Julia Exklusiv Band 385

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WIE ZÄHMT MAN EINEN MILLIARDÄR? von SHARON KENDRICK

„Du wirst mir Tag und Nacht zur Verfügung stehen.“ Wie bitte? Amber hat sich wohl verhört! Doch Conall Devlins Blick erlaubt keine Zweifel: Der Milliardär will ihr eine Lektion erteilen. Tagsüber soll sie für ihn arbeiten. Aber was kann er nachts von ihr wollen?

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  • Erscheinungstag 01.02.2025
  • Bandnummer 385
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533874
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick

1. KAPITEL

In natura sah sie vor allem gefährlich aus, fand Conall. Ihre Schönheit war geradezu erlesen, aber sie wirkte auch … kraftlos. Wie eine Rose, die vor einer wilden Partynacht frisch gepflückt im Knopfloch eines Mannes gesteckt hatte und nun verwelkt den Kopf hängen ließ.

Schlafend lag sie auf dem weißen Ledersofa, in einem weiten T-Shirt, das sich um ihre Brüste und ihren Po schmiegte und bis zur Mitte ihrer schier endlosen, sonnengebräunten Beine reichte. Neben ihr lag ein leeres Champagnerglas und glitzerte im Licht der Frühlingssonne. Die leichte Brise, die durch die Balkontür hereinzog, konnte den Dunst aus Zigarettenrauch und Räucherstäbchen nicht vertreiben.

Conall schnalzte missbilligend mit der Zunge. Was für eine Überdosis an Klischees – allesamt verkörpert durch die verführerische Amber Carter, deren tiefschwarzes Haar sich wie Tinte über ihre goldene Haut ergoss. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte er sie wachgeschüttelt. Doch sie war nun einmal eine Frau – eine verwöhnte, wunderschöne Frau, für die er nun die Verantwortung trug. Und aus irgendeinem Grund traute er sich nicht, sie zu berühren.

Verdammter Ambrose Carter! Der ältere Mann hatte ihn so eindringlich angefleht. „Du musst sie vor sich selbst bewahren, Conall. So kann es nicht weitergehen.“ Conall verfluchte sein Gewissen, das ihn dazu gebracht hatte, sich auf diese verrückte Vereinbarung einzulassen.

Im Apartment war es still, doch vorsichtshalber vergewisserte er sich, dass niemand in einem der zahlreichen Schlafzimmer seinen Rausch ausschlief. Keiner sollte hören, was er gleich sagen würde. Er ging durch alle Zimmer, aber außer halb leer gegessenen Pizzakartons und ausgetrunkenen Flaschen Jahrgangschampagner fand er nichts. Eins der Zimmer war voller Bücher, auch ein eingestaubter Hometrainer stand dort. Halb versteckt hinter einem Samtsofa entdeckte er eine Reihe Bilder, die er sich mit interessiertem Kennerblick ansah. Die Farbkleckse und -wirbel drückten Wut aus, einige wurden durch eine schwarze Umrandung betont.

Nach einer Weile riss er sich los und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Amber Carter noch genauso dalag.

„Aufwachen“, sagte er. Als keine Reaktion kam, wiederholte er lauter: „Los, aufwachen!“

Endlich regte sie sich und schob sich das tiefschwarze Haar aus dem Gesicht, sodass er ihr Profil sehen konnte: die niedliche kleine Nase und den rosigen Schmollmund. Langsam drehte sie den Kopf, und als sich ihre dichten Wimpern hoben, stellte Conall fest, dass er noch nie so tiefgrüne Augen gesehen hatte. Einen Moment lang vergaß er, warum er hier war.

„Wer sind Sie denn?“, fragte Amber mit rauchiger Stimme. Sie setzte sich auf und wirkte dabei erstaunlich ruhig – als wäre sie es gewohnt, in ihrem eigenen Apartment mittags von fremden Männern geweckt zu werden.

„Ich heiße Conall Devlin.“ Er wartete darauf, dass sie seinen Namen erkannte.

Doch sie fragte nur gelangweilt: „Ach ja? Und wie sind Sie bitte schön hier reingekommen, Conall Devlin?“

In vieler Hinsicht war Conall ausgesprochen altmodisch, was ihm enttäuschte Frauen schon häufig vorgeworfen hatten. Und in diesem Moment spürte er, wie er wütend wurde. Alles, was er über Amber gehört hatte, schien sich zu bestätigen: dass sie achtlos und gleichgültig war und sich für niemanden interessierte außer für sich selbst. Wut war ungefährlicher als Verlangen – ungefährlicher, als sich zu erlauben, ihre bei jeder Bewegung wogenden Brüste zu betrachten. Oder die Anmut zu bemerken, mit der sie nun aufstand und durchs Zimmer ging. Am liebsten hätte Conall sie die ganze Zeit angestarrt. Und er spürte, wie er vor widerstrebender Lust hart wurde.

„Die Tür stand offen“, sagte er unverhohlen missbilligend.

„Ach so. Die hat wohl jemand beim Rausgehen offen gelassen.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ihr wohl die meisten Männer aus der Hand fressen würden. „Ich habe gestern eine Party veranstaltet.“

Conall erwiderte ihr Lächeln nicht. „Haben Sie keine Angst, dass jemand Sie ausraubt – oder Schlimmeres?“

„Nein.“ Sie zuckte die Schultern. „Der Portier passt eigentlich gut auf. Wie haben Sie es geschafft, an ihm vorbeizukommen?“ Als sie zu einem Couchtisch ging und sich dabei ihr weites T-Shirt bewegte, glitt sein Blick unwillkürlich zu ihrem festen, kleinen Po.

„Ich habe einen Schlüssel.“ Er drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, sodass er in der Sonne glänzte.

Überrascht sah Amber ihn an, bevor sie eine Schachtel Zigaretten aus einer kleinen perlenbestickten Handtasche zog.

„Sie haben einen Schlüssel?“ Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen.

„Mir wäre es lieber, wenn Sie die nicht anzünden“, sagte Conall.

„Ach wirklich?“, fragte sie sarkastisch.

„Ja, wirklich“, entgegnete er ebenso sarkastisch. „Abgesehen von den Risiken des Passivrauchens kann ich den Geruch nicht ausstehen.“

„Dann gehen Sie doch einfach.“ Mit ihrem manikürten Daumen betätigte sie das Feuerzeug. Doch kaum hatte sie den ersten Zug genommen, stand Conall vor ihr und nahm ihr die Zigarette weg.

„Was soll das, verdammt noch mal?“, rief sie empört. „Das können Sie nicht einfach machen!“

„Oh doch, baby.“ Er ging auf den Balkon, drückte die Zigarette aus und ließ sie in ein leeres Champagnerglas fallen.

Als er wieder im Zimmer war, nahm sie sich gerade mit trotzigem Gesicht die nächste Zigarette. „Ich habe noch jede Menge.“

„Das wäre reine Verschwendung“, stellte Conall kühl fest. „Ich werde Ihnen nämlich jede einzelne wegnehmen, bis keine mehr übrig sind.“

„Dann lasse ich Sie wegen Hausfriedensbruch und Belästigung festnehmen!“

„Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber damit werden Sie keinen Erfolg haben. Möglicherweise wäre die Polizei sogar der Ansicht, dass Sie Hausfriedensbruch begehen. Schließlich habe ich einen Schlüssel.“

Ihr herausfordernder Gesichtsausdruck verschwand, und als ein Schatten über das Grün ihrer Augen glitt, erfüllte ihn so etwas wie Mitgefühl. Doch dann rief er sich in Erinnerung, was für eine verwöhnte, manipulative Frau sie war.

„Ja, warum eigentlich? Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund!“ Seit Langem hatte keiner mehr gewagt, in diesem Ton mit ihm zu sprechen. „Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?“

„Ich erzähle Ihnen gerne alles, was Sie wissen möchten“, antwortete er gelassen. „Aber zuerst sollten Sie sich etwas anziehen.“

Ein Lächeln umspielte Ambers Mund. Eine Hand in die Hüfte gestützt, nahm sie eine Modelpose ein. „Wird Ihnen bei meinem Anblick etwa unbehaglich, Mr. Devlin?“

„Sie meinen, ob er mich anmacht? Nein. Frauen, die rauchen und ihren Körper fremden Männern zur Schau stellen, lassen mich kalt“, entgegnete Conall, obwohl er von Verlangen erfüllt wurde. Weil seine Kehle plötzlich ganz trocken war, schluckte er. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, also kommen wir zur Sache.“

Einen Moment überlegte Amber, ob sie wirklich die Polizei rufen sollte, doch eigentlich gefiel ihr die Dramatik der Situation. Es war so wohltuend, etwas zu empfinden, auch wenn es nur Ärger und Empörung waren. So lange hatte sie sich wie betäubt gefühlt, als wäre sie unsichtbar.

Sie dachte an den vergangenen Abend. War Conall Devlin einer der uneingeladenen Gäste bei ihrer spontanen Party gewesen? Nein, ganz bestimmt nicht. Einen Mann wie ihn vergaß man nicht, auch wenn sein Verhalten noch so unangenehm war.

Widerstrebend ließ sie den Blick über ihn gleiten. Seine markanten Züge waren perfekt – bis auf die Nase, die offenbar einmal gebrochen gewesen war. Sein Haar war dunkel, wenn auch nicht so dunkel wie ihr eigenes, und seine Augen waren mitternachtsblau. Auf Kinn und Wangen sah sie einen dunklen Schatten, als hätte er keine Lust gehabt, sich morgens zu rasieren – als hätte er jede Menge Testosteron im Blut. Amber schluckte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Conall mit einer Spitzhacke durch Beton schlug. Dabei hatte sein perfekt sitzender anthrazitfarbener Anzug sicher ein kleines Vermögen gekostet.

Das Innere ihres Mundes fühlte sich an wie Schmirgelpapier, und bestimmt roch sie nicht besonders gut, denn sie war eingeschlafen, ohne sich die Zähne geputzt zu haben. Außerdem hatte sie noch die Schminke vom Vortag im Gesicht. Nicht gerade optimal, wenn einem ein so atemberaubender Mann gegenüberstand.

„Also gut“, sagte sie betont gleichgültig. „Dann ziehe ich mich jetzt an.“

Conall wirkte überrascht, dass sie sich so einfach geschlagen gab. Das gefiel Amber, die andere gern überraschte. Sie spürte seinen Blick, als sie in ihr Schlafzimmer ging, das eine fantastische Aussicht auf Londons berühmteste Wahrzeichen bot.

Starr betrachtete sie das London Eye, während sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Andere Frauen hätte es furchtbar erschreckt, von einem Fremden geweckt zu werden. Sie dagegen empfand es als interessante Art und Weise, in den Tag zu starten, denn in letzter Zeit war ihr Alltag sehr öde gewesen. Sicher war Conall Devlin es gewohnt, alles zu bekommen, was er wollte – er strahlte so eine selbstsichere Arroganz aus. Falls er aber glaubte, sie würde sich von seiner herrischen Macho-Attitüde beeindrucken lassen, würde er bald merken, dass sie sich so schnell von nichts einschüchtern ließ.

Amber beeilte sich nicht übermäßig. Sie ließ sich von der Luxus-Regendusche wecken, zog sich an und schminkte sich sorgfältig. Als sie zwanzig Minuten später in Skinny Jeans und einem eng anliegenden weißen T-Shirt ins Wohnzimmer kam, saß Conall auf einem der Sofas und tippte auf seinem Laptop. Er hatte ein leicht feindseliges Funkeln in den Augen und wirkte, als habe er jedes Recht, es sich hier gemütlich zu machen.

Als sie eintrat, klappte er seinen Laptop zu und betrachtete sie kühl.

„Setzen Sie sich.“

„Das hier ist mein Zuhause. Ich mache hier, was ich will. Und ich will mich nicht setzen.“

„Ich halte es aber für besser.“

„Das ist mir doch egal!“

Conall kniff die Augen zusammen. „Ihnen ist so gut wie alles egal, stimmt’s, Amber?“

Amber zuckte innerlich zusammen. Er sagte ihren Namen, als hätte er das eingeübt. Nun hörte sie auch den leichten irischen Einschlag in seiner tiefen Stimme. Ihr Herz schlug heftig, denn plötzlich war das Ganze kein etwas verrückter Sonntagvormittag mehr, sondern irgendwie beunruhigend.

Weil sie sich fühlte wie ein ungezogenes Schulmädchen, das zum Direktor zitiert worden war, setzte sie sich ihm gegenüber hin. Etwas an der Art und Weise, wie er sie ansah, ließ ihre Knie zittern.

„Wer sind Sie?“, fragte sie.

„Wie schon gesagt, ich heiße Conall Devlin.“ Er lächelte. „Ich kenne Ihren Bruder Rafe …“

„Meinen Halbbruder“, korrigierte Amber ihn kühl. „Rafe lebt in Australien. Ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Unsere Familie ist sehr auseinandergerissen.“

„Ja. Ich habe außerdem früher für Ihren Vater gearbeitet.“

Sie runzelte die Stirn. „Oje, Sie Armer!“

Conall wirkte gereizt, was ihr gefiel. Er kann hier schließlich nicht einfach hereinmarschiert kommen und mich herumkommandieren, rief sie sich in Erinnerung. Doch leider hatte er eine wahnsinnig selbstbewusste Ausstrahlung – wie ein Zauberer, der seinen unglaublichsten Trick bis zum Ende aufsparte.

„Wie dem auch sei …“ Amber blickte demonstrativ auf ihre diamantenbesetzte Uhr. „Es war ja wirklich nett, zur Abwechslung mal auf diese Weise geweckt zu werden. Aber so langsam wird mir langweilig, und außerdem bin ich mit Freunden zum Mittagessen verabredet. Fragt sich mein geliebter Daddy mal wieder in einem Anfall von Reue, wie es seinen Kindern eigentlich geht? Hat er Sie beauftragt, das herauszufinden? Falls ja, können Sie ihm sagen, dass es mir gut geht.“ Sie zog die Augenbrauen hoch. „Oder langweilt er sich etwa schon mit Ehefrau Nummer … bei der wievielten sind wir mittlerweile? Nummer sechs? Es ist ja nicht leicht, mit seinem ereignisreichen Liebesleben mitzuhalten.“

Conall lauschte ihren spitzen Bemerkungen. Es war ja zu erwarten gewesen, dass Amber aufgebracht und streitlustig reagieren würde und dass jemand mit ihrer Geschichte keinen gewöhnlichen Weg im Leben einschlug. Doch nicht aus jedem, der Widrigkeiten erlebte, wurde ein verwöhnter, launischer Mensch. Seine Mutter zum Beispiel hatte viel Schlimmes durchgemacht, das Amber Carter sich vermutlich nicht einmal vorstellen konnte.

Würde er Amber beruhigend über das glänzende Haar streichen und ihr versichern, alles werde gut, täte er ihr damit keinen Gefallen. Viel lieber hätte er sie übers Knie gelegt und ihr den Hintern versohlt, um sie zur Vernunft zu bringen.

„Ich habe gerade eine geschäftliche Vereinbarung mit Ihrem Vater geschlossen.“

„Bravo! Sicher hat er hart verhandelt.“

„Allerdings.“ Und bei niemandem außer Ambrose Carter hätte Conall sich auf derartige Bedingungen eingelassen. Aber das imposante Hochhaus in diesem Teil Londons zu kaufen – das war etwas, wovon er schon lange träumte. Niemals hätte er gedacht, dass ihm dies schon jetzt, kurz vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag, gelingen würde. Außerdem stand er tief in der Schuld des alten Mannes. Denn Ambrose hatte ihm gegenüber große Güte gezeigt, als es in seinem Leben sehr dunkel ausgesehen hatte. Er hatte an Conall geglaubt, als niemand anders das getan hatte.

„Conall, du bist mir etwas schuldig“, hatte er gesagt und ihm seinen haarsträubenden Plan dargelegt. „Wenn du diese eine Sache für mich tust, sind wir quitt.“

Conall hatte diese emotionale Erpressung zwar sehr widerstrebt, doch er konnte nicht ablehnen. Denn ohne Ambrose wäre er damals im Gefängnis gelandet. Und es war schließlich nicht ausgeschlossen, dass er Ambrose Tochter ein paar grundlegende Lektionen in Manieren und Überleben erteilte.

Er blickte in ihre smaragdgrünen Augen und versuchte, ihre sinnlich geschwungenen Lippen zu ignorieren, auf die sein Körper so heftig reagierte. „Ich habe gestern einen Kaufvertrag mit Ihrem Vater abgeschlossen.“

Amber blickte sehnsüchtig zu ihren Zigaretten. „Und?“

„Und jetzt gehört mir dieser Wohnblock“, sagte er.

Damit hatte er schlagartig ihre Aufmerksamkeit gewonnen. Sie wirkte wie eine Katze, die man mit eiskaltem Wasser begossen hatte. Doch innerhalb von Sekunden hatte sie sich wieder gefangen und sagte überheblich: „Ihnen? Dieses Gebäude gehört zu seinen wichtigsten Kapitalanlagen. Warum sollte er es verkaufen – noch dazu an Sie?“

Conall lachte kurz. Was sie damit sagen wollte, war unmissverständlich. Ob Amber wohl weniger erschüttert gewesen wäre, wenn ein reicher Aristokrat das Gebäude gekauft hätte? Den könnte sie jedenfalls leichter um den kleinen Finger wickeln.

„Vermutlich, weil er gerne Geschäfte mit mir macht. Außerdem möchte er Kapital verfügbar machen, um seinen Ruhestand zu genießen.“

Amber zog die perfekten Brauen zusammen. „Ich wusste gar nicht, dass er in den Ruhestand gehen will.“

Wenn du öfter mal mit ihm reden würdest, wüsstest du etwas mehr über sein Leben, dachte Conall, doch er wollte sie nicht verurteilen. Schließlich war er hier, um ihr einen Ausweg aus ihrem haarsträubenden Lebensstil zu bieten, auch wenn ihm das zutiefst widerstrebte.

„Doch, das hat er vor. Er fährt gerade alles zurück. Und ab jetzt bin ich der neue Besitzer dieser Immobilie.“ Er atmete tief ein. „Das bringt natürlich einige Veränderungen mit sich. Zum Beispiel können Sie jetzt nicht mehr mietfrei hier wohnen.“

Wie bitte?

„Sie bewohnen ein Luxus-Penthouse-Apartment in bester Lage, das ich für eine astronomische Summe vermieten könnte. Derzeit bezahlen Sie nichts dafür, und damit ist es nun leider vorbei.“

Ihre Miene wurde noch überheblicher, und Amber schauderte, als fände sie es vulgär, über Geld auch nur zu reden. Irgendwie gefiel Conall das, denn es war lange her, dass er von einer Frau etwas anderes erlebt hatte als übereifriges grünes Licht.

„Mr. … Devlin.“ Sie sprach seinen Namen aus, als wäre er giftig. „Selbstverständlich bin ich bereit, die marktübliche Miete zu bezahlen. Ich muss nur mit meiner Bank sprechen.“

Er lächelte. „Viel Erfolg.“

Ihre Augen funkelten aufgebracht, und sie ballte die Hände mit den tiefrot lackierten Fingernägeln zu Fäusten. Conall fühlte etwas in sich aufflackern, das er nicht verstand. Er versuchte es zu verdrängen, als er ihre vor Wut bebenden Lippen betrachtete.

„Dass Sie meinen Vater und meinen Bruder kennen, gibt Ihnen nicht das Recht, sich über Dinge zu äußern, die Sie nichts angehen – wie zum Beispiel meine Finanzen.“

„Über die weiß ich mehr, als Ihnen bewusst ist“, entgegnete er.

„Das glaube ich Ihnen nicht.“

„Glauben Sie, was Sie wollen, baby“, sagte Conall leise. „Sie werden ohnehin bald die Wahrheit erfahren. Aber kein Grund, erbittert zu sein, ich werde mich nämlich äußerst großzügig zeigen. Weil Ihr Vater und ich uns schon lange kennen, Amber. Und ich werde Ihnen ein Angebot machen.“

Misstrauisch kniff sie die faszinierenden grünen Augen zusammen. „Was für ein Angebot?“

„Ich werde Ihnen eine Stelle geben – und die Chance zur Läuterung. Und wenn Sie mein Angebot annehmen, werden wir uns Gedanken über ein Apartment für Sie machen, das besser zu einer Frau passt, die ein normales Gehalt bekommt.“ Er wies um sich. „Das hier ist ja eher etwas für einen Millionär mit umfangreichen Geldanlagen.“

Ungläubig sah Amber ihn an, als rechnete sie damit, dass er jeden Moment lächelnd sagen würde, er habe nur Spaß gemacht und würde ihr natürlich jeden Wunsch von den Augen ablesen. So war sie es sicher von Männern gewohnt. Wenn eine Frau so aussah wie sie, würde jeder Mann herbeieilen, wenn sie nur mit den Fingern schnippte.

„Und wenn ich Ihr Angebot nicht annehme?“

Er zuckte die Schultern. „Dann wäre ich gezwungen, Ihnen mit einer Frist von einem Monat zu kündigen und danach die Schlösser auszutauschen. Anschließend wären Sie dann auf sich gestellt.“

Wütend sprang Amber auf, und ihre Augen schienen Funken zu sprühen. Am liebsten hätte sie ihm wohl mit ihren tiefroten Nägeln das Gesicht zerkratzt. Und etwas in ihm wünschte sich, sie würde ihm damit vom Oberkörper bis zwischen die Beine streichen, seine Hoden umfassen und sie unter vorsichtigem Einsatz ihrer scharfen Krallen liebkosen …

Doch sie stand einfach nur da, atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen – ebenso wie Conall, den seine erotischen Fantasien etwas außer Atem gebracht hatten.

Als sie sprach, waren ihre Worte wie spitze Eisstücke. „Ich kenne mich mit den juristischen Details nicht aus, Mr. Devlin. Aber sogar mir ist bekannt, dass man Mieter nicht einfach auf die Straße setzen darf.“

„Das stimmt. Allerdings sind Sie nie Mieterin gewesen.“ Conall versuchte, sich sein Triumphgefühl nicht anmerken zu lassen. Amber war zwar eine verwöhnte, unangenehme junge Frau, doch auf sie warteten genug harte Lektionen, ohne dass er Salz in die Wunde streute. Er beschloss, sich vorsichtig auszudrücken. „Es war ein Gefallen Ihres Vaters, dass er Sie hier wohnen ließ. Einen Vertrag haben Sie nicht …“

„Natürlich nicht – weil er mein Vater ist!“

„Aber jetzt gehört das Gebäude mir, und damit haben weder er noch Sie irgendwelche Ansprüche.“

Als Amber heftig den Kopf schüttelte, flog ihr tiefschwarzes Haar umher. „So etwas würde er nicht einfach tun, ohne vorher mit mir zu sprechen!“, rief sie.

„Er hat mir gesagt, dass er Sie per Brief informiert hätte – und die Bank ebenfalls.“

Amber blickte ängstlich zu dem Stapel ungeöffneter Briefe auf dem Schreibtisch. Sie hatte die Angewohnheit, Schreiben einfach nicht zu öffnen. Die meisten enthielten sowieso nur schlechte Nachrichten, ihre Rechnungen wurden per Bankeinzug bezahlt, und wenn jemand dringend etwas von ihr wollte, konnte er ihr eine E-Mail schreiben.

Sie beschloss, sich nicht weiter mit dem spöttischen Mann zu befassen, dessen Gegenwart sie so merkwürdig durcheinanderbrachte. Stattdessen musste sie dringend mit ihrem Vater sprechen, denn das Ganze war sicher ein Missverständnis. Warum sonst sollte er eins der Prunkstücke seines Immobilienschatzes diesem … diesem Grobian verkaufen?

„Bitte gehen Sie jetzt, Mr. Devlin.“

Spöttisch zog er die dunklen Augenbrauen hoch. „Sie sind also nicht an meinem Vorschlag interessiert? Zum ersten Mal eine Arbeit haben? Die Chance, der Welt zu beweisen, dass Sie nicht nur ein oberflächliches Society-Girl sind, das von einer Party zur nächsten tänzelt?“

„Lieber falle ich tot um, als für Sie zu arbeiten.“

Conall stand auf und baute sich mit düsterer Miene vor ihr auf. „Lassen Sie sich einen Termin bei mir geben, wenn Sie zur Vernunft gekommen sind.“ Er legte eine Visitenkarte auf den Couchtisch.

„Das wird ganz sicher nicht passieren.“ Amber nahm sich eine Zigarette und sah ihn herausfordernd an. „Und jetzt hauen Sie endlich ab.“

„Nur zu gern“, erwiderte er gelassen. „Ich lege keinen großen Wert darauf, auch nur eine weitere Minute in Ihrer Gesellschaft zu verbringen.“

Aufgebracht und voller Panik stellte Amber fest, dass er es ernst meinte.

2. KAPITEL

Als Amber die Bank verließ, zitterten ihre Hände, und sie wischte sich ungeduldig die Schweißperlen von der Stirn. Wie erstarrt stand sie vor dem imposanten Gebäude, sodass sich die viel beschäftigten Geschäftsleute ihren Weg um sie herum bahnen mussten.

Das Ganze musste ein Missverständnis sein. So gemein konnte ihr Vater sich doch nicht verhalten! Hatte er wirklich den Bankdirektor beauftragt, ihr mitzuteilen, dass ihr gesamtes Vermögen eingefroren worden war und sie kein weiteres Geld von ihm bekommen würde? Auf ihr leicht hysterisches Nachfragen hatte der Bankdirektor nur mit unheilvollem Schweigen reagiert. Und jetzt traf sie die harte Wahrheit wie ein Schlag: Sie war pleite.

Vor Angst schlug Ambers Herz wie verrückt. Ich habe Conall Devlin angewiesen, dir zu helfen, hatte in dem Schreiben von ihrem Vater gestanden, das ihr der Bankdirektor überreicht hatte.

Conall Devlin? Den ungehobelten Kerl, der gestern in ihr Apartment gestürmt war und die Verantwortung dafür trug, dass sie praktisch auf der Straße saß? Von dem würde sie ganz sicher keine Hilfe annehmen! Amber beschloss, mit ihrem Vater zu reden. Er würde ihr Gehör schenken – das tat er schließlich immer.

Doch plötzlich wurde sie von einer so abgrundtiefen Panik erfasst, dass sie das Gefühl hatte zu ertrinken. So hatte sie sich immer gefühlt, wenn ihre Mutter wieder einmal angekündigt hatte, sie würden umziehen – und Amber gewusst hatte, dass ihre hart erkämpften Freundschaften bald nur noch Erinnerung sein würden.

Mit aller Macht versuchte Amber, ihre Angst in den Griff zu bekommen, doch ihr zitterten die Hände, als sie ihr Handy herauszog. Sie rief ihren Vater an, erreichte jedoch nur seine Assistentin Mary-Ellen, die ihr noch nie wohlgesinnt gewesen war.

„Amber? Na, das ist ja eine Überraschung“, sagte sie unverhohlen missbilligend.

„Hallo, Mary-Ellen.“ Amber atmete tief durch. „Ich muss dringend mit meinem Vater sprechen.“

„Leider ist er nicht da“, lautete die knappe Antwort.

„Wissen Sie, wann er wieder da ist oder wo ich ihn erreichen kann?“

„So einfach ist das leider nicht. Er ist in einem Aschram in Indien.“

Amber schnaufte ungläubig. „Mein Vater ist in einem Aschram? Mit Yoga und veganem Essen? Soll das ein Witz sein?“

„Nein“, entgegnete Mary-Ellen kühl. „Er hat wochenlang versucht, Sie zu erreichen. Haben Sie den Brief bekommen, den er bei der Bank hinterlegt hat?“

„Ja.“ Er lag zusammengeknüllt in ihrer Handtasche.

„Dann schlage ich vor, Sie befolgen seinen Rat und sprechen mit Conall Devlin. Seine Kontaktdaten finden Sie im Schreiben. Er kann Ihnen helfen, solange Ihr Vater nicht da …“

Mit einem wütenden Aufschrei beendete Amber das Gespräch, warf das Handy in ihre Tasche und marschierte los – einfach irgendwohin. Auf Conall Devlins Hilfe konnte sie verzichten! Und warum, verdammt noch mal, benahm sie sich wie ein hilfloses Opfer, nur weil man ihr ein paar Hindernisse in den Weg gestellt hatte?

Ihr war schließlich schon viel Schlimmeres passiert, zum Beispiel während ihrer albtraumhaften Kindheit. Und danach war es auch nicht viel besser geworden.

Amber wischte sich die Stirn trocken und dachte nach. Sie würde nach Hause gehen und sich eine Strategie überlegen, mit der sie zurechtkam, bis sie ihren Vater erreichte. Dann würde sie sich seine Schuldgefühle zunutze machen, die er noch immer hatte, weil er sie und ihre Mutter damals praktisch auf die Straße gesetzt hatte. Sicher war es ein Versehen gewesen, dass er ihre Konten eingefroren hatte.

Amber fuhr mit der U-Bahn nach Hause. Weil sie morgens nichts gegessen und großen Hunger hatte, ging sie einkaufen. Doch als sie mit einem riesigen Essensvorrat und einer Schachtel Zigaretten an der Kasse stand, stellte sie entsetzt fest, dass ihre Karte nicht akzeptiert wurde. Der Mann hinter ihr seufzte genervt, und zwei Frauen beobachteten sie neugierig.

Amber errötete heftig. „Ich … ich bin doch Stammkundin hier, kann ich später noch mal vorbeikommen und bezahlen?“

Verlegen schüttelte die Kassiererin den Kopf. Und plötzlich begriff Amber: Ihr Vater hatte ihr wirklich vollständig den Geldhahn abgedreht. Sie dachte an ihren Kühlschrank, der bis auf einige Flaschen Champagner praktisch leer war. Mit zitternden Händen nahm sie den letzten Schein aus ihrem Portemonnaie.

„Dann nehme ich nur die Zigaretten“, brachte sie mühsam heraus und verließ kurz darauf mit vor Scham gesenktem Kopf den Laden. Zu Hause schrieb sie aus einer plötzlichen Laune heraus ihrem Halbbruder Rafe eine Nachricht. Wie spät es jetzt wohl in Australien war?

Was weißt du über einen gewissen Conall Devlin?

Zu ihrer Überraschung antwortete Rafe fast sofort.

Er war in der Schule mein bester Freund. Warum?

Deshalb also war ihr der Name entfernt bekannt vorgekommen. Rafe war elf Jahre älter als sie. Als sie mit vierzehn zu ihrem Vater zurückgezogen war, hatte er dort schon nicht mehr gewohnt. Aber hatte ihr Vater nicht mal was von einem irischen Senkrechtstarter erzählt, der sich von ganz unten hochgearbeitet hatte, als er am Boden gewesen war?

Zu gerne hätte Amber Rafe noch mehr Fragen gestellt, aber wahrscheinlich lag der irgendwo am Strand, trank Champagner und ließ sich von bildschönen Frauen anhimmeln. Und würde er ihr überhaupt glauben, dass sie wegen Conall bald obdachlos wäre? Immerhin waren die beiden früher beste Freunde gewesen.

Dann kam noch eine Nachricht.

Warum schreibst du mir eigentlich mitten in der Nacht?

Amber biss sich auf die Lippe. Was für einen Sinn hatte es, ihm von ihren Problemen zu erzählen? Obwohl Rafe sich am anderen Ende der Welt ein Vermögen erarbeitet hatte, glaubte sie nicht, dass er ihr mit Geld aushelfen würde. Denn auch er hatte ihr immer damit in den Ohren gelegen, sie solle sich Arbeit suchen. Genau deshalb hatte sie den Kontakt zu ihm ja einschlafen lassen: weil er ihr Dinge sagte, die sie lieber nicht hören wollte.

Ich wollte mich einfach mal melden.

Prompt kam Rafes Antwort:

Das ist ja nett. Lass uns bald mal telefonieren.

Aus irgendeinem Grund traten Amber Tränen in die Augen.

Ja, gerne! Bis dann.

Der kurze Austausch mit Rafe war das einzige Schöne, das ihr heute passiert war, doch die Freude darüber hielt nicht lange an. Niedergeschlagen setzte Amber sich auf den Boden und rauchte eine Zigarette. Dann fing sie an zu zittern. Wie hatte ihr Vater einfach nach Indien reisen und sie in dieser Notlage zurücklassen können?

Nacheinander überdachte sie die wenigen Möglichkeiten, die sich ihr boten. Sie konnte Bekannte darum bitten, sie auf ihrem Sofa schlafen zu lassen. Aber das ging natürlich nur für eine begrenzte Zeit, und sie hatte ja nicht einmal Geld, um sich an den Haushaltskosten zu beteiligen. Auch die sehr teuren Clubs, in die sie immer ging, würde sie sich nicht mehr leisten können. Und in ihren Kreisen war man ohne Geld praktisch gesellschaftlich tot.

Starr betrachtete sie ihre funkelnde diamantbesetzte Uhr – ein Geschenk zu ihrem achtzehnten Geburtstag, um sie in einer besonders schweren Zeit zu trösten. Doch kein noch so teurer Schmuck konnte die Leere füllen, die in ihrer Seele herrschte …

Ich könnte die Uhr zum Pfandleiher bringen, dachte Amber. Aber bestimmt würde sie keinen guten Preis erzielen. Denn Menschen, die ihren Schmuck für Geld hergaben, waren angreifbar und wurden aufgrund ihrer schwierigen Situation ausgenutzt. Das wusste Amber nur zu gut.

Sie musste an den Brief ihres Vaters denken, in dem er sie aufforderte, mit Conall Devlin zu reden. Alles in ihr sträubte sich dagegen, doch ihr blieb wohl nichts anderes übrig.

Sie mochte Männer nicht sonderlich und misstraute ihnen zutiefst, aus gutem Grund. Aber sie kannte auch ihre Schwächen. Ihre Mutter hatte ihr nicht viel beigebracht, doch ihrer Tochter immer wieder eingeschärft, dass Männer schwach wurden, wenn Frauen sich vermeintlich hilflos an sie wandten.

Mit plötzlicher Entschlossenheit ging Amber ins Badezimmer, um ausgiebig zu duschen. Frauen, die rauchen und ihren Körper fremden Männern zur Schau stellen, lassen mich kalt, hatte Conall Devlin gesagt, und seine mitternachtsblauen Augen hatten Verachtung ausgedrückt. Also zog sie ein dunkelblaues Kleid an, das sie bisher nur zu – erfolglosen – Vorstellungsgesprächen getragen hatte, schminkte sich äußerst dezent und fasste sich das Haar zu einem schlichten Knoten zusammen. Als sie in den Spiegel sah, erkannte sie sich kaum wieder.

Conall Devlins Geschäftsräume lagen ein wenig versteckt in einer fast idyllischen, ruhigen Straße in Kensington, die von Kirschbäumen gesäumt war. Überrascht betrachtete Amber das renovierte historische Gebäude. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Das Innere strahlte eine Atmosphäre des Erfolgs aus: In der Eingangshalle mit der hohen Decke, den Kronleuchtern und dem schwarz-weißen Marmorboden führte eine geschwungene Treppe nach oben. Vor dem modernen Gemälde einer Frau, die eine Ziege streichelte, stand ein Schreibtisch aus Glas. Daneben hing ein riesiges glitzerndes Bild von Marilyn Monroe, das Amber sofort erkannte.

Alles wirkte so unglaublich cool und trendy, dass Amber sich in ihrem biederen blauen Kleid plötzlich fehl am Platze fühlte. Genau in diesem Moment blickte die elegante blonde Rezeptionistin im einfarbigen Minikleid auf und fragte lächelnd: „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich möchte zu Conall Devlin“, platzte Amber unverblümt heraus.

Die Frau wirkte etwas pikiert. „Leider ist er heute sehr beschäftigt. Haben Sie einen Termin?“

Plötzlich hatte Amber das Gefühl, sie habe kein Recht, hier zu sein – oder irgendwo anders. Was tue ich hier eigentlich, in diesem spießigen Kleid? dachte sie mit Blick auf die elegante, strahlende Blondine. Aber an ihrer Aufmachung konnte sie jetzt nun einmal nichts mehr ändern. Also stellte sie ihre Tasche auf einen Stuhl, der eher nach Kunstwerk als nach Möbelstück aussah, und sah die Frau herausfordernd an.

„Nein, ich habe keinen offiziellen Termin. Aber ich muss dringend mit ihm reden und werde hier warten, bis er Zeit hat, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

Nun verblasste das Lächeln der Blondine vollends. „Vielleicht sollten Sie lieber ein andermal mit Termin wiederkommen.“

Amber musste daran denken, wie Conall einfach in ihr Apartment marschiert war, an seine selbstherrliche, verächtliche Art. Sie sank auf einen Stuhl. „Nein, ich werde hier warten, es ist nämlich wirklich dringend.“ Mit diesen Worten nahm sie eins der ausliegenden Hochglanzmagazine zur Hand und tat, als würde sie sich darin vertiefen.

Die blonde Frau begann, auf ihrer Tastatur zu tippen. Vermutlich schrieb sie Conall eine E-Mail über die merkwürdige Frau, die sich am Empfang häuslich niedergelassen hatte. Kurz darauf hörte Amber, wie im oberen Stock eine Tür aufging und jemand die Treppe hinunterkam. Die Schritte näherten sich, doch erst, als sie direkt vor ihr haltmachten, blickte sie auf – und sofort schlug ihr Herz wie wild.

Obwohl Amber sich größte Mühe gab, nicht auf Conalls Anblick zu reagieren, wurde sie von Gefühlen erfüllt, die für sie ganz neu und ungewohnt waren. Hier, auf seinem eigenen Terrain, wirkte er sogar noch einschüchternder als gestern.

Statt des Anzugs trug er heute einen schwarzen Kaschmirpullover und eine schwarze Jeans, die seine schmalen Hüften und seine langen, muskulösen Beine betonte. Sein Teint wirkte goldener, als sie ihn in Erinnerung hatte. Mit ausdrucksloser Miene sah Conall sie an.

„Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass Sie sich einen Termin geben lassen sollen. War das bevor oder nachdem Sie mir gesagt haben, ich solle abhauen?“ Er lächelte ein wenig schief. „Was wollen Sie, Amber?“

Amber sah ihn an und konnte nur daran denken, wie saphirblau seine Augen glänzten, wie markant seine Züge waren … Er strahlte Unnachgiebigkeit und Macht aus, als hielte er sämtliche Trümpfe in der Hand. Am liebsten hätte sie gesagt, er solle ihr endlich zuhören, statt ihr seinen Willen aufdrängen zu wollen. Doch es war klüger, an seine Großmut zu appellieren.

„Ich war bei der Bank“, sagte sie leise. Was sie da erfahren hatte, wusste Conall wohl nur zu gut.

Er lächelte kalt. „Und?“, fragte er nur.

Dass Ambers Stimme zu zittern begann, war nur teilweise beabsichtigt. „Und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.“

„Wie wäre es mit Arbeiten, wie der Rest der Menschheit?“

„Ich …“ Sie verspürte einen leisen Triumph, wollte sich aber nichts anmerken lassen. „Ich habe auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt kaum Chancen, weil ich nicht viel von dem anbieten kann, was Arbeitgeber erwarten.“

„Stimmt. Übertriebenes Anspruchsdenken kommt beim Chef selten gut an.“

Amber räusperte sich. „Meine Lage ist wirklich schlimm, Conall. Ich erreiche meinen Vater nicht, meine Kreditkarten wurden gesperrt, und … ich habe nicht einmal etwas zu essen!“

„Aber für Zigaretten ist offenbar noch genug Geld übrig“, entgegnete Conall kalt. „Sie riechen so penetrant nach Nikotin, dass mir übel wird. Rauchen ist eine widerliche Angewohnheit, die Sie ablegen müssen.“

Amber zwang sich, ruhig zu bleiben. „Natürlich werde ich das tun – wenn Sie mir helfen“, sagte sie kleinlaut und sah ihn treuherzig an.

„Tatsächlich?“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich warne Sie: Wenn Sie mir etwas vormachen, können Sie jetzt gleich wieder verschwinden. Wenn Sie sich aber wirklich ändern wollen, dann werde ich Ihnen auch helfen. Wollen Sie meine Hilfe, Amber?“

Es kostete sie sehr viel Überwindung, doch Amber sagte ein wenig mürrisch: „Ja.“

„Gut. Dann kommen Sie mit in mein Büro.“ Er blickte zu der Blondine hinüber, und Amber glaubte zu sehen, wie er ihr zuzwinkerte. „Bitte stellen Sie keine Anrufe zu mir durch, Serena.“

3. KAPITEL

Auch Conall Devlins Büro war eine Überraschung. Amber hatte mit etwas Protzigem gerechnet, doch der wunderschön gestaltete Raum, von dem aus man in eine Richtung auf die Straße und nach hinten auf einen idyllischen Garten blickte, verschlug ihr den Atem.

Das silbrige Grau der Wände erinnerte an Austernschalen und bildete den perfekten Hintergrund für die vielen Gemälde. Ganz offensichtlich liebte er moderne Kunst, und er hatte einen ausgezeichneten Blick dafür, wie Amber widerstrebend zugeben musste. Der organisch geformte Schreibtisch wirkte wie ein Kunstwerk, und in einer Ecke stand eine Skulptur in Form einer nackten Frau, die ihre Brüste umfasste. Unbehaglich wandte Amber den Blick ab – und merkte, dass Conall sie beobachtete.

Er wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch, aber sie war viel zu aufgeregt, um ihm gegenüberzusitzen und seinen spöttischen Blick zu ertragen. Sie beschloss, sich ein wenig Kontrolle über die Situation zurückzuerobern. Sei lieb und nachgiebig, schärfte sie sich ein. Dann hilft er dir auch.

Conall war reich genug, um ihre Geldnot vorübergehend zu lindern, bis sie ihren Vater erreichte und alles sich aufklären würde. Amber ging zu einem der Fenster und sah draußen zwei Mädchen im Teenageralter vorbeischlendern. Deren fröhliche Sorglosigkeit versetzte ihr einen Stich ins Herz, denn sie selbst hatte so etwas nie erlebt.

„Ich habe nicht unbegrenzt Zeit, kommen wir also zur Sache. Und falls Sie vorhaben, mit Ihren langen Wimpern zu klimpern oder das brave Schulmädchen zu spielen – das können Sie sich sparen“, versetzte Conall. „Ohne Gegenleistung werde ich Ihnen kein Geld geben. Und Sie bekommen auch kein Apartment, das viel zu groß für Sie ist. Wenn Sie darauf aus sind, verschwenden Sie Ihre Zeit.“

Einen Moment lang war Amber sprachlos. So hatte noch nie jemand mit ihr gesprochen. Bis zum Alter von vier Jahren hatte sie wie eine Prinzessin in einem Schloss gelebt, bis die Trennung ihrer Eltern sie in einen bodenlosen Albtraum gestürzt hatte. Die folgenden zehn Jahre waren einfach furchtbar gewesen.

Als sie nach dem Unfall ihrer Mutter zu ihrem Vater zurückgebracht wurde, ging sie ihm und seiner zigsten Ehefrau gehörig auf die Nerven. Man fasste sie mit Samthandschuhen an, weil keiner mit einem wütenden, trauernden Teenager umgehen konnte. Ambers Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl waren gehörig angeschlagen, ihre Laune schlug ständig um.

Schnell hatte sie gemerkt, wie leicht sie von anderen Menschen das bekommen konnte, was sie wollte: mit hilflosem Blick und bebender Unterlippe. Doch Amber war ziemlich sicher, dass Conall Devlin sich davon nicht beeindrucken lassen würde.

Er sah sie mit seinen intelligenten blauen Augen fragend an, und einen Moment fragte sie sich, ob er vielleicht wirklich ihre Gedanken lesen konnte.

„Und wie soll ich dann überleben?“ Herausfordernd hob sie den Arm, an dem die diamantbesetzte Uhr glitzerte. „Soll ich die wenigen wertvollen Dinge verpfänden, die ich besitze?“

Ungerührt sah Conall sie an. „Statt so auf die Tränendrüse zu drücken, erklären Sie mir lieber, wie es hierzu kommen konnte.“ Er schüttete den Inhalt eines großen Umschlags auf dem Tisch aus: Fotos und Ausschnitte aus Zeitschriften.

„Woher haben Sie die?“, fragte Amber beklommen.

Angewidert verzog er das Gesicht. „Von Ihrem Vater.“

Sie hatte zwar gewusst, dass ihr Name in Klatschkolumnen und Zeitschriften über Promis und Stars aufgetaucht war, doch es war ein ungutes Gefühl, dies alles so gehäuft vor sich zu sehen: die drastische Schilderung ihres Lebens in unschmeichelhaften Bildern. Fotos, auf denen sie aus Clubs kam, zu der Eröffnung eines Restaurants oder einer Galerie ging – immer in zu kurzem Kleid.

Amber liebte das Blitzlicht der Kameras, und zugleich hasste sie es. Einerseits war sie froh, wenn sich jemand für sie interessierte – sie war also doch nicht unsichtbar! –, andererseits fühlte sie sich immer, als wäre sie einem Schmetterlingsjäger in die Falle geraten, der ihre zarten Flügel durchstach und sie auf ein Stück Pappe spießte …

Conall durfte auf keinen Fall den Riss in ihrem Schutzpanzer sehen. So viel Macht durfte sie ihm nicht über sich geben!

„Die sind ziemlich gut, oder?“, fragte sie betont unbekümmert und setzte sich.

Vor lauter Frust hätte Conall am liebsten mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Amber war unfassbar dreist und noch viel schlimmer, als er sich vorgestellt hatte. Glaubte sie wirklich, er würde ihr aus der Hand fressen, nur weil sie sich ausnahmsweise anzog wie eine Nonne in ihrer Freizeit?

Merkwürdigerweise stand ihr diese Aufmachung aber ziemlich gut. Er konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Da sie sich das dichte schwarze Haar nach hinten frisiert hatte, kamen ihr ovales Gesicht und ihre smaragdgrünen Augen mit den langen Wimpern perfekt zur Geltung, und die Wirkung war umwerfend. Für eine Frau wie sie wäre jeder Mann in die Schlacht gezogen.

Um Conalls Mund zuckte es. Und wahrscheinlich hat sie ihre Schönheit schon als Teenager eingesetzt, um andere zu ihren Zwecken zu manipulieren.

Als Ambrose ihn um Hilfe gebeten und die Fotos vor ihm ausgebreitet hatte, war Conall erst mal sprachlos gewesen. Dann hatte ihn machtvolle Lust erfasst – so heftig wie ein Schlag in den Magen. Auf einem Bild hatte sie ein zartes weißes Kleidchen getragen, in dem sie provokant und zugleich unschuldig rein gewirkt hatte.

Schuldbewusst hatte Conall den Kopf geschüttelt. „Du solltest einen anderen damit beauftragen.“

„Ich kenne niemanden, der mit ihr zurechtkommen würde“, hatte Ambrose ganz offen erwidert. „Und keinem Menschen vertraue ich so wie dir.“

Also war Conall gezwungen gewesen, zuzustimmen. Und zu allem Übel fühlte er sich durch sein Ehrgefühl gegenüber dem Mann verpflichtet, der ihn vor einem Leben in der Kriminalität bewahrt hatte.

Das Einfachste wäre natürlich gewesen, Amber einfach einen Scheck auszustellen und sie wieder wegzuschicken. Doch Ambrose hatte darauf bestanden, dass er ihr half, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

„Sie muss lernen, wie man ein normales, anständiges Leben führt, statt nur vom Geld anderer zu leben“, hatte er gesagt. „Und dabei wirst du ihr helfen, Conall.“

Wie, verdammt noch mal, sollte er das tun? Die ganze Zeit stellte er sich vor, wie er ihr Haar löste und sie küsste, bis sie um Atem rang. Wie er ihre Hüften umfasste und immer wieder tief in sie stieß, bis sie beide lustvoll aufschrien …

Ihre trotzige Art machte ihn nur noch heißer, denn es kam selten vor, dass Frauen ihm die Stirn boten. Was sollte er tun – seinen Auftrag weiterverfolgen oder aufgeben?

Das war eine rhetorische Frage, denn Conall gab nie auf. Vielleicht könnte er die Sache als Gelegenheit betrachten, sich in Selbstbeherrschung zu üben. Oder hatte er seine Ansprüche so sehr gesenkt? Konnte er sich vorstellen, mit einer Frau intim zu werden, die für alles stand, was er verachtete? Wohl kaum.

Sein Blick blieb an einem Foto hängen: Amber auf den Schultern eines Mannes, mit einer Flasche Champagner in der Hand und in einem grünen Kleid, das sich seidig um ihre sinnlichen Schenkel schmiegte.

„Die Bilder sind ziemlich gut, wenn Sie gerne als oberflächliche Partymaus dargestellt werden möchten“, sagte er. „Aber für einen Lebenslauf taugt das eher nicht.“

Ihrer ist sicher absolut makellos“, versetzte sie giftig.

Hatte Ambrose ihr etwa von den dunklen Flecken in seinem Werdegang erzählt? Dann wäre ihr klar, dass er genau wusste, wovon er sprach. Auch Conall hatte eine dunkle Vergangenheit. Aber Amber sagte nichts mehr, sondern sah ihn weiter mit herausfordernder Miene an, was sehr sexy war und sein Verlangen noch mehr anfachte.

„Hier geht es nicht um mich, sondern um Sie“, sagte er.

„Na, dann mal los“, sagte sie sarkastisch. „Ich bin ganz Ohr.“

„Endlich sagen Sie mal etwas Vernünftiges.“ Er lehnte sich zurück und sah sie an. „Sie brauchen natürlich einen Job, um die Miete bezahlen zu können. Aber da Sie mit Ihrem Lebenslauf niemand einstellen wird, schlage ich vor, dass Sie für mich arbeiten. Ganz einfach.“

So ausgedrückt klang es tatsächlich ganz einfach. Ein wenig perplex sah Amber Conall an, als sich eine leise Hoffnung in ihr regte. Sie ließ den Blick durch den wunderschönen Raum gleiten. Draußen trugen die Bäume rosafarbene Blüten, drinnen stand ein Strauß duftender Blumen auf dem Tisch. Ob die Blondine im Minikleid ihn dort hingestellt hatte? Und von wem stammten wohl die Postkarte und die Glasschale in Lippenform?

Plötzlich fühlte Amber sich wie früher, wenn sie übers Wochenende eine Schulfreundin besucht hatte, deren Eltern noch zusammen gewesen waren: als würde sie von außen eine Welt betrachten, in der alles normal und in Ordnung war. Und in so einer Welt bot Conall Devlin ihr – vorübergehend – einen Job an.

Sie schluckte. „Ich weiß gar nicht, in welcher Branche Sie tätig sind.“

„Im Immobilienbereich. Das ist mein Brotverdienst: Ich verkaufe Häuser und Apartments in ganz London und habe Niederlassungen in Paris und New York. Meine eigentliche Leidenschaft gilt aber der Kunst, wie Sie vielleicht schon gemerkt haben.“

„Ja“, sagte Amber.

Conalls Augen funkelten. „Sie klingen überrascht. Weil ich nicht dem Klischee entspreche? Immerhin trage ich keinen Nadelstreifenanzug und habe auch keinen vornehmen Namen.“ Spöttisch zog er die Augenbrauen hoch.

„Na, das klingt aber nach einem ausgewachsenen Komplex, Mr. Devlin.“

Als er lachte, wurde Amber wütend auf sich, weil sie sich so darüber freute. Warum machte es sie so glücklich, dass sie den überheblichen Iren zum Lachen gebracht hatte?

„Ich handele nur mit Werken aus dem 20. Jahrhundert und kaufe in erster Linie für mich selbst. Aber manchmal erstehe ich Werke für Freunde oder Geschäftsfreunde und trete als Zwischenhändler auf.“

„Warum genau braucht man einen Zwischenhändler?“

Conall betrachtete kurz die Ansichtskarte vom Taj Mahal. „Weil es beim Kauf von Kunstwerken nicht nur ums Verhandeln geht, sondern darum, den Vertrag auch zum Abschluss zu bringen. Und darin bin ich gut. Manche der Leute, für die ich Kunstwerke kaufe, sind sehr reich und möchten anonym bleiben, um nicht von skrupellosen Händlern über den Tisch gezogen zu werden.“ Er lächelte. „Und manchmal möchte jemand anonym verkaufen und kommt auf mich zu, damit ich den höchstmöglichen Preis für ihn erziele.“

Amber versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung Conalls Lächeln auf sie hatte. Irgendwie brachte er es fertig, unfassbar faszinierend zu klingen – als wären mächtige Menschen versessen darauf, mit ihm Geschäfte zu machen. War das seine Absicht gewesen: ihr zu zeigen, was in ihm steckte?

Sie faltete die Hände im Schoß. Es konnte doch nicht so schlimm sein, für Conall zu arbeiten – abgesehen davon, dass sie dann direkt mit ihm zu tun haben würde. Und das mit den Immobilien wäre bestimmt ein Kinderspiel: Wahrscheinlich musste man nur einem Kaufinteressenten ein Haus zeigen und ihm erzählen, dass in derselben Straße gerade eine berühmte Schauspielerin eingezogen sei, weshalb die Preise explodierten – und schon wäre der Kaufvertrag unterschrieben!

„Das kriege ich hin“, sagte Amber selbstbewusst. „Häuser und Apartments verkaufen.“

Conall kniff die Augen zusammen und richtete sich auf. „Ach, tatsächlich?“

„Na klar. So schwer kann das ja nicht sein.“

„Sie glauben im Ernst, ich würde jemandem wie Ihnen einfach so in einem Unternehmen freie Hand geben, dass ich über fünfzehn Jahre aufgebaut habe?“ Gereizt strich er sich durch das dichte schwarze Haar. „Eine Immobilie ist das Teuerste, was man sich kaufen kann. Und da soll ich den Verkauf jemandem überlassen, der noch nie gearbeitet und sein Leben stattdessen angetrunken in Clubs verbracht hat?“

Seine abfälligen Worte machten Amber wütend. Am liebsten hätte sie den Wasserkrug, der auf dem Tisch stand, über seinem zerzausten Haar ausgeleert, wäre aus dem Büro marschiert und hätte die Tür hinter sich zugeschlagen. Dann müsste sie nie wieder sein attraktives Gesicht sehen. Aber für das neue Image, das sie sich zwangsweise verpassen musste, wäre das nicht gerade förderlich. Conall sollte merken, dass sie sehr professionell sein konnte und sich nicht von einem Mann aus der Ruhe bringen ließ, der ihr nichts bedeutete.

„Ich lerne gerne dazu“, erwiderte sie deshalb. „Aber wenn Sie glauben, dass ich besser darin wäre, ein paar Gemälde an den Mann zu bringen, gerne. Ich … ich mag Kunst.“

Conall gab einen Laut von sich, der fast wie ein Knurren klang. Mühsam beherrscht trommelte er mit den Fingern auf dem Tisch. Doch als er sie ansah, flackerte in seinen dunkelblauen Augen etwas auf, das sie nervös machte. War es Vorfreude oder Übermut?

„Um Kunstwerke zu verkaufen, bedarf es unterschiedlichster Fähigkeiten. Es geht nicht nur darum, ›ein paar Gemälde an den Mann zu bringen‹“, sagte er trocken und blickte auf ein vor ihm liegendes Blatt Papier. „Wie ich höre, sprechen Sie mehrere Sprachen.“

„Jetzt klingen Sie überrascht, Mr. Devlin.“

Er zuckte die breiten Schultern. „Schon möglich. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie freiwillig viele Stunden mit Vokabelpauken verbringen.“

Amber presste die Lippen zusammen. „Man kann eine Sprache auch auf andere Art und Weise lernen. Meine Mutter hatte eine Vorliebe für Männer aus dem Mittelmeerraum, und als Kind sind wir mehrfach in ein neues Land gezogen – immer in das ihres aktuellen Freundes.“ Sie lachte ironisch. „Und von denen gab es eine Menge. Um dort überleben zu können, musste ich wohl oder übel die Landessprache lernen.“

Nachdenklich sah Conall sie an. „Das war sicher schwer für Sie.“

Aus Gewohnheit schüttelte Amber den Kopf, denn es war ihr unangenehm, wenn jemand ihr gegenüber Mitgefühl zeigte. Sie wurde dadurch an Menschen wie Marco, Stavros oder Pierre erinnert – an all die Männer, die ihrer Mutter das Herz gebrochen hatten. Amber hatte dann mit dem Chaos fertigwerden müssen, das sie hinterlassen hatten.

Wurden diese Erinnerungen in ihr wach, wünschte sie sehnlichst, sie hätte wie andere Menschen ein normales, ruhiges Leben geführt, ohne eine Mutter, die Verliebtsein für die Lösung sämtlicher Probleme hielt. Sie fühlte sich verletzlich. Und auf keinen Fall wollte sie noch mehr Schmerz erleben.

„Ach, es war halb so wild“, sagte sie in jenem gelangweilten Ton, den sie über die Jahre einstudiert hatte. „Immerhin kann ich jetzt ›mein Schatz‹ auf Italienisch, Griechisch und Französisch sagen – und unterschiedlichste Varianten von ›du mieses Schwein!‹.“

„Das werden Sie wohl kaum benötigen“, erwiderte Conall und sah wieder das Blatt Papier an. „Aber bevor ich meine Bedingungen für eine mögliche Stelle erläutere, müssen Sie mir etwas zusichern. In meinem Unternehmen ist kein Platz für tickende Zeitbomben oder launische Prinzessinnen, die alles laut aussprechen, was ihnen durch den Kopf geht“, fuhr er fort. „Mit meinen Kunden muss man sorgsam umgehen, und bevor ich Ihnen einen Job anbiete, muss ich mir sicher sein, dass Sie taktvoll und umsichtig sein können. Ehrlich gesagt, kann ich mir das schwer vorstellen. Sie wirken vor allem … schwierig.“

Seine Worte trafen Amber unerwartet schwer. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass er sie so zweifelnd ansah – als hätte jemand wie sie keine Daseinsberechtigung. Komplizierter wurde das Ganze noch dadurch, dass Conall so fantastisch aussah: Sein schwarzer Pullover schmiegte sich um seinen durchtrainierten Körper, und sein sinnlicher Mund rief sehr unangemessene Gedanken in ihr wach. Die Art und Weise, wie ihr Körper auf ihn reagierte, war neu und ungewohnt für Amber, und sie schien keine Kontrolle darüber zu haben. Unter dem durchdringenden Blick seiner saphirblauen Augen wurde sie immer unruhiger. Dabei mochte sie ihn doch noch nicht mal!

Trotzdem bin ich angekrochen gekommen und habe ihn um Hilfe gebeten, dachte Amber. Conall Devlin hatte das zum Anlass genommen, ihr einen weiteren unerbetenen Vortrag zu halten. Und für einen Mann wie ihn sollte sie arbeiten?

Sie spürte, wie sie innerlich zu rebellieren begann, ein vertrautes Gefühl. Ich muss mir seine diktatorische Art nicht gefallen lassen, dachte sie und beschloss, ihm und der ganzen Welt zu beweisen, dass sie kämpfen und allein zurechtkommen konnte. Ich habe zwar keine Wand mit gerahmten Abschlusszeugnissen und Diplomen, aber dumm bin ich auch nicht, dachte Amber kämpferisch. Es konnte doch nicht so schwer sein, einen Job und eine Wohnung zu finden. Schließlich hatte sie bei den unzähligen Umzügen mit ihrer Mutter bewiesen, wie anpassungsfähig sie war.

Amber stand auf und griff nach ihrer Handtasche. Dabei spürte sie Conalls Blick so intensiv, als würde er durch ihr biederes Kleid dringen – eine beunruhigende, aber auch aufregende Vorstellung.

„Ich bin vielleicht unterqualifiziert, aber nicht verzweifelt. Und ich halte mich für einfallsreich genug, um mir einen Job zu suchen, bei dem ich nicht für einen Mann arbeiten muss, der sich selbst übertrieben wichtig nimmt.“

Conall lachte leise. „Dann lautet Ihre Antwort also Nein?“

„Sie lautet: Träumen Sie weiter!“, entgegnete Amber. „Ich bin durchaus in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen.“

„Amber, Sie sind wirklich unglaublich“, sagte er. „So eine Tatkraft erlebt man nicht allzu oft. Und wenn Sie nicht so nach Nikotin riechen würden und dem Irrglauben anhingen, die Welt wäre Ihnen etwas schuldig, dann wären Sie geradezu gefährlich attraktiv.“

Amber wusste nicht, ob er ihr damit ein Kompliment machen oder sie beleidigen wollte. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, marschierte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Sein Lachen verfolgte sie, und sie hatte das Gefühl, aus einem Flugzeug gesprungen zu sein, ohne die Reißleine ihres Fallschirms zu ziehen. Als würde die Welt auf sie zurasen und jeden Moment mit ihr kollidieren.

Ich werde es ihnen allen beweisen, dachte sie entschlossen.

4. KAPITEL

„Oh nein, entschuldigen Sie bitte!“ Schnell wischte Amber den verschütteten Champagner auf und wich vom Tisch, als der Gast, der sie schon den ganzen Abend angestiert hatte, sie mit seinen Schweinsäuglein ansah. „Ich hole Ihnen sofort einen neuen Drink.“

„Setz dich doch einfach zu mir, und wir vergessen das Ganze“, lallte der Mann und klopfte mit seiner fleischigen Hand auf den Platz neben sich.

Amber versuchte, sich ihren Abscheu nicht anmerken zu lassen. „Ich darf mich nicht zu Gästen setzen“, sagte sie und ging unsicheren Schrittes zur Theke zurück. Zwar war sie hohe Absätze gewohnt, aber diese roten High Heels waren wie Stelzen, und das Gehen damit erforderte ihre gesamte Konzentration.

Der Rest ihrer Arbeitsuniform machte das Ganze nicht leichter: Das schwarze Satinkleid war so eng, dass sie darin kaum arbeiten konnte. Und vom hämmernden Rhythmus der lauten Musik bekam sie Kopfschmerzen.

Nach dem Blick ihres Chefs zu urteilen, war das Missgeschick mit dem Drink nicht unbemerkt geblieben. Amber rang sich ein Lächeln ab, fragte sich jedoch zum wiederholten Male, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, aus Conalls Büro zu stürmen. Denn natürlich hatte kein großartiger Job nur auf sie gewartet, so funktionierte es im Leben einfach nicht. Ohne Abschluss und mit löchrigem Lebenslauf bekam man nur Stellen wie diese hier: in der schlecht beleuchteten Bar eines Hotels, wo niemand glücklich wirkte.

„Das ist der dritte verschüttete Drink innerhalb einer Woche!“, sagte ihr Chef vorwurfsvoll. „Wie kann man nur so ungeschickt sein?“

„Ich bin etwas zu schnell ausgewichen, weil ich Angst hatte, dass der Gast mich in den Hintern kneift.“

„Na und? Was spricht denn dagegen, dass ein Mann einer hübschen Frau seine Wertschätzung zeigt?“, lautete die scharfe Antwort. „Das ist doch der Sinn der Uniform. Wie dem auch sei, der Drink wird Ihnen jedenfalls vom Lohn abgezogen. Und ab jetzt sind Sie gefälligst ein bisschen freundlicher!“

Mit klopfendem Herzen brachte Amber dem Mann mit den Schweinsaugen einen neuen Drink. Vorsichtig abstellen und dann nichts wie weg, dachte sie. Doch da griff er mit seinen dicken Fingern nach ihrem Oberschenkel. Sie erstarrte.

„Was machen Sie da?“, brachte sie mühsam heraus.

Er grinste anzüglich und betrachtete ihre Beine in der Netzstrumpfhose. „Ach, komm schon. Solche Beine muss man einfach anfassen. Und du siehst aus, als könntest du eine anständige Mahlzeit gebrauchen. Wie wäre es, wenn wir auf mein Zimmer gehen, wenn du hier fertig bist? Du kannst dir was beim Zimmerservice bestellen, und dann könnten wir …“

„Wie wäre es, wenn Sie jetzt sofort Ihre schmierige Hand wegnehmen, bevor ich Ihnen einen verpasse?“, hörte Amber eine tiefe, wütende Stimme hinter sich sagen, die sie sofort erkannte.

Die fleischige Hand wurde zurückgezogen, und Amber drehte sich um. Conalls markantes Gesicht drückte kalte Wut aus, sein Körper war angespannt und offenbar voller Adrenalin. Noch nie war sie über ein unerwartetes Wiedersehen so froh gewesen. Er wirkte so stark, dass alle anderen Männer im Raum neben ihm verblassten. Ihr Herz schlug heftig, und ihr Mund war plötzlich ganz trocken.

„Conall, was machen Sie denn hier?“, flüsterte sie.

„Jedenfalls bin ich nicht hier, um mir in Ruhe einen Drink zu genehmigen. Da bin ich doch etwas zu wählerisch.“ Er ließ den Blick über die anderen Kellnerinnen gleiten und schauderte. „Holen Sie Ihre Jacke, Amber. Wir gehen.“

„Das geht nicht, ich arbeite hier.“

„Nein, nicht mehr. Keine Diskussion. Und wenn Sie nicht freiwillig mitkommen, trage ich Sie über der Schulter hinaus. Es ist Ihre Entscheidung.“

Warum, um alles in der Welt, schlug Ambers Herz bei dieser Vorstellung noch schneller?

...

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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Bella Frances
Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Bella Frances ihre Leidenschaft für romantische Geschichten – zwischen Strickmusterbögen und Rezepten in den Zeitschriften ihrer Großmutter. Ganz und gar mitgerissen aber war sie erst, als sie in einem langen, heißen Sommer nach ihrem ersten Abschluss in englischer Literatur die Romane von Mills &amp;...
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