Julia Extra Band 460

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AUF DER JACHT DES ITALIENISCHEN MILLIARDÄRS von CATHY WILLIAMS
Gefangen im Paradies? Katy ist schockiert, als ihr sexy Boss Lucas Cipriani sie auf seine Luxusjacht vor der Küste Italiens entführt. Er hält sie für eine Betrügerin, die seine Firma ruinieren will! Trotzdem prickelt es zwischen ihnen immer erregender, immer unwiderstehlicher …

NUR DIESE NACHT IST NICHT GENUG von CAROL MARINELLI
Als Tycoon Nikolai der bildschönen Balletttänzerin Rachel begegnet, gerät er sofort in ihren sinnlichen Bann. Eine Nacht ist nicht genug, um das Verlangen zu stillen, das sie in ihm weckt. Doch für mehr als eine kurze Affäre muss er erst die Schatten der Vergangenheit besiegen!

SÜßE ÜBERRASCHUNG FÜR DEN PLAYBOY von LOUISE FULLER
Milliardär Ramsay Walker liegen die Frauen zu Füßen. Bloß die hübsche Nola hat seinem Charme bislang widerstanden - was ihn erst recht reizt, sie zu verführen! Natürlich nur ein einziges Mal; seine Freiheit geht ihm über alles. Bis er die süßen Folgen ihres Liebesspiels entdeckt …

TRAUMHOCHZEIT FÜR SADIE von ALLY BLAKE
Verzweifelt flieht Sadie vor der Pflichtheirat mit Prinz Hugo - direkt in die Arme eines aufregenden Fremden, in den sie sich leidenschaftlich verliebt. Da erfährt sie, wer er ist: Will Darcy, ausgerechnet der lang verschollene, ehemalige Schulfreund des Prinzen! Was jetzt?


  • Erscheinungstag 08.01.2019
  • Bandnummer 0460
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712808
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathy Williams, Carol Marinelli, Louise Fuller, Ally Blake

JULIA EXTRA BAND 460

CATHY WILLIAMS

Auf der Jacht des italienischen Milliardärs

Lucas Cipriani entführt Katy nur aus einem Grund auf seine Luxusjacht: damit sie keine Insiderinfos über sein Unternehmen verrät! Trotzdem kann er nicht widerstehen, sie zu verführen …

CAROL MARINELLI

Nur diese Nacht ist nicht genug

Eine leidenschaftliche Nacht mit Nikolai weckt nie gekannte Sehnsucht nach Liebe in Ex-Tänzerin Rachel. Aber dafür müsste sie ihm ihr schmerzlichstes Geheimnis anvertrauen. Nichts fürchtet sie mehr …

LOUISE FULLER

Süße Überraschung für den Playboy

Nola gibt bloß der Anziehungskraft ihres arroganten Chefs Ramsay Walker nach, weil sie glaubt, ihn nie wiederzusehen. Doch dann entdeckt Ramsay die Folgen ihrer Liebesnacht. Und verlangt Unmögliches …

ALLY BLAKE

Traumhochzeit für Sadie

Eine junge Frau im Hochzeitskleid läuft Will Darcy fast vors Auto. Hat sie ihren Zukünftigen etwa gerade vor dem Altar stehen lassen? Auch wenn Sadie sein Herz höherschlagen lässt, ist sie tabu, oder?

1. KAPITEL

„Mr. Cipriani empfängt Sie jetzt.“

Katy Brennan betrachtete die Frau mittleren Alters, die sie im Foyer der Zentrale von Cipriani abgeholt und in die Vorstandsetage gebracht hatte, wo sie mehr als zwanzig Minuten gewartet hatte. Sie war nervös, denn man hatte sie von ihrem Büro in Shoreditch, wo sie als IT-Spezialistin in einem Viererteam arbeitete, herzitiert. Der Firmenchef und Halbgott Lucas Cipriani wünschte sie zu sehen, vermutlich wegen des umfassenden Projekts, an dem sie gerade arbeitete.

Katy stand auf. Da man sie nicht vorgewarnt hatte, trug sie wie immer nur T-Shirt und Jeans, darüber eine dünne Bomberjacke sowie ihren Rucksack. Es war das perfekte Outfit für das kühle Frühlingswetter, aber völlig unpassend in diesem hochmodernen achtstöckigen Glasgebäude.

Sie blickte weder nach links noch nach rechts, als sie seiner Assistentin den Flur entlang folgte, vorbei an den Büros der Vorstandsmitglieder und den Sitzungsräumen, in denen Geschäfte in Millionenhöhe abgeschlossen wurden. Hinter einem Sitzbereich am Ende befand sich eine Holztür, bei dessen Anblick jeder schaudern musste, der vom Firmenchef hierherzitiert wurde – einem Mann, dessen Geschäftssinn legendär war.

Katy atmete tief durch und trat einen Schritt zurück, während seine Assistentin die Tür öffnete.

Starr blickte Lucas Cipriani durch die Glasfront nach draußen. Diese Besprechung war wirklich das Letzte, womit er den Tag beginnen wollte. Doch es ließ sich nicht vermeiden. Durch mangelnde Sicherheitsmaßnahmen war der Abschluss gefährdet, auf den er seit acht Monaten hinarbeitete.

Dies war das Geschäft seines Lebens, und er würde es auf keinen Fall aufs Spiel setzen.

Als seine Assistentin klopfte und hereinkam, wandte Lucas sich langsam um. Er hatte die Hände in die Hosentasche gesteckt und betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die Frau, die er gleich feuern würde. Dabei ging ihm durch den Sinn, dass er sich besser über seine Mitarbeiter informieren musste.

Sie sah nämlich nicht wie ein Nerd, sondern eher wie ein Hippie aus. Sie trug verwaschene Jeans und ein T-Shirt mit dem Namen einer Band, von der er noch nie gehört hatte, dazu schwarze Boots und über der Schulter einen Rucksack, in den sie offenbar ihre Jacke gestopft hatte. Ihr Outfit mutete ausgesprochen maskulin an. Aber sie hatte schimmerndes kupferfarbenes Haar, für das Künstler Schlange gestanden hätten, und ein elfenhaftes Gesicht mit großen grünen Augen.

„Miss Brennan!“ Lucas ging zu seinem Schreibtisch, während seine Assistentin Vicky die schwere Tür hinter sich schloss. „Bitte, setzen Sie sich!“

Beim Klang der tiefen, samtenen Stimme wurde Katy bewusst, dass sie den Atem angehalten hatte. Eben noch hatte sie geglaubt, sie wüsste, was sie erwartete, denn sie hatte Fotos von ihrem Boss in den Firmenzeitschriften gesehen, die gelegentlich auf ihrem Schreibtisch landeten – von Lucas Cipriani, der wie ein Gott auf dem Olymp an der Spitze des Vorstands stand.

Das waren Leute, deren Namen auf Briefköpfen erschienen und mit denen man gelegentlich telefonierte, die allerdings niemals in Erscheinung traten – jedenfalls nicht im weit entfernten Shoreditch.

Damit hatte sie jedoch nicht gerechnet. Lucas Cipriani war, einfach ausgedrückt, schön. Es waren nicht nur seine perfekten Züge, seine bronzen schimmernde Haut oder seine ausgesprochen maskuline Statur. Er besaß ein Charisma und war von einer Aura der Macht umgeben, die einem den Atem stocken ließen und es unmöglich machten, einen klaren Gedanken zu fassen.

Vage erinnerte sie sich, dass er sie aufgefordert hatte, sich zu setzen. Daher ging sie zu dem großen Ledersessel vor seinem Schreibtisch und sank erleichtert darauf.

„Sie arbeiten an dem Abschluss mit den Chinesen“, sagte er ohne Umschweife.

„Ja.“ Ihre Stimme bebte, denn seine gefährliche Sinnlichkeit, die sie ebenfalls überraschte, beunruhigte sie. „Ich arbeite an der rechtlichen Seite, indem ich alle Einzelheiten einem Programm zuordne, das sofortigen Zugang gewährleisten wird. Ich hoffe, es gibt kein Problem, zumal ich im Zeitplan voraus bin. Es ist eines der aufregendsten Projekte, an denen ich je beteiligt war. Kompliziert, aber sehr interessant.“

Katy räusperte sich und riskierte ein Lächeln, was Lucas Cipriani allerdings mit eisigem Schweigen quittierte. Sofort wurde sie noch nervöser. Seine atemberaubenden, von dichten, langen Wimpern gesäumten dunklen Augen verunsicherten sie, und sie war ohnehin nicht besonders selbstbewusst.

Nun setzte er sich an seinen ausladenden Schreibtisch aus Chrom und Glas, auf dem ein Computer mit einem riesigen Monitor, eine Metalllampe sowie ein Designobjekt mit Weltzeituhren standen. So konnte er sehen, wie spät es in den Großstädten war, in denen er Niederlassungen hatte.

Den Blick gesenkt, drehte er den Bildschirm zu ihr. „Erkennen Sie diesen Mann?“

Katy spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, als sie Duncan Powell betrachtete, in den sie sich vor drei Jahren verliebt hatte. Mit Anfang zwanzig und unerfahren, war sie seinem blonden Haar, den blauen Augen und seinem jungenhaften Charme verfallen. Das hatte sie nicht erwartet. Nicht in einer Million Jahren. Völlig durcheinander, verlegen und höchst alarmiert, blickte sie Lucas bestürzt an.

„Das verstehe ich nicht …“

„Sie sollen auch nichts verstehen. Ich frage Sie, ob Sie diesen Mann kennen.“

„J… ja“, erwiderte sie stockend. „Ich … kannte ihn vor ein paar Jahren …“

„Und es scheint so, als hätten Sie gewisse Sicherheitssysteme umgangen und herausgefunden, dass er inzwischen bei dem chinesischen Unternehmen arbeitet, mit dem ich bald einen Vertrag abschließe. Richtig? Nein, antworten Sie nicht darauf. Ich habe entsprechende Nachrichten auf meinem Computer bekommen.“

Benommen erinnerte Katy sich an ihre katastrophale Beziehung mit Duncan. Sie hatte ihn kurz nach ihrer Rückkehr in das Haus ihrer Eltern in Yorkshire kennengelernt. Einerseits hatte sie dort bleiben wollen, andererseits hätte sie gern in London gewohnt, wo das Leben tobte und die Jobaussichten viel besser waren. So hatte sie einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag als Assistenzlehrerin in einer Schule im Ort unterschrieben, um Zeit zum Nachdenken zu haben und sich einen Plan zurechtzulegen.

Duncan arbeitete in einer Bank in der Hauptstraße, einen Steinwurf von der Grundschule entfernt. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Sie mochte eigenwillige Typen, er hingegen war angepasst und immer schick angezogen. Er nahm sie förmlich ins Visier, und bevor sie sich darüber im Klaren war, ob sie ihn mochte oder nicht, trafen sie sich regelmäßig.

Duncan war ebenso hartnäckig wie witzig, und Katy hatte schon mit dem Gedanken gespielt, in Yorkshire zu bleiben, als das Ganze in die Brüche ging. Sie fand nämlich heraus, dass der Mann, der ihr das Herz gestohlen hatte, sie die ganze Zeit belogen hatte. Man hatte ihn für nur ein Jahr in ihren Heimatort versetzt, was er ihr genauso verschwiegen hatte wie die Tatsache, dass er verheiratet war, Zwillingstöchter hatte und eigentlich in Milton Keynes wohnte.

Sobald sie die Wahrheit über ihn erfuhr, zog er sich zerknirscht zurück – vermutlich weil sie sich geweigert hatte, mit ihm zu schlafen. Er hatte in diesem Jahr nur seinen Spaß haben wollen.

„Das verstehe ich nicht“, wandte Katy sich an Lucas. „Duncan arbeitet also für das chinesische Unternehmen. Ich habe nicht gerade nach diesen Informationen gesucht.“ Allerdings hatte sie aus reiner Neugier recherchiert, nachdem sie auf ihn gestoßen war, um zu sehen, ob es derselbe widerliche Typ war. Nur wenige Klicks hatten ihren Verdacht bestätigt.

Lucas beugte sich bedrohlich vor. „Kann schon sein. Aber es bringt einige Probleme mit sich.“

Kühl und präzise erläuterte er ihr diese Probleme, und zunehmend alarmiert hörte sie zu. Ein geheimes Geschäft … ein in Traditionen verhaftetes Familienunternehmen … ein schwankender Aktienkurs, der davon abhing, dass nichts durchsickerte und ihre Beziehung zu Duncan in dieser kritischen Verhandlungsphase nicht bekannt wurde.

Katy war brillant auf ihrem Fachgebiet, hatte allerdings keine Ahnung von der Hochfinanz. Geld war ihr nie wichtig gewesen. Ihre Eltern hatten ihr von klein auf vermittelt, die Dinge zu schätzen, die man mit Geld nicht kaufen konnte. Ihr Vater war Pfarrer, und beide stellten die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen. Wer wie viel verdiente oder wie viel Geld jemand besaß, spielte für sie keine Rolle. Sie war mit anderen Werten aufgewachsen.

„Das alles interessiert mich nicht“, sagte sie unsicher, als Lucas bei der Auflistung ihrer Verfehlungen eine kurze Pause machte. Sie hatte das ungute Gefühl, dass er sie wie ein Raubtier in die Enge trieb.

Würde er sie feuern? Sie würde es nicht überleben, denn es war das Schlimmste, was er tun konnte.

„Ob Sie sich für ein Geschäft interessieren, das Sie nicht betrifft, ist unwichtig. Egal, ob durch Vorsatz oder Inkompetenz, Sie sind im Besitz von Informationen, die fast eineinhalb Jahre intensiver Verhandlungen zunichtemachen könnten.“

„Zuerst mal tut mir sehr leid, was passiert ist. Es ist ein sehr umfangreiches Projekt, und falls ich zufällig auf Informationen gestoßen bin, die nicht für mich bestimmt sind, entschuldige ich mich. Ihr Abschluss interessiert mich nicht im Geringsten, Mr. Cipriani. Sie haben mir einen Auftrag erteilt, und den habe ich nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt.“

„Offenbar waren Sie damit überfordert, denn ein Fehler von dem Ausmaß, wie Sie ihn gemacht haben, ist unverzeihlich.“

„Aber das ist nicht fair!“

„Ihre Ausreden interessieren mich nicht, Miss Brennan. Ich muss eine Lösung für das Problem finden, das Sie geschaffen haben.“

Dass er ihre Fähigkeiten infrage stellte, kränkte Katy zutiefst. „Wenn Sie sich ansehen, was ich gemacht habe, Sir, werden Sie feststellen, dass ich hervorragende Arbeit geleistet habe. Vielleicht bin ich auf Informationen gestoßen, die nicht für mich bestimmt waren, aber ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich alles für mich behalten werde.“

„Soll ich Ihnen glauben, weil …?“

„Weil ich Ihnen die Wahrheit sage!“

„Tut mir leid, dass ich Sie auf den Boden der Tatsachen holen muss, Miss Brennan, aber ich glaube nichts unbesehen, einschließlich anderer Leute Versprechen.“ Lucas lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete Katy Brennan.

Mühelos konnte er die Art von tödlicher Gelassenheit an den Tag legen, die selbst gestandene Männer einschüchterte. Ein junges Ding wie dieses hier hätte ein Klacks für ihn sein müssen, doch aus irgendeinem Grund lenkte ihr faszinierendes Äußeres ihn ab. Normalerweise zog er große karrierebewusste Brünette in Designerkostümen und hochhackigen Pumps vor, mit denen er sich auch über berufliche Themen unterhalten konnte. Sie waren Alphaweibchen, und das gefiel ihm.

Er hatte selbst erlebt, welchen Schaden hirnlose Betthäschen reichen Männern zufügen konnten. Sein ebenso lebenslustiger wie liebenswerter Vater hatte zehn glückliche Jahre mit seiner Mutter Annabel verbracht. Nach deren Tod war er noch drei Ehen mit verführerischen, aber nicht besonders intelligenten Blondinen eingegangen. Nachdem diese ihn nach Strich und Faden ausgenommen hatten, grenzte es an ein Wunder, dass von dem Familienvermögen noch etwas übrig war. Viel schlimmer als das war allerdings die Tatsache, dass er sich jedes Mal Hoffnungen gemacht hatte – dass sie für ihn da sein würden wie seine erste Frau. Er hatte sich nach Liebe gesehnt, und diese Schwäche hatte ihn verwundbar gemacht.

Lucas hatte all das mitverfolgt und daraus seine Lektion gelernt: Investiere keine Gefühle, dann wirst du auch nie verletzt. Mit Betthäschen wurde er fertig, auch wenn sie ihn anwiderten. Wenigstens waren sie eine bekannte Größe. Dagegen mied er Frauen, die von ihm verlangten, was er ihnen nicht geben konnte, und bevorzugte solche, die wie er finanziell unabhängig waren und keine Gefühle zuließen.

Wenn man niemanden an sich heranließ, konnte man auch nicht enttäuscht werden. Das ging über die oberflächliche Enttäuschung hinaus, dass irgendeine austauschbare Frau sich mehr für sein Geld interessierte als für ihn. So hatte er sein Herz verschlossen, den Schlüssel weggeworfen und nie daran gezweifelt, dass er das Richtige getan hatte.

Forschend betrachtete Lucas Cipriani Katy. „Haben Sie immer noch Kontakt zu dem Mann?“, fragte er leise.

„Natürlich nicht!“ Katy spürte, wie ihr die Wangen brannten. „Wollen Sie mich feuern, Mr. Cipriani? Falls ja, sollten Sie es einfach tun.“

Ihre Schläfen begannen zu pochen. Natürlich würde er sie hinauswerfen, denn schließlich hatte er sie wie eine Kriminelle hierherschleifen lassen. Keine vierwöchige Kündigungsfrist, keine Abmahnung, und sie würde nicht einmal gegen eine ungerechtfertigte Entlassung vorgehen können. Sie würde ihre Haupteinkommensquelle verlieren und damit irgendwie fertigwerden müssen.

„Leider ist das nicht so einfach …“

„Warum nicht?“, unterbrach sie ihn hitzig. „Offenbar glauben Sie mir kein Wort und ziehen mich mit sofortiger Wirkung von dem Projekt ab. Dass Sie nicht meinen Gruppenleiter Tim damit beauftragt haben, sondern mich hierherzitiert haben, bedeutet, dass Sie mich rauswerfen. Aber erst müssen Sie mir erklären, warum. Stellen Sie mir wenigstens ein Zeugnis aus, Mr. Cipriani? Ich habe die letzten eineinhalb Jahre sehr hart für Ihr Unternehmen gearbeitet und denke, da verdiene ich etwas Anerkennung.“

Anscheinend glaubte sie, er hätte so viel Zeit, dass er sie persönlich zu sich rufen würde, nur um sie zu feuern. Ihre grünen Augen funkelten trotzig, was ihn wieder ablenkte.

„Aus Ihrer Personalakte geht hervor, dass Sie nur zwei Tage die Woche für meine Firma tätig sind. Warum?“

Argwöhnisch kniff sie nun die Augen zusammen. „Wie bitte?“

„Für jemanden in Ihrem Alter ist es ungewöhnlich, in Teilzeit zu arbeiten. Das tun normalerweise nur Frauen mit Schulkindern.“

„Ich … habe noch einen Job“, räumte sie ein. „Ich arbeite an einer der weiterführenden Schulen in meinem Wohnort als IT-Lehrerin.“

Dass sie abwechselnd blass wurde und errötete, faszinierte ihn wider Willen. Die toughen Karrierefrauen, mit denen er normalerweise zusammen war, hatten sich in dieser Hinsicht besser im Griff.

„Er ist wohl schlecht bezahlt“, murmelte er.

„Darum geht es nicht!“

Lucas blickte auf den Monitor und öffnete ihre Personalakte, die er vor dieser Besprechung nur überflogen hatte. Die Liste ihrer Referenzen war beeindruckend lang.

„Also …“ Er lehnte sich zurück und schenkte Katy Brennan seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Für mich arbeiten Sie wegen des Geldes und für die Schule, weil es Spaß macht.“

„Richtig.“

„Der Verlust Ihres Jobs hier würde sich also vermutlich ernsthaft auf Ihre Finanzen auswirken.“

„Ich würde einen anderen Job finden.“

„Sehen Sie sich auf dem Markt um, Miss Brennan. Ordentlich bezahlte Teilzeitarbeit ist dünn gesät. Ich bezahle meine Mitarbeiter sehr gut, weil es das Engagement und die Loyalität fördert. Es dürfte schwierig sein, etwas Gleichwertiges in London zu finden.“

Eigentlich hatte er eine einfache Lösung für dieses unerwartete Problem finden wollen. Nun musste er unbedingt mehr über Katy Brennan erfahren. Als Teilzeitkraft schien sie überdurchschnittlich viel zu leisten, und sowohl ihre Kollegen als auch die Kunden lobten sie über alle Maßen. Sie hatte ihre Unschuld beteuert, und er war nicht so naiv, sie freizusprechen, aber vielleicht sollte er sie weiter zu Wort kommen lassen. Seinem ersten Eindruck nach hatte sie nicht mit Insidergeschäften geflirtet. Andererseits konnte jemand mit einem Teilzeitjob einer solchen unerwarteten Gelegenheit vielleicht nicht widerstehen, und Duncan Powell verkörperte diese unerwartete Gelegenheit.

„Geld bedeutet mir nicht viel, Mr. Cipriani.“ Wie konnte ein Mann, der ganz andere Wertvorstellungen hatte als sie, nur bewirken, dass sie sich so hilflos und verletzlich fühlte? Es fehlt ihr sogar schwer, zusammenhängende Sätze zu formulieren. „Ich habe eine eigene Wohnung, aber wenn ich sie mit anderen teilen müsste, wäre es nicht das Ende der Welt.“

Während er Katy Brennan musterte, ihre vollen Lippen mit dem trotzigen Zug betrachtete, fragte sich Lucas, was hinter der Geschichte mit Powell, einem verheirateten Mann, steckte. Er stellte sein Urteilsvermögen nicht oft infrage, doch in diesem Fall überlegte er, ob sie einfach nur darüber hinweggesehen hatte, dass ihr Liebhaber verheiratet war, weil sie dadurch finanzielle Vorteile hatte.

Vielleicht würde er die Lage sondieren und sehen, was herauskam. Noch konnte er sie nicht entlassen, und es zahlte sich aus, wenn man seine Beute kannte. Auf keinen Fall würde er dieses Geschäft durch Fehleinschätzungen zum Scheitern bringen.

„Sie haben nie mit dem Gedanken gespielt, den Lehrerjob zu kündigen und bei mir in Vollzeit zu arbeiten?“

„Nein.“ Das Schweigen zog sich hin, während Katy verzweifelt herauszufinden versuchte, was sein plötzliches Interesse zu bedeuten hatte. Vor Unbehagen begann sie zu schwitzen. „Meine Eltern haben mich so erzogen, dass materielle Dinge mir nichts bedeuten.“

„Interessant. Einzigartig.“

„Vielleicht in Ihrer Welt, Mr. Cipriani.“

„Geld, Miss Brennan, ist der Motor für alles, und das nicht nur in meiner Welt. Die besten Dinge im Leben gibt es nicht umsonst.“

„Vielleicht nicht für Sie“, sagte Katy missbilligend. Sie wusste, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte. Lucas Cipriani unterzog sie jetzt einem Kreuzverhör, weil er gefühlskalt und arrogant war und weil er es konnte.

„Deshalb glauben Sie mir nicht“, fuhr sie fort. „Deshalb vertrauen Sie mir nicht. Sie vertrauen wahrscheinlich niemandem, was wirklich traurig ist. Ich würde nicht gern durchs Leben gehen wollen, ohne Freund von Feind unterscheiden zu können. Wenn sich alles nur um Geld dreht, verliert man die Dinge aus den Augen, die wirklich wichtig sind.“

Lucas presste die Lippen zusammen, weil Katy Brennan so direkt war. Sie hatte recht, er vertraute niemandem, aber das war auch gut so.

„Lassen Sie mich ganz offen sein, Miss Brennan.“ Er beugte sich vor und betrachtete sie kühl. „Ich habe Sie nicht kommen lassen, um mich mit Ihnen auszutauschen. Mir ist klar, dass Sie wahrscheinlich nervös sind und deshalb übers Ziel hinausschießen. Aber ich schlage vor, dass Sie von Ihrem hohen Ross heruntersteigen und sich Gedanken über Ihre Entscheidungen machen, die Sie in mein Büro gebracht haben.“

Prompt errötete sie wieder. „Ich habe einen Fehler mit Duncan gemacht“, sagte sie leise. „Wir machen alle Fehler.“

„Sie haben mit einem verheirateten Mann geschlafen“, verbesserte er sie. „Also, während Sie sich über mein tragisches, geldorientiertes Leben auslassen, könnten Sie in Erwägung ziehen, dass ich, so gierig und arrogant ich auch sein mag, niemals mit einer verheirateten Frau schlafen würde.“

„Ich …“

Lucas hob die Hand. „Niemand redet so mit mir.“ Er fühlte sich leicht unbehaglich, weil dieser eine Satz zu beweisen schien, dass er tatsächlich arrogant war. Seit wann war er so wichtigtuerisch? Er machte ein finsteres Gesicht. „Dass ich einer Ehebrecherin glaube, ist ein bisschen viel verlangt.“

Fassungslos angesichts seiner Verachtung und seiner unverschämten Vorwürfe stand Katy mit zittrigen Beinen auf. „Wie können Sie es wagen?“, fuhr sie ihn an, doch trotz ihres Zorns empfand sie eine seltsame Verletzlichkeit, als Lucas sie kühl musterte und sie dabei förmlich elektrisierte.

Er zuckte nicht mit der Wimper. „Die Fakten sprechen für sich. Sie wollen mich glauben machen, dass Sie mit dem Mann nichts zu tun haben. Leider spricht Ihre Prinzipienlosigkeit, weil Sie mit ihm zu tun haben, für sich.“

Katy spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie hasste diesen Mann abgrundtief. „Das muss ich mir nicht anhören.“ Natürlich hatte er die falschen Schlüsse gezogen. Vielleicht würde er ihr glauben, wenn sie ihm erzählte, dass sie die Beziehung sofort beendet hatte, nachdem sie von seiner Frau und seinen Kindern erfahren hatte. Allerdings bestimmt nicht, dass sie nicht mit Duncan geschlafen hatte.

Und das würde zu einem ganz anderen Thema führen, über das sie auf keinen Fall reden wollte. Sie mochte nicht einmal daran denken, dass sie noch Jungfrau war. Mit Sex hatte sie es noch nie eilig gehabt. Ihre Eltern hatten ihr ihre Wertvorstellungen nicht aufgezwungen. Aber ihre ständigen Ratschläge und die seelsorgerische Tätigkeit ihres Vaters, der auch zahlreiche ungewollt schwangere und von ihren Partnern verlassene junge Frauen betreut hatte, hatten ihr vor Augen geführt, dass man vorsichtig sein musste, wenn es um die Liebe ging.

Außerdem hatte sie sich auch nie sonderlich für Jungen und Männer interessiert, bis Duncan aufgetaucht war und sie mit seinem Charme und seiner Beharrlichkeit eingewickelt hatte. In einer Phase, in der sie sich über ihre Zukunft nicht im Klaren gewesen war, hatte er zuerst ihr Herz gestohlen und es ihr dann gebrochen.

Einerseits hoffte sie, eines Tages den Richtigen zu finden, andererseits rechnete sie damit, dass es möglicherweise nie der Fall sein würde, weil sie einfach nicht mit Männern und deren Wünschen harmonierte. Sie wollten vor allem Sex. Um den Prinzen zu finden, musste man mit Hunderten von Fröschen schlafen, und das würde sie auf keinen Fall tun. Die Vorstellung, dass sie fast mit einem Frosch geschlafen hätte, war schon schlimm genug.

Vermutlich würde Lucas Cipriani sie verhöhnen, wenn er ihre Geschichte hörte.

Katy hob das Kinn und erwiderte seinen Blick genauso kühl. „Ich rechne damit, dass Sie mich jetzt feuern und die Personalabteilung sich mit mir in Verbindung setzt. Also kann ich gehen, und Sie können mich nicht davon abhalten. Sie müssen einfach darauf vertrauen, dass ich nichts über Ihr Geschäft verlauten lasse.“

2. KAPITEL

Sie kam nicht weit.

„Wenn Sie dieses Büro verlassen, Miss Brennan, werde ich gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten, weil Sie Insiderinformationen benutzt haben könnten, um meine geschäftlichen Transaktionen zu torpedieren.“

Katy blieb stehen und wandte sich langsam um. Sein Blick verriet lediglich schwaches Interesse, und seine absolute Ruhe verriet, dass Lucas Cipriani keinen Witz auf ihre Kosten machte.

Sie hatte viel Ahnung von Computern. Sie konnte die kompliziertesten Programme schreiben und selbst die kniffligsten Probleme lösen. Deswegen war seine Firma auch über einen Headhunter an sie herangetreten, und deswegen war man ihr auch mit einem Teilzeitjob entgegengekommen. Sie hatte sich in der IT-Branche einen Namen gemacht.

Mit Gesetzen kannte sie sich allerdings überhaupt nicht aus. Sie wusste nicht, wovon Lucas Cipriani redete, doch er drohte ihr offensichtlich.

Er beobachtete, wie Katy Brennan errötete. Ihre Haut war makellos, und trotz ihres roten Haars hatte sie keine Sommersprossen. Sie war außergewöhnlich hübsch und schien sich dessen überhaupt nicht bewusst zu sein. Da er ein Zyniker war, sagte er sich jedoch, dass sie wohl kaum ein Mauerblümchen war. Schließlich hatte sie eine Affäre mit einem Familienvater gehabt. Glaubte sie vielleicht, sie würde ungeschoren davonkommen, wenn sie ihn aus ihren großen smaragdgrünen Augen ansah?

Falls ja, wusste sie nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Schon als Jugendlicher hatte er einen Blick für Frauen entwickelt, die meinten, sie könnten mit ihrem Aussehen alles erreichen. Schließlich hatte er miterlebt, wie sie seinem Vater schadeten.

„Natürlich …“ Lucas zuckte die Schultern. „… würde mein Geschäft platzen, aber haben Sie eine Ahnung, wie viel Schaden Sie sich dabei selbst zufügen würden? Ein Gerichtsverfahren zieht sich in die Länge. Natürlich würden Sie nicht mehr für mich arbeiten und somit auch nichts mehr verdienen. Und dann wären da Ihre Gerichtskosten.“

Ihre Miene verriet Entsetzen, und er stellte fest, dass es ihm Spaß machte.

„Das ist … lächerlich“, sagte Katy stockend. „Ich habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Duncan. Seit wir uns getrennt haben. Außerdem habe ich mit niemandem über den Abschluss gesprochen.“

„Darauf habe ich nur Ihr Wort. Wie ich bereits sagte, festzustellen, ob Sie die Wahrheit sagen oder nicht, dauert, und bis dahin werden Sie nichts verdienen und müssen Ihren Ruf gegen meine Rechtsabteilung verteidigen.“

„Ich habe noch einen Job.“

„Wir haben bereits festgestellt, dass Sie damit nicht Ihre Miete bezahlen können. Und wer weiß, ob eine Schule weiterhin jemanden beschäftigen würde, der vielleicht kriminell ist?“

Das Blut stieg ihr ins Gesicht. Lucas drängte sie nach und nach in die Ecke. „Was soll ich tun?“

Er stand auf und ging auf die Glasfront zu, bevor er sich wieder zu ihr umdrehte und sie nachdenklich betrachtete. „Ich habe Ihnen gesagt, dass die Situation nicht einfach ist, Miss Brennan. Ich kann Sie nicht einfach rauswerfen und riskieren, dass Sie vertrauliche Informationen weitergeben.“

Nun begann er, auf und ab zu gehen. Während Katy ihn beobachtete, ertappte sie sich erneut bei dem Gedanken, wie schön er war – ungewöhnlich groß, schlank und durchtrainiert, und trotz des teuren Maßanzugs strahlte er eine ungezügelte Männlichkeit aus.

Katy musste sich zwingen, sich auf seine Worte zu konzentrieren und die Stirn zu runzeln, um sich nicht lächerlich zu machen. Sie mochte ihn nicht, aber wirkte er so auf alle Frauen, denen er begegnete? Dann fragte sie sich, mit welchen Frauen er überhaupt zu tun hatte, riss sich jedoch zusammen. Schließlich ging es hier um ihre Zukunft.

„Das Geschäft steht kurz vor dem Abschluss und sollte in spätestens vierzehn Tagen über die Bühne gehen. Also, sagen wir, ich glaube Ihnen, wenn Sie mir versichern, dass Sie nicht mit Ihrem Freund getratscht haben.“

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich schon seit Jahren nicht mehr mit Duncan gesprochen habe. Und zu Ihrer Information – wir haben uns getrennt, weil ich herausgefunden habe, dass er verheiratet ist. Ich würde niemals mit einem verheirateten Typen ausgehen!“

„Das interessiert mich nicht“, fiel Lucas ihr ins Wort. „Mich interessiert nur, wie die Situation zu meiner Zufriedenheit gelöst wird. Von mir aus können Sie Ihre gesamte Freizeit damit verbringen, mit verheirateten Männern ins Bett zu gehen.“

Katy wollte etwas entgegnen, überlegte es sich dann allerdings anders, weil es keinen Sinn hatte, sich zu verteidigen.

„Sie dürfen auf keinen Fall irgendwelche heiklen Informationen preisgeben, und das geht nur, wenn Sie keinen Kontakt zur Außenwelt haben – und zwar für die nächsten zwei Wochen, bis mein Geschäft unter Dach und Fach ist.“

„Tut mir leid, Mister Cipriani, aber ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Was genau verstehen Sie nicht, Miss Brennan?“

„Das mit den zwei Wochen. Wovon reden Sie?“

„Das ist doch wohl klar. Sie werden in den nächsten zwei Wochen mit niemandem reden, bis ich alle Unterschriften habe. Dann können Sie an Ihren Schreibtisch in Shoreditch zurückkehren oder auch nicht, und wir können diese unerfreuliche Geschichte beide vergessen. Mit keinem Kontakt zur Außenwelt meine ich: kein Mobiltelefon und kein Computer. Sie werden unter Beobachtung stehen, bis Sie keine Gefahr mehr für mich darstellen.“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein!“

„Sehe ich etwa aus, als würde ich ein Comedy-Programm machen?“

Nein, das tat er nicht. Er wirkte genauso humorvoll wie ein Henker. Und er war direkt vor ihr stehen geblieben und blickte auf sie herab. Im Geiste fügte sie die Bezeichnung Tyrann zu allen anderen hinzu, die sie ihm gegeben hatte.

„Unter Beobachtung? Was soll das heißen? Sie können mich doch nicht einfach für mehrere Wochen … kidnappen, weil Sie ein Geschäft abschließen müssen! Das ist ein Verbrechen!“

„Rebellische Worte, Miss Brennan!“ Lucas Cipriani beugte sich zu ihr herunter und stützte dabei die Hände auf ihren Stuhl, sodass sie gefangen war. Er hatte eine derart starke Persönlichkeit, dass es ihr den Atem nahm. „Ich werde Sie nicht kidnappen. Im Gegenteil. Sie können das Gebäude verlassen, aber falls Sie es tun, kennen Sie die Konsequenzen. Selbst wenn Sie sich nur von einem Anwalt beraten lassen sollten, werden Sie sich das Honorar bestimmt nicht leisten können. Ganz zu schweigen davon, dass Sie nach einem Gerichtsverfahren keinen Job mehr finden würden. Ich bin ein sehr einflussreicher Mann. Bitte, tun Sie uns beide einen Gefallen, indem Sie mich nicht verärgern.“

Katy kniff die Augen zusammen. „Sie sind ein arroganter Tyrann, Mr. Cipriani!“

Seine Augen funkelten, und für einen beängstigenden Moment wurde ihr Zorn von schockierenden Empfindungen überlagert.

Er ließ den Blick zu ihren Lippen schweifen und wurde für eine Sekunde von dem verrückten Drang übermannt, seine darauf zu pressen. Schnell richtete er sich auf, ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich auf seinen Sessel.

„Anscheinend kommen Sie jetzt zur Vernunft“, bemerkte er ironisch.

„Das ist unsittlich“, murmelte sie, während sie ihn feindselig anfunkelte.

„Es ist allenfalls ungewöhnlich, aber ich war auch noch nie in der Situation, dass ich die Loyalität eines Mitarbeiters infrage stellen musste. Ich zahle weit mehr als das Übliche, und normalerweise funktioniert das. Dies alles ist ganz neu für mich, Miss Brennan.“

„Ich kann nicht einfach für zwei Wochen unter Beobachtung bleiben. Schließlich bin ich kein Käfer in einem Marmeladenglas! Außerdem habe ich Verpflichtungen in der Schule!“

„Das lässt sich mit einem einfachen Anruf regeln. Wenn Sie wollen, übernehme ich das. Sie müssen die Schule nur informieren, dass Sie in den nächsten vierzehn Tagen aus persönlichen Gründen nicht kommen können. Dasselbe gilt für Verwandte, Freunde und irgendwelche Haustiere, die betreut werden müssen.“

„Ich glaube das alles nicht. Wie soll das funktionieren?“

„Ganz einfach.“ Lucas beugte sich vor. „Sie werden für zwei Wochen ohne Ihr Telefon oder Ihren Laptop irgendwo untergebracht. Sie können es als netten Urlaub betrachten, in dem Sie nicht gestört werden.“

„Netter Urlaub?“ Ihre Fantasie ging mit ihr durch, und alle möglichen Szenarien spulten sich in ihrem Kopf ab.

Immerhin besaß er den Anstand, etwas verlegen zu werden, bevor er die Schultern zuckte. „Ich versichere Ihnen, dass die Unterkunft hervorragend sein wird. Sie müssen nur Kleidung mitbringen. Ich erlaube Ihnen, in Ihr Haus oder Ihre Wohnung zurückzukehren, damit Sie packen können.“

„Und wo wollen Sie mich unterbringen? Das alles ist völlig verrückt.“

„Das steht noch nicht fest. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Sie brauchen jedenfalls keine Wintersachen einzupacken.“ Tatsächlich hatte er sich darüber noch keine großen Gedanken gemacht. Eigentlich hatte er vorgehabt, jemanden als Babysitter abzustellen. Jetzt allerdings erschien ihm die Aussicht, selbst auf Katy aufzupassen, ganz reizvoll.

Warum sollte er einen Jungen schicken, der die Aufgabe eines Mannes erledigte? Katy war frech, streitlustig, dickköpfig, kurzum, völlig unberechenbar, und sicher würde keiner seiner Männer mit ihr umgehen können. Außerdem war sie gefährlich attraktiv und hatte kein Problem damit, sich mit einem verheirateten Typen zu amüsieren. Zwar hatte sie etwas anderes behauptet, doch ihre Unschuld war nicht erwiesen.

Gefährlich attraktiv, rebellisch und ohne moralische Werte – das musste zwangsläufig in einer Katastrophe enden. Nachdenklich betrachtete Lucas sie. Ihm fiel niemand ein, der dieser Situation gewachsen wäre. Er hatte für eine Woche oder länger verschwinden wollen, um die Einzelheiten des Abschlusses auszuarbeiten, ohne ständig unterbrochen zu werden, was inzwischen umso dringlicher war. Also konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, statt die Aufgabe zu delegieren und sich die ganze Zeit zu fragen, ob sie schiefging.

„Kommen wir auf den Punkt, Miss Brennan …“ Lucas drückte auf den Knopf der Sprechanlage und bat seine Assistentin, in fünfzehn Minuten hereinzukommen. Zu Katy gewandt, sagte er: „Vicky, meine Sekretärin, wird Sie zu Ihrem Haus oder Ihrer Wohnung begleiten, und Sie werden unter ihrer Aufsicht packen. Etwaige Telefonate mit Ihren Freunden werden natürlich auch nur in ihrem Beisein geführt.“

„Das ist wirklich lächerlich. Ich habe das Gefühl, als würde ich in einem zweitklassigen Spionagefilm auftreten.“

„Nicht so dramatisch, Miss Brennan. Ich ergreife nur ein paar Vorsichtsmaßnahmen, um meine Geschäftsinteressen zu wahren. Sobald Sie Ihre Sachen gepackt und telefoniert haben, werden Sie wieder hierherchauffiert.“

„Kann ich Sie etwas fragen?“

„Nur zu.“

„Sind Sie immer so … frostig?“

„Sind Sie immer so unverblümt?“

Seine schwarzen Augen funkelten. Und ebenso plötzlich wie unerklärlicherweise war sie sich ihres Körpers auf eine Art bewusst, wie es noch nie zuvor der Fall gewesen war. Katy verspürte ein Prickeln, und ihr wurde heiß. Für einige Sekunden konnte sie nicht mehr klar denken.

„Wenn ich etwas zu sagen habe, warum soll ich es dann nicht tun? Solange ich niemandem zu nahe trete, kann ich doch meine Meinung äußern.“ Sie machte eine Pause und hob herausfordernd das Kinn. „Um Ihre Frage zu beantworten.“

Lucas knurrte unwirsch. Nicht einmal die Karrierefrauen, die in sein Leben traten und wieder gingen, widersprachen ihm oder kritisierten ihn gar. Niemand tat das.

„Und um Ihre zu beantworten“, erwiderte er kühl, „ich bin frostig, wenn die Umstände es erfordern. Sie sind hier, weil sich eine Situation ergeben hat, die sofortiges Handeln erfordert und Sie der eigentliche Grund dafür sind. Vertrauen Sie mir, Miss Brennan, unter den richtigen Umständen bin ich alles andere als frostig.“

Als er verführerisch lächelte, spielten ihre Sinne verrückt. Katy befeuchtete sich die Lippen und beugte sich vor, wobei sie die Armlehnen wie einen Rettungsring umklammerte. Dieses Lächeln! Es schien etwas in ihr anzusprechen, von dessen Existenz sie nicht einmal geahnt hatte. Es kostete sie große Mühe, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass dieser Mann sie beleidigte und sein Lächeln nicht ihr galt, sondern zweifellos seiner aktuellen Freundin.

Wenn er sie anlächeln würde, würde sie vermutlich versteinern.

„Sie stecken mich also irgendwohin …“ Endlich fand sie die Stimme wieder und klang zum Glück genauso gelassen wie er. „… wo ich überhaupt nichts machen kann, weil ich ohne Handy und ohne Computer bin, für einen zweiwöchigen Urlaub, wahrscheinlich mit Ihren Bodyguards, die mich hierhergebracht haben. Und wenn Sie Ihr Geschäft abgeschlossen haben, tauchen Sie vielleicht auf und holen mich ab, vorausgesetzt, ich habe das Ganze überlebt.“

Ungeduldig schnalzte Lucas mit der Zunge. „Sie müssen es nicht so dramatisieren.“ Er fuhr sich durchs Haar und überlegte, ob er das Ganze anders hätte angehen sollen. Nein, es war die einzige Möglichkeit gewesen. Er hatte nur mit jemandem zu tun, der nicht so viel Bodenhaftung hatte wie er. „Die Bodyguards werden nicht da sein.“

„Nein, wahrscheinlich wäre es ein bisschen riskant, mich irgendwo mit Männern unterzubringen, die ich nicht kenne. Nicht, dass es eine Rolle spielen würde, ob Ihre Handlanger männlich oder weiblich sind. Ich werde immer noch irgendwo wie eine Gefangene in der Zelle sitzen, zu der es keinen Schlüssel gibt.“

Lucas atmete tief durch. Er verlor niemals die Beherrschung. „Sie werden bei mir sein“, stieß er hervor. „Ich traue niemand anderem zu, dass er Sie im Auge behält.“

„Bei Ihnen?“ Seine Nähe elektrisierte sie plötzlich so, dass ihr Herz schneller pochte und ihr das Atmen schwerfiel. Sie würde irgendwo mit ihm festsitzen? Wider Erwarten erfüllte diese Vorstellung Katy allerdings nicht mit Entsetzen, sondern weckte eine Neugier, die ihr Angst machte.

„Ich habe nicht die Absicht, mich mit Ihnen abzugeben. Sie werden lediglich zwei Wochen lang meiner Verantwortung unterstehen, und ich werde dafür sorgen, dass Sie keinen Kontakt nach draußen haben, bis das Geschäft besiegelt ist. Und bitte erzählen Sie mir nicht, dass es für Sie einer Folter gleichkommt, für ein paar Tage auf Ihr Handy und Ihren Laptop zu verzichten! Es ist möglich, vierzehn Tage ohne technische Spielzeuge zu leben.“

„Könnten Sie es denn?“

„Es geht hier nicht um mich. Nehmen Sie irgendwelche Bücher oder etwas zum Handarbeiten oder sonst was mit, und betrachten Sie es als unverhoffte bezahlte Freizeit. Falls es Ihnen schwerfallen sollte, es zu genießen, können Sie immer noch die Alternative in Betracht ziehen – eine Gerichtsverhandlung, Anwaltskosten und Arbeitslosigkeit.“

Katy ballte die Hände zu Fäusten und setzte zu einer Entgegnung an, obwohl Lucas Cipriani der letzte Mensch auf dem Planeten war, mit dem sie sich streiten wollte, und das nicht nur, weil er kein Problem damit gehabt hätte, seine Drohungen wahr zu machen. Im nächsten Moment wurde jedoch die Tür geöffnet, und sie hörte, wie er leise mit seiner Assistentin über sie sprach, als wäre sie gar nicht anwesend.

„In Ordnung.“

Dann blickte er auf sie herunter, die Hände in den Hosentaschen. Verlegen stand sie auf und lächelte seine Sekretärin automatisch höflich an. Diese lächelte ebenfalls.

„Ich muss meine Eltern anrufen“, sagte Katy ein wenig benommen, woraufhin Lucas die Stirn runzelte und den Kopf zur Seite neigte.

„Natürlich.“

„Ich spreche jeden Abend mit ihnen.“

Das erschien ihm bei einer Frau von Anfang zwanzig etwas übertrieben. Es passte nicht zu dem Image der lasterhaften jungen Frau, die eine heiße Affäre mit einem verheirateten Mann hatte – nicht, dass die Einzelheiten ihn etwas angingen, es sei denn, die Affäre lief noch.

„Und ich habe keine Haustiere.“ Katy hob ihren Rucksack auf und ging zur Tür. Seit seine Assistentin den Raum betreten hatte, fühlte sie sich benommen.

„Miss Brennan …“

„Ja?“

Da sie nur etwa eins sechzig maß und flache Schuhe trug, musste sie den Kopf zurücklegen. Das volle, in verschiedenen Rottönen schimmernde Haar fiel ihr über den Rücken. Er war groß und sie im Vergleich zu ihm sehr zierlich. War er deshalb plötzlich versöhnlicher gestimmt, nachdem er sie diesem Kreuzverhör unterzogen hatte? Noch nie in seinem Leben hatte Lucas etwas getan, was sein Gewissen belastet hatte, denn er war anderen gegenüber immer anständig und fair. Ja, er konnte rücksichtslos sein, aber nie grundlos. Nun fühlte er sich ein wenig schuldig.

„Stressen Sie sich nicht“, sagte er kurz angebunden, weil dies schon ein großes Zugeständnis für ihn war. Er war von Natur aus misstrauisch und diese Situation ausgesprochen heikel, denn Katy konnte alles, was sie wusste, ihrem Ex erzählen. Doch irgendetwas an ihr weckte in ihm eine unerwartete Reaktion.

Ihre Augen waren eine faszinierende Mischung aus Grün und Türkis. „Ich will Sie nicht quälen, aber ich habe keine andere Wahl. Sie werden in den zwei Wochen nichts auszustehen haben und brauchen auch nicht zu befürchten, dass ich Ihnen auf Schritt und Tritt folge. Tatsächlich werden Sie meine Anwesenheit kaum merken. Ich werde den ganzen Tag arbeiten, und Sie können tun, was Sie wollen. Ohne Handy und ohne Laptop können Sie auch nichts anstellen.“

„Aber ich weiß ja nicht einmal, wohin ich fahre“, rief Katy, weil Lucas Cipriani plötzlich so etwas wie Mitgefühl zeigte.

Er zog die Brauen hoch und lächelte wieder. In den mitfühlenden Ausdruck seiner Augen mischte sich so etwas wie Belustigung. „Betrachten Sie es als Überraschung“, murmelte er, bevor er seiner Assistentin zunickte und auf die Uhr blickte. „Zwei Stunden, Vicky. Meinen Sie, das reicht?“

„Ich glaube schon.“

„Dann bis später. Und, Miss Brennan, denken Sie nicht einmal daran abzuhauen.“

In den nächsten eineinhalb Stunden erlebte Katy, wie es sein musste, gekidnappt zu werden. Lucas Cipriani konnte es nennen, wie er wollte, aber er würde sie gefangen halten. Seine Sekretärin, die ebenso forsch wie freundlich war, nahm ihr das Telefon ab und schien nichts dabei zu finden, die Anweisungen ihres Chefs zu befolgen. Ihren Worten zufolge würde sie es ihm aushändigen, damit er es für Katy aufbewahrte.

Da schon Sommer in der Luft lag, packte sie nur leichte Sachen und eine Strickjacke in ihren Matchbeutel. Aber vermutlich würde sie vom Wetter nicht viel mitbekommen, wenn sie irgendwo in einem Raum eingesperrt war und nur durch Gitterstäbe nach draußen blicken konnte.

Trotz ihres unbändigen Frusts und Zorns konnte sie sein Verhalten nachvollziehen. Für Lucas Cipriani war es offenbar nur wichtig, Geschäfte abzuschließen und Geld zu verdienen. Falls dies der wichtigste Deal seiner beruflichen Laufbahn war, würde er natürlich alles tun, um seine Interessen zu wahren.

Sie war für ihn nur ein kleiner Fisch. Und dass sie jemanden in dem Unternehmen kannte, das er übernehmen wollte, jemand, der noch von nichts wusste, bedeutete, dass sie streng vertrauliche und möglicherweise brisante Informationen weitergeben konnte.

Er würde ihr niemals glauben, dass sie keinen Kontakt zu Duncan Powell hatte, weil er misstrauisch, machthungrig und arrogant war. Und er würde sie ohne Weiteres den Haien vorwerfen, weil er völlig gefühlskalt war.

„Wohin bringen Sie mich?“, fragte sie Vicky, während sie wieder in die Limousine mit dem Chauffeur stiegen. „Oder binden Sie mir nachher die Augen zu?“

„Wir fahren an den Stadtrand“, erwiderte diese lächelnd. „Dort hat Mr. Cipriani sein privates Transportmittel. Und nein, niemand bindet Ihnen die Augen zu.“

Katy verfiel in Schweigen und blickte starr aus dem Fenster. Sie kannte diese Strecke nicht. Sie verließ London nur selten, und wenn, dann nahm sie den Zug nach Yorkshire, um ihre Eltern und Freunde zu besuchen, die immer noch dort lebten. Da sie kein eigenes Auto hatte, konnte sie nur selten aus der Großstadt fliehen. Einige Male war sie allerdings mit ihrem Chef Tim und einigen anderen Kollegen übers Wochenende nach Brighton gefahren.

Nun, da sie sich vorstellte, wie es wäre, mit Lucas als Wärter draußen in einem Raum gefangen zu sein, verspürte sie wieder jenes beängstigende, verbotene Prickeln. Ob auch andere Leute da sein würden? Oder würden sie beide allein sein?

Sie hasste ihn. Sie verabscheute seine Arroganz und sein anmaßendes Verhalten. Er war der Boss, der sich nie dazu herabließ, Kontakt mit den Mitarbeitern aufzunehmen, die in seinen Augen das Fußvolk bildeten. Er zahlte nicht deshalb gut, weil er fair war und harte Arbeit gerecht entlohnte, sondern weil er wusste, dass man Loyalität kaufen konnte.

Hoffentlich stimmte es, dass er sich nicht mit ihr abgeben wollte, denn sie beide hatten sich vermutlich nicht viel zu sagen. Dann stellte Katy sich vor, wie es wäre, ihn außerhalb des Büros zu sehen. Prompt bebte sie wieder innerlich, was sie nicht verstand, denn sie konnte Lucas Cipriani nicht ausstehen.

Nach einer Weile stellte sie fest, dass sie die Hauptverkehrsstraßen verlassen hatten und auf einen großen Parkplatz fuhren, hinter dem ein lang gestrecktes Gebäude und ein Flugplatz lagen.

„Wenn Sie nach rechts blicken, sehen Sie Lucas’ Privatjet“, informierte Vicky sie leise. „Es ist der schwarze Jet. Aber heute fliegen Sie mit dem Hubschrauber.“

Verblüfft ließ Katy den Blick von dem Privatjet zu dem schwarzen und silbernen Hubschrauber schweifen und entdeckte Lucas, der lässig dagegen lehnte und eine Sonnenbrille trug. Sofort wurde ihr Mund ganz trocken, denn er beobachtete sie. Unwillkürlich atmete sie schneller, während sie sich fragte, worauf sie sich bloß eingelassen hatte – und das nur, weil sie zufällig auf Informationen gestoßen war, die sie nicht einmal interessierten.

Allerdings hatte sie keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn im nächsten Moment hielt der Chauffeur, half ihr heraus und führte sie, ihren Matchbeutel in der Hand, zu dem Helikopter, dessen Rotoren sich nun zu drehen begannen.

Lucas war bereits eingestiegen.

Katy war gestresst, verspürte einen Anflug von Panik und fühlte sich unwohl, weil sie nicht einmal mehr hatte duschen können. Als sie unter Vickys wachsamen Augen mit ihrer Mutter telefonierte, hatte sie ihr erzählt, dass sie für einen wichtigen Auftrag ungeplant aufs Land fahren musste, wo der Empfang vermutlich schlecht wäre. Da ihre Eltern sich ständig Sorgen um sie machten, hatte sie es als aufregendes Abenteuer dargestellt.

Zu ihrer Verblüffung handelte es sich um einen besonders großen Hubschrauber. Mit finsterer Miene versuchte sie, sich gegen den von den Rotoren verursachten Wind an Bord zu kämpfen.

Als der Hubschrauber aufstieg, rief Lucas: „Ihre Tasche ist ziemlich klein, Miss Brennan. Wo haben Sie Ihre Bücher, die Skizzenblöcke und die Farben verstaut?“ Als sie nur die Lippen zusammenpresste, lachte er. „Oder haben Sie beschlossen, die Märtyrerin zu spielen, während Sie gefangen gehalten werden? Keine Bücher, keine Skizzenblöcke, keine Farben … und nur die geringste Versuchung, in einen Hungerstreik zu treten?“

Katy ballte die Hände zu Fäusten und funkelte ihn an, doch er wandte den Blick ab und blätterte die Papiere auf seinem Schoß durch. Er sah erst auf, als sie sich vorbeugte und rief: „Wohin bringen Sie mich?“

Zu ihrem Verdruss schien er ihre Gedanken zu lesen. „Bestimmt haben Sie sich schon einige schreckliche Ziele ausgemalt. Also, statt es Ihnen zu sagen, überlasse ich es weiter Ihrer Fantasie, weil es nur besser sein kann. Aber um Sie zu beruhigen …“ Lucas klopfte auf die Tasche des Leinenjacketts, das er auf den Sitz neben seinem gelegt hatte. „Ihr Handy ist hier drinnen. Sobald wir landen, können Sie mir Ihr Passwort verraten. Dann kann ich ab und zu nachsehen, ob es wichtige Nachrichten von Ihren Eltern gibt, die Sie jeden Tag anrufen.“

„Oder von einem verheirateten Exfreund?“, fügte sie herausfordernd hinzu, woraufhin er sie nur kühl anblickte.

„Oder von einem verheirateten Exfreund“, wiederholte er lässig. „Meiner Meinung nach zahlt es sich immer aus, vorsichtig zu sein. So, ich schlage vor, Sie lassen mich jetzt arbeiten und genießen den Flug!“

3. KAPITEL

Der Flug dauerte Stunden, und Katy bemühte sich, Lucas’ Nähe zu ignorieren. Als der Hubschrauber tiefer ging und dabei eine Schleife flog, sah sie weit und breit nur das blaue Meer. In Panik blickte sie Lucas an, der allerdings nicht von seinen Unterlagen aufsah.

Nachdem der Hubschrauber sanft gelandet war, stellte sie verblüfft fest, wo sie sich befand – auf einer Superjacht. Lucas legte den Gurt ab und wartete geduldig darauf, dass sie sich ebenfalls abschnallte. Er wechselte ein paar höfliche Worte mit dem Piloten, bevor er sie zuerst aussteigen ließ.

Hier war es viel wärmer, obwohl die Sonne bereits unterging. Die Jacht war riesig – schnittig und so luxuriös, dass selbst Katy beeindruckt war. In der Ferne erkannte sie eine offenbar dicht bewachsene Insel mit einer Steilküste. Hinter den Bäumen funkelten vereinzelte Lichter.

Während der Hubschrauber hinter ihnen wegflog und das Rotorengeräusch immer schwächer wurde, folgte sie Lucas vom Oberdeck nach drinnen.

„Und, wie ist es, in einer schäbigen Zelle gefangen gehalten zu werden?“ Ohne sie anzusehen, führte er sie in eine riesige Kabine, die mit poliertem Holz verkleidet und mit exklusiven Sesseln aus cremefarbenem Leder möbliert war. Eine kleine mollige Frau eilte ihnen lächelnd entgegen und sprach in schnellem Italienisch mit Lucas.

Er stellte sie ihr als Signora Maria, die Küchenchefin, vor, doch Katy nahm es nur nebenbei wahr, weil die prachtvolle Umgebung ihr den Atem raubte. Sie befand sich an Bord des Spielzeugs eines Milliardärs, und das machte sie nervöser, als wenn er sie in irgendeinem Verschlag untergebracht hätte. Sie hatte gewusst, dass Lucas reich war, aber wenn man so reich war, dass man eine Jacht wie diese besaß, konnte man tun, was man wollte. Es war also keine leere Drohung gewesen, als er von einem möglichen Gerichtsverfahren gesprochen hatte.

Katy beschloss jedoch, sich nicht einschüchtern zu lassen. Sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, und sie würde sich nicht wie eine Kriminelle behandeln lassen, nur weil Lucas Cipriani von Natur aus misstrauisch war.

„Maria zeigt Ihnen Ihre Suite.“ Mit ausdrucksloser Miene musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Dort finden Sie alles, was Sie brauchen. Und Sie werden feststellen, dass die Tür kein Schloss hat. Sie können also kommen und gehen, wann Sie wollen.“

„Sie brauchen nicht gleich sarkastisch zu werden“, erwiderte sie und presste missmutig die Lippen zusammen. Sie sah ihn an und wandte den Blick dann schnell wieder ab, um sein außergewöhnlich schönes Gesicht mit den markanten Zügen nicht zu lange zu betrachten.

„Doch, denn Sie haben davon gesprochen, dass ich Sie kidnappe. Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie sollen es als zweiwöchigen bezahlten Urlaub betrachten.“ Lucas entließ Maria mit einem flüchtigen Nicken, bevor er die Hände in die Hosentaschen schob und Katy starr betrachtete. Sie wirkte nicht einmal zerknirscht, was ihn ärgerte. „Da Sie keine Bücher mitgenommen haben, freut es Sie sicher, dass es einen Bereich mit einem Heimkino und einer umfangreichen Filmesammlung gibt, außerdem zwei Swimmingpools – einen drinnen, einen auf dem Oberdeck – und natürlich eine Bibliothek, falls Sie zu der Erkenntnis kommen sollten, dass Lesen doch eine Alternative zum Computer ist.“

„Sie sind nicht besonders nett, stimmt’s?“

„Nettsein zahlt sich nicht aus, also nein. Und das sollten Sie nicht vergessen.“

Angesichts seines bitteren Tonfalls kniff Katy die Augen zusammen. Sprach Lucas aus Erfahrung? Wider besseres Wissen wollte sie plötzlich mehr über ihn erfahren. Nur für einen Moment wurde ihr klar, dass er wohl aus gutem Grund zu dem Mann geworden war, der er war.

„Nettsein zahlt sich sehr wohl aus“, widersprach sie leise.

„Oh, nein“, sagte er kühl, wobei er sie weiter starr betrachtete. „Nette Menschen verstricken sich in sinnlosen Sentimentalitäten und lassen sich leicht ausnutzen. Also glauben Sie nicht, ich würde diese Eigenschaft während unseres Aufenthalts hier entwickeln.“

„Ausnutzen?“ Unwillkürlich hielt sie den Atem an, während sie auf seine Antwort wartete.

„Redet so eine Frau, die herauszufinden versucht, wie ich ticke?“ Ironisch zog er die Brauen hoch und ging weiter. „Das haben schon viele versucht und sind dabei gescheitert. An Ihrer Stelle würde ich mir also keine Mühe geben.“

„Es ist sehr anmaßend von Ihnen anzunehmen, dass ich mehr über Sie erfahren möchte“, meinte Katy pikiert. „Aber wir müssen hier für die nächsten zwei Wochen miteinander auskommen. Ich wollte nur Small Talk machen.“

„Wie ich bereits sagte, habe ich nicht vor, mich in Ihrer Nähe aufzuhalten. Also lassen Sie uns nur über belanglose Dinge reden.“

„Tut mir leid.“ Seufzend strich sie sich das lange Haar zurück. „Ich verstehe fast, warum Sie mich hierhergeschleift haben.“

Geschleift klingt schon besser als gekidnappt“, räumte Lucas ein.

„Ich bin müde und erhitzt. Und es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit ich das letzte Mal an meinem Schreibtisch gesessen und am Computer gearbeitet habe. Meine Stimmung ist also nicht die Beste.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie irgendwo ruhig sitzen. Was meinen Sie? Hätte ich meinen Elfenbeinturm verlassen und mich vergewissern sollen, welche meiner Angestellten brav ihre Arbeit machen und welche bis an die Grenze gehen?“

Katy spürte, wie ihr angesichts seines spöttischen Tonfalls das Blut ins Gesicht stieg und ihr Puls sich beschleunigte. Wie konnte Lucas im einen Moment so rücksichtslos und überheblich sein und sie im nächsten so verlegen machen, weil er auch über sich selbst lachen konnte? Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie ihre Komfortzone hatte verlassen müssen. Aber dass er derart widersprüchliche Empfindungen in ihr weckte, beunruhigte sie.

Sie hatte aus der Geschichte mit Duncan gelernt und wusste inzwischen, was für eine Art von Mann sie brauchte – einen bodenständigen, gutmütigen, ehrlichen. Einen normalen. Wenn sie diesen Mann fand, würde sich alles andere fügen, und sie war entsetzt, weil ein Typ wie Lucas Cipriani eine derartige Wirkung auf sie ausüben konnte.

„Ich glaube, meine Meinung spielt keine Rolle“, erwiderte sie lässig. „Ich kann nicht für andere sprechen, aber in meinem Büro erwartet niemand, dass Sie uns einen Besuch abstatten.“

„Sie verstehen sich wirklich auf Schläge unter die Gürtellinie“, entgegnete Lucas trocken. „Ist das Ihr normaler Stil, wenn Sie mit einem Mann zusammen sind?“

„Sie sind kein Mann.“

Sein wohlklingendes, heiseres Lachen berauschte ihre Sinne. „Ach, das dachte ich eigentlich schon.“

„Sie wissen, was ich meine.“ Irritiert wandte sie den Blick ab.

„Ach, ja? Wenn ich kein Mann bin, was bin ich dann?“

„Sie sind … Sie sind mein Kidnapper.“

Lucas lächelte jungenhaft. „Das ist keine Antwort, aber belassen wir es dabei. Außerdem dachte ich, wir wären über diese Begrifflichkeit hinweg.“

Katy antwortete nicht. Er war nett zu ihr, zog sie auf. Sie wusste, dass er ihr wahrscheinlich immer noch nicht traute, doch er war klug und erfahren und wollte sie nicht gegen sich aufbringen. Andauernde Sticheleien würden ihn langweilen. Er hatte sich genauso unfreiwillig wie sie in diese Lage gebracht, blieb allerdings gelassen. Er war nicht an tiefgehenden Gesprächen interessiert, weil er sich nur im Hinblick auf seinen bevorstehenden Abschluss für sie interessierte. Doch nachdem er ihr den Stand der Dinge unmissverständlich klargemacht hatte, würde er ihr gegenüber jetzt höflich sein. Er hatte über die Bezeichnung Kidnapper gelacht, aber genau das war er, und er hatte das Sagen.

Also würde sie sich der Herausforderung stellen und sich ihm gegenüber genauso verhalten müssen.

Inzwischen hatten sie die Kombüse betreten, und Katy blickte sich um. „Es ist sehr schön hier.“ Sie strich über den Tresen. „Wo ist Maria, Ihre Chefköchin?“ Sie beobachtete, wie Lucas zu einem der beiden großen Kühlschränke ging und eine Flasche Wein herausnahm.

Nachdem er ihnen eingeschenkt hatte, deutete er mit einem Nicken auf einen der grauen Sessel an dem Metalltisch. Sie setzte sich, trank allerdings nur einen kleinen Schluck, weil sie Alkohol nicht gewohnt war.

„Sie hat ihre eigenen Räume auf dem Unterdeck. Ich habe sie erst einmal weggeschickt, damit sie nicht alles mitbekommt. Auch wenn sie kein Englisch spricht, würde sie die unterschwelligen Spannungen spüren.“ Er nahm gegenüber von ihr Platz. „Ich bin nur selten mit einer einzigen Person auf der Jacht. Normalerweise empfange ich hier Kunden oder gebe Partys, und dann sind auch mehr Angestellte an Bord. Maria wird also während unseres Aufenthaltes für uns sorgen.“

„Weiß sie, warum ich hier bin?“

„Warum sollte sie?“ Lucas klang ehrlich überrascht. „Es geht sie nichts an. Ich zahle sehr gut und erwarte, dass sie keine Fragen stellt.“

„Ist sie denn nicht neugierig?“, hakte Katy nach, woraufhin er die Schultern zuckte.

„Interessiert mich das?“

Sie vielleicht nicht“, sagte sie scharf. „Aber mich vielleicht. Sie soll nicht denken, dass ich …“

„Was?“

„Dass ich eine der Frauen bin, die Sie mit hierhernehmen, um sich zu amüsieren.“

Nun lachte er schallend. Sobald er sich wieder beruhigt hatte, betrachtete er sie kühl. „Warum ist Ihnen wichtig, was meine Köchin von Ihnen denkt? Sie werden sie nach diesen zwei Wochen nie wiedersehen. Außerdem …“ Er trank auch einen Schluck und blickte sie dann über den Rand seines Glases hinweg an, „lasse ich Maria oft zu meiner Wohnung in London und gelegentlich zu der in New York fliegen. Sie hat im Laufe der Jahre genügend Freundinnen von mir gesehen, um zu wissen, dass Sie nicht ins Bild passen.“

Beschämt blickte sie ihn an, weil sie ihm irgendwie den Eindruck vermittelt hatte, dass … Was? Dass sie glaubte, er wäre vielleicht scharf auf sie? Dass sie ihre kostbare Unschuld gefährdet sah? So luxuriös die Umgebung auch sein mochte, dies hier war kein Aufenthalt in einem Fünfsternehotel mit dem Mann ihrer Träume. Es war ein Gefängnis, und er war ihr Gefängniswärter.

„Ich passe nicht ins Bild?“, hörte Katy sich mit bebender Stimme fragen.

Lucas schien einen Moment nachzudenken, bevor er schließlich nickte. „Maria arbeitet schon lange für mich und hat im Laufe der Jahre viele meiner Frauen kennengelernt. Zugegeben, Sie besitzen eine gewisse Anziehungskraft, aber Sie sind nicht mein Typ, und das weiß sie. Sie wird also denken, dass Sie aus beruflichen Gründen hier sind. Ich habe hier schon gelegentlich mit Kollegen gearbeitet, wenn ich bei meinen Transaktionen ungestört sein musste.“ Vergeblich versuchte er, sich die Frau vor sich als Kollegin vorzustellen.

Sie besitzen eine gewisse Anziehungskraft. Warum machten seine Worte sie so verlegen? Hatte sie nicht gerade eben beschlossen, sich nicht von Lucas aus der Fassung bringen zu lassen? Sie wollte so gelassen sein wie er, doch sie schaffte es nicht.

Und warum? Lag es an den äußeren Umständen? Er war einflussreich und sexy, aber trotzdem nur ein Mann, und nach der Geschichte mit Duncan konnten ihr alle Männer gestohlen bleiben. Also, warum ließen nur wenige Worte von einem Mann, der sich nicht für sie interessierte, sie derart erschauern?

Katy zwang sich, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich wusste gar nicht, dass Männer einen bestimmten Typ haben.“ Eigentlich hatte sie ihn fragen wollen, wie sein Typ war.

Die Regenbogenpresse berichtete ständig über reiche Männer, an denen die Frauen wie die Kletten hingen. Allerdings konnte sie sich nicht entsinnen, je Artikel über Lucas Cipriani gesehen zu haben.

„Alle Männer haben einen bestimmten Typ“, informierte er Katy. Er hatte einen Typ, und er wusste auch, warum. Für ihn bedeutete Wissen auf diesem Gebiet Macht. Anders als sein Vater würde er nie auf den Typ Frau hereinfallen, die andere manipulierten. Doch er verkehrte nur auf zwei Arten mit Frauen – entweder hatte er eine sexuelle Beziehung mit ihnen, oder er arbeitete mit ihnen zusammen.

Auf Katy traf beides nicht zu. Ja, sie arbeitete für ihn, aber sie war ihm in keiner Hinsicht ebenbürtig. Und er hatte erst recht keine sexuelle Beziehung zu ihr.

Unwillkürlich ließ Lucas den Blick von ihrem Gesicht zu ihren kleinen, festen Brüsten und ihren dünnen Armen schweifen. Sie war wirklich zerbrechlich. Sie gehörte zu den Frauen, die bei einem Mann sofort den Beschützerinstinkt weckten.

Sie sollte also ruhig wissen, welche Frauen er bevorzugte, denn Arbeit hin oder her, außer seiner Köchin befanden nur sie beide sich an Bord dieser Jacht, und Katy sollte nicht auf dumme Gedanken kommen. Sie war ein Niemand, der plötzlich in eine Welt des Luxus eingetaucht war. Im Laufe der Jahre hatte er genügend Erfahrungen mit Frauen gesammelt, die im Angesicht des Reichtums den Verstand verloren.

Mein Typ ist folgendermaßen“, murmelte Lucas, bevor er ihnen nachschenkte und sich vorneigte, woraufhin Katy sich zu seiner Belustigung reflexhaft zurückbeugte. „Ich mag keine Kletten. Ich mag keine Hohlköpfe oder Frauen, die glauben, sie können mit ihrem Lächeln und ihrem Äußeren an mein Geld herankommen. Aber vor allem interessieren mich keine Frauen, die mehr verlangen, als ich zu geben bereit bin. Ich arbeite sehr viel und stehe unter großem Druck. Privat bevorzuge ich Frauen, die gefällig sind und eine beruhigende Wirkung auf mich ausüben. Ich bin gern mit Karrierefrauen zusammen, die genauso unabhängig sind wie ich. Sie kennen meine Spielregeln, und es gibt nie unangenehme Missverständnisse.“

Er dachte an die letzte Frau in seinem Leben, eine schwarzhaarige Schönheit und Kapazität auf dem Gebiet des internationalen Rechts. Am Ende hatten sie sich nach sechs Monaten getrennt, weil sie beide beruflich zu viel um die Ohren hatten, allerdings hatte er auch nicht mehr gewollt. Selbst die intelligenteste und eigenständigste Frau hatte bei ihm ein Verfallsdatum.

„Wie äußert es sich, wenn sie mehr verlangen, als Sie zu geben bereit sind?“, fragte Katy impulsiv, woraufhin Lucas die Stirn runzelte.

„Wie bitte?“

„Meinen Sie Liebe und Hingabe?“

„Nett ausgedrückt“, meinte er lässig. „Das steht beides nicht auf der Tagesordnung. Ich suche eine Beziehung, die mich geistig herausfordert und in der ich Spaß habe. Zum Glück geben sich die meisten Frauen, mit denen ich mich treffe, damit zufrieden.“

„Und woher wissen Sie das? Vielleicht wollen sie mehr, haben aber Angst davor, es zu äußern, weil Sie ihnen sagen, dass Sie keine Bindung eingehen wollen.“

„Vielleicht. Wer weiß? Und wir sind schon wieder im Begriff, ein tiefgehendes Gespräch zu führen.“ Lucas stand auf und streckte sich, sodass sie das Spiel seiner Muskeln unter seinem Hemd verfolgen konnte. Dann legte er die Hände auf den Tisch. „Ich sage Ihnen das, weil Sie hier sind und Ihnen keine Wow-Momente zu Kopf steigen sollen.“

„Wie bitte?“

Wider Willen faszinierte ihn ihr aufschlussreiches Mienenspiel. „Ich weiß, dass Sie Ihre Komfortzone verlassen haben, aber ich möchte nicht, dass Sie auf dumme Gedanken kommen.“

Nun begriff sie … Hast du ihn nicht angesehen, meldete sich eine innere Stimme. Hatte Lucas das gemerkt und beschlossen, jede Peinlichkeit im Keim zu ersticken? Sie war nicht sein Typ, und er gab ihr zu verstehen, dass sie sich keine falschen Illusionen machen sollte. „Sie haben recht.“ Katy lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Ich habe meine Komfortzone verlassen, und ich bin beeindruckt. Wer wäre das nicht? Aber es braucht mehr als ein großes Boot mit allem Komfort, um seinen Besitzer in jemanden zu verwandeln, zu dem ich mich je hingezogen fühlen könnte.“

„Ist das wahr?“

„Ja. Ich kenne meinen Platz und bin damit völlig zufrieden. Sie haben mich gefragt, warum ich immer noch in einer Schule arbeite? Weil ich gern etwas zurückgebe. Ich bin nur in Ihrem Unternehmen tätig, Mr. Cipriani, weil ich mit dem Gehalt meine Miete bezahlen kann. Wenn ich als Lehrerin mehr verdienen würde, würde ich sofort kündigen.“ Und wenn sie so weitermachte, brauchte sie das vermutlich gar nicht, weil er ihr kündigte. „Sie müssen mich nicht zurückweisen, und Sie brauchen auch keine Angst zu haben, dass ich plötzlich auch gern ein großes Boot wie dieses hätte.“

„Meine Güte, dies ist eine Jacht und kein Boot.“

Katy zuckte die Schultern. „Sie wissen, was ich meine. Jedenfalls wollen Sie hier nicht mit mir festsitzen und ich auch nicht mit Ihnen, Mr. Cipriani.“

„Lucas.“

„Wie bitte?“

„Wir sollten uns mit Vornamen anreden. Ich heiße Lucas.“

Nervös blickte sie ihn an. „Ich würde mich dabei nicht wohlfühlen.“ Erneut spürte sie, wie sie errötete. „Sie sind mein Chef.“

„Aber ich möchte das Eis brechen. Haben Sie vielleicht Hunger, Katy? Maria hat das Essen sicher schon fertig und wird bestimmt gekränkt sein, wenn wir es verschmähen. Ich rufe sie nach oben, damit sie es uns serviert, und danach kann sie Ihnen Ihre Suite zeigen.“

„Sie rufen sie nach oben?“

„Das Essen wird nicht wie durch Zauberhand auf unseren Tellern erscheinen.“

„Ich habe ein Problem damit, mich bedienen zu lassen“, gestand sie. „Wenn Sie mir sagen, wo alles steht, kann ich auch den Tisch decken.“

„Das ist nicht Ihre Aufgabe, Katy.“

Katy erschauerte, als Lucas ihren Namen sagte. Es wirkte so … intim. Sie würde ihn nur im Notfall mit seinem Vornamen ansprechen – zum Beispiel wenn sie über Bord ging und zu ertrinken drohte. Und selbst dann würde sie vermutlich bei der förmlichen Anrede bleiben.

„Darum geht es nicht.“ Sie stand auf und blickte ihn erwartungsvoll an, doch dann wurde ihr klar, dass er sich in der Kombüse nicht auskannte. Also warf sie erst einen Blick in den Kühlschrank und anschließend auf den Herd, wo sie einen Auflauf entdeckte.

Obwohl Katy seinen Blick bei jeder Bewegung auf sich spürte, war sie nicht mehr so nervös, weil er Maria nicht gerufen hatte. So musste sie ihm nicht mehr gegenübersitzen, sondern konnte sich sammeln und sich ihr völlig untypisches Verhalten verzeihen.

Allerdings war es verständlich, denn noch vor vierundzwanzig Stunden war sie ihrer täglichen Routine nachgegangen. Sie konnte etwas aus alldem lernen, weil sie sich nach der Geschichte mit Duncan monatelang große Vorwürfe gemacht hatte. Wie hatte sie sich so in ihm täuschen können, nachdem sie immer so vorsichtig und zielstrebig gewesen war? Sie war von liebevollen Eltern großgezogen worden, die ihr die richtigen Werte vermittelt hatten. Wie hatte sie sich dann in eine Beziehung mit einem Mann hineinziehen lassen können, der überhaupt keine Moralvorstellungen hatte?

Also, hier war sie nun, verhielt sich völlig untypisch und verspürte die widersprüchlichsten Empfindungen in der Gesellschaft eines Mannes, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Es hatte nichts zu bedeuten, und sie würde sich deshalb nicht fertigmachen. Es war eine ganz normale Reaktion auf eine unvorhergesehene Situation.

Während er Katy beobachtete, ging Lucas durch den Kopf, dass dies genau die Art von einer häuslichen Szene war, die er sein Leben lang vermieden hatte. Und dass viele seiner Freundinnen vorsichtig angedeutet hatten, dass sie sich mehr als eine oberflächliche Beziehung wünschten. Er hatte diese Gespräche immer sofort im Keim erstickt. Nun, da er beobachtete, wie Katy in seiner Küche hantierte, glaubte er, dass viele seiner Exfreundinnen gern dasselbe getan hätten.

„Ich koche gern“, informierte Katy ihn, während sie den Tisch deckte und er Schuldgefühle verspürte, weil er ihr nicht half. „Das Essen riecht köstlich. Ist Maria eine ausgebildete Köchin?“

„Sie hat viel Erfahrung“, murmelte er.

„Erzählen Sie mir, wo wir vor Anker liegen“, ermunterte sie ihn. „Ich habe eine Insel in der Ferne gesehen. Wie groß ist sie? Haben Sie dort ein Haus?“

„Die Insel hat eine ausreichende Infrastruktur, und der Tourismus ist eine der Haupteinkommensquellen. Allerdings ist sie sehr exklusiv, und das macht unter anderem ihre Schönheit aus. Und ja, ich besitze dort eine Villa. Eigentlich hatte ich vor, dort etwas Zeit allein zu verbringen, aber ich habe meine Pläne geändert.“

Lucas führte das nicht weiter aus, sondern sprach stattdessen über die Insel. Sobald er mit dem Essen fertig war, stand er auf und stellte seinen Teller in die Spüle. Katy folgte seinem Beispiel, doch er lehnte sich an die Spüle und verschränkte die Arme. Sein offensichtliches Desinteresse an allem, was mit Haushalt zu tun hatte, wirkte ausgesprochen machohaft und gleichzeitig seltsam liebenswert. Falls ein Mann wie Lucas Cipriani überhaupt je liebenswert sein konnte.

„Sie können das stehen lassen“, informierte er sie. „Maria kümmert sich morgen darum.“

Als Katy ihn ansah, umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Er verspürte den unwiderstehlichen Drang, sie … was? Ihre vollen, rosigen Lippen waren verführerisch und luden geradezu zum Küssen ein. Er fragte sich, ob ihre Brustspitzen dieselbe Farbe hatten, und atmete scharf ein. Sie herzubringen war eine Sache, sich auszumalen, wie sie sich anfühlen mochte, eine ganz andere.

„Ich zeige Ihnen Ihre Kabine“, sagte Lucas unvermittelt und verließ die Küche. „Haben Sie Schwimmsachen dabei?“, fügte er hinzu, als sie ihm folgte.

„Nein.“ Sie wusste nicht einmal, wo ihr Matchbeutel war.

Wie sich herausstellte, hatte Maria ihn an sich genommen und in die Kabine gebracht, die Lucas ihr zugewiesen hatte. Als er die Tür öffnete, stand Katy einen Moment lang nur da und ließ den Blick durch die luxuriöse Suite schweifen. Von dem breiten Bett hatte man durch die großen Bullaugen einen herrlichen Blick auf das blaue Meer. Durch eine weitere Tür führte Lucas sie auf einen kleinen Balkon, wo es ihr angesichts der romantischen Szenerie die Sprache verschlug. Sie spürte die milde Brise im Gesicht, und als sie nach unten blickte, sah sie dunkle Wellen leicht an die Bordwand schlagen. Er stand so dicht neben ihr an der Reling, dass ihr das Atmen schwerfiel.

„In dem begehbaren Kleiderschrank in der Kabine nebenan finden Sie Badeanzüge und andere Sachen. Bedienen Sie sich!“

„Woher kommen die Sachen?“

„Die haben die Gäste hier vergessen. Natürlich ist alles gewaschen. Maria will die Sachen auf keinen Fall weggeben.“ Er strich sich durchs Haar. „Sie können sich hier überall frei bewegen. Ich werde arbeiten, und die Zeit wird wie im Flug vergehen, solange wir uns nicht in die Quere kommen.“

4. KAPITEL

Lucas betrachtete das Dokument, das er seit einer halben Stunde überarbeitete, nur um festzustellen, dass er kaum über die ersten beiden Zeilen hinausgekommen war. Er hatte viel Arbeit nachzuholen, und in drei Tagen erzwungener Isolation auf seiner Jacht hätte er eigentlich schon eine Menge schaffen müssen. Stattdessen hatte er viel Zeit damit vergeudet, an die Frau zu denken, die sich mit ihm an Bord befand.

Frustriert stand er auf, ging zum Fenster und blickte starr zum Horizont, wo sich die unterschiedlichsten Blautöne des Meeres zu einer dunklen Linie vereinten. Schon unzählige Male hatte er hier in seinem Büro auf dem Unterdeck gestanden und durch dieses Fenster geblickt und war nie in Versuchung geraten, es für das Paradies, das draußen wartete, zu verlassen. Er hatte noch nie gut relaxen können, denn er betrachtete es als Zeitverschwendung, in der Sonne zu sitzen und nichts zu tun. Die wenigen Male, die er übers Wochenende Kurzurlaub mit einer Frau gemacht und Tourist gespielt hatte, hatte er seine Ungeduld nur mühsam verbergen können.

Er war ein Workaholic, und das süße Nichtstun reizte ihn überhaupt nicht.

Trotzdem fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren, denn die Wirkung, die Katy auf ihn ausübte, nahm mit jeder Sekunde in ihrer Gesellschaft zu. Er hatte die gemeinsame Zeit auf das Nötigste beschränkt. Er hatte sich ins Gedächtnis gerufen, dass diese Frau sich unter anderen Umständen nicht einmal auf seiner Jacht befinden würde, doch sein Körper schien nicht auf seinen Verstand zu hören.

Und je angespannter er sich in ihrer Nähe fühlte, desto lockerer schien sie zu werden. Zum ersten Mal in seinem Leben gab er nicht den Ton an, und genau deshalb konnte er sich nicht konzentrieren.

Mit Katy auf der Jacht festzusitzen hatte ihm vor Augen geführt, dass die unabhängigen Karrierefrauen, mit denen er sonst zusammen war, keine so große Herausforderung darstellen, wie er immer gern geglaubt hatte. Sie waren alle genauso unterwürfig und gefallsüchtig gewesen wie die hohlen Püppchen, die ihn nur ausnehmen wollten. Katy hingegen machte ihm gegenüber nie einen Hehl aus ihrer Meinung.

Bisher hatte er sich an ihren Ansichten über Geld, einschließlich seines eigenen, erfreuen können. Sie hatte gespottet, wie dumm es doch wäre, Macht und gesellschaftlicher Stellung nachzujagen, hatte ihn gefragt, wie er seine Freizeit gestaltete und ob er je irgendetwas ganz Normales machte. Dass er sich in der Kombüse seiner eigenen Jacht nicht auskannte, schien in ihren Augen ein Verbrechen gegen die Menschheit zu sein, und sie war sogar so weit gegangen zu behaupten, er hätte mehr Geld als Verstand.

Kurzum, sie hatte ihn richtig beleidigt, und zu seinem Erstaunen hatte er sie nicht davon abgehalten, indem er seine Autorität spielen ließ. Er konnte ihre berufliche Laufbahn zerstören, doch der Gedanke war ihm nicht einmal gekommen.

Katy mochte aus all den falschen Gründen in seiner Gesellschaft sein, aber er stellte ihre Beweggründe nicht mehr infrage, zumal sie mit niemandem Kontakt aufnehmen konnte und ihre Offenheit seltsam gewinnend war. Außerdem erinnerte sie ihn auf unangenehme Art und Weise daran, wie weit er normalerweise ging, um zu bekommen, was er wollte. Und dass er sich mit Menschen umgab, die ihm nie widersprachen.

Bevor er es sich anders überlegte, ging Lucas in seine Kabine und tat das Undenkbare – er zog Hemd und Jeans aus und stattdessen ein T-Shirt sowie eine Badehose an, die er schon ewig nicht mehr getragen hatte. Nachdem er ein Handtuch aus dem Bad geholt hatte, ging er barfuß zum Poolbereich, wo er Katy antreffen würde.

Zuerst hatte sie partout nicht schwimmen wollen und ihm schließlich auf ihre unnachahmlich rebellische Art mitgeteilt, dass sie nicht gern Dinge benutzte, die ihr nicht gehörten.

„Wäre es Ihnen lieber, wenn die Badesachen ungenutzt im Schrank liegen würden, bis sie irgendwann weggeworfen werden?“, hatte er eingewandt.

„Würden Sie denn Sachen wegwerfen, die noch gut sind?“

„Wenn sie Platz wegnehmen, ja. Sie müssten die Sachen nicht tragen, wenn Sie mitgedacht und eigene Badesachen mitgenommen hätten.“

„Ich hatte schließlich keine Ahnung, dass ich in der Nähe eines Pools sein würde“, hatte sie erklärt, und er hatte sie angelächelt und dann beobachtet, wie sie errötete.

„Aber jetzt sind Sie es. Nehmen Sie die Dinge, wie sie kommen!“

Da seine Kabine klimatisiert war, empfand Lucas die Hitze auf dem Oberdeck als umso stärker. Katy hatte ihm auf sein Drängen hin erzählt, dass sie am Nachmittag lesen und an einer App arbeiten wollte, mit denen sie ihren Schülern bei den Hausaufgaben helfen wollte. Falls sie es sich anders überlegt hatte und nicht da war, würde er verdammt enttäuscht sein. Diese Vorstellung ließ ihn fast stehen bleiben, weil Frauen ihn normalerweise nie enttäuschten.

Er war gern mit Frauen zusammen. Er hatte nicht ständig irgendwelche Affären, doch bis jetzt hatte keine Frau ihn lange interessiert, deshalb hatte er immer Schluss gemacht. In der Hinsicht war er also nie enttäuscht worden.

Mit ihrer ganz eigenen, offenen Art schien Katy ihn an einer unsichtbaren Kette mitzuziehen, und das musste er beenden. Lucas hielt inne und dachte über diese Möglichkeit nach. In weniger als einer Minute würde er wieder unten in seinem Büro sein und könnte weiterarbeiten. Aber wäre er dazu in der Lage? Oder würde er wieder dasitzen, während seine Gedanken zu seiner verführerischen Gefangenen schweiften?

Er hatte keine Ahnung, was er sich davon erhoffte, wenn er sich zu ihr an den Pool gesellte. Sie war attraktiv, na und? Es gab unzählige attraktive Frauen, und er konnte so ziemlich jede haben, wenn er wollte. Dass er mit seiner unfreiwilligen Gefangenen spielte, war undenkbar. Er hatte sie gewarnt, dass sie nicht auf dumme Gedanken kommen sollte, und deshalb würde er jetzt auf keinen Fall versuchen, sie ins Bett zu bekommen.

Selbst als er diese Vorstellung verdrängte, tauchten verschiedene Bilder vor seinem geistigen Auge auf, die seinen Puls rasen ließen. Er streckte die Hand aus und stützte sich an der Wand ab, während er bewusst langsamer atmete. Sein Verstand führte einen aussichtslosen Kampf mit seiner Libido und riet ihm, ins Büro zurückzueilen und der sirenenhaften Verlockung einer Frau zu widerstehen, die nicht sein Typ war.

Lucas ging weiter, kam an der Kombüse vorbei, wo Maria gerade das Abendessen vorbereitete, und nickte ihr kurz zu, bevor er nach oben ging. Die Sonne brannte auf ihn herab, als er sich ein paar Sekunden Zeit nahm, um den Anblick der Frau zu genießen, die auf einem Liegestuhl lag, die Augen geschlossen, ein Bein angezogen und die Arme locker hinunterhängend. Sie hatte das lange, glänzende Haar zu einem lockeren Knoten hochgesteckt, und neben ihr auf dem Boden lag ein aufgeschlagenes Buch.

Leise ging er auf sie zu. Noch nie hatte er sie so leicht bekleidet gesehen, und fasziniert betrachtete er ihren zarten Körper – den flachen Bauch, die langen, glatten Beine, die kleinen festen Brüste.

Schließlich räusperte er sich. „Gut, dass ich beschlossen habe, nach oben zu kommen.“ Zum Glück trug er eine Sonnenbrille. „Sie werden schon rot. Wo ist Ihre Sonnencreme? Mit Ihrem Teint sehen Sie bald wie ein Hummer aus, und dann könnte Ihre zweiwöchige Haftstrafe länger dauern.“

„Was machen Sie hier?“ Schnell setzte Katy sich auf, bevor sie die Beine anzog und die Arme darum legte.

Lucas stand vor ihr und wirkte wie eine Bronzestatue, gebräunt und muskulös. Sie ließ den Blick zu seinen Beinen schweifen und wandte ihn schnell wieder ab. Aus irgendeinem Grund brachte der Anblick der feinen Härchen auf seinen Schenkeln sie zum Schwitzen.

Sie befeuchtete sich die Lippen, während sie gleichmäßig zu atmen versuchte. In den letzten Tagen hatte sie unablässig über belanglose Dinge geplaudert, um ihm zu beweisen, dass er sie völlig kaltließ, und diesen Eindruck wollte sie jetzt auf keinen Fall zunichtemachen.

Er hatte sie gewarnt, dass sie nicht auf dumme Gedanken kommen sollte – vermutlich weil er gemerkt hatte, wie sie auf ihn reagierte. Seitdem riss sie sich zusammen und versuchte, sich seiner Wirkung zu entziehen. Zuerst hatte sie den Small Talk auf das Nötigste beschränkt, damit sie sich bei den gemeinsamen Mahlzeiten nicht anschwiegen. Abends fanden sie sich oft plaudernd bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein wieder.

Das Ganze fiel Katy schwerer als erwartet, weil irgendetwas an ihm ein Feuer in ihr entfachte. Während sie es schaffte, ihren Körper in Schach zu halten, indem sie möglichst unauffällig auf Abstand ging, konnte sie es nicht lassen, Lucas ständig zu provozieren. Die Art, wie er sie dann ansah, den Kopf zur Seite geneigt, einen abschätzenden Ausdruck in den Augen, gefiel ihr.

Es war eine Herausforderung, die sie in eine Art Dauerrausch versetzte und süchtig machte.

In seiner Gegenwart existierte Duncan nicht mehr. Da Lucas ihre Aufmerksamkeit auf so unerklärliche Weise beanspruchte, war ihr bewusst geworden, wie tiefgreifend die negative Erfahrung mit Duncan sich auf ihr Leben ausgewirkt hatte. Die ganze Zeit hatte es ihr Verhältnis zu Männern beeinflusst, obwohl sie geglaubt hatte, sie wäre darüber hinweg.

„Die Jacht gehört mir“, erinnerte er sie jetzt lässig. Er hatte das T-Shirt ausgezogen und warf es auf einen Liegestuhl, den er jetzt mit dem Fuß neben ihren zog. „Hätte ich Sie um Erlaubnis bitten sollen?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Katy verlegen. „Ich dachte nur, Sie würden wie gewohnt bis zum frühen Abend arbeiten.“

„Manchmal muss man eben mit Gewohnheiten brechen.“ Nachdem er sich hingelegt hatte, wandte er sich zu ihr um und betrachtete sie durch die Sonnenbrille. „Halten Sie mir nicht jeden Tag einen Vortrag über meine schlimmen Gewohnheiten als Workaholic?“

„Ich habe nie behauptet, dass sie schlimm sind.“

„Sie haben mir aber überzeugend geschildert, dass ich ihretwegen vorzeitig abtreten werde. Deshalb habe ich beschlossen, Ihren Rat zu befolgen und eine Pause zu machen.“ Lucas lächelte jungenhaft und schob seine Sonnenbrille hoch. „Sie reagieren gar nicht so triumphierend, wie ich gedacht hatte.“

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Sie auf mich hören“, murmelte Katy, die furchtbar angespannt war.

Immer wieder musste sie Lucas verstohlen betrachten. Er war unglaublich perfekt. Seine Brust war muskulös und mit dunklen Härchen bedeckt, die sich nach unten hin verjüngten. Wie konnte ein Mann nur so sexy sein? So sündhaft und gefährlich sexy?

Er drängte ihre schmerzlichen Erinnerungen an Duncan in den Hintergrund, und Katy war schockiert, weil diese sie immer noch gequält hatten. Während sie ihn betrachtete, ging ihre Fantasie mit ihr durch. Sie stellte sich vor, wie er sie mit seinen langen Fingern streichelte, ihre Brüste berührte und die Spitzen liebkoste. Plötzlich fühlte sie sich ganz schwach. Ihre Spitzen richteten sich auf und pulsierten, heiße Wellen der Erregung durchfluteten ihren Schoß.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie von diesem Mann fantasierte, seit sie die Jacht betreten hatte. Doch diese Fantasien waren undeutlich gewesen im Vergleich zu den Bildern, die sie jetzt im Kopf hatte. Schnell wandte sie den Blick ab.

Es ist sein Körper, dachte sie. Ihn nur in einer schwarzen Badehose zu sehen, regte ihre Fantasie natürlich noch mehr an. Unter normalen Umständen hätte sie Lucas betrachtet und als attraktiv eingestuft, sich ihn aber nicht nackt vorgestellt. Dies waren allerdings keine normalen Umstände, und genau deshalb konnte sie ihm nicht kühl und lässig begegnen wie anderen Männern.

„Erzählen Sie mir von dem Abschluss“, schnitt sie das erste Thema an, das ihr einfiel, woraufhin er sich in den Liegestuhl legte und in den wolkenlosen blauen Himmel blickte.

Normalerweise redete er sehr gern über seine Arbeit, doch hier und jetzt war es das Letzte, was er wollte. „Überzeugen Sie mich davon, dass es Sie interessiert.“ Lucas warf Katy einen Seitenblick zu und beobachtete, wie sie errötete.

„Natürlich tut es das.“ Sie räusperte sich. „Deswegen bin ich ja hier, oder nicht?“

„Genießen Sie es?“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte sie starr an. „Sie sind nur wegen des Geschäfts hier, aber nun, da Sie hier sind, gefällt es Ihnen?“

Wie, in aller Welt, sollte sie ihren Aufenthalt hier genießen, nachdem man ihr Leben völlig umgekrempelt hatte? Katy blinzelte und musste sich dann jedoch eingestehen, dass sie es tatsächlich tat. „Ich war noch nie im Süden“, gestand sie. „Als Kind habe ich immer nur eine Woche Ferien am Meer gemacht, und zwar in England, wo es immer kalt war. Ich fand es schön, aber das hier … ist wirklich fantastisch.“

Sie sah sich um, spürte die warme Brise, schmeckte die salzige Meeresluft. „Als Kind eines Pfarrers führt man ein ganz anderes Leben. Einerseits war es wundervoll, weil meine Eltern mich immer geliebt und unterstützt haben, vor allem weil ich ein Einzelkind bin. Sie konnten leider keine Kinder mehr bekommen. Meine Mum hat mir einmal erzählt, dass sie mich am liebsten mit Geschenken überschüttet hätte, doch natürlich konnten sie sich auch nicht alles leisten. Außerdem haben sie mir, wie gesagt, immer vermittelt, dass Geld nicht alles ist.“ Überrascht, weil sie ihm das alles erzählte, lächelte sie Lucas an.

Katys Geständnis rührte ihn seltsam an, zumal er Frauen normalerweise nicht ermunterte, ihm persönliche Dinge zu erzählen. „Deshalb lässt Geld Sie also so kalt“, bemerkte Lucas trocken. „Erzählen Sie mir von den Schattenseiten des Lebens in einem Pfarrhaus. Sie sind die erste Tochter eines Geistlichen, der ich je begegnet bin.“

Er stellte sich eine glückliche Familie vor und erinnerte sich an seine problematische Jugend nach dem Tod seiner Mutter, was er nur selten tat. Sein Vater hatte ihn geliebt. Doch er hatte es ihm nicht richtig zeigen können und ihn mehr oder weniger sich selbst überlassen, weil er in seinem Schmerz gefangen gewesen war und immer nach einem Ersatz für seine verstorbene Frau gesucht hatte. Die Unabhängigkeit, auf die er jetzt so stolz war, die Kontrolle über seine Gefühle und seine Selbstbeherrschung erschienen Lucas plötzlich als zu hart erkämpft, als dass er sie richtig hätte schätzen können.

Doch er verdrängte diese düsteren Gedanken und ermunterte Katy weiterzusprechen. Er lauschte gern dem Klang ihrer melodischen Stimme, ebenso wie er ihr lebhaftes Mienenspiel verfolgte.

„Schattenseiten? Da muss ich überlegen …“ Lächelnd lehnte Katy sich zurück, sodass sie nun Seite an Seite lagen, und blickte Lucas an. Sie rechnete damit, dass seine Miene Belustigung und höfliches Interesse verriet, doch in seinem unergründlichen Blick lag ein seltsam ernster Ausdruck, der sie erschauern ließ.

„Und?“, hakte er leise nach, während er die Augen schloss.

„Und letztendlich weiß man immer, dass man mit gutem Beispiel vorangehen muss, weil deine Eltern die Säulen der Gemeinde sind. Ich konnte es mir nie leisten zu rebellieren.“

Selbst während des Studiums hatte ihre Herkunft sie verfolgt. Sie hatte zwar eine schöne Zeit verlebt, hatte gefeiert und getrunken, sich aber zurückgehalten, was Männer anging. Hätten ihre Eltern ihr nicht von früh an so viele Werte vermittelt, hätte sie Sex vielleicht gemieden und wäre dann entspannter gewesen. Vielleicht hätte sie sich damit abgefunden, dass nicht alle Beziehungen ernst waren, dass einige zwangsläufig scheiterten, sich aber trotzdem lohnen konnten.

Es war eine ganz neue Denkweise für Katy, weil sie immer davon ausgegangen war, dass sie ihre Lektion gelernt hätte und die richtigen Entscheidungen treffen würde. Die Vorstellung, dass sie von diesem Weg abweichen könnte, war aufregend.

„Nicht, dass ich je in Versuchung geraten wäre“, fuhr sie schnell fort. „Ich habe miterlebt, wohin Drogen und Alkohol und flüchtiger Sex führen können. Mein Dad ist in der Gemeinde sehr aktiv und engagiert sich auch im Umkreis für Obdachlose. Viele von ihnen sind auf der Straße gelandet, weil sie die falschen Entscheidungen getroffen haben.“

„Ich habe das Gefühl, dass Sie von einem anderen Planeten kommen.“

„Warum?“

„Weil Ihr Leben ganz anders ist als meins und das der Leute, mit denen ich normalerweise zu tun habe.“

Katy lachte. Hätte sie Lucas am Tisch gegenübergesessen, hätte sie sich ihm wahrscheinlich nicht so öffnen können. Es verschaffte ihr einen Kick, ihn zu provozieren und sich mit ihm zu streiten, aber das hier war etwas anderes. Sie konnte sich nicht entsinnen, je ein Gespräch wie dieses mit Duncan geführt zu haben, denn er hatte entweder von sich geredet oder heftig mit ihr geflirtet.

„Mit welchen Leuten haben Sie denn normalerweise zu tun?“, fragte sie betont lässig, während sie die Hände sinken ließ und kleine Kreise auf das Holzdeck zeichnete.

„Mit toughen Karrierefrauen, die es sich nicht zur Gewohnheit machen, Obdachlosen zu nahe zu kommen“, erwiderte Lucas trocken. „Es sei denn, es handelte sich um Topanwältinnen, die vor Gericht mit Obdachlosen zu tun hatten.“

„Ja, ich erinnere mich, dass Sie mir von diesen Karrierefrauen erzählt haben, die niemals mehr wollten, als Sie zu geben bereit waren. Die gefällig sind und eine beruhigende Wirkung auf Sie ausüben.“

Lucas lachte. Da hatte er Katy auch gewarnt, dass sie nicht auf dumme Gedanken kommen sollte. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, betrachtete er sie. Sie hatte die Augen geschlossen, und er bewunderte ihre langen, dunklen Wimpern und ihre vollen, rosigen Lippen. Mittlerweile war sie zart gebräunt, und ihr Haar war von einigen hellen, von der Sonne ausgeblichenen Strähnen durchzogen. Dann ließ er den Blick zu ihren Brüsten schweifen, die er erst jetzt richtig betrachten konnte, weil sie vorher die Beine angezogen hatte.

Ihr Bikini war schwarz und schlicht, betonte aber trotzdem ihre verführerischen kleinen festen Brüste, ihre runden Hüften und ihre seidig glatten Schenkel. Heißes Verlangen flammte in ihm auf. Hätte Katy die Augen geöffnet und ihm einen Seitenblick zugeworfen, hätte sie es bemerkt.

Seit ihrer ersten Begegnung war er sich über ihre Anziehungskraft im Klaren. Jedem normalen Mann wäre es so ergangen. Außerdem waren ihm ihr Kampfgeist und ihre schonungslose Offenheit aufgefallen, deshalb hatte er beschlossen, selbst auf sie aufzupassen. Da er sie als Frau kennengelernt hatte, die auch mit verheirateten Männern schlief und der man nicht vertrauen konnte, hatte das auf der Hand gelegen. Trotzdem hatte die Aussicht, sich für vierzehn Tage mit ihr zurückzuziehen, ihn nicht gerade mit Abscheu erfüllt.

Lucas fragte sich, ob er sogar mit dem verbotenen Gedanken gespielt hatte, auf seinen Körper zu hören und nicht auf seinen Verstand. Vielleicht hatte ihn auch dieses Gekabbel angeregt, das neu für ihn war. In seinem wohlgeordneten Leben hatte er immer bekommen, was er wollte, und sich selten gefragt, was er tun oder lassen sollte, vor allem in Hinblick auf Frauen.

Hätte Katy sich tatsächlich als ein Mensch ohne Moralvorstellungen erwiesen und ihr Glück bei ihm versucht, hätte er kein Problem damit gehabt, rund um die Uhr zu arbeiten. Das war allerdings nicht der Fall, und je mehr er über sie erfahren wollte, desto stärker fühlte er sich zu ihr hingezogen wie zu einer Sirene. Und das war so untypisch für ihn, dass er fast nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Nur sein Körper reagierte instinktiv. Was würde Katy wohl tun, wenn sie merkte, wie er auf sie reagierte?

Katy war sich nicht sicher, ob es das plötzliche Schweigen war oder ob es zwischen ihnen knisterte. Sie öffnete die Augen und wandte den Kopf, um etwas zu sagen. Als sie jedoch seinem Blick begegnete, stockte ihr der Atem, denn sie glaubte, sich in seinen dunklen Augen zu verlieren. Sie schienen ihr eine Botschaft zu übermitteln, oder bildete sie es sich bloß ein? Sie hatte keine Erfahrung mit Männern wie Lucas. Verlegen und nervös senkte sie den Blick.

Und dann wusste sie plötzlich, welche Botschaft er ihr übermittelte.

Sie erstarrte für ein paar Sekunden, während ihr Verstand in den freien Fall ging. Lucas war erregt. Glaubte er, er könnte es versuchen und sie würde mitmachen, weil sie leicht zu haben war? Vielleicht dachte er ja immer noch, sie würde zu den Frauen gehören, die Affären mit verheirateten Männern hatten. Obwohl er es eigentlich hätte besser wissen müssen, nachdem sie ihm von ihrer Kindheit und ihren Eltern erzählt hatte. Vielleicht hatte er ihr nicht geglaubt.

Sie war nicht leicht zu haben. Trotzdem flammte ungezügeltes Verlangen in ihr auf und löschte jeden klaren Gedanken aus. Wider besseres Wissen begehrte sie diesen Mann wie verrückt.

Noch nie hatte sie einen Mann so begehrt, auch nicht Duncan, und die schockierende Intensität ihrer körperlichen Reaktion machte ihr große Angst. Katy entschuldigte sich leise, bevor sie schnell aufstand, um in den Pool zu springen, der mit seinem glitzernden blauen Wasser wie eine Oase der Sicherheit anmutete.

Ihr Herz pochte wie wild. Prompt verfehlte sie die Stufe, die zum Holzdeck um den Pool herum führte, und landete auf den Knien. Ein Bein umfassend, beobachtete sie, wie Lucas wie in Zeitlupe auf sie zukam.

„Was sollte das?“, fragte er, bevor er sie trotz ihrer Proteste hochhob. „Sie sind so schnell aufgesprungen. Habe ich etwas Falsches gesagt?“

Er trug sie vom Poolbereich weg, als wäre sie leicht wie eine Feder, und sie umklammerte seine breiten Schultern. Entsetzt stellte sie fest, dass ihr Bikinioberteil verrutscht war und den Ansatz einer Spitze entblößte.

„Wo bringen Sie mich hin?“, stieß sie hervor. „Das ist lächerlich. Ich bin nur gestolpert!“

„Sie könnten sich etwas gebrochen haben.“

„Ich habe mir nichts gebrochen!“ Fast schluchzte sie.

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil ich sonst nicht gehen könnte!“

„Sie gehen ja auch nicht, sondern ich trage Sie. Wie viel wiegen Sie eigentlich? Hätte ich nicht gesehen, wie viel Sie essen, würde ich mir Sorgen machen.“

„Ich war schon immer dünn.“ Katy nahm kaum wahr, wohin Lucas sie trug, weil sie sich angestrengt darauf konzentrierte, dass ihr Bikini nicht noch mehr verrutschte. „Bitte, bringen Sie mich in meine Kabine. Ich werde meine Knie säubern, und dann ist alles wieder in Ordnung.“

„Unsinn! Wie könnte ich damit leben, wenn ich mich nicht wie ein Gentleman verhalten würde? Ich wurde nicht dazu erzogen, Frauen in Not zu ignorieren.“

„Ich bin aber keine Frau in Not!“

Autor

Cathy Williams
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