Julia Extra Band 390

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FLUCHT AUS DEM WÜSTENPALAST von KENDRICK, SHARON
Wüstenprinzessin Leila führt ein Leben im goldenen Käfig. Doch an Flucht wagt die begeisterte Fotografin nicht zu denken … bis Werbe-Tycoon Steel als Gast des Sultans im Palast auftaucht. Aber ist der attraktive Playboy wirklich nur der Schlüssel zu ihrer Freiheit?

DEINE LIEBE IST MAGIE von CREWS, CAITLIN
Ein pikanter Auftrag! Adriana soll den für seine Affären berüchtigten Prinz Pato aus den Schlagzeilen halten - mehr nicht! Doch gegen jede Vernunft fühlt auch sie sich magisch von dem rebellischen Royal angezogen …

DIE NANNY UND DER SIZILIANISCHE MILLIONÄR von MONROE, LUCY
Eine viertel Million für die Nanny? So verrückt kann auch nur Audreys Firmenchef Vincenzo sein. Da das Studium ihres Bruders viel Geld verschlingt und ihr Boss sie nicht persönlich kennt, bewirbt sie sich. Was sie nicht weiß: Er will auch ihre Liebe kaufen …

EIN WINTERMÄRCHEN FÜR GEORGIA von GEORGE, CATHERINE
Seelenzustand: Liebeskummer! Für Georgia Grund genug, im Cottage ihrer Eltern Weihnachten zu feiern - und zwar allein. Doch als das Wetter umschlägt, steht plötzlich Chance vor der Tür, um sie zu retten. Dumm, denn der charmante Draufgänger ist der Bruder ihres Ex …

EIN TAG IN VENEDIG, EIN KUSS VON DIR von PORTER, JANE
Wer ist der Fremde, der ihr Herz zum Rasen bringt? Als Diane ihren totgeglaubten Mann Domenico in Venedig wiedertrifft, ist das ein Schock. Denn er gehört einer anderen Frau … Aber warum küsst er Diane so, als würde er sie noch immer lieben?


  • Erscheinungstag 18.11.2014
  • Bandnummer 0390
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704247
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Caitlin Crews, Lucy Monroe, Catherine George, Jane Porter

JULIA EXTRA BAND 390

SHARON KENDRICK

Flucht aus dem Wüstenpalast

Berauscht von Leilas Schönheit ahnt Gabe nicht, wen er in den Armen hält. Als er entdeckt, dass sie eine Prinzessin ist, fühlt er sich betrogen. Doch sie scheint noch mehr vor ihm zu verheimlichen …

CAITLIN CREWS

Deine Liebe ist Magie

Affären! Für Prinz Pato purer Alltag … bis er Adriana trifft. Bei ihr verspürt er plötzlich Skrupel, weil er weiß: Wird sie seine Geliebte, ist ihr Ruf dahin – es sei denn, er schenkt ihr einen Ring …

LUCY MONROE

Die Nanny und der sizilianische Millionär

Für Vincenzo ist Familie alles! Ehrensache, dass er für die Kinder seines toten Bruders eine Mutter sucht … aber was hat die aparte Audrey nur dagegen, auch seine Frau zu werden?

CATHERINE GEORGE

Ein Wintermärchen für Georgia

Mit Georgia allein in seinem eingeschneiten Herrenhaus! Chance kann sich nichts Aufregenderes vorstellen. Wird er diesmal ihr Herz zum Schmelzen bringen?

1. KAPITEL

Gabe Steel kam gerade nackt aus der Dusche, als jemand an die Tür klopfte. Ungehalten griff er nach einem Handtuch. Er wollte seine Ruhe. Er brauchte seine Ruhe. Wenn er geahnt hätte, dass ihm in seiner Hotelsuite nicht einmal eine ungestörte Dusche vergönnt sein würde, wäre er niemals in dieses orientalische Land gereist!

Gabe dachte an das kalte Frühlingswetter zurück, das er in England zurückgelassen hatte. Hätte er doch den Kummer, der ihn zu dieser Zeit des Jahres immer packte, ebenso leicht hinter sich zurücklassen können! Wie seltsam, dass Schuldgefühle sich nie ganz abschütteln ließen, sosehr man sich auch bemühte. Kaum kratzte man an der Oberfläche, schon brachen sie sich wieder Bahn. Dabei hütete er sich, die Oberfläche auch nur zu berühren!

Doch vor manchen Dingen gab es kein Entrinnen: Vorhin hatte eine Hotelangestellte gefragt, ob Gabe besondere Wünsche zu seinem Geburtstag habe. Woher wusste sie, dass er heute Geburtstag hatte? Ach ja, beim Einchecken gestern hatte er seinen Reisepass vorlegen müssen …

Gabe stand da und lauschte. Es herrschte wieder völlige Stille. Sehr gut! Erleichtert begann er, sich abzutrocknen, als es erneut klopfte. Lauter und nachdrücklicher.

Normalerweise hätte er die Störung ignoriert, aber er kannte sich mit den Gepflogenheiten dieses Landes nicht aus. Abgesehen davon, war er noch nie Gast einer Königsfamilie gewesen. Besser gesagt, eines Sultans, der über einen der reichsten Staaten der Welt herrschte. Die Gastfreundschaft des Herrschers war überwältigend. Für Gabes Geschmack fast schon zu überwältigend.

Gabe fluchte unterdrückt, schlang sich das Handtuch um die Hüften und machte sich auf den Weg zur Tür – ein Unterfangen, das fast einem halben Workout gleichkam. Diese Suite hatte einfach ungeheure Ausmaße! Sein eigenes Penthouse in London war auch nicht von schlechten Eltern, doch der Luxus dieser Suite in Qurhahs Tophotel war eine Klasse für sich.

Jetzt wurde laut an die Tür gehämmert. Ziemlich unverschämt, dachte Gabe und öffnete verärgert die Tür. Vor ihm stand eine Frau.

Eine Frau, die offensichtlich nicht als solche erkannt werden wollte.

Groß, schlank, mit einem Aktenkoffer in der Hand. In Jeans und Trenchcoat und mit dem Filzhut, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte, wäre sie tatsächlich fast als Mann durchgegangen. Doch nicht bei Gabe. Ein flüchtiger Blick genügte ihm normalerweise, um den Hüftumfang einer Frau abzuschätzen und davon ziemlich akkurat auf ihre Höschengröße zu schließen. Mit Frauen kannte sich Gabe bestens aus – zumindest, wenn es ums Äußere ging.

Gefühle interessierten ihn dagegen weniger. Frauen, die ihm nach einem stressigen Arbeitstag ein Gespräch aufzwängen wollten oder sich an seiner Schulter ausweinten, weil sie sich einbildeten, auf diese Weise sein Herz zum Schmelzen zu bringen, waren ihm ein Gräuel. Und eine Frau, die aus dem Nichts auftauchte, während er nicht nur mit dem üblichen Terminstress fertig werden musste, sondern auch noch mit der eigenen Verbitterung, konnte Gabe schon gar nicht gebrauchen.

„Wo brennt’s denn?“, fragte er unwirsch.

„Bitte!“ Leise und gehetzt klang ihre Stimme. Außerdem machte Gabe einen leichten Akzent aus. „Darf ich hereinkommen?“

Leicht verächtlich verzog er den Mund. „Sie haben sich offensichtlich in der Tür geirrt, Herzchen.“ Gabe versuchte, die Tür wieder zuzudrücken.

„Bitte!“ Panisch wandte sie sich kurz um. „Ich werde verfolgt.“

Beunruhigt starrte er sie an. Von einem Moment auf den anderen wurde er aus seinem geordneten Leben zurück in eine Zeit katapultiert, in der er sich permanent bedroht gefühlt hatte. Damals war die Angst sein ständiger Begleiter gewesen.

Der Schatten des Huts machte es schwer, den Gesichtsaudruck der Fremden zu beurteilen, doch Gabe glaubte, Furcht in ihren Augen zu erkennen.

„Bitte!“ Erneut dieses Flehen um Hilfe.

Die Zeit des Zögerns war vorüber. Jetzt meldete sich sein Beschützerinstinkt. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! „Also gut“, knurrte Gabe mürrisch und hielt die Tür auf.

Die Frau eilte an ihm vorbei, und Gabe glaubte, den Hauch eines würzigen Dufts wahrzunehmen.

„Was ist denn los?“, fragte Gabe, machte die Tür zu und wandte sich der ungebetenen Besucherin zu.

Die schüttelte nur wortlos den Kopf und starrte ängstlich die Tür an. In Sicherheit glaubte sie sich demnach noch nicht.

„Später.“ Der weiche Akzent klang in Gabes Ohren ziemlich sexy. „Jetzt muss ich mich hier irgendwo verstecken. Die dürfen mich auf keinen Fall hier finden. Wenn ich in Sicherheit bin, erzähle ich Ihnen, was Sie wissen müssen.“ Gehetzt blickte sie in dem riesigen Zimmer um sich und entdeckte am anderen Ende durch die offene Schlafzimmertür das ungemachte Bett, in dem Gabe vor der Dusche gedöst hatte. Schnell wandte sie den Blick ab. „Wo können Sie mich verstecken?“

Ihr Ton ärgerte Gabe. Schließlich tat er ihr doch gerade einen Gefallen! Etwas mehr Höflichkeit wäre da schon angebracht! Aber jetzt war wohl der falsche Zeitpunkt, ihr den Knigge näher­zubringen.

Er dachte darüber nach, wo er sich früher immer versteckt hatte, wenn mal wieder ein Gerichtsvollzieher vor der Tür gestanden hatte. Im Badezimmer war es immer am sichersten gewesen. „Gehen Sie ins Badezimmer!“ Er wies ihr die richtige Richtung. „Verkriechen Sie sich unter der Badewanne, und kommen Sie erst wieder heraus, wenn ich es Ihnen sage. Dann erwarte ich auch eine Erklärung dafür, dass Sie mir meine Zeit stehlen.“

Wie gehetzt durchquerte die Unbekannte das Zimmer und entschwand seinem Blick.

Ihre Furcht hatte sich inzwichen auch auf Gabe übertragen. Er spürte, wie sein Adrenalinspiegel anstieg und das Herz zum Rasen brachte. Vielleicht sollte er sich erst einmal anziehen. Zu spät – der Klang schwerer Schritte drang vom Korridor ins ­Zimmer.

Einen Moment später klopfte jemand laut an die Tür. Gabe atmete tief durch und öffnete sie. Draußen standen zwei Männer und beäugten ihn misstrauisch. Ihre locker sitzenden Anzüge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Männer durchtrainiert waren und Waffen trugen.

Der größere ließ den Blick über Gabes feuchten Oberkörper bis zum hastig um die Hüften geschlungenen Handtuch wandern. „Bitte entschuldigen Sie die Störung, Mr Steel.“

„Kein Problem.“ Gabe lächelte freundlich und wunderte sich, dass in diesem Hotel offenbar jeder wusste, wer er war. Außerdem fiel ihm der Akzent auf. Er war ausgeprägter als bei seinem ungebetenen Gast, der sich im Badezimmer versteckt hatte. „Was kann ich für Sie tun?“

Mit seinem starken Akzent antwortete der Mann: „Wir suchen eine Frau.“

„Tun wir das nicht alle?“ Diese humorvolle Replik konnte er sich nicht verkneifen. Perlen vor die Säue, dachte er im nächsten Moment, denn die Typen hatten ganz offensichtlich keinen Sinn für Humor, sondern musterten ihn weiterhin misstrauisch.

„Haben Sie sie gesehen?“

„Wie sieht sie denn aus?“

„Groß, Anfang zwanzig, dunkelhaarig.“ Der kleinere Mann übernahm die Personenbeschreibung. „Sie fällt einem sofort ins Auge.“

Gabe wies auf das kleine Handtuch und rieb sich die Oberarme, um anzudeuten, dass ihm kalt war. Tatsächlich war die Klimaanlage so kühl eingestellt, dass er sogar eine Gänsehaut vorweisen konnte. „Wie Sie sehen, komme ich gerade aus der Dusche. Leider hat mir dort niemand Gesellschaft geleistet. Sehr bedauerlich, aber wahr.“ Er warf einen kurzen Blick über die Schulter, bevor er sich wieder den Männern zuwandte und gequält lächelte, um seine Verärgerung über die Störung anzudeuten. „Sie können sich gern selbst davon überzeugen, wenn Sie darauf bestehen. Aber bitte schnell. Ich muss mich noch rasieren und anziehen. In knapp zwei Stunden diniere ich mit dem Sultan.“

Die Erwähnung des Sultans zeigte sofort die erhoffte Wirkung. Gabe musste sich ein amüsiertes Lächeln verkneifen, als die beiden Männer im Gleichschritt zurückwichen.

„Selbstverständlich. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Wir werden Ihre Zeit nicht länger beanspruchen, Mr Steel. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

„Gern geschehen“, antwortete Gabe und schloss leise die Tür hinter den Männern. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihre Schritte auf dem Korridor verklungen waren, durchquerte er das Zimmer und öffnete die Badezimmertür. Mit der Grazie einer Tänzerin wand die junge Frau sich unter der Badewanne hervor. Sein Körper reagierte sofort auf ihre sinnlichen Bewegungen, erst recht, als sie jetzt mit ihren Händen glättend über ihre Kleider strich.

Da sie bei ihrer Versteck-Aktion ihren Hut verloren hatte, konnte Gabe zum ersten Mal ausgiebig ihr Gesicht betrachten. Plötzlich sah er sich der atemberaubendsten Frau gegenüber, die er je erblickt hatte. Träumte er? Oder hatte sich tatsächlich eine orientalische Schönheit aus Tausendundeiner Nacht in seine Hotel­suite verirrt?

Ihr mediterraner Teint schimmerte makellos. Die von dichten schwarzen Wimpern umkränzten strahlend blauen Augen luden zum Träumen ein. Das blauschwarze, zu einem Pferdeschwanz gebundene Haar reichte fast bis zur Taille und glänzte wie frisch poliert. Und dann die hübschen Brüste, die er unter dem Trenchcoat erahnte … und die langen Beine, die jedes Topmodel vor Neid erblassen lassen würden.

Sie ließ seine Musterung über sich ergehen, ohne mit der Wimper zu zucken. War sie es gewohnt, angestarrt zu werden? Nur die plötzlich rosig schimmernden Wangen verrieten, dass seine Aufmerksamkeit sie vielleicht doch etwas aus der Fassung brachte. Was hatte sie denn erwartet? Wenn man ins Schlafzimmer eines wildfremden Mannes platzte und um Asyl flehte, dann verloren normale Konventionen doch wohl ihre Gültigkeit, oder?

„Die Luft ist rein“, sagte Gabe knapp.

„Ich weiß.“ Sie zögerte. „Danke.“

Ihm blieb nicht verborgen, wie sie immer wieder seinen nackten Oberkörper mit verstohlenen Blicken streifte, als wüsste sie, dass sich das nicht gehörte, es aber trotzdem tun musste, wie unter einem inneren Zwang. Gabe lächelte trocken. Das passierte ihm nicht zum ersten Mal.

„Finden Sie nicht, dass Sie mir eine Erklärung schuldig sind?“

„Doch. Sie haben recht.“ Sie bückte sich nach ihrem Aktenkoffer und streifte Gabes nackten Oberkörper erneut mit einem flüchtigen Blick. „Aber nicht hier.“

Nicht im Badezimmer? Okay, das war vielleicht etwas zu intim, zumal er ja bis auf das winzige Handtuch nackt war und … Hatte sie etwa bemerkt, dass sein Körper bereits auf ihren Körper reagierte? Plötzlich fühlte Gabe sich ein wenig unbehaglich.

„Dann gehen Sie schon mal vor. Ich ziehe mir schnell was an“, raunzte er.

Als Gabe schließlich mit Jeans und T-Shirt bekleidet ins Wohnzimmer schlenderte, war seine Erektion wieder verschwunden. Die Frau stand am Fenster und betrachtete die Aussicht auf Simdahab, wo goldene Minarette und Hochhäuser in der Spätnachmittagssonne glänzten. Doch Gabe hatte nur Augen für die geheimnisvolle Fremde.

Sie hatte den Trenchcoat über eine Sofalehne gelegt. Richtete sie sich auf einen längeren Aufenthalt ein? Jedenfalls freute Gabe sich über die Gelegenheit, die perfekte Passform ihrer Jeans zu bewundern und das wunderschöne schwarze Haar, das ihren Rücken wie ein Stück Satinstoff bedeckte.

Sie musste seine Anwesenheit gespürt haben, denn sie wandte sich um. Die Vorderansicht gefiel Gabe noch besser. Diese klaren blauen Augen … die reinste Versuchung.

Ob der Sultan sie geschickt hatte, um seinem Gast die Wartezeit bis zum Bankett zu versüßen? Noch ein Geschenk? Wie all die anderen, die seit dem Frühstück in seiner Suite eingetroffen waren? Trotz seiner jungen Jahre war der Sultan angeblich sehr altmodisch und traditionsbewusst. Vielleicht stellte diese schöne junge Frau die Krönung der Geschenkflut dar.

„Wer sind Sie?“, fragte Gabe kühl. „Eine Hure?“

Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, ließ sich aber viel Zeit, auf seine krude Frage zu antworten.

„Nein, ich bin keine Hure. Ich heiße Leila.“ Wachsamkeit spiegelte sich plötzlich in den blauen Augen.

„Hübscher Name. Aber wer Sie sind, weiß ich immer noch nicht.“

„Mr Steel …“

Verblüfft starrte er sie an. „Wieso weiß jeder in dieser Stadt, wer ich bin?“

Leila lächelte.

Beim Anblick dieser einladend sinnlichen Lippen wünschte Gabe fast, dass sie doch eine Hure wäre. Bisher hatte er in seinem Leben noch nie für Sex bezahlt, doch jetzt war er drauf und dran, eine Ausnahme zu machen. Was würde er sich wohl zuerst von ihr wünschen? Dass sie ihn mit ihrem sinnlichen Mund verwöhnte? Oder sollte sie ihn mit ihren herrlichen Beinen umschlingen und ihn reiten, bis er seine Lust hinausschrie?

„Ihr Name ist allen bekannt, weil Sie Gast des Sultans sind“, erklärte Leila. „Sie heißen Gabe Steel, sind ein absolutes PR-Ass und sind nach Qurhah gereist, um unser Image in der Welt aufzupolieren.“

„Eine sehr schmeichelhafte Zusammenfassung“, bemerkte Gabe trocken. „Aber ich stehe nicht auf Schmeicheleien. Außerdem wüsste ich jetzt wirklich gern, wieso Sie unangemeldet hier hereingeplatzt sind und sich in meinem Badezimmer versteckt haben, Leila.“

Einen Moment lang herrschte absolute Stille.

Leilas Herz pochte aufgeregt. Wie zärtlich er ihren Namen ausgesprochen hatte … Dabei war die Art, in der er nach Auskunft verlangt hatte, eiskalt gewesen! Sie war völlig durcheinander. Da sie nun aber schon einmal hier war und dafür ein erhebliches Risiko eingegangen war, wollte sie ihr Vorhaben nun auch durchziehen. Allerdings hätte sie es sich einfacher vorgestellt und nicht damit gerechnet, so nervös zu sein. Aber bei ihrem schönen Plan hatte sie einen Faktor außer Acht gelassen: die Wirkung, die Gabe Steel auf sie hatte.

Leila schaute ihm in die ungewöhnlichen quecksilbergrauen Augen, deren Blicke sie zu durchbohren schienen. Vergeblich versuchte sie, sich an die Worte zu erinnern, die sie sich so sorgfältig zurechtgelegt hatte.

Normalerweise war sie niemals allein mit einem Mann, schon gar nicht mit einem Ausländer in dessen Hotelzimmer. Der noch dazu unfassbar attraktiv war.

Natürlich hatte sie sich im Internet über ihn informiert, nachdem feststand, dass ihr Bruder ihn beauftragen würde. Was je über Gabe Steel im Netz veröffentlicht worden war, hatte sie gefunden. Daher war ihr bekannt, dass er der Eigentümer einer der weltweit renommiertesten und größten PR-Agenturen war. Mit nur vierundzwanzig Jahren hatte Gabe seine erste Million verdient. Inzwischen war er fünfunddreißig, Multimillionär, wenn nicht inzwischen sogar Milliardär – und noch immer ledig. Obwohl schon viele Frauen versucht hatten, ihn einzufangen, wenn man der Boulevardpresse Glauben schenken wollte.

Auch Fotos von ihm fanden sich im Internet. Gestochen scharfe Bilder, die sie wie gebannt betrachtet hatte. Gabe Steel sah fantastisch aus: goldblondes Haar, durchtrainierte Traumfigur – wie ein Olympionike.

Auch im Smoking war er eine umwerfende Erscheinung. Doch eine Aufnahme war ihr besonders in Erinnerung geblieben: Gabe Steel in ausgeblichenen Jeans und halb aufgeknöpftem Hemd auf einer schweren Maschine, wie er gerade den Helm abnahm. Schon beim Anblick dieser Fotos hatte sie geahnt, dass so ein Mann ihr den Atem rauben würde, wenn sie ihm gegenüberstand. Und ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen.

Sein Charisma war jedoch noch überwältigender als erwartet.

Leila kannte sich mit mächtigen Männern aus. Sie war schließlich unter ihnen aufgewachsen. Ihr ganzes bisheriges Leben lang war sie ermahnt worden, ihnen respektvoll zu begegnen. „Der Mann hat immer recht“, war ihr eingebläut worden. Ironisch lächelte sie vor sich hin, denn sie hatte auch erlebt, wie grausam und kaltherzig Männer sein konnten. Sie behandelten Frauen, als wären sie nichts wert. Ihre Meinung zählte sowieso nicht. Deshalb hegte Leila insgeheim eine tiefe Abneigung gegen Männer.

Natürlich beugte sie sich ihren Wünschen, denn sie war ja so erzogen worden. Wenn man als Prinzessin in einer von Männern dominierten Gesellschaft aufwuchs, hatte man gar keine andere Chance. Noch nie in ihrem Leben hatte sie bisher eine eigene Entscheidung getroffen. Nicht einmal bei der Auswahl des Internats in England war ihr ein Mitspracherecht eingeräumt worden. Sogar ihre Freundinnen hatte man handverlesen. Also hatte sie gelernt, mit einem Lächeln Ja und Amen zu sagen, denn Widerstand wäre ohnehin zwecklos gewesen. Andere bestimmten, was „das Beste“ für sie war. Auf dieses Urteil musste sie sich verlassen.

Materiell hatte es ihr nie an etwas gefehlt. Als einzige Schwester eines der reichsten Männer der Welt war sie immer sehr verwöhnt worden. In ihrer Palastsuite stapelten sich Schmuckschatullen mit erlesenen Juwelen: Brillanten, Perlen, Rubine, Smaragde – was das Herz begehrte. Die Diademe und Tiaras ihrer verstorbenen Mutter wurden hinter Panzerglas verwahrt. Leila hatte jederzeit Zugriff auf diese unbezahlbaren Geschmeide.

Doch was nützten einem die edelsten Preziosen der Welt, wenn man unzufrieden mit seinem Leben war und sich wie eine Gefangene im goldenen Käfig fühlte?

Im Palast war sie normalerweise in traditionellem Gewand und Schleier unterwegs. Heute jedoch hatte sie sich aus lauter Trotz ganz im westlichen Stil gekleidet. Zum ersten Mal in ihrem Leben trug sie hautenge Jeans. So wollte sie sich dann aber doch nicht auf die Straße wagen und hatte in letzter Minute noch schnell einen langen Trenchcoat übergezogen. Bei jedem Schritt rieb sich die Jeansnaht zwischen den Beinen, die Seidenbluse an den Brüsten … Es war ein erregendes Gefühl. Irgendwie ungezwungen, aber auch ein wenig unheimlich. Besonders jetzt, als Gabe Steel sie mit diesem ganz besonderen Blick betrachtete.

Doch Leila durfte sich nicht von der Tatsache ablenken lassen, dass dieser Mann den Schlüssel zu ihrer Zukunft in der Hand hielt. Sie war entschlossen, Gabe dazu zu bewegen, die Tür aufzuschließen – notfalls auch gegen seinen Willen.

Jetzt nur nicht den Mut verlieren, dachte sie, öffnete den Akten­koffer und zog daraus ihre sorgfältig zusammengestellten Unterlagen hervor. „Ich möchte Sie bitten, einen Blick darauf zu ­werfen.“

Überrascht zog Gabe die Augenbrauen hoch. „Was soll das sein?“

Wortlos ging Leila zu einem hübschen Intarsientisch, auf dem sie ihre Fotos ausbreitete. „Sehen Sie selbst!“

Also folgte er ihr, stellte sich neben sie und beugte sich über den Tisch. Leila stieg sofort sein Duft in die Nase: Limonen und … eine ganz eigene männlich-potente Note. Eben noch hatte dieser umwerfende Mann nur mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch vor ihr gestanden. Ihr wurde heiß.

„Das sind Fotos“, bemerkte er trocken.

Leila befeuchtete sich die plötzlich trockenen Lippen. „Genau.“

Gespannt sah sie zu, wie Gabe den Blick über die Bilder schweifen ließ, und hoffte inständig, sie gefielen ihm. Seit sie denken konnte, war Leila eine begeisterte Fotografin. Fotografieren war ihre große Leidenschaft – und ihre Zuflucht.

Seit sie als Kind einen Fotoapparat geschenkt bekommen hatte, war sie Feuer und Flamme gewesen, alles aufzunehmen, was ihr vor die Linse kam – die Palastgärten, die edlen Pferde ihres Bruders, die Bediensteten im Palast, deren Kinder – einfach alles. Nichts und niemand war vor ihr sicher.

Die meisten Fotos, die sie vor Gabe Steel ausgebreitet hatte, zeigten jedoch die Wüste. Eindrucksvolle Bilder einer Landschaft, die er sicher noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Nur wenige Menschen genossen das Privileg, die heiligen Stätten von Qurhah zu besichtigen. Sie waren absolut einmalig. Das musste ein so weit gereister Mann wie Gabe doch anerkennen, oder?

An einem Bild blieb sein Blick bewundernd hängen.

„Wer hat diese Aufnahmen gemacht?“ Er richtete sich auf und schaute Leila fragend an. „Sie?“

„Ja.“

„Sie sind talentiert, Leila. Sie sind sogar sehr talentiert“, sagte er nachdenklich.

Sein Lob fühlte sich wie eine Liebkosung an. So ein wundervolles Kompliment hatte sie noch nie bekommen. Leila strahlte vor Stolz. „Oh, vielen Dank.“

„Wo sind diese Aufnahmen entstanden?“

„In der Wüste. Ganz in der Nähe der Sommerresidenz des Sultans. Diese atemberaubende Landschaft ist bekannt unter dem Namen Mekathasinian Sands.“ Leila spürte seinen beunruhigenden Blick wieder auf sich. Gabe war ihr so nah, dass sie ihn hätte berühren können. Sie sehnte sich danach, die Finger durch sein dichtes, wie flüssiges Gold schimmerndes Haar gleiten zu lassen. Und dann weiter hinunter über den schlanken muskulösen Körper.

So was Verrücktes! Leila riss sich zusammen und konzentrierte sich schnell wieder auf das Foto in Gabes Hand statt auf seinen aufregenden Körper.

„Ich habe das Bild nach einem der seltenen Regenschauer in der Wüste aufgenommen“, erklärte sie. „Etwa alle zwanzig Jahre kommt es zu einer Überflutung. Wir nennen es das Wunder der Wüste, wenn Blumensamen, die Jahrzehnte im Wüstensand gelegen haben, durch den Regen zu neuem Leben erwachen. Innerhalb kürzester Zeit kommt ein wahres Blütenmeer zum Vorschein, das in allen Regenbogenfarben schimmert. Ein magischer Anblick. Leider hält sich die Pracht nur etwa zwei Wochen lang. Dann ist alles wieder vorbei.“

„Das ist ein außergewöhnliches Bild. Ich sehe so etwas zum ersten Mal.“

Als sie die Bewunderung in seinem Tonfall mitschwingen hörte, wurde Leila erneut mit Stolz erfüllt. Doch plötzlich schien ihre Arbeit in den Hintergrund zu treten, und es zählte nur noch die beunruhigende Nähe dieses Mannes. Seltsamerweise machte es ihr aber keine Angst, mit dem Playboy Gabe Steel allein in seiner Suite zu sein. Im Gegenteil! Sie fand es ausgesprochen aufregend.

Erneut versuchte sie, sich auf das Foto zu konzentrieren. „Wenn … wenn Sie genau hinschauen, können Sie den Palast im Hintergrund ausmachen.“

„Wo denn?“

„Genau hier.“ Der Impuls, ihn zu berühren, wurde übermächtig. Fast unmerklich lehnte sie sich zur Seite, streifte Gabes Arm mit ihrem und zeigte auf den golden schimmernden Palast. Gabe schien zusammenzuzucken, und ihr stockte der Atem. Ob Gabes Herz auch so heftig pochte wie ihres? War er auch völlig überwältigt von heißer Sehnsucht?

Falls ja, hatte er seine Gefühle schnell wieder unter Kontrolle, denn er wich zurück und musterte Leila neugierig mit kühlem Blick. „Warum wollten Sie mir unbedingt diese Fotos zeigen, Leila? Wieso sind diese Männer hinter Ihnen her?“

Sie zögerte. Die Wahrheit lag ihr auf den Lippen, doch sie traute sich nicht, sie Gabe anzuvertrauen.

Er würde sie sofort mit anderen Augen betrachten, wenn er wüsste, dass sie eine Prinzessin war. Das wollte sie so lange wie möglich hinauszögern. Es tat so gut, mal wie eine ganz normale Frau behandelt zu werden.

Leila beschloss, ihm nur die halbe Wahrheit zu verraten. „Ich möchte für Sie arbeiten“, erklärte sie mutig. „Ihnen bei der PR-Kampagne helfen.“

Gabe musterte sie arrogant. „Soweit ich mich erinnere, habe ich keine Stellenanzeige aufgegeben.“

„Stimmt, aber ich könnte Ihnen wirklich von großem Nutzen sein.“ Sie kam näher und versuchte, ihn mit leidenschaftlichen Worten zu überzeugen. „Ich kenne mich hier sehr viel besser aus als Sie. Ich bin nämlich in Qurhah aufgewachsen, und die Wüste liegt mir im Blut. Ich kann Sie an Orte führen, die der ganzen Welt vermitteln werden, wie paradiesisch mein Land ist. Und da ich mich eingehend damit beschäftigt habe, was man für eine Kampagne wie die Ihre benötigt, weiß ich, dass Sie durchaus noch jemanden wie mich für dieses Projekt gebrauchen können.“ Erwartungsvoll schaute sie ihn an.

Nach kurzem verblüfftem Schweigen musste Gabe lachen. „Haben Sie sich wirklich eingebildet, ich würde für eine so wichtige und lukrative Kampagne eine mir völlig Unbekannte einstellen, nur weil sie ein hübsches Gesicht hat?“

Das war so ungerecht! Doch so leicht gab Leila nicht auf. Geistesgegenwärtig konterte sie: „Was hat mein ‚hübsches Gesicht‘ mit der Qualität meiner Arbeit zu tun?“

„Eine Menge, Herzchen.“ Gabe lachte harsch. „Ohne Ihr wunderschönes blauschwarzes Haar und Ihre Traumfigur hätte ich Sie an die Luft gesetzt, sowie sie rein war.“

Leila versuchte, cool zu bleiben. Mit so einem Affront hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte sich so große Hoffnungen auf diesen Job gemacht! Mit zusammengekniffenen Augen, die ihrer Dienerschaft den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hätten, musterte sie ihn scharf. „Sie sind also nicht bereit, mir eine Chance zu geben?“

„Warum sollte ich? Sie haben es bisher ja nicht einmal für nötig gehalten, sich richtig vorzustellen oder mir zu erzählen, warum die beiden Männer hinter Ihnen her waren. Ich muss gestehen, dass ich langsam ungeduldig werde.“

„Die Männer … sind meine Bodyguards. Ich habe sie abgeschüttelt“, erklärte Leila widerstrebend.

„Ihre Bodyguards?“

Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Wie würde er erst reagieren, wenn er die ganze Wahrheit wüsste? Von Geburt an wurde sie beschützt, bewacht. Immer und überall. Leila fühlte sich immer beengter. Ihr fehlte die Luft zum Atmen.

„Ich bin sehr wohlhabend“, fügte sie hinzu.

„Ach? Dann haben Sie es gar nicht nötig zu arbeiten?“ Gabe musterte sie wachsam.

„Nein, aber ich möchte es gern“, antwortete sie hitzig. „Ein Mann wie Sie müsste den Unterschied eigentlich kennen.“

Der Vorwurf in ihrer Stimme war unüberhörbar. Gabe war sich des Unterschieds durchaus bewusst, er hatte jedoch immer arbeiten müssen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er war als Kind bettelarm gewesen und war oft mit knurrendem Magen ins Bett gegangen. Er hatte aber nicht nur gearbeitet, um sein Überleben zu sichern, sondern auch, um sich einen gewissen inneren Frieden zu verschaffen – der allerdings leider nie von langer Dauer war.

„Sie haben recht, der Unterschied ist mir durchaus bekannt“, sagte Gabe nachdenklich.

„Dann denken Sie noch mal darüber nach? Geben Sie mir den Job?“

Sein Herz zog sich bedauernd zusammen, als Gabe ihr in die wunderschönen Augen schaute. Fast tat es ihm leid, die Hoffnung, die er darin las, zunichtezumachen.

Diese sinnlichen Lippen – ein Traum.

Was wohl passieren würde, wenn er dieses bildhübsche reiche Mädchen jetzt küssen würde, das in sein Hotelzimmer marschiert war, als hätte sie ein Recht dazu? Ob sie so gut schmeckte, wie er es sich vorstellte? Neues Leben regte sich in seinen Lenden. Das Verlangen, es einfach auszuprobieren, wurde fast übermächtig.

Doch seine Professionalität behielt die Oberhand. Bedauernd schüttelte Gabe den Kopf. „Tut mir leid, aber so formlos geht es in meinem Unternehmen nicht zu. Wenn Sie wirklich für mich arbeiten wollen, dann empfehle ich, Ihre Bewerbung an meine Londoner Zentrale zu schicken. Obwohl auch das eigentlich sinnlos ist, denn ich halte mich schon seit langer Zeit an den Grundsatz, Geschäftliches streng von Privatem zu trennen.“

Konsterniert musterte sie ihn, die Nase leicht gekraust. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“

„Wirklich nicht?“ Gabe lächelte skeptisch. „Sie müssen das Knistern zwischen uns doch auch bemerkt haben.“

„Ich …“

„Nehmen Sie Ihre Fotos, und verschwinden Sie, bevor ich etwas tue, was ich später sicher bedauern würde!“, stieß er harsch hervor.

Hätte sie auf ihren Instinkt gehört, wäre sie eilig davongestürmt und hätte ihre rebellischen Pläne aufgegeben, für diesen renommierten (und ungemein attraktiven) Londoner Unternehmer zu arbeiten. Das Leben war nun mal kein Drehbuch. Mit dieser Tatsache musste sie sich wohl abfinden. Sie konnte nicht einfach ausbrechen und ihr ganzes Leben ändern.

Doch Leila hatte Schwierigkeiten, klar zu denken, weil ihr Körper so stark auf Gabes reagierte. In ihrem Schritt pulsierte es heftig. Sie sehnte sich so sehr danach, diesem unwiderstehlichen Mann um den Hals zu fallen, sich an seinen harten Körper zu drängen, sich an ihm zu reiben …

Leila hatte genug Liebesromane gelesen und Filme angeschaut, die nicht der strengen Palastzensur zum Opfer gefallen waren, um zu wissen, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben erotische Anziehungskraft empfand. Der sie natürlich nicht nachgeben durfte.

Doch dann fiel ihr das Verhalten ihres Bruders ein. Und ihres Vaters. Immer wieder machten Gerüchte über neue Eroberungen die Runde. Ihr Vater hatte sich angeblich einen ganzen Harem gehalten. Auch ihr Bruder war kein Kostverächter. Männer reagierten auf das erotische Knistern, das sie nun zum ersten Mal selbst spürte. Viele Paare schliefen miteinander, ohne sich lange zu kennen. Körperliche Liebe war doch kein Verbrechen, oder?

Leila schaute Gabe tief in die Augen. „Was würden Sie später bedauern?“, fragte sie leise, obwohl sie die Antwort bereits zu kennen glaubte, denn Gabes heißer Blick sprach für sich.

„Weiß deine Mutter, dass du ausgegangen bist?“, fragte er ­heiser.

„Nein, ich habe keine Eltern mehr. Ich bin eine Waise.“

Gabe zuckte zusammen, als hätte sie ihm wehgetan.

„Das tut mir unendlich leid.“ Behutsam strich er ihr mit dem Daumen über die leicht bebenden Lippen.

Fast hatte sie den Eindruck, er spreche wie in Trance. Und dann konnte sie gar nichts mehr denken, denn nun geschah das, was sie bisher nur aus Filmen kannte. Gabe Steel zog sie an sich, sodass sie von seiner Körperwärme umhüllt wurde. Dann umfasste er zärtlich ihr Gesicht und begann langsam, sie zu küssen.

Leila nahm das alles wie in Zeitlupe wahr. Instinktiv schmiegte sie sich an ihn, öffnete den Mund. Mein erster Kuss, dachte sie hingerissen und gab sich ganz dem süßen, erregenden Gefühl hin.

2. KAPITEL

Gabe spürte sein Herz aufgeregt klopfen, als er zum ersten Mal Leilas Lippen unter seinen spürte. Dazu noch dieser blumig-würzige Duft, der wie ein Aphrodisiakum wirkte. Flammende Leidenschaft durchfuhr seinen Körper, doch sein kühler Verstand behielt gerade noch die Kontrolle.

Was hier passierte, war völlig verrückt!

Leila war aus dem Nichts in seiner Suite aufgetaucht, verfolgt von ihren Leibwächtern, mit denen offensichtlich nicht zu spaßen war. Woher sollte er wissen, dass sie nicht zurückkehrten? Außerdem konnte er nichts mit Leila anfangen, weil das unter Umständen den Vertrag mit dem Sultan gefährden könnte. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen, dazu war das Auftragsvolumen zu groß, und der Prestigeverlust wäre immens.

In knapp zwei Stunden wurde er zum Diner mit dem Sultan im Palast erwartet. Es blieb also kaum genug Zeit, sich der schönen Leila so zu widmen, wie sie es verdiente.

Er musste sie also auf der Stelle loswerden.

Doch ausgerechnet, als er sich zu diesem Entschluss durchgerungen hatte, schmiegte sie sich verlangend an ihn. Überwältigt von Begierde stöhnte Gabe leise und küsste Leila noch leidenschaftlicher. Ihr Venushügel presste sich an seine Erektion, die noch härter wurde. Der bittersüße Schmerz steigerte Gabes Lust nur noch. Und das Gefühl ihrer kleinen festen Brüste an seinem Oberkörper war so wundervoll, dass er zum ersten Mal an diesem Tag die schlimmen Erinnerungen vergaß, die ihn jedes Jahr um diese Zeit einholten.

Er hörte auf, sie zu küssen, und schaute Leila an. Entschlossen versuchte er, ihre aufreizend bebenden Lippen zu ignorieren. „Das war ein Fehler“, keuchte er. „Du solltest jetzt lieber gehen, bevor … ich noch einen Fehler mache.“

„Vielleicht möchte ich ja, dass du noch einen Fehler machst.“ Mit vor Lust dunklen Augen schaute sie ihn an.

Welcher Mann konnte so einer Einladung widerstehen? Gabe schlug alle Vorbehalte in den Wind. Diese Frau war einfach zu begehrenswert. Er konnte sie nicht fortschicken. Wie weich und glänzend ihre Lippen waren. Als wären sie nur dazu geschaffen, ihm Freude zu bereiten.

Es wäre wunderbar, eine Weile von dem tiefen Schmerz abgelenkt zu werden, der ihn plagte. Sex wäre perfekt, um zu vergessen. Wenigstens eine Stunde lang …

Gabe hatte einfach nicht die Kraft, dieser Versuchung zu widerstehen. Aber einen halbherzigen Versuch, Leila zum Gehen zu bewegen, unternahm er trotzdem noch.

„Ich gebe dir eine letzte Chance zu verschwinden“, stieß er atemlos hervor. „Du solltest sie nutzen.“

„Ich möchte aber viel lieber hier bei dir bleiben“, gestand sie leise.

„Dann gibt es kein Zurück mehr. Ich werde jetzt tun, wonach ich mich gesehnt habe, seit du hier hereingeschneit bist.“

Geschickt knöpfte er die Seidenbluse auf und stöhnte leise vor Lust, als er Leilas perfekten Körper vor sich sah. Der Kontrast der bronze schimmernden Haut zum blütenweißen BH war umwerfend. Behutsam ließ er die Finger über ihren Busen gleiten. „Gefällt dir das, Leila?“

Sie wunderte sich, wie natürlich ihr seine Liebkosung vorkam. Als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben lang darauf gewartet, dass Gabe Steel sie streichelte.

„Es ist wundervoll“, hauchte sie und hoffte, er würde nie aufhören.

„Ich möchte deine Brüste küssen. Erst die eine, dann die andere. Sie fordern mich geradezu zum Küssen auf.“

Leila schloss die Augen und gab sich ganz dem erregenden Gefühl hin, als sich Gabes Lippen um einen harten, von hauchdünner Seide bedeckten Nippel schlossen. Immer wieder stimulierte er die Brustwarze mit der Zunge, während Leila vor Lust stöhnte. Langsam begann sie zu verstehen, warum Menschen so wild auf Sex waren.

„Gabe …“, stieß sie staunend hervor, als heißes Verlangen durch ihren Körper pulsierte.

Gabes Blick wurde wärmer, dann richtig feurig. „Ich glaube, wir überspringen einige Stufen. Wenn ich dich nicht gleich haben kann, verliere ich den Verstand.“

Ungeduldig griff er nach ihrer Hand und führte Leila ins nebenan gelegene Schlafzimmer. Das Bett war noch immer zerwühlt.

Leicht verunsichert blickte sie sich um. Unordnung war sie nicht gewohnt. In ihrer Welt gab es Personal, das stets dafür sorgte, dass sich alles am angestammten Platz befand. Ständig wurde geputzt und hinter Leila hergeräumt.

Zum ersten Mal legte sie sich nun in ein ungemachtes Bett, das zudem noch den Duft des Mannes verströmte, der darin geschlafen hatte. Derselbe Mann begann nun geschickt, Leila auszuziehen. Das macht er nicht zum ersten Mal, dachte sie. Bei ihrer Recherche über Gabe Steel hatte sie erfahren, dass er schon mit vielen Frauen liiert gewesen war. Sie alle hatten sicher viel mehr Erfahrung gehabt als sie. Fasziniert schaute sie zu ihm auf, doch er mied ihren Blick.

Männer sind nur auf Eroberungen aus. Sie wollen sich mit schönen Frauen schmücken und nehmen wenig Rücksicht auf deren Gefühle. Das durfte sie nicht vergessen.

Sie musste sich vor Augen führen, dass dies hier die Realität war und kein Film, den sie sich im Fernsehen anschaute. Gabe Steel würde sich nicht plötzlich in einen romantischen Fantasie­helden verwandeln, der sich unsterblich in sie verliebte. So etwas passierte nur im Film.

Entspannt kuschelte Leila sich in die Kissen und gab sich ganz dem erregenden Gefühl hin, das Gabe in ihr entfesselte, als er spielerisch über ihre nackten Schenkel strich.

„Hübsches Höschen“, murmelte er, bevor auch BH und Bluse achtlos auf dem Boden landeten.

Leila errötete bei dieser Bemerkung und redete sich ein, dass alles völlig normal und natürlich ablief. „Danke“, sagte sie so gelassen, als äußerten sich tagtäglich Männer erfreut über ihre Dessous. Wie gebannt sah sie zu, wie Gabe sich nun selbst entkleidete und sein traumhafter Körper zum Vorschein kam. Seine Erektion war beeindruckend.

Trotz seiner Nacktheit durchquerte Gabe völlig unbefangen das Zimmer, um etwas aus seinem Koffer zu holen. Als Leila sah, worum es sich handelte, wurde ihr bewusst, dass es nun ernst wurde.

Ganz geheuer war ihr das alles plötzlich nicht mehr. Ob es allen Frauen beim ersten Mal ebenso erging? Leila hatte plötzlich Angst, sie könnte ihren ersten Liebhaber enttäuschen.

Er legte das eingeschweißte Kondom auf den Nachttisch. Diese Geste war viel zu pragmatisch für Leilas romantische Vorstellungen. Musste die Wirklichkeit so hart sein? Im Film wurde diese Passage stets ausgeblendet. Wie durch ein Wunder landete das Liebespaar plötzlich im Bett. Dann gab es einen Schnitt, und die nächste Szene zeigte, wie das glückliche Paar lachend eine Straße entlanglief. Meistens in Paris. Leila lächelte verstohlen, denn es war wohl eher unwahrscheinlich, dass sie und Gabe Steel durch die Straßen von Simdahab liefen. Jedenfalls nicht, ohne von den Garden des Sultans verfolgt zu werden.

Wenn er sich jetzt nicht gleich zu mir legt, bekomme ich kalte Füße, dachte Leila.

Gabe schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn schon legte er sich ins Bett und zog die nackte Leila an seinen warmen Körper. „Du bist ja plötzlich so ernst“, sagte er leise und zog die Konturen ihrer sexy Lippen nach. „Hast du es dir anders überlegt? Dann musst du es jetzt sagen, Leila. Bevor es zu spät ist.“

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Gefühle, die seine zärtliche Geste in ihr auslöste. Trotzdem wäre es vielleicht besser, sich wieder anzuziehen und schleunigst zu verschwinden. Wahrscheinlich würde er verärgert reagieren, aber das konnte ihr ja egal sein. Noch könnte sie sich aus dem Staub machen und so tun, als wäre nichts geschehen. Denn so war es ja auch.

Doch dann fiel ihr ein, was sie im Palast erwartete. Sollte sie wirklich so in den goldenen Käfig zurückkehren, wie sie ihn verlassen hatte? In diesem Land hatten Frauen wenig Rechte – auch als Prinzessin. Ihr Bruder würde einen Prinzen aus einem der Nachbaremirate für sie aussuchen, den sie eines Tages heiraten musste. Ungeduldig würden dann zwei Staaten auf die Geburt eines Erben warten. Danach würde ihr Ehemann sich von ihr abwenden und sich in seinem Harem vergnügen.

Warum sollte sie sich dieses kurze Vergnügen hier versagen? Männer amüsierten sich ihr Leben lang. Da musste es doch erlaubt sein, sich auch mal etwas zu gönnen, bevor sie wieder in die Rolle der pflichtbewussten Prinzessin schlüpfte. Ihr Entschluss war gefasst.

Erwartungsvoll schlang sie die Arme um Gabes Nacken und bat leise: „Küss mich! Bitte!“

Lächelnd kam er ihrer Bitte nach. Es war wunderschön – so wie Leila es sich immer erträumt hatte. Es fühlte sich richtig an.

Leise stöhnend wandte sie den Kopf zur Seite, als Gabe sie erregend auf den Hals küsste – immer wieder.

Tausend winzige Funken stoben durch ihren Körper, als Gabe begann, sich den harten Brustwarzen zu widmen. Die Erregung wuchs mit jedem Zungenschlag. Leila ließ die Hände über Gabes Oberkörper wandern und spürte sein aufgeregt klopfendes Herz. Spielerisch zupfte sie am lockigen Brusthaar. Als Gabe lustvoll stöhnte, wurde sie waghalsiger und ließ die Hände weiter nach unten gleiten, über den flachen muskulösen Bauch. Auch das schien Gabe zu gefallen, wie Leila höchst zufrieden feststellte. In diesem Moment kam sie sich wie eine Königin vor, der alles gelingen konnte.

Gabe küsste sie, bis sie meinte, vor Lust den Verstand zu verlieren. Sie wollte mehr als nur Küsse. Rastlos bog sie sich Gabe immer wieder verlangend entgegen. Der lachte leise, als freute er sich über ihre Ungeduld. Behutsam spreizte er ihre Schenkel und schob eine Hand dazwischen. Leila schrie auf vor Lust.

„Du kannst es kaum erwarten, oder?“, fragte er leise.

„Nein.“ Schüchtern wich sie seinem heißen Blick aus.

Rhythmisch stimulierte er das Zentrum der Lust mit einem Finger. Leila schloss die Augen. Sie hatte das Gefühl, sich aufzulösen. Es war unvorstellbar. Fantastisch. Gerade als es am schönsten wurde, hielt Gabe jedoch inne und schob sich den Schutz über. Im nächsten Moment war er wieder ganz bei ihr – und es passierte.

Mit einem einzigen Stoß drang er tief in sie ein. Leila schrie auf, als ein stechender Schmerz sie durchzuckte. Sofort hielt Gabe verstört inne.

„Nein!“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Das kann nicht sein.“

„Was?“, keuchte Leila. Sie spürte ihn tief in sich. Der Schmerz war verflogen, und es fühlte sich unglaublich an, eins mit Gabe zu sein.

„Du bist noch Jungfrau?“

Er schien drauf und dran, sich aus ihr zurückzuziehen. Das musste sie unbedingt verhindern. Instinktiv hielt sie ihn in ihrem Innersten gefangen. Dann bewegte sie die Hüften, um ihn noch tiefer aufzunehmen.

„Und wenn es so wäre?“, flüsterte sie. „Jemand muss der Erste sein. Das bist du, Gabe. Bitte, Gabe, ich möchte auch spüren, was andere Frauen empfinden. Zeig es mir. Ich weiß, dass du es kannst.“

Gabe war machtlos. Sie war noch unberührt … und so eng. Es fühlte sich so fantastisch an, dass er noch härter wurde. Ihre auffordernden Worte wirkten zudem wie eine Droge. Am liebsten hätte er seiner überwältigenden Lust ungezügelt nachgegeben. Doch er wollte Leila nicht wehtun. Unglaublich, da stolzierte diese wunderschöne Frau in sein Zimmer und opferte ihm, einem völlig Fremden, ihre Unschuld. Warum? Plötzlich fühlte er sich von der Situation überfordert.

Gabe räusperte sich. „Ich glaube, es ist …“

„Es ist himmlisch, Gabe“, wisperte sie. „Für dich doch auch, oder? Bitte hör jetzt nicht auf!“

Ihr Flehen gab den Ausschlag. Warum sollte er aufhören, wenn sie weitermachen wollte?

Er stützte sich auf die Ellbogen, betrachtete Leilas wunderschönes Gesicht … und begann, sich langsam zu bewegen.

Sie hatte die Augen geschlossen. Das war gut, denn so konnte Gabe sich ganz auf dieses unglaubliche Gefühl konzentrieren, tief in ihr zu sein. Er stöhnte vor Lust. Es war einfach fantastisch. Was machte den Reiz einer Jungfrau aus? Dass sie so eng war? Dass man der Erste war, der sie besaß?

Jedenfalls war es so einzigartig, dass seine sprichwörtliche Ausdauer ihn zum ersten Mal im Stich ließ. Gabe kam sich vor wie ein Teenager, der den Höhepunkt kaum erwarten konnte. Doch das wollte er Leila nicht antun. Es war ihr erstes Mal. Er wollte, dass sie sich immer begeistert daran erinnerte. Also musste er durchhalten.

Einfach war das nicht. Überwältigende Lust pulsierte durch seinen Körper. Das lag nicht nur daran, dass Leila so eng war, sondern auch an der Tatsache, dass es keine emotionalen Erwartungen gab. Es war einfach nur Sex! Sie wollten beide Spaß haben. Die Gefahr, Leila könnte sich in ihn verlieben und mehr von ihm fordern, als er zu geben bereit war, bestand nicht.

Mit dem Daumen rieb er ihre Liebesknospe, betrachtete Leilas entrückten Gesichtsausdruck, lauschte ihren Lustschreien. Sie wurden lauter, je näher der Höhepunkt rückte. Plötzlich schlug sie die Augen auf und schaute ihn verwundert an, als könne sie nicht glauben, was mit ihr geschah.

„Gabe?“, flüsterte sie mit bebender Stimme.

„Entspann dich!“ Er stieß tief in sie hinein. „Lass. Dich. ­Gehen!“

Ihre Lippen formten sich zu einem unhörbaren Wort, dann schloss Leila die Augen. Im nächsten Moment durchzuckte ein Beben ihren schönen Körper. Dann bäumte sie sich auf und stieß einen Wortschwall in ihrer Muttersprache aus, als der Moment höchster Lust erreicht war. Gabe erstickte die Worte mit einem leidenschaftlichen Kuss und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, den ihre Fingernägel in seinem Rücken auslösten. Geduldig wartete er, bis die Wogen der Lust bei Leila verebbt waren. Erst dann ließ auch er sich fallen und erlebte einen Höhepunkt von einer solchen Intensität, wie er sie noch nie empfunden hatte. Am liebsten hätte er diesen Moment für immer festgehalten.

Wie benommen fühlte er sich danach, fast wie im Rausch. Ausgerechnet an diesem Tag fühlte er sich so fantastisch und lebendig statt leer und trostlos, wie in all den Jahren zuvor.

Aus halb geschlossenen Augen betrachtete er Leila. Das seidig glänzende schwarze Haar, das ihre hübschen festen Brüste bedeckte, den bronzen schimmernden Körper, über den sich ein Hauch von Rosa gelegt hatte.

Behutsam strich Gabe ihr eine Strähne aus dem erhitzten Gesicht. „Wer bist du?“, fragte er leise.

Statt zu antworten, richtete sie sich auf und verschloss ihm die Lippen mit einem zärtlichen Kuss. „Pst, Gabe“, wisperte sie. „Du siehst müde aus. Du solltest jetzt ein wenig schlafen.“

3. KAPITEL

„Hast du mir überhaupt zugehört, Leila?“

Der barsche Tonfall ihres Bruders schreckte sie aus ihrem Tagtraum auf. Sie hoffte inständig, ihr verräterisch erhitztes Gesicht hätte in der kühlen Luft der Klimaanlage im Palast wieder eine normale Farbe angenommen. Glücklicherweise verbarg der Schleier ja ihr Gesicht. Wohl zum ersten Mal war Leila froh, ihn zu tragen. Doch es gab andere Anzeichen, die sie hätten verraten können, wie sie gerade bei einem Blick in den Spiegel festgestellt hatte.

Hoffentlich war das Strahlen in ihren Augen inzwischen verschwunden! Wenn ihr Bruder Murat ahnte, wie sie den Nachmittag verbracht hatte, dann war sie geliefert.

Er wird mich umbringen! Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. „Selbstverständlich habe ich dir zugehört, Murat.“

„Wirklich?“ Er musterte sie misstrauisch. „Was habe ich denn gerade gesagt?“

Oje, jetzt bin ich dran! Doch dann erinnerte sie sich bruchstückhaft an Murats Monolog. „Du hast von dem Bankett gesprochen, das du heute Abend gibst.“

„Sehr gut, Leila. Dann hast du ja doch aufgepasst. Ich gebe das Bankett zu Ehren meines Gasts Gabe Steel aus England.“

„Gabe Steel?“ Sein Name schmeckte so süß auf ihren Lippen wie zuvor seine Küsse.

Ungeduldig schnalzte der Sultan mit der Zunge. „Du weißt doch, dass er heute Abend herkommt.“

Leila rang sich ein Lächeln ab. Natürlich wusste sie Bescheid. Allerdings hatte sie nicht weiter darüber nachgedacht, denn die Bankette des Sultans fanden immer ohne sie statt. Wäre sie eingeladen gewesen, hätte sie sich den verhängnisvollen Besuch bei Gabe Steel sparen können. Dann hätte sie sich in einem zwanglosen Gespräch während des Banketts bei ihm beworben.

Verzweifelt schloss sie kurz die Augen. Ich darf nicht mehr an ihn denken, ermahnte sie sich. Das war leichter gesagt als getan, denn wie ein Film spulte sich die verbotene erotische Begegnung mit Gabe immer wieder vor ihrem geistigen Auge ab. Die Liebesszenen, die überwältigenden Gefühle – wie sollte sie das alles jemals vergessen?

Natürlich hätte es niemals geschehen dürfen! In Qurhah wurde von einer Frau erwartet, dass sie als Jungfrau in die Ehe ging. Für eine Prinzessin war es sogar ein absolutes Muss! Bis vor wenigen Stunden wäre für Leila auch nie etwas anderes infrage gekommen. Doch dann hatte sie sich von dem mächtigen Fremden verführen lassen – ohne eine einzige Sekunde lang zu zögern. Sie hatte ihn so sehr begehrt, dass es gar keine andere Möglichkeit gegeben hatte, als mit diesem unwiderstehlichen Mann ins Bett zu gehen. Und Gabe war mindestens ebenso heiß auf sie gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich wie eine emanzipierte Frau verhalten.

Wie flüssiges Gold hatte sein Haar geschimmert, als Gabe nach dem überwältigenden Höhepunkt erschöpft den Kopf auf das weiße Kissen gebettet hatte. Innerhalb von Sekunden war Gabe so fest eingeschlafen, dass sie sich erschrocken vergewissert hatte, ob er noch atmete. Erst dann hatte sie sich aus dem Bett gestohlen – noch ganz unter dem Eindruck des Geschehens.

Leise hatte sie ihre im Zimmer verstreuten Kleidungsstücke zusammengesucht und sich mit bebenden Händen im Bad angezogen. Inständig hoffte sie, Gabe würde erst aufwachen, wenn sie längst über alle Berge war. Der Abschied fiel ihr unsagbar schwer. Am liebsten hätte sie sich in Gabes Arme geschmiegt und ihn geküsst. Doch das musste sie sich leider versagen. Es gab keine gemeinsame Zukunft. Das wusste sie nur zu genau. Doch vielleicht hätte sie diese Tatsache in ihrem aufgewühlten Zustand ignoriert. Nein, es war besser gewesen, sich davonzustehlen, als wäre nie etwas geschehen.

Leila atmete tief durch. Was geschehen war, war geschehen. Sie konnte es nicht rückgängig machen, und sie dachte nicht daran, sich für etwas zu schämen, was ihr unglaublich viel Freude bereitet hatte. Zum ersten Mal hatte sie sich wie ein freier, eigenständiger Mensch gefühlt, nicht wie eine Marionette ihres Bruders, des mächtigen Sultans.

Wenn sie ehrlich war, musste sie natürlich zugeben, wie naiv und idiotisch es gewesen war, den Engländer in seiner Hotelsuite aufzusuchen. Hatte sie sich wirklich eingebildet, Gabe Steel könnte ihren Bruder überreden, sie für seine PR-Agentur arbeiten zu lassen? Eine verwöhnte Prinzessin, die plötzlich als Assistentin eines europäischen Geschäftsmannes arbeitete? Da hatte sie sich wohl selbst Sand in die Augen gestreut.

Leila spürte Murats fragenden Blick. Offensichtlich wurde eine Reaktion von ihr erwartet. Murat war ja nicht nur ihr Bruder, sondern als Sultan der mächtige Herrscher über Qurhah, dem sie Ehrerbietung schuldete.

„Es ist müßig, meiner Hoffnung auf ein erfolgreiches Bankett Ausdruck zu verleihen, Murat. Denn der Erfolg steht außer Frage.“

Mit einer Kopfbewegung bedankte er sich für ihr Lob und sagte beiläufig: „Ich könnte mir vorstellen, dass du gern dabei wärst.“

Sie musste sich verhört haben. Deshalb fragte sie lieber schnell nach. „Du meinst, beim Bankett?“

„Ja. Wieso nicht?“ Der Sultan tat, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, seine Schwester zu einem Staatsbankett einzuladen.

Leila lachte ungläubig. „Aber an diesen Diners nehmen doch traditionell nur Männer teil.“

„Dann brechen wir eben mal mit der Tradition.“

Er schien es ernst zu meinen. Irgendetwas stimmte heute nicht mit Murat. Vielleicht war ihm die gelöste Verlobung mit seiner Braut aufs Gemüt geschlagen. Die Hochzeit war vor langer Zeit zwischen den Vätern der Brautleute beschlossen worden …

Ungläubig musterte Leila ihren Bruder. „Was ist denn plötzlich in dich gefahren, Murat?“

„Wieso? Du liegst mir doch seit Jahren damit in den Ohren, dass du gern in die Staatsgeschäfte eingebunden werden möchtest. Nun biete ich dir diese Möglichkeit, und es ist dir auch nicht recht.“

Leila wagte ihr Glück kaum zu fassen. Sie durfte am Bankett teilnehmen? Und Gabe wiedersehen? Aufgeregt stellte sie sich vor, wie es sein würde, ihrem Liebhaber so unverhofft erneut zu begegnen. Wie würde er reagieren? Er konnte wohl kaum voraussehen, sie ausgerechnet im Palast wiederzusehen.

Eigentlich spielte es keine Rolle, wie er reagierte. Er war zwar ein traumhafter Liebhaber gewesen, aber er war eben auch nur ein Mann. Und Männer machten Frauen unglücklich und brachen ihnen das Herz. Wie oft hatte sie ihre Mutter weinen hören! Nein, es wäre naiv, sich Hoffnungen auf Gabe Steel zu machen.

„Du freust dich ja gar nicht, Leila“, bemerkte der Sultan leise. „Ich dachte, du würdest völlig aus dem Häuschen geraten bei der Aussicht, unseren Gast aus England kennenzulernen.“

Sie lächelte verhalten. „Entschuldige bitte, Murat. Aber dein Vorschlag kam so unerwartet. Selbstverständlich freue ich mich sehr, auf Mr Steel zu treffen.“

„Gut. Du wirst natürlich den Schleier tragen. Unser Gast soll ja den richtigen Eindruck von unseren traditionsbewussten, anständigen Frauen in Qurhah bekommen.“ Murat musterte sie scharf. „Hoffentlich hast du kein Fieber, Leila. Du glühst ja plötzlich.“

Für die goldenen Torflügel, die sich vor ihm öffneten, hatte Gabe kaum einen Blick, als die gepanzerte Limousine Richtung Palast glitt. Auch die gepflegten, belebten Straßen von Simdahab hatte er nur am Rande wahrgenommen. Er wunderte sich nur, wieso die Fahrt länger als erwartet dauerte. Es lag wohl an dem schwer gepanzerten Fahrzeug, in dem sich der Sultan normalerweise herumkutschieren ließ. Ein reines Vergnügen war es also nicht, schwerreich und mächtig zu sein. Das Risiko eines Attentats begleitete einen überall.

Statt sich geistig auf das Bankett einzustellen oder über die kulturellen Unterschiede zwischen Qurhah und Großbritannien nachzudenken, kreisten Gabes Gedanken um die Frau, die er wohl besser vergessen sollte.

Leila.

Als er vorhin aus tiefem Schlaf in dem zerwühlten Bett erwacht war, hatte er einen vollkommenen inneren Frieden gespürt. Erst allmählich war die Erinnerung zurückgekehrt. Zuerst dachte Gabe, er hätte alles nur geträumt. Doch dann hatte er winzige Blutflecken auf dem Laken entdeckt und erkannt, dass es kein Traum gewesen war.

Blicklos sah er aus dem Fenster, noch immer leicht desorientiert. Natürlich war ihm bewusst, dass Frauen auf ihn flogen. Das lag wohl nicht zuletzt an seinem Aussehen. Die Presse hatte ihn mal als ‚gefallenen Engel‘ beschrieben! Den Umgang mit dem anderen Geschlecht hatte er schnell gelernt, weil das in seinem eigenen Interesse lag. „Nehmen, ohne falsche Hoffnungen zu wecken“, lautete sein Credo. Wenn man einer Frau Freude bereitete, war diese eher geneigt, über gewisse Schwächen hinwegzusehen. Und Gabes Schwäche war seine Abneigung gegen Gefühle.

Ihm war nichts mehr fremd. Jedenfalls hatte er das bisher gedacht. Nur auf Sex zu dritt stand er nicht, und er ließ sich auch beim Sex nicht filmen. Aber eine wunderschöne unberührte Fremde, die aus dem Nichts in seinem Hotelzimmer auftauchte und sich innerhalb von Minuten verführen ließ, war ein absolutes Novum für ihn.

Allein bei der Erinnerung, welche Gefühle diese Frau in ihm entfesselt hatte, stockte ihm der Atem. Der Moment der Entjungferung … Wer war die Unbekannte? Warum hatte sie ihre Unschuld ausgerechnet einem Wildfremden geopfert?

Die Fotos, die sie ihm gezeigt hatte, fielen ihm wieder ein. Leila war eine durchaus talentierte Fotografin. Hoffte sie, ihr großzügiges Opfer würde ihn dazu bewegen, ihr einen Job zu verschaffen? Aber dann hätte sie doch wenigstens ihre Visitenkarte oder Telefonnummer zurückgelassen, oder? Nur ihr verführerischer Duft hatte noch in der Luft gelegen, als Gabe schließlich aufgewacht war.

Gabe verdrängte die aufwühlenden Gedanken und konzentrierte sich auf seine Umgebung, als die Limousine vor dem Palastaufgang hielt und ein Diener im arabischen Gewand höflich den Wagenschlag aufhielt. Jetzt galt es, sich auf den Abend einzustellen. Es spielte keine Rolle, wer die geheimnisvolle Jungfrau war. Was geschehen war, war geschehen und musste abgehakt werden, genau wie alle anderen Aspekte der Vergangenheit. Der Sultan hatte ihn zu einem Staatsbankett eingeladen. Das allein war wichtig.

Er stieg aus, knöpfte sich die Smokingjacke zu und blickte sich kurz um. Vor dem in der untergehenden Sonne rotgold schimmernden Palast parkten bereits etliche andere Limousinen in Reih und Glied. Unwillkürlich fragte sich Gabe, wie lange der Bau dieser wie aus einem Disneyfilm anmutenden Zitadelle wohl gedauert hatte. Wie ein Symbol von Macht und Schönheit erhob sich der Märchenpalast über einer Oase im englischen Stil angelegter Gärten. Unglaublich, wie es in diesem Wüstenstaat grünte und blühte!

Die Abendluft war erfüllt vom schweren Duft blühender Rosen. Leise plätscherte ein Bach durch die gepflegte Gartenanlage. Am Horizont schimmerten schneebedeckte Berggipfel. Hoch über dem Palast zog ein Greifvogel seine Kreise.

Ich sollte mich an diesem imposanten Anblick erfreuen, dachte Gabe, statt über eine Frau nachzudenken, die mich … benutzt hat. Er runzelte die Stirn. Doch, so ließ sich das durchaus bezeichnen.

„Gabe! Da sind Sie ja endlich. Herzlich willkommen in meiner bescheidenen Hütte.“ Lachend begrüßte ihn der Sultan von der obersten Stufe aus.

Gabe sah auf und betrachtete die imposante Gestalt im blütenweißen Gewand, die von mächtigen Torbögen eingerahmt wurde. Eine flüchtige Erinnerung durchzuckte seine Gedanken. Zu flüchtig, um sie zu analysieren.

„Eure Kaiserliche Hoheit.“ Gabe lächelte erfreut. „Es ist mir eine Ehre, der Einladung in Euren Palast zu folgen.“

„Die Ehre ist ganz meinerseits.“ Freundlich schüttelte der Sultan seinem Gast aus England die Hand. „Wie war das Wetter in London?“

„Regnerisch“, antwortete Gabe wahrheitsgemäß.

„Wie hätte es anders sein können.“ Die beiden Männer grinsten wissend.

Gabe hatte den Sultan kennengelernt, als eine enge Mitarbeiterin seiner PR-Agentur geheiratet hatte. Sara Williams war erfolgreich in der Kreativabteilung tätig gewesen – bis ihr Liebesleben für Aufsehen gesorgt hatte.

Während Saras leicht surreal anmutender Hochzeitsfeierlichkeiten im benachbarten Emirat Dhi’ban hatte der Sultan ihn angesprochen und gefragt, ob er Interesse an einer Werbekampagne hätte. Er bat Gabe um seine Unterstützung, mithilfe ­eines Imagewechsels Qurhah auf den Stand des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu bringen. Nach anfänglichen Bedenken, diesen möglicherweise zu brisanten Auftrag zu übernehmen, hatte Gabe die Herausforderung doch angenommen. Nicht zuletzt, weil Herausforderungen in seinem Leben zunehmend rar gesät waren.

Außerdem fiel die Einladung des Sultans genau auf den Jahrestag, der Gabe noch immer schwer zu schaffen machte.

„Haben Sie im Hotel alles, was Sie brauchen?“, fragte der ­Sultan.

Sofort wurde Gabe an das erotische Intermezzo erinnert. „Ja, es ist perfekt“, antwortete er schnell. „Das schönste Hotel, das ich je gesehen habe.“

„Das freut mich. Aber der Palast wird Ihnen noch besser gefallen.“ Mit einladender Geste bat Murat seinen Gast herein. „Kommen Sie, Gabe! Genießen Sie die Gastfreundschaft meines ­Landes.“

Gabe folgte dem Monarchen durch lange Korridore, in denen es angenehm kühl war, da eine leichte Brise vom Innenhof hereinwehte. Weiter ging es vorbei an ehrerbietigen Dienern durch die Ahnengalerie. Die Ähnlichkeit des Sultans mit seinen Vorfahren war verblüffend.

Schließlich betraten sie einen Saal, der Gabes kühnste Erwartungen übertraf. Das Interieur sah aus wie ein mit Gold und Edelsteinen reich verziertes Kirchenschiff! Die anderen Gäste hatten sich bereits hier versammelt und unterhielten sich angeregt bei einem Aperitif.

Sowie der Sultan den Saal betrat, verstummten die Menschen und verneigten sich vor dem Herrscher.

Es muss sich unglaublich anfühlen, so viel Macht auszuüben, dachte Gabe, bevor er dem Gesandten des Sultans und einer langen Reihe von Würdenträgern vorgestellt wurde. Besonders einige ältere Männer begegneten ihm mit Misstrauen. Offensichtlich passte es ihnen nicht, dass ausgerechnet ein Ausländer das Image ihres Landes modernisieren sollte. Gabe hatte sogar Verständnis dafür, denn er wusste, dass Veränderungen schmerzvoll sein konnten. Geduldig hörte er sich einige Bedenken der Männer an, bis ein Gong erklang, um die Gäste zu Tisch zu bitten.

Der Sultan höchstpersönlich führte Gabe in einen riesigen Speise­saal mit festlich gedeckter Tafel. Beim Anblick der tiefroten Rosen­blütenblätter, die großzügig auf dem blütenweißen Tischtuch verstreut waren, wurde Gabe unwillkürlich an die Blutstropfen auf seinem Laken erinnert. Eine plötzliche Vorahnung überkam ihn.

„Gabe, Sie sitzen neben dem Botschafter von Maraban. Er ist einer der einflussreichsten Männer in dieser Region. Zu Ihrer Linken wird meine Schwester sitzen“, fügte der Sultan hinzu. „Sie spricht ausgezeichnet Englisch und freut sich, Sie kennenzulernen. Es ist ihr nur selten vergönnt, sich mit Bewohnern der westlichen Welt zu unterhalten. Ach, da kommt Leila ja schon.“

Gabe hätte die Frau, die soeben den Speisesaal betreten hatte, auch wiedererkannt, wenn der Sultan ihren Namen nicht genannt hätte. Obwohl ihr Gesicht halb mit einem silberfarbenen Seidenschal verschleiert war und sie eine bodenlange Robe trug. Ihr graziler Hüftschwung war unverwechselbar. Vielleicht fühlte er sich ihr auch noch körperlich verbunden. Und er trug noch ihren Duft auf der Haut, hatte Leilas Geschmack noch auf der Zunge.

Nur zu gut erinnerte er sich an den Moment, als er dieser geheimnisvollen Sexgöttin die Unschuld geraubt hatte.

Warum, um alles in der Welt, hatte Leila ihre Identität vor ihm verborgen?

„Da bist du ja, Leila.“ Lächelnd begrüßte der Sultan seine Schwester, und Gabe riss sich zusammen, so gut es ging. „Das ist Gabe Steel. Das PR-Genie aus England, von dem ich dir erzählt habe. Gabe, ich möchte Ihnen meine einzige Schwester vorstellen: Prinzessin Leila Scheherazade von Qurhah.“

Unbändige Wut verschlug Gabe einen Moment lang die Sprache. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt und rang sich ein Lächeln ab. Ganz so, wie es von einem erwartet wurde, wenn man einer Prinzessin vorgestellt wurde. Er verneigte sich sogar vor ihr und erhaschte dabei einen Blick auf ihre sexy Zehen, die in mit buntem Strass besetzten Sandaletten steckten und vorwitzig unter dem Robensaum hervorlugten. Sofort durchzuckte ihn heiße Lust.

„Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Königliche Hoheit“, sagte er und richtete sich wieder auf. Dabei bemerkte er die Erschütterung in ihren unglaublich blauen Augen und freute sich diebisch.

„Die Freude ist ganz meinerseits, Mr Steel“, antwortete Leila leise.

„Geleite unseren Gast bitte an seinen Platz, Leila“, bat der Sultan und hob klatschend die Hände. „Bitte zu Tisch“, rief er laut und vernehmlich mit seiner sonoren Stimme.

Schweigend folgte Gabe der Prinzessin zu seinem Platz, rückte ihr höflich den Stuhl neben sich zurecht und setzte sich an die Tafel. Er nutzte die Unruhe, die zweihundert Gäste auf der Suche nach ihren Plätzen verursachten, und raunte Leila zu: „Gedenkst du, mir eine Erklärung zu geben?“

„Nicht jetzt“, wisperte sie.

„Ich verlange eine Erklärung, Königliche Hoheit.“

„Später.“ Langsam schlug sie den Schleier zurück.

Gabe schluckte seinen Ärger hinunter und verfolgte wie gebannt, wie das schöne Gesicht zum Vorschein kam. Der erotischste Striptease, den er je erlebt hatte.

Zuerst wurde das eigenwillige Kinn entblößt, dann die sinnlichen Lippen, die rosa schimmerten. Bei der Erinnerung, wie diese weichen Lippen sich unter seinen angefühlt hatten, regte sich sofort seine Leidenschaft. Gabe redete sich ein, dass Leilas Nase nicht dem landläufigen Schönheitsideal entsprach und dass es bedeutend schönere Frauen auf der Welt gab. Doch er belog sich selbst, denn in diesem Augenblick war sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte.

Nach einem großen Schluck Wein hatte Gabe sich wieder so weit im Griff, dass er während der Vorspeise charmant mit dem Botschafter plaudern konnte. Das Essen rührte er nicht an. Auch die Prinzessin ignorierte er. Natürlich war das unhöflich, aber er befürchtete, die mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung zu verlieren, wenn er sich Leila zuwandte. Doch verstohlen beobachtete er immer wieder, wie sie mit dem schweren Goldbesteck das Essen auf dem Teller hin und her schob.

Der Botschafter war inzwischen mit seinem anderen Sitznachbarn in ein Gespräch vertieft. Diese Gelegenheit nutzte Gabe, die Prinzessin mit kaum verhohlener Wut zu fragen: „Geht es hier um irgendwelche Machtspiele, von denen ich wissen sollte, Leila? Ist eine politische Intrige im Gange?“

Nervös ließ sie die Gabel klirrend auf den Teller fallen, bevor sie sich Gabe zuwandte. „Nein, es gibt keine Intrige“, antwortete sie leise.

„Wirklich nicht? Und was soll dann diese Geheimnistuerei? Warum erzählst du deinem Bruder nicht, dass wir uns bereits kennen? Aber vielleicht weiß er das ja längst.“

„Ich …“

„Oder er hat wirklich keine Ahnung, dass seine Schwester mich vorhin in meiner Suite besucht hat“, fuhr Gabe ungerührt fort. „Vielleicht sollte ich …“

„Bitte!“ Ihr entsetzter Tonfall brachte Gabe zum Schweigen. „Wir können uns hier nicht unterhalten.“

„Wo dann? Morgen um die gleiche Zeit bei mir?“, schlug er vor. „Dieses Mal in einer anderen Verkleidung? Vielleicht macht dich die Maskerade ja heiß.“ Er musterte sie scharf.

„Mr Steel …“

„Nenn mich Gabe.“ Sein Tonfall war eisig. „Du erinnerst dich doch an meinen Namen, Leila?“

Verzweifelt schloss Leila kurz die Augen. Natürlich erinnerte sie sich an seinen Namen! Sie hatte ihn geflüstert, gestöhnt, beim Orgasmus hinausgeschrien …

Diese wunderschönen Erinnerungen wurden nun von Gabes Hohn überlagert.

Leila wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sie überlegte, ob sie Übelkeit vortäuschen und sich eilig entschuldigen sollte. In diesem Moment war ihr tatsächlich übel.

Doch so einen Affront würde ihr Murat niemals verzeihen. Außerdem würde es ihn misstrauisch machen, wenn sie plötzlich das Weite suchte, nachdem sie sich mit dem Gast aus England unterhalten hatte. Also musste sie darauf hoffen, dass Gabe seine Feindseligkeit vor dem Ende des Festmahls aufgeben würde.

„Ich kann deine Verärgerung verstehen“, sagte sie schließlich versöhnlich.

„Ach ja?“ Noch immer glitzerten seine schiefergrauen Augen feindselig. „Wie kommt’s? Weil du mir deine wahre Identität verschwiegen hast?“

„Ich habe nicht …“

„Oder weil dir eben erst bewusst geworden ist, dass du das Projekt gefährden könntest, mit dem dein Bruder mich beauftragt hat?“ Er musterte sie vernichtend. „Kein Mann hat gern eine Hure zur Schwester.“

Gabe lehnte sich zurück. Mit ausdrucksloser Miene sah er Leila an. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass dieser Mann die Prinzessin gerade auf das Übelste beleidigt hatte.

„Das ist eine gemeine Unterstellung“, protestierte Leila. „Ich habe einfach nur spontan reagiert. Andere Frauen hätten das auch getan.“

„Mit dem Unterschied, dass andere Frauen nicht von ihren Leibwächtern verfolgt werden. Nicht auszudenken, wenn sie die Tür eingetreten und dich mit mir im Bett überrascht hätten.“ Wütend schüttelte er den Kopf.

Diese Szene wollte Leila sich lieber nicht ausmalen und schwieg betreten.

„Ich wäre verhaftet worden, oder?“

Sie nickte beschämt.

„Das habe ich mir gedacht. Mein guter Ruf wäre dahin gewesen, der Job futsch. Ich wäre im Knast gelandet. Wahrscheinlich hätte man mich sogar einen Kopf kürzer gemacht.“

„Wir sind doch keine Barbaren“, protestierte Leila. Sehr überzeugend klang das allerdings nicht.

„Du hast mich benutzt, Leila. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“, zitierte Gabe.

„Das ist nicht wahr.“

„Nein? Wie würdest du es denn bezeichnen?“, fragte er lauernd. „Als Liebe auf den ersten Blick?“

Leila griff nach ihrem Glas und trank einen Schluck Kirschsaft, um Zeit zu gewinnen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie impulsiv sie gehandelt hatte. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn man sie erwischt hätte. Aber sie hatten ja noch einmal Glück gehabt. Das Schicksal war auf ihrer Seite gewesen.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ihr Herz hatte vor Freude einen Hüpfer gemacht, als sie vorhin im Bankettsaal den Mann entdeckt hatte, der sie so wunderbar geliebt hatte. Am liebsten hätte sie sich sofort an ihn geschmiegt und ihn leidenschaftlich geküsst. Das war natürlich völlig verrückt. Sie musste aufhören, sich vorzustellen, was wäre, wenn.

Leider wusste sie aus bitterer Erfahrung, dass Männer kein Herz hatten.

„Liebe?“ Leila begegnete Gabes herausforderndem Blick. „Muss man unbedingt verliebt sein, wenn man Sex haben will?“

„Männer sicher nicht. Aber Frauen schon. Besonders wenn sie zum ersten Mal mit einem Mann schlafen. Für verwöhnte Prinzessinnen, die sich nehmen, was sie wollen, ohne über die Folgen nachzudenken, gilt das wohl nicht.“

Auf dieses weitverbreitete Vorurteil ging sie nicht ein. Woher sollte Gabe denn wissen, wie trostlos das Leben im goldenen Käfig sein konnte?

„Es war sicher etwas unkonventionell, unangekündigt mit meinen Arbeiten in deiner Hotelsuite aufzutauchen und dich um einen Job zu bitten“, räumte sie ein.

„Das meinte ich nicht. Du weißt ganz genau, wovon ich spreche.“ Langsam riss Gabe der Geduldsfaden. „Welchen Ratgeber für Vorstellungsgespräche hast du gelesen, bevor du dich mir an den Hals geworfen hast? Ein Sexualkundebuch?“

„Auf Widerstand bin ich jedenfalls nicht gestoßen“, konterte sie.

„Wundert dich das?“ Wütend funkelte er sie an. „Eine wunderschöne Frau kommt in meine Suite geschneit, sieht mich mit ihren großen blauen Augen verführerisch an, berührt mich so leicht am Arm, dass ich glaube, mir das nur einzubilden, und dreht eine Pirouette, damit mir auch ja nicht entgeht, wie verführerisch ihr Körper ist. Und dann sieht dieses Fabelwesen mich an, als wäre ich die Erfüllung geheimster Träume.“ Einen Moment lang hatte es sich für ihn tatsächlich so angefühlt.

Leila blickte auf ihren noch unberührten Teller und zwang sich, eine Gabel voll Reis in den Mund zu schieben. Wenn sie gar nichts aß, würde es später unweigerlich unangenehme Fragen geben. Eine stellte sie sich jetzt selbst: Hatte Gabe recht mit seiner Behauptung, sie habe sich ihm an den Hals geworfen?

Sie sah wieder auf. „Du hättest mich stoppen können“, sagte sie.

Und wieder blickte Gabe in diese wunderschönen blauen Augen, die jetzt herausfordernd glitzerten. Natürlich hätte er Leila stoppen können. Aber er hatte sie nicht an die Luft gesetzt, sondern hatte seinem überwältigenden Verlangen nachgegeben. Seine eiserne Selbstbeherrschung hatte versagt. Ebenso wie sein Instinkt, der ihn bisher stets vor Unheil gewarnt hatte. Ein Blick in Leilas Augen, und er war verloren gewesen.

Geradezu hilflos hatte er sich gefühlt.

Genau wie … damals.

Das durfte nicht sein!

Gabe räusperte sich. „Ich hätte dich stoppen können“, sagte er langsam.

„Und warum hast du es nicht getan?“

Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Leila sollte begreifen, dass er der falsche Mann für sie war. Se durfte sich nicht in ihn verlieben, denn er war ein Mann, der Frauen Kummer machte. Großen Kummer.

„Sex ist manchmal wie eine Art Juckreiz, Leila. Und dann muss man ihm nachgeben, ob man nun will oder nicht“, erklärte er schließlich.

Sie nahm das scheinbar emotionslos hin. Nur ganz kurz hatte ihr Blick sich verhärtet, als hätte sich gerade bestätigt, was sie schon immer vermutet hatte.

„Als Verfasser von Liebesgedichten wirst du sicher nicht in die Geschichte eingehen“, meinte sie sarkastisch.

Gabe griff nach dem Weinkelch und drehte ihn hin und her. „Nein. Aber ich hoffe, du hast verstanden, was ich damit sagen wollte.“

Als Leila sich vorbeugte, atmete er den Duft frischer Wiesenblumen ein. Sofort war Gabe abgelenkt.

„Ja, es ist bei mir angekommen, Gabe. Deshalb werde ich dich jetzt auch, so gut es geht, ignorieren. Es ist ja alles gesagt, oder?“

4. KAPITEL

Verzweifelt umklammerte Leila den Waschbeckenrand. Am liebsten hätte sie vor Entsetzen geschrien. Doch das durfte sie nicht, denn es wäre fatal gewesen, jetzt Aufmerksamkeit zu erregen. Die Furcht vor Entdeckung wuchs mit jedem Tag.

Hoffentlich hatte keine der Dienerinnen, die ständig in der Nähe waren, gehört, dass sie sich übergeben hatte.

Leila kniff die Augen zu.

Bitte, bitte nicht!

Langsam wurde ihr klar, dass es keinen Sinn hatte, die Augen länger vor der Wirklichkeit zu verschließen. Ihre Hoffnung, sich zu irren, schwand stündlich.

Zuerst hatte sie sich nichts dabei gedacht, dass ihre Periode ausblieb. Doch als sich nach einer Woche noch immer nichts tat, geriet Leila in Panik. Nicht auszudenken, wenn … Nein, nur nicht daran denken!

Sie gab vor, alles wäre in Ordnung, verzog ab und zu das Gesicht vor Schmerz und griff sich an den Unterleib, wenn eine Dienerin bei ihr war, damit nur niemand Verdacht schöpfte. Im Palast ein Geheimnis zu hüten war fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Vielleicht war ja doch alles okay, und ihr Körper reagierte lediglich auf den Sex, den sie mit Gabe gehabt hatte. Doch so lange konnte das doch wohl nicht dauern, oder? Leila beschloss, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, wurde jedoch immer unruhiger. Sie versuchte, Mutter Natur zu bestechen: Von nun an wollte sie alles tun, was von ihr erwartet wurde, wenn sie nur nicht von Gabe Steel schwanger war.

Natürlich funktionierte das nicht. Ihre Gebete wurden ignoriert. Es war eine Katastrophe! Ihre erste und einzige Erfahrung mit Sex hatte Folgen. Ein einziges Mal hatte sie den Mut aufgebracht, sich wie ein Mann einfach mal gewisse Freiheiten zu nehmen, und dann das. Sie erwartete ein Kind von einem Mann, der nichts von ihr wissen wollte.

Ich bin geliefert, dachte Leila verzweifelt.

Mit bebenden Händen bürstete sie ihr langes Haar. Sie durfte sich nichts anmerken lassen und musste nach außen hin als stets sorgfältig gepflegte Prinzessin erscheinen.

Leila atmete tief durch und überlegte, welche Möglichkeiten ihr offenstanden. Viele waren es nicht. Wenn Murat erfahren würde, was passiert war … Erneut umklammerte sie das Porzellanbecken und schauderte. Ihr Bruder durfte nichts davon wissen. Jedenfalls noch nicht.

Aber Gabe musste sie es sagen.

Er war inzwischen wieder in England, nachdem er zwei Wochen lang in Qurhah an seiner Imagekampagne für das Land gearbeitet hatte. Ihre Wege hatten sich nicht wieder gekreuzt. Wozu auch? Gabe hatte ja deutlich zu verstehen gegeben, dass er das Intermezzo mit ihr möglichst schnell vergessen wollte. Und Leila hatte sich eingeredet, ihr ginge es ebenso. Seltsam, zwei Menschen, die sich so nahegekommen waren, verhielten sich anschließend, als wären sie einander nie begegnet.

Nachdenklich verließ sie das Badezimmer und grübelte in ihren Privatgemächern darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Im Palastgarten blühten die orangefarbenen Rosen, die ihren Namen trugen. Wenige Tage nach ihrer Geburt waren sie gepflanzt worden, und sie blühten dieses Jahr prächtiger denn je.

Sollte sie Gabe anrufen? Wer garantierte ihr, dass niemand das Gespräch mithörte? Einigen Palastangestellten traute sie nicht über den Weg. Der Sultan würde toben, wenn er von der Schwangerschaft erführe.

Lange ließ sich ihr Zustand allerdings sowieso nicht mehr verheimlichen.

Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Erschrocken wandte Leila sich um. Eine ihrer Dienerinnen richtete aus, der Sultan wünsche seine Schwester sofort zu sehen.

Angstvoll machte Leila sich auf den Weg. Ihre Schritte hallten auf dem Marmorboden der langen Korridore, die zu Murats Flügel führten. Hatte ihr Bruder Verdacht geschöpft? Zitierte er sie zu sich, um ihr die Leviten zu lesen, weil sie Schande über das Königshaus gebracht hatte? Würde er sie an einen entlegenen Ort vor Qurhah verbannen, wo sie ihr uneheliches Kind unbemerkt von der Außenwelt gebären und großziehen sollte?

Doch als sie nervös die Privatgemächer des Sultans betrat, zeigte der sich ungewöhnlich besorgt und wollte wissen, wie Leila sich fühlte.

„Mir geht es prima“, schwindelte sie und hoffte, dass Murat nicht bemerkte, wie entsetzt sie über seine Frage war. „Warum fragst du?“

„Du hast dich in letzter Zeit kaum blicken lassen und dich irgendwie verändert. Was ist los, Leila?“

Er hat Verdacht geschöpft!

Verzweifelt drängte sie die aufsteigende Panik zurück und versuchte, sich völlig unbefangen zu geben. „Ach, nichts weiter.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich bin einfach nur … unzufrieden.“

Murat sah sie forschend an. „Womit?“

Leila befeuchtete sich die Lippen. „Mit meinem Leben hier. Ich sitze hier fest und sehe nichts von der Welt.“

„Du bist die Prinzessin von Qurhah. Selbstverständlich ist dein Platz hier und nirgendwo sonst auf der Welt“, erklärte Murat barsch.

„Ich weiß.“ Sie ließ den Kopf hängen, sah aber gleich wieder auf. „Du reist doch auch, Murat. Warum darf ich mir nicht auch etwas von der Welt anschauen, bevor ich mich in die Rolle hineinfinde, die mir zugedacht ist?“ Mit anderen Worten, einen Prinzen zu heiraten und ihm Kinder zu gebären. Doch jetzt trug sie Gabes Kind unterm Herzen. Kein Prinz würde eine Frau heiraten, die von einem anderen Mann schwanger war. Doch das wusste Murat ja – noch – nicht.

Misstrauisch musterte Murat seine Schwester. „Wohin möchtest du denn gern reisen?“

Leila schöpfte neue Hoffnung. „Du weißt doch, dass Prinzessin Sara auch eine Wohnung in London hat?“

„Sicher.“

Sollte ihn die Erwähnung seiner Exverlobten verletzen, ließ er es sich nicht anmerken.

„Sie schreibt mir oft und schwärmt von den fantastischen Geschäften in London. Gerade hat sie mich wieder eingeladen, sie dort zu besuchen. Könnte ich die Einladung nicht annehmen, Murat? Du weißt doch, wie gern ich einkaufe.“

Das klang doch harmlos genug, oder? Hätte sie Murat erzählt, sie würde gern eine Fotoausstellung besuchen, er hätte sofort abgelehnt. Aber altmodisch, wie er war, hatte er nichts dagegen, wenn eine Frau einkaufen gehen wollte. Wenigstens war sie dann beschäftigt und kam nicht auf dumme Gedanken.

„Okay, ein Kurztrip nach London lässt sich bestimmt einrichten, Leila.“

Sie stieß einen kleinen Freudenschrei aus und fiel ihrem Bruder um den Hals, um ihre Dankbarkeit zu zeigen. Dann eilte sie in ihre Suite, um sofort einen Koffer zu packen, bevor der gestrenge Sultan seine Meinung ändern konnte.

Nachdem der Palast Kontakt mit Prinzessin Sara aufgenommen hatte, mit der Leila schon seit ihrer Kindheit befreundet war, wurde sogleich die Reise arrangiert. Und so reiste Leila innerhalb weniger Tage mit einer Entourage aus Leibwächtern und Dienerinnen mit dem Privatjet des Sultans nach London.

Wenigstens war sie jetzt schon mal in derselben Stadt wie Gabe. Nun musste sie nur noch den Mut aufbringen, ihm zu erzählen, dass er Vater wurde.

Kurzentschlossen griff sie nach dem Telefon und wählte Gabes Büronummer. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie nach einem Umweg über zwei Büroangestellte darauf wartete, zu Gabe durchgestellt zu werden. Endlich meldete er sich! Seine Stimme klang distanziert.

Leila atmete tief durch. Ihr war durchaus bewusst, dass die Nachricht bei Gabe wie eine Bombe einschlagen musste.

„Leila?“

„Hallo, Gabe“, krächzte sie und räusperte sich nervös. „Wie … geht es dir?“

„Danke, gut.“ Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: „Das ist ja eine Überraschung.“

„Das glaube ich dir aufs Wort.“ Fast hätte sie der Mut verlassen. „Ich muss dich sehen, Gabe.“

„Waren wir uns nicht darüber einig, dass das keine so gute Idee ist? Außerdem bin ich wieder in England und habe nicht vor, demnächst noch einmal nach Qurhah zu reisen.“

Leila sah aus dem Fenster mit Blick auf einen Park. Ein Junge jagte hinter einem Hund her, stolperte und fiel hin. Eine Frau, vermutlich seine Mutter, hob ihn auf und tröstete den Kleinen. In diesem Moment wurde Leila bewusst, wie schlecht sie auf ihre zukünftige Mutterrolle vorbereitet war. „Ich bin in London, Gabe.“

Diese Information schien ihm einen Moment lang die Sprache zu verschlagen. Dann hatte er sich wieder gefasst. „Was willst du denn in London?“

Bildet er sich etwa ein, ich wäre hier, weil ich ihn unbedingt wiedersehen will? Weil ich ihn begehre? Wie arrogant kann man denn sein? Auf die Idee, dass ihr Intermezzo nicht ohne Folgen geblieben war, kam er wohl nicht von allein. „Das würde ich dir gern persönlich sagen, Gabe.“

„Okay. Sag mir, wo ich dich finden kann, und ich komme zu dir.“

Auf gar keinen Fall! Hier wimmelte es ja nur so von Leibwächtern und ausgesprochen wachsamen Dienerinnen. „Kann ich nicht lieber zu dir kommen?“

Normalerweise hätte Gabe diese Bitte kategorisch abgelehnt. Er lud selten jemand zu sich nach Hause in. Seine Wohnung war sein Heiligtum, seine Fluchtburg. Wenn er eine Nacht mit einer Frau verbrachte, dann nie bei sich zu Hause, denn er wollte immer die Möglichkeit haben, jederzeit gehen zu ­können.

Bei Leila war die Sache komplizierter. Als Prinzessin genoss sie einen gewissen Status. Für sie wurden Regeln gebrochen. Beim Gedanken an ihre ausdrucksvollen blauen Augen und den seidig glatten Körper spürte Gabe sofort Lust. Heiß und eng, so hatte es sich in Leila angefühlt. Gabe streckte die Beine aus und blickte zur Decke hoch. Er wünschte, sie hätte ihm damals gleich zu Anfang gesagt, wer sie war.

„Das klingt ja sehr konspirativ“, sagte er schließlich. „Willst du mir nicht verraten, worum es geht?“

„Doch, aber erst, wenn ich dir gegenüberstehe.“

„Ganz schön dreist, Prinzessin.“ Irritiert winkte er seine neue Asisstentin Alice hinaus, die gerade in sein Büro geplatzt war. „Also gut, dann schicke ich dir für sieben Uhr eine Limousine.“

„Das geht nicht“, widersprach Leila sofort.

„Wie bitte?“

„Meine Leibwächter würden niemals zulassen, dass ich mich in einen fremden Wagen setze. Wir müssen uns heimlich treffen. Bist du heute Nacht zu Hause? So gegen zwei Uhr?“

„Zwei Uhr nachts?“ Gabe war fassungslos. „Bist du jetzt völlig verrückt geworden? Hast du mal daran gedacht, dass Normalsterbliche am Morgen aufstehen müssen, um zu arbeiten?“

„Ich kann aber nur im Schutz der Dunkelheit unerkannt verschwinden“, rechtfertigte sie sich. „Am besten schickst du mir den Wagen um zwei Uhr zum Granchester. Ach, noch was: Du bist doch allein, oder?“

„Ja, ich werde allein sein“, antwortete Gabe kühl, gab ihr noch die Adresse und legte auf.

Verletzt legte auch Leila den Hörer auf. Behandelte Gabe alle Frauen so rüde, mit denen er geschlafen hatte? Wie würde er erst reagieren, wenn er den Grund ihres Besuchs erfuhr?

Ihrem Gefolge teilte sie mit, sie sei erschöpft, wolle früh schlafen gehen und benötige ihre Dienste erst wieder am nächsten Morgen. Dann rief sie Sara an, deren Angebot, bei ihr zu wohnen, Leila wohlweislich abgelehnt hatte.

„Leila! Wo steckst du denn? Wann sehen wir uns?“, rief Sara erfreut, als sie die Stimme ihrer Freundin hörte.

„Hast du morgen Zeit? Aber vorher muss ich dich um einen Gefallen bitten, Sara.“

„Okay. Schieß los!“

„Falls mein Bruder bei dir anruft und fragt, ob wir uns gut amüsieren, sagst du ihm dann bitte, wir hätten einen Riesenspaß?“

„Ich glaube kaum, dass Murat bei mir anruft“, antwortete Sara trocken. „Was ist eigentlich los, Leila? Geht es um einen Mann?“

„Wie hast du das denn so schnell erraten?“

„Ich kenne das schon von meinen anderen Freundinnen. Wer ist es denn, Leila? Kenne ich ihn?“

Leila zögerte nur einen Moment. Sie wusste, dass sie Sara vertrauen konnte. „Ja, du hast mal für ihn gearbeitet. Und er war auf deiner Hochzeitsfeier.“

Sara schien es die Sprache verschlagen zu haben. „Du sprichst doch hoffentlich nicht von Gabe Steel, oder?“, fragte sie schließlich besorgt.

„Doch.“ Saras Reaktion verunsicherte sie. „Wieso? Was hast du denn gegen ihn?“

„Gar nichts. Aber fast jede Frau in London war schon mal in ihn verknallt. Er ist ein notorischer Herzensbrecher, Leila. Ich kann dir nur raten, die Finger von ihm zu lassen.“

Zu spät, dachte Leila. „Das kann ich nicht, Sara. Tust du mir nun den Gefallen, um den ich dich gebeten habe?“

Sara seufzte. „Also gut. Aber versprich mir, auf dich aufzu­passen!“

Auch dazu war es zu spät. „Versprochen“, sagte sie betont fröhlich und legte auf, bevor Sara weitere Fragen stellen konnte.

Sie hatte ihrem Gefolge erlaubt, sich das Essen auf die Zimmer zu bestellen, und hörte, wie die Speisewagen den Flur entlangratterten. Sehr gut. Hoffentlich hatten alle so viel bestellt, dass sie bald müde wurden und fest einschliefen.

Um zehn Uhr sah eine Dienerin kurz nach ihr. Damit hatte Leila gerechnet, sich bereits ins Bett gelegt und tat nun so, als würde sie tief schlafen. Offensichtlich beruhigt schlich das Mädchen wieder hinaus.

Nun hieß es für Leila, sich die nächsten Stunden wach zu halten. Es fiel ihr leicht, denn sie war viel zu aufgeregt zum Schlafen. Kurz vor zwei Uhr zog sie sich an, hüllte sich in ihren Trenchcoat und öffnete die Zimmertür. Keine Menschenseele weit und breit. Schnell huschte sie zum Fahrstuhl, fuhr hinunter zum Foyer und verließ ungesehen das Hotel. Gabes Wagen wartete bereits.

Auf menschenleeren Straßen ging die Fahrt quer durch London, bis die Limousine vor einem gläsernen Turm an der Themse anhielt.

Gabe wartete draußen. Im fahlen Licht des Mondes wirkten seine Gesichtszüge ernst und angespannt. Er trug verblichene Jeans und einen eng anliegenden Pulli, unter dem sich sein eindrucksvoller Oberkörper nur allzu gut erahnen ließ. Als er jetzt den Wagenschlag öffnete, musterte er Leila so frostig, dass ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Wie sollte sie das Gespräch mit Gabe heil überstehen? Am liebsten hätte sie den Chauffeur angewiesen, sie sofort zurück ins Hotel zu bringen. Doch die Blöße wollte sie sich dann doch nicht geben. Auf unsicheren Beinen stieg sie aus.

„Hallo, Leila.“ Sein Tonfall klang fast freundlich, doch seine Augen glitzerten abweisend. „Komm rein!“

Lautlos öffnete sich die Glastür, und Leila betrat mit Gabe eine riesige Eingangshalle, die mit den vielen imposanten Pflanzen eher an einen Dschungel erinnerte. Der Portier blickte erstaunt auf, als er Gabe in Begleitung sah. Oder hatte sie sich das nur eingebildet?

Gabes distanzierte Haltung, als sie im gläsernen Lift nach oben fuhren, bildete sie sich jedoch leider nicht ein. Irgendwie reizte sie das aber auch. Immer wieder ließ sie unauffällig den Blick über den unwiderstehlich attraktiven Mann gleiten. Sie konnte einfach nicht anders. Die erotischen Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich, wohingegen sie Gabe ganz offensichtlich völlig kaltließ. Ihr wurde heiß, denn sie erinnerte sich gerade daran, wie er ihre Taille umfasst hatte, während er sich tief in ihrem Innern so unglaublich erregend bewegt hatte. Dann war er gekommen …

Der Lift hielt an, die Tür glitt auf und Leila stieg aus. Der Anblick, der sich ihr bot, raubte ihr den Atem. Durch die rahmenlose Fensterfront schaute man direkt hinaus auf die Stadt mit ihren glänzenden Hochhäusern, über denen die Sterne funkelten. Der Boden des großen Zimmers war auf Hochglanz poliert. Die Einrichtung wirkte elegant-minimalistisch. Der Kontrast zu dem altehrwürdigen Palast, in dem sie aufgewachsen war, hätte größer nicht sein können. Leila hatte das Gefühl, eine neue, fremde Welt zu betreten.

Fasziniert blickte sie hinaus, entdeckte die beleuchtete Kuppel von St. Paul’s Cathedral, die im Mondschein glitzernde Themse, das berühmte Shard-Gebäude und London Eye, das Riesenrad. Seit Jahren hatte sie davon geträumt, einmal in einer der Gondeln zu sitzen. Und nun stand sie hier und konnte die fantastische Aussicht nicht genießen, weil sie Angst vor dem Gespräch mit Gabe hatte.

„Möchtest du was trinken?“, fragte Gabe.

Einen Moment lang stellte sie sich vor, sie wären ein verliebtes Pärchen, Gabe würde ihr ein Glas Champagner reichen und es ihr nach dem ersten Schluck wieder abnehmen, um sie leidenschaftlich zu küssen. Doch darauf konnte sie wohl lange warten. Gabe machte sich ja überhaupt nichts aus ihr.

„Nein, vielen Dank, ich möchte nichts trinken.“

„Dann setz dich doch wenigstens.“ Gabe zeigte auf ein Sofa.

Also ließ Leila sich auf dem Ledersofa nieder, das bequemer war, als es aussah. „Okay, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Du wirst so oder so schockiert sein: Ich glaube, ich bin schwanger.“

Gabe brach der kalte Angstschweiß aus. Gleichzeitig wurde er wütend, weil ihm etwas passiert war, das sich seiner Kontrolle entzog. Hatte er sich nicht vor langer Zeit geschworen, dass er das nie wieder zulassen würde?

So schockiert, wie Leila annahm, war er allerdings nicht, denn er hatte bereits vermutet, dass so etwas kommen würde. Aus welchem anderen Grund hätte die Prinzessin die weite Reise nach London unternommen und darauf bestanden, ihn zu treffen? Sie hatte es wohl kaum nötig, einem Mann nachzurennen. Schon gar nicht, wenn der Mann unmissverständlich demonstriert hatte, dass sie für ihn gestorben war.

Das Leben hatte Gabe gelehrt, seine wahren Gefühle und Gedanken zu verbergen. So war ihm auch jetzt keine Regung anzusehen. Jahrelang hatte er gebraucht, sich diese ausdruckslose Miene anzutrainieren. Jetzt war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, die Maske abzulegen. Forschend betrachtete er Leilas schönes Gesicht, auf dem sich Spuren von Kummer und Schlaflosigkeit zeigten. Dann rief er sich ins Gedächtnis zurück, was er gerade gehört hatte, und schöpfte neue Hoffnung.

„Du glaubst, schwanger zu sein?“

Leila nickte. „Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Ich musste mich übergeben, und meine …“

Sie verstummte, weil es ihr peinlich war, darüber zu reden. Gabe nahm darauf keine Rücksicht. Warum sollte er? Diese Frau hatte sich Zugang zu seiner Hotelsuite verschafft und ihn verführt, ohne ihm ihre wahre Identität zu verraten. Okay, sie war noch Jungfrau gewesen, doch verhalten hatte sie sich wie eine selbstbewusste Frau, die sich nahm, was sie begehrte, ohne Rücksicht auf Verluste. Plötzlich spielte sie ihm das schüchterne, sensible Mädchen vor? Darauf fiel er nun wirklich nicht herein! Diese Frau war dabei, sein geordnetes Leben auf den Kopf zu stellen. Heiße Wut packte ihn. „Sprich ruhig weiter, Leila. Deine was?“

„Meine Regel ist ausgeblieben“, stieß sie hervor und senkte verlegen den Blick.

„Du hast aber keinen Schwangerschaftstest gemacht?“

Autor

Jane Porter
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