Julia Exklusiv Band 380

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GEHEIME ROMANZE IN DUBAI von BELLA FRANCES

Blitzhochzeit in Dubai! Als Georgia auf einer Party dem attraktiven Dan in die Arme läuft, möchte die Lehrerin mit den roten Locken am liebsten fliehen. Sie ahnt, seine Küsse können ihrem guten Ruf gefährlich werden! Doch für falsche Reue ist es schon zu spät …

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  • Erscheinungstag 14.09.2024
  • Bandnummer 380
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525831
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jackie Ashenden, Caitlin Crews, Natalie Anderson, Sophie Pembroke

JULIA EXTRA BAND 557

1. KAPITEL

Mit klopfendem Herzen stieg Georgia Blue aus der Limousine und reichte dem Portier ihren Autoschlüssel. In ihrem besten Alaia-Kleid – zugegeben, es war ein Modell aus der letzten Saison – wirkte sie, als könnte sie es sich tatsächlich leisten, hier Hotelgast zu sein. Verrückt, dass es reichte, sich einfach ein Stück glänzenden Stoff anzuziehen und die Füße in scharfe High Heels zu zwängen, damit sich das Tor zum Paradies mühelos öffnete.

Sie bahnte sich den Weg durch die Lobby des Sieben-Sterne-Hotels Al-Jafar. Hier schien alles versammelt zu sein, was Rang und Namen hatte. Inmitten riesiger Palmen und goldglänzender Säulen plätscherte ein überdimensionaler Springbrunnen. Zwischen all den Kleidern und maßgeschneiderten Anzügen berühmter Designer erinnerten die traditionellen Kleidungsstücke – schwarze Abayas für die Frauen, weiße Kanduras für die Männer – Georgia unmissverständlich daran, dass sie nicht mehr in London war. Nicht einmal annähernd.

Unbeirrt ging sie an der freundlich wirkenden Rezeptionistin vorbei und steuerte auf die Fahrstühle zu. Kurz blitzte die Erinnerung an jene großartigen Tage auf, an denen sie gemeinsam mit Nick auf den breiten Sofas gesessen und eisgekühlte Drinks getrunken hatte. Damals hatte es noch so ausgesehen, als ob ihr altes Alaia-Kleid die Bekanntschaft von neuen Modellen machen würde. An ihrem Finger hatte ein Diamantring gefunkelt, immerhin ein halbes Karat schwer, und sie war sicher gewesen, dass sich wenig später ein schmaler Goldreif dazugesellen würde.

Mittlerweile war ihr Ring ganz eindeutig ein Solitär. Fest verschlossen in einem kleinen violetten Samtkästchen, zusammen mit ihrem Stolz. Und das Großartigste, was ihr für eine kleine Auszeit blieb, war eine Happy Hour in einem Club in der Pause zwischen den zwei Jobs, die sie über Wasser hielten.

Und jetzt dies. Eine Singleparty, von der ihre Freundin Kirsty ihr erzählt hatte, mit der sie die Wohnung teilte. Hier trafen sich all jene, die nichts zu verlieren hatten. Und sie hatte nichts Besseres vor. Ihre Freundinnen hatten längst ihre Sachen gepackt und waren zu einem Mädelswochenende aufgebrochen. Sollte sie etwa zu Hause sitzen und im Internet posten, was für eine tolle Zeit sie hatte?

Nein, es war Zeit, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und eine Singleparty war genau das, was sie jetzt brauchte. Warum also die Angst?

Entschlossen drückte sie den Knopf. Als die Türen des Lifts sich öffneten, musterte sie sich in den bodentiefen Spiegeln, mit denen die Fahrstuhlkabine ausgestaltet war. So also sah es aus, wenn man sich im Rückspiegel eines Wagens schminkte, noch dazu innerhalb von fünf Minuten auf einer halbfertigen Straße und mitten in einem Sandsturm. Ihre Augen hatten fast die Dramatik einer Kleopatra, und ihre Lippen wirkten weniger wie ein Kussmund, sondern mehr wie ein Fischmaul.

Auch ohne diesen Fehlschlag war ihr Selbstbewusstsein schon am Boden. Am besten mache ich auf dem Absatz kehrt, steige wieder in meinen Wagen und begnüge mich mit einem gemütlichen Fernsehabend. Ja, das klang perfekt.

Doch gerade in diesem Moment stieg jemand hinter ihr in den Fahrstuhl und blockierte den Fluchtweg. Groß, dunkel und in ziemlich teuren Klamotten. Und selbst der kurze Blick unter Mascara-verschmierten Wimpern zeigte ihr, dass der Typ verdammt gut aussah. Ehe sie ihr missglücktes Make-up hinter ihren dunkelroten Locken verbergen konnte, hatte er ihr einen Blick zugeworfen.

Verlegen sah Georgia zu Boden und starrte auf seine Schuhe. Handgefertigt. Italienisch. Jetzt kamen sie einen Schritt auf Georgia zu und drehten sich um, während ihr Besitzer seine Aufmerksamkeit den Knöpfen im Fahrstuhl widmete. Dann traten sie zur Seite, um weiteren Fahrgästen Platz zu machen. Georgia hörte Männerstimmen, Lachen, Plaudern.

Junge reiche Männer waren nichts Besonderes in Dubai. Und diese hier verrieten durch ihre Lautstärke und ihren alkoholgeschwängerten Atem, dass sie zum Essen nicht nur Wasser getrunken hatten.

Die Türen schlossen sich, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, und das plötzliche Schweigen verriet Georgia, dass die Männer sie wahrgenommen hatten. Kunststück – es war nicht wirklich schwierig, hier mit einem hellen Teint und roten Haaren aufzufallen. Noch dazu, da sie gerade aussah, als wäre sie der Explosion in einer Make-up-Fabrik zum Opfer gefallen.

„Entschuldigen Sie, Miss?“

Die Stimme des Mannes mit den italienischen Schuhen klang beunruhigend dunkel und tief.

„Welche Etage?“

Angestrengt blickte sie auf die messingglänzenden Knöpfe, auf der die bronzefarbene Hand des Schuhbesitzers lag.

„Welche Etage?“, wiederholte er.

Sein Akzent war schwer einzuordnen. Englisch schien seine Muttersprache zu sein, doch sein Tonfall war leicht schleppend und erinnerte an raue Küsten und wogende Felder. An gemütliche Pubs und Bierkrüge. Der Mann selbst aber – sie ließ den Blick von seiner Hand über die breiten Schultern und das ebenmäßige Gesicht gleiten – war ganz eindeutig ein Stadtmensch.

Er hielt sich abseits der anderen Männer und wirkte größer als sie, kämpferischer. Eine unbändige Kraft umgab ihn wie ein besonderer Duft. Kraftvolle Männer bedeuteten immer harte Arbeit. Sie stellten Ansprüche, hatten hohe Erwartungen. Beruflich hatte Georgia häufig genug mit ihnen zu tun, um zu wissen, dass man sich am besten von ihnen distanzierte.

Noch dazu hatte er wundervoll geschwungene, gleichmäßige Augenbrauen. Männer, die schönere Augenbrauen hatten als man selbst, waren grundsätzlich unattraktiv. Nick gehörte auch zu dieser Sorte. Aber Nick war sowieso ein Idiot. Er hatte sogar zugegeben, sich die Augenbrauen zu zupfen und zu färben. Dieser Mann liebte nur sich selbst und die Idee von der Liebe. Und sie war so dumm gewesen, sich ausgerechnet auf ihn einzulassen.

„Miss?“ Die noch immer geduldig klingende Stimme des Fremden holte sie zurück in die Gegenwart.

„Neunundfünfzigster Stock“, sagte sie und sah, wie der Knopf unmittelbar aufleuchtete.

Es war mehr als leichtgläubig von ihr gewesen, auf Nick hereinzufallen. Dieser Mann hier aber, auch wenn durchaus ein bisschen glatt und zu geschmeidig, war offensichtlich ein ganz anderes Kaliber. Eine Naturgewalt. Echt. Hart im Nehmen. Sein Dreitagebart sah aus, als wäre er nicht dazu gekommen, sich zu rasieren, weil er stattdessen ein Abenteuer bestehen musste – und nicht etwa, weil irgendwelche Männermagazine das für schick hielten. Seine Nase war ein bisschen schief, als hätte er sie sich irgendwann beim Rugby oder in einer Kneipe gebrochen. Seine Lippen wirkten, als wüsste er genau, was er damit anrichten konnte.

Bei näherem Hinsehen erkannte sie auch, dass seine Augenbrauen keineswegs gestutzt waren, sondern von der Natur genau in diesem Winkel gebogen, um seine perfekten blauen Augen zur Geltung zu bringen.

Der Fahrstuhl wurde langsamer, hielt an, dann öffneten sich die Türen und ein Paar quetschte sich noch hinein, obwohl kaum mehr Platz war für die Wolke billigen Parfums, die es einhüllte. Die Männer drängten sich enger an Georgia. Sie spürte, wie sie eindeutige Blicke wechselten, aber das interessierte sie nicht. Von diesen Typen würde sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen.

Sie war spät dran. Und sie hatte keine Ahnung, auf was sie sich mit dieser Party einließ. Aber sie war fest entschlossen, nicht länger die Opferrolle zu übernehmen. Von heute an würde sie über den Dingen stehen, ihr Leben im Griff haben. Und genau jetzt fing sie damit an.

Wenige Stockwerke höher stoppte der Lift erneut, und das Pärchen stieg aus. Doch für den Mann, der am dichtesten neben ihr stand, war das offensichtlich kein Grund, ein Stück von ihr abzurücken. Stattdessen drehte er sich zu ihr um und zwinkerte.

Kühl schaute sie geradeaus.

„Hey, Süße, wie wär’s mit uns?“

Georgia hatte schon den Mund zu ihrer Standard-Antwort geöffnet. Du kannst dir eine Frau wie mich nicht leisten. Das war der übliche Spruch, mit dem Babs und sie sich die Kerle vom Hals hielten, wenn sie in The Tavern, einem Pub mitten in London, kellnerten. Aber das hieße, ein Gespräch anzufangen, und dafür waren diese Männer viel zu jung, zu betrunken und zu selbstsicher.

Heute Abend würde sie sich mit Männern unterhalten, die ein bisschen älter waren, ruhiger, vielleicht nicht mehr ganz so attraktiv. Mit Männern, denen sie … trauen konnte?

Nachdem Nick sie verlassen und alles mitgenommen hatte, was sie besessen hatte, wollte sie von heißblütigen jungen Kerlen nichts mehr wissen. Wobei der heiße Typ in der Ecke des Fahrstuhls fast noch gefährlicher war. Allein durch seine Anwesenheit brachte er die Luft zum Glühen. Und sie sehnte sich nach einem langen, wärmenden Feuer, nicht nach einer hochexplosiven Brandbombe. Oder?

Wieder setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung, und sie spürte, wie die Anspannung in dem kleinen abgeschlossenen Raum anstieg. Die jungen Männer heizten sich gegenseitig mit ein paar Sprüchen auf. Georgia bemerkte, dass der Fremde mit den italienischen Schuhen sie unverwandt ansah. Als sie seinem Blick begegnete, schlugen sie seine Augen regelrecht in den Bann.

Sie hatte Hunderten von Männern Drinks serviert und sie angesehen. Doch der Blick dieses Mannes berührte sie tief im Innern und rüttelte sie auf. Es war, als könnte er alles erkennen, was ihr auf der Seele brannte – das Heimweh, den Herzschmerz, den verletzten Stolz.

Nicht eine Sekunde tat er auch nur so, als würde er den Blick abwenden. Und sie kannte sich gut genug mit Männern aus, um zu erkennen, dass er zu einem erstklassigen Flirt taugte. Allerdings nicht, wenn sie wirklich nach einem ruhigen, unauffälligen Begleiter suchte, bei dem sie sich einfach aufgehoben fühlen konnte.

Er verzog keine Miene. Und plötzlich kam ihr der erschreckende Gedanke, dass er sich wahrscheinlich einfach nur fragte, wie eine Frau sich so schminken konnte. Als sie an sich hinuntersah, kam ihr das Designerkleid plötzlich viel zu offenherzig vor.

Einer seiner betrunkenen Freunde brach das Schweigen. „Komm schon, lass uns zu der Party gehen. Meine Hand sehnt sich nach einem hübschen prallen Po …“

„Tommy, reiß dich zusammen, es ist eine Dame unter uns.“

Sein Tonfall war ruhig, dennoch verfehlten die Worte ihre Wirkung nicht. Die ganze Zeit hielt er ihren Blick gefangen, und ihre Haut prickelte vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Ernst sah er sie an, und sie spürte, wie Adrenalin – oder war es Angst? – durch ihren Körper schoss. Dieser Typ bedeutete Ärger.

Zeit zu verschwinden.

Sie musste sich zwingen, sich zu bewegen. Einige der Männer machten ihr Platz, und sie setzte einen Fuß in ihren scharfen High Heels vor den anderen.

Tief durchatmend betrat sie einen langen Flur, den unzählige Lampen beleuchteten. An den Wänden glänzte heller Marmor. Ein dezentes goldenes Hinweisschild wies zu fünf Räumen auf der rechten und ebenso vielen auf der linken Seite. Sie entschied sich für links. Außer dem Klicken ihrer Absätze war nichts mehr zu hören.

Rechter Hand entdeckte sie einen lichtdurchfluteten Balkon, der oberhalb des Innenhofs lag. Sie trat hinaus und sah auf den Springbrunnen hinunter, an dem sie eben vorbeigekommen war. Kurz genoss sie den grandiosen Ausblick, dann ging sie weiter. Zwei Türen lagen noch vor ihr, beide beinahe einschüchternd pompös. Und wieder ein kleines goldenes Hinweisschild: Jumeirah-Suite.

Hier war es.

Sie streckte die Hand aus und setzte ihr schönstes Lächeln auf.

Die Tür schwang auf.

Georgia ließ den Blick von dem großen Mann in Westernkleidung, der ihr geöffnet hatte, ins Innere der Suite schweifen. Die edle Dekoration zeugte von Geschmack und Geld. Schöne Frauen und attraktive Männer plauderten ungezwungen in kleinen Gruppen. Wie von selbst bewegten sich ihre Füße in den hochhackigen Sandalen weiter.

Der Raum war riesig. Kein Wunder – schließlich durfte man in einem Sieben-Sterne-Hotel auch eine Sieben-Sterne-Suite erwarten. Dennoch war sie auch nach einem halben Jahr in Dubai noch immer nicht auf das vorbereitet, was sie erwartete.

Zwei marmorne Stufen führten hinab in einen Sitzbereich mit weißen Ledersofas und dicken, blauen Kissen mit eingewebten Goldfäden, die zum Verweilen einluden. Der ganze Raum war in Zwischenebenen mit weiteren Sitzecken unterteilt, außerdem gab es eine Bar und ein Buffet mit kleinen Köstlichkeiten. Eine Seite der Suite mündete in einer deckenhohen Fensterfront. Dahinter schimmerte der Persische Golf in majestätischem Blau in der untergehenden Sonne.

Das alles war sie mittlerweile gewohnt. Es war nicht der zur Schau gestellte Reichtum, der ihr auffiel, sondern etwas anderes. Sie sah nur Paare, die auf den Sofas entspannten, einen Drink in der Hand. Es herrschte eine Atmosphäre von … Genusssucht, die sie irritierte.

Suchend sah sie sich nach Singlefrauen um – doch außer ihr waren alle in männlicher Begleitung.

In diesem Moment löste sich eine der Frauen aus einer Gruppe und kam die Treppe herauf. Ihr schwarzes Haar schimmerte seidig, und sie musterte Georgia aus dunklen, mandelförmigen Augen. Neben ihrem eng anliegenden, schulterfreien Kleid, das bis zur Hüfte geschlitzt war, kam sich Georgia in ihrem Outfit beinahe vor wie eine Nonne.

„Hallo, ich bin nicht sicher, ob ich hier richtig bin“, fasste sich Georgia ein Herz. „Dies ist doch eine Singleparty, oder?“

Die Frau im roten Kleid ignorierte sie. Zuvor aber fixierte sie Georgia von Kopf bis Fuß, hob eine Augenbraue, verzog die perfekt geschminkten roten Lippen und ging an ihr vorbei. Sie lehnte sich an die Theke, strich einem korpulenten Gast mit einem ihrer scharlachrot lackierten Fingernägel über die Wange und wehrte sich nicht, als er sie an sich presste. Fassungslos beobachtete Georgia, wie sie sich in seinen Armen zurückbog und zuließ, dass er ihre Brust streichelte.

Ganz sicher war sie nicht prüde. Aber ebenso sicher waren dies keine unschuldigen jungen Frauen auf der Suche nach Mr. Right. Das hier war ein ganz anderes Kaliber.

Verunsichert sah Georgia sich um in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, woran sie sich festhalten konnte. Doch es gab nicht einen freien Platz, keinen Gast, der nicht schon ins Gespräch vertieft war. Gut, sie war noch nie auf einer Singleparty gewesen. Aber es konnte doch nicht sein, dass buchstäblich jeder schon um – sie warf einen Blick auf die Uhr – halb acht jemanden gefunden hatte. Als sie ein bisschen genauer hinsah, stellte sie fest, dass manche sogar mehr als einen Partner gefunden hatten. Einige Paare bildeten eher Trios. Oh-oh.

Plötzlich fühlte sie sich, als stünde sie auf dem Deck eines sinkenden Schiffs, das Haie umkreisten. Wenn so die Partys abliefen, bei denen man möglicherweise jemanden kennenlernte, blieb sie lieber Single.

Das musste ein Missverständnis sein. Am besten ging sie nach Hause, sah sich einen Film im Fernsehen an und schickte Kirsty eine Nachricht, dass sie die schlimmste Party ihres Lebens hinter sich hatte.

Die kommenden Abende sollte sie lieber damit verbringen zu arbeiten. Das war sinnvoller, außerdem konnte sie Babs dann mehr Geld schicken. Sosehr sie auch über Nick hinweg war – Babs’ Schulden hatte sie noch nicht zurückgezahlt. Und angesichts der Summe, insgesamt sechzigtausend Pfund, würde das wohl auch noch eine ganze Weile dauern.

Entschlossen drehte sie sich um. Sie wollte weg von hier. Sofort. In diesem Moment öffnete sich die Tür … und herein kamen die angetrunkenen Typen aus dem Lift. Eine dunkle, ruhige Stimme mahnte sie, leiser zu sein, und Georgia sah in diese unglaublich kobaltblauen Augen.

Einer nach dem anderen trat ein, nur der Anführer – dass er das war, daran zweifelte Georgia keine Sekunde – blieb in der Tür stehen. Ihre Blicke trafen sich.

Wie erstarrt hielt sie in der Bewegung inne. Sie war unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte. Abwartend sah er sie an. Dann nahm er ihr die Entscheidung ab und trat auf sie zu. Ohne Eile, aber selbstsicher und zielstrebig.

Ein Lichtstrahl erhellte sein Gesicht, das plötzlich nicht mehr finster erschien. Die blauen Augen leuchteten auf, das Lächeln machte seine Züge weicher. Er war atemberaubend attraktiv. Wie habe ich Nick jemals für heiß und gut aussehend halten können! Dieser Typ legte die Messlatte für Männlichkeit verdammt hoch. Jetzt war er bei ihr angekommen, und sie hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.

Er war so groß, dass sie sich neben ihm weiblich und beschützt fühlte. Seine Brust war so breit, dass sie am liebsten sofort ihren Kopf an sie gelehnt hätte. Diese Stärke, diese Präsenz …

„Hi. Schön, Sie zu sehen – besser gesagt, wiederzusehen.“

Wortlos ließ sie es geschehen, dass er ihre Hand nahm und an seine Lippen führte. Ihr Arm schien einer Puppe zu gehören. Seine Haut fühlte sich warm und ein bisschen rau an. Mit großen Augen sah sie ihn an, während er sie ein bisschen näher zu sich heranzog, ihre Hand wieder sinken ließ und ihr ein unglaubliches Lächeln schenkte. Keine Frage, dieser Mann wusste, wie man eine Frau verführte, und war das Versprechen einer langen, sinnlichen Liebesnacht.

„Wie heißen Sie?“

„Georgia“, stieß sie aus und erlaubte ihm, ihre Hand noch länger zu halten.

„Georgia. Ein wunderschöner Name.“

Ist Blau die Farbe der Sünde? In diesem Fall ganz bestimmt.

„Dan Ryan“, stellte er sich vor.

„Hi.“ Mehr brachte sie nicht heraus.

Willenlos fragte sie sich, wo ihre Abwehrmechanismen geblieben waren. Dieser Mann spielte in der ersten Liga. Und das bedeutete, dass ihre Lauf-um-dein-Leben-Hormone reihenweise ausgeschüttet werden müssten. Stattdessen schmolz sie dahin.

Reiß dich zusammen. Du wolltest nach Hause gehen. Das Letzte, was du im Moment brauchst, ist, dich auf etwas mit einem Mann wie diesem einzulassen.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Dan. Aber es scheint, als wäre ich auf der falschen …“ Sie schaute sich um und suchte nach dem richtigen Wort für das Treiben um sie herum. Dann entzog sie ihm ihre Hand. Doch das nützte wenig. Allein seine Gegenwart zog sie magisch an.

„Das ist schade, denn ich hatte gehofft, mich für den Auftritt meiner Freunde im Fahrstuhl entschuldigen zu können. Wir hatten eine anstrengende Woche, und jetzt haben sie ein bisschen zu viel getrunken. Keiner von ihnen wird Sie mehr belästigen.“

„Das ist ja nicht Ihre Schuld. Und ich muss jetzt wirklich gehen. Also …“

Sie betrachtete noch einmal seine Freunde, die neuen Schwung in den Abend gebracht hatten. Trotzdem fühlte sie sich nicht wohl. Obwohl der heißeste Typ im Raum gerade mit ihr flirtete. Weil der heißeste Typ im Raum gerade mit ihr flirtete.

„Also. Ja. Danke. War nett, Sie kennenzulernen.“

Kaum merklich runzelte er die Stirn. Als hätte er ihr nicht die Erlaubnis gegeben zu verschwinden. Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass sie mit einem Lachen über die Situation im Lift hinwegging und sich mit seinen Freunden amüsierte. Aber auch wenn sie ganz gut ein bisschen Aufmerksamkeit für ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein gebrauchen konnte, war dieser Mann ganz sicher nicht der Richtige dafür.

„Tommy.“ Es war eher ein Knurren als eine Einladung. Und schon stand der Kerl vor ihr, der ihr im Fahrstuhl so nah gekommen war.

„Tut mir leid, was eben passiert ist“, sagte er.

„Vergessen Sie’s“, schnitt sie ihm das Wort ab und sah sich suchend nach einem Fluchtweg um.

Doch die Dinge nahmen bereits ihren Lauf. Alle möglichen Mädchen umringten die Gruppe, flirteten mit den neu Angekommenen und verwickelten sie in Gespräche. Jede von ihnen war eine Schönheit, ob blond und groß, dunkel und heißblütig oder mit zartem Elfenbeinteint. Sind all diese Frauen einsam? Oder bin ich eventuell auf einer ganz anderen Art von Party gelandet?

Tommy hatte längst zwei der Frauen mit Beschlag belegt, und auch die anderen Jungs hatten glänzende Augen, als wären sie mitten in einer Weihnachtsbescherung gelandet.

Oh, nein! Vermutlich glaubte Dan Ryan jetzt, sie wäre ebenso leicht zu haben wie die anderen Mädchen. Und – schlimmer noch – wahrscheinlich hielt er genau nach diesem Typ Frau Ausschau. Höchste Zeit, das Weite zu suchen.

„Ich muss jetzt wirklich los.“ Keinen Moment länger wollte sie hierbleiben.

„Warten Sie.“ Er griff nach ihrer Hand. „Warum bleiben Sie nicht noch ein bisschen?“

„Tut mir leid. Wie ich schon sagte – dies ist nicht meine Art von Party.“

Stirnrunzelnd ließ er den Blick schweifen. „Ja, ich weiß, was Sie meinen. Tatsächlich hatte ich auch etwas anderes erwartet.“

Dann sah er Georgia lange mit seinen stahlblauen Augen an, als könnte er sie dadurch zwingen zu bleiben.

„Suchen wir uns doch etwas … Zivilisierteres.“

Sie versuchte, sich von seinem Blick zu lösen. Diese Augen waren von einem derart klaren Blau, keine Spur von kleinen grauen Wölkchen oder einem Hauch von Moosgrün. Es wäre möglich, Stunden damit zu verbringen, nur in diese blauen Augen zu sehen und nach einem winzigen Makel zu suchen. Aber sie wollte in ihrem Leben keine Zeit mehr verschwenden, sondern es endlich wieder in die richtige Spur bringen. Genug Geld verdienen, um Babs den Kredit zurückzuzahlen, und dann einen Flug buchen, um endlich wieder nach Hause zu fahren – das war das Einzige, was im Moment zählte.

„Vielen Dank, aber ich werde lieber nach Hause gehen. Ich bin nicht in der Stimmung zu feiern.“

Wieder ließ er seinen Blick durch die Suite gleiten und sah sich nach seinen Freunden um.

Als Georgia sich ebenfalls umsah, stellte sie fest, dass jeder von ihnen ziemlich zielstrebig darauf zusteuerte, eine heiße Nacht mit einer der Partyschönheiten zu verbringen. Das hier war keine Singleparty – es war ein Sexgelage.

„Geben Sie mir eine Minute“, bat er. „Ich muss mich gerade noch mit meinen Freunden absprechen. Sie haben keine Ahnung, wo sie hier hineingeraten sind. Und dann sehen wir mal, wie wir Ihre Laune verbessern können.“

Seit ihr klar geworden war, was hier vorging, wollte sie keine Minute länger bleiben. Und sie hatte auch keine Lust, in dieser Umgebung auf einen Mann zu warten – egal, wie großartig er war.

Seine Freunde wirkten nicht gerade begeistert von dem, was er ihnen sagte. Und einige der Frauen warfen ihr finstere Blicke zu.

Es war definitiv Zeit zu gehen. Sie schob den Riemen ihrer Tasche über die Schulter, straffte sich und wandte sich um.

Von der Tür her hörte sie ein lautes Geräusch, und plötzlich waren einige der Gäste verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Verwirrt sah sie sich um. Männer in Uniform. Polizisten. Oh nein – konnte es tatsächlich noch schlimmer kommen?

In diesem Moment tauchte Dan Ryan wieder neben ihr auf und griff nach ihrer Hand.

„Was ist los? Warum ist die Polizei hier?“, fragte sie.

„Ich kann mir nur einen triftigen Grund vorstellen – und der beruhigt mich nicht gerade. Kommen Sie.“

Er klang verstimmt, nein, eher furchterregend. Unwillkürlich presste sie sich dichter an ihn, als könnte er ihr Sicherheit geben.

Hastig zog er sie zur Treppe. Ihre Absätze klapperten auf dem Marmor, während sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten.

„Vielleicht irre ich mich, aber wahrscheinlich sind wir auf einer unerlaubten Party gelandet, und jemand hat vergessen, den entscheidenden Personen Schmiergeld zu zahlen. Das würde auch erklären, warum hier mehr im Angebot war als nur ein paar Kanapees.“

„Was wollen Sie damit sagen? Ich hatte schon das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Hören Sie – ich bin Erzieherin, ich kann es mir nicht leisten, meinen guten Ruf zu ruinieren.“

„Niemand von uns kann sich das leisten, Georgia, das können Sie mir glauben.“

Er öffnete eine Tür, und sie landeten auf dem breiten, umlaufenden Balkon. Einige Gäste lagen entspannt in den Loungesesseln, ahnungslos, dass drinnen eine Razzia begonnen hatte.

Georgia fühlte sich wie in einem Albtraum. Sie hatte Verpflichtungen, insbesondere Babs gegenüber – ihrer Lebensretterin, die alles getan hatte, um sie wieder aufzurichten und ihr ein Zuhause zu bieten. Das Vertrauen, das Babs ihr entgegenbrachte, durfte sie nicht aufs Spiel setzen.

„Sie verstehen mich nicht – wenn ich meinen Job verliere oder ins Gefängnis muss, bin ich erledigt.“

„Ich habe nicht vor zuzulassen, dass irgendjemand eingesperrt oder arbeitslos wird. Hier entlang. Ich weiß, wo wir in Sicherheit abwarten können.“

Zielstrebig zog er sie über einen weichen, violetten Teppich. Ihre hohen Absätze versanken förmlich darin, und sie strauchelte. Missbilligend sah Dan sie an und hielt sie fest. Über ihnen rumorte es.

„Was ist mit Ihrem Team?“, erkundigte Georgia sich.

„Ich habe allen genau gesagt, was sie sagen und tun sollen, falls sie in Schwierigkeiten geraten. Solange sie sich daran halten, wird ihnen nichts passieren.“ Einen Moment hielt er inne und sah sie an. „Und auch Ihnen wird nichts passieren, Georgia.“

Das konnte sie nur hoffen. Als sie in Dubai angekommen war, hatte man sie gewarnt – genau wie alle anderen –, auf keinen Fall mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Sie arbeitete an einer internationalen Privatschule mit äußerst hohen Standards und konnte jederzeit gefeuert werden.

Wer würde ihr schon glauben, dass sie unschuldig war? Immerhin sah sie mit ihrem engen Kleid und dem vielen Make-up nicht anders aus als die Frauen da drinnen. Wenn die Polizei sie schnappte, war alles vorbei.

Georgia erkannte, dass sie in einem der Hotelflure gelandet waren, der Etagennummer nach zu urteilen ein Stockwerk tiefer als zuvor. Vor einer perlmuttglänzenden Tür stoppte Dan. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Hinter der Tür lag der Eingang zu einem privaten Fahrstuhl.

„Hier hinein.“

Kurz zögerte sie. Konnte sie ihm trauen?

Beruhigend drückte er ihre Hand. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich kenne genug Leute hier, um Sie aus der Schusslinie zu bringen. Okay?“

Da nickte sie entschlossen und folgte ihm.

Die Türen schlossen sich, und der Fahrstuhl bewegte sich aufwärts. Als er wieder hielt, vermutete Georgia, dass sie ganz oben im Gebäude angekommen waren.

Lautlos glitten die Türen auf und …

Wow! Die Präsidentensuite könnte nicht besser aussehen. Georgias Blick ging zu der Glasfront, die einen atemberaubenden Blick auf die Stadt bot. Auf der gegenüberliegenden Seite standen ausladende Sofas, daneben kostbare Leuchter. Der große Raum bot Platz für einen Flügel und einen langen Esstisch. Eine Treppe führte zu einer Dachterrasse und zu weiteren Räumen auf einer Empore. Es schien, als wenn selbst die Luft, die sie hier atmete, kostbarer war als anderswo.

„Ist es okay, wenn wir hier abwarten, bis der Sturm vorüber ist?“ Dan bewegte sich mit einer Sicherheit, als wäre er hier zu Hause.

Noch immer fühlte Georgia sich unwohl. Sie war es nicht gewohnt, in Schwierigkeiten zu geraten. Eigentlich wusste sie ganz genau, was richtig war und was falsch. Der einzige große Fehler, den sie jemals begangen hatte, war der Glaube an das Märchen einer Verlobung.

„Hey, es ist alles in Ordnung.“ Dan drehte sich zu ihr um und stoppte, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Beruhigend streichelte er ihre Arme.

Sie versuchte, sich ihre Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. „Mein Job ist alles, was ich habe. Den darf ich nicht verlieren.“

Wortlos nickte er, und seltsamerweise fühlte sie sich beruhigt. Eigentlich gab es keinen Grund, ihm zu vertrauen, doch ihre innere Stimme sagte ihr, dass sie hier weitaus besser aufgehoben war als auf der Party. Und es war nicht nur die Sicherheit, die er ausstrahlte. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich von ihm angezogen fühlte.

Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Erst da bemerkte sie, dass er gedankenverloren auf ihren Mund sah.

Plötzlich schüttelte er den Kopf, atmete tief durch und wies auf die Sitzecke. „Machen Sie es sich gemütlich. Ich muss kurz telefonieren.“

Seine Stimme war leise, melodisch und beruhigend. Dennoch spürte sie, welch eine Energie von ihm ausging.

Als sie sich setzte, fühlte sie sich in den weichen Seidenkissen seltsam geborgen. Eine kleine Leuchte, die an Aladins Wunderlampe erinnerte, spendete ein warmes Licht.

Noch immer lag seine Hand auf ihrem Arm. Dann ließ er seine Finger sanft weiter nach oben gleiten und hob ihr Kinn. Sie sah ihn an, und in seinen Augen erkannte sie Stärke, Unbeugsamkeit.

Dan schüttelte den Kopf, als könnte er sich selbst nicht erklären, was er hier tat. Ganz kurz nur fuhr er mit den Fingerspitzen über ihre Lippen, dann wandte er sich ab und tippte eine Nummer in sein Telefon.

„Sarwar? Hey, hier ist Dan. Du musst mir einen Gefallen tun …“

2. KAPITEL

Eigentlich war es eine seiner leichtesten Übungen, Gefahrensituationen zu entschärfen. Normalerweise war er ziemlich stolz auf dieses Talent. Für seine Arbeit war diese Eigenschaft allerdings auch unerlässlich. Er hatte den Ruf, haargenau und bis ins Detail durchgeplante Entscheidungen zu treffen, und mittlerweile war er überall als Experte gefragt.

Was also war in ihn gefahren, dass er sich im Penthouse vom Al-Jafar mit dieser rothaarigen Schönheit versteckte, die vom ersten Moment an, seit er sie gesehen hatte, nichts als Ärger machte?

Schon als sie aus ihrem Wagen gestiegen war, hatte sie ihn beeindruckt. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal bemerkt, dass ein anderer Hotelgast seine Leichtmetallfelgen am Bordstein ruiniert hatte, weil er beim Einparken nur Augen für sie gehabt hatte. Und auch von anderen Männern war ihr Auftritt nicht unbemerkt geblieben. Dan hatte noch nie eine Frau gesehen, die sich ihrer sexuellen Anziehungskraft so wenig bewusst war wie Georgia.

Tommy hatte sie im Lift angestarrt wie in Trance. Auch wenn ihr Kleid hochgeschlossen war und bis über die Knie reichte – immerhin waren sie in Dubai –, hatte es ihre Reize nicht wirklich verhüllen können. Ein Körper wie dieser würde selbst in einem Zelt noch sexy wirken.

Er selbst hatte sich ebenfalls zusammenreißen müssen, den Blick geradeaus zu halten. Hier ließ man sich in der Öffentlichkeit einfach nicht dazu hinreißen, einer Frau auf den Busen zu starren, und sei er noch so attraktiv.

Jetzt aber hatte Dan sich in eine wirklich schwierige Lage gebracht. So hatte er sich den Abend nicht vorgestellt, als er die Einladung zur Party angenommen hatte. Eigentlich hatte er vermutete, bei seinen Geschäftspartnern hätte es sich mittlerweile herumgesprochen, dass er keinen Wert darauf legte, sich seine Aufträge auf diese Weise versüßen zu lassen. Er wusste, dass es üblich war. Aber ihn widerte es an.

Doch mit Georgia war das etwas anderes. Sie gehörte eindeutig nicht zu der Sorte Frau, die sich normalerweise auf einer Party wie dieser tummelte. Sie hatte beinahe schockiert gewirkt, als sie den Raum betreten hatte. Verwirrt hatte sie sich umgesehen, und es war auf den ersten Blick erkennbar gewesen, dass sie in einer anderen Liga spielte als all die anderen Mädchen. Sie war umgeben von einer gewissen … Würde. Selbst jetzt, in letzter Minute einer Razzia entkommen, wirkte sie unantastbar wie eine Prinzessin.

Später würde er mehr über sie herausfinden, jetzt aber ging es erst einmal nur um Schadensbegrenzung. Er steckte das Telefon wieder in die Tasche. Sarwar würde die Wogen glätten, immerhin war er der Polizeichef. Ihn als Verbündeten zu haben bedeutete einen großem Vorteil.

Diese Sorge also war er schon einmal los. Blieb nur noch die Presse. Die Medien in Dubai hatten ein Talent dafür, Skandale aufzuspüren, und er hatte wenig Lust auf verfängliche Fotos von ihm in der Presse, die im schlimmsten Fall sogar bei seiner Mutter landeten. Zehn Jahre lang hatte er an seinem Erfolg und seinem guten Ruf gearbeitet. Sie war endlich stolz auf ihn. Das würde er sich nicht an einem Abend wieder kaputt machen lassen.

Er war ein hervorragender Ingenieur, das wusste er. Aber ohne die Netzwerke, die er in den vergangenen Jahren geknüpft hatte, wäre er trotzdem nicht so weit gekommen. Obwohl er aus der westlichen Welt stammte, hatte er enge Freunde in den Emiraten.

Nachdenklich betrachtete er Georgia, die noch immer auf der Sofakante hockte, das wunderschöne Gesicht ganz blass vor Sorge. Ihre Bedenken waren nicht berechtigt. Wenn es stimmte, was sie ihm erzählt hatte, musste sie sich noch mehr Gedanken um ihren guten Ruf machen als er.

Als er auf sie zuging, sah er, dass sie die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt hielt.

„Sieht so aus, als müssten wir nur eine Weile hier abwarten“, versuchte er sie zu beruhigen.

„Mit wem haben Sie telefoniert?“

„Mit jemandem, der ziemlich einflussreich ist hier in Dubai. Offensichtlich hat die Polizei beschlossen, Partys wie diese stärker unter die Lupe zu nehmen und nicht länger ein Auge zuzudrücken.“

„Vielleicht hätte Ihr Freund Sie besser warnen sollen, bevor Sie dort auftauchten“, bemerkte sie spitz.

„Allerdings. Aber er weiß, dass ich normalerweise nicht auf diese Art von Partys gehe. Wahrscheinlich hat er deshalb gar nicht daran gedacht.“

Aus einem unerfindlichen Grund war es ihm wichtig, sie zu überzeugen, dass er die Wahrheit sagte. Dabei interessierte es ihn nicht, was andere Menschen von ihm dachten – seine Familie ausgenommen.

„Ich lade meine Mitarbeiter gern ein, wenn sie gute Arbeit geleistet haben. Darum habe ich die Einladung zu der Feier angenommen. Aber ich hatte keine Ahnung, welche Frauen auf der Gästeliste stehen.“

Dan sah, dass sie zögerte. Noch immer wirkte sie misstrauisch und besorgt. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen.

Er trat auf sie zu. „Aber eigentlich bin ich froh, dort gewesen zu sein. Sonst hätte ich Sie nie kennengelernt.“

Bei seinen Worten schluckte Georgia. Dan betrachtete ihren schlanken Hals, die zarte, ebenmäßige Haut, das Heben und Senken ihres Brustkorbs bei jedem Atemzug. Wie gehetzt schaute sie zur Tür und wieder zurück zu ihm. Doch er wusste, dass sie in seinem Penthouse in Sicherheit waren, weit genug entfernt von dem Chaos, das die Razzia vermutlich ausgelöst hatte.

Sarwar hatte ihm erzählt, dass die Frauen verhaftet worden waren. Dabei hatte es ein paar unschöne Szenen gegeben.

„Was meinen Sie, wie lange wir hier warten müssen?“

„Sie können gehen, wann immer Sie möchten. Ich garantiere Ihnen, dass Sie keine Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen. Allerdings wäre es mir lieber, wenn die Medien mich nicht mit diesem Vorfall in Verbindung bringen würden und ich meinen Einfluss nicht geltend machen müsste. Also, was halten Sie davon, wenn wir einfach noch ein bisschen die Aussicht genießen? Lassen Sie uns das Beste aus diesem Freitagabend machen.“

Wieder ließ er seinen Blick über ihr Gesicht gleiten. Ihre Augen waren von einem hellen, klaren Grün. Unter dem Make-up deuteten sich ein paar zarte Sommersprossen an. Ihre Lippen waren voll und … hinreißend. Sinnlich. Dazu dieses dichte, schimmernde rote Haar, das ihr Gesicht perfekt einrahmte. Sie war eine Schönheit.

„Wie wär’s mit einem Drink, Georgia?“, fragte er mit einem aufmunternden Lächeln.

Sie war noch immer viel zu besorgt, um entspannt zu sein. Aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart wohl, das spürte er. Diese Frau war es wert, Zeit zu investieren. Schließlich kreuzte nicht jeden Tag jemand wie Georgia seinen Weg. Und er war schon lange nicht mehr auf der Jagd gewesen.

Er trat an die Bar und sah Georgia fragend an. „Wein? Cocktail? Ich könnte Ihnen einen Martini mixen.“

„Ein Glas Wein wäre wunderbar, danke.“

Nach kurzem Zögern entschied er sich für einen trockenen, fruchtigen italienischen Weißwein. Vielleicht würde ihr der Alkohol die Anspannung ein bisschen nehmen.

Als er ihr das Glas reichte, bewegte sie sich endlich. Sie stand auf und trat neben ihn an die bodentiefe Glasfront. Er sah, wie sie ihn musterte, bis ihr Blick an seinen Lippen hängen blieb. Anscheinend gefiel ihr, was sie sah.

„Lassen Sie uns auf die Dachterrasse gehen. Vielleicht können wir hören, wie das Öl fließt“, witzelte er in Anspielung auf das schwarze Gold, das einen Großteil des Reichtum des Landes begründet hatte.

Ein winziges Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Mir geht es ganz gut hier drinnen. Die Luftfeuchtigkeit ist nicht gerade der beste Freund meiner Frisur. Und ich schätze, mich mit Ihnen zu unterhalten ist spannender als das Sprudeln des Öls.“

Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Sitzecke. „Geht es Ihrem Haar auf dem Sofa besser?“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Auf jeden Fall.“

Ganz eindeutig wurde sie langsam warm. Er sah, wie sich ihre Schultern lockerten, als sie zurückging und sich wieder setzte.

„Sollen wir mit dem obligatorischen Gespräch darüber anfangen, warum und seit wann wir beide in Dubai sind?“ Dan setzte sich neben sie, stellte sein Glas ab und machte es sich bequem. Bis er nicht wusste, dass diese Sache wirklich gut ausging, würde er keinen Alkohol anrühren. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er in so etwas verwickelt war. Und das gerade jetzt, wo seine Verhandlungen mit dem Scheich einen kritischen Punkt erreicht hatten.

Abwartend sah er Georgia an. Als sie nichts sagte, begann er zu erzählen. „Gut, ich mache den Anfang. Daniel Leo Ryan, vierunddreißig Jahre, Mutter Italienerin, Vater Ire. Ich habe eine jüngere Schwester, Frankie, und einen älteren Bruder, Mark. Meine Familie stammt aus der Nähe von Dublin und züchtet dort Pferde. Ich selbst baue allerdings Häuser.“

„Reiten Sie?“, erkundigte sich Georgia.

„Ich habe schon auf einem Pferd gesessen, bevor ich laufen konnte. Das ist so üblich in unserer Familie. Mein Bruder leitet den Zuchtbetrieb gemeinsam mit meinen Eltern. Frankie und ich haben andere Wege eingeschlagen, wie man sieht.“ Wobei sich Frankies Art, den Lebensunterhalt zu verdienen, von Monat zu Monat änderte. „Und Sie? Ganz eindeutig kommen Sie aus England. London?“

Endlich lächelte sie ihn richtig an. Es war ein großartiges Lächeln, das ihre ebenmäßigen weißen Zähne zeigte und ihr Gesicht zum Leuchten brachte.

„Treffer. Aus dem tiefsten East End. Geboren und aufgewachsen in einem Pub mit dem einfallsreichen Namen The Tavern. Mein vollständiger Name ist Georgia Anne Blue, ich bin sechsundzwanzig. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt, darum hat meine große Schwester Babs – sie ist achtzehn Jahre älter als ich – mich großgezogen. Sie war immer für mich da.“

Dan nickte nur. Einen derartigen Zusammenhalt unter Geschwistern konnte er nicht nachvollziehen. Keine Rivalitäten, keine Eifersucht, kein ständiges Vergleichen. Zwei Schwestern, die füreinander da waren.

„Ein ziemlich großes Opfer. Sie stehen sich sehr nah, oder?“

Gedankenverloren drehte Georgia ihr Glas und nickte.

„Absolut. Ich verdanke ihr alles in meinem Leben. Babs führt den Pub sehr erfolgreich, aber sie hat mir immer den Rücken freigehalten, damit ich aufs College gehen konnte.“

Dan dagegen stand mit seinem Entschluss, Ingenieur werden zu wollen, in der Familie ziemlich allein da. Rechtsanwalt, Steuerprüfer, Geschäftsführer – das waren anerkannte Berufe. Und natürlich die Pferdezucht. Seine Geschwister, alle Cousins und Cousinen hatten sich daran gehalten. Nur er war kein gehorsamer Sohn gewesen.

„Hat Babs Ihnen auch vorgeschlagen, Erzieherin zu werden?“, wollte er wissen.

Lachend schüttelte Georgia den Kopf. „Nein, nein. Sie wollte, dass ich einen Beruf wähle, der mich glücklich macht. Ich treibe gern Sport – in meiner Freizeit arbeite ich als Fußball-Trainerin. Aber ich war nie gut genug, um davon leben zu können.“

Sie gefiel ihm immer besser. Er mochte es, dass sie aufrichtig war. In Dubai hatte er mittlerweile so viele Frauen kennengelernt, die von einem Geschäft zum anderen hetzten und deren Leben nur noch aus Glitzer und Glamour bestand. Mit Sicherheit ging auch Georgia gerne shoppen, aber sie hatte Tiefgang. Ja, sie gefiel ihm immer besser.

„Zunächst habe ich als Babysitterin gearbeitet. Aber die Familie wollte gern, dass ich bei ihnen einzog, und das konnte ich nicht. Schon allein bei dem Gedanken bekam ich Heimweh. Dann hat Babs mich ermutigt, mich weiter fortzubilden. So bin ich als Erzieherin in einem Kindergarten gelandet – und jetzt bin ich hier.“

„Aber noch nicht lange, stimmt’s? Ihre Haut wirkt nicht so, als wäre sie schon viel mit Sonne in Berührung gekommen.“

„Ich bin ziemlich vorsichtig. Meine ganze Familie bekommt schnell einen Sonnenbrand.“

Wieder drehte sie ihr Glas in den Händen. Dann schaute sie zur Tür, als wenn sie ein Geräusch gehört hätte. Dan zog sein Handy aus der Tasche. Kein Anruf. Dabei hatte Sarwar versprochen, sich zu melden, sobald die Luft rein war.

„Was hat Sie hierhergeführt, wenn es nicht gerade die Aussicht auf einen Sonnenbrand dritten Grades war?“

Ohne dass sie sich bewegt hatte, spürte er, dass die Anspannung zurückkehrte.

„Die Kurzversion: Ich bin wegen eines Mannes nach Dubai gezogen. Aber es hat nicht funktioniert.“

Einen Moment lang dachte er darüber nach. Es musste jemand Besonderes gewesen sein, wenn sie für ihn ans andere Ende der Welt zog, wenn sie schon bei einem Umzug innerhalb Londons Heimweh bekam. Soll ich es wagen?

„Ich habe Zeit für die lange Version. Aber nur, wenn Sie mögen.“

Georgia schlug die Beine übereinander. Dan hätte schwören können, dass es eine unbewusste Bewegung war, dennoch brachte sie ihre Weiblichkeit damit perfekt zur Geltung. Der kleine Schlitz an ihrem Kleid war aufgesprungen und gab ein winziges Stück ihres Schenkels frei. Diese Frau war heißer als die Wüste. Er riss an seinem Hemdkragen. War die Klimaanlage ausgefallen?

„Es ist keine besonders spannende Geschichte“, begann Georgia nach kurzem Zögern. Sie seufzte, und Dan konzentrierte sich wieder auf ihr Gesicht. „Eine von vielen. Ich hatte mich in den falschen Mann verliebt. Wir waren verlobt. Aber er hat sich von mir getrennt, um eine andere Frau zu heiraten. Mittlerweile ist er, soweit ich weiß, zum dritten Mal verlobt.“

Nicht nachvollziehbar, dachte Dan. Für ihn gab es keinen Grund, sich an eine Frau zu binden, wenn doch die ganze Welt voller weiblicher Schönheiten war. Gut, bei manchen funktionierte es. Bei seinen Eltern zum Beispiel, oder auch bei seinem Bruder. Aber er selbst war kein Mann zum Heiraten. Er hasste die Vorstellung, immer am gleichen Ort mit den gleichen Menschen festgenagelt zu sein.

Vor Jahren hatte er sich eingestanden, nicht so zu sein wie seine Eltern. Er musste raus aus der Enge, und er würde niemals zurückkehren, so viel stand fest. Eine Entscheidung rückgängig zu machen war ein Zeichen von Schwäche.

„Vielleicht hat er Anteile an einer Diamantenmine und möchte einfach seine Schmuckstücke unter die Leute bringen?“, versuchte er, der Geschichte die Schwere zu nehmen.

„Ich glaube eher, ich bin auf das Märchen vom Traumprinzen hereingefallen“, konterte Georgia.

„Grübeln Sie nicht – jeder von uns irrt sich gelegentlich in einem Menschen.“

Über den Tisch hinweg griff er nach ihrer Hand. Wie lang und schlank ihre Finger waren. Es war ein schönes Gefühl, sie zu berühren. Dan spürte ihre unbändige Energie. „Mir ist es auch passiert. Aber letztlich war es gut so, denn durch diese Geschichte habe ich es geschafft, mich von zu Hause zu lösen. Im ersten Moment tut es weh, aber irgendwann erkennt man den tieferen Sinn dahinter.“

Er begann, ihre Hände zu streicheln. Wie zufällig fuhr sie mit der Zunge über ihre Lippen, und er konnte es nicht vermeiden, auf ihren vollen, rosigen Mund zu starren. Dann ließ er den Blick weiter nach unten schweifen. Wurden ihre Brustknospen tatsächlich hart? Nicht nur die, stellte er fest. Zwischen ihnen knisterte es gewaltig. Dabei hatte er sie noch nicht einmal geküsst.

Sie schaute zur Seite und trank einen Schluck Wein. „Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber es wird Zeit, dass ich wieder nach Hause komme.“

„Was hält Sie dann hier?“, erkundigte er sich.

„Finanzielle Probleme.“ Herausfordernd sah sie ihn an. „Das liebe Geld. Es ist wegen Babs. Sie hat ziemliche Schulden.“ Georgia seufzte. „Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet Ihnen das alles erzähle. Irgendwann hat Babs einen Mann kennengelernt und ihm die Hälfte des Pubs überschrieben. Außerdem hat sie ihn mit seiner Baufirma finanziell unterstützt. Eines Tages war er auf und davon, mit einer Jüngeren. Die Firma war pleite, und Babs hatte für ihn gebürgt.“

Sie hielt den Blick gesenkt. Behutsam griff Dan nach ihrem Glas und stellte es auf den Tisch.

Hastig wischte sie sich über die Augen. „Es geht schon.“ In ihren Augen standen Tränen, dennoch zwang sie sich zu lächeln. „Ich vermisse sie so. Am liebsten würde ich sofort nach Hause fahren. Aber ich verdiene hier so viel besser als in England, dass ich bleiben will, bis ich ihre Schulden beglichen habe. Sechzigtausend Pfund.“

Sie war nicht nur wunderschön, sondern auch noch selbstlos. Ohne nachzudenken, stand Dan auf, um sie in seine Arme zu ziehen.

Die Einsamkeit, unter der sie litt, hatte er auch erlebt, als er nach Dubai gekommen war. Allerdings hatte sie ihm gefallen. Für ihn war es der Beweis gewesen, endlich den ersten Schritt gemacht zu haben. Mittlerweile liebte er Dubai. Das pulsierende Leben, den ständigen Antrieb, das Tempo. Manchmal jedoch war seine Sehnsucht nach Regen und dem Geruch von Moos und Wäldern so groß, dass er sich in einen Flieger nach Irland setzte. Doch sobald seine Familie Wind davon bekam, dass er in der alten Heimat war, flog er schnellstmöglich wieder zurück.

Aber Georgia war ein Familienmensch. Und jetzt war sie in eine Situation geraten, die sie im schlimmsten Fall ins Gefängnis bringen konnte. Kein Wunder, dass ihr das zusetzte.

Als er seinen Griff verstärkte, spürte er, wie sie sich versteifte.

„Es geht mir gut, wirklich“, beteuerte sie.

„Trotzdem braucht jeder Mensch manchmal ein bisschen Trost. Wir sind beide weit weg von zu Hause. Und ich weiß, wie es ist, wenn man seine Schwester vermisst. Mir geht es manchmal auch so.“

Anscheinend hatte er die richtigen Worte gefunden, denn nun schmiegte sie sich in seine Arme. Er zog sie an sich, spürte ihren Kopf an seiner Brust, strich mit der Hand sanft über ihren Rücken. Noch immer erwiderte sie seine Umarmung nicht, sondern ließ sich einfach halten.

„Tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.“ Georgia löste sich von ihm, und er merkte, dass sein Hemd an der Brust ganz feucht war von ihren Tränen. Eine Frau weinen zu sehen war das Einzige, was er nicht ertrug.

„Kein Problem.“

Ihre grünen Augen, in denen noch immer Tränen standen, sahen aus wie kleine Waldseen. Wieder zitterte ihr Kinn, und sie schmiegte den Kopf an seine Brust. Dieses Mal schlang sie die Arme um ihn.

„Schsch.“ Er versuchte, sie zu beruhigen. Dabei war es ein Spiel mit dem Feuer, ihren Körper an seinem zu spüren. Als er den Kopf senkte, nahm er ihren Duft wahr – blumig mit einer feinen Würze. Unter dem dünnen Stoff des Kleids erahnte er ihren schlanken, zarten Körper. Ihre Kurven waren atemberaubend. Und sein Körper reagierte extrem auf sie.

Vielleicht spürte sie, was in ihm vorging, denn sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihn, als suchte sie nach einem Zeichen, dass sie ihm vertrauen konnte.

Es würde wundervoll sein, ganz langsam anzufangen. Seine Lippen auf ihre zu legen und ihre Form vorsichtig zu ertasten. Doch noch während Dan es sich vorstellte, überwältigte ihn sein Verlangen. Ohne darüber nachzudenken, griff er in ihre rote Mähne und bog ihren Kopf zurück. Wild, nicht sanft.

Erschrocken keuchte sie auf, stöhnte aber gleich darauf und erwiderte seinen Kuss mit einer Leidenschaft, die sein Blut zum Kochen brachte.

Was für ein Kuss.

Als er sie an sich presste, bog sie sich ihm entgegen, bis er ihren Busen an seinem Oberkörper spürte. Er war kurz davor, die Kontrolle zu verlieren. Lustvoll knetete er Georgias Brüste, genoss die Fülle, die Härte ihrer Knospen unter dem weichen Stoff des Kleids. Dann hielt er es nicht mehr aus. Er griff in den Ausschnitt, um ihre Brüste pur zu spüren.

„Dan – hör auf!“

Sie stieß ihn weg. Verwirrt und noch völlig benebelt vor Verlangen sah er sie an.

„Ich habe ein Geräusch gehört“, flüsterte sie und zog ihr Kleid zurecht.

Sie konnte doch nicht jetzt aufhören. Er war fassungslos.

„Wir sind im Penthouse. Hier kommt niemand einfach so rein“, erklärte er.

Noch immer lauschte sie, die Augen weit offen vor Angst.

„Du bist hier in Sicherheit, vertrau mir.“

Es klopfte an der Tür.

Georgia trat noch einen Schritt zurück und sah zur Tür. „Das ist bestimmt die Polizei.“

„Beruhige dich, hier passiert dir nichts.“

Doch sie war panisch. Wieder klopfte es. Kopfschüttelnd ging Dan zur Tür und öffnete. Zwei Polizisten standen vor ihm und erklärten, die Razzia sei vorbei. Sarwar hatte also Wort gehalten.

„Was ist los?“, wollte Georgia wissen, als er zurückkehrte. „Kann ich gehen?“

„Keine Gefahr mehr. Wenn du gehen möchtest, kannst du das jederzeit tun.“

Erst jetzt schien sie zu begreifen. „Oh …“

Doch während er sich noch immer nicht wieder ganz gefasst hatte, schien sie längst mit ihren Gedanken woanders zu sein.

„Ich … ich denke, ich sollte besser aufbrechen und diesen Abend so schnell wie möglich vergessen“, sagte sie.

Sie denkt, sie sollte aufbrechen?

„Ich würde das hier gern noch zu Ende bringen“, entgegnete er.

Verlegen senkte sie den Blick und betrachtete ihre Schuhe. Rote High Heels. Die perfekten Schuhe für einen Freitagabend.

„Soll ich dich irgendwo hinbringen?“, bot er mit dem letzten Rest Selbstbeherrschung an.

„Nein danke. Mein Wagen steht vor dem Hotel.“

„Gut. Dann begleite ich dich noch nach unten.“

Wortlos gingen sie zum Lift. Vor den bodentiefen Fenstern versank gerade die Sonne golden im Persischen Golf. Die Glasfassaden der Hochhäuser ringsum spiegelten das Licht gleißend hell und zeugten von Reichtum und Erfolg. Einige der Gebäude stammten von ihm, und er war stolz darauf, dieser Stadt seinen Stempel aufgedrückt zu haben.

„Wir sollten vielleicht nicht direkt in die Lobby fahren, sondern uns erst überzeugen, dass der Spuk vorbei ist“, schlug Dan schließlich vor.

Sie hielten erst in der Etage, wo die Party in der Jumeirah-Suite stattgefunden hatte. Sie war menschenleer, nur die vielen Gläser und Flaschen zeugten noch von einer ausgelassenen Feier.

Georgias Schuhe klapperten auf dem Marmor. Unwillkürlich streckte Dan seine Hand aus und griff nach ihrer. Von unten drang Stimmengewirr herauf – die üblichen Geräusche in einem gut besuchten Hotel.

Vor dem Fahrstuhl blieben sie stehen. Einem Impuls folgend, zog Dan Georgia an sich. Doch sie sträubte sich. Damit hatte er nicht gerechnet. Als der Aufzug kam, stieg sie mit gesenktem Kopf ein.

Dan folgte ihr, drückte den Knopf, und die Türen schlossen sich.

„Alles klar?“

Stumm nickte sie.

Als sie in der Lobby ankamen, versuchte Dan noch einmal, nach ihrer Hand zu greifen. Doch sie schüttelte den Kopf.

„Dan … Es war … Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir aus der Patsche geholfen hast. Aber jetzt möchte ich nur noch nach Hause und vergessen, was heute Abend passiert ist.“

Förmlich reichte sie ihm die Hand, und am liebsten hätte er laut aufgelacht. „Gern geschehen, Georgia. Du bist eine tolle Frau. Ich weiß es zu schätzen, dass ich dir helfen konnte.“

„Es war schön, dich kennenzulernen.“

Beinahe hätte er sie tatsächlich so gehen lassen. Beinahe. Aber nicht nach diesem leidenschaftlichen Kuss, der ein Versprechen auf heißen Sex gewesen war. Das konnte noch nicht alles gewesen sein.

Spontan zog er sie zurück in den Fahrstuhl, wo niemand sie sehen konnte, und küsste sie hart und voller Begehren.

Will sie sich wirklich per Handschlag von mir verabschieden?

Er küsste sie genau bis zu dem Moment, als er sie aufstöhnen hörte und spürte, wie sie in seinen Armen weich und nachgiebig wurde. Dann ließ er sie los und lächelte.

Doch sie sah ihn nur an. „Mach’s gut, Dan.“ Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und ging.

Er sah ihr nach, wie sie mit schwingenden Hüften verschwand. Und in diesem Moment wusste er, dass er den Abend nie vergessen würde.

Als er sich schon zum Gehen wandte, entdeckte er plötzlich die Fotografen, die in der Lobby lauerten, die Kameras getarnt, aber doch jederzeit bereit abzudrücken. Verdammt …

Mit zwei großen Schritten war er neben Georgia und zog sie zurück. „Komm mit.“

„Lass mich, Dan. Ich dachte, wir …“

„Keine Zeit für Diskussionen. Da vorn sind jede Menge Paparazzi. Und wenn du morgen nicht dein Bild in allen Zeitungen sehen willst, solltest du besser nicht allein an ihnen vorbeigehen.“

Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an, und wieder war da dieses Gefühl in seiner Magengrube. Dieser Beschützerinstinkt. Wie selbstverständlich nahm er ihre Hand in seine und ging munter weiter. Sie kamen an dem Springbrunnen vorbei. Nickten anderen Gästen zu. Ließen sich vom Hotelpagen die Tür öffnen. Und erreichten die schützende Dunkelheit der Nacht.

3. KAPITEL

Gerade noch hatte Georgia gedacht, alles sei endlich überstanden. Der Schock der Party. Die Razzia. Die Flucht. Der Mann. Der Mann

Sie spürte, wie seine Finger ihre umschlossen. Kraftvoll und unnachgiebig. Mühsam versuchte sie, mit ihm Schritt zu halten, und ging hoch erhobenen Kopfes zu den parkenden Autos. Doch dort wartete ein weiterer Tross Fotografen.

„Da sind noch welche“, warnte sie ihn mit Panik in der Stimme.

„Jepp. Dort steht mein Wagen.“

„Ich habe selbst ein Auto hier“, widersprach sie.

„Das weiß ich. Aber darüber möchte ich jetzt nicht diskutieren. Steig einfach ein und lass uns hier verschwinden.“

Kurz schwankte sie. Natürlich konnte sie den Pagen bitten, ihren Wagen vorfahren zu lassen. Aber die Selbstsicherheit, die Dan ausstrahlte, überzeugte sie. Außerdem hatte sie keine Lust, den Paparazzi allein ausgesetzt zu sein.

Er fuhr einen schnittigen schwarzen Sportwagen. Erleichtert ließ sie sich in den Ledersitz fallen und musterte Dans Gesicht. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, und er wirkte weitaus gefasster als sie. Dennoch spürte sie, dass sich etwas verändert hatte.

„Wohin fahren wir?“, wollte sie wissen.

„Ich will versuchen, den Schaden zu begrenzen.“

„Welchen Schaden?“

„Das weiß ich auch noch nicht genau.“

„Du machst mir Angst, und dabei tust du so, als wären wir unterwegs zu einem Picknick.“

„Nein, ein Picknick wird es ganz sicher nicht werden. Aber du musst auch keine Angst haben“, versicherte er.

Die Straßenlaternen hüllten sein Gesicht in ein diffuses Licht, und sie betrachtete ihn verstohlen von der Seite. Schweigend rasten sie über die breiten Straßen, überholten mühelos Taxis, Geländewagen, große Laster und glitten vorbei an den Wolkenkratzern. Dan war ein sicherer Fahrer, und Georgia ließ sich tiefer in den Ledersitz sinken.

„Anscheinend folgt uns niemand“, stellte er nach einer Weile fest.

Entsetzt starrte sie ihn an. „Hast du das etwa erwartet?“

Er hob die Schultern. „Wäre möglich gewesen.“

Ihr Herz machte einen Satz. „Warum? Wer sollte sich für uns interessieren? Weshalb sollte uns jemand verfolgen?“

„Wenn die Paparazzi die Frauen und Geliebten der Promis durchhaben, fangen sie an, sich für die Reichen zu interessieren.“ Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte er das Lenkrad. „Und reiche Ausländer – begleitet von schönen Ausländerinnen – sorgen immer für Aufmerksamkeit. Das verkauft sich gut.“

„Aber du hast behauptet, wir wären nicht in Gefahr.“

„Nicht, was die Polizei betrifft. Aber wenn die Medien uns mit dieser Razzia in Verbindung gebracht hätten, wäre sowohl dein Ruf als auch meiner ruiniert.“

Plötzlich fühlte sie sich elend. „Das heißt also, es besteht noch immer die Gefahr, dass ich meinen Job verliere?“

Er nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie auf ihre. Beruhigend streichelte er sie. „Allerdings. Und dann könnte ich den größten Auftrag meines Lebens vergessen. Genau deshalb müssen wir aufpassen, dass uns niemand entdeckt.“

Mit unverminderter Geschwindigkeit wechselte er die Spur und bog in eine andere Hauptstraße ab. Wenig später fuhr er langsam über die palmengesäumte Auffahrt eines anderen exklusiven Hotels.

„Hier gibt es garantiert keine Paparazzi. Komm mit.“

Noch ehe Georgia die Tür öffnen konnte, stand ein Page bereit. Im gleichen Augenblick war Dan neben ihr und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Wagen zu helfen. Zielstrebig führte er sie zum Eingang, und noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, saß sie an der Bar mit einem Mineralwasser vor sich.

Dans Handy klingelte, und mit einem entschuldigenden Lächeln wandte er sich ab. Dieser Mann legte ein Tempo an den Tag, bei dem sie einfach nicht mitkam. Seine Gedanken waren ebenso rasant wie sein Wagen. Sie beobachtete, wie er schnell ins Telefon sprach, die Miene ernst und konzentriert.

Habe ich wirklich geglaubt, ich könnte einfach wieder in mein altes Leben zurückkehren, nachdem ich den attraktivsten und intelligentesten Mann kennengelernt habe, der mir je begegnet ist?

Er war zu viel für sie. Zu intensiv. Der Kuss hatte sie völlig aus der Bahn geworfen, und sie wollte sich lieber nicht vorstellen, wie es ihrem Herzen ginge, wenn sie noch mehr Zeit mit Dan verbrachte. Sie musste sich von ihm lösen, sofort. Am besten brachte er sie gleich zurück zu ihrem Wagen oder in ihre Wohnung.

Kopfschüttelnd zog sie ihr Smartphone aus der Tasche und sah ihre Nachrichten durch.

Sie musste unter Schock gestanden haben, nur so war ihr Verhalten heute Abend zu erklären.

Sobald es nach Ärger riecht, sieh zu, dass du nach Hause kommst, hatte Babs ihr immer eingeschärft. Und genau das hätte sie tun sollen. In dem Moment, als ihr klar geworden war, dass mit dieser Party etwas nicht stimmte, hätte sie gehen müssen. Auf keinen Fall hätte sie sich von Dan Ryan ablenken lassen dürfen.

Nachdenklich betrachtete sie ihn. Er war ein toller Mann. Einfach großartig. Aber wenn es schlecht lief, würde diese Begegnung ihre Zukunft ruinieren.

Noch immer telefonierte er und ging dabei ruhelos auf und ab. Dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, ballte eine Faust. Es sah nicht so aus, als plaudere er fröhlich.

Sie überflog die Schlagzeilen im Internet.

Oh. Mein. Gott.

Das also hatte er gemeint. Fassungslos stand sie auf, und als sich ihre Blicke trafen, formte er mit den Lippen eine Frage. Dann kam er auf sie zu.

„Was ist los?“, fragte er, während er sein Telefon einsteckte.

Wortlos reichte sie ihm das Smartphone.

Er überflog die Titel, betrachtete die Fotos. „Treffer. Genau das hatte ich befürchtet.“

Jemand hatte sie fotografiert, als sie Hand in Hand in dem gläsernen Lift geflohen waren. Ein anderes Bild zeigte sie in dem Moment, als sie sich an seinem riesigen Panoramafenster geküsst hatten. Anscheinend hatte sich einer der Paparazzi auf dem Dach des Nachbarhotels positioniert. Und dann kamen Schnappschüsse von der Razzia, dem Polizeiaufgebot, den verhafteten Frauen und den Gästen, die fluchtartig das Hotel verließen.

„Zum Glück gibt es keine Fotos von uns auf der Party. Und so wie es aussieht, kann ich auch die Namen meiner Mitarbeiter – und der Firma – da raushalten. Wenigstens etwas.“

„Und es gibt wirklich nur diese Fotos? Keine verfänglicheren?“, vergewisserte sie sich, während sie weiter mit dem Finger über ihr Display fuhr.

„Georgia – wir sind in dem Fahrstuhl zu sehen und in einer Situation, in der wir uns fast die Kleider vom Leib reißen. Und das in Dubai. Ein Stockwerk über einer nicht genehmigten Party. Ich bin kein Unbekannter, und du bist eine schöne Frau. Sieh den Tatsachen ins Auge: Wir sind Stadtgespräch.“

Langsam däm...

Autor

Bella Frances
Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Bella Frances ihre Leidenschaft für romantische Geschichten – zwischen Strickmusterbögen und Rezepten in den Zeitschriften ihrer Großmutter. Ganz und gar mitgerissen aber war sie erst, als sie in einem langen, heißen Sommer nach ihrem ersten Abschluss in englischer Literatur die Romane von Mills &...
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Stefanie London
<p>Stefanie London stammt ursprünglich aus Australien. Mittlerweile lebt sie allerdings mit ihrem ganz eigenen Helden in Toronto und liebt es, die Welt zu bereisen. Bei jeder Gelegenheit frönt sie ihrer Leidenschaft für Lippenstift, guten Kaffee, Bücher, und alles was mit Zombies zu tun hat.</p>
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Andie Brock

Schon als kleines Mädchen hatte Andie Brock eine blühende Fantasie. Während sie ihrer Familie erstmals im Alter von vier Jahren ihre unsichtbaren Freundinnen vorstellte, nutzt sie ihre kreative Energie inzwischen für ihre Romane. Die imaginären feenartigen Freundinnen sind längst ausgetauscht worden; im Mittelpunkt von Andies höchst emotionalen, romantischen Geschichten stehen...

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