Julia Exklusiv Band 334

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DAS GLÜCK TRÄGT WIEDER DEINEN NAMEN von LEAH ASHTON

Damals war er zu jung, um ihre Gefühle zu verstehen. Nur deshalb hat er Ella zurückgestoßen! Heute steht Jake vor der schwersten Aufgabe seines Lebens: Der Millionär muss Ella davon überzeugen, dass er sie liebt. Wird sie ihm ihr Herz noch einmal schenken?

KÜSS IHN, KATE! von KATHRYN ROSS

Was würde Kate nur ohne Nick tun? Immer ist er da, wenn sie ihren besten Freund braucht. Selbst als sie ihren neuen Lover Stephen mit einer anderen im Bett erwischt. Nick bietet ihr sofort an, bei ihm zu übernachten. Und auf einmal ist da ein neues Gefühl: Nick ist nicht nur ihr bester Freund - er ist auch wahnsinnig sexy ...

… UND MORGEN FRÜH VERHEIRATET von SHIRLEY JUMP

Carter Matthews ist noch viel gefährlicher als sein Ruf, findet Daphne. Aber für ein Sonderprojekt muss sie mit dem berüchtigten Playboy zusammenarbeiten, und dabei entdeckt sie eine ganz neue Seite an ihm. Besonders, als er ihr spontan einen Antrag macht …


  • Erscheinungstag 26.02.2021
  • Bandnummer 334
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501248
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Leah Ashton, Kathryn Ross, Shirley Jump

JULIA EXKLUSIV BAND 334

PROLOG

Fremantle, Westaustralien

Vor dreizehn Jahren

Ohne auch nur den geringsten Zweifel an ihrem Vorhaben zu haben, stand Eleanor Cartwright vor Jake Donners Schlafzimmerfenster und blickte auf die halb heruntergezogene Aluminiumjalousie, die gegen die Scheibe schlug.

Natürlich war sie nervös, denn Liebeserklärungen waren immer mit Herzklopfen verbunden.

Doch Nerven spielten heute Abend keine Rolle.

Sie musste es tun.

Du solltest es ihm sagen, Liebling. Liebe darf kein Geheimnis bleiben.

Sie hatte den Worten ihrer Mutter vor zwei Monaten keine große Aufmerksamkeit geschenkt.

Ich liebe ihn doch gar nicht, Mum. Wir sind einfach nur Freunde.

Ihre Mutter hatte darauf nur mit einem Kopfschütteln reagiert, weil sie gewusst hatte, dass sich ihre Tochter nur etwas vormachte. Eleanor hatte sich in dem Moment wie ein Kind behandelt gefühlt und nicht wie eine Sechzehnjährige.

Was soll’s, Mum. Er geht sowieso bald weg. Es ist sinnlos.

Vielleicht war es auch jetzt sinnlos, doch das war egal.

Seit genau 29 Tagen spielten viele Dinge keine Rolle mehr.

Entschlossen holte sie tief Luft.

Jake musste erfahren, was sie für ihn empfand, bevor er Fremantle verlassen würde.

Langsam näherte sie sich dem Fenster und lauschte. Absolute Stille. Kein Wunder, denn es war drei Uhr morgens und Jake schlief tief und fest. Sie schob das Fenster hoch, was ein quietschendes Geräusch verursachte.

„Jake?“, flüsterte sie, in der Hoffnung, dass er aufgewacht war. Sein Bett stand direkt unterhalb des Fensters.

Doch er reagierte nicht.

Also verfolgte sie ihren Plan weiter und zog sich nach oben. Vom Fenstersims aus wollte sie Jake anfassen und ihn aufwecken.

Doch es kam alles anders.

Sie verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem überraschten Aufschrei vornüber und landete direkt auf Jakes Körper. Die Brille war ihr von der Nase gefallen und lag auf dem Boden, während sie in Jakes verwirrtes Gesicht blickte.

„Was zum Teufel … Eleanor, bist du es?“

Sie nickte, unfähig auch nur ein Wort zu sagen angesichts der Tatsache, dass er lediglich Boxershorts trug.

Er schob sie von sich, stand auf und knipste das Licht an.

„Eleanor, was machst du hier?“

„Ich konnte nicht schlafen.“

„Und deshalb springst du durch mein Fenster?“

Wortlos blickte sie ihn an.

Jake seufzte und fuhr sich über den flachen Bauch, der jetzt viel muskulöser war als im letzten Sommer, als sie so oft gemeinsam zum Strand gefahren waren. Er bemerkte ihren Blick, doch es schien ihm nichts auszumachen.

Er war nie verlegen.

Sie hingegen fühlte sich ständig befangen und gehemmt.

Seine dunklen Haare waren völlig zerzaust, und er sah einfach nur sexy aus.

Eleanor wusste, dass sie nicht besonders attraktiv war. Aber ihre Mum hatte ihr immer gesagt, dass ihr Aussehen nicht so wichtig sei. Was zählte, waren die inneren Werte.

„Ich wollte mit dir sprechen“, sagte sie leise.

Jake schaute sie nicht an. „Über deine Mum?“

„Nein“, erwiderte sie. War es Erleichterung, die sich in seinem Gesicht widerspiegelte?

Seitdem ihre Mutter vor fast einem Monat gestorben war, als sie gedankenlos eine stark befahrene Straße in Fremantle hatte überqueren wollen, hatte Eleanor Jake kaum gesehen.

Sie hatte es nicht anders gewollt, denn der unfassbare Schmerz über den Verlust ihrer Mutter war so groß gewesen, dass sie kaum das Haus verlassen und sich in den Schlaf geflüchtet hatte.

Als sie schließlich wieder zur Schule gegangen war, hatte Jake inzwischen seine Abschlussprüfungen gemacht, sodass sie das erste Mal seit vier Jahren den Schulweg ohne ihn hatte zurücklegen müssen.

Was sie nicht störte, denn sie hatte niemanden um sich haben wollen, nicht einmal Jake.

Doch jetzt brauchte sie ihn.

Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen, als würde er weglaufen wollen.

Nein, er durfte nicht gehen. Er war doch immer für sie dagewesen.

Sie setzte sich auf den Rand des Bettes, hob ihre Brille auf und setzte sie mit zitternden Händen auf.

Gespannt blickte er zu ihr hinüber.

„Ich wollte mit dir sprechen, bevor du abfährst.“

„Ich fliege erst am Montag, Eleanor. Du hättest nicht mitten in der Nacht kommen müssen.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Ich hatte gedacht, dass es dir nichts ausmacht.“

Doch offenbar tat es das.

Vor drei Wochen erst hatte er während der Beerdigung ihre Hand gehalten und ihr Unmengen von Taschentüchern gereicht. Und jetzt konnte er sie nicht einmal ansehen.

Jake verschränkte die Arme vor der Brust. Nicht gerade eine Körperhaltung, die zu einer Liebeserklärung einlud.

Doch ließ sie sich von dieser Geste nicht beeinflussen.

Sie spürte, dass etwas zwischen ihnen war, hatte bemerkt, wie er sie manchmal angesehen hatte. Und das war keine Einbildung gewesen. Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert, dessen war sie sich sicher.

Vielleicht musste sie forscher sein, so wie die anderen Mädchen in ihrer Schule.

Doch sie war nicht wie sie, konnte es nicht sein.

Hastig formulierte sie ihre Worte: „Ich liebe dich.“

Es war eher ein Murmeln gewesen, doch sie erkannte an Jakes Körpersprache, dass er sie genau verstanden hatte. Automatisch trat er einen Schritt zurück.

Nicht gerade die Reaktion, die sie erhofft hatte.

„Nein, das tust du nicht“, sagte er, als sei es eine Tatsache.

„Doch“, erwiderte sie jetzt deutlich. „Das tue ich.“

Er schüttelte den Kopf. „Du bist einfach nur durcheinander, weil …“

„Weil meine Mum tot ist? Nein, ich wusste es schon vorher. Es war ihre Idee, es dir zu sagen.“

Er wandte sich von ihr ab und legte die Hände auf den Schreibtisch, der mit Tastaturen, Computerlaufwerken und Disketten übersät war.

Sie hatte das Gefühl, gleich weinen zu müssen. Doch gleichzeitig fühlte sie sich seltsam ruhig. Irgendwie gelassen.

„Ich glaube, dass du mich auch liebst“, sagte sie mit klopfendem Herzen.

Blitzschnell drehte er sich um und kam ganz nah an sie heran.

„Du musst jetzt gehen, Eleanor. Dein Vater wird sich schon Sorgen machen.“

Nein, das würde er nicht. Ihm würde ihre Abwesenheit gar nicht auffallen.

Jake war nur Zentimeter von ihr entfernt.

Sie liebte seine breiten Schultern und seinen muskulösen Oberkörper. Einigen der hübschen Mädchen war das auch aufgefallen, doch Jake hatte kein Interesse gezeigt, worüber Eleanor froh gewesen war. Er hatte sich dermaßen wie ein Computerfreak aufgeführt, dass keine von ihnen sich mehr mit diesem komischen Kauz einlassen wollte.

Der Typ, der jetzt vor ihr stand, war jedoch definitiv kein Spinner.

Er war ihr bester Freund. Derjenige, der sie zum Lachen brachte, ihr mit Mathe half, was ihr zuwider war, und sie ihm mit Englisch, was er wiederum hasste. Sie waren ein Team.

Sie liebte ihn und musste wissen, ob er sie auch liebte.

„Eleanor – bitte, du musst …“

Doch bevor er den Satz beenden konnte, küsste sie ihn.

Zumindest versuchte sie es, denn als sie die Augen schloss und sich zu ihm vorbeugte, landete ihr Mund lediglich auf seiner Wange.

Spätestens in diesem Moment wurde Eleanor klar, dass etwas nicht stimmte. Menschen, die einen lieben, wenden nicht den Kopf ab, wenn sie geküsst werden.

Der kalte Schauer der Demütigung ließ sie für einen Moment erstarren, die Lippen immer noch dicht an seiner Wange.

„Nein. Ich kann das nicht tun. Ich …“

Was sagte er? Sie konnte seine Worte kaum verstehen, da ihre innere Stimme alles übertönte.

Dumm. Dumm. Dumm.

Wie hatte sie auch nur einen Augenblick lang glauben können, dass Jake sie lieben könnte? Warum? Warum um alles in der Welt sollte er das tun?

Sie war weder hübsch noch besonders intelligent.

Sie war nicht modisch gekleidet wie die meisten anderen Mädchen und wusste offensichtlich nicht, wie man flirtete und küsste.

Sie hätte niemals herkommen dürfen.

Wortlos löste sie sich von ihm, stieg aufs Bett und begann ihren Rückzug durchs Fenster. Erst jetzt bemerkte sie sein Schweigen.

Sie hätte gedacht, dass er sie zum Bleiben auffordern würde.

Über die Schulter sah sie zurück und bemerkte seinen Blick. War es Bedauern, das in seinen Augen lag?

Nein, es war Mitleid. Definitiv.

Und das wollte sie in keinem Fall.

Sie sprang nach draußen und lief, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen, nach Hause zurück.

Als sie später auf ihrem Bett lag und an die Decke starrte, unfähig noch mehr Tränen zu vergießen, gelang es ihr, dem allem doch noch etwas Positives abzugewinnen.

Sie musste Jake niemals wiedersehen.

1. KAPITEL

Sydney, New South Wales

Heute

Es war ein Überfall. Schlicht und einfach.

Jake Donner wusste es, und jedes Vorstandsmitglied, das ihn jetzt mit unbeweglicher Miene ansah, wusste es ebenfalls.

Wie lange im Voraus war all das geplant gewesen?

„Nein.“

Mehr musste er nicht sagen.

„Es gibt keine andere Option, Jake“, erklärte Cynthia George, eine grauhaarige ehemalige Bankmanagerin, die nach ihrer Pensionierung in mehreren Vorständen verschiedener Unternehmen in Sydney saß. Während sie ihn mit stählernem Blick musterte, wusste Jake, warum er sie unbedingt im Vorstand hatte haben wollen.

Sie schüchterte ihr Gegenüber nicht nur ein, sondern flößte geradezu Angst ein.

Trotzdem zuckte er die Achseln. „Suchen Sie einen anderen.“

Er ließ sich in den weichen Ledersessel zurückfallen und versuchte, einen abgeklärten Eindruck zu machen. Doch innerlich war er äußerst angespannt und wäre am liebsten aufgesprungen und im Konferenzraum von Armada Software umhergelaufen.

Diese Vorstandssitzung war anders als sonst. Normalerweise konzentrierte sich Jake mehr oder weniger interessiert auf die verschiedenen Themen. Hauptsächlich beglückwünschte er sich jedoch jedes Mal, vor ein paar Jahren die richtige Entscheidung getroffen zu haben und sich aus diesem Bereich der von ihm gegründeten Firma zurückzuziehen. Er besaß jetzt 28 Prozent Anteile des Unternehmens, hatte einen vielversprechenden jungen Geschäftsführer – der ihn wie alle anderen von der anderen Seite des Konferenztisches aus musterte – sowie einen Vorstand, der sich aus Sydneys Unternehmenselite zusammensetzte. Fast alle hatten sie in Armada investiert. All das war die perfekte Entschuldigung für ihn, sich wenig um das tägliche Business kümmern zu müssen. Sollten die Experten tun, was getan werden musste, während er das tat, was er gut konnte: Software entwickeln.

Bis vor wenigen Minuten hatte dieses Arrangement bestens funktioniert.

Der Leiter der Finanzabteilung schob ihm ein Dossier über den Tisch.

„Hier ist eine Option, Jake. Wir bauen das Personal um 20 Prozent ab.“

In einem Unternehmen von zweitausend Angestellten, die in diesem Wolkenkratzer arbeiteten, wären das ziemlich viele Menschen.

„Personalabbau ist das letzte Mittel.“

„Richtig.“ Der Finanzchef nickte und zeigte auf die Präsentation an der Wand. „Deshalb dieser Vorschlag des Vorstands.“

Jake kannte die Details zur Genüge, hatte alle Zahlen genauestens studiert.

Die Verkäufe waren rückläufig. Die Kosten stiegen. Armada war nicht unbeschadet aus der globalen Finanzkrise herausgekommen.

Die Fakten sprachen für sich.

Aber die vorgeschlagene Lösung?

„Ich bin zuversichtlich, dass die Markteinführung unseres ersten Smartphones die Einnahmen beträchtlich steigern wird“, erklärte Jake. Er war inzwischen jedoch nicht mehr ganz so optimistisch, nachdem er den Finanzbericht gelesen und gemerkt hatte, dass es sich wohl doch um eine substanziellere Krise handelte. Aber der Vorschlag des Vorstands, wie auf dieses Problem reagiert werden sollte, war für ihn unakzeptabel.

Jake Donner als das neue Gesicht von Armada?

Niemals.

„Es gibt keinen Grund für eine derart drastische Maßnahme“, erklärte er.

Cynthia lächelte eisig. „Ein paar Fernseh- und Rundfunkauftritte oder Interviews sind kaum als drastisch zu bezeichnen, Jake. Armada braucht ein Gesicht, und das bist du.“

Er schüttelte den Kopf. „Die letzten zehn Jahre haben die Produkte für sich gesprochen. Ich bezweifele, dass das Ausgraben eines Computerfreaks irgendetwas bewirken wird.“

Cynthia schnaubte. „Computerfreak? Wie wäre es mit zurückgezogenem Multimillionär? Eine der faszinierendsten Persönlichkeiten Australiens. Nummer eins auf Lipsticks Liste der attraktivsten Junggesellen. Der Werbeeffekt wäre riesig, wenn du das neue Smartphone persönlich präsentieren würdest, Jake.“

Jake versank immer tiefer in seinem Ledersessel. Er legte keinen Wert darauf, in Hochglanzmagazinen die Titelseiten zu schmücken, und war es leid, neugierige Fotoreporter auf seinem Grundstück in den Blue Mountains wegzuscheuchen.

Es gab keine Story bei ihm zu holen.

War es wirklich so ungewöhnlich, Sydneys Betonwüste zu hassen und das Tragen von Anzügen, die unendlichen Meetings und das falsche Geschwätz als Verkauf der eigenen Seele zu begreifen?

Offensichtlich ja.

Wen kümmerte es, dass er lieber auf seiner bequemen Couch im Wohnzimmer arbeitete, als sich unter die gesellschaftliche Elite Sydneys zu mischen? Sein Privatleben war ihm das Wichtigste, und keine Interviews zu geben machte sein Leben einfacher.

Aber all das schien keine Rolle zu spielen, wenn er den erwartungsvollen Blicken der versammelten Vorstandsmitglieder im Raum Glauben schenken wollte.

Jake hielt es nicht mehr aus auf seinem Sitz. Abrupt stand er auf und begann, an der großen Fensterfront des Konferenzraums entlangzulaufen.

„Auf einem gesättigten Markt reicht es nicht aus, einfach nur ein hervorragendes Produkt zu haben, Jake“, erklärte die Marketingchefin, eine spindeldürre elegante Frau mit pechschwarzem Haar.

„Und welche Rolle sollte ich dabei spielen? Wie sollte mein Gesicht auf einer Titelseite Telefone verkaufen?“

Die Marketingchefin lächelte. „Unsere Tests in der Zielgruppe haben ergeben, dass Werbung mit Ihrem Foto und Namen signifikant die Nachfrage steigen lässt. Wir reden von einem vierfach erhöhten Interesse an dem Produkt.“

„Der Vorstand schlägt vor, die Jake-Donner-Kampagne weiterzuentwickeln“, erklärte Cynthia.

„Wenn Sie ablehnen, sehen wir uns gezwungen, das Unternehmen umzustrukturieren“, fügte der Finanzchef hinzu, was nichts anderes als Stellenabbau bedeutete.

Jetzt schaltete sich die Vizepräsidentin ein. „Wir denken an eine kurze Kampagne, Jake. Einen Monat Unannehmlichkeiten für Sie im Gegenzug zu einigen Millionen Mehreinnahmen.“

Der gesamte Vorstand murmelte enthusiastische Zustimmung. Ja, das hier war definitiv ein Überfall.

Einen Monat Unannehmlichkeiten.

Einen Monat für Tausende geretteter Jobs und Millionen von Dollars?

So gesehen hörte es sich nicht nach einem besonders großen Opfer an. Jake war zwar nicht mehr der alleinige Besitzer von Armada, doch tief in seinem Inneren sah er Armada immer noch als seine Firma an. Er trug die Verantwortung, es waren seine Angestellten.

Die Entscheidung bedurfte somit keiner großen Überlegung.

Schweren Herzens murmelte er etwas, das Cynthia korrekterweise als Zustimmung interpretierte.

Innerlich betete Jake zu Gott, keinen Anzug tragen zu müssen.

Ella Cartwright wartete geduldig auf dem Ledersofa vor dem Konferenzraum. Äußerlich zeigte sie keinerlei Nervosität, doch ihr innerer Aufruhr war nur schwer unter Kontrolle zu bringen.

Aber das machte nichts, niemand würde es bemerken.

Endlich öffnete sich die Doppeltür, und eine Gruppe von exquisit gekleideten Führungsangestellten bahnte sich den Weg nach draußen. Ella sprang auf und erblickte sofort Cynthia Georges rotes Jackett inmitten der vornehmlich grau und schwarz angezogenen Manager.

Ein Anflug von Stolz erfasste Ella, als sie das von ihr persönlich ausgesuchte Kleidungsstück an Cynthia erkannte. Mit ihrem pfiffigen Haarschnitt, dem dezenten Make-up und dem schmeichelhaften Outfit war sie die beste Werbung für Picture Perfect, Ellas Imageberatungsfirma seit fünf Jahren.

Während Cynthias äußere Erscheinung einer Korrektur bedurft hatte, benötigte sie keinerlei Unterstützung in Sachen Verhandlungskompetenz. Das hatte Ella zu spüren bekommen, als sie versucht hatte, Cynthias überraschende Bitte abzulehnen.

Jake Donner sollte ihr nächster Kunde werden?

Niemals im Leben.

Doch wie sollte sie Nein zu ihrer wichtigsten Auftraggeberin sagen, ohne eine vernünftige Begründung zu liefern?

Es war einfach nicht möglich gewesen. Schlimmer noch, Cynthia hatte zu verstehen gegeben, dass sie ihr einen persönlichen Gefallen tun würde, wenn sie den Job annähme. Und da sie die Hälfte ihrer Kundschaft Cynthias Mundpropaganda zu verdanken hatte, blieb ihr schlicht keine Wahl.

Objektiv betrachtet – wenn das im Zusammenhang mit Jake überhaupt möglich war – hätte sie mit Jake Donner eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen, die Cynthias weit in den Schatten stellen würde. Ihr Business lief zwar gut, doch Jake als Kunden zu haben würde ihre Umsätze in die Höhe treiben.

Die Tatsache, dass Jake ihr das größte demütigende Erlebnis ihres Lebens beschert hatte, spielte dabei keine Rolle.

Also stand sie jetzt hier, äußerlich ruhig und gefasst, um in wenigen Augenblicken Jake Donner das erste Mal seit dreizehn Jahren wiederzusehen.

„Ella!“, rief Cynthia. „Kommen Sie rein. Ich habe Jake gebeten, noch ein paar Minuten zu bleiben.“

Der Fahrstuhl kündigte sich mit einem Pling an und nahm den gesamten Vorstand mit sich nach unten, sodass die beiden Frauen allein zurückblieben.

„Wie ist es gelaufen?“, wollte Ella wissen.

Doch Cynthia antwortete lediglich mit dem Hochziehen der Augenbrauen.

Was konnte Ella ernsthaft erwarten? Jake war Sydneys berühmtester Einzelgänger, der bald im Mittelpunkt der Medien stehen würde. Angesichts dessen konnte seine Laune einfach nicht gut sein.

Und wenn er gleich sehen würde, wer vor ihm stand, gäbe ihm das den Rest. Ella hatte keinen Zweifel daran, dass Jake seine Vergangenheit genauso wenig ans Tageslicht kommen lassen wollte wie sie ihre.

Sie atmete noch einmal tief durch und straffte die Schultern, bevor Cynthia die Tür zum Konferenzraum öffnete.

Sie würde es schaffen, denn sie war stark. Sie war Ella Cartwright.

Er ist einfach nur ein neuer Kunde.

Jake saß mit dem Rücken zur Tür, sodass Ella nur seine dunklen, etwas zu langen Haare sehen konnte. Er drehte sich nicht um, während die beiden Frauen sich näherten.

„Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert, Cynthia. Ich glaube, jeder überschätzt meine Wirkung auf den durchschnittlichen Australier“, sagte Jake leise, aber bestimmt.

Ella lief ein Schauer über den Rücken, als sie seine Stimme hörte.

Sie schluckte, als Cynthia sie vorstellte und Jake sich umdrehte. Seine eisblauen Augen fixierten sie.

„Guten Morgen. Ich bin Ella Cartwright von Picture Perfect. Ich werde während der Kampagne Ihre Imageberaterin sein.“

Sie ging auf ihn zu und streckte die Hand aus.

Jakes Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Am liebsten wäre sie aus dem Raum gerannt, doch sie hielt seinem Blick stand. Sie war nicht mehr dasselbe Mädchen, das Jake von früher kannte. Definitiv nicht.

Ihr Blick wanderte über sein Gesicht, das sie trotz der vielen Fotos, die sie im Laufe der Jahre von ihm gesehen hatte, immer noch überraschte. Er sah so anders aus als der Junge von damals.

Seine Züge waren reifer und markanter geworden. Er war nicht mehr der süße Teenager, in den sich jedes Mädchen verliebte. Er sah einfach umwerfend gut aus.

Sie ließ die Hand sinken und nickte knapp.

„Also, ich denke, unsere erste Aufgabe wird darin bestehen, über die Wichtigkeit des ersten Eindrucks zu sprechen.“

Ihr Auftreten schien selbstsicher, sogar ein Lächeln kam ihr über die Lippen.

Verwirrt und skeptisch zugleich sah Jake sie an.

„Ist das Ihre Expertenmeinung … Ella?“

Ihr stockte der Atem. Bestimmt würde Jake gleich verkünden, dass er sie bereits kannte, und mit einem Schlag wäre ihre so mühsam geheim gehaltene Vergangenheit bekannt.

Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie musste mit Jake reden, und zwar allein.

„Ja“, erwiderte sie. „Machen Sie sich keine Sorgen“, fuhr sie zu Cynthia gewandt fort. „In kürzester Zeit wird aus dem mürrischen Herrn ein charmanter Mann werden.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jake der Mund aufklappte. Er wollte etwas sagen, doch sie kam ihm zuvor.

„Ach, Cynthia – würde es Ihnen was ausmachen, uns für einige Minuten allein zu lassen? Ich weiß, es sollte heute nur eine kurze Begrüßung sein, doch ich fürchte, es gibt eine Menge zu tun, und wir sollten keine Zeit verlieren.“

Cynthia schmunzelte. „Das glaube ich auch.“ Ihre Augen strahlten, während ihr Blick zwischen Ella und Jake hin- und herwanderte. „Keine Angst“, flüsterte sie Ella im Hinausgehen zu. „Er ist sonst nicht so kratzbürstig. Er muss sich erst noch an seine neue Rolle gewöhnen.“

Wenn das nur der wirkliche Grund für Jakes bohrenden Blick wäre.

Aber Ella lachte zuversichtlich, obwohl ihr mulmig zumute war, angesichts der Tatsache, gleich allein mit Jake Donner im Raum zu sein.

Sobald sich die Tür geschlossen hatte, sprang er auf und stand dicht vor ihr.

Das Blut pochte ihr in den Adern, und ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Doch dann spürte sie eine wohlige Wärme im Bauch. Ein Gefühl, das sie fast schockierte. Konnte er immer noch eine solche Wirkung auf sie haben? Hatte sie nicht ihre Lektion gelernt, dass es ein Fehler war, Jake Donner zu begehren?

Er sagte immer noch nichts. Spürte er ihre Anspannung?

Endlich begann er zu reden.

„Was zum Teufel soll das, Eleanor?“

2. KAPITEL

ELEANOR CARTWRIGHT.

Jake konnte es nicht fassen, dass die Frau, die vor ihm stand, Eleanor war.

Er hatte sie gleich erkannt.

Das heißt, vielleicht nicht sofort. Immer noch verärgert über Cynthias eigenmächtigen Vorstoß, ihm eine Imageberaterin zur Seite zu stellen, hatte er sich umgedreht, um dieser Person zu sagen, dass er keinen Bedarf für ihre Dienste hatte. Der Vorstand war zwar aufgrund besonderer Umstände mit dem Kampagnenvorschlag durchgekommen, doch Jake Donner ließ sich nicht einfach so herumschubsen. Das hatte er noch nie mit sich machen lassen, und so sollte es auch bleiben. Es war einer der Gründe, warum er die Geschäftswelt mied.

Er hatte keine Zeit, sich auf die Launen anderer einzulassen.

Sie verschwenden Ihre Zeit, lag ihm bereits auf den Lippen, als er sie erblickte.

Sie sahen sich in die Augen, und sein erster Reflex war zugegebenermaßen der eines Mannes, der eine attraktive Frau erblickt. Sein Körper reagierte sofort auf die mit dunklen Wimpern umrandeten smaragdgrünen Augen.

Erst dann erkannte er sie.

Jake wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal an sie gedacht hatte.

Aber er hatte Eleanor nicht vergessen.

Obwohl jetzt eine ganz andere Person vor ihm stand als die aus seiner Erinnerung.

Die Verwandlung war vollkommen.

Eleanors einst runde Formen waren verschwunden. Sie war jetzt gertenschlank, fast schon zu dünn. Ihre einst glanzlosen blonden Haare waren mahagonifarben, und ihr blasser Teint hatte eine goldene Tönung angenommen. Die Zahnspange war verschwunden, genauso wie die Brille. Und sie trug definitiv farbige Kontaktlinsen, denn mit sechzehn waren Eleanor Cartwrights Augen braun gewesen.

Und dann ihre Nase … Sie war jetzt schmal und gerade. Der kleine Höcker, den sie so gehasst hatte, war verschwunden.

Oberflächlich betrachtet hatte er recht – sie war hübsch. Doch bei näherem Hinsehen zeigte sich durchaus Unperfektes.

Die Lippen waren zwar voll, doch ihrem Mund fehlte die feine Note. Ihre Züge waren kantig, aber wenig elegant. Und die Augen. Hinter dem Make-up waren sie durchaus hübsch, aber gewiss nicht spektakulär.

Sie war also keine wirkliche Schönheit. Aber ihre Gesamterscheinung konnte man ohne Frage als attraktiv bezeichnen.

Sie hatte immer noch nicht seine Frage beantwortet.

„Eleanor …“

„Das ist nicht mein Name“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. Mit energischen Schritten ging sie zum Tisch hinüber und lehnte sich lässig dagegen.

„Ich dachte, die Antwort sei klar“, erklärte sie. „Ich bin eine Imageberaterin. Dein Image muss überarbeitet werden, und zwar schnell. Deshalb bin ich hier.“

Jake bewunderte ein wenig ihr unerschütterliches Auftreten, doch in ihren Augen hatte er gesehen, dass sie innerlich keineswegs so ruhig war, wie sie vorgab.

Aber sie schien fest entschlossen, sich nicht zu erklären.

„Warum dieses Spiel? Wir sind doch keine Fremden füreinander“, sagte er.

Nein, fremd waren sie sich ganz bestimmt nicht.

Aber offenbar auch keine Freunde. Eine unangenehme Spannung erfüllte den Raum.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht, dass unsere Vergangenheit in diesem Augenblick relevant ist. Wir sind beide Profis, und es kommt nur auf das Hier und Jetzt an.“

Jake verspürte den plötzlichen Drang, dieses Treffen und den ganzen Zirkus mit der Imageberatung zu beenden. Und zwar sofort.

„Eleanor …“

Sie stöhnte auf und schüttelte den Kopf. „Glaubst du wirklich, dass die Tatsache, dass ich als dummer und verängstigter Teenager in dich verknallt war, hier und jetzt eine Rolle spielen würde? Ich versichere dir, das ist vorbei.“ Nach einer Pause fuhr sie fort: „Keine Angst, es besteht keine Gefahr einer weiteren Liebeserklärung.“

Aber das war gar nicht seine Befürchtung. Vielmehr gab ihm diese Frau das Gefühl, nicht mehr in einem Raum mit ihr sein zu wollen. Und diese Tatsache bedurfte keiner weiteren Analyse.

Der Vorteil, sehr reich zu sein – und nach Eleanors Aussage als kratzbürstig zu gelten – war, dass er dieses Gefühl nicht hinterfragen musste. Selbst um eine höfliche Entschuldigung musste er sich nicht kümmern. Er hatte schlicht die Macht, sie ohne Erklärung wieder wegzuschicken.

Dummer und verängstigter Teenager.

Von wegen! Er erinnerte sich an ihre Stärke, ihren Schmerz und … ihre Bedürftigkeit.

Sie hatte ihn gebraucht.

Genauso wie …

Die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, um dieses unerwünschte Treffen zu beenden, blieben ihm im Hals stecken.

Jake bemerkte, wie sie ihn beobachtete. Hatte sie geahnt, was er sagen wollte? Wahrscheinlich ja.

Und sie würde nicht widerspruchslos gehen, das war ihm klar, denn sie hatte sich verändert – nicht nur äußerlich. Die Frau vor ihm fixierte ihn mit unnachgiebiger Schärfe, was er ihr niemals zugetraut hätte.

Kaum zu glauben, dass dies Eleanor war, seine vertraute Freundin aus Highschool-Zeiten. Beide waren sie Außenseiter gewesen: er der Computerfreak und sie das Mauerblümchen.

Sie stammten beide aus einfachen Verhältnissen und waren an der schicken Privatschule die Einzigen mit einem Stipendium und darüber hinaus exzentrischen Eltern der New-Age-Generation gewesen.

Eleanors letzte Worte lagen noch in der Luft.

„Du willst also sagen, dass du kein Interesse hast, in Erinnerungen zu schwelgen. Aus deiner Sicht sind wir uns demnach vor fünf Minuten das erste Mal begegnet.“

Sie strahlte. „Genau.“

„Das ist doch verrückt.“

Sie lächelte unbeirrt weiter. „Das ist deine Meinung. Für mich ist es nur sinnloses Verweilen in der Vergangenheit. Wir sind beide verschiedene Wege gegangen, und ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns je Weihnachtsgrüße geschickt hätten.“

Touché.

Dennoch wusste er nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte.

Einerseits wollte er, dass sie so schnell wie möglich den Raum verließ – andererseits aber auch nicht.

Seine Unentschiedenheit ärgerte ihn. Das war er von sich nicht gewohnt.

Nie hätte er geglaubt, sie jemals wiederzusehen. Es war eine absolute Überraschung, genau wie der Überfall heute Morgen während der Vorstandssitzung. Kein Wunder also, dass er nicht klar denken konnte.

Trotzdem.

„Okay, um es deutlich zu sagen. Ich möchte keine Imageberatung. Also werde ich Cynthia …“

„Nein!“

Er sah, wie sie tief Atem holte und die Schultern straffte. „Das ist nicht nötig, Jake. Ich bin eine erfahrene Imageberaterin mit absolut zufriedenen Kunden“, erklärte sie. „Meine Firma ist zwar nicht die größte, aber meine Erfolge können sich sehen lassen. Cynthia ist eine meiner Kundinnen, aber ich habe schon vielen anderen berühmten und mächtigen Leuten in Sydney geholfen.“

Sie nannte ein paar Namen aus der Medienbranche.

„Ich versichere dir, du wirst keine bessere Person finden als mich“, fügte sie abschließend hinzu.

„Das ist alles gut und schön, aber was ist, wenn ich überhaupt keine Imageberatung will?“

Sie fing an zu lachen, und zum ersten Mal wirkte sie nicht professionell freundlich.

Jake verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie erwartungsvoll an.

Erschrocken über ihre eigene Reaktion, räusperte sie sich. „Entschuldigung.“

Jake wartete offenkundig auf weitere Erklärungen. Sein seltsamer Blick, der Ablehnung und Neugier zugleich ausdrückte, verunsicherte sie.

Und das durfte ihr nicht passieren. Vor vielen Jahren schon hatte sie gelernt, sich in jeder Situation optimal zu präsentieren. Die Eleanor von damals würde unter Jakes intensivem Blick den Kopf senken und rot anlaufen, und es ärgerte sie, dass ihr Körper jetzt rückfällig zu werden schien.

Schon lange hatte sie nicht mehr so kämpfen müssen, um ihr neues Image zu verteidigen. Sie war inzwischen Ella, musste nicht mehr vorgeben, sie zu sein. Doch wenn sie nicht aufpasste, würden fünf Minuten mit Jake reichen, wieder zu der Sechzehnjährigen von damals zu werden.

Und das würde sie niemals zulassen.

Sie straffte die Schultern und atmete tief durch.

„Jake, schau dich doch an“, begann sie, erleichtert, dass ihre Stimme wieder cool und gefasst klang. „Deine Haare schneidest du offenbar nicht regelmäßig. Dein T-Shirt sieht aus, als hättest du es schon fünf Jahre getragen, und deine Jeans haben Risse. Ganz zu schweigen von den abgewetzten Schuhen.“

Genau genommen sah er ziemlich sexy aus in seinem Outfit, doch sie bezweifelte, dass sich mit diesem Image Millionen Telefone verkaufen ließen. Es sei denn, Armada würde sich für einen neuen schlampigen Look entscheiden.

„Also werde ich shoppen gehen.“

Ella runzelte die Stirn.

„Wahrscheinlich denkst du, dass ein Besuch im nächsten Shoppingcenter die Lösung bringt“, erklärte sie und ließ ihren Blick über Jakes schlanken Körper wandern. „Ich werde dir jedoch in den nächsten Wochen den Verwandlungseffekt von persönlichem Image demonstrieren. Mithilfe meines Medien-Trainingsprogramms werden wir deine persönliche Marke entwickeln.“

Jakes Ausdruck war eine Mischung aus Skepsis und Verachtung. „Persönliche Marke? Glauben die Leute wirklich an so etwas?“

„Allerdings, und zwar viele. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, aber du benötigst meine Hilfe. Das heißt Hilfe mit deinem Image und Unterstützung beim Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit. Offen und zugewandt sind nicht gerade zwei Attribute, die mit dir in Verbindung gebracht werden.“

„Das sollen sie auch nicht“, erwiderte er. „Mein Leben ist meine Arbeit.“

„Natürlich ist es das“, erklärte Ella. „Und mit meiner Unterstützung wirst du wesentlich besser kontrollieren können, welche Bereiche deines Lebens du offenlegen und welche du geheim halten möchtest.“

Jake machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du kommst ein bisschen zu spät dafür. Die Medien haben schon vor Jahren meine Vergangenheit unter die Lupe genommen. Meinetwegen können sie schreiben, was sie wollen. Ich werde sie nicht mit Informationen füttern.“

Er hatte recht. Seine Lebensgeschichte war in allen Zeitungen gewesen. Die benachteiligte Kindheit. Die tablettensüchtige Mutter und der abwesende Vater, der den Ruhm seines Sohnes nutzte und jedem Blatt ein Interview gab, um ein paar Cent rauszuholen.

Und natürlich die diversen Freundinnen. Mehr als eine hatte ihre Story verkauft, nachdem die Beziehung zu Ende gegangen war.

Diese Art von Interview hatte es allerdings lange nicht mehr gegeben. War er gegenwärtig überhaupt mit jemandem liiert?

Stopp. Das ging sie nichts an. Er war schließlich nur ein Kunde.

„Wenn du ihnen etwas gibst, Jake, behältst du die Kontrolle. Die Presse muss keine Lügen verbreiten, wenn sie ein Stück Wahrheit bekommt.“

Er schüttelte den Kopf.

„Du kannst es nicht vermeiden, Jake. Die Medien sind der Schlüssel zu dieser Kampagne. Du musst dich also darauf einlassen und für ein paar Wochen das Spiel mitspielen.“

„Ich bin kein Kind“, erklärte er und ging zur Fensterfront hinüber. Der Regen war stärker geworden und trommelte gegen die Scheiben. „Ich weiß, wie man sich benimmt und brauche keine Nachhilfe.“

Ella seufzte frustriert. „Du hast dich zu der Kampagne verpflichtet, und mein Know-how wird definitiv etwas dabei bewirken. Ich verspreche, dass du dich nach ein paar Sitzungen mit mir kaum wiedererkennen wirst.“

Er begegnete ihrem Blick. „Genau das befürchte ich.“

Sie blinzelte. Normalerweise konnten ihre Kunden es kaum abwarten, sich zu verändern. Jake hingegen war es egal, was der Rest der Welt über ihn dachte, und sträubte sich gegen jede Art der Anpassung. In der Hinsicht hatte er sich überhaupt nicht verändert.

Doch sie konnte es schaffen, musste es schaffen.

„Auch wenn es heute vielleicht nicht so aussieht, aber ich werde dich überzeugen. Glaube mir, du brauchst mich.“

Immer noch mit dem Rücken zu ihr gewandt, zuckte Jake die Achseln. „Das bezweifele ich.“

„Gib mir zwei Stunden Zeit.“

Abrupt drehte er sich um. „Wofür?“

„Um es zu beweisen.“ Sie imitierte sein lässiges Achselzucken. „Das ist alles.“

„Und wenn es dir nicht gelingt, gehst du und lässt mich ohne Beratung zurück?“

Ella nickte. „Genau. Obwohl der Vorstand mit diesem Deal vielleicht nicht einverstanden sein wird.“

Er machte eine wengwerfende Handbewegung. „Darum kümmere ich mich dann schon.“

Ein Schmunzeln lag auf ihren Lippen. „Wir haben also einen Deal? Zwei Stunden von deiner Zeit. Wenn ich recht habe, folgst du meinem Programm. Wenn nicht, dann war’s das, und Armada kann meinen Vertrag in den Papierkorb werfen.“

Er nickte langsam und streckte ihr die Hand entgegen.

Es war nur ein einfacher Handschlag, doch die Berührung brachte sie für Sekunden aus der Fassung, und sie spürte nur noch die Wärme seiner Haut.

„Warum willst du eigentlich so unbedingt mit mir arbeiten?“

Schnell zog sie die Hand weg. Nein. Sie durfte jetzt nicht wieder in die Rolle des liebeskranken Teenagers verfallen.

„Weil jeder Imageberater, der sein Geld wert ist, mit dir arbeiten würde. Prominenter Kunde. Hochgehandelte Kampagne – was will man mehr? Die Tatsache, dass wir früher befreundet waren, spielt dabei absolut keine Rolle. Es ist eine Geschäftsbeziehung, schlicht und einfach.“

Jake sah sie lange und eindringlich an.

„Bist du sicher?“, erkundigte er sich.

„Natürlich“, erwiderte sie schnell. Denn sie war sich absolut sicher.

Es war Zeit für sie zu gehen.

„Ich rufe deine Assistentin an, um einen Termin für morgen auszumachen.“

„Okay, morgen ist gut.“

„Wunderbar“, sagte sie in geschäftigem Ton und verabschiedete sich.

Mit schnellen Schritten und aufrechter Haltung verließ sie das Gebäude. Niemand, der sie so sah, würde auf den Gedanken kommen, wie sehr sie innerlich zitterte.

Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?

3. KAPITEL

Ella verließ den Fahrstuhl und betrat die mit hellgrauen Marmorfliesen ausgelegte Lobby in Jakes Etage. Armada stand in großen verspiegelten Lettern über dem Empfang, und jedes Möbelstück schien aus Glas oder Chrom zu sein.

Ella hatte erwartet, dass sich dieser Bereich vom Rest des Unternehmens unterscheiden würde, denn immerhin war es die Entwicklungsabteilung, in der all die Computerfreaks, so wie Jake, arbeiteten. Offiziell hießen sie Softwareingenieure oder Systemadministratoren.

Doch es war wirklich Jakes Reich und strahlte einen fast obszönen Reichtum aus, was so gar nicht zu dem Bild des Mannes passte, der mit zerrissenen Jeans und abgetragenem T-Shirt zur Vorstandssitzung erschien.

Nie hätte Ella geglaubt, dass Jake in einer solchen Welt landen würde – der Junge, der sie als Kind mit Computerspielen auf dem flackernden Fernsehbildschirm ihrer Mutter beeindruckt hatte. Schon damals, Anfang der neunziger Jahre, war er ständig am Herumbasteln und Zerlegen gewesen, hatte immer wissen wollen, was sich hinter den Dingen verbarg. Sobald die Schule Internet gehabt hatte, hatte er Bücher gewälzt, um herauszufinden, wie man eine Website erstellte, und entwickelte schließlich eigene Software.

Ella nannte ihren Namen an der Rezeption und nahm auf einer unbequemen weißen Ledercouch mit verchromten Armlehnen Platz. Durch die bodenlange Fensterfront hindurch konnte sie auf die Königlich Botanischen Gärten hinuntersehen, und durch die Lücken verschiedener Wolkenkratzer waren Teile des Hafens sichtbar.

Herannahende Schritte lenkten ihre Aufmerksamkeit wieder in den Raum zurück. Jake stand vor ihr.

Auch heute trug er Jeans, dunkelgrau diesmal, sowie ein weißes T-Shirt mit einem komplizierten Logo auf der Brust.

Unwillkürlich musste sie lächeln. Obwohl sein Outfit gegen jegliche ihrer Stilregeln verstieß, war dies doch der Jake, den sie kannte. Ein beruhigender Kontrast in dieser nüchternen Hochglanzumgebung.

„Lass mich raten – du trägst die Kamera nicht nur zum Spaß mit dir rum, oder?“

Keine Begrüßung, nichts.

Ihr Lächeln schwächte sich ein wenig ab. „Nein. Du wirst in den nächsten zwei Stunden sehen, wozu wir sie brauchen.“

Er presste die Lippen zusammen. „Gut. Bringen wir es hinter uns.“

Seine kühlen Worte ließen sie wieder in die Realität zurückkehren. Jake war nicht mehr der Junge, der in dem Eternithaus mit zugewachsenem Garten lebte, und sie nicht mehr das Mädchen aus dem bunt angestrichenen Häuschen nebenan. Und seine Stimmung schien in diesem Moment nicht die beste zu sein.

Schnell ergriff sie ihre Handtasche und warf die Kameraausrüstung über die Schulter.

Jake murmelte etwas, das sich so anhörte wie: alles Zeitverschwendung.

Sie überhörte es.

Seine Überzeugung, dass ihre Dienste überflüssig seien, war fast schon liebenswert. Er hatte wirklich keine Ahnung. Doch das würde sich bald ändern, und sie hielt sich mit jeglichem Widerspruch zurück.

„Wunderbar“, erwiderte sie. „Ich folge dir.“

Schweigend führte er sie einen Flur entlang, der mit Besprechungszimmern gesäumt war, die bis auf eines alle leer waren. Durch die Glastür erblickte sie eine Runde von Männern, die wie Jake alle leger gekleidet waren und sich lebhaft unterhielten.

„Sind Jeans der Dresscode auf dieser Etage?“, erkundigte sie sich, während sie hinter ihm herlief.

„Meine Leute können anziehen, was sie wollen“, erklärte Jake. „Ihre Leistungen sind mir wichtiger als ihr Aussehen.“

„Sich bewusst zu kleiden bedeutet mehr als nur gut auszusehen“, betonte sie.

„Es ist nur Kleidung“, erwiderte er abschätzig, ohne sich zu ihr umzudrehen.

Sie schwieg. Ab morgen würde sie häufig Gelegenheit haben, ihn eines Besseren zu belehren.

Am Ende des Flurs öffnete Jake eine schwere Tür und hielt sie für Ella offen.

Sie zögerte hineinzugehen. Warum?

Seine physische Nähe lähmte sie plötzlich. Es war, als ob sie sich mit jeder Faser ihres Körpers seiner Präsenz bewusst war.

Wenn sie nur eine weitere Sekunde zögerte, würde er es bemerken und wissen, wie leicht er sie aus der Balance bringen konnte.

Sie holte tief Luft und schob sich an ihm vorbei.

Na also. War doch gar nicht so schwer.

Er schloss die Tür und forderte sie auf, Platz zu nehmen.

Sie musste sich wirklich zusammenreißen. Es war lächerlich, so nervös zu sein.

Sie ließ sich in einen roten Ledersessel fallen, der vor einem Schreibtisch aus Glas und Stahl stand. Das ganze Büro sah aus wie ein einziges Klischee der Dot.com-Welt. Bunte Sofagruppen in einer Ecke, ein kleiner Basketballring über dem Mülleimer und ein Kickertisch vor der großen Fensterfront.

„Tolles Büro“, sagte sie und meinte es ehrlich. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als ob Jake hier nicht hergehörte.

Achselzuckend flegelte er sich in den gegenüberliegenden Sessel. Seine lässige Haltung erhöhte sofort ihre Pulsfrequenz.

„Armada hat ein paar angesagte Designer engagiert“, spottete er und warf einen abwertenden Blick durch den Raum.

Erneut fühlte sie sich bestätigt, dass Jake hier deplatziert war. Welche Ironie angesichts der Tatsache, dass sie hier saß, um ihm zu helfen, sich genau in diese Umgebung besser einzufügen.

Sie saß aufrecht und spielte nervös mit ihrem Rocksaum und fühlte sich wie bei einem Vorstellungsgespräch.

Nervös und zappelig, ganz Eleanor.

Erneut ermahnte sie sich zur Disziplin. Noch heute Morgen auf der Fahrt hierher hatte sie sich Mut zugesprochen und vorgestellt, dass Jake Donner als Kunde ihre berufliche Reputation noch ein Stück verbessern würde.

Wenn es ihr nur gelänge, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, ohne in die Vergangenheit abzuschweifen, wäre alles in bester Ordnung.

Mit diesem Vorsatz knipste sie ihr freundlichstes Lächeln an.

„Wir werden jetzt gleich ein Scheininterview führen. Ich stelle dir ein paar Fragen und filme deine Antworten. Danach sehen wir uns die Aufnahme gemeinsam an, und ich zeige dir die Bereiche, die du verbessern solltest.“

Jake schien wenig überzeugt zu sein, sagte jedoch nichts.

Gelangweilt beobachtete er, wie sie das Stativ aufbaute und die Kamera herausholte.

„Normalerweise habe ich eine ganze Crew bei mir, doch ich dachte, dass weniger Aufwand dir bestimmt angenehmer ist“, erklärte sie, obwohl ihr der Gedanke erst in diesem Augenblick gekommen war.

„Danke“, sagte er etwas unbeholfen, was sie überraschte.

Nachdem sie die Kamera in Position gebracht hatte, sah sie ihn über den großen Glastisch hinweg an. „Gern geschehen.“

Obwohl er nicht lächelte, war sein Blick jetzt ein wenig weicher.

„Fangen wir mit ein paar Fragen zum Aufwärmen an. Stell dir vor, du sitzt in einem Fernsehstudio.“ Ella räusperte sich. „Erzählen Sie, Jake, was haben Sie heute gefrühstückt?“, fragte sie dann so, als würden sie jetzt ein echtes Interview führen.

Er blinzelte. „Ist das wirklich nötig?“

Ella nickte. „Vertrau mir. Es hilft dir, dich an die Kamera zu gewöhnen.“

„Toast.“

„Interessant. Und was war auf Ihrem Toast, Jake?“

„Das ist doch lächerlich“, protestierte er.

Ohne etwas zu sagen, sah sie ihn unbewegt an. „Marmelade und Käse“, sagte er schließlich.

Manche Dinge änderten sich offenbar nie.

„Worüber lachst du?“, fragte er.

Ella hatte ihr Lächeln gar nicht bemerkt. „Wie bitte?“

„Komm schon, sag’s mir.“

Er klang jetzt nicht mehr so abwehrend. Einfach nur neugierig.

„Isst du denn immer noch dasselbe morgens? Froot Loops, nicht wahr?“

Er erinnerte sich also. Sie musste fast wieder schmunzeln, biss sich jedoch auf die Lippe. Wie lächerlich, sich über diese Art der Erinnerung zu freuen.

„Natürlich nicht. Ich versuche, gesünder zu essen. Weniger Zucker, Vollkornbrot und so weiter.“

„Hört sich schrecklich langweilig an.“

„Lass uns zu meinen Fragen zurückkommen …“

„Neues Frühstück, neuer Name. Was soll das ganze Ella-Ding eigentlich?“

Sie seufzte. „Ich bin nicht diejenige, die interviewt wird, Jake.“ Sie zeigte mit dem Kopf auf die Kamera neben sich. „Hier geht es um dich.“

„Entschuldige. Ich verspreche, dass ich dich nicht mehr unterbrechen werde.“ Sein warmes Lächeln ließ ihr die Knie weich werden.

Die Worte purzelten nur so aus ihr heraus. „Ich habe den Namen Eleanor nie gemocht und habe ihn vor einigen Jahren offiziell geändert.“

Verflixt. Sie durfte Jake gegenüber nicht so persönlich werden. Er war ein Kunde.

Andererseits hatte sie ihm ein Lächeln abgerungen, bei dem jeder Interviewerin die Knie weich werden würden.

„Und wie ich bemerkt habe, hast du nicht nur deinen Namen geändert.“ Jakes Blick wanderte von ihren Haaren über das tadellos geschminkte Gesicht bis zu ihrem perfekten Outfit.

Doch seltsamerweise schien er nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Zeigte sich vielleicht sogar eine gewisse Enttäuschung in seinem Gesicht?

Was verrückt wäre. Niemand konnte bestreiten, dass ihre Erscheinung sich in jeder Hinsicht positiv entwickelt hatte.

Sie rutschte verlegen auf dem Stuhl herum und ertappte sich dabei, wie ihre Hände nervös mit dem Saum ihres Rockes spielten.

„Jake, können Sie mir sagen, was das neue Smartphone von Armada so besonders macht?“

Jake hob die Augenbraue angesichts des schnellen Themenwechsels, gab aber glücklicherweise keinen Kommentar ab.

Stattdessen begann er angeregt und in aller Ausführlichkeit das neue Telefon zu beschreiben, vor allem das Betriebssystem, das laut Cynthias Aussage seine Erfindung war.

„Langweile ich dich?“, erkundigte er sich, nachdem er eine Weile über etliche technische Details doziert hatte.

Sie nickte entschieden.

„Aber viele Menschen interessieren diese Dinge“, verteidigte er sich.

„Nicht den durchschnittlichen Verbraucher, Jake“, erwiderte Ella. „Würdest du mir die ganze Zeit zuhören wollen, wenn ich anfangen würde über meine Diät zu schwärmen?“

Er wurde ganz blass.

„Genau. Solche Dinge interessieren nur einen kleinen Personenkreis, aber nicht den durchschnittlichen Australier.“

Er nickte zögernd.

„Was hältst du von einer Frage, die die Menschen wirklich interessiert, zum Beispiel wie das Leben eines Millionärs aussieht, der sich von der Außenwelt abschirmt?“

„Bitte beschreib mich nicht so.“

„Du hast versprochen, mich nicht zu unterbrechen.“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, und erneut musste sie sich auf die Lippe beißen.

Sie holte tief Luft. „Du bist berühmt dafür, Interviews abzulehnen. Was hat sich geändert?“

Sofort ging er wieder in die Defensive. „Ich bin hier, um über das Telefon von Armada zu sprechen, nicht über meine Person.“

Unbeirrt fuhr Ella fort, spielte ganz die Rolle der Interviewerin. „Aber Jake, unsere Zuschauer sind mindestens genauso interessiert an dir.“

„Du kennst die Antwort, Ella. Cynthia hat es dir bestimmt erklärt.“

„Stell dir vor, ich bin eine Journalistin und nicht Eleanor.“

Jake starrte sie einen Moment lang an. „Eleanor?“

Erst jetzt erkannte sie ihren Fehler.

Ella, meine ich natürlich.“

Ihre Wangen fingen an zu glühen, und sie musste sich vergegenwärtigen, wo sie sich befand und wer sie war. Sie war Ella Cartwright – erfolgreich, selbstbewusst und beliebt.

Ella Cartwright – eine Frau, für die Karriere immer an erster Stelle stand.

Aber was sie ganz bestimmt nicht war – war Eleanor.

„Freudscher Versprecher?“, erkundigte sich Jake.

„Überhaupt nicht. Mein Unterbewusstsein ist offenbar ein wenig durcheinander. Schließlich war ich Eleanor, als wir uns kennenlernten.“ Es sollte beiläufig klingen, trotz der Röte im Gesicht.

„Du tust so, als sei Eleanor eine völlig andere Person.“

„Ist sie auch. Aber dieses Interview führe ich und nicht du.“

„Ich habe Eleonor gemocht“, fügte Jake hinzu.

„Nein, hast du nicht“, sagte sie schnell.

Es stimmte. In jener Nacht in seinem Schlafzimmer hatte er es deutlich zum Ausdruck gebracht und mit seinem Weggang aus Perth später nur noch bestätigt.

Wochen und Monate hatte sie sehnsüchtig auf ein Zeichen von ihm gewartet. Vergeblich.

Sie war in einem erbärmlichen Zustand damals gewesen.

Und jetzt hatte sie Angst, dass dieser Schmerz von damals wieder an die Oberfläche kommen würde. Denn er war immer noch in ihr.

Ein Teil von ihr war immer noch die Eleanor von früher.

Und diese Erkenntnis schockierte sie.

„Ella“, begann er mit überfreundlicher Stimme. „Du kannst unmöglich …“

Nein, sie wollte seinen mitleidigen Ton von damals nicht wieder hören. „Wann wird das Telefon auf den Markt kommen?“ Die Frage war wahllos herausgegriffen, nur um das Thema zu wechseln.

Jake sah sie lange und nachdenklich an, bevor er antwortete. „Das Armada Smartphone wird ab ersten August weltweit in den Verkauf gehen.“

Nun stimmte die Rollenverteilung wieder. Sie war Ella und Jake ihr Kunde.

Und das sollte auch in Zukunft so bleiben.

Jake gab sich Mühe, konzentriert zu sein, doch Ellas Nähe lenkte ihn ab.

Das Ganze war wirklich keine gute Idee gewesen. Es verunsicherte ihn, allein mit Ella in einem Raum zu sein.

Aber warum?

Sie hatte natürlich recht gehabt. Es musste einen Grund geben, warum ihre Freundschaft mit einer solchen Endgültigkeit zu Ende gegangen war und er nie versucht hatte, sie ausfindig zu machen.

Und dennoch saßen sie sich jetzt gegenüber, und jedes Wort, das sie miteinander sprachen, hatte einen gewissen Unterton. Obwohl Ella darauf pochte, dass es nichts weiter als eine geschäftliche Beziehung sei.

Warum hatte er sich darauf überhaupt eingelassen?

Es war reine Zeitverschwendung. Er benötigte keine Imageberaterin.

Er brauchte Ella nicht.

Obwohl er sie gestern fast weggeschickt hätte, hatte er doch für einen kurzen Moment daran gedacht, sie wenigstens auf einen Drink zu treffen. Um über alte Zeiten zu reden, weiter nichts. Eine oder zwei Stunden, um dieses merkwürdige Ungleichgewicht aus seinem System zu bekommen.

Vielleicht sollte er es nach Beendigung dieser Session tun, um alles gewissermaßen zu einem Abschluss zu bringen.

Denn seit Ella gestern wieder in seinem Leben aufgetaucht war, war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Viel zu sehr hatte ihn die Frage beschäftigt, wie es möglich war, dass sie sich so verändert hatte.

Obwohl die alte Eleonor sich immer wieder durch kleine Handbewegungen verriet, zum Beispiel, wie sie die Haare hinters Ohr klemmte.

Doch die smaragdgrünen Augen, das Gesicht ohne Sommersprossen und der unverschämt sexy rote Mund waren völlig neu.

Jake, hast du gehört, was ich gesagt habe?“

Er sah, wie sie errötete. So wie früher.

O ja, er hatte Eleonor gemocht. Sehr sogar.

Und als Erwachsene hatte sie jetzt einen ähnlichen Effekt auf ihn.

Doch diese Art der Ablenkung konnte er sich nicht leisten.

Er musste sich auf die Kampagne und auf Armada konzentrieren. Außerdem wussten sie beide viel zu viel voneinander, kannten die Schwachpunkte des anderen. Alles zwischen ihnen würde kompliziert werden, und darauf hatte er keine Lust.

Seine langjährige Beziehung zu Georgina war gescheitert, als sie mehr über ihn und seine Eltern hatte wissen wollen.

Aber wer hatte schon Lust, über einen Vater zu sprechen, der sein fünfjähriges Kind von heute auf morgen verlässt, und eine tablettenabhängige Mutter, die ihren Sohn durch ihr unmögliches Auftreten in der Öffentlichkeit immer wieder demütigte?

Diesen Teil seiner Vergangenheit hatte er in seinen Beziehungen zu Frauen immer außen vor gelassen.

Doch Ella kannte natürlich seine Vergangenheit.

Und das gefiel ihm nicht.

„Du hast recht, ich habe nicht aufgepasst“, erklärte er. „Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass ich all das brauche.“

Es fiel ihm schwer, trotz der knisternden Spannung, nicht zu lächeln. Eleanor – nein Ella – war immer schon leicht zu provozieren gewesen.

„Wenn du aufgepasst hättest, wärest du jetzt überzeugt.“

Er zuckte die Achseln, und ihr Körper versteifte sich. Schließlich setzte sie ein breites perfektes Lächeln auf und sah ihn an.

Es war nicht das erste Mal in diesen zwei Tagen, dass sie ihm ein solches Lächeln schenkte, doch jedes Mal löste es eine Anspannung bei ihm aus. Es passte einfach nicht zu ihr, es war nicht das unbefangene schiefe Lächeln von Eleanor, an das er sich so lebhaft erinnerte.

„Wir sehen uns jetzt die Aufnahme zusammen an, und ich werde meine Kommentare abgeben. Selbstverständlich kannst jederzeit Fragen stellen, wenn du möchtest.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, betätigte sie die Maus und ließ die Kamera laufen, die sie vorher mit ihrem Laptop verbunden hatte.

Jake lehnte sich konzentriert zurück. Er hatte ihr diese zwei Stunden versprochen, also musste er sich auch daran halten, selbst wenn seiner Meinung nach sowieso nichts dabei rauskommen würde.

Jake Donner brauchte definitiv keine Imageberatung.

Im Schnellgang ließ sie die ersten Fragen durchlaufen. Als er sich dann in Großaufnahme erblickte, brachte er kein Wort heraus.

„Du warst gar nicht so schlecht“, bemerkte sie, während sie auf den Bildschirm schaute. „Aber ich bin immer noch überzeugt, dass ich dir helfen kann, auf dem Bildschirm noch besser rüberzukommen.“

Als er nichts erwiderte, drehte sie sich zu ihm. „Jake?“

„Ich sehe furchtbar aus“, erklärte er betroffen.

Ella lächelte. „Du siehst aus wie ein etwas muffiger Typ mit zu langen Haaren, der nicht gerne interviewt wird. Außerdem hörst du dich wie ein langweiliger Fachidiot an.“

„Genau.“

„Glaubst du nun, dass das ein Problem ist?“

Jake fasste sich an die Schläfen. Er musste zugeben, dass Ella recht hatte. Er kam wie ein mürrischer Computerfreak rüber, der mit seinen Ausführungen einfach nur langweilte.

Jake neigte sich zu ihr und legte die Hand auf die Maus. Er wollte nicht noch mehr sehen.

Obwohl er Ella nicht berührte, wich sie ein Stück zurück.

Schnell hatte sie sich wieder gefangen. „Sei nicht so streng zu dir“, sagte sie strahlend. „An deinem Äußeren können wir noch das eine oder andere verbessern. Aber du hast eine natürliche Präsenz vor der Kamera. Das ist nicht jedem gegeben.“

Sofort fühlte er sich ein wenig besser. „Wirklich?“ Er war immer noch dicht neben ihr, als er mit einem Mausklick die Aufnahme abbrach. „Präsenz, ja?“ Er sah sie beglückt an.

Sie drückte leicht gegen seine Schulter. „Jetzt werde nicht eingebildet. Du bist immer noch ein grantiger Computerfreak – nur eben mit Ausstrahlung.“

Er bemerkte das Funkeln in ihren Augen, als sie ihn berührte.

„Jedenfalls wollte ich sagen, dass es noch vieles gibt, an dem wir arbeiten können“, erklärte sie schnell und wich seinem Blick aus.

Ihm gefiel, dass offenbar auch sie von der Berührung irritiert war.

„Nenn mir ein Beispiel.“

„Moment mal. Heißt das, dass ich dich überzeugt habe?“ Gespannt sah sie ihn an.

„Noch nicht ganz. Ich brauche ein … Beispiel“, erwiderte er, obwohl seine Gedanken woanders waren, während er sie anschaute.

Das war absurd.

Er war alles andere als ein Einsiedler, dem es an Sex im Leben mangelte. Er hatte zwar ein paar Monate kein Date gehabt, doch das war seine eigene Entscheidung gewesen. Und der Gedanke, Ella zu küssen, war einfach daneben.

Seine Assistentin hatte ihn schon zu einem Blind Date mit einer Freundin von ihr überreden wollen. Vielleicht sollte er darauf zurückkommen.

„Okay.“ Ella fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe, und sofort hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. „Es war gut, dass du immer in die Kamera geblickt hast, aber es war ein wenig zu intensiv.“

„Intensiv also?“ Er fixierte sie mit starrem Blick.

„Huh-huh“, sagte sie und sah ihm ebenfalls fest in die Augen.

Es entwickelte sich so etwas wie ein Wettbewerb, wer dem Blick des anderen länger standhalten würde, ein kokettes Spiel. Doch bald sah Jake nicht mehr die smaragdgrünen Augen, sondern erinnerte sich an blonde Wimpern und tiefbraune Augen.

Augen, die ihn bittend angeschaut und Gefühle ausgedrückt hatten, die Angst in ihm ausgelöst hatten. Gefühle, mit denen er nicht umzugehen wusste.

Und vor diesen Augen war er schließlich geflohen.

Die Erinnerung daran löste jetzt Schuldgefühle in ihm aus.

Er blickte weg und stand auf. Ein unwiderstehlicher Drang, sich zu bewegen, überfiel ihn.

Er hasste dieses Büro, hatte das Gefühl zu ersticken. Ein Spaziergang würde ihm jetzt guttun.

„Jake?“

Er ging zur Tür. „Danke für die Demonstration, Ella. Du hast mich überzeugt. Sprich mit meiner Assistentin, um einen Termin auszumachen.“

Es wäre sicher sinnvoller, das zu tun, was er ursprünglich hatte tun wollen. Nämlich Ella zu sagen, dass er ihre Dienste nicht benötigte, und sich zu verabschieden. Wieder mal.

Doch er brachte es nicht fertig.

Was wollte er eigentlich?

„Das freut mich“, erwiderte sie verwirrt. „Aber willst du nicht das Programm mit mir durchgehen, damit du weißt, was auf dich zukommt?“

Nein, kein Spaziergang. Er würde nach Hause fahren, um von dort aus weiterzuarbeiten und über alles in Ruhe nachzudenken.

Er hörte ihre Worte nicht, nickte nur abwesend. „Schick alles Kerry. Sie wird deine Fragen beantworten.“

„Okay“, sagte sie leise und verstaute die Kamera und den Laptop in ihrer Tasche. Mit festen Schritten durchquerte sie den Raum. Jetzt ganz wieder Ella, die Businessfrau. Was gut war, denn mit dieser Facette ihrer Persönlichkeit konnte er umgehen und wurde nicht an ein Mädchen in Schuluniform mit Tränen im Gesicht erinnert.

„Ich hasse Anzüge“, bemerkte er plötzlich.

„Aber …“

„Keine Anzüge. Sonst können wir das Ganze gleich abblasen.“

Ella nickte steif.

„Danke, dass du dir Zeit für das hier genommen hast“, sagte sie, als sie in der Tür stand. „Ich freue mich wirklich sehr auf unsere Zusammenarbeit.“

Es klang wie aufgesagt.

Gedankenverloren schloss er die Tür hinter ihr.

4. KAPITEL

Jake stand mit verschränkten Armen neben der Glastür eines exklusiven Friseursalons und wartete auf Ella.

Er fragte sich immer noch, was er hier eigentlich sollte. Ella hatte ihn zwar überzeugen können, etwas für sein Äußeres zu tun, doch warum musste es unbedingt Ella Cartwright sein, die ihm dabei half? Es gab sicher noch andere Imageberater in dieser Stadt.

Aber er hatte sich nun einmal auf sie eingelassen, also musste er jetzt auch dazu stehen.

Jake beobachtete die vorbeieilenden Menschen, die meist mit gesenkten Köpfen und schnellen Schritten ihrem Ziel zustrebten. Sie sahen alle gleich aus in ihren grauen Anzügen, Kostümen und polierten Schuhen. Nur ein paar leger gekleidete Touristen, die immer wieder stehen blieben und Fotos machten, hoben sich von der übrigen Masse ab.

Plötzlich erblickte Jake einen roten Tupfer in der Menge und erkannte Ella. Ihr farbiger Schal hob sich weit sichtbar von der grauen Winterlandschaft ab.

Mit energischen Schritten kam sie auf ihn zu, wobei der leichte Schwung ihrer Hüften seinen Blick gefangen nahm.

War ihr eigentlich bewusst, wie sexy sie aussah?

Natürlich wusste sie es. Denn alles an Ella war sorgfältig bedacht, um genau das Image zu vermitteln, das sie wollte. Ihre ganze Karriere basierte darauf.

„Guten Morgen“, sagte sie in höflich sachlichem Ton, als sie schließlich vor ihm stand.

Jake nickte, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt. „Morgen“, erwiderte er tonlos.

Sie ignorierte seinen offensichtlich mangelnden Enthusiasmus. „Andres wird dir gefallen. Er ist ein absoluter Künstler mit der Schere.“

Jake schwieg weiterhin.

Ella sah ihm direkt in die Augen. „Hier geht es nicht um irgendeine Foltermethode, Jake, sondern um einen einfachen Haarschnitt. Dir wird nichts passieren.“

„Darum geht es mir nicht“, erwiderte er.

Sie hob die Augenbrauen.

„Ich mag es nur nicht, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe, das ist alles.“

„Ich weiß, Cynthia hat mich aufgeklärt.“

Aha. Sie wollte also nicht zugeben, dass sie diesen Zug von ihm schon von früher kannte. Immerhin hatten sie sich vier Jahre lang jeden Tag gesehen.

„Ich vertraue Andres alle meine Klienten an“, fuhr sie fort. „Er wird sich mit dir unterhalten und herausfinden, was du am liebsten magst.“

„Hast du den Schnitt nicht bereits schon bestimmt?“, fragte er überrascht.

Sie schüttelte den Kopf. „Er ist der Friseur, nicht ich.“

Sie betraten den Salon, wo Ella von den Angestellten überschwänglich begrüßt wurde, einige von ihnen mit den wildesten Frisuren. Glücklicherweise war das bei Andres nicht der Fall. Jake nahm vor einem Spiegel Platz, und Andres philosophierte die nächsten fünf Minuten über Jakes Haare.

Jake konnte mit diesen Ausführungen nicht viel anfangen. Für ihn war ein Haarschnitt nur ein Haarschnitt.

Im Spiegel sah er, wie Ella mit einer Gruppe Frauen plauderte. In der hektischen Betriebsamkeit des Salons wirkte sie entspannt und selbstsicher. Lächelte, gestikulierte und schien sich pudelwohl zu fühlen.

Während er sie beobachtete, wunderte sich Jake nicht, dass er im Stillen der jungen Eleanor gratulierte. Nie wieder würde sie mit hängenden Schultern über den Schulhof schleichen, um sich möglichst unsichtbar zu machen. Ella hingegen würde mit ihren hohen Absätzen all die Mädchen niedertrampeln, die sie damals so gnadenlos gemobbt hatten. Kaum zu glauben, dass sie das scheue, linkische Mädchen gewesen war, dem er als Vierzehnjähriger gegen jedes bessere Wissen zur Seite gestanden hatte …

Endlich hatte er sie gefunden. Mit angezogenen Knien saß sie da und lehnte sich an die Wellblechwand des Fahrradunterstands.

„Alles okay?“

Mit verweinten Augen blickte Eleaonor zu ihm hinauf.

„Hau ab“, sagte sie und wandte sich von ihm ab.

Jake ignorierte ihre Bemerkung und setzte sich neben sie. Es war Februar und brütend heiß, und er trug die dunkelgrauen Shorts der Schuluniform. Seine nackten Beine zierten unzählige Mückenstiche.

Eleanor rückte ein Stück von ihm weg, machte aber keine Anstalten zu gehen.

„Du bist ins Nachbarhaus eingezogen, stimmt’s?“, erkundigte er sich.

Obwohl sie ihm den Rücken zuwandte, glaubte er ein Nicken zu erkennen.

„Ich wohne auch erst seit einem Jahr hier.“

Sie blieb stumm.

„Es ist schwer, der Neue zu sein und Freunde zu finden.“

„Versuch nur nicht, mir Ratschläge zu geben. Ich weiß, dass du keine Freunde hast.“

Das war keine gemeine Bemerkung, sondern schlicht die Wahrheit.

„Ich kenne einfach niemanden an der Schule, der es wert wäre, mein Freund zu sein.“

„Genau“, sagte sie. „Ist ja auch egal. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“

„Willst du wirklich mit diesen Mädchen befreundet sein?“

Jake war sich ziemlich sicher, dass sie es wollte. Mehrmals hatte er beobachtet, wie sie die Nähe der Mädchengruppe suchte, die sie immer wieder erbarmungslos abblitzen ließ.

Eleanor zuckte die Achseln. „Sie sind cool.“

Jake erhob sich, und sie blickte zu ihm hinauf.

„Wenn du deine Mittagspause nicht weiter hinter diesem Fahrradschuppen verbringen willst, kannst du gern neben mir sitzen, wenn du willst.“ Er klang ein wenig schroff und räusperte sich. „Ich meine, bis du andere Freunde gefunden hast.“

Sie musterte ihn vorsichtig, und er erwartete fast schon, dass sie laut auflachen und dankend ablehnen würde, neben dem eigenbrötlerischen Computerfreak der Schule zu sitzen. Es hätte ihm nichts ausgemacht, denn er war daran gewöhnt, der Außenseiter zu sein. Es war ihm egal, was die anderen über ihn dachten. Er hatte seine eigenen Pläne, und darin kam niemand von dieser gottverdammten Schule drin vor.

Er wusste nicht, warum er ihr dieses Angebot gemacht hatte. Er kannte sie nicht und suchte im Grunde gar keine Gesellschaft.

Sie nickte schließlich. „Danke. Das ist sehr nett, aber ich glaube, ich komme schon zurecht“, sagte sie freundlich.

„Gern geschehen“, erwiderte Jake und ging weg.

Eine Woche später setzte Eleanor sich auf den Stuhl ihm gegenüber in der Bibliothek und wartete geduldig, während er sich für einen Computerkurs einschrieb.

„Du hattest recht“, sagte sie leise. „Es sind blöde Kühe.“

„Voilà“, rief Andres und riss Jake aus seinen Gedanken. „Wie gefällt es Ihnen?“

Bevor Jake etwas sagen konnte, war er schon von zahllosen Leuten umringt, die ihn bewundernd anstarrten. Auch Ella war dabei.

Warum dieser Aufruhr? Er sah doch fast genauso aus wie vorher. Nur dass seine Haare jetzt sehr viel kürzer waren. Es sah eigentlich gar nicht so schlecht aus.

„Was ist los?“, fragte er deshalb.

„Oh, gar nichts“, erwiderte die Frau am Empfangstresen. „Glauben Sie mir.“

Die anderen Angestellten nickten einhellig.

„Auf Fotos sah er schon immer ziemlich gut aus, aber jetzt … Wow!“

„Ehrlich, wenn ich gewusst hätte, dass ein Nerd so aussehen kann, dann …“

„Danke für das Feedback, Ladys“, fuhr Ella dazwischen. „Aber Jake und ich müssen jetzt wirklich los. Wir haben noch etliche Termine.“

Jake schaute auf die Uhr. Sie lagen eigentlich gut in der Zeit, doch er sagte nichts. Ehe er sich versah, zog ihn Ella zur Tür hinaus. Die Straßen waren inzwischen nicht mehr so belebt, die meisten Angestellten waren in ihren Büros verschwunden.

Zielstrebig eilte Ella auf das Armada Gebäude zu.

„Ich glaube, die Ladys hätten gern noch mehr gesagt“, meinte er, während er mühelos ihren schnellen Schritten folgte.

Ella hatte ihr Handy aus der Tasche geholt und blickte auf das Display, während sie sprach. „Ich glaube, du hast genug gehört.“

„Vielleicht wäre es gut für mein Selbstbewusstsein, Komplimente für meinen neuen Haarschnitt zu bekommen.“

Sie schnaubte. „Du weißt ganz genau, wie gut du aussiehst.“

Als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte, hörte sie auf, ihre E-Mails zu checken und blieb stehen.

Autor

Shirley Jump
Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
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