Julia Exklusiv Band 384

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FLITTERWOCHEN MIT DEM FEIND von MELANIE MILBURNE

Draco Papandreou ist ihr Feind, solange sie denken kann – jetzt muss Allegra ihn heiraten! Aber eins wird er nicht bekommen, schwört sich die verkaufte Braut: ihren Körper. Doch auf Dracos weißer Jacht überfällt sie maßlose Angst. Wie soll sie in den Flitterwochen nur seiner sinnlichen Ausstrahlung widerstehen?

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  • Erscheinungstag 04.01.2025
  • Bandnummer 384
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533867
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne

1. KAPITEL

Allegra Kallas erwartete weder einen ausgerollten roten Teppich noch eine Blaskapelle. Sie war es gewohnt, dass man wenig Aufhebens machte, wenn sie heim nach Santorin kam. Was sie jedoch erwartete, war die übliche Gleichgültigkeit ihres Vaters. Sein höfliches, aber nur vorgetäuschtes Interesse an ihrer Arbeit als Anwältin für Familienrecht in London. Und seine gequälte Miene, wenn sie ihn darüber informierte, dass sie immer noch Single war. Was für den griechischen Vater einer Tochter von einunddreißig Jahren einer unheilbaren Krankheit gleichkam.

Deshalb war sie erstaunt, dass eine Flasche Champagner im Eiskübel auf sie wartete, zusammen mit drei Kristallgläsern auf einem Silbertablett. In den Eiskübel war das Wappen der Familie Kallas eingraviert. Allegra fragte sich, warum ihr Vater es so wunderbar fand, sie wieder bei sich zu Hause zu wissen, dass er sie mit Champagner begrüßte.

Wunderbar?

Nichts an Allegra war für ihren Vater wunderbar. Absolut nichts. Was ihn begeisterte, waren seine junge Frau Elena – nur zwei Jahre älter als Allegra – und der gemeinsame Sohn Nico, der gerade erst auf die Welt gekommen war. Die beiden wurden offenbar erst am Abend zurückerwartet, weil Elena ihre Eltern besuchte. Und da die Taufe des kleinen Nico erst am nächsten Tag stattfinden würde …

Für wen war das dritte Glas?

Allegra nahm ihre Umhängetasche von der Schulter und warf sie auf das Ledersofa neben sich, während sich ihr die Nackenhaare aufstellten. „Was soll das denn?“

Ihr Vater lächelte, doch wie meistens in ihrer Gegenwart erreichte das Lächeln seine Augen nicht. Vielmehr glich es einer Grimasse, als würde er an einer Magenverstimmung leiden. „Darf ein Vater sich denn nicht freuen, wenn er sein eigen Fleisch und Blut wiedersieht?“

Wann hatte er sich je gefreut, sie zu sehen? Und wann hatte sie sich je als wertvolles Mitglied der Familie gefühlt? Doch sie wollte nicht an den alten Wunden rühren. Nicht an diesem Wochenende. Sie war wegen der Taufe gekommen und würde gleich am Montagmorgen zurück nach London fliegen. Länger hielt sie es hier nicht aus.

Sie warf einen Blick auf die Gläser. „Für wen ist denn das dritte Glas? Kommt noch jemand?“

Auch wenn die Miene ihres Vaters sich nicht veränderte, hatte Allegra das Gefühl, dass er sich aus irgendeinem Grund unwohl in seiner Haut fühlte. Er benahm sich seltsam. Nicht nur, weil er sie so überschwänglich begrüßt hatte. Er sah auch ständig auf die Uhr und zupfte an seinen Manschetten herum, als seien sie zu eng. „Ja, es kommt tatsächlich jemand. Er wird jeden Moment da sein.“

Allegra hatte das Gefühl, als hätte sie einen Schlag mit einem Pferdehuf gegen die Brust bekommen. „Er?“

Das Lächeln ihres Vaters verblasste, und sein Blick hatte etwas Einschüchterndes. „Ich hoffe, du machst keine Schwierigkeiten. Draco Papandreou ist …“

„Draco kommt her?“ Wieder bekam sie einen Tritt, doch diesmal trug der Pferdehuf Stahlkappen. „Aber warum?“

„Elena und ich haben ihn gebeten, Nicos Taufpate zu sein.“

Allegra zuckte zusammen. Für sie war es eine große Ehre gewesen, als ihr Vater und seine Frau sie gebeten hatten, Nicos Taufpatin zu werden. Sie hatte angenommen, dass es Elenas Idee gewesen war, nicht die ihres Vaters. Doch sie hatte nicht gewusst, dass Draco ebenfalls Taufpate sein würde, sondern geglaubt, dass einem der älteren Freunde seines Vaters diese Ehre zuteilwerden würde. Ihr war nicht bewusst, dass er Draco inzwischen als einen engen Freund betrachtete. Geschäftspartner oder Rivale schien viel passender. Die Namen Papandreou und Kallas standen für zwei mächtige Unternehmen, die einst eng zusammengearbeitet hatten, doch über die Jahre hatte die immer stärker werdende Konkurrenz zunehmend zu Streitigkeiten geführt.

Allegra hatte ihre eigenen Probleme mit Draco. Probleme, die jedes Treffen mit ihm zu einer Demütigung für sie machten. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, wurde sie daran erinnert, wie sie als ungeschickter Teenager versucht hatte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie mit ihm geflirtet und dümmlich gelächelt hatte. Aber noch peinlicher war gewesen, auf welch erniedrigende Weise er ihr Einhalt geboten hatte.

Sie schüttelte den Kopf. „Warum hast du ausgerechnet ihn gefragt?“, wollte sie wissen.

Ihr Vater stieß ein heiseres Seufzen aus und griff nach dem Ouzo, den er sich vorher eingeschenkt hatte. Er legte den Kopf zurück, leerte das Glas in einem Zug und stellte es mit einem Knall wieder ab. „Die Geschäfte gehen schlecht. Die Wirtschaftskrise in Griechenland hat mich schwer getroffen. Schlimmer als ich erwartet habe … viel schlimmer. Ich werde alles verlieren, falls ich mich nicht auf eine Fusion mit ihm einlasse.“

„Draco Papandreou will dir helfen?“ Jedes Mal, wenn sie seinen Namen aussprach, hatte sie das Gefühl, als ob ihr ein ekliges Insekt über den Rücken krabbeln würde. Sie hatte Draco nicht mehr gesehen, seit sie ihm vor sechs Monaten in einem bekannten Londoner Nachtclub zufällig über den Weg gelaufen war, wo sie sich mit einem Mann hatte treffen wollen – der ihr dann einen Korb gegeben hatte. Was von Draco mit großer Heiterkeit aufgenommen worden war.

Sie verachtete ihn dafür, dass er mit allem immer so … recht hatte. Es schien, als würde er jedes Mal Zeuge sein, wenn sie einen ihrer dummen Fehler machte. Nach dem peinlichen Flirt mit sechzehn hatte sie ihre Aufmerksamkeit schnell einem anderen jungen Mann aus ihrem Freundeskreis zugewandt. Draco hatte sie wegen des Jungen gewarnt. Und was tat sie? Sie ignorierte seine Warnung, mit dem Ergebnis, dass ihr das Herz gebrochen wurde. Nun ja, nicht direkt gebrochen, aber ihr Ego hatte ganz sicher darunter gelitten.

Als sie dann achtzehn war, hatte Draco sie dabei erwischt, wie sie sich bei einer der Geschäftspartys ihres Vaters, wo sie ihm als Gastgeberin helfen sollte, von dem starken Punsch nahm. Er riet ihr, nicht zu viel zu trinken. Wieder eine Lektion, die sie bewusst ignorierte. Ja, er war da gewesen, als sie sich kurze Zeit später die Lunge aus dem Leib hustete. Zweimal, brr. Zugegeben, er war sofort mit einem kalten Lappen zur Stelle gewesen und hatte ihr die Haare aus dem Gesicht gehalten …

Doch das hatte sie nicht davon abgebracht, ihn zu hassen.

„Draco hat mir ein Geschäft angeboten“, sagte ihr Vater „Eine Fusion, die all meine finanziellen Probleme lösen wird.“

Allegra stieß ein missbilligendes Schnauben aus. „Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Was hat er denn davon?“

Statt sie anzusehen, wandte ihr Vater sich ab und goss sich noch einen Ouzo ein. Sie kannte ihren Vater gut genug, um zu wissen, dass er nur dann mehr trank, wenn er entweder entspannt oder gestresst war. Diesmal schien es der Stress zu sein.

„Er hat ein paar Bedingungen daran geknüpft“, erklärte er. „Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als sie zu akzeptieren. Ich muss an meine neue Familie denken – Elena und Nico verdienen es nicht, für mein Pech bestraft zu werden. Ich habe alles getan, um die Gläubiger abzuwehren, aber inzwischen sind wir an einem kritischen Punkt angelangt. Draco ist meine einzige Rettung.“

Seine neue Familie. Die Worte schmerzten mehr, als sie zugeben wollte. Wann hatte sie sich je als Teil seiner alten Familie gefühlt? Sie war ein Ersatzkind, keine eigene Persönlichkeit. Ihr älterer Bruder Dion war als Kleinkind an Leukämie erkrankt. Damals wurden die Eltern dazu ermutigt, sich noch ein Kind zuzulegen, für den Fall, dass das neue Baby als Knochenmarkspender passte. Natürlich hatte Allegra dem nicht entsprochen. Sie hatte an zwei Fronten versagt. Sie kam als Spenderin nicht infrage, und sie war nicht männlich. Dion war gestorben, bevor Allegra zwei Jahre alt war. Sie erinnerte sich nicht einmal an ihn, sondern wusste nur noch, dass sie von verschiedenen Kindermädchen aufgezogen worden war, weil ihre Mutter in ihrer grenzenlosen Trauer dazu nicht in der Lage gewesen war. Eine Trauer, die sich in eine schwere Depression verwandelt hatte, sodass man Allegra ins Internat geschickt hatte, um ihrer Mutter eine Atempause zu gönnen.

Ihre Mutter hatte dann „versehentlich“ eine Überdosis Schlaftabletten genommen, einen Tag bevor Allegra, inzwischen elf Jahre alt, in den Sommerferien nach Hause kommen sollte. Niemand hatte das Wort Selbstmord in den Mund genommen. Doch Allegra war sicher, dass ihre Mutter beabsichtigt hatte, sich genau an diesem Tag das Leben zu nehmen.

Das Schwerste für Allegra war die traurige Gewissheit, dass sie ihrer Mutter nicht genügt hatte. Ihr Vater hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Enttäuschung darüber zu verbergen, dass er einen weiblichen Erben hatte statt des Sohns, den er vergöttert hatte. Während sie heranwuchs, war kaum ein Tag vergangen, an dem sie seine Enttäuschung nicht schmerzlich zu spüren bekam.

Doch nun hatte er eine neue Frau und ein neues Baby. Allegra hatte nie richtig dazugehört, und jetzt noch weniger.

„Draco wird dir selbst von unserer Vereinbarung erzählen“, sagte ihr Vater. „Ach, da ist er ja.“

Allegra wirbelte herum und sah, wie Draco den Raum betrat. Sie begegnete seinem Blick, und ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf. Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, reagierte sie auf die gleiche Weise. Ihr Puls raste. Ihr Herz überschlug sich. Und sie bekam keine Luft mehr.

Er war leger gekleidet, mit sandfarbenen Chinos und einem weißen Hemd, dessen Ärmel aufgerollt waren und seine gebräunten, starken Unterarme enthüllte, was ihm nichts von seiner autoritären Aura nahm. Wenn Draco Papandreou einen Raum betrat, drehten sich alle nach ihm um. Die Herzen der Frauen begannen zu flattern, so wie ihres jetzt. Jede Zelle seines Körpers verströmte Sexappeal. Allegra fühlte, wie er ihren weiblichen Hormonen zurief, wie ein Alphawolf, der nach seinem Weibchen rief. Kein anderer Mann schaffte es wie er, dass sie sich ihres Körpers so bewusst war. Er schien ein Eigenleben zu führen, wenn Draco auch nur in ihre Nähe kam.

Ein sündhaftes Eigenleben. Das Bilder von ihm heraufbeschwor, nackt und seine langen muskulösen Beine mit ihren verschlungen. Ihre Reaktion auf ihn konnte sie nur verbergen, indem sie sich hinter schnippischem Sarkasmus zurückzog. Er hielt sie für eine streitbare Person, aber sei’s drum. Es war immer noch besser, als wenn er glaubte, dass sie ihn heimlich begehrte. Er sollte nicht wissen, dass sie sich ihn in ihren wildesten Träumen in den verschiedensten erotischen Posen vorstellte, während er die verrücktesten Dinge mit ihr anstellte.

Und dass sie beim letzten Mann, mit dem sie Sex gehabt hatte, die ganze Zeit an Draco hatte denken müssen.

„Draco, wie nett von dir, in eine private Familienfeier hereinzuplatzen. Kein heißes Date heute Abend mit einer deiner Wasserstoffblondinen?“

Er hob einen Mundwinkel und schenkte ihr sein typisches zynisch-amüsiertes Lächeln. „Du bist mein Date, agape mou. Hat dein Vater dir das nicht gesagt?“

Allegra warf ihm einen Blick zu, der imstande war, eine Gasflamme zu gefrieren. „Träum weiter, Papandreou.“

Seine dunklen Augen leuchteten auf, als würde ein Nein von ihr ihn anmachen. „Ich möchte dir einen Vorschlag unterbreiten“, sagte er. „Möchtest du, dass dein Vater dabei ist, oder willst du lieber mit mir allein sein?“

„Es ist unerheblich für mich, wo und wie, weil du zu keinem deiner Vorschläge ein Ja von mir bekommst“, antwortete Allegra.

„Ähm … ich glaube, einer der Bediensteten ruft nach mir“, sagte ihr Vater und verließ den Raum so hastig, als würde er vor einer Explosion davonrennen. Wobei eine Explosion durchaus im Bereich des Möglichen lag, wenn sie und Draco allein waren.

Draco sah sie so eindringlich an, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. „Endlich allein.“

Allegra wandte den Blick ab, ging zu dem Tablett mit den Gläsern und goss sich lässig Champagner ein. Zumindest hoffte sie, dass es lässig wirkte. Obwohl sie nicht viel trank, hätte sie in diesem Moment am liebsten die ganze Flasche ausgetrunken. Und sie dann an die nächstbeste Wand geknallt. Danach die Gläser, eins nach dem anderen, bis nur noch Scherben übrig waren.

Warum war Draco hier? Weshalb half er ihrem Vater? Und was konnte das mit ihr zu tun haben?

All diese Fragen sprudelten in ihrem Kopf wie der Champagner in ihrem Glas. Das Geschäft ihres Vaters hing am seidenen Faden? Wie konnte das sein? Es war eines der anerkanntesten Unternehmen in Griechenland und bestand schon seit mehreren Generationen. Andere Geschäftsleute hatten zu ihm aufgeschaut, voller Ehrfurcht, weil er so viel erreicht hatte. Ihr Vater hatte immer mit seinem Reichtum geprahlt. Wie hatte es so weit kommen können?

Allegra drehte sich um und warf Draco ein zuckersüßes Lächeln zu. „Kann ich dir einen Drink anbieten?“, fragte sie. „Flüssigen Stickstoff? Oder Zyanid?“

Tief lachte er auf. „In diesem Fall wäre Champagner genau richtig.“

Sie schüttete ein Glas voll, gab es ihm und ärgerte sich, dass ihre Hand ein wenig zitterte. Als er das Glas nahm, strichen seine Finger über ihre. Sie hatte das Gefühl, einen Stromschlag zu bekommen, der ihre Hormone aufschreckte und um mehr betteln ließ. Schnell riss sie ihre Hand zurück und wünschte im gleichen Moment, es nicht getan zu haben. Denn Draco hatte eine verblüffende Fähigkeit, ihre Körpersprache zu entschlüsseln.

Alles an ihm machte sie nervös. Ließ sie Dinge fühlen, die sie nicht fühlen wollte. Aber so sehr sie es auch versuchte, sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Keine Frage, sie hatte schon viele schöne Männer gesehen, doch keiner konnte sich mit Dracos Zügen messen, die ihren Puls in ungeahnte Höhen schnellen ließen. Tintenschwarze Haare, ein Mund, der nicht nur sinnlich, sondern auch sündhaft geformt war. Der sie an lange, leidenschaftliche Küsse denken ließ. Allein der Gedanke daran, dass er seinen muskulösen männlichen Körper an ihren presste, erregte sie.

Sie hatte diesen Mund schon auf ihrem gespürt. Einmal. Hatte ihn gespürt und darauf reagiert, um dann von Draco weggestoßen zu werden, mit dem Kommentar, dass dumme kleine Mädchen wie sie einen Mann wie ihn nie befriedigen könnten.

Seine Bemerkung hatte ihrem Ego einen schweren Schlag versetzt und ihr Vertrauen in ihre sexuellen Fähigkeiten für Jahre ruiniert. Zum Teufel mit ihm, dass er so verdammt attraktiv war. Weshalb konnte sie nicht aufhören, ihn anzustarren, als wäre sie immer noch das dumme, verknallte Mädchen?

Er hatte sich rasiert, doch seine starken männlichen Hormone trotzten jedem anständigen Rasierer. Dunkle Stoppeln bedeckten seine Wangen und die Partie um seinen Mund.

Oh Gott, sie musste aufhören, auf seinen Mund zu starren.

Sie nahm ihr Glas, doch ehe sie einen Schluck trinken konnte, hob er seins an ihres. „Auf uns.“

Allegra zog ihr Glas so heftig zurück, dass der Champagner sich über ihre Bluse ergoss. Natürlich trug sie Seide. Und die Flüssigkeit zeichnete ihre rechte Brust deutlich ab, obwohl sie in einem Spitzen-BH steckte. Warum war sie so verdammt ungeschickt in seiner Nähe? Wie peinlich. Sie wischte die Flüssigkeit weg und machte damit alles noch schlimmer. Denn jetzt klebte der Stoff an ihrer Brust.

Draco reichte ihr ein sauberes weißes Taschentuch. „Soll ich …?“

Allegra entriss ihm das Taschentuch, bevor er den Satz beenden konnte. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass er ihre Brust berührte!

Sie tupfte den nassen Stoff ihrer Bluse ab. Noch nie hatte sie so etwas als so erotisch empfunden. Ihre Brust war der gleichen Meinung. Sie prickelte, und die Brustwarze war hart … aber vielleicht nur deshalb, weil Dracos Blick darauf gerichtet war.

Allegra knüllte das Taschentuch zu einem kleinen Ball zusammen und warf es auf den Beistelltisch. „Ich werde es gewaschen an dich zurückgeben lassen.“

„Behalte es als Andenken.“

„Ich will kein Andenken von dir. Lass mich einfach in Ruhe!“

Er hielt ihren Blick fest. „Das wird nur passieren, wenn ich mich aus dieser Fusion zurückziehe.“

„Die Fusion ist mir egal.“

„Vielleicht, aber das sollte sie nicht. Die Bedingungen dieser Abmachung beruhen allein auf deiner Zustimmung.“

Bedingungen? Welche Bedingungen?

Gleichgültig warf Allegra ihre Haare über die Schultern, um ihr Unbehagen zu verbergen. Etwas an seinem Blick gab ihr das Gefühl, dass er mit ihr spielte. Zu was wollte er ihre Zustimmung?

Seit diesem Kuss vor Jahren war die Atmosphäre zwischen ihnen immer angespannt. Ein Machtkampf, der die Luft zum Knistern brachte. Er war ihr Feind, und es war ihr egal, wer davon wusste. Wenn sie ihn hasste, konnte sie leichter vergessen, wie sehr sie ihn wollte. Ihr Hass war ein sicherer Schutzschild gegen ihre verräterischen Hormone, die sie zu ihrem Ärger immun gegen jeden anderen Mann machten. „Die geschäftlichen Angelegenheiten meines Vaters gehen mich nichts an. Ich bin völlig unabhängig von ihm, das war schon die letzten zehn Jahre so.“

„Finanziell unabhängig vielleicht, aber du bist seine einzige Tochter. Sein einziges Kind. Er hat deine Ausbildung bezahlt und dir alles gegeben, was man mit Geld kaufen kann. Ist es dir egal, dass er ohne meine Hilfe alles verlieren wird?“ Die Falten auf seiner Stirn unterstrichen die Ernsthaftigkeit seiner Worte.

Allegra wünschte, es wäre ihr egal. Aber das Problem war, dass dem nicht so war. Das war ihre Achillesferse – ihr Schwachpunkt, der verletzliche Teil ihrer Persönlichkeit. Das Bedürfnis, geliebt und geschätzt zu werden von dem einzig noch lebenden Elternteil. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich vergeblich darum bemüht. Trotz der Defizite ihres Vaters war sie innerlich immer noch das kleine Kind, das nach seiner Zustimmung suchte. Mitleiderregend, aber wahr. „Ich sehe nicht, was all das mit mir zu tun hat. Mir ist es schlicht egal, in welchem Zustand sich das Unternehmen meines Vaters befindet.“ Sie wusste, dass sie kalt und gefühllos klang, aber warum sollte sie sich darum scheren, was Draco von ihr dachte?

Einen langen Moment musterte er sie „Ich glaube dir nicht. Es ist dir nicht egal. Und genau deshalb wirst du auch zustimmen, mich zu heiraten, damit wir das Geschäft schuldenfrei halten.“

Der Schock traf sie wie ein Schlag gegen die Brust. Ihn heiraten? Sicher hatte er das eben nicht gesagt? Er und sie? Verheiratet? Miteinander? Sie blinzelte, dann lachte sie. Doch selbst in ihren Ohren klang es beinahe hysterisch. „Wenn du auch nur eine Sekunde glaubst, ich würde irgendjemanden heiraten, ganz zu schweigen von dir, dann bist du noch selbstherrlicher, als ich dachte.“

Immer noch sah Draco sie so eindringlich an, dass ihr warm wurde. „Du wirst es tun, Allegra. Sonst wirst du zusehen müssen, wie das Unternehmen deines Vaters langsam und quälend stirbt. Es hängt an lebenserhaltenden Apparaten. Im letzten Jahr habe ich deinem Vater immer wieder Geld zufließen lassen. Er hat nicht die Mittel, es mir zurückzuzahlen. Niemand wird ihm jetzt mehr etwas leihen, nicht in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der wir uns befinden. Deshalb habe ich diese Lösung vorgeschlagen. Auf diese Weise gewinnt jeder … besonders du.“

Allegra konnte nicht fassen, wie arrogant er war. Glaubte er allen Ernstes, sie würde solch einem absurden Vorschlag zustimmen? Sie hasste diesen Mann, von ganzem Herzen. Es gab keinen Menschen, den sie weniger heiraten wollte als ihn. Nun ja, vielleicht schon, wenn sie an ihre Arbeit dachte, aber das war nicht der Punkt. Draco war ein Playboy. Ein Schürzenjäger, der die Frauen verschlang. Ihn zu heiraten wäre emotionaler Selbstmord, selbst wenn sie ihn nicht hassen würde. „Du bist unglaublich. Auf welchem Planeten lebst du eigentlich, dass du denkst, es wäre ein Gewinn für mich, dich zu heiraten? Eine Ehe ist für keine Frau ein Gewinn. Sie führt direkt in die Knechtschaft, und das will ich mir nicht antun.“

„Du hast ein bisschen zu viel Zeit im Gericht bei Scheidungen verbracht“, sagte er. „Viele Ehen funktionieren gut, für beide Seiten. Bei uns könnte es auch funktionieren. Wir haben viel gemeinsam.“

„Das Einzige, das wir gemeinsam haben, ist, dass wir beide Sauerstoff atmen“, gab Allegra zurück. „Nichts an dir gefällt mir. Selbst wenn ich auf der Suche nach einem Ehemann wäre, würde ich so jemanden wie dich nie in Betracht ziehen. Du gehörst zu den Männern, denen man abends ihre Pfeife und ihre Pantoffeln hinstellen muss, wenn sie nach Hause kommen. Du willst keine Frau, sondern ein Dienstmädchen.“

Sein schiefes Lächeln war zurück und ließ seine unglaublich schwarzen Augen aufleuchten. „Ich liebe dich auch, glykia mou.“

Allegra verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Hör mir genau zu. Ich heirate dich nicht. Weder um das Geschäft meines Vaters zu retten, noch aus einem anderen Grund. Nein. Nein. Nein.“

Draco nahm einen Schluck von seinem Champagner und stellte das Glas anschließend auf dem Beistelltisch ab. „Natürlich müsstest du für deine Arbeit zwischen London und meinem Heim hin und her pendeln, aber du kannst meinen Privatjet benutzen – sofern ich ihn nicht gerade selbst brauche.“

Allegra ballte die Hände. „Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe gesagt, dass ich dich nicht heirate.“

Er setzte sich aufs Sofa, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und legte lässig ein Bein über das andere. „Du hast keine Wahl. Wenn du mich nicht heiratest, wird dein Vater dir die Schuld am Zusammenbruch seines Geschäfts geben. Es ist ein gutes Unternehmen, wurde aber in letzter Zeit schlecht geführt. Dieser Manager, den dein Vater vor ein paar Jahren eingestellt hat, als es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand, hat ihm keinen Gefallen getan. Ich kann den Schaden wiedergutmachen, damit das Geschäft wieder Profit abwirft. Dein Vater wird im Vorstand bleiben und hat Anteil an dem Gewinn, der garantiert höher sein wird als der, den er in den letzten Jahrzehnten erwirtschaftet hat.“

Allegra biss sich auf die Lippe. Es war eine schlimme Zeit gewesen, als man bei ihrem Vater Krebs diagnostiziert hatte. Sie war so oft zu ihm geflogen, wie sie konnte, um bei all den Bestrahlungen und der Chemo bei ihm zu sein. Natürlich hatte er keine große Dankbarkeit gezeigt. Aber Draco heiraten, um ihren Vater vor dem finanziellen Ruin zu retten?

Doch ihr Vater brauchte sie. Brauchte sie wirklich. Und sie musste zugeben, dass es schlimmere Männer als Draco gab, die er ihr hätte anbieten können. Die Männer, denen sie im Gerichtssaal begegnete. Gemeine Männer. Gefährliche Männer. Männer, die keinen Respekt vor Frauen hatten und ihre Kinder als Waffe benutzten. Männer, die Frauen belästigten, bedrohten und sogar töteten, um ihren Willen zu bekommen.

Draco mochte arrogant sein, aber er war nicht gemein. Gefährlich? Nun, vielleicht für ihre Gefühle, ja. Sie spielten verrückt, wenn er in ihrer Nähe war. Was ein sehr guter Grund für sie war, ihn nicht zu heiraten.

„Warum ich?“, fragte Allegra. „Weshalb willst du ausgerechnet mich zur Frau haben, wenn du doch jede haben kannst?“

Langsam sah er sie von Kopf bis Fuß an und wieder zurück, und sein Blick sandte ihr einen Schauer über den Rücken. „Ich will dich.“

Seine Worte hätten ihr weibliches Zentrum nicht zu einem glücklichen Tanz verführen sollen. Sie war nicht eitel, wusste jedoch, dass man sie als schön betrachtete, in klassischem Sinne. Sie hatte die Pfirsichhaut ihrer englischen Mutter geerbt, ebenso die dunkelblauen Augen und die schlanke Figur. Von ihrem Vater stammten die pechschwarzen Haare und der Tatendrang.

Aber Draco traf sich mit Supermodels, Starlets und sexy Nymphen. Warum wollte er sich an eine kompromisslose Karrierefrau wie sie fesseln, zumal sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit stritten?

Die vergangenen Jahre hatte sie ihr Bestes getan, ihm nicht zu zeigen, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Den peinlichen Vorfall, der ihr mit sechzehn passiert war, hatte sie in einer Schublade vergraben, auf der stand: Nicht öffnen.

Wenn sie sich in Draco verliebte, würde sie sich die Probleme einhandeln, aus denen sie anderen Frauen täglich heraushalf. Liebe tat seltsame Dinge mit den Frauen. Sie sahen ihre Männer nur noch durch eine rosa Brille, sodass sie deren Fehler erst entdeckten, wenn es zu spät war.

Allegra wollte nicht eine dieser Frauen sein – ein Opfer männlicher Gewaltspiele, die sie genauso verletzbar zurückließen wie ein regennasses Kätzchen. „Hör zu, ich weiß dein Kompliment zu schätzen, aber ich bin nicht darauf aus zu heiraten. Wenn du mich jetzt entschuldigst, werde ich gehen …“

„Das Angebot gilt nur heute. Stimmst du nicht zu, verlange ich mein Geld zurück. Mit Zinsen.“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Die Wirtschaftskrise in Griechenland war sehr ernst. So ernst, dass viele anerkannte Unternehmen gegen die Wand gefahren waren. Allegra mochte ein paar Probleme mit ihrem Vater haben, aber die gingen nicht so weit, dass sie ihn ruiniert und öffentlich gedemütigt sehen wollte. Nicht jetzt, da er eine Frau und ein Baby hatte, für die er sorgen musste. Allegra mochte Elena. Sie hatte nicht damit gerechnet, weil Elena nur zwei Jahre älter als sie war. Doch es stimmte. In gewisser Weise erinnerte Elena sie an sich selbst, weil sie auch alles versuchte, anderen zu gefallen, um geliebt und akzeptiert zu werden.

Doch wenn sie Draco heiratete, um ihren Vater vor dem finanziellen Kollaps zu retten, würde sie sich einer sinnlichen Gefahr aussetzen, ohne die sie gut auskommen konnte. Jahrelang hatte sie Distanz zu ihm gehalten. Nach der schrecklichen Begegnung mit sechzehn war das der einzige Weg, um sich zu schützen. Doch wie sollte sie Distanz zu ihm halten, wenn sie mit ihm verheiratet war? „Diese Ehe, die du … vorschlägst …“ Sie fand es erniedrigend, dass ihre Stimme so krächzte.

„Ja?“

„Was hast du denn davon?“

Seine Augen hatten einen teuflischen Glanz, der sie innerlich erschauern ließ, als hätte er sie intim berührt. Kein anderer konnte das. Sie mit einem Blick anturnen. Sie so hungrig auf ihn machen, dass sie Mühe hatte, ihre Hände bei sich zu behalten. Am liebsten hätte sie diesen starken, männlichen Körper überall berührt. Wann hatte sie nicht vor Lust nach ihm gebrannt? Niemand konnte sich auch nur annähernd mit ihm vergleichen. Er hatte sie für jeden anderen ruiniert, obwohl er sie seit diesem Kuss kaum berührt hatte, und wenn, dann nur zufällig.

„Ich bekomme eine Frau, die heiß auf mich ist. Was könnte ein Mann mehr wollen?“

Allegra behielt ihre Miene unter Kontrolle. „Wenn du eine Vorzeigefrau willst, warum suchst du dir dann nicht eine aus der Menge deiner kleinen sexy Schmeichlerinnen aus?“

„Ich will eine Frau mit Hirn zwischen den Ohren.“

„Jede Frau, die nur ein bisschen Hirn hat, würde um einen Mann wie dich einen großen Bogen machen.“

Ihre Beleidigung ließ ihn nur noch breiter lächeln, als würde er sich auf ihre Kosten amüsieren. „Und wenn du mich auch noch mit einem Erben versorgst …“

„Einem … was?“ Allegras Stimme klang wie das Quieken einer Maus. „Du erwartest von mir, dass ich …“

„Jetzt, wo ich darüber nachdenke …“ Geschmeidig erhob er sich vom Sofa. „Ein Erbe wäre vielleicht eine gute Sache.“

Zog er sie auf, oder meinte er es ernst? Es war schwer zu sagen bei dem undurchdringlichen Blick. „Vergisst du nicht etwas? Ich will keine Kinder. Und ich bin nicht bereit, meine Karriere für eine Familie zu opfern.“

„Viele Frauen sagen das, doch in den meisten Fällen stimmt es nicht. Es ist eine Art Versicherungspolice, falls keiner sie bittet, sie zu heiraten.“

Allegra blieb der Mund offen stehen. „Soll das ein Witz sein? Von welcher Liane hast du dich denn gerade heruntergeschwungen? Frauen sind keine Brutmaschinen. Und sie warten auch nicht mit angehaltenem Atem darauf, dass irgendein Kerl vorbeikommt, ihnen einen Ring an den Finger steckt und sie mit sich schleppt, um seine Haussklavin zu werden. Wir sind genauso ambitioniert und haben genauso viel Bedürfnisse wie Männer, manchmal sogar mehr.“

„Ich habe nicht das Geringste gegen deine Bedürfnisse.“ Seine Augen leuchteten jetzt förmlich. „Wieder etwas, dass wir gemeinsam haben …“

Je weniger sie über diese Bedürfnisse nachdachte, desto besser. Draco wechselte die Beziehungen schneller als ein Autofahrer die Fahrspur, wenn er zu einem wichtigen Treffen unterwegs war. Woher kam sein plötzliches Interesse, den Familienmenschen zu spielen? Er war erst vierunddreißig – drei Jahre älter als sie. Seit diesem Abend vor sechs Monaten in London wurde sie jeden Monat daran erinnert, dass sie schon über dreißig war und noch keine Kinder hatte. „Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, ich würde diesem absurden Plan zustimmen. Hat mein Vater das vorgeschlagen?“

„Nein, es war allein meine Idee.“

Seine Idee? Allegra runzelte die Stirn. „Aber du magst mich nicht mal.“

Er baute sich mit seiner ganzen Größe vor ihr auf. Obwohl er sie nicht berührte, spürte sie die magnetische Kraft seines Körpers. Sie hob den Blick und verlor sich einen Moment in den Tiefen seiner dunklen Augen, die umrahmt waren von dichten Wimpern.

Warum musste er so unverschämt attraktiv sein? Weshalb sprangen ihre Hormone vor Freude auf und ab, wenn er ihr nahe war? Ihr Blick ging zu seinem Mund. Seine Lippen waren fest und doch sinnlich, die Unterlippe voller, die Oberlippe schmaler. Ein Mund, der ständig einem Lächeln nahe war, als würde Draco das Leben eher amüsant denn traurig finden. Hatte sie je einen männlichen Mund gesehen, den sie lieber geküsst hätte?

„Wir könnten gut zusammenpassen, agape mou. Sehr gut sogar.“

Seine Stimme war tief und wohlklingend, und sein griechischer Akzent, der stärker war als ihr eigener, ließ ihre Haut jedes Mal vor Freude prickeln.

Mit ihr sprach er immer Englisch, weil sie ihr Griechisch aufgegeben hatte, nachdem sie schon so lange in England lebte. Sie verstand zwar mehr, als sie sprechen konnte, aber fließend beherrschte sie die Sprache nicht. Mit ihrer in Yorkshire geborenen Mutter hatte sie immer Englisch gesprochen. Vermutlich hatte sie die Sprache ihres Vaters vernachlässigt, um ihn unbewusst dafür zu bestrafen, dass er nicht der Vater war, nach dem sie sich sehnte.

Sie sah ihn an. „Hör zu, Draco, das muss ein Ende haben. All dieses Gerede von einer Ehe zwischen uns ist sinnlos. Ich werde nicht …“

Er nahm eine ihrer Hände und umschloss sie mit seiner. Seine Finger fühlten sich warm und trocken an. „Warum hast du so große Angst, mir nahe zu sein?“

Allegra musste ein paar Mal schlucken, um ihre Stimme wiederzufinden. „Ich … ich habe keine Angst vor dir.“ Ich habe Angst vor mir. Vor dem, was du mich fühlen lässt.

Langsam streichelte er mit dem Daumen ihren Daumen. Eine leichte Berührung, die jedoch eine Explosion an Gefühlen weckte. Ihr Herz schlug schneller, ihr Hirn versagte seinen Dienst, und ihre Entschlossenheit, ihn auf Distanz zu halten, fiel in sich zusammen.

Für einen langen, aufregenden Moment hielt er ihren Blick fest, als wollte er sich jedes Detail ihres Gesichts einprägen. Die Form ihrer Augen, ihre Nase, die Wangen, ihren Mund und den kleinen Schönheitsfleck rechts über ihrer Oberlippe.

Allegra leckte sich über die Lippen. Dann wurde ihr bewusst, dass sie sich verraten hatte, weil es ein Zeichen war, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Es war, als würde ihr Körper ein Eigenleben führen. Ihr Wille, ihre Entschlossenheit, ihm zu widerstehen, wurden außer Kraft gesetzt von einem ursprünglichen Verlangen, ihn zu berühren, sich von ihm berühren zu lassen. Sich von ihm küssen zu lassen, bis sie alles vergaß außer diesen festen männlichen Lippen auf ihren.

Was machst du da?

Die Alarmglocken, die in ihrem Bewusstsein schrillten, zerstörten diesen Moment. Sie stieß gegen seine Brust und trat zurück. „Denk nicht einmal daran!“

Sein Mund verzog sich zu einem wissenden Lächeln. „Ich bin ein geduldiger Mensch. Je länger ich warte, desto größer ist die Befriedigung.“

Allegra hatte das Gefühl, dass es verdammt befriedigend wäre, würde sie sich seiner Leidenschaft ergeben. Die Art von Befriedigung, die ihr größtenteils in ihren vorherigen Beziehungen entgangen war. Sie war nicht gut im Sex, zumindest nicht bei einem Partner. Wenn sie bei sich selbst Hand anlegte, funktionierte es recht gut, doch mit einem Partner fand sie es zu störend, zum Orgasmus zu kommen. Es war ihr viel zu peinlich, aber wenigstens hatte sie es geschafft, so zu tun als ob. Bis jetzt.

Aber sie vermutete, dass Draco nicht darauf hereinfallen würde.

Nicht eine Sekunde.

Allegra füllte ihr Glas auf, um ihre Hände zu beschäftigen. Sie war sich bewusst, dass er jede ihrer Bewegungen verfolgte. Sein dunkler Blick ruhte auf ihr wie eine Liebkosung. Ihre Haut prickelte, ihr Puls raste, und alles in ihr zog sich vor Verlangen zusammen. Ein Verlangen, das er geweckt hatte. „Ich denke, es ist am besten, wenn wir dieses Gespräch vergessen. Ich will nicht, dass Nicos Taufe morgen durch irgendetwas verdorben wird.“

„Deine Weigerung, mich zu heiraten, wird die Taufe verderben“, erklärte Draco. „Du hast keine Wahl, Allegra. Dein Vater braucht dich. Er hat dich noch nie so sehr gebraucht wie jetzt.“

Es war weit verführerischer, als sie zugeben wollte. Nicht nur, weil ihr Vater sie endlich schätzen würde, sondern auch, weil sie nicht aufhören konnte, darüber nachzudenken, wie es sein würde, Dracos Frau zu sein. Wie würde es sein, das Leben mit ihm zu teilen? In seiner luxuriösen Villa auf seiner Privatinsel zu leben? Seinen Körper zu spüren? Zu erleben, wie er ihr Vergnügen bereitete? Es war ein Traum, der sich für den linkischen Teenager erfüllte, der sie einst gewesen war.

Wie auch immer, jetzt war sie nicht mehr dieses Mädchen.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Hatten ihr Vater und Elena sie nur wegen Draco und seinem Angebot gebeten, Nicos Taufpatin zu sein? Hätten die beiden sie auch ohne die Fusion und die Ehebedingung gefragt? War sie allein nicht gut genug, um Nicos Taufpatin zu werden? Warum musste sie sich mit ihrem Feind zusammentun? Mit einem Mann, den sie mit der gleichen Leidenschaft verachtete und begehrte.

Allegra stellte ihr Glas wieder neben die Champagnerflasche. „Ich habe eine hypothetische Frage an dich.“

Er nickte. „Ich höre.“

„Sollte ich dich heiraten, wie lange würde die Ehe dann bestehen?“

„So lange, wie ich will.“

Und wie lange würde das sein? Allegra drehte sich um und sah aus dem Fenster, um mehr Zeit zum Nachdenken zu haben. Das Sonnenlicht war so hell, dass es beinahe wehtat. Das intensive Blau der Ägäis und das gleiche lebhafte Blau des Kuppeldachs, das im Kontrast stand zum strahlenden Weiß der Gebäude, nahmen ihr jedes Mal den Atem.

Es war ihr Zuhause und doch wieder nicht.

Sie hatte immer das Gefühl gehabt, einen Fuß in beiden Ländern zu haben, was noch mit dazu beitrug, dass sie sich nie irgendwo richtig dazugehörig gefühlt hatte.

Falls sie Draco heiratete, um ihren Vater vor der finanziellen Blamage zu retten, wo würde sie dann bleiben, wenn ihre Ehe ein Ende fand? Wenige Ehen wurden im gegenseitigen Einvernehmen beendet. Fast immer gab es eine Seite, die nicht glücklich über die Trennung war. Würde sie das sein? Unter den gegebenen Umständen wollte sie auf keinen Fall ein Kind haben – sollte es kein Scherz von ihm gewesen sein, dass er einen Erben wollte. Denn es gab keine Garantie und kein Versprechen, dass diese Ehe für immer halten würde.

Allegra drehte sich wieder zu Draco um. „Immer noch hypothetisch: Was ist mit meinem Job? Oder erwartest du, dass ich ihn aufgebe?“

„Nein, natürlich nicht“, antwortete er. „Aber hin und wieder müssen wir Kompromisse machen. Wie du weißt, habe ich auch geschäftlich in London zu tun, aber die meiste Zeit verbringe ich in Griechenland. Dass du einen eigenen Job hast, dürfte unsere Ehe durchaus bereichern.“

„Und erwartest du, dass ich die meiste Zeit bei dir bin?“, fragte Allegra, als wäre es die unsinnigste Frage der Welt.

Er wirkte belustigt. „Macht man das als Ehepaar nicht so?“

Allegra warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Vielleicht, wenn man sich liebt. Aber das trifft in unserem Fall kaum zu.“

Einer seiner Mundwinkel ging ein wenig höher. „Du warst schon verliebt in mich, als du noch ein Teenager warst. Komm schon – gib es zu. Deshalb hast du noch nicht geheiratet oder dich oft verabredet. Du findest niemanden, der dich so anmacht wie ich.“

Allegra täuschte ein Lachen vor. „Glaubst du das wirklich?“ Welche Signale hatten sie verraten, dass er meinte, sie sei immer noch dieser ungeschickte Teenager? Sie war nicht mehr dieser verknallte Dummkopf. Vielmehr war sie erwachsen und hasste ihn.

Seine Augen leuchteten. „Wann hast du das letzte Mal mit einem Mann geschlafen?“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen, wie eine Lehrerin, die ein vorlautes Kind rügt. „Ich werde dir keine Details über mein Sexleben verraten. Es geht dich nichts an, mit wem ich schlafe.“

„Wenn wir verheiratet sind, geht es mich etwas an. Ich erwarte, dass du treu bist.“

„Und was ist mit dir? Wirst du treu sein, oder muss ich über deine kleinen Eskapaden hinwegsehen, so wie meine Mutter es bei meinem Vater gemacht hat?“

Seine Miene wurde härter. „Ich bin nicht dein Vater, Allegra. Vielmehr nehme ich die Institution der Ehe sehr ernst.“

„So ernst, dass du bereit bist, für eine kurze Zeit eine Ehe mit einer Frau einzugehen, die du nicht liebst, nur damit du dir ein absatzschwaches Geschäft aneignen kannst?“ Sie gab einen spöttischen Laut von sich. „Dass ich nicht lache. Ich weiß, warum du mich heiraten willst, Draco. Du willst eine Vorzeigefrau, die weiß, wie man Messer und Gabel benutzt. Eine Frau, die du überall mit hinnehmen kannst, ohne Angst haben zu müssen, dass sie dich in Verlegenheit bringt. Und wenn ich dir dann einen Erben geschenkt habe, hast du genug von mir, schickst mich weg und behältst das Kind. Nein, da mache ich nicht mit, auf keinen Fall. Such dir eine andere Marionette!“

Sie ging an ihm vorbei, um den Raum zu verlassen. Doch er griff nach ihrem Handgelenk und drehte sie zu sich herum, sodass sie ihn ansehen musste. Ihre Haut brannte, wo seine Finger sie berührten. Doch es war kein schmerzhaftes Brennen, eher ein Prickeln, das Hitze durch ihren Körper jagte, die sich in ihrem Leib sammelte. Sein Daumen fand ihren hämmernden Puls, und er strich langsam darüber, während er ihren Blick gefangen hielt.

„Ich habe dich nur aufgezogen mit dem Erben“, sagte er. „Ja, ich bin auf der Suche nach einer passenden Frau, und du bist genau die Richtige. Aber das ist auch deine Chance, dass dein Vater dich endlich bemerkt. Du würdest nicht nur deinem Vater helfen, sondern auch Elena und dem kleinen Nico, weil du ihnen dadurch Sicherheit bietest. Wenn das Geschäft bankrottgeht, stehen sie schließlich auch mittellos da.“

Er hatte ihren Schwachpunkt gefunden. Elena und Nico. Sie waren unschuldig an dieser Situation, und ihre Zukunft würde dunkel aussehen, wenn sie nichts tat. Allegra könnte ihrem Vater ein Darlehen anbieten, doch Draco sprach von mehreren Millionen. Sie war zwar reich, aber nicht reich genug, um ein viele Millionen schweres Unternehmen über Wasser zu halten. Ihr Blick ging auf ihre verschränkten Hände. Wie könnte sie ihren Vater im Stich lassen, wenn sie als Einzige in der Lage war, ihn zu retten? Sie konnte nicht einfach abwarten und zusehen, wie er alles verlor. Er war ihr Vater!

Sie würde Draco heiraten müssen.

„Es scheint, dass mir keine andere Wahl bleibt.“

Draco hob ihr Kinn an, sodass ihre Blicke sich trafen. „Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir.“

Glaubst du? Allegra wischte seine Hand von ihrem Kinn und trat einen Schritt zurück. „Ich stimme dem nur aus dem einen Grund zu“, stellte sie klar.

„Und der wäre?“

„Um meine Familie zu retten.“

Seine Augen leuchteten triumphierend. „Natürlich.“

Sie versuchte, nicht darauf zu achten, dass er ihren Mund betrachtete. „Wann gedenkst du … es zu tun? Ich meine, wann werden wir heiraten?“

„Ich habe mir die Freiheit genommen, bereits alles zu arrangieren. Die Hochzeit findet nächstes Wochenende statt. Ich hätte dieses Wochenende vorgezogen, aber ich will dem kleinen Nico nicht die Show stehlen.“

Alarmiert sah Allegra ihn an. „So bald schon?“

„Es kommt ein wenig überhastet, aber es wird nur eine relativ kleine Feier sein. Lediglich ein paar enge Freunde und die Familie.“

„Und wenn ich das ganze Drum und Dran will?“

„Willst du das denn?“

Sie stieß die Luft aus und wandte den Blick ab. „Nein …“

„Du wärst überrascht, was man in kurzer Zeit alles auf die Beine stellen kann, wenn man Geld hat. Falls du eine weiße Hochzeit willst, dann sollst du sie haben.“

Allegra hatte nie zu den Mädchen gehört, die sich nach einer Märchenhochzeit sehnten. Vielmehr hatte sie kaum je daran gedacht zu heiraten. Ihre Karriere hatte immer oberste Priorität gehabt. Doch seit sie bei der Hochzeit einer Freundin vor ein paar Monaten Brautjungfer gewesen war, hatte sie angefangen, darüber nachzudenken, wie es wäre, selbst Braut zu sein. Von jemanden so sehr geliebt zu werden, dass er ihr versprach, das ganze Leben mit ihr zu verbringen. Das war tatsächlich ein Märchen, das leider oft genug zu Asche zerfiel, wie sie es jeden Tag in ihrer Arbeit erlebte.

„Wir werden auf meiner Insel heiraten“, sagte Draco. „So können wir die Presse leichter fernhalten.“

Allegra war noch nie auf Dracos Insel gewesen, die sein Rückzugsort war, aber sie hatte Fotos gesehen. Er besaß eine Villa in Oia, ein Apartment in Athen und Häuser auf Kefalonia und Mykonos. Doch seine abgeschiedene Insel verfügte über wunderschöne Gärten und einen riesigen Pool, der oben am Rand einer schwindelerregend hohen Klippe thronte. Ein atemberaubender Ort für Flitterwochen.

Denk nicht einmal an die Flitterwochen.

„Hast du keine Sorge, was die Presse aus uns machen wird?“, fragte Allegra.

Lässig zuckte er die Schultern. „Eigentlich nicht. Ich habe mich daran gewöhnt, dass sie über mein Privatleben spekulieren. Meistens denken sie sich etwas aus.“

Aber nicht alles war erfunden. Sie hatte genügend Fotos von ihm gesehen, umgeben von schönen Frauen, um zu wissen, dass er nicht wie ein tibetanischer Mönch lebte. Ganz im Gegenteil. Er wurde als einer der begehrtesten Junggesellen Griechenlands betrachtet. Die Frauen rissen sich um ein Date mit ihm. Was würden sie sagen, wenn sie hörten, dass er ausgerechnet sie zur Frau nahm? Eine zielstrebige Karrierefrau, die einen Playboy wie ihn heiratete.

Lachhaft.

„Du musst dir natürlich eine Woche freinehmen“, sagte er. „Wir werden ein paar Tage auf meiner Jacht verbringen. Sieh es als Flitterwochen an.“

Ihr Herz machte einen Purzelbaum. „Moment mal … warum brauchen wir Flitterwochen?“

Etwas schimmerte in seinem Blick auf. Etwas Dunkles, Sinnliches. „Wenn ich dir das erklären muss, agape mou, dann hast du noch klösterlicher gelebt, als ich dachte.“

Allegra verschränkte die Arme. Flitterwochen? Auf seiner Jacht? Seine Jacht war zwar kein kleines Fischerboot, aber sie konnte gar nicht groß genug sein, damit sie sich sicher fühlte. Sicher vor ihren eigenen verräterischen Wünschen. Dafür brauchte sie schon ein Kreuzfahrtschiff oder einen Flugzeugträger, aber selbst das wäre keine Garantie. „Ich bin bereit, dich um meines Vaters willen zu heiraten, aber ich werde nicht mit dir schlafen. Die Ehe wird nur auf dem Papier bestehen.“

Draco trat zu ihr, doch sie wich zur Wand zurück, womit sie sich selbst den Fluchtweg versperrte. Sie atmete seinen Duft ein. Er roch nach Zitronen, Zedern und einem Hauch von etwas, das einzigartig für ihn war. Sein Duft machte sie benommen, und sie wollte mehr davon.

Er legte eine Hand an ihren Kopf und fuhr mit den Fingern durch ihre Haare. In seinen Augen stand dieses dunkle, amüsierte Leuchten, das für ihre Entschlossenheit so gefährlich war. „Und was glaubst du, wie lange eine solche Ehe, die nur auf dem Papier besteht, zwischen uns halten könnte?“ Seine Stimme war ein tiefes Summen, das wie eine Liebkosung wirkte. „Ich will dich und habe die Absicht, dich zu bekommen.“

Allegra konnte nicht aufhören, auf seinen Mund zu starren. Küss mich. Küss mich. Küss mich. Die Worte hallten in ihrem erhitzten Blut wider. Sie wollte nicht diejenige sein, die den ersten Schritt machte. So wie vor vielen Jahren, als sie sich ihm an den Hals geworfen hatte, um dann brutal zurückgewiesen zu werden. Sie war nicht mehr dieses Mädchen von damals. Wenn sie den ersten Schritt machte, würde ihm das zu viel Macht verleihen. Sie konnte ihm widerstehen.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, legte er eine Fingerspitze auf ihren Mund und zeichnete damit langsam die Form ihrer Lippen nach, während winzige Feuerwerke unter ihrer Haut explodierten. „Was für ein schöner Mund. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob du meinen Kuss erwidern wirst oder mich beißt.“

Sie hob das Kinn. „Versuch es, dann wirst du schon sehen.“

Sein schiefes Lächeln erregte sie. Doch dann tippte er mit seinem Zeigefinger auf ihre Unterlippe und trat zurück. „Vielleicht ein anderes Mal.“

2. KAPITEL

Draco griff nach seinem Champagnerglas. Er wusste, dass er seine Hände mit irgendetwas beschäftigen musste, sonst würde er in Versuchung geraten, sie nach ihr auszustrecken. Er konnte warten. Sicher konnte er das. Allegra wollte die Ehe nur auf dem Papier belassen, aber er wusste, dass sie einknicken würde, noch ehe die Tinte auf der Heiratsurkunde getrocknet war.

Ihm war klar, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Als Teenager war sie verknallt in ihn gewesen, was ihn damals gleichermaßen amüsiert und geärgert hatte. Sein Verhalten ihr gegenüber war ein wenig rücksichtslos gewesen, doch er hatte kein Interesse daran gehabt, sich Schwierigkeiten mit einem Teenager einzuhandeln, vor allem nicht so schnell nach der Trennung von seiner Exfreundin, die er eigentlich hatte heiraten wollen.

Doch jetzt war Allegra kein Teenager mehr, sondern eine Frau – eine wunderschöne Frau in der Blüte ihres Lebens.

Und er wollte sie.

Seit London war ihm bewusst, dass Allegra genau die Frau war, nach der er suchte. Und als ihr Vater, Cosimo Kallas, zu ihm gekommen war und ihn um Hilfe gebeten hatte, hatte er die Gelegenheit ergriffen und eine Ehe mit ihr zur Bedingung für seine finanzielle Unterstützung gemacht. Außerdem gab es noch andere Männer, die wie Haie um das Geld kreisten, das ihr Vater ihnen schuldete, Männer, die nicht zögern würden, Allegra auch nachzusetzen. Er konnte nicht einfach zusehen, dass einer von ihnen sie in sein Bett zwang, um so die Schulden zu begleichen. Wie würde es Allegra dann ergehen? Ihr Vater hatte viele Geschäftspartner verärgert. Und Draco würde nicht zulassen, dass ihr irgendetwas passierte, nur weil ihr Vater ein Dummkopf war.

Allegra hatte Klasse. Sie war sehr gebildet, sprachgewandt – und zur Hälfte Griechin. Sie ging wie eine Tänzerin, mit ihrer schlanken Figur, die über den Boden zu schweben schien. Ihre glänzenden schwarzen Haare reichten fast bis zur Taille. Wenn sie sich bewegte, schwangen sie wie ein seidener Vorhang um ihre Schultern und hielten seinen Blick gefangen. Immer wieder stellte er sich ihre seidigen Haare auf seiner Brust ausgebreitet vor, ihre langen schlanken Beine mit seinen verschlungen.

Draco unterdrückte einen Schauer der Vorfreude. Er war heiß auf sie. Richtig heiß. Er musste sie nur ansehen, schon geriet sein Blut in Wallung. So wie in dem Moment, als sie den Champagner über ihre Bluse geschüttet und der nasse Stoff ihre Brust hervorgehoben hatte. In der Vergangenheit hatte er sie selten berührt. Seit dem Kuss damals als Teenager hatte er respektvoll Abstand gehalten, weil er nicht wollte, dass Grenzen überschritten wurden. Damals hatte er klar und deutlich gesagt, dass er kein Interesse hatte, weil er ihr keine falschen Hoffnungen machen wollte.

Doch jetzt war das etwas anderes. Ihre Ehe wäre nicht von Dauer. Sie würde nur solange Bestand haben, bis das Geschäft gesichert war. Draco hatte nichts gegen eine langfristige Ehe, aber im Moment konnte er sich so etwas für sich nicht vorstellen.

Er hatte Allegra mit dem Erben, den er sich wünschte, aufgezogen, um herauszufinden, wie sie zum Thema Kinder stand. Es wäre nicht fair, sie an eine Ehe zu binden – auch wenn sie nur kurz war –, sollte sie sich verzweifelt Kinder wünschen. Zum Glück war das nicht der Fall. Und für ihn war ein Kind das Letzte, was er wollte. Wenn er an seine eigene Kindheit dachte, war er nicht einmal sicher, ob er überhaupt je eine Familie wollte.

Als seine Mutter an einer Blindarmenzündung gestorben war, war Draco sechs Jahre alt gewesen. Er und sein Vater hatten zusammengehalten, fest entschlossen, in einer Welt zu überleben, die von ihnen weder Notiz nahm noch ihnen Hilfe anbot, weil sie kein Geld hatten. Draco konnte sich noch genau erinnern, wie er mit seinem Vater, einem Fischer, eines Tages am Hauptsitz des Unternehmens der Familie Kallas vorbeigegangen war. Sein Dad hatte zu dem Gebäude mit dem schimmernden Messingschild hochgeschaut und seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Draco es einmal weit bringen sollte. Er wünschte, dass sein Sohn etwas aus sich machte, damit er sich nicht so abstrampeln müsste wie er selbst.

Als sein Vater dann bei einem Bootsunfall vier Wochen später ums Leben kam, stand Draco allein da und musste für sich selbst sorgen.

Doch die Worte seines Vaters begleiteten ihn, motivierten ihn und feuerten ihn an. Er kämpfte sich aus der Armut heraus, nahm verschiedene schlecht bezahlte Jobs an, während er versuchte, sich weiterzubilden. Mit neunzehn wurde er Teilhaber eines Geschäfts. Als sein Partner dann in den Ruhestand trat, übernahm Draco es ganz. Nach und nach erzielte er immer größere Erfolge, baute jedes Unternehmen, das er sich aneignete, aus und erweiterte es. Aus Draco war ein Selfmademan geworden, und er war stolz darauf. Niemand konnte sagen, dass er kein guter Fang war.

Jetzt nicht mehr.

Und wer könnte eine bessere Frau für ihn sein als Allegra Kallas – die Tochter des Geschäftsmannes, der das Unternehmen besaß, das seinen Vater damals so begeistert hatte? Der Erwerb dieses Unternehmens wäre ein Symbol für Dracos Erfolg. Ein Zeichen dafür, dass das, was sein Vater sich für ihn erträumt und erhofft hatte, in Erfüllung gegangen war.

Draco beobachtete, wie Allegra, die auf einem der Ledersofas saß, an ihrem Champagner nippte. Sie hatte die langen Beine überschlagen und wippte mit einem Fuß auf und ab – womit sie verriet, dass sie aufgewühlt war. Ihre Miene hingegen gab nichts preis. Wie so oft, wirkte sie wie eine kühle Maske der Gleichgültigkeit, was ihn jedoch ebenfalls anmachte. Es amüsierte ihn, wenn sie im Ton einer Lehrerin zu ihm sprach.

Er hatte sie küssen wollen. Aber war das ein Wunder? Jeder Mann würde diese vollen weichen Lippen auf seinen spüren wollen. Schon einmal hatte er von diesem süßen heißen Mund gekostet und wollte es wieder. Doch er wusste, dass es das Machtverhältnis zwischen ihnen verschieben würde, wenn er zu schnell vorging. Er wollte, dass sie seinen Ring am Finger trug. Wollte sie hungrig. Bettelnd. Er wollte, dass sie in Bezug auf ihre Lust auf ihn ehrlich war. Denn sie hatte Lust auf ihn. Das wusste er, weil er die gleichen Anzeichen an sich wahrnahm. Er konnte seine Augen nicht von ihrem Mund abwenden, konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie dieser Mund sich über ihm öffnete, an ihm saugte, bis er explodierte.

Draco merkte, wie sie ihn mit überheblichem Blick ansah, als wollte sie sagen: „Ich bin zu gut für jemanden wie dich.“

Am liebsten hätte er sie geschnappt, um ihr zu zeigen, wie gut er für sie sein konnte.

„Noch ein Glas, um unsere Verlobung zu feiern, agape mou?“, fragte er stattdessen.

Empört schürzte sie die Lippen. „Nenn mich nicht so. Du weißt, dass du es nicht ernst meinst.“

Er stieß sich vom Fenster ab, an das er sich gelehnt hatte. „Die Sache ist die – wir müssen uns wie ein glückliches Paar verhalten, auch wenn du dich gerne mit mir duellieren würdest, wenn wir allein sind.“

Trotzig hob sie das Kinn. „Das wird uns niemand abnehmen. Wir sind bekannt dafür, dass wir einander verachten.“ Ihre Wangen wurden einen Ton dunkler. „Besonders nach diesem Abend in London, im Dezember.“

Er lächelte bei der Erinnerung daran. Es war nicht das erste Mal, dass er ein Kribbeln in ihrer Nähe verspürt hatte, weil er sich zu ihr hingezogen fühlte. Nein, es war mehr als ein Kribbeln. Eher eine Stoßwelle, deren Nachwirkungen er noch Stunden später spürte. „Ach ja. Das war nicht gerade eine deiner Sternstunden, stimmt’s? Ich habe nur versucht zu helfen, und was hat mir das eingebracht? Ein Glas Rotwein, das du mir über den Schoß geschüttet hast. So verhält sich wohl kaum eine erwachsene Frau.“

Ihre Kiefermuskeln mahlten. „Du hast mich provoziert. Also blieb mir nur die Wahl, den Wein entweder auf deinen Schoß zu schütten oder in dein Gesicht.“

Er schüttelte den Kopf, als wäre sie ein ungezogenes Kind, das ihn ständig enttäuschte. „Anscheinend muss ich dir erst einmal Benehmen beibringen.“

Sie schoss vom Sofa hoch, als hätte sie etwas gebissen, und warf ihm einen Blick zu, der den Asphalt auf der Straße aufgerollt hätte. „Du hältst dich wohl für sehr klug, weil du mich manipuliert hast, um dieser Farce von Ehe zuzustimmen. Aber lass dir eines gesagt sein: Ich werde nicht dein Fußabtreter sein und will nicht wie ein Kind behandelt werden. Und ich werde nicht mit dir schlafen. Hast du das kapiert?“

Draco liebte es, wenn sie wütend war. Sie war immer so zugeknöpft, cool und kontrolliert. Doch bei ihm zeigte sie all die Leidenschaft, die andere nicht kannten. Sie war voller Leben, eine Unruhestifterin mit scharfer Zunge und Witz. Ihre verbalen Auseinandersetzungen machten ihm Spaß. Und sie machten ihn ungeheuer an. Nur wenige Frauen widersetzten sich ihm oder forderten ihn heraus, so wie sie es tat. Ihm gefiel, dass sie Temperament hatte. Dass sie keine Angst davor hatte, sich mit ihm in die Haare zu kriegen.

Obwohl ihm lieber wäre, sie würde mit ihrem wundervollen Mund etwas anderes machen. Aber alles zu seiner Zeit.

„Ich verstehe, dass du vor dem Sex ein bisschen Angst hast, aber ich kann dir versichern, dass ich ausgezeichnet auf diesem Gebiet bin.“

Rosa Flecken erschienen auf ihren Wangen. „Ich habe keine Angst vor dem Sex. Ich hatte Sex … die ganze Zeit. Ich lege nur einfach keinen Wert auf Sex mit dir.“

Wie sehr er sich wünschte, ihr jedes Wort von dieser kleinen scharfen Zunge zu lecken. Er wollte diese Zunge auf seinem ganzen Körper spüren. Er wollte. Er wollte. Er wollte. Die Worte pulsierten wie ein Sehnen in ihm. Es war schon Wochen, nein Monate her, seit er zum letzten Mal Sex gehabt hatte. Er war zu beschäftigt gewesen, abgelenkt durch die Arbeit und die fatale finanzielle Situation, in der Cosimo Kallas sich befand, um sich mit einer Frau zusammenzutun.

Doch jetzt war er bereit dazu. So bereit, dass er es kaum schaffte, seine Hände nicht auf ihre schmalen Hüften zu legen, um Allegra an sich zu ziehen, damit sie spürte, wie bereit er war. „Du wirst mit mir das Bett teilen, auch wenn du nicht mit mir schlafen willst. Ich möchte nicht, dass das Hauspersonal hinter meinem Rücken erzählt, dass ich nicht in der Lage sei, meine ehelichen Pflichten zu erfüllen.“

Wütend funkelte sie ihn an. „Wenn du mich auch nur mit einem Finger berührst, schreie ich so laut, dass man mich bis Albanien hört.“

Draco schenkte ihr ein träges Lächeln. „Oh, ich garantiere dir, dass du schreien wirst, glykia mou. Du wärst nicht die Erste. Die meisten Frauen in meinem Bett schreien.“

Ihr Mund wurde zu einem schmalen Strich, und sie ballte die Hände zu Fäusten. Ihr gesamter Körper schien zu vibrieren. „Es überrascht mich, dass du warten willst, bis wir verheiratet sind. Warum nimmst du mich nicht gleich jetzt, hier auf dem Boden?“

„Klingt verführerisch, aber leider Gottes bin ich ein zivilisierter Mensch.“

Ihr sarkastischer Blick verriet ihm, für wie unzivilisiert sie ihn hielt. Sie drehte sich um und stellte sich hinter eines der Sofas, als müsste sie sich verbarrikadieren. „Vermutlich lässt du mich nur auflaufen, um die Qual noch größer zu machen.“

„Die Qual, die ich im Sinn habe, wird gegenseitiges Vergnügen sein.“

Sie warf die Haare über die Schultern. „Es fällt mir schwer zu verstehen, wie du eine Frau mit in dein Bett nehmen kannst, die dich hasst. Das scheint mir ein bisschen pervers.“

„Du hasst mich nicht, Allegra. Vielmehr hasst du es, dass du deinen Willen bei mir nicht durchsetzen kannst. Du brauchst einen starken Mann. Einen Mann, der dir erlaubt, deine Leidenschaft zu zeigen, die du immer unter Verschluss hältst. Ich bin dieser Mann.“

Spöttisch lachte sie auf. „Hallo? Hast du nichts von der Frauenbewegung im letzten Jahrhundert gehört? Oder warst du zu sehr damit beschäftigt, einen Mammut niederzuknüppeln und ihn dann in deine Höhle zu schleifen?“

Bei ihrer geistreichen Erwiderung verspannten sich Dracos Lenden. Sie hatte immer eine Antwort parat, noch ein Grund mit, warum er sie für die perfekte Frau für sich hielt. Er wollte keinen Fußabstreifer. Wollte keine Frau, die nicht den Mut hatte, mit ihm zu streiten.

Er wollte sie, so einfach war das. Seit er sie in London gesehen hatte, hatte er das Interesse an anderen Frauen verloren. Weil all diese Frauen ihn langweilten. Doch jedes Treffen, jedes Gespräch mit Allegra war voller Überraschungen. Sie stimulierte ihn körperlich und intellektuell.

Er griff in seine Tasche und reichte Allegra die Schachtel mit dem Ring, die er mitgebracht hatte. „Da fällt mir gerade ein … ich habe etwas für dich. Falls er nicht passt, werde ich ihn ändern lassen.“

Sie nahm die Schachtel und öffnete sie so vorsichtig, als könnte das, was darin lag, herausspringen und sie beißen. Doch dann stieß sie die Luft aus und nahm den Diamantsolitär fast ehrfürchtig heraus. „Er ist wunderschön.“ Sie sah Draco an, und die Unsicherheit, die in ihren blauen Augen aufleuchtete, fand er seltsam berührend.

„Es freut mich, wenn er dir gefällt.“

„Er sieht furchtbar teuer aus …“

Draco zuckte die Schultern. „Es ist nur ein Ring. Ich habe einen Pfeil in die Auslage geworfen. Bei dem hier ist er stecken geblieben.“

Sie schob ihn über ihren Fingerknöchel. „Er passt.“

„Das muss ein Omen sein.“

Ihr Blick flog zu ihm. „Ich werde ihn zurückgeben, wenn wir uns scheiden lassen.“

Draco ...

Autor

Barbara Wallace
<p>Babara Wallace entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als eines Tages ihre beste Freundin Kim ihr einen Roman lieh, der von Katzen handelte. Einmal gelesen und sie war gefesselt. Sie ging nach Hause und schrieb ihre eigene Geschichte. Sinnlos zu erwähnen, dass es der Roman „Ginger the Cat“ (ihre eigene Katze)...
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Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
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