Julia Exklusiv Band 369

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RENDEZVOUS IM WINTER von HELEN BROOKS
Ein Fest der Liebe zu zweit? Davon will Blossom nach einer Enttäuschung nichts wissen! Doch zärtlich umwirbt Zak Hamilton, Unternehmer mit Playboyruf, sie, bis sie einem Rendezvous in der Vorweihnachtszeit zustimmt. Und bei seinem ersten leidenschaftlichen Kuss schmelzen Blossoms Vorsätze dahin wie Schnee im warmen Kerzenschein …

MORGENDÄMMERUNG DER LIEBE von PENNY JORDAN
Hat Jake mich wirklich geküsst – oder war es nur ein Traum? fragt Jessica sich, als der Morgen dämmert. Nur schwach kann Jessica sich noch erinnern, dass sie gestern Abend das Bewusstsein verlor und Jake sie in ihr Zimmer getragen und zärtlich zugedeckt hat. War all das nur ein wunderschöner Weihnachtstraum?

MIT DIR IM PARADIES AUF ERDEN von SUSANNE JAMES
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  • Erscheinungstag 11.11.2023
  • Bandnummer 369
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519595
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Helen Brooks, Penny Jordan, Susanne James

JULIA EXKLUSIV BAND 369

1. KAPITEL

Welch ein Chaos! Blossom White seufzte. Sie war nur eine Minute nicht im Zimmer gewesen. Und schon sah es aus, als wäre ein Wirbelsturm hindurchgefegt. Entsetzt betrachtete sie die Szene, die sich ihr bot, und bemühte sich, das Geschrei der Kinder zu übertönen. Sie waren zwar nur zu viert, machten aber mehr Radau als ein gutes Dutzend. „Harry! Simone! Es reicht. Hört sofort auf, Rebecca und Ella mit Kuchen zu bewerfen!“

Als in diesem Moment ein Stück Schokoladenkuchen direkt auf ihrer Stirn landete, vergaß die sonst eher gutmütige Tante Blossom ihren festen Vorsatz, die Ruhe und Geduld in Person zu sein. Den hatte sie gefasst, weil ihre Schwester, die Mutter der Kinder, im Krankenhaus lag. Doch jetzt stürzte Blossom quer durch den Raum und packte die beiden älteren Kinder.

Am liebsten hätte sie ihnen den Hintern versohlt, stattdessen begnügte sie sich damit, sie zornig zu ermahnen: „Habt ihr gehört, was ich gesagt habe? Es reicht. Für euch ist Fernsehen nach dem Dinner heute gestrichen. Es wird noch gebadet, und dann geht ihr direkt ins Bett.“

„Wir wollen aber unsere Sendungen gucken“, protestierte Harry trotzig. Er hatte ein engelhaftes Gesicht, das viel zu leicht darüber hinwegtäuschte, dass er ein wahrer Rabauke war. Außerdem versuchte er, sich ihrem Griff zu entwinden.

„Das kannst du vergessen, Harry. Jedenfalls, solange ihr nicht das tut, was ich euch sage.“

„Mummy lässt uns immer fernsehen.“

Mummy befindet sich zweifellos auch ständig im Zustand völliger Erschöpfung. „Ich bin nicht eure Mummy, und ich sage euch, was ihr zu tun habt und nicht umgekehrt. Verstanden?“

Das war für ihren Neffen offensichtlich eine völlig neue Vorgehensweise. Zum ersten Mal sah er die andere Seite seiner Tante Blossom und brach prompt in Tränen aus. Es dauerte nur etwa ein bis zwei Sekunden, bis seine Schwestern mit einstimmten.

Wie Melissa mit diesen beiden Zwillingspaaren unter fünf Jahren fertig wird, ist mir ein völliges Rätsel, dachte Blossom grimmig. Sie war jetzt seit einem Tag für sie verantwortlich und fühlte sich bereits vollkommen erledigt. Resigniert blickte sie auf die hellen Wände, an denen nun Flecken von Kuchen und Sahne zu sehen waren. Auf dem Tisch breitete sich verschütteter Orangensaft aus, der langsam auf die Holzdielen tropfte.

Blossom hätte ohne Weiteres in das Heulkonzert mit einstimmen können. Stattdessen erklärte sie bestimmt: „Kein Gejammer mehr. Wir werden dieses Chaos jetzt gemeinsam beseitigen, Harry und Simone, okay? Wer kann am meisten aufräumen und putzen?“

„Ich, ich.“ Harrys Tränen waren urplötzlich versiegt.

Sie schickte die beiden älteren Kinder in die Küche, um Besen und Putzlappen zu holen, während sie ihre beiden jüngsten Nichten anstarrte. Die zwei hatten ebenfalls aufgehört zu weinen und leckten sich die Schokolade von den kleinen Händchen. Jedes Mal, wenn ein Krümel auf den Boden fiel, kicherten sie laut.

Kurzentschlossen nahm Blossom die beiden auf den Arm und trug sie ins Wohnzimmer hinüber, wo sie sie erst mal in den Laufstall verfrachtete.

Als sie ins Esszimmer zurückkehrte, hatten Harry und Simone sich bereits eifrig ans Putzen gemacht. Sie waren eine ganze Weile beschäftigt.

Doch irgendwann war der Raum wieder einigermaßen in Ordnung gewesen. Alle vier Kinder waren gebadet, sie hatte ihnen eine Gutenachtgeschichte vorgelesen, und nun schliefen sie tief und fest. Blossom schlich die Treppe hinunter in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.

Nach der ganzen Aufregung des Tages hatte sie endlich die Gelegenheit, sich hinzusetzen und nachzudenken, und plötzlich wünschte sie sich beinahe, die Kinder wären wieder wach. Am Morgen hatte ihr Schwager Greg sie voller Panik angerufen, um ihr mitzuteilen, dass Melissa mit fürchterlichen Bauchschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Bei allem, was sie den Tag über getan hatte, hatte sie zwar die Sorge um ihre Schwester immer im Hinterkopf gehabt. Aber jetzt, wo zum ersten Mal Ruhe herrschte, wurde die Angst um Melissa plötzlich übermächtig.

Geradezu in Rekordzeit war sie am Morgen von ihrer Wohnung in London zu dem Haus in dem Vorort Sevenoaks gerast, um dort einen völlig überforderten und panischen Greg anzutreffen.

„Gestern Abend ging es ihr nicht besonders gut“, erklärte er verzweifelt, als er sie mit Rebecca und Ella im Arm an der Tür begrüßte. Harry und Simone standen mit einem Toast in den klebrigen Händen direkt hinter ihm. „Als sie gegen drei Uhr nachts aufwachte, sagte sie, ihr wäre übel, und eine halbe Stunde später setzten dann die Schmerzen ein. Schon bald konnte sie sich nicht mehr ohne Schmerzen bewegen. Der Arzt meint, es könnte der Blinddarm sein. Manchmal würde der völlig ohne Vorwarnung Probleme verursachen.“

„Nun, ich bin ja jetzt da, und ich bleibe, bis ich nicht mehr gebraucht werde“, erklärte Blossom energisch. „Du fährst jetzt ins Krankenhaus und vergisst das hier alles.“

Greg nahm sie sofort beim Wort, allerdings hatte Blossom nicht damit gerechnet, dass er sie tatsächlich komplett vergessen und sie nicht mal anrufen würde, um ihr mitzuteilen, wie der Stand der Dinge war.

Rasch griff sie nach dem Telefon und wählte die Nummer des Krankenhauses. Nachdem sie zweimal weiterverbunden worden war, sprach sie schließlich mit einer Schwester, die sie freundlich darüber informierte, dass Melissa zurzeit operiert würde. „Dr. Robinson vermutet, dass sie eine starke Blinddarmentzündung hat und dass es vielleicht schon einen Durchbruch gegeben hat. Auf jeden Fall schien eine Operation das sicherste Mittel.“ Die Schwester zögerte kurz. „Ich fürchte, Ihr Schwager ist im Moment ein wenig … angespannt. Soll ich ihm sagen, dass er Sie später anrufen soll, wenn Ihre Schwester aus dem OP kommt und er Neues weiß?“

„Das wäre großartig, vielen Dank.“ Blossom legte den Hörer auf und griff nach ihrer Kaffeetasse. Vermutlich war die Krankenschwester eine Meisterin der Untertreibung. Greg war sicher mit den Nerven am Ende.

Er war ein brillanter Physiker, der einen Spitzenjob in einer Elektronikfirma in London hatte, aber was praktische, alltägliche Dinge anging, war er absolut nicht zu gebrauchen. Dass er sich voll und ganz auf Melissa verließ, bestritt niemand. Er wusste nicht mal, welcher Wochentag war, wenn seine Frau es ihm nicht sagte. Sie war für ihn Sonne, Mond und Sterne in einem.

Oh, Melissa, Melissa. Blossom beugte sich vor, den Kaffeebecher in der Hand, und schloss die Augen. Obwohl sie keine eineiigen Zwillinge waren, standen sich die Schwestern sehr nahe, auch wenn Melissa bereits mit zweiundzwanzig geheiratet hatte und hierhergezogen war. Blossom dagegen hatte sich für die Karriere entschieden und war in London geblieben, wo sie sich als Modefotografin einen hervorragenden Ruf erworben hatte – mit viel Blut, Schweiß und Tränen.

Blossom hob den Kopf und schaute mit feuchten Augen durch den Raum, ehe sie nach einem Taschentuch griff. Es wäre nicht fair, wenn Melissa jetzt etwas zustieße – jetzt, wo sie endlich die Kinder besaß, auf die sie so lange gewartet hatte.

Rasch ermahnte sie sich, dass sie es sich nicht leisten konnte, in Tränen auszubrechen. Am besten machte sie sich erst mal ein Sandwich. Den ganzen Tag hatte sie noch nichts gegessen, und ihr Magen knurrte. Dennoch verspürte sie kaum Appetit. Allerdings musste sie hundert Prozent fit sein für den Fall, dass eins der Kinder aufwachte und sie brauchte. Besonders, wenn es sich dabei um Harry handeln würde.

Also griff sie nach dem Laib Brot im Brotkasten – natürlich selbst gebacken. Sie hatte keine Ahnung, wie ihre Schwester das hinkriegte, aber Melissa war es unheimlich wichtig, dass ihre Kinder nur sorgfältigst zubereitete Nahrung zu sich nahmen, weshalb sie alles selber kochte und buk. Blossom hatte das Brot gerade auf der Arbeitsfläche abgelegt, als es an der Haustür klingelte. Keine zwei Sekunden später läutete es noch einmal.

Besorgt, dass Harry aufwachen könnte, der nur einen leichten Schlaf hatte, stürzte Blossom zur Tür und verfluchte insgeheim denjenigen, der um diese Zeit auf der Schwelle stand, wer immer es auch sein mochte.

„Hallo.“

Er hatte dunkles Haar, die schönsten himmelblauen Augen, die man sich nur vorstellen konnte, und er war unheimlich groß. Mindestens eins neunzig, dachte sie benommen. Vielleicht sogar noch größer.

Urplötzlich war sie sich bewusst, dass sie ihre älteste Jeans trug und dass an ihrem weißen T-Shirt von allem etwas klebte, was die Kinder während des Tages gegessen hatten. Außerdem hatte sie sich am Morgen nicht die Mühe gemacht, sich zu schminken. Ihr Haar war lediglich zu einem Pferdeschwanz gebunden. „Hallo“, entgegnete sie schwach. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bin Zak Hamilton.“ Er streckte ihr eine gebräunte Hand entgegen. Seine Kleidung bestand aus einem makellosen hellblauen Hemd, das sicherlich noch nie in Kontakt mit schmutzigen Kinderfingern gekommen war, und einer eleganten mittelgrauen Hose. „Greg arbeitet für mich“, fügte er erklärend hinzu, als Blossom ihn nur stumm anstarrte.

Zak Hamilton. Natürlich. Das war der Big Boss von Hamilton Electronics. Sie erinnerte sich, dass Melissa einmal erzählt hatte, er habe die Firma vor sechs Jahren geerbt, als sein Vater unerwartet starb, und seitdem war sie zu einem weltweiten Imperium angewachsen.

Hastig riss sie sich zusammen und erwiderte: „Ich bin Melissas Schwester, Gregs Schwägerin.“ Im nächsten Moment schalt sie sich eine Idiotin. Natürlich war sie Gregs Schwägerin, wenn sie die Schwester seiner Frau war. Das hätte dieser Mann mit Sicherheit auch allein herausgefunden.

„Hallo, Gregs Schwägerin.“ Er wirkte amüsiert. „Besitzen Sie auch einen Namen oder nur diesen Titel?“

Oh, nein. Sie hasste es, wenn sie ihren Namen zum ersten Mal nennen musste. „Blossom White.“ Sie wartete darauf, Überraschung in seinen schönen Augen zu sehen oder dass sich seine Belustigung noch verstärkte.

Nichts dergleichen geschah. Stattdessen schaute er sie nur weiterhin aufmerksam an.

„Melissa und ich sind Zwillinge“, fügte sie rasch hinzu. „Auch wenn man uns das nicht ansieht. Meine Mutter fand es irgendwie süß, die Ältere, also meine Schwester, Melissa zu nennen, was ja ‚Biene‘ bedeutet, und die jüngere dann Blossom. Die Biene, die zur Blüte fliegt, verstehen Sie? Wahrscheinlich dachte sie, dass die Ältere auf die Jüngere aufpassen würde.“ Mein Gott, wie oft habe ich das schon erklärt.

„Hat es funktioniert?“, fragte er mit echtem Interesse.

„Nicht wirklich.“ Eigentlich war genau das Gegenteil der Fall. Melissa war immer die Schüchterne, Zurückhaltende gewesen, während Blossom sich in jedes Abenteuer hineinstürzte. Na ja, zumindest bis ihr Dean über den Weg lief.

„Sind Sie vorbeigekommen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen?“ Eine weitere dumme Frage unter den gegebenen Umständen.

Er nickte. „Greg wollte anrufen, aber das hat er nicht getan.“

„Ich kann Ihnen auch nicht viel sagen – nur, dass Melissa gerade operiert wird, und ich darauf warte, dass Greg anruft und mir sagt, wie es gelaufen ist.“

„Operiert?“

Er schaute ernsthaft besorgt drein, und zu Blossoms Entsetzen traten ihr plötzlich Tränen in die Augen. „Sie … sie vermuten, dass ihr Blinddarm vielleicht durchgebrochen sein könnte.“ Nicht weinen. Bloß nicht weinen! Nicht jetzt. Nicht vor ihm.

„Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es so ernst ist.“ Seiner tiefen Stimme haftete ein ganz leichter Akzent an, den sie nicht einordnen konnte. „Kann ich irgendwie helfen?“

Blossom holte tief Luft. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie unhöflich es von ihr war, dass sie ihn nicht mal hereingebeten hatte. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Zu ihrer Entschuldigung konnte sie nur vorbringen, dass die Sorge um Melissa sie ihre Manieren vergessen ließ. „Nein, wir haben so weit alles im Griff“, log sie schamlos. „Aber vielleicht möchten Sie auf einen Kaffee hereinkommen?“

„Danke, gerne.“

Er zögerte keine Sekunde, was Blossom schon ein wenig überraschte. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, musste ihm doch klar sein, dass sie einen furchtbaren Tag hinter sich hatte und sich nur noch nach einem heißen Bad sehnte?

„Sie müssen mein Aussehen entschuldigen“, erklärte sie ein wenig steif, während sie ins Wohnzimmer vorging. Zu spät fiel ihr ein, dass sie es noch nicht geschafft hatte, den Laufstall zu säubern. „Die Kinder haben eine Schokokuchenschlacht veranstaltet.“ Mit der Hand deutete sie auf den Laufstall. „Wie Sie sehen können.“

Er nickte nachdenklich. „Ich habe mich schon gefragt, was das da auf Ihrer Stirn ist. Offensichtlich hat der Schokokuchen gewonnen.“

Nun, das war nicht besonders taktvoll. Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln und erinnerte sich daran, dass dieser Mann Gregs Boss war. „Ich bin nicht daran gewöhnt, nach vier kleinen Kindern zu sehen“, versetzte sie kühl. „Und Harry ist ein ganz schöner Wildfang.“

Wieder nickte er. Sie wusste nicht, ob er damit ausdrücken wollte, dass er das für offensichtlich hielt, oder ob er sie bedauerte. Allerdings hatte sie das ungute Gefühl, dass es sich um Ersteres handelte. Daher war ihr Lächeln nicht unbedingt wärmer, als sie hinzufügte: „Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment, ich kümmere mich um den Kaffee.“ Mit so viel Würde, wie sie nur aufbringen konnte, verließ sie den Raum.

Sobald sie im Flur stand, schloss sie sorgfältig die Tür hinter sich und eilte in das Gästebad im Erdgeschoss. Der Blick in den Spiegel ließ sie aufstöhnen.

Schlimmer ging es gar nicht. Ihr Haar war total zerzaust, ihr Gesicht glänzte – zumindest bis auf die Stellen, die mit Schokokuchen beschmiert waren – und in ihren Locken hatten sich sogar ein paar Blätter der Trauerweide verfangen, als sie mit Harry und den Mädchen vor dem Abendessen im Garten gespielt hatte.

„Großartig, einfach großartig“, murmelte sie, doch dann zuckte sie die Achseln. Spielte es eine Rolle, wie sie aussah, jetzt, wo Melissa so krank war? Zak Hamilton musste sie nehmen, wie sie war. Sie würde ihm einen Kaffee vorsetzen und dann höflich klarmachen, dass es nett wäre, wenn er danach gehen würde.

Dennoch wusch sie sich rasch Hände und Gesicht und kämmte sich das Haar. Sie band es zu einem Pferdeschwanz zusammen, der jetzt dick und glänzend war. Dann warf sie einen letzten Blick in den Spiegel und ging in die Küche.

Er musste sich mit Instant-Kaffee zufriedengeben. Die Packung hatte sie vor zwei Monaten mitgebracht. Da hatte sie übers Wochenende auf die Kinder aufgepasst, während Melissa und Greg ihren Hochzeitstag in Paris feierten. Seitdem war sie offensichtlich nicht mehr angerührt worden.

Blossom hatte gerade eine großzügige Menge in zwei Becher gelöffelt, als das Telefon klingelte. Sofort griff sie nach dem Küchentelefon und hauchte atemlos: „Ja?“

„Blossom? Ich bin’s, Greg. Sie ist jetzt aus dem OP raus. Der Arzt sagt, der Eingriff sei gut verlaufen. Offensichtlich stand der Blinddarm kurz vorm Durchbruch, deshalb ist es gut, dass sie sofort operiert haben. Allerdings wird sie ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen. Irgendetwas mit ihren Blutwerten ist nicht ganz in Ordnung.“

„Oh, Greg.“ Blossom ließ sich auf einen der Hocker an der Frühstücksbar sinken. „Hast du mit ihr gesprochen? Wie geht es ihr?“

„Sie ist noch nicht aus der Narkose erwacht. Laut Auskunft des Arztes wird das noch bis morgen früh dauern. Trotzdem würde ich gerne noch ein wenig länger bleiben, wenn das für dich okay ist? Kommst du mit den Kindern klar?“

Er klang so verzweifelt, dass Blossom sofort Mitleid mit ihm hatte. „Natürlich“, sagte sie. „Bleib so lange, wie du willst. Den Kindern geht es gut. Sie schlafen tief und fest. Hast du irgendwas gegessen?“

„Gegessen?“, wiederholte er vage. „Oh, ja, ich glaube schon. Ein paar Sandwichs. Ich muss jetzt los. Bis morgen.“ Und damit legte er auf. Typisch Greg.

„Alles in Ordnung? Ich habe das Telefon gehört. War das das Krankenhaus?“

Die ruhige Stimme, die aus Richtung Türrahmen kam, riss Blossom aus ihren Gedanken. Zak stand da, seine blauen Augen zu Schlitzen verengt. Es war ein total unpassender Moment, um festzustellen, dass er einer der attraktivsten Männer war, den sie je gesehen hatte.

Krampfhaft schluckte sie, dann entgegnete sie: „Das war Greg. Melissa ist aus dem OP raus, und alles lief gut. Sie muss nur noch aus der Narkose erwachen.“

Er nickte. „Gut. Und jetzt stelle ich Ihnen dieselbe Frage, die Sie Greg gestellt haben – haben Sie schon etwas gegessen?“

Sie starrte ihn an. „Es war zu hektisch.“

Erneut nickte er. „Sie sehen aus wie der Tod auf Raten“, erklärte er schonungslos. „Sie werden mir doch nicht in Ohnmacht fallen, oder?“

Mein Gott, der Mann hatte Nerven! Sie wurde wütend. Natürlich wusste sie, dass sie furchtbar aussah, aber deshalb musste er doch nicht auch noch darauf herumreiten. „Mir geht es hervorragend“, erwiderte sie kalt. „Vielen Dank der Nachfrage. Ich bin außerdem noch nie in meinem Leben in Ohnmacht gefallen.“

Es war so, als hätte sie gar nichts gesagt. „Warum nehmen Sie nicht ein Bad, während ich etwas zu essen bestelle?“, fragte er in einem Ton, der eher auf einen Befehl als einen Vorschlag schließen ließ. „Ich habe auch noch nichts gegessen und bin am Verhungern. Worauf haben Sie Lust – indisch, chinesisch, italienisch, thailändisch? Ich lade Sie natürlich ein, darauf bestehe ich.“

So wie Blossom ihn anstarrte, hätte man meinen können, ihm wären Hörner gewachsen. Von wegen, ich habe alles im Griff, dachte sie benommen. Es dauerte ein, zwei Sekunden, ehe sie antwortete: „Ich möchte nichts, aber trotzdem vielen Dank.“ Hoffentlich verstand er den Wink.

„Sie sind vollkommen sicher.“ Es war eine Spur Belustigung zu hören. „Ich werde die Situation nicht ausnutzen, falls Sie davor Angst haben.“

Allmählich verlor sie die Geduld, die von den Kindern ohnehin bereits arg auf die Probe gestellt worden war. Sie glitt von dem Hocker und entgegnete: „Das habe ich nicht eine Sekunde befürchtet.“

Das stimmte. Zak Hamilton wirkte wie ein Mann, der nur mit Frauen ausging, nach denen sich alle umdrehten. Selbst wenn sie ihre besten Kleider trug und sorgfältig geschminkt war, war das bei ihr jedoch nicht der Fall.

Sie hatte einfach keine Lust, ihn den barmherzigen Samariter spielen zu lassen. Schließlich hatte er bereits deutlich gemacht, dass sie in seinen Augen ziemlich katastrophal aussah. Selbst das verlockende Angebot von thailändischem Essen konnte sie nicht umstimmen – und dabei liebte sie die thailändische Küche.

„Gut. Was soll ich also bestellen? Ich selbst bevorzuge ja thailändisch, aber ich bin offen für alles.“

Sie hatte einen sehr guten Vorschlag für ihn, nur dass der nichts mit Essen zu tun hatte. „Hören Sie, Mr. Hamilton, ich möchte nicht unhöflich wirken …“, begann sie und dachte einmal mehr daran, dass dies Gregs Boss war, „aber ich habe noch einige Dinge zu tun. Möchten Sie jetzt einen Kaffee, bevor Sie gehen?“

Sein Blick begegnete dem ihren. „Sie sind nicht gerade unkompliziert, was?“, bemerkte er ruhig. „Definitiv ein wenig kratzbürstig.“

Eigentlich kam sie mit jedem klar, das sagten alle. „Ich richte Greg aus, dass Sie hier waren, um sich nach Melissa zu erkundigen“, entgegnete sie eisig. Jetzt zieh dich endlich zurück, Mr. Big Boss Hamilton!

„Genau genommen habe ich das gar nicht.“ Mit verschränkten Armen lehnte er am Türrahmen und sah sie gelassen an. „Mich nach Melissa erkundigt, meine ich. Denn ich wusste gar nicht, dass sie im Krankenhaus ist. Greg hat gegenüber meiner Sekretärin heute Morgen nur erwähnt, dass sie Bauchschmerzen habe. Ich nahm an, dass sie vielleicht etwas Falsches gegessen habe. Eigentlich bin ich hier, weil ich Greg daran erinnern wollte, dass wir morgen Vormittag einen wichtigen Termin in Watford haben.“

Blossom starrte ihn an. „Meine Schwester liegt nach einer Notfalloperation im Krankenhaus, und Sie erwarten, dass mein Schwager morgen mit Ihnen nach Watford fährt?“ Ihre Stimme war mit jedem Wort lauter geworden. Was war nur los mit diesem Mann? Hatte er überhaupt kein Einfühlungsvermögen?

Zak seufzte. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich die Umstände nicht kannte“, erklärte er mit übertrieben betonter Geduld. „Natürlich erwarte ich jetzt nicht mehr, dass er mich begleitet. Ich käme nicht im Traum darauf.“

Einigermaßen besänftigt, goss sie heißes Wasser in die beiden Becher. „Milch und Zucker?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen.

„Ich trinke ihn schwarz. Danke.“

Mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze nahm er den Becher entgegen, den Blossom ihm reichte. Seine Nähe machte sie nervös.

„Möchten Sie ein Stück Kuchen dazu?“ Aus Höflichkeit fühlte sie sich verpflichtet, ihm etwas anzubieten. Immerhin hatte er sie zum Essen einladen wollen. Außerdem musste sie selbst dringend etwas in den Magen bekommen – er würde sonst sicher gleich anfangen zu knurren.

„Welchen Kuchen? Doch nicht etwa die Reste des Schokokuchens, oder?“, fragte er mit vollkommen ernstem Gesicht.

Dabei machte er sich bestimmt über sie lustig, auch wenn er das nicht zeigte. Wortlos öffnete Blossom den Küchenschrank und nahm Melissas Kuchendosen heraus. In der einen befand sich die verbliebene Hälfte des Schokoladenkuchens. Pech für ihn. Am Nachmittag hatte sie einen Krümel vom Tisch aufgepickt, als sie den Zwillingen beim Putzen geholfen hatte, und er war wirklich köstlich. Natürlich sahen auch der Früchtekuchen und der Ingwer-Walnusskuchen in der anderen Dose absolut fantastisch aus – alles, was Melissa buk, schmeckte hervorragend.

„Davon hätte ich gern ein Stück.“ Er deutete auf den Ingwer-Walnusskuchen. „Haben Sie den gebacken?“

Ihre Freunde hätten sich über diese Frage ausgeschüttet vor Lachen. „Ich backe nicht“, erklärte sie knapp. „Diese hier hat Melissa gemacht.“ Sie schnitt ein großzügiges Stück ab, legte es auf einen Teller und reichte ihn ihm, ehe sie sich selbst ebenfalls ein Stück gönnte.

„Sollen wir ins Wohnzimmer gehen?“ Seitdem er in der Küche aufgetaucht war, wirkte der Raum seltsamerweise viel zu eng und intim. „Da haben wir es gemütlicher.“

Im Wohnzimmer angekommen, nahm Zak auf dem Sofa Platz. Blossom setzte sich auf den Sessel, der am weitesten entfernt stand.

Nachdem Zak einen Bissen von dem Kuchen gekostet hatte, verkündete er, dass er köstlich sei, dann betrachtete er sie aus schmalen Augen. „Sie backen also nicht“, bemerkte er nachdenklich. „Was tun Sie denn?“

„Wie bitte?“ Er machte sich schon wieder über sie lustig, sie wusste es einfach.

„Was haben Sie für einen Job – oder arbeiten Sie nicht?“, fragte er glatt.

„Doch, ich arbeite.“ Er brachte sie aus der Fassung, aber sie wollte es sich keinesfalls anmerken lassen. Also holte sie tief Luft und sagte sich, dass sie ruhig bleiben müsse. „Ich bin Modefotografin.“ Damit kannst du jetzt anfangen, was du willst.

Er hob eine Augenbraue. „Wirklich?“

Ja, wirklich, trotz meiner derzeitigen Aufmachung. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich fürchte schon.“ Sie nahm mehrere Schlucke Kaffee und beschloss dabei, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. „Finden Sie das überraschend?“, fragte sie zuckersüß. Sag Ja, wenn du es wagst.

„Ja, das tue ich.“ Er sah sie ausdruckslos an.

Der Mann schoss ja wirklich den Vogel ab. Da konnte er doch genauso gut gleich laut aussprechen, was er dachte. „Und warum, Mr. Hamilton?“

„Zak, bitte.“ Er besaß doch tatsächlich die Unverschämtheit, sie anzulächeln. „Es besteht kein Grund für Formalitäten.“

Dieses Lächeln. Perfekte, ebenmäßige Zähne. Wahrscheinlich hatte er sich nie mit Zahnspangen rumschlagen müssen so wie sie als Teenager. „Warum überrascht es sie, Zak?“, wiederholte sie ihre Frage mit grimmiger Höflichkeit. Immerhin war Greg von diesem Mann abhängig.

„Sie sagen, dass Sie und Melissa Zwillinge sind, aber was ich bislang von Ihrer Schwester gesehen habe und nach allem, was Greg erzählt, ist sie das Paradebeispiel der zufriedenen Ehefrau und Mutter, ohne auch nur die leisesten Karriereabsichten zu hegen. Ich habe angenommen, dass Zwillinge in dieser Hinsicht ähnlich veranlagt wären.“

Sie starrte ihn an. „Wir sind Zwillinge“, betonte sie, „keine Klone.“ Warum mussten Männer wie er immer über diese unverschämt langen Wimpern verfügen, für die jede Frau töten würde? Es verhalf ihnen zu einem unfairen Vorteil. Die von Dean waren mindestens zwei Zentimeter lang gewesen.

„Touché.“ Er lächelte sie unverschämt an und gönnte sich einen weiteren riesigen Bissen von Melissas köstlichem Kuchen. „Der schmeckt übrigens wirklich fantastisch.“

Innerhalb von Rekordzeit war auch der Rest des Kuchens vertilgt. „Ich nehme mal an, dass es nicht leicht ist, in Ihrer Branche Fuß zu fassen. Arbeiten Sie für ein Studio, ein Modehaus oder ein Magazin?“

Blossom schüttelte den Kopf. „Ich bin freiberufliche Fotografin, das ist mir lieber so. Und ja, zu Beginn war es schwierig, ins Geschäft zu kommen, und es ist auch immer noch nicht leicht, drinzubleiben, aber mir gefällt es. Es gelingt mir ganz gut, meine Fähigkeiten und Fotos zu verkaufen. Es gibt viele exzellente Fotografen, die nicht wissen, wie sie ihr Können vermarkten sollen.“

Zak nickte. Während er sich gemütlich zurücklehnte, schlug er die Beine übereinander und leerte seinen Becher Kaffee. Er warf ihr einen langen Blick zu. „Soso, und einen Ehemann gibt es nicht?“ Er deutete auf ihre linke Hand, an der sich keinerlei Ringe befanden.

Blossom spürte, wie ihr bei der Frage ganz heiß wurde, was vollkommen lächerlich war. Über diese Phase war sie doch wohl längst hinaus. Vor dem heutigen Tag hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr an Dean gedacht – und wenn doch, dann nur mit größter Verachtung.

„Nein, es gibt keinen Ehemann, und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich daran etwas ändert“, erklärte sie kühl. „Das ist ein weiterer Bereich, in dem Melissa und ich uns voneinander unterscheiden.“ Trotzig hob sie das Kinn.

„Ah, ja.“ Er verengte die Augen. „Die Botschaft ist angekommen. Hätten Sie trotzdem Lust, an einem der nächsten Abende mit mir essen zu gehen?“

Die Überraschung machte Blossom im ersten Moment sprachlos. Damit hätte sie nie im Leben gerechnet, und zunächst wusste sie nicht, ob sie richtig gehört hatte. Er hatte doch sicherlich kein Interesse an ihr, oder? Mit Sicherheit war sie nicht sein Typ.

Sie war weder besonders groß noch klein, eher Durchschnitt. Genauso wie ihr braunes Haar und die ebenso braunen Augen. Melissa war die Schönheit von ihnen beiden. Mit ihren bernsteinfarbenen Augen und dem aschblonden Haar zog sie die Blicke auf sich. Nicht, dass Melissa eitel gewesen wäre, ganz im Gegenteil.

Ohne weiter darüber nachzudenken, platzte Blossom heraus: „Tut mir leid, aber ich verabrede mich nicht mit Männern. Schon vor einigen Jahren habe ich beschlossen, mich ganz der Karriere zu widmen. Romantik und beruflicher Aufstieg passen nicht zusammen. Zumindest nicht für Frauen.“

Er setzte sich ein wenig aufrechter hin. „Wenn Sie damit sagen wollen, dass eine Frau nicht beides haben kann – einen Topjob und ein Liebesleben – dann stimme ich Ihnen nicht zu. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert und nicht im Mittelalter.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“ Sie gab ihm ja insgeheim recht, nur würde sie das ganz bestimmt nicht zugeben. Die Ausrede, die sie vorbrachte, mochte man als feige bezeichnen, doch in der Vergangenheit hatte sie immer ausgereicht, um Männer abzuwimmeln. Sie hegte ganz sicher nicht die Absicht, ihre Seele zu entblößen, und schon gar nicht vor Gregs Boss.

„Möchten Sie noch ein Stück Kuchen?“ Das Schweigen dauerte an und wurde allmählich unangenehm. Mein Gott, hoffentlich lehnte er ab.

„Liebend gerne, danke schön.“ Er streckte ihr seinen Teller entgegen. Leicht pikiert stellte sie fest, dass ihre Abfuhr ihn nicht unbedingt todtraurig machte. Wahrscheinlich gehörte er zu der Sorte Mann, die sein Glück bei jeder ungebundenen Frau unter einer bestimmten Altersgrenze versuchte, dachte sie empört. „Auch noch einen Kaffee?“, fragte sie der Höflichkeit halber.

„Sehr gerne.“ Vollkommen entspannt lehnte er sich in den Kissen zurück. „Und geben Sie mir bitte ein großes Stück, ja? Ich bin immer noch am Verhungern.“

Der Mann ist ganz schön dreist! Blossom lächelte frostig. Vollkommen von sich überzeugt und absolut arrogant – genau die Sorte Mann, um die sie sonst einen großen Bogen machte. Doch jetzt konnte sie ihr Angebot schlecht wieder zurückziehen.

Sobald sie in der Küche war, kochte sie den Kaffee und schnitt ihm ein riesiges Stück Kuchen ab – wobei das erste schon nicht klein gewesen war, dachte sie grimmig.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, reichte sie ihm wortlos Kaffee und Kuchen. Sie hatte entschieden, dass sie ihn vermutlich am schnellsten loswurde, wenn sie nur das Allernötigste mit ihm redete. Also keine Wortgefechte mehr.

„Danke.“ Er stürzte sich mit geradezu jungenhafter Begeisterung auf den Kuchen. „Ihre Schwester ist eine hervorragende Bäckerin. Als ich sie an Weihnachten kennengelernt habe, hätte ich ihr das gar nicht zugetraut.“

Die Weihnachtsfeier. Blossom hatte auch bei dieser Gelegenheit den Babysitter gespielt, und sie erinnerte sich, wie fantastisch Melissa in dem elfenbeinfarbenen Seidenkleid mit dem tiefen Ausschnitt ausgesehen hatte. Ein typisches Vorurteil seinerseits also!

Blossom warf ihm einen kühlen Blick zu. „Meine Schwester ist sehr häuslich“, entgegnete sie reserviert. „Schon als Kind hat Melissa sich nur gewünscht, einmal Ehefrau und Mutter zu sein – in beidem ist sie extrem gut.“

„Und das missbilligen Sie?“, fragte er ruhig.

„Nein, ganz und gar nicht.“ Ihre kühle Souveränität wurde jetzt von Ärger verdrängt. „Natürlich nicht. Jeder, egal ob Mann oder Frau, sollte seinem eigenen Weg folgen. Wir haben einfach nur sehr unterschiedliche Wege gewählt, das ist alles. Ich würde nie von Melissa erwarten, dass sie dasselbe macht wie ich. Wir respektieren unsere individuellen Eigenheiten.“

„Greg ist verrückt nach ihr, nicht wahr?“

„Sie ist auch verrückt nach ihm.“

Zaks Nicken wirkte nachdenklich. „Er ist so eine Art verrückter Professor, allerdings absolut brillant. Es passt zu ihm, dass er jemanden hat, der sich um ihn kümmert.“

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Zak es begrüßen würde, wenn sich eine Frau um ihn kümmerte. Blossom nippte an ihrem mittlerweile kalten Kaffee und beobachtete, wie er sein zweites Stück Kuchen verschlang. Nach kurzer Zeit war es komplett verschwunden.

Wahrscheinlich ging er jeden Bereich seines Lebens mit solchem Appetit an. Der Gedanke ließ sie erröten. Rasch senkte sie den Blick auf ihren leeren Becher. Als sie wieder aufschaute, sah Zak ihr direkt in die Augen.

„Sie sind ganz offensichtlich müde, weshalb ich mich jetzt besser auf den Weg mache“, sagte er sanft und stand auf. „Vielen Dank für Kaffee und Kuchen.“

Rasch erhob sich auch Blossom. Sie war wütend darüber, dass ihre Wangen noch immer flammend rot sein mussten – dabei gab es doch gar keinen Grund dafür. „Ich sage Greg, dass Sie hier waren.“

„Richten Sie ihm bitte aus, dass er nicht zur Arbeit kommen muss, bis Melissa wieder zu Hause ist und sich wohlfühlt“, entgegnete er ruhig, während er auf die Haustür zuging. „Nichts ist so dringend, dass es in so einem Fall nicht ein, zwei Wochen Zeit hätte.“

„Okay.“ Sie nickte. Dann öffnete sie die Haustür und trat zur Seite, damit er an ihr vorbeigehen konnte, doch stattdessen blieb er direkt vor ihr stehen.

„Es war nett, Sie kennenzulernen“, murmelte er. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie noch ein paar Tage bleiben werden?“

Es war eine ganz harmlose Frage, also warum pochte ihr Herz plötzlich so wild? „Bis ich nicht mehr gebraucht werde“, bestätigte sie. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“

„Beruflich bekommen Sie da keine Schwierigkeiten?“

Sie schüttelte den Kopf. „Zufälligerweise habe ich gerade mehrere größere Projekte beendet und mir ohnehin eine kleine Auszeit zugestanden.“

„Dann laufen wir uns vielleicht noch mal über den Weg – falls ich etwas Berufliches mit Greg besprechen muss.“ Er lächelte träge.

Als Leiter einer riesigen Elektronikfirma besuchte er seine Mitarbeiter persönlich, wenn es etwas zu besprechen gab? Ohne darüber nachzudenken, wie es wohl klingen mochte, fragte sie: „Haben Sie Gregs Mobilnummer?“

Er betrachtete sie einen weiteren Moment, ehe um seine Augen herum kleine Lachfältchen entstanden. „Ist das die höfliche Art, mir zu verstehen zu geben, dass ich nicht willkommen wäre?“

Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich noch mehr, sodass sie wie ein gekochter Hummer aussehen musste. „Natürlich nicht“, entgegnete sie angespannt. „Ich wollte nur sichergehen, dass Sie ihn im Notfall jederzeit erreichen können, das ist alles.“

„Sicher.“ Sein Ton klang spöttisch. Noch einen Moment hielt er ihren Blick, dann trat er aus dem Haus und ging auf einen Sportwagen zu, der am Bürgersteig parkte. Es handelte sich um eine richtige Schönheit, einen Aston Martin in Silbergrau.

Blossom wunderte sich, dass sie ihn nicht schon bei seiner Ankunft bemerkt hatte, doch natürlich wollte sie sich nicht eingestehen, dass sie da nur Augen für ihn gehabt hatte.

Rasch schloss sie die Haustür und ließ sich dagegen fallen. Langsam atmete sie aus. Das war’s. Er war weg. Zweifellos mit dem Eindruck, dass Melissas Zwillingsschwester eine kalte unhöfliche Karrierefrau war, die keinen Funken Romantik im Leib hatte.

„Und das stimmt überhaupt nicht.“ Laut sprach sie in die Stille der Eingangshalle hinein, die nur durch das Ticken der antiken Standuhr in der Ecke durchbrochen wurde. Bildete sie sich das bloß ein oder schien die Uhr sie geradezu vorwurfsvoll anzustarren?

Blossom streckte ihr die Zunge raus, ganz so, als wäre sie ein fünfjähriges Kind und keine vierunddreißigjährige erwachsene Frau. Dabei entschied sie, dass sie sich nicht weiter mit Zak Hamilton und seiner möglichen Meinung von ihr befassen würde.

Mit gestrafften Schultern ging sie ins Wohnzimmer hinüber, um Teller und Becher abzuräumen.

2. KAPITEL

Als Blossom endlich unter der wunderbar weichen Decke des großen Doppelbetts in Melissas Gästezimmer lag, konnte sie dummerweise nicht einschlafen. Stattdessen ging sie noch einmal die Geschehnisse des Tages durch, angefangen bei Gregs verzweifeltem Anruf am Morgen bis hin zu der peinlichen Begegnung mit Zak Hamilton.

Frustriert kletterte sie aus dem Bett und ging ins angrenzende Bad, wo sie die Wanne volllaufen ließ und einen guten Schuss Badeöl hinzufügte, das wohltuend und beruhigend wirken sollte. Rasch schlüpfte sie aus ihrem Pyjama und betrachtete sich in dem mannshohen Spiegel an der Wand, ehe sie sich in das duftende Wasser sinken ließ. Es war die reinste Wonne. Blossom schloss selig die Augen.

Es hatte sich schon früh abgezeichnet, dass sie ihrer Mutter ähnlich sah, während Melissa die Traumgene ihres Vaters geerbt hatte. Dennoch erkannte jeder, der sich in einem Radius von fünf Meilen befand, dass ihr Vater seine reizende Ehefrau anbetete, auch wenn sie keine auffallende Schönheit war.

Blossoms Gesichtsausdruck spiegelte Zärtlichkeit wider. Sie war so froh, dass ihre Eltern lange genug gelebt hatten, um Harry und Simone kennenzulernen. Drei Monate nach der Geburt der Zwillinge waren sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie hatte immer davon geträumt, eine Beziehung zu haben, die der ihrer Eltern gleichkam – eine Liebe, die zur Ehe führte und vielleicht auch zu Kindern, für die sie ihre Karriere für kurze Zeit auf Eis legen würde.

Und dann, nur wenige Monate, nachdem ihre Eltern gestorben waren, hatte sie Dean kennengelernt, gerade zu dem Zeitpunkt, als sie bereits glaubte, dass sie niemals den Richtigen finden würde. Wie sehr Dean jedoch der Falsche für sie sein würde, konnte sie damals noch nicht ahnen.

Blossom versuchte, den Erinnerungen Einhalt zu gebieten, doch es war bereits zu spät. Sie hatte die Büchse der Pandora geöffnet.

Sie waren sich bei einem Modefotoshooting begegnet. Dean war eins der männlichen Models gewesen. Er sah wie der personifizierte Latin Lover aus und versprühte tonnenweise Charme. Blossom verfiel ihm auf der Stelle, ganz so, wie er es beabsichtigt hatte.

Zwei Monate später waren sie verheiratet gewesen, und die Fotos, die sie seither von ihm gemacht hatte, hatten ihm bereits mehr als eine Tür geöffnet. Über die Jahre hinweg hatte sie einige gute Kontakte aufgebaut, und natürlich nutzte sie diese, um Deans Karriere auf die Sprünge zu helfen. Schließlich war er ihr Ehemann. Sie liebte ihn und würde alles für ihn tun.

Wie sehr hatte sie sich auf ihr erstes gemeinsames Weihnachten gefreut! Blossom biss die Zähne zusammen, als sie daran zurückdachte. Am Weihnachtsmorgen war sie in die Wohnung gekommen – ihre Wohnung. Dean hatte sich eine schäbige WG mit einem Freund namens Julian geteilt, als sie ihn kennenlernte. All seine Sachen und Habseligkeiten waren verschwunden, nur eine kurze Nachricht wartete auf sie.

Er verbringe die Weihnachtsferien in der Karibik, schrieb er. Danach würde er nicht in die Wohnung zurückkehren. So schnell zu heiraten sei ein fürchterlicher Fehler gewesen. Es wäre besser, wenn sie sich der Tatsache jetzt und nicht erst später stellen würden. Er hoffe, sie verstehe das. Sie waren gerade mal sieben Monate verheiratet gewesen.

Und es kam noch schlimmer. Viel schlimmer.

Als Blossom nach Weihnachten zur Bank ging, musste sie feststellen, dass Dean ihr gemeinsames Sparkonto abgeräumt hatte, auf dem die Hälfte des Erbes ihrer Eltern gewesen war. Ein komfortables finanzielles Polster – weg.

Eine Woche später erzählte ein Arbeitskollege ihr, dass er Gerüchte gehört habe. Dean habe eine Frau in der Karibik bei sich. Weitere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei der Frau um jene handelte, mit der er zuvor in der WG gelebt hatte – „Julian“ war in Wirklichkeit „Juliette“, und die zwei hatten nie aufgehört, sich zu treffen.

Es war eine bittere Pille gewesen, die Blossom da schlucken musste, doch es blieb ihr nichts anderes übrig als einzusehen, dass Dean sie nur wegen ihres Geldes und der wertvollen Kontakte geheiratet hatte, die sie ihm vermitteln konnte. Seine Karriere hatte dank ihr zu einem Höhenflug angesetzt, den nicht mal er so erwartet haben konnte. Zusammen mit seiner Juliette lachte er vermutlich über Blossoms Leichtgläubigkeit, während er die karibische Sonne genoss und an Cocktails nippte.

Nach dieser Geschichte war sie eine ganze Weile krank gewesen.

Blossom rutschte unruhig im warmen Wasser hin und her und versuchte die Erinnerung an den Schmerz zu verscheuchen, den sie damals erlebt hatte. Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker. Ausgerechnet Greg hatte das damals zu ihr gesagt und sogar recht behalten.

Nachdem sie die schlimmste Trauer und Verzweiflung abgeschüttelt hatte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass die Erfahrung sie äußerst unabhängig und autonom gemacht hatte, und das begrüßte sie. Nie wieder würde sie es zulassen, dass jemand ihr Vertrauen derart missbrauchte. Ihr Herz gehörte ihr allein, und so würde es in Zukunft bleiben! Ein gebranntes Kind scheut definitiv das Feuer.

Mit zusammengepressten Lippen stand sie auf und wickelte sich ein flauschiges Badetuch um. Warum dachte sie überhaupt heute an Dean? Sie hatte geglaubt, das längst hinter sich gelassen zu haben. Es war ja nicht so, als würde er ihr noch etwas bedeuten.

Zak Hamilton. Der Name schoss ihr wie von selbst als Antwort in den Kopf. Blossom runzelte die Stirn. Nur über ihre Leiche. Sie würde einem Mann wie Zak nicht den Hauch einer Chance einräumen, in ihrem Leben eine Rolle zu spielen.

Aber – und bei diesem Gedanken vertiefte sich ihr Stirnrunzeln – er hatte sie aus der Fassung gebracht. Sie wusste nicht, warum, doch es war ihm gelungen. Und es lag weder an seinem Aussehen noch an seinem Reichtum. In ihrer Branche kam sie mit vielen umwerfend attraktiven Männern in Kontakt, und einige von ihnen waren gut betucht. Doch das beeindruckte sie längst nicht mehr.

Also – was war es, was sie an Zak nicht mochte? Sein Selbstvertrauen, das an Arroganz grenzte? Sein überhebliches Verhalten, das seinen Status ausdrückte, und mit dem Wissen einherging, dass jeder sprang, sobald er nur mit den Fingern schnippte?

Vermutlich war sie unglaublich ungerecht, denn im Grunde wusste sie nichts über Zak Hamilton, doch das war ihr egal. Sie mochte ihn nicht. „Nein, ich mag ihn nicht. Kein bisschen“, warf sie ihrem skeptisch aussehenden Spiegelbild entgegen.

Trotzig stiefelte sie ins Schlafzimmer zurück, kletterte ins Bett und war innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen.

Die nächsten Tage waren sehr hektisch verlaufen, doch als Melissa schließlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte Blossom das Gefühl, den Haushalt und die Sorge für vier kleine Kinder ganz gut im Griff zu haben. Sie hatte allerdings nicht versucht zu backen – sie kannte ihre Grenzen. Aber sie hatte gelernt, mit Harry umzugehen, und das an sich war schon eine gewaltige Leistung. Das Haus jedenfalls war tipptopp aufgeräumt, sie hatte die Wäsche gewaschen und gebügelt und sogar den Rasen gemäht und Unkraut gejätet.

„Ich bin dir so dankbar, dass du hier die Stellung gehalten hast. Alles sieht wunderbar aus“, sagte Melissa, nachdem ihre Kleinen sie freudig begrüßt hatten. „Ich habe so ein schlechtes Gewissen, weil ich in den vergangenen Tagen endlose Stunden im Bett verbracht, gelesen und ferngesehen habe in diesem wundervollen Zimmer im Krankenhaus.“

Das verdankte sie alles Gregs privater Krankenversicherung, die er sich wegen seines Jobs bei Hamilton Electronics leisten konnte.

„Es war mir ein Vergnügen.“ Na ja, zumindest teilweise.

„Waren die vier brav?“ Melissa warf einen liebevollen Blick auf ihre Kinder, die gerade mit ihrem Daddy durch den Garten tollten, während sie mit ihrer Schwester einen Willkommenskaffee trank.

„Engelsgleich“, log Blossom, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenigstens manchmal.

„Ich wette, du kannst es gar nicht abwarten, in deine Wohnung zurückzukehren und wieder deinen normalen Tagesablauf zu haben“, sagte Melissa. „Endlose Ruhe und Frieden.“

Blossom wusste ganz genau, dass ihre Schwester keins ihrer Worte ernst meinte. Melissa konnte sich nämlich nichts Schöneres vorstellen, als mit ihren Kindern zusammen zu sein, und sie erwartete von jeder anderen Person, dass sie ganz genauso dachte und fühlte.

Überraschenderweise musste Blossom zugeben, dass sie ihre Nichten und ihren Neffen tatsächlich vermissen würde, wenn sie ging. Natürlich liebte sie die Kleinen, das hatte sie schon immer getan, aber in den vergangenen Tagen waren sie ihr richtig ans Herz gewachsen. Sie waren lustig und niedlich, ungezogen und anstrengend, aber vor allem unheimlich lebendig. Die einfachsten Dinge der Welt betrachteten sie voller Neugier und Wissensdurst, und das hatte irgendwie auf Blossom abgefärbt.

„Harry hat heute Morgen einen Stein mit einem Gesicht gefunden“, sagte sie ausweichend und blickte dabei auf die Kinder. „Er hat ihn als Geschenk für dich eingepackt, also mach ein großes Theater, wenn er ihn dir später gibt, ja?“

„Natürlich“, entgegnete Melissa sanft. Sie nahm die Hand ihrer Schwester und drückte sie fest. „Du bist einfach fantastisch, Sis, aber du musst nicht länger bleiben, wenn du dadurch Schwierigkeiten mit deinem Job bekommst.“

„Nein, das tu ich nicht.“ Es war die reine Wahrheit, doch selbst wenn sie Arbeit bis zum Umfallen gehabt hätte, wäre sie nicht gegangen. Melissa sah noch viel zu blass und erschöpft aus. Deshalb hatte sie beschlossen, noch mindestens eine Woche zu bleiben und sicherzugehen, dass ihre Schwester sich nicht überanstrengte, sondern sich noch ausreichend erholte.

Am nächsten Morgen ließ Blossom Melissa und Greg ausschlafen – ihr Schwager hatte am Vortag schlechter ausgesehen als ihre Schwester –, während sie die Kinder anzog, ihnen das Frühstück bereitete und sie in den Kindergarten brachte. Auf dem Rückweg fuhr sie am Supermarkt vorbei und kaufte ohne den Hauch eines schlechten Gewissens tonnenweise Fertiggerichte. Melissa musste sich in dieser Hinsicht einfach mal ein bisschen entspannen.

Als sie sich dem Haus näherte, sah sie den silbergrauen Aston Martin neben Gregs Kombi parken und stöhnte innerlich. Zak Hamilton. Verdammt. Und sie trug ihre ältesten Jeans und einen Baumwollpullover, der schon so oft gewaschen worden war, dass er mittlerweile mehr einem Kleid ähnelte. Immerhin hatte sie sich nach dem Aufstehen die Zeit genommen, ein wenig Wimperntusche und Lipgloss aufzulegen. Außerdem war ihr Haar frisch gewaschen und fiel in sanften Wellen auf ihre Schultern.

Insgesamt also eine Verbesserung gegenüber ihrer ersten Begegnung, wenn auch keine besonders große. Nicht, dass es sie kümmerte, was Zak Hamilton von ihr dachte. Nicht im Geringsten. Ganz und gar nicht!

Sie ignorierte die innere Stimme, die ihr höhnisch zuflüsterte: „Und Schweine können fliegen!“, während sie rasch einparkte und anfing, die Einkaufstüten aus dem Wagen zu laden.

„Hallo.“ Die tiefe Stimme mit dem leichten Akzent ertönte direkt hinter ihr.

Blossom richtete sich so schnell auf, dass eine Dose mit Bohnen aus der Tüte fiel und auf ihrem Fuß landete, was ihr einen kleinen Schmerzensschrei entlockte. Als sie sich umdrehte, sah sie Zak Hamilton auf sich zukommen.

„Kann ich Ihnen dabei helfen?“, bot er an und deutete auf die ganzen Tüten zu ihren Füßen. „Sie wirken ganz schön bepackt.“

Am liebsten hätte sie seine Hilfe abgelehnt, aber da sie keine asiatische Tempelfigur mit mehr als zwei Armen war, schien das ziemlich albern. Während sie noch überlegte, ob ihr Zeh vielleicht gebrochen war, zwang sie sich zu einem Lächeln. „Ja, vielen Dank“, entgegnete sie höflich.

„Das mache ich gern.“

Während er sich bückte und einige Tüten hochhob, atmete sie den verführerischen Duft seines sicherlich teuren Aftershaves ein. In genau diesem Moment riss der Henkel der Tüte, die sie in der Hand hielt, und der komplette Inhalt ergoss sich in den Wagen. Während sie die Dosen und Pakete einsammelte, hatte sie wenigstens genug Zeit, wieder zu ruhigerem Atem zu kommen.

„Ich dachte, Melissa kocht alles selbst.“ Zak blickte bedeutungsvoll auf die Tiefkühlpizza in ihrer Hand. Seine Augen waren so blau, dass Blossom unwillkürlich blinzeln musste.

„Das tut sie auch“, erwiderte sie knapp. „Aber bis sie sich besser fühlt, habe ich das Kommando im Haushalt übernommen.“

„Aha.“ Er nickte. „Ich frage mich nur, ob sie die Kids wieder dazu bekommt, gesunde Kost zu sich zu nehmen, wenn sie einmal Fischstäbchen und Pommes frites probiert haben.“ Er lächelte sie frech an und hob eine Augenbraue. „Was meinen Sie?“

„Hin und wieder mal ein solches Essen schadet nicht.“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang sie wie eine Dozentin. „Es ist durchaus nahrhaft.“

„Sie wissen das und ich auch, aber Mutterliebe ist eine nicht zu unterschätzende Macht“, wandte er ein.

Er lachte über sie – wieder mal. Diesmal allerdings fiel es ihr schwer, nicht zu lächeln. „Davon weiß ich nichts, ich bin nur die Tante.“ Sie griff sich ebenfalls zwei Tüten und marschierte aufs Haus zu.

Melissa und Greg saßen im Wohnzimmer, ein Tablett mit Kaffee und Keksen stand auf dem kleinen Eichenholztisch vor ihnen.

Blossom blieb kurz stehen und verkündete: „Ich bring nur gerade die Einkäufe weg“, ehe sie in die Küche weiterging. Ein gemütliches Kaffeekränzchen zu viert veranstalten? Nie im Leben!

„Ich glaube, ich habe sie aus dem Bett geworfen.“ Zak folgte ihr und stellte die Tüten auf der Frühstückstheke ab, während sie zu ihm herüberschaute.

„Das ist nicht schlimm. Wir haben halb elf“, erwiderte sie knapp. „Sie haben lang genug geschlafen.“

„Greg hat den Kaffee gemacht.“ Es klang ein wenig weinerlich.

Irgendwo musste eine versteckte Botschaft liegen. Blossom sah ihn fragend an, während sie noch darüber sinnierte, dass es Männern mit rabenschwarzem Haar und stahlblauen Augen verboten sein müsste, hellblaue Hemden zu tragen – das war eine Killerkombination.

„Der Kaffee war so dünn wie Spülwasser.“ Zak lächelte.

„Oje.“ Das sollte ihm eine Lehre sein, nicht einfach so unangemeldet vorbeizuschauen. „Ich verstaue schnell die Einkäufe, und dann koche ich neuen.“ Hoffentlich verstand er den Wink.

Er nickte. „Brauchen Sie Hilfe?“

Himmel, er stand viel zu dicht neben ihr. Seine Nähe machte sie nervös. „Nein, vielen Dank. Ich brauche nicht lange.“ Geh einfach, bevor ich wieder etwas fallen lasse. Gib mir ein paar Minuten, um mal tief durchatmen zu können.

Keine Chance. Er verschränkte die Arme über der Brust, lehnte sich gegen die Frühstückstheke und beobachtete sie. Es war beunruhigend, um es mal milde zu formulieren.

Blossom verstaute die Einkäufe in Rekordzeit – vermutlich würde sie später nichts wiederfinden – und setzte neuen Kaffee auf. Sie zwang sich zu einem Lächeln und fragte Zak: „Sollen wir uns zu den anderen gesellen? Ich hole dann gleich den fertigen Kaffee.“

„Okay.“ Er rührte sich nicht. „Wissen Sie, mir ist gerade etwas eingefallen. Jetzt, wo Melissa so lange weg war …“, bei ihm klangen fünf Tage nach einer halben Ewigkeit, „… da würden sie und Greg es sicherlich genießen, einen Abend ganz für sich zu haben, sobald die Kinder im Bett sind. Und Sie könnten wahrscheinlich auch einen Tapetenwechsel gebrauchen. Wie wäre es, wenn ich Sie heute Abend zum Essen ausführe? Natürlich rein freundschaftlich. Ich verstehe Ihre Prinzipien.“ Er lächelte träge, so als wäre es ihm im Grunde völlig egal, ob sie mitkam oder nicht.

Blossom starrte ihn vollkommen überrascht an. „Aber wir sind keine Freunde“, platzte sie heraus. „Wir kennen uns nicht mal richtig. Sie sind einfach nur Gregs Boss.“

Sein Lächeln wurde ein paar Grade kühler. „Ich bin nicht einfach nur Gregs Boss“, entgegnete er glatt. „Glauben Sie mir.“

Trotz seines Lächelns wusste Blossom, dass sie ihn verärgert hatte. „Ich meinte nicht – ich wollte nicht andeuten …“ Sie stockte. Wie hatte sie sich nur so ungeschickt ausdrücken können!

„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich ruhig. „Ich wollte nicht unhöflich sein. Es ist nur so, dass …“

„Dass Sie nicht mit mir ausgehen wollen, ja, ich weiß. Aber Sie treffen doch sicherlich hin und wieder auf die männliche Spezies, oder?“

Ihr Eindruck war korrekt gewesen. Sie hatte ihn verärgert. Hatte sein Ego verletzt. Wahrscheinlich war es für Zak Hamilton ein absolutes Novum, einen Korb zu bekommen, selbst auf rein freundschaftlicher Ebene.

„Wenn Sie natürlich den Eindruck haben, dass es Melissa noch zu schlecht geht …“

„Nein, das ist es nicht.“ Was war nur los mit ihm? So unsensibel konnte man doch gar nicht sein! Ganz sicher wusste er doch, dass sie einfach nicht mit ihm ausgehen wollte. Doch vielleicht war genau das der Grund, warum er so insistierte.

Vermutlich gehörte er zu der Sorte Mann, die keiner Herausforderung widerstehen konnte. Nicht, dass sie absichtlich eine Herausforderung für ihn darstellen wollte, aber sie würde ihr ganzes Geld darauf verwetten, dass er es so sah. Nicht für eine Minute kaufte sie ihm den Vorwand ab, Greg und Melissa einen Gefallen tun zu wollen. Männer wie Zak waren nicht derart selbstlos. Im Gegenteil. Er war der personifizierte Wolf im Schafspelz.

„Also?“ Er schaute sie unverwandt an. „Was genau ist es dann?“

Oh verdammt, vermutlich war es einfacher, nachzugeben und mit ihm essen zu gehen. Sie hasste sich zwar dafür, dass sie einer weiteren Konfrontation aus dem Weg ging, aber er war immerhin Gregs Boss, und sie wollte ihrem Schwager keine Schwierigkeiten verursachen.

Das war der einzige Grund, weshalb sie Gregs Einladung annahm, versicherte sie sich insgeheim streng. „Ich habe nur an Greg und Melissa gedacht“, log sie. „Aber ich schätze, ich kann mich um ihr Dinner kümmern, bevor Sie mich abholen.“

Zak lächelte. „Ich bin ganz sicher, dass Sie das können, Blossom.“

Blossom behagte sein Lächeln nicht. Sie konnte es nicht einordnen.

„Ist acht Uhr in Ordnung?“, fragte er leichthin. „Genug Zeit, um all Ihre Schutzbefohlenen zu füttern?“

„Halb neun.“ Er sollte bloß nicht glauben, dass alles nach seiner Lust und Laune ging. „Es dauert einige Zeit, die Kinder nach dem Baden ins Bett zu bringen. Außerdem muss ich mich noch um Melissas und Gregs Dinner kümmern“, erklärte sie steif. „Melissa ist noch ziemlich schwach.“

Um Zaks Mundwinkel zuckte es. „Schön“, gab er sofort nach. „Dann halb neun. Und ich verspreche, nicht eine Sekunde zu früh zu kommen, okay?“

Unverschämter Kerl!

Die folgende halbe Stunde kam Blossom endlos lang vor, während sie zu viert im Wohnzimmer saßen und bei frischem Kaffee plauderten. Zaks Anwesenheit an sich war schon beunruhigend, doch sie wollte vor allem nicht, dass er ihre Dinnerverabredung erwähnte, ehe sie die Chance gehabt hatte, es selbst Melissa und Greg zu erzählen.

Die beiden wussten, wie sie zu Männern stand und vor allem zum Thema Ausgehen. Sie würden sich fragen, was in aller Welt da vor sich ging, ehe sie auch nur die Gelegenheit hatte, es richtig zu erklären. Wenn sie es überhaupt richtig erklären konnte

„Vielen Dank für die Blumen“, sagte Melissa zu Zak, als der sich schließlich verabschiedete. Ein riesiger Strauß lag auf dem Stuhl und wartete darauf, von Blossom in eine Vase gestellt zu werden. „Und für den Champagner.“ Eine Flasche des Allerbesten, so wie es aussah.

„Ich dachte, dass Sie und Greg vermutlich Ihre Heimkehr feiern wollen“, versetzte Zak lässig. Dann wandte er sich an Blossom. „Sie könnten ihn auf Eis legen, bevor ich Sie heute Abend abhole.“

„Heute Abend?“, schaltete sich Melissa sofort ein und schaute Blossom an.

„Zak führt mich zum Dinner aus.“ Blossom warf ihrer Schwester einen Blick zu, der sie bat, im Moment keine weiteren Fragen zu stellen, während sie Zak Richtung Haustür dirigierte.

Dort angekommen blieb er stehen und meinte: „Ich glaube, Ihre Schwester hält nicht allzu viel von mir.“

In Anbetracht der Umstände konnte sie ihm kaum widersprechen, auch wenn sie insgeheim dachte, dass er recht hatte. „Wirklich?“ Hoffentlich wirkte sie überzeugend überrascht. „Wie kommen Sie darauf?“

„Nur so ein Eindruck.“

Es klang nicht so, als bereite es ihm großes Kopfzerbrechen – warum auch? Er hielt ja alle Trümpfe in der Hand. „Ich bin sicher, dass Sie sich täuschen“, erklärte Blossom knapp und öffnete die Tür. „Ich sehe Sie dann später.“

Nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, stand sie ein paar Sekunden einfach nur da. In ihrem Kopf drehte sich alles. Wieso hatte sie sich dazu hinreißen lassen, seine Dinnereinladung anzunehmen? Das war nicht gut. Gar nicht gut!

Blossom hörte ein Rascheln hinter sich und drehte sich um. Melissa stand im Türrahmen des Wohnzimmers und schaute sie besorgt an. „Natürlich kannst du mir sagen, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll, aber mir gefällt es nicht, dass du mit Zak ausgehst“, kam ihre Schwester wie immer sofort auf den Punkt. „Er ist nichts für dich, Blossom.“

„Es ist nicht so, wie du denkst“, versetzte sie sofort.

„Blossom, der Mann ist ein absoluter Playboy, der jede Woche mit einer anderen Frau am Arm gesehen wird. Er macht ja nicht mal ein Geheimnis draus, dass er kein Interesse an einer langfristigen Beziehung hat. Die Gerüchteküche weiß, dass er jeder Frau klar und deutlich sagt, sie solle bloß nicht auf falsche Ideen kommen. Natürlich verlieben sie sich trotzdem alle Hals über Kopf in ihn.“ Melissas Ton klang verächtlich.

„Melissa, glaub mir, es ist wirklich nicht so, wie du denkst.“

„Er könnte selbst eine Nonne bezirzen. Ich habe ihn in Aktion gesehen. Aber Greg sagt, dass er in Geschäftsangelegenheiten, wenn nötig, hart wie Stahl sein kann. Und wenn ihm das im Geschäftsleben gelingt …“

„Komm, setz dich und lass es mich dir erklären“, sagte Blossom geduldig und führte ihre Schwester zu Greg aufs Sofa. „Du hast einen falschen Eindruck gewonnen.“

„Greg meint, dass ich Zak gegenüber voreingenommen bin, aber das ist es nicht, nicht wirklich“, begann Melissa von Neuem, ehe Blossom auch nur die Chance hatte, zu ihrer Erklärung anzusetzen. „Männer wie er verspeisen normale Leute wie uns zum Frühstück. Greg ist im Moment für ihn nützlich, aber ich sage ihm die ganze Zeit, dass er sofort auf der Straße sitzt, wenn sich das mal ändert. Zak hätte da keine Skrupel.“

„Melissa, ich behaupte ja gar nicht, dass du dich täuschst – im Gegenteil“, entgegnete Blossom, sobald ihre Schwester Atem holte. „Aber das Dinner heute Abend ist keine Verabredung, nicht im herkömmlichen Sinne. Es ist rein platonischer Natur, das versichere ich dir.“

„Oh, Blossom, sei doch nicht so naiv!“

„Nein, ich meine es wirklich so. Er sagte, dass er euch die Gelegenheit verschaffen wolle, einen ungestörten Abend zu verbringen und dass er mich rein freundschaftlich ausführt, okay?“

„Und das hast du ihm geglaubt? Gott, das ist doch der älteste Spruch, den man sich vorstellen kann.“

„Wie auch immer – ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich mit niemandem ausgehen will. Meine Karriere ist alles, was zählt. Das weiß er.“

„Wie kommt es dann, dass du heute Abend mit ihm weggehst?“, wandte Melissa ein. „Das passt nicht zusammen, Sis.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass es rein freundschaftlich ist.“

Melissa schnaubte verächtlich, was mehr aussagte als tausend Worte.

„Wirklich.“ Blossom wusste allmählich nicht mehr weiter. „Seit Ewigkeiten erzählst du mir, dass ich wieder ausgehen soll“, brachte sie hervor. Es war ein leidiges Thema, über das sie schon endlose Male diskutiert hatten.

Ausgehen, ja, auch eine Beziehung eingehen, wenn es der richtige Mann ist, aber Zak Hamilton … Ich kann mir keinen weniger geeigneten Mann vorstellen. Er ist … zu viel von allem.“

Da waren sie sich doch wenigstens in einem Punkt einig. „Melissa, ich habe nicht vor, Zak nach heute Abend wiederzusehen“, erklärte Blossom fest. „Okay? Es war nur einfacher nachzugeben, anstatt lange mit ihm rumzudiskutieren.“

Melissa starrte ihre Schwester unglücklich an. „Ich will nur nicht, dass du wieder verletzt wirst“, sagte sie besorgt. „Du bist nicht so abgebrüht wie seine anderen Frauen.“

„Mir behagt die Vorstellung ja selbst nicht.“

„Und du hast recht, du sollst auf jeden Fall wieder ausgehen. Es gibt eine Menge wunderbarer Männer, die sich darum reißen würden, jemanden wie dich zu finden“, erklärte Melissa ernsthaft. „Männer wie Greg. Gute, verlässliche Männer, die Familienmenschen sind und ihrer Frau treu.“

Greg drückte voller Stolz die Brust heraus.

Blossom wollte nicht anmerken, dass Greg zwar für ihre Schwester perfekt war, dass er sie aber innerhalb von zehn Minuten in den Wahnsinn treiben würde. Stattdessen lächelte sie und entgegnete: „Wir haben das schon tausendmal diskutiert, und du siehst müde aus. Ich finde, du solltest dich ein bisschen hinlegen. Überanstrenge dich jetzt nicht, wo du wieder zu Hause bist.“

Wie beabsichtigt, war Greg sofort aufs Äußerste besorgt. Zusammen gelang es ihnen, Melissa davon zu überzeugen, sich hinzulegen. Greg führte sie hinaus.

Blossom trug die Kaffeebecher in die Küche, doch anstatt sie in die Spülmaschine zu räumen, starrte sie blicklos aus dem Fenster. Wenn sie ehrlich war, dann hatte das Gespräch mit ihrer Schwester sie mehr als ein wenig beunruhigt. Es war dumm, mit Zak Hamilton auszugehen, egal auf welcher Grundlage. Es blieb ein Spiel mit dem Feuer.

Sie runzelte irritiert die Stirn. Darüber würde sie jetzt einfach nicht nachdenken. Mein Gott, der Mann hatte sie zum Essen eingeladen, ohne weitere Verpflichtung. Nach heute Abend würde sie ihn nie mehr wiedersehen, dafür würde sie schon sorgen!

Blossom wandte sich entschlossen dem Geschirrspüler zu, räumte die Küche auf und griff dann nach dem Autoschlüssel, um die Kinder abzu...

Autor

Helen Brooks
Bereits seit über 20 Jahren veröffentlicht die britische Autorin unter dem Pseudonym Helen Brooks Liebesromane, unter ihrem richtigen Namen Rita Bradshaw schreibt sie seit 1998 historische Romane. Weit über 40 Bücher sowie einige andere Werke sind bisher unter dem Namen Helen Brooks erschienen, von Rita Bradshaw gibt es 14 Romane....
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Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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Susanne James
Schon als junges Mädchen liebte Susanne James es, sich Geschichten auszudenken. Mit zwölf Jahren vollendete sie stolz ihren ersten Roman und war untröstlich, als dieser nicht veröffentlicht wurde. Eine ganze Weile blieb es bei diesem einen erfolglosen Versuch – und andere Dinge begannen wichtiger zu werden: Sie beendete die Schule,...
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