch etwas über mich.“

Allerdings, dachte sie unbehaglich. Zum Beispiel, dass du einer Frau spielend leicht das Herz brechen kannst.

„War nur so ein Gefühl“, meinte sie leichthin, als sie das Gebäude betraten.

Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Sie war viel zu anfällig für seinen Charme. Sobald sie auf dem Papier ein Ehepaar waren und auch Emma und Carlo geheiratet hatten, würde sie jeden Kontakt zu ihm abbrechen. Und nein, sie würde ihrer Rolle als Ehefrau nicht in jeder Weise gerecht werden. Darauf konnte er lange warten. Was immer er mit seiner absurden Forderung bezweckte, sie würde sich nicht darauf einlassen. Nie und nimmer.

Während der hochmoderne Lift mit ihnen nach oben schwebte, vermied sie jeden Blickkontakt sowohl mit Santos als auch mit ihrem Spiegelbild, das ihr wie Hohn von allen Seiten entgegensah. Fast seufzte sie vor Erleichterung, als sich in der obersten Etage ein breiter Flur vor ihnen auftat. Bis Santos den Arm um sie legte und sie zu seiner Wohnungstür führte. Da wurde ihr doch etwas mulmig zumute.

„Ist das wirklich nötig?“

„Aber natürlich. Wenn das Ganze authentisch wirken soll, muss man dich morgens aus meinem Apartment kommen sehen.“ Mit einem vergnügten Funkeln in den Augen hielt er ihr die Tür auf.

„Wir hätten auch im Hotel bleiben können.“ Zögernd verharrte sie auf der Schwelle. Sie wollte nicht mit ihm allein sein, erst recht nicht hier in seinem eigenen Revier.

„Nein, hätten wir nicht.“ Erneut schenkte er ihr dieses ganz besondere Lächeln, das ihr das Gefühl gab, die einzige Frau auf der Welt zu sein, die ihn interessierte. „Dich hierher zu bringen ist ein klares Signal an jeden, der mich kennt, auch an meinen Bruder.“

Unnachgiebig schob er sie hinein. Jeder Widerstand war zwecklos. Ihre Absätze klackten laut auf dem Parkettboden des großen offenen Wohnbereichs. Der nüchtern-elegante Einrichtungsstil trug eindeutig die Handschrift eines Mannes.

„Das heißt?“

Immerhin ließ er sie jetzt los, sodass sie wieder frei durchatmen konnte. Nervös beobachtete sie, wie er sein Jackett auszog, es achtlos über eine schwarze Ledercouch warf, die Krawatte abnahm und die obersten Hemdknöpfe öffnete. Wie gebannt hing ihr Blick an seinem sonnengebräunten Hals.

„Ich nehme nie eine Frau mit in meine Wohnung.“

Das war in der Tat ein klares Signal. Nicht nur an Carlo, auch an sie. Santos Ramirez war so scharf auf das Erbe, dass er dafür sogar seinen Ruf als Frauenheld aufs Spiel setzte.

„Welche Ehre“, erwiderte sie, ihre wahren Gefühle hinter kühler Ironie verbergend. „Dann bin also ich die Erste, die hier mit dir die Nacht verbringen darf.“

Santos schaltete alle Lampen ein, um Georginas Gesicht besser sehen zu können. Tatsächlich wollte er sehr viel mehr als das von ihr sehen. Mit ihrem zarten Teint, ihren roten Lippen und ihrem Sex-Appeal reizte sie ihn so sehr, dass er sich zu etwas hatte hinreißen lassen, was er noch bei keiner Frau getan hatte – er hatte sie in aller Öffentlichkeit geküsst. Nicht flüchtig, sondern lang und leidenschaftlich. Dieses erregende Vorspiel verlangte nach einer Fortsetzung.

„Noch ein Glas Champagner?“

Streng nach Plan hätte er sie jetzt zu ihrem Zimmer geführt und sich zurückgezogen. Doch ihre Aura der Unnahbarkeit, gepaart mit einer unterschwelligen Sinnlichkeit, stellte eine unwiderstehliche Herausforderung für ihn dar.

„Nein danke“, sagte sie frostig wie eine Eisprinzessin.

Nachdenklich betrachtete er ihre schlanke Gestalt, als sie ans Fenster trat, um auf den Fluss und die nächtliche Kulisse der Großstadt hinabzublicken.

Normalerweise hielt er sich nicht damit auf, einer Frau, mit der er die Nacht verbringen wollte, erst umständlich einen Drink anzubieten. Normalerweise konzentrierte er sich sofort auf das Wesentliche. Auf Umarmungen, Küsse, die gegenseitige Befriedigung sexueller Bedürfnisse. Mit Georgina aber war es anders.

Natürlich war es mit ihr anders. Ärgerlich besann er sich darauf, weshalb sie hier war. Es ging um ein Geschäft, nicht um eine vergnügliche Nacht.

„Kaffee?“

„Nein danke.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Niemand sieht oder hört uns hier, also sagen wir doch einfach Gute Nacht und gehen schlafen. Und zwar getrennt.“

Als er bei ihrem Nachsatz amüsiert die Augenbrauen hochzog, bemerkte er zu seiner Überraschung, dass ihr die Röte in die Wangen stieg. Einen Moment lang sah sie rührend unschuldig aus. Ihre Blicke trafen sich, blieben aneinander hängen. Es war wie ein stummes Kräftemessen.

Ob ihr bewusst war, wie hinreißend sie war? Eine unnahbare Schönheit, unter deren zarter Haut das Blut heiß pulsierte.

„Komm, ich zeige dir dein Zimmer.“

Abrupt wandte er sich ab und ging voraus. Wenn sie sich so eisern beherrschen konnte, konnte er es auch. Das Klappern ihrer Absätze folgte ihm vom Wohnbereich in den angrenzenden Korridor.

„Ich hoffe, es ist alles zu deiner Zufriedenheit“, sagte er, als er im Gästezimmer das Licht einschaltete.

Geoginas unsicherer Blick veranlasste ihn, etwas freundlicher hinzuzufügen: „Falls du noch etwas brauchst, ich bin hier.“

Er öffnete die Tür zu seinem eigenen Schlafzimmer, das gleich gegenüber lag. Durch das breite Panoramafenster strahlten die Lichter der Großstadt zu ihnen herauf.

„Danke, ich brauche nichts“, erwiderte Georgina höflich. Santos musste sich sehr zusammenreißen, um sie nicht an sich zu ziehen und zu küssen. Zu gern hätte er noch einmal gespürt, wie sie sich mit ihren weichen Rundungen an ihn schmiegte, als wäre sie nur für ihn geschaffen.

„Dann bis morgen.“ Er entfernte sich ein Stück von ihr. Weg von der Versuchung, die ihr reizvoller Körper für ihn darstellte. Weg von ihrem verführerischen Duft. Eine warnende Stimme sagte ihm, dass er nicht besser wäre als sein Vater, wenn er sich jetzt nicht von ihr losriss. Aber sie berührte etwas in ihm, das ihn nicht ruhen ließ.

Ihr leise gehauchtes „Gute Nacht“ und die Art, wie sie langsam die Tür hinter sich zuzog, machten ihn rasend vor Verlangen. Und vor Zorn.

Er dachte an all die Frauen, die in seinem Elternhaus ein- und ausgegangen waren. War er nicht sogar schlimmer als sein Vater, wenn er es jetzt nicht schaffte, die Finger von dieser Frau zu lassen?

„Gute Nacht“, erwiderte er schroff, von quälenden Erinnerungen verfolgt.

Verdammt, das Ganze ist ein Geschäft, sagte er sich. Ein Mittel zum Zweck. Wenn er die Klausel im Testament nicht umgehen konnte, dann würde er Georgina eben beim Wort nehmen. Hauptsache, der Konzern gehörte irgendwann ihm. Nur das zählte.

Sie war selbst schuld, wenn sie sich ihm freiwillig anbot. Sobald er mit ihr verheiratet war, würde er sich nicht mehr mit einem „Gute Nacht“ zufrieden geben.

3. KAPITEL

Mit einem Ruck fuhr Georgina im Bett hoch. Ihr war heiß, ihr Herz raste. Verzweifelt versuchte sie, die Bilder aus ihrem Kopf zu verbannen, die sie die ganze Nacht über verfolgt hatten. Bilder von Santos, der sie küsste, streichelte, sie leidenschaftlich begehrte. Es fühlte sich fast so an, als hätte er neben ihr gelegen.

Im fahlen Licht der Morgendämmerung fiel ihr Blick auf das jadegrüne Abendkleid, das sie vor dem Schlafengehen ordentlich über eine Stuhllehne gehängt hatte. Sie zog die Bettdecke enger um sich, denn sie kam sich nackt vor in ihrer Unterwäsche.

Sie war es nicht gewöhnt, im Bett eines Mannes aufzuwachen, auch wenn es nur das Gästebett war. Ein Schauer überlief sie, als sie sich vorstellte, was passieren würde, wenn die Medien davon Wind bekamen.

Gestern beim Verlassen der Party hatte sie keinen Gedanken an den nächsten Morgen verschwendet. Sie war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Mit Santos, der ihr mit seinem umwerfenden Charme den Kopf verdreht hatte.

Ihm wollte sie jetzt auf keinen Fall begegnen.

Hektisch sprang sie aus dem Bett und schlüpfte in ihr Kleid. Die glatte Seide schmiegte sich angenehm kühl an ihre heiße Haut. Noch war es hoffentlich früh genug, um sich heimlich aus der Wohnung zu stehlen.

Im angrenzenden Badezimmer wusch sie sich rasch das Gesicht, legte Wimperntusche und Lippenstift auf. Mehr hatte sie ohnehin nicht dabei.

An der Zimmertür atmete sie noch einmal tief durch, bevor sie vorsichtig die Klinke herunterdrückte. Im Haus war alles ruhig. Glück gehabt! Mit ihrem Täschchen in der einen und den baumelnden Stilettos in der anderen Hand lief sie den holzgetäfelten Flur entlang zum Wohnbereich. Noch bevor sie dort ankam, wehte ihr schon der aromatische Duft frisch aufgebrühten Kaffees entgegen.

Zu dumm, es war schon jemand auf! Und nun?

Vielleicht beschäftigte Santos eine Haushälterin, die ihm morgens das Frühstück machte. Ja, so musste es sein. Es kam also nur darauf an, sich unbemerkt an der offenen Küche vorbei zu schleichen.

Leise, ganz leise, durchquerte sie den riesigen Wohnraum und kam sich dabei vor wie eine Einbrecherin.

„Wohin des Weges?“

Santos’ tiefe Stimme ließ sie mitten in der Bewegung innehalten. So gefasst wie möglich drehte sie sich zu ihm um. Und musste höllisch aufpassen, sich nicht anmerken zu lassen, wie attraktiv sie ihn in Jeans und T-Shirt fand.

„Nach Hause, natürlich“, zwitscherte sie, als wäre die morgendliche Flucht aus einer fremden Wohnung reine Routine für sie. Leicht fiel ihr das Theaterspielen nicht. Immerhin sah der große dunkelhaarige Mann, der hinter dem Küchentresen hervorgekommen war, wie der Held aus einem ihrer heißesten Träume aus.

„Jetzt?“, fragte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr. Ein winziges Lächeln spielte um seine Lippen. „Du hast sicher noch Zeit für einen Kaffee. So früh sind selbst die fanatischsten Schnäppchenjäger an einem Samstagmorgen noch nicht unterwegs.“

„Es geht nicht um die Schnäppchenjäger, es geht um Emma. Sie wird sich fragen, wo ich bleibe.“

„Genau. Wie trinkst du deinen Kaffee?“

Irritiert folgte sie ihm in den Küchenbereich, der genauso hochmodern und funktional durchgestylt war wie der Rest des Apartments. Dabei hatte sie doch eigentlich vor ihm davonlaufen wollen.

„Für dich ist das alles nur ein Spiel, oder?“, fragte sie gereizt. „Jeder weiß, dass wir gestern zusammen die Party verlassen haben. Außerdem wird deine Haushälterin merken, dass ich hier übernachtet habe.“

Während sie zusah, wie er schweigend und mit ruhiger Hand den Kaffee einschenkte, spürte sie schon wieder dieses verflixte Kribbeln im Bauch.

Nicht wegen Santos, natürlich. Sie war Situationen wie diese nur einfach nicht mehr gewöhnt. Diese verkrampften Morgen-danach-Szenen, die sie von ihrer Mutter kannte und die sie auch selbst ein paarmal erlebt hatte. Doch sie hatte sich geändert. Sie würde die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

„Hier, probier mal.“ Santos nahm ihr die baumelnden Schuhe aus der Hand und reichte ihr stattdessen eine dampfende Tasse Kaffee. „Ach, übrigens – selbst wenn meine Haushälterin etwas merken sollte, gesetzt den Fall, sie käme heute, könnte ich mich hundertprozentig auf ihr Stillschweigen verlassen.“

Sein Lächeln und die flüchtige Berührung seiner Fingerspitzen brachten sie völlig durcheinander. Seine Gesellschaft war anregender als jede noch so hohe Dosis Koffein.

Bevor sie etwas erwidern konnte, setzte er fröhlich hinzu: „Zum Glück weiß niemand, dass du nicht in meinem Bett geschlafen hast. Das wäre unseren Plänen nämlich nicht zuträglich.“

„Man hat uns zusammen gesehen, das muss reichen“, sagte sie, verlegen an ihrem Kaffee nippend.

Bedächtig stellte er ihre Stilettos auf den Boden, nahm ihr das Täschchen ab und legte es auf den Tisch. Als er sich ihr wieder zuwandte, lag ruhige Entschlossenheit in seinem Blick.

„Ich mache keine halben Sachen, Georgina. Was ich mache, das mache ich richtig.“ Er roch angenehm frisch nach Citrus und Zedernholz, sein Haar war noch feucht vom Duschen.

Sie dachte daran, wie er sie am Vorabend geküsst hatte. Wie unglaublich gut es sich angefühlt hatte, seinen Mund auf ihrem zu spüren. Wie wehrlos sie sich ihm gegenüber gefühlt hatte. Es stimmte, er machte wirklich keine halben Sachen.

„Das glaube ich dir aufs Wort, aber …“

Er kam näher, so nah, dass sie den übermächtigen Wunsch verspürte, ihre Lippen auf seine zu drücken. Wie eine Ertrinkende an einen Rettungsring klammerte sie sich an ihre Kaffeetasse.

Sie musste auf Distanz gehen, und zwar sofort. Was war nur mit ihr los? Wenn sie sich unbedingt in einen Mann vergucken musste, dann doch bitte nicht in ihn!

„Du scheinst unser kleines Manöver ja richtig ernst zu nehmen“, frotzelte sie.

„Worauf du dich verlassen kannst, querida.“ Er lächelte triumphierend. „Ich habe bei diesem Handel genauso viel zu gewinnen wie du.“

„Mehr, deinem selbstlosen Einsatz nach zu urteilen“, erwiderte sie prompt, bereute ihre spitze Bemerkung aber sofort. Sie durfte ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. Santos zu verärgern konnte ihren ganzen Plan zum Scheitern bringen.

Er lächelte immer noch, aber sein Blick wurde hart wie Granit.

„Genau. Deshalb habe ich auch einen Kurztrip nach Spanien für uns arrangiert.“

Entgeistert sah sie ihn an. „Nach Spanien? Aber warum? Wir können doch ein gemeinsames Wochenende in London verbringen!“ Ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. „Was sollen wir denn in Spanien?“

Santos sah die Panik in ihren Augen, als er ihr die Idee mit Spanien unterbreitete. So frisch und natürlich, wie sie heute Morgen aussah, gefiel sie ihm besser als je zuvor. Gern hätte er ihre zarte rosige Haut gestreichelt, um zu fühlen, wie weich sie war.

Seine merkwürdige Anwandlung war ihm selbst nicht geheuer. Der Morgen danach gestaltete sich bei ihm in der Regel kurz und schmerzlos. Er war sonst nie um ein schnelles Goodbye verlegen. Warum dann bei ihr?

Aber dies war kein Morgen wie jeder andere. Sein Körper brannte vor Verlangen, und das trotz der kalten Dusche, die er sich als Gegenmittel verordnet hatte. Es war nicht leicht gewesen, allein in seinem Bett aufzuwachen und zu wissen, dass diese verführerische Frau unter seinem Dach schlief, so nah und doch so unerreichbar fern.

„Spanien ist mein Heimatland, und wenn wir tatsächlich heiraten wollen, dann vollziehe ich den feierlichen Akt lieber dort.“

Er sah, wie sie sich anspannte. Jetzt im hellen Morgenlicht fand er sie in ihrem jadegrünen Kleid, das weich fließend ihre schlanke Figur umspielte, noch schöner und begehrenswerter als auf der Party.

Er war verrückt nach ihr. Verrückter als nach jeder anderen Frau vor ihr. Sie war nicht albern, sie himmelte ihn nicht an. Sie wollte nichts von ihm, was er nicht geben konnte. Sie war stark und beherrscht, genau wie er. Doch im Verborgenen, das ahnte er, war sie zu einer Leidenschaft fähig, die ihn schwach und willenlos machen würde, wenn er nicht aufpasste. Das durfte er nicht zulassen.

Niemals wollte er so werden wie sein Vater.

„Ich muss trotzdem nach Hause.“ Sie griff an ihm vorbei nach ihrer Tasche und klemmte sie sich unter den Arm. „Keine Frau kann im Partydress der vergangenen Nacht ins Wochenende starten.“

Es klang, als wären kurze Abenteuer für sie an der Tagesordnung. Er tat gut daran, das im Hinterkopf zu behalten.

Interessiert sah er zu, wie sie sich mit einer Hand am Tisch abstützte und sich nach ihren Schuhen bückte. Die langen braunen Haare fielen ihr wie ein Wasserfall über das Gesicht, während sie elegant eins ihrer schönen Beine anhob, um sich die zierliche Sandalette über den Fuß zu streifen.

Sie richtete sich kurz auf, nun ein Stück größer als vorher, und sah ihn an. In diesem Moment geschah etwas zwischen ihnen. Es war, als würde ein Funke überspringen. Auch sie schien es zu spüren, denn sie blinzelte verwirrt, bevor sie sich rasch nach dem anderen Schuh bückte.

„Okay“, sagte sie, als sie wieder hochkam. „Was brauche ich für die Hochzeit?“

Er lächelte. Nie im Leben hätte er gedacht, dass er jemals heiraten würde. Schon gar nicht eine so widerspenstige Braut. Er war es gewöhnt, dass die Frauen in seinem Umfeld sich förmlich überschlugen, um ihm zu gefallen. Hätte er einem der Topmodels, mit denen er in letzter Zeit ausgegangen war, die magische Frage gestellt, sie hätte ihn umgehend zum Traualtar geschleift.

„Pass und Geburtsurkunde. Um alles andere kümmere ich mich.“

„Und das äußerst akribisch, nehme ich an. Wie steht es mit einem Ehevertrag?“ Sie strich ihre seidig schimmernden Haare hinter die Ohren und sah ihn fragend an.

Selbstverständlich hatte er einen Ehevertrag aufsetzen lassen. Er hatte sein Anwaltsbüro damit beauftragt, kaum dass Georgina sein Büro verlassen hatte. Seine Anwälte hatten ihm auch geraten, die Trauung in Spanien vornehmen zu lassen. Seine zukünftige Braut schien einen Hang dazu zu haben, Kapital aus ihrer Hochzeit zu schlagen, und egal wie vehement sie ihre Geschwisterliebe ins Feld führte, er ging lieber auf Nummer sicher.

„Es wäre dumm von mir, darauf zu verzichten, querida.“

Er sah ihre Augen aufblitzen und wusste, er hatte einen wunden Punkt getroffen.

„Dann ist ja alles bestens.“ Sie presste die Worte förmlich hervor.

Amüsiert betrachtete er ihr hübsches Gesicht, ihren trotzigen Mund, und konnte nicht anders, als ihr sanft über die Wange zu streichen.

Sie wich nicht zurück, sah ihn nur aus großen erstaunten Augen an. War das dieselbe Frau, die ihm vorgestern noch so taff entgegengetreten war?

„Ich treffe Vorsorge für uns beide.“ Ihre Haut war so wunderbar weich, er wollte mehr von ihr spüren, wollte sie in die Arme nehmen und küssen.

„Entschuldige, aber ich muss packen.“

Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie glaubte, Santos müsse es hören können. Die ganze Sache wuchs ihr allmählich über den Kopf. Wie hatte sie diesen irrsinnigen Plan jemals gutheißen können? Hatte sie wirklich keine andere Wahl gehabt, als sich einem Mann auszuliefern, der für seine skrupellosen Geschäftsmethoden bekannt war?

Seine dunklen Augen waren unverwandt auf sie gerichtet, seine Hand lag an ihrer Wange. Er schien bis auf den Grund ihrer Seele blicken zu können. Als es ihr schon fast zu viel wurde, wandte er sich ab. Wie vor zwei Tagen in seinem Büro ließ er sie stehen, trat ans Fenster und sah hinaus.

Sie musste nach Hause fahren und in Ruhe über alles nachdenken. Dort würde ihr bestimmt eine Lösung einfallen. Hier in Santos’ Nähe setzte ihr Verstand einfach aus. Ein Blick von ihm, und ihr Herz verfiel in wilden Galopp. Sie wollte nichts für ihn empfinden, doch die knisternde erotische Spannung, die zwischen ihnen spürbar war, kam ihr vor wie eine tickende Zeitbombe.

„Mein Chauffeur fährt dich nach Hause und wartet auf dich, während du packst.“

„Wie bitte?“ Sie lachte schrill auf. „Weißt du, wie lange eine Frau zum Packen braucht?“ Sie brauchte dringend etwas Zeit für sich.

„Allerdings.“ Er drehte sich wieder zu ihr um. „Deshalb findest du in Spanien alles vor, was du benötigst.“

„Sehr umsichtig von dir.“ Wie hatte er das nur alles in der kurzen Zeit arrangiert?

„Wie gesagt, wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Ich kalkuliere alle Risiken mit ein. Deshalb wird mein Chauffeur auch auf dich warten.“

„Wir haben eine Abmachung, Santos.“ Glaubte er etwa, sie wollte sich heimlich aus dem Staub machen? Sie doch nicht! „Ich habe nicht vor zu kneifen, auch wenn du die Rahmenbedingungen eindeutig zu deinen Gunsten manipulierst.“

„Die Rahmenbedingungen, wie du sie nennst, sind für uns beide von Vorteil.“

Sein vielsagendes Lächeln bewog sie, diesen Punkt nicht näher zu hinterfragen.

„Glaub mir, querida.“

Wenn sie seinen Privatjet schon für luxuriös gehalten hatte, dann die Villa mit ihrem spektakulären Meerblick erst recht. So schön hatte sie sich das Anwesen in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Weiße Schleiergardinen bauschten sich im lauen Wind, die Sonne malte goldene Flecken auf den Marmorboden. Das moderne Mobiliar bot nicht nur jeden erdenklichen Komfort, sondern sorgte auch für eine behagliche Atmosphäre.

Georgina stand an der offenen Verandatür und blickte hinaus in die herrliche Landschaft. War ihr die südliche Sonne etwa schon zu Kopf gestiegen? Sie war jetzt seit Stunden hier und immer noch ganz erschlagen von all dem Luxus, der sie umgab. Auch wenn sie das Santos gegenüber nie zugeben würde.

„Wir gehen heute Abend zum Essen aus.“

Er war hinter ihr ins Zimmer getreten. Wie immer in seiner Nähe überkam sie ein warmes, prickelndes Gefühl, doch sie kämpfte eisern dagegen an. Ihre Abmachung mit ihm war rein geschäftlich, und so sollte es auch bleiben. Mehr war nicht drin.

Widerstrebend löste sie sich vom Anblick des türkisblauen Meers, wandte den Kopf und sah ihn an. Er schien allen Stress abgeschüttelt zu haben und wirkte so frisch und entspannt, wie sie ihn noch nie erlebt hatte, als er jetzt mit federndem Schritt auf sie zukam. Seine Kraft und sein Sex-Appeal waren ebenso anziehend wie einschüchternd.

„Du meinst, um der Affäre einen romantischen Anstrich zu verleihen?“, fragte sie in jenem leicht ironischen Tonfall, den sie dank jahrelanger Übung mühelos beherrschte. „Ich bitte dich. Der Zweck dieser Reise dürfte ohnehin jedem klar sein.“

„So, meinst du?“

Er machte sich über sie lustig. Offenbar war er so entspannt, dass er mit einem Lächeln über ihre Sticheleien hinweggehen und sie sogar gut gelaunt aufziehen konnte, als wäre sie eine seiner Geliebten.

„Ja, natürlich“, erwiderte sie ungehalten. „Hier tummeln sich die Reichen und Berühmten dieser Welt und mit ihnen die Paparazzi auf der Suche nach einer brandheißen Story. Uns haben sie auch fotografiert, als wir ankamen.“

„Erstaunlich, dass du dich darüber aufregst. Das Ganze war doch deine Idee!“

„Oh, nein. Dies alles hier …“, mit einer Handbewegung umschrieb sie das ganze luxuriöse Anwesen, „… war nicht meine Idee. Du warst es, der eine simple Zweckheirat zu einer Liebesaffäre hochstilisieren musste.“

Anstatt zu antworten, trat er auf die Veranda hinaus und blickte schweigend in die Ferne, die kräftigen sonnengebräunten Arme auf die Brüstung gestützt. Sehnsüchtig dachte Georgina daran, wie gut es sich angefühlt hatte, von diesen Armen gehalten zu werden. Doch das war verbotenes Terrain. Auch wenn Santos es fast darauf anzulegen schien, ihre Gedanken in diese Richtung zu lenken. Wusste er, wie sehr er sie verwirrte?

„Weil es so am besten ist“, erwiderte er ruhig, als er sich wieder zu ihr umwandte. Da er die Sonne im Rücken hatte, konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen.

„Am besten für wen?“

Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie seine Motive, diese Scharade mitzuspielen, nie wirklich hinterfragt hatte. Natürlich, er wollte den Konzern erben. Aber warum sollte ein wohlhabender, erfolgreicher Mann wie er, dem die Frauen reihenweise zu Füßen lagen, so ein großes Interesse haben, sie zu heiraten?

„Das spielt keine Rolle. Sobald wir verheiratet sind, kann deine Schwester Carlo heiraten und du hast, was du willst.“

„Und du auch. Du erbst die Firma, und wir machen weiter, als wäre nichts gewesen.“ Wenn sie nur nicht solche Zweifel hätte, dass das Ganze auch funktionierte!

Das Klirren von Eiswürfeln kündigte das Erscheinen einer zierlichen jungen Spanierin an. Sie stellte ein Tablett mit gekühlten Getränken auf den Tisch und verschwand so schnell und lautlos wieder, als würde sie mit ihrer Umgebung verschmelzen.

„Exakt, querida.“

Georginas Unbehagen wuchs.

„Das klingt zu einfach, Santos.“ Wie leicht ihr sein Name bereits über die Lippen kam! „Ich verstehe nicht, warum du meinen Plan so einfach akzeptiert hast. Du musst dir noch etwas anderes davon versprechen.“

Er kam langsam auf sie zu, näher und näher. Zu nah. Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, wich sie keinen Schritt zurück.

„Stimmt.“ Er sah ihr so tief in die Augen, dass sie weiche Knie bekam.

„Und was?“, fragte sie betont forsch.

„Eine Ehefrau, wie vereinbart.“

Er meinte es tatsächlich ernst. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde er sich so bald auch nicht umstimmen lassen.

„Wir sollten es nicht unnötig kompliziert machen, diese Ehe wieder zu beenden.“

„Ich habe nicht die Absicht, sie wieder zu beenden, Georgina. Wie gesagt, ich wünsche mir eine richtige Ehefrau. Keine, die nur auf dem Papier mit mir verheiratet ist.“

Sein Blick glitt zu ihrem Mund, und jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie sich vor lauter Nervosität auf die Unterlippe biss.

„Warum ich, Santos?“ Verwirrt trat sie einen Schritt zurück, doch es half nichts. Die prickelnde Spannung zwischen ihnen ließ nicht nach. „Warum willst du ausgerechnet mich heiraten?“

„Weil du mich genau in dem Moment gebeten hast, dich zu heiraten, da ich mich selbst zu diesem Schritt gezwungen sah.“

Gezwungen sah. Die Worte hallten in ihrem Kopf nach wie ein Choral in der Kirche. Er wollte sie nicht wirklich heiraten. Vielleicht konnte sie ihn ja doch noch davon überzeugen, dass sie nach der Trauung lieber getrennte Wege gingen.

Und wenn nicht? Sie stellte sich vor, wie es wäre, mit ihm zusammenzuleben. Bei Tag und bei Nacht. Ihr wurde ganz schwindelig bei dem Gedanken, mit ihm die Nächte zu verbringen. Aber warum wollte er gerade sie, wenn er doch jede der glamourösen Schönheiten haben konnte, von denen es in seinem Leben nur so wimmelte?

Santos spürte, wie verunsichert sie war. Obwohl es ihre Idee gewesen war, schien sie die Vorstellung, verheiratet zu sein, ebenso zu beunruhigen wie ihn. Er hatte nie heiraten wollen. Und er hasste es, heiraten zu müssen, nur weil sein Vater diese dämliche Klausel in seinem Testament verankert hatte. Als Junge hatte er zur Genüge erfahren, wie vernichtend eine Ehe sein konnte. Diese Gefahr lauerte in allem, was sich Liebe nannte.

Liebe, was war das schon? Eine trügerische Emotion, die jeden Mann, jede Frau, jedes Kind ins Verderben stürzen konnte. Ein Freifahrtschein für Missbrauch und Ausbeutung. Er würde nie eine Frau so nah an sich heranlassen, dass sie Macht über seine Gefühle bekam. Georgina zu heiraten war eine reine Notwendigkeit, weiter nichts.

„Dann habe ich ja gutes Timing bewiesen“, meinte sie lächelnd, doch in ihren Augen lag Wehmut.

Santos fragte sich, ob sie wohl gerade an ihren ersten Ehemann dachte. Hatte sie ihn geliebt? Hatte er sich auch so leicht von ihr um den Finger wickeln lassen?

Lass es, du Idiot, ermahnte er sich und verdrängte das merkwürdige Gefühl, das in ihm aufstieg. Er war doch sonst nicht an Einzelheiten interessiert. Warum dann bei ihr?

„Glück für wen, querida, Darling?“ Er wollte sie aus der Reserve locken, wollte sehen, wie ihre sanften braunen Augen Feuer fingen.

Sie zog pikiert die Augenbrauen hoch. „Für dich natürlich. Ich hätte Emma und Carlo auch ermutigen können, davonzulaufen und heimlich zu heiraten. Wer hier am meisten zu verlieren hat, das bist du. Du trägst von uns beiden das höhere Risiko, Santos.“

Am liebsten hätte er ihr das ironische Lächeln mit einem heißen Kuss ausgetrieben, doch er riss sich zusammen. Sie hatte recht, er hatte viel mehr zu verlieren als sie, auch wenn er das niemals zugeben würde.

„Wir gehen beide ein Risiko ein, Georgina“, erwiderte er leicht gereizt. „Deshalb habe ich einen Vertrag aufsetzen lassen, der uns beide absichert.“

„Ah, besagter Ehevertrag.“ Ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie nach ihrem Glas, setzte es an die Lippen und trank. „Ich unterzeichne, was immer du willst. So lautet die Abmachung.“

„Dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.“

Er sah, wie sie blass wurde, doch sie wich seinem Blick nicht aus.

„Okay.“

Sie klang wild entschlossen.

„Wenn wir die Formalitäten erledigt haben, können wir den Rest des Abends entspannt genießen“, sagte er, wieder ganz der kühl kalkulierende Geschäftsmann. Doch ganz wohl war ihm nicht bei der Sache. Georgina hatte einen Moment lang rührend verletzlich gewirkt. Oder war das nur eine Strategie, um ihn weichzukochen und bessere Bedingungen für sich auszuhandeln?

„Bringen wir’s hinter uns, Santos.“ Ihre aufrechte Haltung und ihr herausfordernder Blick nötigten ihm Bewunderung ab.

Er nickte. „Die Unterlagen liegen auf meinem Schreibtisch.“

Auf dem Weg zum Arbeitszimmer wurde ihm klar, dass er zum ersten Mal in seinem Leben gespannt darauf war, wie ein Deal ausgehen würde. Normalerweise hielt er die Fäden in der Hand und manövrierte seine Geschäftspartner wie Figuren auf dem Spielbrett in die gewünschte Position, doch bei Georgina versagte seine Strategie.

Es war nicht nur ihr Eigensinn, der den Ausgang der Verhandlungen fraglich machte. Es war diese ganze bezaubernde Frau, die ihn völlig aus dem Konzept brachte. Ihre sinnliche Ausstrahlung in jenen raren Momenten, wenn sie die Zügel etwas lockerer ließ.

Er begehrte sie.

Gleichzeitig spürte er, dass sie anders war als die Frauen, mit denen er sonst zusammen war. Bei ihr musste er es langsam angehen lassen. Sie war stolz und mutig und würde kämpfen wie eine Löwin. Doch wenn sie es für nötig hielt, würde sie sich umdrehen und fliehen, und er sähe sie nie wieder. Das wäre sein Untergang. Seine Anwälte hatten ihm unmissverständlich klargemacht, dass es keine andere Lösung gab, als zu heiraten. Georgina war seine letzte Hoffnung.

Allerdings hielt er es für klüger, sich vorerst bedeckt zu halten, was die weiteren Details der testamentarischen Verfügung anging.

Verdammt, was hatte Carlo ihm da eingebrockt? Ohne den überstürzten Heiratswunsch seines Bruders wäre er niemals in diese Zwangslage geraten!

Mürrisch wies er auf einen Sessel vor dem Schreibtisch und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Georgina sich graziös darauf niederließ. Er musste nüchtern an das Ganze herangehen. Skrupellos. Eiskalt. Nur so konnte er verhindern, dass er sich von ihrem süßen Lächeln und ihrer erotischen Anziehungskraft beeinflussen ließ. Er war nicht sicher, wie viel davon Taktik war, aber es wirkte. Sehr sogar.

„Meine Anwälte haben das Dokument zweisprachig verfasst, in Englisch und in Spanisch.“ Er nahm hinter dem Schreibtisch Platz und schob ihr die Papiere zu.

Sie tauschten einen kurzen spannungsgeladenen Blick, dann senkte Georgina den Kopf, um den Vertrag zu studieren. Santos beobachtete, wie sie mit ihren schlanken, gepflegten Fingern die Seiten umblätterte. Die Bedingungen waren äußerst großzügig gestaltet. Sie konnte damit zufrieden sein.

„Sehr umfassend.“ Ihre Mundwinkel zuckten. „Du willst verhindern, dass ich dich austrickse.“

„Der Vertrag dient unserer gegenseitigen Absicherung.“

Er konnte seine Verärgerung kaum verbergen. Musste sie ihn ausgerechnet jetzt an ihre unrühmliche Vergangenheit erinnern? War sie etwa stolz auf die vielen Männer, mit denen sie kurz nach dem Tod ihres Mannes um die Häuser gezogen war?

„Ach.“ Sie hob skeptisch die Augenbrauen.

Wollte sie ihn provozieren? Er sprang auf, ging um den Schreibtisch herum und beugte sich über ihre Schulter. Mit der Spitze seines Kugelschreibers tippte er auf einen Absatz des Vertrags. „Hier, lies. Als meine Frau erhältst du eine ansehnliche Geldsumme zur freien Verfügung.“ Sie duftete einfach himmlisch. Es war ein Fehler gewesen, sich ihr zu nähern. „Und sollten aus der Ehe Kinder hervorgehen, dann stehe ich selbstverständlich zu meiner Verantwortung.“

Er konnte selbst nicht fassen, was er da sagte. Er, der niemals vorgehabt hatte, zu heiraten, geschweige denn Kinder zu haben, strebte nun plötzlich beides an?

„Kinder?“ Schockiert blickte sie zu ihm auf.

„Ja, Kinder.“

Vielleicht hätte er ihr sagen sollen, dass die Geburt eines Kindes die wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Erbschaft darstellte, doch er brachte es nicht über die Lippen. Vielleicht aus Angst, sie in die Flucht zu schlagen. Oder aus Zorn über die Falle, die sein Vater ihm gestellt hatte. Wie auch immer, er hatte Georgina gesagt, dass er eine richtige Ehefrau wollte. Das ließ doch wohl keine Fragen offen.

Obwohl er natürlich hoffte, nicht bis zum Äußersten gehen zu müssen. Alles in ihm sträubte sich dagegen, ein Kind in die Welt zu setzen, dem er keine Liebe und Sicherheit geben konnte. Gerade weil er selbst kein Wunschkind, sondern ein Unfall gewesen war.

Geld war kein Problem. Aber Liebe?

4. KAPITEL

„Willst du denn Kinder?“

Trotz ihrer Nervosität versuchte Georgina, die Frage möglichst harmlos klingen zu lassen. Aus dem flauen Gefühl in ihrem Magen wurde ein stechender Schmerz. Erwartete Santos tatsächlich, dass aus der zeitlich begrenzten Zweckehe Kinder hervorgingen? Sie wollte kein Kind. Unter gar keinen Umständen.

Die Zeilen des Vertrags verschwammen vor ihren Augen, als sie an ihre eigene Kindheit zurückdachte. Eine Kindheit, die so viele Narben hinterlassen hatte, dass sie selbst niemals Mutter werden wollte.

„Wie gesagt, ich will nur alle Risiken abdecken. Für uns beide.“

Zweifelnd sah sie zu ihm auf. Er beugte sich immer noch über sie, seine Augen so dunkel und unergründlich, dass sie für einen Moment ins Träumen geriet. Sie sah ein Kind vor sich mit seinen Augen, seinen Haaren, seinem schönen dunklen Teint … und verdrängte das Bild schnell wieder, bevor es sich in ihrem Kopf festsetzen konnte.

Sie musste hier weg. Seine Nähe, sein Duft, seine Körperwärme, das alles verwirrte sie so, dass sie kaum atmen konnte.

„Du hast wie immer an alles gedacht.“ Kurz entschlossen griff sie nach dem Stift und setzte schwungvoll ihre Unterschrift unter den Vertrag. Dann schob sie ihren Stuhl zurück, stand auf und floh aus dem Bannkreis dieses Mannes, der so viel Macht über sie hatte. „So, das wäre erledigt.“

Autor

Susanne James
Schon als junges Mädchen liebte Susanne James es, sich Geschichten auszudenken. Mit zwölf Jahren vollendete sie stolz ihren ersten Roman und war untröstlich, als dieser nicht veröffentlicht wurde. Eine ganze Weile blieb es bei diesem einen erfolglosen Versuch – und andere Dinge begannen wichtiger zu werden: Sie beendete die Schule,...
Mehr erfahren
Rachael Thomas
Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...
Mehr erfahren
Jessica Hart
Bisher hat die britische Autorin Jessica Hart insgesamt 60 Romances veröffentlicht. Mit ihren romantischen Romanen gewann sie bereits den US-amerikanischen RITA Award sowie in Großbritannien den RoNa Award. Ihren Abschluss in Französisch machte sie an der University of Edinburgh in Schottland. Seitdem reiste sie durch zahlreiche Länder, da sie sich...
Mehr erfahren