Julia Extra Band 467

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HEIßE KÜSSE FÜR DIE FALSCHE BRAUT von KATE HEWITT
Als Olivia von einem maskierten Fremden in einen Palast in der Wüste entführt wird, verschlägt es ihr den Atem. Zwar verspürt sie Angst, aber zugleich weckt der faszinierende Mann mit den sanften Augen nie gekanntes Verlangen. Doch wer ist er - und warum nennt er sie Prinzessin?

TANZ MIT MIR, GELIEBTE LÜGNERIN! von HEIDIE RICE
Sinnliche Funken sprühen, als Hoteltycoon Lukas Blackstone bei einem exklusiven Ball mit der schönen Bronte tanzt. Allerdings hat ihre Schwester vor Jahren das Leben seines Bruders ruiniert. Was, wenn auch Bronte nur sein Geld will? Da macht sie ihm ein überraschendes Geständnis …

NUR EINE NACHT IN SEVILLA? von CATHY WILLIAMS
Eine ganz normale Geschäftsreise nach Sevilla? Von wegen! Plötzlich muss Abby so tun, als wäre sie mit ihrem sexy spanischen Boss Gabriel Romero verlobt. Natürlich bloß, um seiner kranken Großmutter eine Freude zu machen! Aber wieso kribbelt es dann so erregend in Gabriels Nähe?

SKANDAL IM INSELPARADIES von KANDY SHEPHERD
Auf einer kleinen Insel in Indonesien sucht der berühmte Tennisstar Max Conway nur eins: Ruhe vor den Paparazzi! Doch unvermutet trifft er dort auf die attraktive Nikki: ausgerechnet die Frau, die ihn vor Kurzem in einen Skandal verwickelt hat - und ihn trotzdem magisch anzieht …


  • Erscheinungstag 28.05.2019
  • Bandnummer 0467
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712907
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hewitt, Heidi Rice, Cathy Williams, Kandy Shepherd

JULIA EXTRA BAND 467

KATE HEWITT

Heiße Küsse für die falsche Braut

Prinz Zayed entführt eine Prinzessin aus dem Nachbarland, um durch die Heirat mit ihr den Frieden zu sichern. Doch als er sie heiß küsst, begreift er jäh: Die Frau in seinen Armen ist die falsche Braut!

HEIDI RICE

Tanz mit mir, geliebte Lügnerin!

Bronte wird aus Lukas Blackstone nicht schlau: Erst hält der Tycoon sie für eine Lügnerin, dann verführt er sie zu einer erregenden Liebesnacht – nur um ihr danach wieder die kalte Schulter zu zeigen …

CATHY WILLIAMS

Nur eine Nacht in Sevilla?

Liebe ist etwas für hoffnungslose Romantiker, glaubt Milliardär Gabriel Romero. Bis er spontan seine Assistentin Abby als seine Verlobte ausgeben muss. Plötzlich gerät seine Überzeugung ins Wanken …

KANDY SHEPHERD

Skandal im Inselparadies

Max hat Nikki geholfen, vor ihrem betrügerischen Bräutigam zu fliehen. Wenn sie keinen erneuten Skandal riskieren will, darf sie ihm nicht zu nahekommen! Aber wie, wenn er so un- widerstehlich sexy ist?

1. KAPITEL

Er kam durch das Fenster.

Olivia Taylor hob erschrocken den Blick von der Bettdecke, die sie gerade zusammengelegt hatte. Noch war sie zu überrascht, um Angst zu haben. Der große, kraftvolle Mann vor ihr war ganz in Schwarz gekleidet, sogar seine Haare waren von einem dunklen Turban bedeckt. Das Gesicht war jedoch klar zu erkennen, und seine stahlgrauen Augen verrieten wilde Entschlossenheit.

Olivia holte tief Luft, um zu schreien, doch er kam rasch auf sie zu und hielt ihr den Mund zu. „Ich werde Ihnen nicht wehtun“, sagte der Fremde leise auf Arabisch. Es klang schroff und sanft zugleich, und Olivia brauchte einen Moment, um ihn zu verstehen. Im Haushalt der Königsfamilie hatte sie die Landessprache zwar gelernt, aber da es ihr Job gewesen war, mit den drei jüngsten Prinzessinnen nur Englisch zu sprechen, war ihr Arabisch eher dürftig.

Der Unbekannte sprach leise weiter. „Tun Sie einfach, was ich sage, und Ihnen wird nichts passieren! Das schwöre ich bei meinem Leben.“

Olivia stand wie erstarrt da. Noch immer lag seine Hand auf ihrem Mund, und mit jedem Atemzug drang ihr der Duft seiner Haut in die Nase: eine exotische Mischung aus Pferd, Sand, Schweiß und Moschus. Seltsamerweise empfand Olivia diesen Geruch aber nicht als unangenehm …

Ihr schwirrte der Kopf. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Konnte kaum atmen. Ihre Schockstarre wich einer schwindelerregenden Panik. Alles schien sich in Zeitlupe abzuspielen, doch zugleich passierte es viel zu schnell, denn der Mann schob sie bereits zum Fenster. Ihre Beine fühlten sich an wie aus Watte, und ihr Kopf war wie leer gefegt.

Halina war nebenan. Durch die nur angelehnte Tür konnte Olivia ihre Freundin summen hören. Wie war das hier möglich? Sie war nur in Halinas Schlafzimmer, um deren Abendkleid wegzuhängen und etwas aufzuräumen. Halina war gerade von einem ihrer endlosen Abendessen mit ihren Eltern zurückgekehrt, bei dem ihre Zukunft besprochen worden war. Ihre Verlobung. Olivia wusste von Halina, dass sie nicht heiraten wollte – schon gar nicht einen rebellischen Prinzen, dem sie noch nie begegnet war.

„Er ist praktisch ein Gesetzloser“, hatte sie gesagt, als sie sich seufzend aufs Sofa geworfen hatte. „Ein Krimineller!“

„Ich habe gehört, er war in Cambridge“, hatte Olivia sanft widersprochen. Sie war daran gewöhnt, dass Halina alles überdramatisierte.

Halina hatte nur genervt die Augen verdreht. „Er lebt schon seit zehn Jahren in der Wüste. Wahrscheinlich ist er total verroht. Ich weiß noch nicht mal, ob er Englisch spricht.“

„Ganz bestimmt, wenn er in Cambridge war. Außerdem sollst du ihn erst heiraten, wenn er seinen Titel zurück hat und wieder in seinem Palast in der Hauptstadt von Kalidar lebt“, hatte Olivia ihrer Freundin ins Gedächtnis gerufen. Sie war seit vier Jahren Gouvernante von Halinas drei jüngeren Schwestern und wusste alles über die Pläne und Hoffnungen der Familie.

Halina war seit ihrem zehnten Lebensjahr mit Prinz Zayed al bin Nur verlobt. Aber vor zehn Jahren war die Familie des Prinzen von einem der Minister entmachtet worden, einem gewissen Fakhir Malouf. Prinz Zayed – damals gerade erst von der Uni zurückgekehrt – war gezwungen gewesen, sich in die Wüste zurückzuziehen und von dort aus um seinen Thron zu kämpfen.

Seitdem herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände in dem Land. Beharrlich führte Zayed seine Rebellen immer wieder in den Kampf gegen Maloufs Soldaten, doch ein Ende des Konflikts war nicht abzusehen.

Halinas Vater hatte die Verlobung zwischen seiner Tochter und dem entthronten Prinzen zwar nie aufgelöst, doch er hatte verfügt, dass eine Hochzeit erst stattfinden durfte, wenn Zayed wieder offiziell an der Macht war. Und niemand wusste, wann das der Fall sein würde …

Ob der Eindringling etwas mit dieser Angelegenheit zu tun hatte? Aber was wollte er von Olivia?

Der Fremde war schon am Fenster, saß bereits halb auf dem Sims. Er hielt sie am linken Oberarm fest, während er ihr mit der anderen Hand immer noch den Mund zuhielt. Seine Haut schmeckte salzig, und sein heißer Atem an ihrem Ohr jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Sie brauchen keine Angst zu haben.“

Seltsamerweise glaubte sie ihm, obwohl er sie gerade entführte. Allmählich funktionierte ihr Gehirn wieder besser. Sie begann, sich gegen seinen Griff zur Wehr zu setzen.

„Lassen Sie das lieber bleiben“, sagte er schroff. Seine Hände fühlten sich wie aus Eisen an. Starr, unzerbrechlich und trotzdem seltsam sanft. Olivia schlug das Herz bis zum Hals. Das hier war vielleicht ihre einzige Gelegenheit zu entkommen. Wenn sie es nicht schaffte …

Ihre Fantasie versagte. Sie hatte keine Ahnung, was dieser Mann mit ihr vorhatte.

„Ich habe doch gesagt, dass ich Ihnen nicht wehtun werde.“ Eine Spur Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. „Das hier ist für uns beide zum Besten.“

Was absolut keinen Sinn ergab. Es war definitiv nicht das Beste für sie, entführt zu werden. Und wie war es diesem Mann überhaupt gelungen, durch Halinas Fenster zu steigen?

Der königliche Palast im Wüstenreich von Abkar lag mehrere Meilen von der Hauptstadt entfernt auf dem Land. Er war von einer hohen Mauer geschützt und wurde rund um die Uhr von Soldaten bewacht. Auch Hunde waren im Einsatz. Hassan Amari überließ nichts dem Zufall, wenn es um seine kostbare Familie ging. Und doch war dieser Mann jetzt hier – dunkel, stark und absolut Herr der Lage. Irgendetwas musste schiefgegangen sein, auch wenn Olivia sich nicht vorstellen konnte, was.

Der Mann drehte sie zu sich um. Sein Gesicht war nun so dicht vor ihr, dass sie seine erstaunlich langen schwarzen Wimpern bemerkte. Seine Augen waren nicht grau, wie sie zuerst gedacht hatte, sondern eher graugrün wie Moos. Grimmige Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit spiegelte sich auf seinen markanten Gesichtszügen.

„Ich werde gut auf Sie aufpassen.“ Er schlang ihr ein Seil um die Taille, hob sie über den Fenstersims – und ließ sie in die Dunkelheit fallen.

Ihr Herzschlag schien auszusetzen, als sie plötzlich nichts als kühle Luft um sich spürte, aber Olivia war zu erschrocken, um zu schreien. Dann landete sie auch schon schwer in den Armen eines anderen Mannes. Er setzte sie rasch ab, band ihr einen Schal um den Mund und befreite Olivia von dem Sicherheitsseil um ihre Taille.

Der Mann, der in Halinas Zimmer eingestiegen war, kletterte bereits geschickt die Palastmauer hinunter. Nachdem er leichtfüßig gelandet war, musterte er kritisch Olivias Knebel.

„Tut mir leid“, sagte der andere Mann leise. „Aber ich wollte verhindern, dass sie schreit.“

Der Fremde nickte kurz.

Die Gedanken überschlugen sich in Olivias Kopf. Was geht hier vor? Warum entführen sie mich?

Der Mann verzog die Lippen zu einem schwachen Lächeln. „Kommen Sie“, sagte er, nahm sie an einem Ellenbogen und zog sie zu mehreren Pferden, die an der Palastmauer festgebunden waren.

Pferde? Wie zum Teufel sollten sie zu Pferd den Palast verlassen? Der einzige Weg hinaus führte durch das Tor, das ständig von Sultan Hassans Soldaten bewacht wurde.

Als der Mann sie auf ein Pferd setzte, wusste Olivia nicht, wie sie sich festhalten sollte. Anders als Halina und ihre Schwestern, die praktisch auf Pferden aufgewachsen waren, war sie noch nie geritten. Der Mann hob belustigt die Augenbrauen und schwang sich hinter ihr in den Sattel, sodass sie zwischen seinen harten Schenkeln saß.

Er schlang ihr einen Arm um die Taille und zog sie eng an sich. Olivia konnte seinen Herzschlag im Rücken spüren, die Hitze seines Körpers. Sein Duft berauschte ihre Sinne. Noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen.

„Lass uns aufbrechen“, sagte der Mann mit einer Stimme, die zugleich weich und herrisch klang. Zu Olivias Verblüffung ritten sie direkt durch das Tor, weit und breit war kein Soldat in Sicht. Was war bloß geschehen?

Kaum waren sie weit genug weg, nahm der Mann ihr den Knebel ab. „Ich muss mich entschuldigen. Ich wollte nicht, dass man Sie grob behandelt.“

Seine höflichen Worte verwirrten Olivia nur noch mehr. Er war ihr Entführer! Doch jetzt war nicht die richtige Gelegenheit, Fragen zu stellen. Der Wind sauste in Olivias Ohren, und der Sand flog ihr in die Augen. Der Mann zügelte sein Pferd und schützte ihr Haar und ihren Mund mit dem Schal, von dem er sie eben erst befreit hatte. „So ist es besser“, murmelte er ihr ins Ohr.

Wieder erschauerte sie. Sie war sich seiner harten Muskeln nur allzu bewusst – seines muskulösen Arms, der ihr fast ein Gefühl der Geborgenheit vermittelte. Er stieß dem Pferd die Absätze in die Flanken, und sie flogen weiter über den Sand.

Ganze Stunden verstrichen. Der Mann hielt sie die ganze Zeit fest, während Olivia von der ständigen Erschütterung allmählich alles wehtat.

Ein silberner Halbmond und unzählige Sterne erleuchteten die Wüste. Das einzige Geräusch kam vom rhythmischen Galopp der Pferde. Irgendwann döste Olivia ein, den Kopf auf der Brust des Mannes – erschöpft von der ständigen schaukelnden Bewegung.

Ruckartig wachte sie auf, als der Mann sein Pferd zügelte und den Griff um ihre Taille etwas lockerte. Blinzelnd spähte sie in die Dunkelheit. Nicht weit entfernt sah sie flackernde Lichter und hörte gedämpfte Stimmen, konnte jedoch nichts verstehen.

Der Mann hielt das Pferd an, stieg ab und drehte sich zu ihr um.

Verunsichert sah Olivia zu ihm herunter. Sie bekam plötzlich schreckliche Angst. Anscheinend waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen, und sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde. Was dieser Mann mit ihr vorhatte. Er hatte zwar gesagt, dass er ihr nicht wehtun und auf sie aufpassen würde, aber warum sollte sie ihm glauben?

„Steigen Sie ab“, sagte er leise. „Niemand wird Ihnen wehtun. Ich habe Ihnen meinen Eid gegeben.“

„Warum …?“, krächzte sie. Ihr Hals war staubtrocken, und ihre Lippen und Haut waren sandverkrustet. „Warum haben Sie mich entführt?“

„Um für Gerechtigkeit zu sorgen“, antwortete er und hob sie geschickt vom Pferd. „Essen und trinken Sie erst mal und erfrischen Sie sich. Dann werden wir reden.“

Als Olivia mit den Füßen den Boden berührte, sackte sie vor Schwäche einfach in sich zusammen. Sie schämte sich dafür, aber sie war noch nie vorher geritten, und sie waren mehrere Stunden lang galoppiert.

Der Mann fing sie fluchend auf. „Ich dachte, Sie können reiten.“

„Was?“ Olivia blinzelte verwirrt. Wie kommt er denn darauf? „Nein, kann ich nicht. Ich habe es nie gelernt.“

„Dann hat mein Geheimdienst sich in dieser Hinsicht anscheinend geirrt.“ Er wandte sich ab, bevor sie etwas darauf erwidern konnte. „Suma wird sich um Sie kümmern.“

Zayed al bin Nur ging auf sein Zelt zu. Vom schnellen Ritt schmerzten ihm die Muskeln, aber sein Herz klopfte triumphierend. Er hatte es geschafft. Es war ihm tatsächlich gelungen, Prinzessin Halina Amari zu entführen. Jetzt musste er sie nur noch zu seiner Ehefrau machen.

Grimmig verzog er die Lippen, als er sich die Wut seines künftigen Schwiegervaters vorstellte. Die Entführung war ein riskanter, aber gut durchdachter Schachzug gewesen. Hassan Amari wusste, dass Zayed für eine gute Sache kämpfte. Und Zayed wusste, dass er die volle Unterstützung des Nachbarreichs Abkar brauchte, um den Krieg gegen Fakhir Malouf endlich zu Ende zu bringen. Gegen den Mann, der ihm den Thron genommen … und seine Familie ermordet hatte.

Die altbekannte eiskalte Wut stieg in ihm auf. Aber nach all den Jahren war diese Wut so vertraut, dass sie fast tröstlich war.

Als Zayed das Zelt betrat, sprang sein Ratgeber und Freund Jahmal sofort auf.

„Mein Prinz.“

„Ist alles vorbereitet?“

„Ja, mein Prinz.“

Zayed streifte seinen staubigen Umhang ab und riss sich den Turban vom Kopf. Er fuhr sich mit einer Hand durch das sandige Haar. „Danke. Ich werde meiner Braut eine halbe Stunde Ruhe gönnen und mich selbst erfrischen. Danach werden wir mit der Zeremonie anfangen.“

Jahmal schien etwas unbehaglich zumute zu sein, aber er nickte. „Ja, mein Prinz.“

Zayeds engste Ratgeber hatten gewisse Zweifel geäußert, was die Entführung anging. Sie befürchteten Hassan Amaris Rache. Es wäre eine Katastrophe, sollte das Nachbarland, das bisher zu ihren Verbündeten gezählt hatte, sich plötzlich gegen Zayed und seine Anhänger stellen.

Aber seine Berater wurden auch nicht von der gleichen Wut und Angst getrieben wie Zayed. Sie erinnerten sich nicht an die Schreie seines Bruders und Vaters, die in einem abstürzenden Hubschrauber verbrannt waren. Sie hatten nicht die Augen seiner trauernden Mutter schließen müssen, nachdem sie in seinen Armen gestorben war. Sie wachten nicht nachts schweißgebadet aus einem nicht enden wollenden Alptraum auf.

Nein, sie verstanden ihn nicht. Niemand würde ihn je verstehen. Dieser Bürgerkrieg würde unendlich lange so weitergehen, wenn Zayed nicht endlich aktiv wurde und zu drastischen Mitteln griff. Fakhir Malouf durfte nicht damit fortfahren, das Land um Jahrzehnte zurückzuwerfen und die Menschen mit seinen hoffnungslos gestrigen Ansichten zu unterdrücken. Zayed hatte handeln müssen. Und die Entführung war seine einzige Option gewesen.

Außerdem gab es Schlimmeres als eine überstürzte Hochzeit. Er löste sein Eheversprechen früher ein als geplant, das war alles. Halina würde das irgendwann akzeptieren.

Eine halbe Stunde später, frisch gebadet und rasiert, betrat er das Zelt, in das er die entführte Prinzessin hatte bringen lassen. Als seine Augen sich an das flackernde Kerzenlicht gewöhnt hatten, sah er sie mit dem Rücken zu ihm auf einem Seidenkissen sitzen. Sie trug eine tiefblaue, mit Silberfäden bestickte Robe, die ihre schlanke Figur sorgfältig verhüllte. Er wusste jedoch genau, wie zart und leicht sie in seinen Armen gewesen war.

Ein überraschend starkes Verlangen überwältigte ihn. Diese Ehe wurde nur aus politischen Gründen geschlossen, aber es war schon sehr lange her, dass er mit einer Frau das Bett geteilt hatte …

Als die Klappe mit einem Rascheln hinter ihm zufiel, drehte Halina sich um und sprang auf. Ihre aufgerissenen Augen waren wunderschön – tiefblau und mit dunklen Wimpern. Mit solchen Augen hatte Zayed nicht gerechnet.

Aber natürlich hatte er auch noch nie ein richtiges Foto von seiner Braut gesehen, nur ein paar verschwommene, aus der Ferne aufgenommene Schnappschüsse. Die Prinzessin war in völliger Abgeschiedenheit aufgewachsen. Sie waren miteinander verlobt worden, als er zwanzig und sie zehn gewesen war – durch Stellvertreter, sodass sie sich nie begegnet waren. Die Umstände ihrer ersten richtigen Begegnung waren nicht gerade glücklich, aber darin ließ sich gerade nichts ändern.

Zayed straffte die Schultern. „Haben Sie es bequem?“

Sie zögerte und sah ihn forschend an. „Ja“, antwortete sie schließlich. Ihre Stimme klang zugleich sanft und heiser. Angenehm. Ihre Augen und ihr Haar gefielen ihm auch, und nach dem langen Ritt wusste er, wie schlank und weiblich sie gebaut war. Gleich vier Dinge, für die er dankbar sein konnte. Er hatte sowieso keine großen Erwartungen gehabt. Man erzählte sich, dass Halina eine kleine Dramaqueen und ziemlich verwöhnt war. Die Frau vor ihm machte auf Zayed aber keinen besonders verzogenen Eindruck …

Sie schluckte. „Ich … ich verstehe nur nicht … Warum …“

Hinter ihnen raschelte wieder die Klappe. Zayed erwiderte den fragenden Blick des Imams, der die Trauung vollziehen sollte. Zayed hätte eine standesamtliche Heirat vorgezogen, aber Malouf würde eine von einem Notar besiegelte Ehe nicht anerkennen.

„Wir sind so weit“, sagte er zu dem Imam, der nickte.

Halina sah verwirrt zwischen ihnen hin und her. „Was … was haben Sie …?“

„Du brauchst nur Ja zu sagen“, sagte Zayed schroff. Er hatte jetzt keine Zeit für irgendwelche Fragen oder Bedenken. Sie konnten nach der Trauung alles Nötige klären.

Halinas Augen hatten sich verdunkelt, und ihre rosigen Lippen öffneten sich. „Ja“, wiederholte sie und sah ihn fragend an. Hatte sie denn keine Ahnung, was hier vor sich ging? Für Zayed war das offensichtlich, aber auch die Prinzessin würde es schon bald begreifen. Er konnte ihr jetzt nicht im Einzelnen alles erklären. Das Lager war zwar gut versteckt, aber es konnte sein, dass Sultan Hassan bereits seine Soldaten ausgeschickt hatte, um seine Tochter zurückzuholen. Und bis dahin mussten sie getraut sein.

Rasch begann der Imam mit der Zeremonie. Zayed hielt Halina an einem Arm fest. Sie wirkte immer noch ziemlich durcheinander, aber sie wusste schließlich, dass sie verlobt war. Zayeds Methoden mochten etwas unorthodox sein, doch das Ergebnis war das Gleiche wie bei einer großen Hochzeitsfeier.

Als sich ein Schweigen im Zelt ausbreitete, wurde Zayed bewusst, dass Halina an der Reihe war zu sprechen. „Sag Ja“, zischte er.

Verwirrt blinzelte sie ihn an. „Ja“, wiederholte sie nach kurzem Zögern.

Der Imam fuhr fort, und Zayed musste Halina noch zwei Mal auffordern, Ja zu sagen.

Als er an die Reihe kam, stieß er seine drei Ja wie aus der Pistole geschossen hervor und seufzte erleichtert und befriedigt auf. Geschafft! Sie waren verheiratet.

„Ich werde dich jetzt allein lassen“, sagte er zu Halina, die immer noch völlig durcheinander wirkte.

„Allein?“

„Ja, damit du dich vorbereiten kannst.“ Zayed zögerte, beschloss dann jedoch, keine weiteren Erklärungen abzugeben. Nicht jetzt, im Beisein des Imams. Er würde später mit der Prinzessin reden – am besten bei Essen und Wein, wenn sie sich entspannen konnten. Dann würde er ihr erklären, dass sie heute nicht nur geheiratet hatten, sondern auch die Ehe vollziehen würden.

2. KAPITEL

Olivia hatte das Gefühl, in ein Kaninchenloch gefallen zu sein und sich in einer verrückten, furchteinflößenden Parallelwelt wiederzufinden. Sie hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging. Im Zelt hatte sie nur ein Drittel verstanden, falls überhaupt. Anscheinend war irgendeine Zeremonie abgehalten worden, aber welche? Und dann hatte der Mann ständig von ihr verlangt, Ja zu sagen, aber wozu? Vielleicht bereitete er eine Lösegeldforderung an die Königliche Familie vor und wollte, dass sie ihre Unversehrtheit bestätigte?

Sie war unversehrt, aber sie war auch verwirrt und hatte Angst. Wer war der ungeduldige Mann mit den sanften Augen? Was wollte er von ihr?

Suma, die Frau, die ihr beim Baden und Ankleiden geholfen hatte, holte sie vom Zelt ab und brachte sie in ein weiteres Zelt, das mit jedem nur erdenklichen Luxus ausgestattet war. Verwirrt betrachtete Olivia das Nachthemd, das Suma ihr reichte. Es war aus fast durchsichtiger und mit Goldfäden durchwirkter Seide. Sie hatte keine Ahnung, was sie damit anfangen sollte.

Suma, die sie inzwischen wieder alleingelassen hatte, hatte sie nicht fragen können. Erstens verstand sie den Dialekt der älteren Frau nicht, und zweitens würde sie ihr bestimmt sowieso keine Antwort geben.

Hilflos sah Olivia sich in dem Zelt um. Auf einem Podest lag eine Matratze, die mit handgewebten Seidendecken und prachtvoll bestickten Kissen belegt war. Kerzen flackerten, und die Zeltbahnen bewegten sich im Wüstenwind. Von draußen konnte Olivia das Wiehern von Pferden hören. Ab und zu erklangen vereinzelte männliche Stimmen.

Was sollte sie jetzt nur machen? Eine Flucht wäre in der Dunkelheit keine gute Entscheidung. Sie konnte nicht reiten, und sie waren Stunden von jeglicher Zivilisation entfernt. Aber ein fast durchsichtiges Nachthemd anzuziehen, kam auch nicht infrage. Das Letzte, das sie wollte, war, noch weniger anzuhaben.

Unschlüssig legte sie das Nachthemd aufs Bett und überlegte fieberhaft, wie sie trotzdem entkommen konnte. Würde der Mann zurückkehren? Sprach er überhaupt Englisch? Falls ja, würde sie versuchen, Antworten von ihm zu bekommen.

Suma kehrte mit einem Teller Obst und Käse sowie einem Krug, einer Wasserkaraffe und zwei goldenen Kelchen zurück. Es wirkte alles sehr zivilisiert. Olivia wurde wie ein Ehrengast und nicht wie eine Gefangene behandelt … aber sie hatte immer noch keine Ahnung, was ihr Entführer mit ihr vorhatte. Die Ungewissheit wurde allmählich unerträglich.

Als die ältere Frau das Nachthemd auf dem Bett sah, runzelte sie missbilligend die Stirn. Mit einer Geste wies sie Olivia an, sich endlich umzuziehen, doch Olivia schüttelte den Kopf.

„Nein!“, sagte sie klar und deutlich. Ihr Arabisch war vielleicht nicht perfekt, aber sie sprach mit umso mehr Nachdruck. „Ich will das nicht anziehen.“

Suma gestikulierte und gab eine Wortflut in ihrem unverständlichen arabischen Dialekt von sich.

„Ja“, bestätigte Olivia, als sie das Wort für „schön“ verstand. „Ja, es ist sehr schön. Aber ich will es trotzdem nicht.“

Suma schüttelte misbilligend den Kopf und verschwand. Olivia seufzte erleichtert auf. Sie wollte wirklich nicht in einem Wüstenlager vor fremden Männern in einem Nachthemd rumlaufen, das aussah wie etwas, das eine Braut in ihrer Hochzeitsnacht tragen würde.

Unruhig ging sie in dem luxuriösen Zelt hin und her und fragte sich, wann ihr endlich mal jemand erklären würde, was zum Teufel sie hier sollte. Was wollte man von ihr? Wenn die Leute hier glaubten, dass Sultan Hassan Lösegeld für sie zahlen würde, konnten sie sich auf eine Enttäuschung gefasst machen. Hassan mochte sie, aber sie war nur seine Angestellte.

Oder wollte man sie aus einem anderen Grund?

Olivia versuchte, ihre erneut aufkeimende Panik zu verdrängen. Sie hätte jetzt gern den Mann mit den sanften graugrünen Augen wiedergesehen, auch wenn sein entschlossenes Auftreten recht einschüchternd auf sie gewirkt hatte. Dieser Mann hatte eine so starke und bezwingende Ausstrahlung, dass es ihr in seiner Nähe schwerfiel zu atmen. Oder zu denken. Und sie brauchte gerade einen klaren Kopf. Irgendwie musste sie herausfinden, warum sie hier war … und wie sie entkommen konnte.

Die Klappe ging wieder auf, und da war er. Seine graugrünen Augen leuchteten im Kerzenlicht. Er war genauso gekleidet wie vorhin, in einer weiten Hose und einem langen weißen Leinenhemd, das locker an seinem muskulösen Körper herabfiel.

Olivia versuchte, nicht zu schlucken. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und hob trotzig das Kinn. „Ich will wissen, warum Sie mich hierhergebracht haben“, sagte sie auf Englisch.

Der Mann sah sie für einen Moment ganz überrascht an. „Dein Englisch ist sehr gut.“

Das lag daran, dass sie zur Hälfte Engländerin war. Als Tochter eines Diplomaten hatte sie überall und nirgendwo gelebt, aber da er Engländer gewesen war, hatten sie immer nur Englisch gesprochen. „Ich ziehe das Englische dem Arabischen vor.“

„Tust du das?“ Sein eigenes Englisch war makellos. Stirnrunzelnd sah er sie an. „Warum hast du dich nicht umgezogen?“, fragte er und nickte Richtung Nachthemd auf dem Bett.

„Warum sollte ich so etwas freiwillig anziehen?“

Er verzog die schönen Lippen zu einem Lächeln. Anscheinend fand er ihre Antwort amüsant. „Weil es bequem ist? Und schön? So schön wie du.“ Er ging an ihr vorbei zu einem niedrigen Tisch mit zwei Stühlen, auf dem ein Tablett mit Essen bereitstand. „Komm, lass uns etwas essen und trinken.“ Er zeigte auf einen der niedrigen Klappstühle. „Mach es dir bequem.“

Olivia sah ihn verblüfft an. Sie sollte schön sein? Das hatte bisher noch niemand zu ihr gesagt. Sie hatte sich immer als unscheinbar empfunden.

Er setzte sich und lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück. Er wirkte unglaublich entspannt … und unglaublich anziehend. Olivia fand schon seinen bloßen Anblick erregend – sein dunkles, kurz geschnittenes Haar, seine schönen graugrünen Augen, seine gerade Nase und seine markanten, faszinierenden Gesichtszüge. Und sein Körper erst … lang, schmal und sehnig. Sogar im Sitzen strahlte er Kraft und Energie aus – Macht und Anmut. Er wirkte wie eine Dschungelkatze auf dem Sprung, als er sie unter halb geschlossenen Lidern ansah. So als wolle er sie verschlingen …

Die Vorstellung hatte etwas verboten Erregendes.

Wieder stieg so etwas wie Angst in ihr auf, aber zugleich empfand sie etwas anderes. War es Verlangen? Sein Blick war so sexy. Niemand hatte sie je so angesehen. Bisher hatte sie immer eine Art Schattendasein geführt, ungesehen und ungehört – ignoriert von ihrem vielbeschäftigten verwitweten Vater, eine Außenseiterin in der Schule.

Seit Olivia Gouvernante der Amari-Prinzessinnen geworden war, stand sie noch weniger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit als zuvor. Bisher hatte ihr das nie etwas ausgemacht. Sie war daran gewöhnt, sich zurückzunehmen. Es war ihr sogar ganz recht, im Hintergrund zu bleiben. Nur in Augenblicken wie diesen wurde ihr bewusst, wie langweilig ihr Leben bisher gewesen war. So als hätte sie immer nur darauf gewartet, dass etwas passierte. Und jetzt war es so weit.

Ich bin entführt worden! rief sie sich ins Gedächtnis. Das hier war kein romantisches Abenteuer. „Ich verlange, dass sie mich freilassen.“

Der Mann hob eine Augenbraue. „Und wohin? In die Wüste?“

„Zurück in den Palast.“

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, auch wenn er nach außen hin entspannt blieb. „Du weißt, dass das ausgeschlossen ist.“

„Woher soll ich das wissen?“

Er zeigte auf den Zelteingang – eine Geste, die Olivia nicht verstand. „Es ist zu viel passiert. Und jetzt komm.“ Er griff nach der Karaffe und füllte die beiden Kelche mit etwas, das wie Wasser aussah, bevor er etwas Milchiges aus dem Krug hinzufügte.

Olivia beäugte es kritisch. „Was ist das?“

„Arak, mit Wasser vermischt. Das hast du doch bestimmt schon mal getrunken?“

„Nein.“ Sie hatte höchstens mal an Weihnachten oder Neujahr Champagner getrunken.

„Probier es. Es schmeckt angenehm erfrischend.“ Er lächelte ihr zu und entblößte dabei sehr weiße, sehr gerade Zähne.

Olivia blieb, wo sie war. Sie wollte sich nicht zu diesem Mann setzen und etwas mit ihm trinken. Er hatte sie entführt!

„Und?“ Er hielt ihr ein Glas hin und wartete.

„Es widerstrebt mir, Essen oder Trinken von Ihnen anzunehmen.“

„Ist das so?“ Irritiert sah er sie an. „Warum so bockig?“

Seine Wortwahl erboste Olivia, aber er hatte nicht ganz unrecht. Sie hatte Hunger und Durst, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das Essen vergiftet hatte. Es war albern, sich etwas zu versagen, das ihr guttun würde.

Das Kinn trotzig erhoben, um ihre Angst nicht zu zeigen, nahm sie ihm gegenüber Platz und griff nach dem Glas, das er ihr hinhielt. Dabei streifte sie aus Versehen seine Finger. Es knisterte so heftig zwischen ihnen, dass ihr Arm zuckte und ihr ganz heiß wurde. Dem Mann fiel das natürlich sofort auf, das sah Olivia an dem kurzen Aufblitzen seiner Augen. Sie errötete. Sie kam sich so naiv vor, so linkisch. Und dass sie sich ausgerechnet zu ihm hingezogen fühlte, ihrem Entführer

Wie schwach und falsch von ihr.

„Koste“, forderte er sie gedehnt auf.

Als Olivia den Kelch zu den Lippen führte, war ihr der intensive und sinnliche Blick des Mannes nur allzu bewusst. Vorsichtig probierte sie. „Das schmeckt ja nach Lakritz.“

„Das ist Anis. Schmeckt es dir?“

Sie trank noch einen Schluck. Ihr Hals und ihr Magen brannten. Das Getränk wärmte sie angenehm. „Ich … ich weiß nicht.“

Er lachte heiser.

Sie trank noch einen Schluck, um sich Mut anzutrinken, auch wenn sie wusste, dass es unklug war, Alkohol zu trinken. Das Letzte, das sie wollte, war, vor diesem Fremden die Beherrschung zu verlieren, so anziehend er auch war.

„Du hast noch nie Arak getrunken?“, fragte er. „Dann biete ich dir ja eine völlig neue Erfahrung.“

Olivia stellte den halb geleerten Kelch zurück auf den Tisch. Sie hatte nur wenige Schlucke getrunken, spürte jedoch schon jetzt die enthemmende Wirkung. Und das war nicht gut, schon gar nicht, wenn der Mann sie so ansah wie jetzt, so intensiv und … na ja, voller Begierde.

Die Erkenntnis war ein Schock. Sie war naiv, ja, und völlig unschuldig, aber sogar sie erkannte die Glut in seinem Blick, auch wenn sie kaum glauben konnte, dass ein so charismatischer, sinnlicher und attraktiver Mann sie wollte … Es war alles so verwirrend.

Sie wandte den Blick von ihm ab. „Wo sind wir eigentlich?“

„In der Wüste.“

„Das weiß ich, aber wo genau? Sind wir noch in Abkar?“

Anstatt zu antworten, legte er den Kopf schief und musterte sie von Kopf bis Fuß. Ihr wurde ganz heiß unter seinem Blick. Es war, als erwachte ihr Körper zum ersten Mal zu Leben – ihre Brüste, ihre Schenkel, ihre Lippen. Das Prickeln wollte gar nicht mehr aufhören. Es ließ sich nicht länger leugnen, löschte ihren gesunden Menschenverstand aus, ihre Vernunft.

Verunsichert griff Olivia nach ihrem Kelch. Sie würde nur noch einen Schluck trinken, mehr nicht. Sie musste sich einfach von ihrer sehr unwillkommenen Körperreaktion ablenken.

„Nein, wir sind nicht mehr in Abkar“, antwortete er, sie immer noch unverwandt ansehend. „Wir sind in Kalidar.“

Also in dem Land von Halinas Verlobtem Prinz Zayed. Hing ihre Entführung mit Halinas Hochzeit zusammen? Steckte womöglich Fakhir Malouf dahinter? Bei der Vorstellung verkrampfte sie sich wieder. Sie hatte schreckliche Dinge über Malouf gehört, einen Mann, der keine Gnade zu kennen schien. Dieser Mann hier kam ihr zwar nicht wie einer von Maloufs Schergen vor … aber wer war er dann?

Er schien ihr anzumerken, was in ihr vorging, denn er beugte sich vor und sah sie intensiv an. „Ich habe dir doch gesagt, dass du keine Angst vor mir zu haben brauchst. Die Umstände unserer ersten Begegnung sind nicht gerade glücklich, aber du kannst mir vertrauen.“

„Sie haben mich aus dem Palast entführt“, widersprach Olivia, froh, dass ihre Stimme nicht zitterte. „Warum sollte ich Ihnen vertrauen?“

„Die Entführung war notwendig.“

„Warum?“

„Weil ich schon lange genug gewartet habe und nicht länger warten wollte. Aber heute Nacht brauchen wir nicht über Politik zu reden, hayati.“

Mein Leben. Der Kosename verwunderte sie. Sie fühlte sich seltsam entblößt, so als ob das achtlose Wort ein Bedürfnis offengelegt hatte, das sie bislang erfolgreich verdrängt hatte.

Olivia blinzelte verwirrt. Sie wünschte, sie hätte nicht so viel Arak getrunken. Ihr ganzer Körper schien zu vibrieren, wenn auch nicht nur vom Alkohol. Die Wirkung, die dieser Mann auf sie hatte, war viel berauschender als Arak. Es war erschreckend, dass sie so schnell und stark auf einen Fremden reagierte, der noch dazu ihr Entführer war …

Verführerisch lächelnd beugte er sich vor, schnitt eine Scheibe Käse ab und hielt sie Olivia hin. Seine Lider waren halb gesenkt, und er lächelte sexy. Olivia überlief es wieder heiß. „Du solltest etwas essen. Vor allem, nachdem du so viel Arak getrunken hast, den du anscheinend nicht gewohnt bist.“

„Ich … oh.“ Olivia stellte ihren Kelch auf den Tisch zurück und beschloss, nichts mehr zu trinken. Nach kurzem Zögern nahm sie das Stück Käse, wobei ihre Finger wieder die des Mannes streiften, und biss hinein. Der Käse war köstlich – frisch und würzig. Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie war.

„Gut?“

„Ja, sehr gut.“

Der Mann schnitt sich selbst eine Scheibe ab und steckte sie sich in den Mund. „Iss ein paar Trauben“, forderte er sie auf, nachdem er den Käse hinuntergeschluckt hatte. Er griff nach den Früchten.

Olivia kaute ihren Käse, fasziniert vom Anblick der langen schmalen Finger des Mannes. Alles an ihm sah so sinnlich aus, so sexy. Es gab kein Entrinnen, keine Chance, ihre Körperreaktionen zu ignorieren – die erotische Spannung, die in der Luft lag. Es war alles so ungewohnt und doch so … aufregend.

Es gab kein passenderes Wort dafür. Olivia hatte das Gefühl, irgendein geheimnisvolles Elixier getrunken zu haben, das jetzt seine berauschende Wirkung auf sie entfaltete. Sie wollte mehr – mehr Prickeln, mehr süßes Verlangen, obwohl ihr Verstand ihr riet, sich in Sicherheit zu bringen.

Sie griff nach den Trauben, doch der Mann schüttelte lächelnd den Kopf, pflückte eine ab und hielt sie ihr hin. Olivia sah ihn verunsichert an.

„Öffne den Mund“, sagte er leise.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Seine Aufforderung war so offensichtlich erotisch. Sie sollte Nein sagen, von ihm verlangen, sie freizulassen, ihn wütend anschreien oder zumindest ängstlich reagieren. Alles, nur nicht diese demütige Gehorsamkeit. Sie war schon jetzt Sklavin ihres Verlangens nach ihm.

Stumm öffnete sie die Lippen.

Zayed empfand eine Mischung aus Triumph und Begierde, als Halina die Lippen öffnete. Sie war wirklich faszinierend, wirkte so völlig ungekünstelt … und vielleicht war sie das sogar. Ihre Unschuld schien echt zu sein. Ihr Blick wirkte arglos, jede ihrer Reaktion erfrischend natürlich, sogar ein wenig linkisch. Sie verbarg nichts.

Sie unverwandt ansehend, um keinen Zweifel daran zu lassen, wie sehr er sie begehrte, schob er ihr die Traube in den Mund und strich ihr dabei mit dem Daumen über die Unterlippe. Halina keuchte erschrocken auf, schloss jedoch die Lippen um die Traube und kostete von der süßen Frucht. All ihre Gefühle und Empfindungen spiegelten sich in ihren geweiteten Augen – der Geschmack der Traube, die Berührung seiner Finger.

„Köstlich“, sagte Zayed sanft, den Blick immer noch auf sie gerichtet. Ihr dunkles Haar fiel ihr in seidigen Wellen über die Schultern. Er sah die Rundungen ihrer Brüste und Hüften. Sein Verlangen nach ihr wurde fast schmerzhaft intensiv. Sie war wirklich unglaublich schön. Er konnte es kaum erwarten, mit ihr zu schlafen.

Und er würde auch nicht warten. Mit jeder Minute, die verging, kamen Sultan Hassans Soldaten näher, um seine Tochter zu befreien. Bis dahin wollte Zayed die Ehe vollzogen haben. Und so wie Halina auf ihn reagierte, war sie nicht abgeneigt.

Sie schluckte verwirrt. „Wozu das alles?“

Zayed beugte sich wieder über den Tisch. „Weil ich dich sehr begehrenswert finde, hayati.“ Der Kosename kam ihm mühelos über die Lippen. Schließlich war sie sein Leben – der Schlüssel für all seine Ambitionen und Wünsche. Das durfte er nicht vergessen, so sehr er sie auch begehrte. Diese Ehe war notwendig, um den Thron zurückzuerobern. Sein Erbe. Sein Leben.

„Aber …“ Nervös fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die sinnlichen Lippen. Zayed hätte fast laut aufgestöhnt vor Verlangen. „Aber Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Ich weiß genug über dich. Und das hier war sowieso vorherbestimmt, oder? Es stand schon immer in den Sternen.“ Es war eine blumige Sprache für ein rein geschäftliches Abkommen, aber warum nicht? Seine Braut sah ihn zuerst ganz erschrocken und dann … glücklich an. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung anscheinend nicht.

„Haben Sie mich deshalb entführt?“

„Natürlich.“ Er hatte sie aus Verlangen entführt, wenn auch eine andere Art Verlangen, als sie dachte. „Komm mit.“ Er stand auf, nahm ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen.

Von Kopf bis Fuß zitternd stand sie vor ihm, den Kopf und die Augenlider gesenkt, sodass ihre langen Wimpern Schatten auf ihre Wangen warfen. „Was …?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Was haben Sie mit mir vor?“

„Ich will dich lieben.“ Zayed legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie war sehr schlank, fast zerbrechlich. „Lange und zärtlich.“ Er senkte den Kopf und presste die Lippen auf ihre linke Schläfe. Ihre Haut fühlte sich glatt und kühl an. „Willst du das nicht auch?“ Sie erschauerte, als er sanft mit seinen Lippen ihren zarten Hals berührte.

„Ich … ich habe nicht …“, stammelte sie.

Lachend küsste Zayed ihren Halsansatz. Sie duftete nach Zitrone. „Ich weiß, hayati.“

„Aber … aber … Sie haben mich doch nicht nur deshalb hergebracht, oder?“ Sie stöhnte, als er ihre Taille umfasste. Ihre Reaktion auf ihn war so intensiv, dass sein Verlangen umso heftiger aufflammte.

„Und wenn doch?“, murmelte er und strich ihr sanft über eine Brust. Er wollte es langsam angehen lassen, aber es fiel ihm schwer, sich zurückzuhalten. Schwerer als gedacht. Sein Körper verlangte nach Befriedigung, und seine Braut zitterte vor Verlangen.

„Sie haben mich nur deswegen …?“

Sah sie etwa eine Art romantischen Ritter in ihm, der sie entführt hatte, weil er ihr nicht hatte widerstehen können? Die Vorstellung war lachhaft, aber er würde sie nicht korrigieren. Zumal er sie tatsächlich begehrte. Sehr sogar. „Ja, deswegen“, versicherte er ihr – und küsste sie auf die Lippen.

3. KAPITEL

Sein Kuss verschlug Olivia den Atem, raubte ihr ein Stück von ihrer Seele. Es war ihr allererster Kuss, und sie schwankte leicht, als der Mund des Fremden ihre Lippen berührte. Ihr Körper wurde von lustvollen Empfindungen überflutet, und in ihrem Kopf drehte sich alles. Nie hätte sie hiermit gerechnet. Sie wurde verführt, und zwar so raffiniert, dass sie einfach nicht widerstehen konnte. Sie wollte es auch gar nicht. Dazu waren die Empfindungen, die er in ihr auslöste, einfach zu schön. Zu aufregend.

Die Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie vor diesem Mann warnte, ihrem Feind, ihrem Entführer, verstummte. Es war ihr egal. Sie wollte ihn, selbst wenn es sich nur um eine Nacht handelte und er sich anschließend von ihr abwenden würde. Sie konnte einfach nicht Nein sagen. Nicht jetzt, wo sie endlich das Gefühl hatte aufzuwachen. Wo jeder ihrer Sinne aufgestachelt war. Sie fühlte sich so lebendig. Es war unglaublich.

Da sie diesen neuen, komplizierten Tanz erst lernen musste, legte sie dem geheimnisvollen Fremden zuerst nur vorsichtig die Hände auf die Schultern. Sanft berührte sie sein Gesicht, strich langsam mit den Fingern durch sein dunkles Haar. Sie presste sich an ihn und genoss das erregende Gefühl seines harten muskulösen Körpers und seiner starken Schenkel. Trotz ihrer Unerfahrenheit wusste sie sofort, was da so hart an ihrem Bauch war. Sie hatte genug Liebesfilme gesehen und Romane gelesen.

Stöhnend löste er die Lippen von ihren und trat einen Schritt zurück. Er sah genauso durcheinander aus wie sie sich fühlte. Schwer atmend und benommen vor Verlangen sahen sie einander an. Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich vor erotischer Spannung.

„Komm ins Bett“, sagte er und griff nach ihrer Hand.

Olivia zögerte einen Moment. Noch hatte sie die Wahl. Wollte sie ihre Unschuld wirklich einem Fremden opfern? Wollte sie diesen intimen, heiligen Akt mit einem Mann vollziehen, dessen Namen sie noch nicht mal kannte? Der sie entführt hatte und sie vielleicht nur benutzen wollte, ganz egal, wie blumig seine Sprache war? Aber sie spürte sein Begehren. Er wollte sie. Und es war ein berauschendes Gefühl, gewollt zu werden.

Er schien ihr anzusehen, was in ihr vorging, denn sein Lächeln vertiefte sich. Für einen Moment blitzte neben dem Hunger in seinen Augen fast so etwas wie Triumph auf. Als er sie sanft an sich zog, folgte sie bereitwillig. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Du bist sehr schön“, murmelte er. „Sehr begehrenswert.“

Noch nie hatte jemand so etwas zu ihr gesagt. Sie war zu dünn, zu still, bestand nur aus Haar und Augen. Sie hatte nicht Halinas weibliche Kurven und volle Lippen, ihr gewinnendes Lächeln und ihr ansteckendes Lachen. Olivia war immer blass und unscheinbar gewesen.

Bis jetzt.

Scheu legte sie eine Hand auf seine Brust und spürte seinen gleichmäßigen Herzschlag. „Du auch.“

Lachend presste er die Lippen auf ihre Handfläche, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Dann passen wir ja gut zusammen“, murmelte er und küsste jede einzelne ihrer Fingerspitzen, sodass Olivia weiche Knie bekam.

Der Mann zog sie zu der Matratze, legte sie hin und streckte sich neben ihr aus. „So wunderschön“, murmelte er. „Ich will alles von dir sehen. Darf ich?“

Olivia zitterte von Kopf bis Fuß. „Ja“, flüsterte sie, außerstande, mehr zu sagen.

Er löste den Gürtel ihrer Robe, die von ihrem Körper glitt und das schlichte Unterkleid zeigte, dass sie darunter trug. Sie unverwandt ansehend, umfasste der Mann ihre linke Brust und fuhr mit seinem Daumen sanft über die Knospe. Olivia erschauerte. Noch nie war sie so an einer intimen Stelle berührt worden.

„Gefällt dir das?“, murmelte er.

Sie nickte. „Ja.“

Er senkte den Kopf und nahm die Knospe in den Mund. Olivia bäumte sich unter seinen heißen feuchten Lippen auf. Lustgefühle schossen ihr direkt von den Brüsten in den Unterleib. Sie umklammerte seinen Kopf und wusste nicht, ob sie ihn festhalten oder wegstoßen wollte, so überwältigend waren ihre Empfindungen. Sämtliche Nervenenden waren bis aufs Äußerste gespannt … aber sie wollte trotzdem mehr.

Als er die andere Knospe in den Mund nahm, keuchte sie lustvoll auf. Er bedeckte ihren Bauch mit sanften Küssen … und bewegte seinen Kopf noch tiefer.

Sie verkrampfte sich, als er ihre Schenkel spreizte. Er wollte ja wohl nicht …? Doch, er wollte. Sie seufzte zittrig, als sie erst seinen heißen Atem und dann seine Lippen an ihrer intimsten Stelle spürte … dann seine Zunge. Hilflos bäumte sie sich auf und klammerte sich an seinem Kopf fest. Sie stand förmlich in Flammen. Noch nie hatte sie so etwas erlebt – ihre Lust verzehrte sie geradezu.

Immer heißer brannte das sinnliche Feuer in ihr, bis sie ihm nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Olivia schrie auf. Der explosive Höhepunkt, den sie erlebte, ließ sie erzittern vor Lust … Als sie wieder zu sich kam, hatte er sich auf die Unterarme gestützt und lächelte sie an.

„Das war erst der Anfang.“

Der Anfang?! Wenn er so weitermachte, würde er sie noch umbringen.

Er lachte leise. „Sieh mich nicht so ungläubig an, hayati. Ich will diese Nacht unvergesslich für dich machen.“

Das war sie jetzt schon. Immer noch lächelnd zog er erst sich und dann sie vollständig aus. Sie schmiegten sich aneinander, nackte Haut an nackter Haut. Es war unglaublich intim und erotisch. Bewundernd sah der Mann sie an. Dass ihm so offensichtlich gefiel, was er sah, erregte Olivia umso mehr.

„Berühr mich“, befahl er.

Überrascht riss sie die Augen auf. Zögernd strich sie mit ihren Fingern von seinen muskulösen Schultern über seinen glatten Rücken, dann legte sie ihre Hände auf seine Hüften. Sie konnte seine Erektion an ihrem Bauch spüren, erregend und furchteinflößend zugleich. Aber er hatte ihr gesagt, dass sie keine Angst haben musste, und aus irgendeinem Grund hatte sie keine.

„Berühr mich“, wiederholte er heiser.

Olivia begriff, was er meinte. Scheu und kühn zugleich umfasste sie seine harte Männlichkeit, begann, ihn zu streicheln. Seine Atemzüge beschleunigten sich. Sie konnte kaum glauben, dass sie eine solche Wirkung auf einen so schönen Mann hatte.

Als er sie wieder küsste, war seine entspannte Sinnlichkeit einer rohen Begierde gewichen, die sie unglaublich antörnte.

Er führte die Finger seiner rechten Hand in ihre feuchte Hitze und bewegte sie rhythmisch vor und zurück, bis sie laut aufstöhnte. „Du bist bereit“, sagte er.

Olivia erschrak. Sie wusste selbst, dass sie bereit war – natürlich war sie das –, aber …

Langsam drang er in sie ein. Es war ein schockierendes und zugleich überwältigendes Gefühl, von ihm ausgefüllt zu werden. Aufkeuchend bäumte sie sich auf, während ihr Körper sich an ihn anzupassen versuchte.

Seine Stirn war schweißnass, als er sich auf die Unterarme stützte und darauf wartete, dass sie sich an ihn gewöhnte. „Tu ich dir weh?“, stieß er hervor. Es fiel ihm offensichtlich schwer, sich zurückzuhalten.

Olivia schüttelte nur stumm den Kopf. Sie war zu überwältigt, um zu antworten – zu emotional. Erst jetzt wurde ihr die Enormität dessen bewusst, was sie da tat. Was nicht mehr ungeschehen gemacht werden konnte.

Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und presste die Lippen auf ihre Schläfen, als spüre er, was in ihr vorging – eine fast so intime Geste wie das Pulsieren seines Körpers in ihr. „Ist schon gut, hayati. Das hier soll so sein. Daran ist nichts schändlich, gar nichts.“

Seine Worte waren Balsam für ihre Seele. Sie schlang ihm die Arme um die Schultern und zog ihn an sich, um ihn noch intensiver zu spüren. Es war, als dringe er direkt zu ihrem Zentrum vor, direkt zu ihrer Seele.

„Bitte“, flüsterte sie, mehr von ihm verlangend. „Bitte!“

Als er sich rhythmisch in ihr zu bewegen begann, kehrte ihre Lust zurück, steigerte sich in immer neuen Wellen, eine höher und intensiver als die andere, bis ihr Schrei die Luft zerriss und sie ihn in sich pulsieren spürte. Wieder schrie sie auf – eine Mischung aus Freude und Verwunderung – und presste das Gesicht an seine feuchte Schulter.

Zayed zog seine zitternde und weinende Braut eng an sich. Sie war offensichtlich völlig überwältigt von dem, was gerade geschehen war. Aber ihm ging es ähnlich, verdammt noch mal. Es war schon lange her, dass er mit einer Frau geschlafen hatte, sehr lange. Doch er konnte sich nicht erinnern, dass es je so gewesen war.

Vielleicht lag es daran, dass sein Leben jetzt unauflöslich mit dem dieser Frau verknüpft war? Sie würde seine Kinder bekommen und an seiner Seite bleiben. Sie war seine Braut, seine Frau, seine Königin. Doch an nichts davon hatte er gedacht, als er sie in den Armen gehalten und sie geliebt hatte. Sein Verlangen, sie zu besitzen, war zu übermächtig gewesen – und das war gefährlich.

Er brauchte niemanden, und er traute niemandem. Trauer hatte ihn Ersteres gelehrt, Verrat Letzteres. Zayed rollte sich auf den Rücken und starrte an das Dach des Zelts, während die Prinzessin zitternd neben ihm lag.

„Tut dir wirklich nichts weh?“, fragte er sie schließlich nochmals.

Sie strich sich das Haar aus dem erhitzten Gesicht. „Nein.“ Sie sah befriedigt und ein bisschen verunsichert aus. Als er spürte, dass seine Begierde schon wieder aufflackerte, setzte er sich auf.

„Gut.“

Er hatte es geschafft. Nichts konnte den Bund jetzt noch lösen, den sie gerade besiegelt hatten. Sie war nicht nur dem Namen nach, sondern auch körperlich seine Frau. Er stand auf und zog sich an.

„Wo willst du hin?“, fragte „Halina“ bestürzt. Sie klang so jung, dass Zayed einfiel, dass sie erst zweiundzwanzig war – zehn Jahre jünger als er.

„Ich muss ein paar Dinge erledigen“, sagte er schroffer als beabsichtigt. „Wir sehen uns später.“

„Wirklich?“

„Na klar.“ Irgendwie verärgerte sie ihn. Sie klang so bedürftig, so anhänglich, und das war das Letzte, das er gebrauchen konnte. „Wenn du etwas brauchst, kannst du dich an Suma wenden.“

„Suma? Aber ich kann sie nicht verstehen.“

Zayeds Verärgerung wuchs … und zugleich stieg ein seltsames Unbehagen in ihm auf. „Wie meinst du das?“

„Ich verstehe ihren Dialekt nicht.“ Halina presste eine Decke an die Brust. Das Haar fiel ihr ins Gesicht. Zayed unterdrückte das Verlangen, wieder zu ihr unter die Decke zu schlüpfen und sie in die Arme zu nehmen.

„Ich wusste nicht, dass es so schwer ist, sie zu verstehen. Du wirst dich daran gewöhnen müssen. Sie ist die einzige Frau hier, die dich bedienen kann.“

„Aber … was … was hast du mit mir vor?“

Zayed musterte sie ungeduldig. „Was ich mit dir vorhabe? Das habe ich schon erledigt, hayati. Es ist vorbei.“

Errötend biss sie sich auf die Unterlippe. „Das weiß ich. Ich meine, ich habe nicht mehr erwartet. Aber was hast du jetzt vor? Warum die Entführung?“ Sie hob das Kinn und sah ihn an, als rechne sie mit einer vernichtenden Antwort.

Zayed war komplett verwirrt. „Warum ich dich entführt habe?“, wiederholte er. „Ist das nicht offensichtlich? Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht länger warten konnte.“ Er seufzte ungeduldig. „Dein Vater wird bestimmt nicht erfreut sein, aber daran lässt sich leider nichts ändern.“

Jetzt war sie diejenige, die ihn verwirrt ansah. „Mein Vater? Aber mein Vater ist tot.“

„Was?“, fragte Zayed schockiert. Sultan Hassan war tot? Seit wann? Wie war das passiert?

Nein, davon hätte er erfahren. Seine Informanten hätten es ihm mitgeteilt. Trotzdem überlief es ihn eiskalt. Sollte Sultan Hassan wirklich tot sein, waren Zayeds Pläne ruiniert. Der Mann hatte keine Söhne, und sein einziger Erbe war nur ein entfernter Cousin, auf dessen Hilfe Zayed nicht zählen konnte. „Wann ist das passiert?“, stieß er hervor.

Seine Braut sah ihn verwirrt an. „Vor fünf Jahren.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht. Was hat mein Vater hiermit zu tun?“

„Moment mal.“ Zayed hatte das schräge Gefühl, in einer Parallelwelt gelandet zu sein. Wie kam „Halina“ dazu, so etwas zu sagen? Sultan Hassan war auf keinen Fall vor fünf Jahren gestorben. Was zum Teufel war hier los?

„Was kümmert dich überhaupt mein Vater?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Wer bist du?“

Zayed war für einen Moment sprachlos. Sie wusste doch, wer er war. Sie musste es wissen. Warum sonst hätte sie mit ihm ins Bett gehen sollen? Sich bereit erklären, ihn zu heiraten? „Ich bin Prinz Zayed al bin Nur“, sagte er.

„Prinz Zayed …“

Sie war ganz blass geworden. Irgendetwas stimmte hier nicht. „Und du“, fügte er pointiert hinzu, „bist Prinzessin Halina Amari.“

Sie musste es sein. Er hatte zwar nur unscharfe Fotos von ihr gesehen, aber er hatte sie auch mit einem Fernglas im Palast beobachtet. Sie hatte mit ihren Schwestern gespielt und war anschließend in ihr Zimmer gegangen. Sie musste seine Verlobte sein. Seine Frau.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein“, flüsterte sie. „Nein, ich bin nicht Halina.“

4. KAPITEL

Erst nach und nach dämmerte Olivia, was passiert war. Entsetzen erfüllte sie. Das hier war Prinz Zayed, der Verlobte ihrer Freundin, und sie hatte mit ihm geschlafen! Während er geglaubt hatte, sie sei Halina! Er hatte sie aus dem Palast entführt, weil er sie für seine künftige Braut gehalten hatte.

„Wenn du nicht Prinzessin Halina bist, wer zum Teufel bist du dann?“, stieß Zayed hervor. Seine Augen waren zu silbernen Schlitzen verengt, sein ganzer Körper wirkte angespannt. Wie eine Raubkatze kurz vor dem Sprung …

Olivia schluckte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie presste die Decke an sich, sich ihrer Nacktheit bewusster denn je. „Mein Name ist Olivia Taylor. Ich bin die Gouvernante der Amari-Prinzessinnen.“

Zayed starrte sie eine Sekunde lang fassungslos an, bevor er einen heftigen Fluch ausstieß. Olivia zuckte erschrocken zusammen. Ob sein Schwur, ihr nicht wehzutun, noch galt? Zayed schien sich kaum noch unter Kontrolle zu haben.

„Warum um alles in der Welt“, fragte er mit kaum verhüllter Wut, „hast du dann mit mir geschlafen?“

„Ich …“ Olivia hatte keine Entschuldigung, keine Erklärung. Sie hatte anscheinend den Verstand verloren! Sie hatte gerade ihre Unschuld verloren, und das bei einem Fremden. Während er geglaubt hatte, mit seiner Verlobten zu schlafen!

Beschämt schloss Olivia die Augen. Könnte sie doch nur auslöschen, was in den letzten Stunden passiert war! Doch der Nachhall ihrer Lust war immer noch so stark, dass sie es nicht ganz bereuen konnte. In Zayeds Armen hatte sie sich so begehrt gefühlt, so kostbar.

Was für ein Witz! Er hatte noch nicht mal gewusst, wer sie war, während sie sich dazu hatte überreden lassen, das Bett mit einem Fremden zu teilen. Oh Gott, war ihr das peinlich!

„Ich …“, versuchte sie wieder, zuckte dann jedoch nur mit den Achseln. Sie hatte keine Antwort, außer dass sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Aber sie war nicht mutig genug, das zuzugeben … Außerdem war es ja wohl offensichtlich gewesen, oder?

Zayed wandte sich abrupt von ihr ab und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Dann wusstest du also nicht, wer ich bin?“

„Nein.“

„Und hast trotzdem mit mir geschlafen?“

Du hast mit mir geschlafen!“, schoss Olivia zurück. Sie war hier nicht die Alleinschuldige. „Und offensichtlich wusstest du genauso wenig, wer ich bin.“

„Offensichtlich“, wiederholte er ätzend. „Aber ich hätte zumindest erwartet, dass du meinen Irrtum korrigierst, als wir unsere Gelübde abgelegt haben. Es sei denn“, fuhr er eisig fort, „du wolltest, dass das passiert?“ Seine Sanftheit von vorhin war komplett verschwunden.

„Dass was passiert?“, fragte Olivia wütend. „Meinst du die Entführung? Willst du mir gerade einreden, dass ich das Ganze geplant habe?! Bist du verrückt geworden?“ Sie konnte selbst kaum glauben, dass sie so mit einem Prinzen sprach – sie, die sonst immer so fügsame Olivia Taylor –, aber diese Situation war total surreal, und seine Unterstellungen waren so lächerlich und beleidigend, dass sie für einen Moment vergaß, wer sie war. Wo sie war.

Zayed besaß den Anstand, für einen Moment beschämt auszusehen, doch dann gewann seine Ungeduld wieder die Oberhand. „Anfangs natürlich nicht, aber später. Vielleicht hast du ja die Gelegenheit genutzt, deine Stellung zu verbessern. Hast du nicht gesagt, du wärst nur eine Gouvernante?“

Olivia schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“ Sie war wütend und fühlte sich total gedemütigt … und noch dazu schrecklich nackt. „Und ich weiß beim besten Willen nicht, inwiefern ich meine Stellung hiermit verbessert haben soll.“

Zayed verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. „Ach nein?“

„Nein, wirklich nicht. Würdest du die Freundlichkeit besitzen, mich zum Palast zurückzubringen, jetzt, wo du weißt, dass ich nicht Halina bin?“, sagte sie so würdevoll wie unter den gegebenen Umständen möglich.

Sie war den Tränen nahe. Aber sie würde jetzt nicht vor diesem Mann in Tränen ausbrechen, auch wenn sie in seinen Armen bereits geweint hatte. Auch wenn sie bei ihm verletzlicher und glücklicher gewesen war und mehr Höhen und Tiefen erlebt hatte als je bei einem anderen Menschen. Schon allein die Erinnerung daran, wie er sie geliebt und wie komplett sie sich in seinen Armen gefühlt hatte, fachte wieder ihr Verlangen an! Und etwas anderes, etwas Machtvolles und Gefährliches, das sie lieber nicht benennen wollte.

„Ich will zurück nach Hause“, fügte sie steif hinzu.

Zayed sah sie ausdruckslos an. „Das ist absolut ausgeschlossen.“

„Ausgeschlossen?“, brauste Olivia auf. „Wieso ausgeschlossen?“ Noch immer in die Decke gehüllt schoss sie aus dem Bett und griff nach dem durchsichtigen Nachthemd, das sie eigentlich nicht hatte anziehen wollen. Ihre züchtigere Robe lag aber auf der anderen Seite des Betts, wo Zayed sie noch vor Kurzem im Taumel der Leidenschaft hingeworfen hatte. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Eine schreckliche Ewigkeit.

Sie streifte sich das Nachthemd über, das sie zwar kaum verhüllte, aber immerhin. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, hob trotzig das Kinn und sah ihn herausfordernd an. „So. Jetzt verrat mir, warum du mich nicht nach Abkar zurückbringen kannst!“

Zayed musterte sie intensiv. Er hatte die Lippen zusammengepresst, und seine Augen leuchteten stahlgrau. Er strahlte Wut und Abneigung aus. Wie um alles in der Welt hatte sie ihn nur für sanft halten können?

„Ich habe keine Ahnung, welches Spiel du hier treibst“, sagte er gefährlich leise, „aber ich rate dir dringend, damit aufzuhören. Das hier ist kein Witz, Miss Taylor. Millionen von Leben stehen auf dem Spiel.“

Millionen von Leben? Das klang stark übertrieben, aber Olivia beschloss, nicht zu widersprechen. Nicht, solange Zayed so wütend war. „Glaub mir, auch mir ist nicht nach Lachen zumute. Du bist derjenige, der mich entführt hat. Derjenige, der …“ Sie verstummte. Derjenige, der mich verführt hat. Sie brachte es nicht fertig, diese Worte auszusprechen. Sie hatte schließlich nur zu bereitwillig mitgemacht. Unfassbar, aber noch vor wenigen Minuten war sie Wachs in seinen Armen gewesen. Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. „Ich habe nichts hiervon gewollt.“

„Anfangs vielleicht nicht.“ Er trat einen Schritt auf sie zu. In seinen Augen blitzte jetzt etwas anderes auf als Wut. Olivia stockte der Atem. Ihr Körper reagierte sofort auf das Verlangen in seinen Augen. „Aber später, Olivia“, fuhr er gefährlich leise fort, „später hast du es nicht nur gewollt. Du hast förmlich darum gebettelt.“

Sie hasste ihn. Sie hasste ihn von ganzem Herzen, so sehr sie ihn auch begehrte. Sie verfluchte ihren verräterischen Körper, als Zayed verächtlich die Lippen kräuselte und den Blick wissend über ihren Körper gleiten ließ. Noch vor wenigen Minuten hatte er ihr das Gefühl gegeben, schön und wertvoll zu sein, doch jetzt fühlte sie sich plötzlich schmutzig und billig.

„Ich bedaure sehr, was heute Nacht zwischen uns passiert ist“, sagte sie steif. „Mehr als du dir vorstellen kannst.“

„Bestimmt nicht mehr als ich.“ Fluchend wandte Zayed sich von ihr ab. „Himmel, hast du überhaupt eine Ahnung, was mich das hier kostet? Alles.“ Er schlug die Hände vor das Gesicht. „Alles“, wiederholte er mit erstickter Stimme.

Olivia beobachtete ihn bestürzt. Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach, empfand jedoch plötzlich den bizarren Wunsch, ihn zu trösten. „Ist es, weil … weil du Halina untreu geworden bist? Ich glaube nicht, dass sie bis zu eurer Hochzeit Treue von dir erwartet. Ihr seid euch noch nicht mal begegnet. Sie hat bestimmt Verständnis.“ Vermutlich würde es Halina sogar völlig egal sein. Sie wollte Zayed sowieso nicht heiraten.

„Untreu?“ Er ließ die Hände sinken und lachte bitter. „Ich glaube, das ist gerade mein geringstes Problem.“

„Du meinst, weil du mich entführt hast?“, fragte Olivia verunsichert. „Sultan Hassan kann sich jetzt vermutlich denken, dass du seine Tochter entführen wolltest. Hast du Angst, dass er die Verlobung vielleicht löst?“

Zayed drehte sich wieder zu ihr um. „Natürlich wird er die Verlobung lösen. Er wird außer sich sein, dass ich es gewagt habe, seine kostbare Tochter entführen zu wollen. Dass es mir gelungen ist, in seinen schwer bewachten Palast einzudringen.“

„Wie hast du das überhaupt geschafft? Warum stand das Tor offen, als wir wegritten?“

Zayed zuckte mit den Achseln. „Ein Cousin eines Cousins ist einer der Wachen. Er ist seit Jahren mein Spion. Er hat dafür gesorgt, dass das Tor für mich offen steht.“

Nein, das würde Sultan Hassan bestimmt nicht gefallen. Er würde außer sich vor Wut sein, dass jemand so mühelos sein Sicherheitssystem ausgehebelt hatte. Es sei denn …

„Vielleicht haben sie ja noch gar nicht gemerkt, dass ich fort bin“, sagte Olivia. Sie konnte selbst nicht fassen, dass sie versuchte, ihm zu helfen – diesem Mann, der ihr so viel genommen hatte und den sie hassen wollte. Anscheinend war sie ein hoffnungsloser Fall. Oder es lag an der Verbindung, die sie zwischen ihnen spürte. Sie hatten miteinander geschlafen. Das war etwas, das Olivia nicht so leicht würde abschütteln können, falls überhaupt jemals. „Vielleicht hat ja niemand deine Männer kommen und gehen sehen …“

„Sie müssen längst gemerkt haben, dass du fort bist“, wandte Zayed ein. „Du schläft direkt neben den Prinzessinnen. Jemand wird nach dir gesehen haben.“

„Nicht unbedingt.“ Es tat weh, das zuzugeben, aber Olivia fuhr trotzdem fort: „Ich bin die Gouvernante und nicht eine der Prinzessinnen, und es war schon spät. Prinzessin Halina wird sich vielleicht gewundert haben, dass ich ihr keine gute Nacht gewünscht habe, aber ich glaube kaum, dass sie mein Zimmer betreten hat. Bis zum Morgen wird mich niemand vermissen.“

Draußen begann es bereits zu dämmern, und sie waren mehrere Reitstunden vom Palast entfernt. „Du könntest mich noch zurückbringen“, sagte sie, auch wenn die Aussicht darauf irgendwie ein hohles Gefühl in ihr auslöste. Dabei wäre ihre Rückkehr die beste Lösung für alle Beteiligten. Alles andere ergab keinen Sinn.

„Du würdest niemandem davon erzählen?“, fragte Zayed skeptisch.

„Ich will genauso wenig, dass jemand davon erfährt, wie du.“ Die Vorstellung, dass Halina erfuhr, dass Olivia mit ihrem Verlobten … Ihr wurde fast schlecht bei der Vorstellung. Wie hatte sie nur so dumm sein können? So unglaublich leichtsinnig? So hatte sie sich noch nie benommen. „Kannst du das denn nicht nachvollziehen?“

„Doch, aber …“

Für einen Moment war Zayed innerlich hin- und hergerissen. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein, das geht nicht.“

„Warum nicht?“, fragte Olivia verwirrt. Das hohle Gefühl von gerade eben verschwand. Sie konnte die Uhr nicht zurückdrehten, aber nach Abkar zurückzukehren, war die beste Alternative. In nur wenigen Stunden konnte sie in ihrem eigenen Bett liegen und die Erinnerung an diese Nacht in Prinz Zayeds Armen hinter sich lassen! Obwohl sie bereits befürchtete, dass ihr das nie gelingen würde.

„Aus verschiedenen Gründen“, antwortete er kalt. „Aber davon hast du ja anscheinend keine Ahnung.“

„Dann solltest du mich vielleicht aufklären“, erwiderte Olivia gereizt. Normalerweise war sie nie so aufsässig, aber irgendwie fühlte sie sich mutiger als je zuvor. „Anstatt mich wie eine Schwachsinnige zu behandeln.“

Zayed betrachtete die Frau, die er geheiratet hatte – seine Braut – mit einer Mischung aus Frustration und Verzweiflung. Das hier war eine absolute Katastrophe! Die Situation ließ sich keineswegs so leicht rückgängig machen, wie Olivia zu glauben schien.

„Es wissen zu viele Menschen Bescheid. Die Soldaten des Sultans, meine eigenen Leute, der Imam.“ Der auf Zayeds Befehl bestimmt schon in ganz Kalidar verbreitet hatte, dass Zayed Prinzessin Halina geheiratet und mit ihr die Ehe vollzogen hatte.

„Der Imam?“, fragte Olivia verwirrt. „Welcher Imam?“

„Na, der Mann, der uns getraut hat!“

Olivia klappte die Kinnlade nach unten. „Getraut? Aber …“

Zayed starrte sie verwirrt an, während ihm eine weitere erschreckende Erkenntnis kam. „Du hattest keine Ahnung?“ Sein Verdacht bestätigte sich, als sie vehement den Kopf schüttelte. „Weil du kein Arabisch sprichst.“

Kein Wunder, dass sie während der überstürzten Zeremonie so durcheinander gewirkt hatte. Er hatte das für eine Reaktion auf die sich überstürzenden Ereignisse gehalten, war aber davon ausgegangen, dass sie grundsätzlich im Bilde war.

Zum ersten Mal schämte er sich, dass er so ungeduldig mit ihr war. Aber warum hatte sie ihm den ganzen Abend lang nicht ihre wahre Identität verraten? Das war ihm unbegreiflich.

Andererseits hatte er sich ihr auch nicht vorgestellt. Er war davon ausgegangen, dass sie wusste, wer er war. So wie er davon ausgegangen war, dass sie die Zeremonie einordnen konnte. „Sag Ja“, hatte er sie voller Ungeduld gedrängt. Und sie hatte Ja gesagt.

Olivia ließ sich fassungslos aufs Bett sinken. Zayed wandte hastig den Blick von ihrem kaum verhüllten Körper ab. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Sex. „Wie ist das nur möglich?“, flüsterte sie. „Wie können wir plötzlich verheiratet sein?“

„Ganz einfach. Du hast Ja gesagt, genauso wie ich.“

„Aber wenn ich nicht wusste, was ich tat, kann die Ehe doch bestimmt annulliert werden, oder?“

Zayed zeigte auf das Bett mit den zerknüllten Laken. „Nach allem, was wir gerade getan haben? Das ganze Lager weiß, dass unsere Ehe vollzogen wurde. Und zwar richtig.“

Als Olivia errötend den Blick abwandte, tat sie Zayed schon wieder leid. Er hatte ihr ihre Unschuld genommen. Sie hatte sie ihm zwar bereitwillig geschenkt, aber trotzdem. So etwas war keine Kleinigkeit für eine Frau. Und sie machte nicht den Eindruck, als würde sie von der Situation profitieren wollen. Würde sie dann nicht darauf bestehen, dass er sein Eheversprechen hielt, anstatt nach einer Annullierung zu fragen? Es sei denn natürlich, sie spielte ein besonders raffiniertes Spiel.

„Bist du jemandem versprochen?“, fragte er.

Überrascht hob sie den Blick. „Versprochen?“ Sie lachte humorlos auf. „Nein. Es gibt niemanden und hat nie jemanden gegeben. Offensichtlich.“ Sie wandte wieder den Blick ab. „Natürlich könntest du mich loswerden“, fügte sie leise hinzu. „Durch eine Scheidung. Mächtige Männer tun so etwas öfter.“

Und ihr damit noch mehr Schande bereiten? Zayed schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Ehrenmann.“ Außerdem war nicht an eine Scheidung zu denken, solange er nicht wusste, wie Sultan Hassan reagieren würde.

„Bist du das?“, fragte Olivia leise. „Welcher Ehrenmann entführt eine Frau und nimmt ihr dann auch noch ihre Unschuld?“

Wieder stiegen Schuldgefühle in ihm auf, diesmal vermischt mit Wut. „Ich hielt dich für meine Braut“, stieß er hervor.

„Und das macht es akzeptabel?“

„Ich wollte eine Ehe vollziehen, die schon seit fast zwanzig Jahren feststeht“, erwiderte Zayed scharf. „Ich gebe zu, dass es eine ziemlich drastische Maßnahme war, Prinzessin Halina zu entführen, aber ich kann dir versichern, dass es notwendig war.“

„Notwendig? Inwiefern?“

Er hatte keine Lust, ihr alles zu erklären – nicht, solange er selbst noch so durcheinander war. Er war jetzt verheiratet, und zwar unauflöslich. Das Problem war nur, dass er die falsche Frau geheiratet hatte.

Wie hatte er nur so dumm sein können? So voreilig? Abrupt ging Zayed zum Tisch und schenkte seinen Kelch mit Arak voll.

Hinter sich hörte er Olivia leise lachen. „Das hat uns den Ärger doch erst eingebrockt.“

„Wie meinst du das?“ Er stürzte das scharfe Getränk hinunter und drehte sich zu ihr um. „Willst du damit sagen, du hättest nicht mit mir geschlafen, wenn du nicht betrunken gewesen wärst?“ Noch ein Grund, schockiert über sein eigenes Verhalten zu sein.

„Ich war nicht betrunken.“ Olivia senkte den Blick. „Aber wahrscheinlich ein wenig enthemmt.“

Zayed dachte daran, wie sie sich unter ihm aufgebäumt und gewunden – ihn förmlich angefleht hatte weiterzumachen. Ja, sie war eindeutig enthemmt gewesen. Genauso wie er. Für einen Moment hatte er sich selbst und sogar seine Ziele vergessen. Es war wundervoll gewesen, aber Gott sei Dank war er inzwischen wieder zu Verstand gekommen.

Er musste nachdenken. Er schenkte sich noch etwas Arak ein, setzte sich und trank langsam. „Was hast du eigentlich in Prinzessin Halinas Zimmer gemacht?“

Olivia musterte ihn so misstrauisch, als vermute sie eine Falle. Und vielleicht war es sogar eine. Er musste herausbekommen, ob sie ihm etwas verheimlichte. Hatte sie von seinem Plan gewusst? Hatte sie dafür gesorgt, dass sie diejenige war, die entführt wurde? Hatte sie womöglich sogar in Halinas Auftrag gehandelt? Zayed hatte gehört, dass seine Braut alles andere als glücklich über ihre Verlobung war. Oder hatte Olivia einfach die sich ihr unverhofft bietende Chance genutzt, Königin zu werden?

Welche gut erzogene Frau ging schon mit einem Fremden ins Bett, ohne ihn auch nur nach seinem Namen zu fragen? Und dann auch noch mit jemandem, der sie entführt hatte? Das war äußerst schwer nachvollziehbar.

„Ich habe ihre Kleider in den Schrank gehängt“, antwortete Olivia irgendwann.

„Du hast doch gesagt, du wärst dort als Gouvernante gewesen, nicht als Zofe.“

Olivia zuckte mit den Achseln, wobei ihr das Nachthemd über eine Schulter rutschte. „Lina und ich waren Schulfreundinnen. Nur deswegen habe ich die Stellung bekommen. Ich habe nach ihrer Rückkehr vom Abendessen mit ihren Eltern in ihrem Schlafzimmer etwas aufgeräumt. Das mache ich öfter.“

„Und wo war Halina?“

„Auf dem Sofa im Wohnzimmer. Sie war nebenan, als du durch das Fenster kamst. Ich konnte sie summen hören.“ Langsam schüttelte Olivia den Kopf. „Es kommt mir immer noch so surreal vor.“

Aber leider war es nicht surreal. Zayed hatte die echte Halina anscheinend gar nicht wahrgenommen, weil er nur Augen für Olivia gehabt hatte. Sogar durch das Fernglas hatte ihre schlanke Gestalt ihn fasziniert, ihre anmutigen Bewegungen. Trotzdem …

„Du siehst ihr sehr ähnlich.“

„Findest du?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Eher wie ein blasser Abklatsch.“

Ein blasser Abklatsch? Diese Wortwahl sagte eine Menge über sie aus. „Ihr habt den gleichen Hauttyp. Dunkles Haar …“

„Halina ist viel hübscher als ich“, beharrte Olivia. „Ihr Haar ist dunkler und lockiger und …“ Sie stockte und biss sich auf die Unterlippe.

Zayed hob die Augenbrauen. „Und?“

„Ihre Figur ist … kurviger.“ Olivia errötete. „Alle finden sie schön.“

Aus ihren Worten schloss Zayed, dass man Olivia nicht für schön hielt. Er hingegen stand auf ihre zarten Kurven, auch wenn sie nicht sehr ausgeprägt waren, und ihr Haar war ihm dunkel genug.

„Du sprichst kein Arabisch“, sagte er langsam. „Und dein Name klingt englisch. Wo bist du aufgewachsen?“

„Überall und nirgends. Mein Vater war ein britischer Diplomat. Wir sind alle paar Jahre umgezogen, bevor ich Halina in einem englischen Internat kennenlernte. Meine Mutter war Spanierin.“

War. „Dann bist du also Waise?“

Olivia nickte. „Meine Mutter starb, als ich noch klein war, und mein Vater ist vor fünf Jahren gestorben. Damals war ich siebzehn. Sultan Hassan war so liebenswürdig, mich bei sich aufzunehmen. Ich bin froh darüber.“

Zayed nickte nachdenklich. Für Hassan war Olivia vermutlich nichts weiter als eine bezahlte Angestellte. Das war nicht das Gleiche wie ein Freundschaftsdienst, aber Olivia schien trotzdem dankbar zu sein.

Er trank noch einen Schluck Arak, um sich zu betäuben, auch wenn er wusste, dass er sich das eigentlich nicht erlauben konnte. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er sah einfach keinen Ausweg aus der sich unaufhaltsam zuziehenden Schlinge, die er sich unwissentlich selbst um den Hals gelegt hatte.

„Dann wissen also zu viele Leute, dass wir verheiratet sind?“, fragte Olivia. „Was … was genau bedeutet das für dich? Und für Kalidar?“

„Ich weiß es nicht.“ Er musterte sie verstohlen. Sie war zu gut, um wahr zu sein – so arglos und edelmütig, so als mache sie sich mehr Gedanken um ihn als um sich selbst.

Hoffte sie vielleicht doch, die nächste Königin von Kalidar zu werden? Nicht dass er ihr das zurzeit bieten könnte. Er hatte ein paar Zelte in der Wüste und ein kleines Kader loyaler Anhänger. Seit zehn Jahren hatte er die Wüste seines Landes nicht mehr verlassen. Sollte Olivia auf ein Leben im Luxus hoffen, konnte sie lange warten … auch wenn er früher oder später wieder an der Macht sein würde. Baute sie vielleicht darauf? Oder hatte sie sich Halina zuliebe geopfert?

Was wollte sie?

„Es tut mir leid“, sagte Olivia. Ihre Stimme klang weich und traurig.

Zayed lachte bitter. Damit weckte sie erst recht sein Misstrauen. Sie übertrieb es ein bisschen mit ihrer Sorge um ihn und sein Land, nachdem er ihr ihre Unschuld geraubt und ihren Ruf ruiniert hatte. „Dir tut es leid?“

Sie zuckte mit einer Schulter. „Du hast mehr zu verlieren als ich. Das hast du doch gemeint, als du von ‚Millionen‘ gesprochen hast, oder? Das Volk von Kalidar. Diese Ehe – eine Ehe mit Halina – muss für dich politisch wichtig sein.“ Voller Mitgefühl sah sie ihn an. „Aber natürlich weiß ich keine Einzelheiten.“

„Das brauchst du auch nicht.“

„Was wirst du tun, wenn du Halina nicht heiraten kannst?“

Zayed betrachtete Olivias große Augen, ihr zerzaustes Haar und ihre halb geöffneten Lippen. Sogar jetzt schoss ihm bei ihrem Anblick das Blut in die Lenden, aber er unterdrückte sein völlig unpassendes Verlangen. Wollte sie ihn dazu bringen, mit ihr verheiratet zu bleiben? Denn das kam nicht infrage. Er würde ihr keine Versprechungen machen. Er hatte ihr ohnehin schon viel zu viel versprochen.

„Das weiß ich noch nicht“, antwortete er schroff und wandte den Blick von ihr ab. Panik stieg in ihm auf. Die Ehe mit Halina war für seine Zukunft entscheidend. Ohne diese Ehe …

Er musste raus aus dieser Verbindung, und schnellstens die Situation mit Sultan Hassan klären. Alles andere bedeutete den Untergang für sein Königreich, sein Land. Es stand zu viel auf dem Spiel, um Rücksicht auf die Gefühle einer völlig unbedeutenden Frau zu nehmen.

Zayed stand auf, während Olivia ihn erschrocken beobachtete. Ihre innere Anspannung war ihr deutlich anzumerken. „Wo willst du hin?“

„Raus“, sagte er kurz angebunden. „Ich muss nachdenken.“

„Aber was … was wird denn jetzt aus mir?“

Er musterte sie geringschätzig – fest entschlossen, sich gegen sie zu verhärten. Er misstraute ihr immer noch. Vielleicht war sein Misstrauen ihr gegenüber unbegründet, aber er konnte sich nun mal keine Leichtgläubigkeit erlauben. Es stand zu viel auf dem Spiel, um dieser Frau blind zu vertrauen.

„Tu, was du willst. Schlaf etwas, bleib im Zelt oder geh spazieren. Ich würde mich allerdings nicht allzu weit vom Lager entfernen. Außerhalb gibt es nichts als meilenweit nackte Wüste. Du würdest nicht lange überleben, Miss Taylor.“

Und mit diesen warnenden Worten verließ er das Zelt.

5. KAPITEL

Olivia setzte sich aufs Bett und zog die Knie an die Brust. Es fiel ihr immer noch schwer zu begreifen, was passiert war, und – viel schlimmer noch – was es für sie bedeutete. Verheiratet. Verheiratet!

Wie idiotisch von ihr, es nicht zu merken oder zumindest Verdacht zu schöpfen. Rückblickend war ihr natürlich klar, um welche Art Zeremonie es sich gehandelt hatte. Trotz ihrer Verwirrung hatte sie einzelne arabische Worte aufgeschnappt: Verbindung … Verantwortung … Gelöbnis. Trotzdem hatte sie nichts begriffen. Wie auch? Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass ihr Entführer Prinz Zayed war und dass er sie für Prinzessin Halina gehalten hatte.

Was vermutlich der Gipfel der Dummheit war! Warum sollte ein Fremder sie entführen – ausgerechnet eine Gouvernante, eine bloße Angestellte? Natürlich hatte er sie verwechselt!

Und dann hatte er auch noch … Olivia verdrängte die Erinnerungen, so schön es auch gewesen war.

Durch die Lücken der Zeltklappe sah Olivia, wie der Morgen heraufdämmerte. Sie fühlte sich wie zerschlagen vor Müdigkeit. Sie brauchte dringend etwas Schlaf. Und danach … Olivia mochte noch nicht mal daran denken, was die Zukunft bringen würde.

Sie streckte sich auf dem Bett aus und atmete den ihr bereits vertrauten Duft Zayeds ein. Ihre Körper hatten einen Abdruck auf der weichen Matratze hinterlassen. Sie schloss die Augen und versuchte, sich zum Einschlafen zu zwingen, aber die Erinnerungen wollten sie einfach nicht loslassen.

Erst nach langer Zeit döste sie ein und fiel dann doch in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als sie aufwachte, war sie für ein paar Sekunden orientierungslos, bevor die Erinnerung schlagartig zurückkehrte. Entsetzt schloss sie die Augen. Sie sah wieder Zayed durchs Fenster kommen, dunkel und bedrohlich. Dann der schwindelerregende Sturz aus dem Fenster, die endlosen Stunden zu Pferd, und anschließend …

Olivia holte tief Luft. Sogar jetzt noch konnte sie Zayeds Mund auf ihrem spüren, seine Hände auf ihrem Körper. Er hatte genau gewusst, wie und wo er sie berühren musste. Sie war geradezu zügellos gewesen, hatte nicht einmal hinterfragt, was da passierte. Sie hatte ihn so begehrt, dass sie sich ihm einfach hingegeben hatte.

Es musste inzwischen Vormittag sein. Im Zelt war es glühend heiß. Grelles Sonnenlicht flutete durch die Eingangsklappe. Das durchsichtige Nachthemd klebte an Olivias Körper. Als sie sich aufsetzte, drehte sich alles um sie – zweifellos eine Wirkung des Alkohols, den sie nicht gewohnt war.

Von draußen hörte sie Rufe und Gelächter von Männern, dann das Wiehern eines Pferdes. Was jetzt?

In diesem Augenblick betrat Suma mit einem Tablett das Zelt und lächelte Olivia zu.

„Sie tragen das Nachthemd“, sagte sie in etwas deutlicherem Arabisch. Zayed musste ihr gesagt haben, dass es Olivia schwerfiel, sie zu verstehen. Was hatte er ihr noch erzählt? Wie viele Menschen wussten, was sich letzte Nacht in diesem Zelt abgespielt hatte? Alle wahrscheinlich. Bei dem Gedanken errötete Olivia heftig.

„Ja“, antwortete sie verlegen.

Suma stellte das Tablett auf dem Tisch ab. „Kommen Sie und essen Sie!“, forderte sie Olivia auf. „Trinken Sie etwas.“

„Danke.“ Erst jetzt wurde Olivia bewusst, wie hungrig und durstig sie war. Abgesehen von dem Arakwasser, ein paar Trauben und einem Stück Käse hatte sie gestern Abend nichts zu sich genommen.

Als ihr einfiel, wie Zayed ihr die Traube in den Mund geschoben hatte, errötete sie wieder. Warum hatte sie ihm nur solche Freiheiten erlaubt? Warum war sie nicht vernünftiger gewesen?

„Das war eine gute Nacht“, sagte Suma befriedigt, als Olivia sich an den Tisch setzte und sich bediente. „Eine Braut muss gut essen“, fügte sie strahlend hinzu. Anscheinend wusste sie noch nicht, dass Olivia nicht die Prinzessin war. „Vor allem, wenn ein tifl unterwegs ist.“

Im ersten Moment wusste Olivia nicht, was Suma meinte, doch dann tätschelte die ältere Frau sich den Bauch. Ein Baby. Sie meinte, falls Olivia ein Baby von Zayed bekam.

Schockiert starrte sie die ältere Frau an, die ihr Entsetzen jedoch für jungfräuliche Schamhaftigkeit hielt und fröhlich kichernd das Zelt verließ.

Olivia senkte den Blick zu ihrem vollen Teller. Der Appetit war ihr plötzlich vergangen. Was, wenn sie tatsächlich schwanger war? Das war noch nicht mal auszuschließen. Sie befand sich genau in der Mitte ihres Zyklus’. Sogar sie in ihrer Unerfahrenheit wusste, dass sie gerade ihre fruchtbarsten Tage hatte. Es war also gut möglich, dass sie Prinz Zayeds Baby erwartete.

Wieder verfluchte sie sich selbst wegen ihrer Leichtsinnigkeit. Sie hätte am liebsten geschrien, mit den Füßen aufgestampft oder geschluchzt. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Zweiundzwanzig Jahre lang hatte sie ein völlig unbescholtenes Leben geführt, und jetzt hatte sie alles in nur einer einzigen Nacht zunichtegemacht. Sie erkannte sich selbst nicht wieder.

Die zügellose Frau von letzter Nacht – das war nicht sie. Sie war Olivia Taylor, vernünftig, unscheinbar und farblos. Und jetzt war sie plötzlich mit einem Prinzen verheiratet und erwartete womöglich bereits sein Kind. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so erschreckend wäre.

Irgendwie gelang es ihr, etwas von ihrem Frühstück herunterzuwürgen. Sie musste essen und trinken, tifl hin oder her. Sie war halb fertig, als Suma mit frischen Kleidungsstücken zurückkehrte – züchtigen diesmal, Gott sei Dank! Dankbar griff Olivia nach der losen Tunika und der Hose.

„Wollen Sie sich waschen?“, fragte Suma. „In der Oase gibt es eine gute Stelle.“

Olivia nickte. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, auch wenn es ihr widerstrebte, sich einem Lager voller Fremder zu zeigen.

„Mein Prinz?“

Zayed zuckte zusammen, als er Jahmal im Eingang seines Privatzelts stehen sah. Wusste Jahmal schon, was passiert war?

Er hätte gelacht, wenn an dieser Situation auch nur ansatzweise etwas lustig gewesen wäre. Seit einer Stunde lief er unruhig in seinem Zelt auf und ab und versuchte vergeblich, einen Ausweg aus diesem Chaos zu finden.

Erschöpft rieb er sich das Gesicht. Seit mehr als vierundzwanzig Stunden hatte er nicht mehr geschlafen und würde voraussichtlich auch nicht so bald zur Ruhe kommen. Was sollte er nur tun? Einen Gesandten zu Hassan schicken? Wie zum Teufel sollte er ihm erklären, was passiert war?

„Ist die Prinzessin wohlauf?“, fragte Jahmal.

Diesmal musste Zayed tatsächlich lachen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Es gab keine Wände, gegen die er schlagen könnte – keine Möglichkeit, seine Wut rauszulassen. Zehn Jahre lang Krieg, Verluste, Schmerz und Trauer, und jetzt sollte das alles umsonst gewesen sein?

„Ich habe keine Ahnung, wie es der Prinzessin geht“, stieß er hervor. „Sie ist nämlich nicht hier.“

Jahmals Stirnrunzeln vertiefte sich. „Mein Prinz? Ich verstehe nicht …“

„Ich habe die falsche Frau entführt.“ Was für eine Farce! „Sie ist die Gouvernante, nicht Prinzessin Halina.“

„Die falsche …“ Jahmal wurde ganz blass. „Hat sie denn nichts gesagt?“

„Nein, hat sie nicht. Auch nicht während der Trauungszeremonie.“

Zayed wusste immer noch nicht, was er davon halten sollte – ob er Olivia vertrauen konnte oder nicht. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Nicht dass es etwas ändern würde, aber zumindest würde es sein Gewissen erleichtern, wenn er Olivia unmissverständlich klarmachte, dass er sich von ihr scheiden lassen und Halina bei der ersten sich bietenden Gelegenheit heiraten würde … und dass Olivia ihm dabei helfen musste, dieses Ziel zu erreichen.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit Jahmal beschloss Zayed, mit ihr zu reden. Je eher er den Schaden begrenzte, desto besser. Doch als er das Zelt betrat und sie nicht antraf, informierte Suma ihn, dass Olivia in der Oase baden war.

Na schön, dann würden sie das Gespräch eben dort führen!

Sie hatten ihr Lager am Rande eines kleinen Gewässers aufgeschlagen. Zayed vermutete, dass Olivia dort badete, wo man sie vom Lager aus nicht sehen konnte.

Als er eine Düne überquerte und Olivia splitterfasernackt bis zur Hüfte im Wasser stehen sah, blieb er abrupt stehen. Beim Anblick ihrer schlanken, von der Morgensonne in goldenes Licht getauchten Gestalt stockte ihm der Atem.

Sie wrang gerade ein nasses Tuch über dem Kopf aus, sodass ihr das Wasser über die Schultern und den Rücken rann. Zayed schoss sofort wieder das Blut in die Lenden. Er ballte die Hände zu Fäusten. Das Verlangen nach dieser Frau hatte ihm schon einmal geschadet. Das würde er kein zweites Mal zulassen.

Als er weiterging und das lange Gras raschelte, drehte Olivia sich um und keuchte bei seinem Anblick erschrocken auf. Hastig bedeckte sie sich mit den Händen.

Zayed verzog verächtlich die Lippen. Ihre jungfräuliche Schamhaftigkeit wirkte etwas zu aufgesetzt für seinen Geschmack … vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie noch vor wenigen Stunden miteinander geschlafen hatten.

„Kein Grund für falsche Scham“, sagte er gedehnt, als sie aus dem Wasser watete und sich ein Handtuch schnappte. „Ich habe schon alles gesehen.“

„Das heißt noch lange nicht, dass du es wieder zu Gesicht bekommst.“ Mit zitternden Händen knotete sie das Handtuch über den Brüsten zusammen.

Zayed verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie von Kopf bis Fuß. Es war völlig bedeutungslos, dass sie mit dem nassen dunklen Haar, das sich um ihr herzförmiges Gesicht lockte, wunderschön aussah. Genauso bedeutungslos waren ihre großen blauen Augen mit den herrlich langen Wimpern. „Ich werde sobald wie möglich einen Gesandten zu Sultan Hassan schicken, um ihm die Situation zu erklären.“

Ihre Augen weiteten sich überrascht. Für einen Moment glaubte Zayed so etwas wie Enttäuschung darin aufflackern zu sehen, was seinen Verdacht nur noch bestärkte. Sie war nur aus reinem Eigennutz hier. Es konnte gar nicht anders sein.

„Wirst du ihm alles mitteilen?“, fragte sie zögernd.

„Es hat sich bestimmt sowieso schon herumgesprochen.“

„Trotzdem …“

„Ich bin kein Lügner“, sagte er schroff. „Ich werde ehrlich mit Hassan sein, genauso wie du.“

„Ich?“

„Ja, du. Du wirst ihm einen Brief schreiben, in dem du ihm erklärst, dass du mich nicht rechtzeitig aufgeklärt hast.“

Ihre Augen blitzten wütend auf. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. „Dich aufgeklärt?“, wiederholte sie kalt. „Mir war nicht bewusst, dass es meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Entführung, die du geplant hast, reibungslos läuft.“ Sie stützte die Hände in die Hüften, wobei ihr Handtuch verrutschte und Zayed einen verführerischen Blick auf ihre Brüste bot. „Wann hätte ich das denn tun sollen, Prinz Zayed? Als ich aus dem Fenster geworfen wurde? Oder als ich geknebelt auf dem Pferd saß?“

„Ich habe den Knebel entfernt“, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor.

„Oder als ich in einem Zelt zwangsgetraut wurde, ohne dass du vorher auch nur ein Wort mit mir gewechselt hast. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen, hm? Hätte ich sagen sollen: ‚Entschuldigen Sie bitte, aber ich glaube, Sie haben die falsche Braut!‘?“

„Du hättest dir doch denken können, dass ich keine bloße Angestellte entführen würde!“, stieß Zayed hervor.

Schmerz flackerte in ihrem Blick auf.

Zayed unterdrückte einen völlig überflüssigen Anflug von schlechtem Gewissen. Er hatte schließlich nur die Wahrheit gesagt.

„Ich war überfordert. Ich hatte zu große Angst um mein Leben, um klar zu denken“, sagte sie nach einer Weile leise.

Wut stieg im Prinzen auf – eine Wut, die eigentlich mehr gegen ihn selbst gerichtet war als gegen diese Frau. „Und danach? Hättest du nicht wenigstens dann etwas sagen können, als wir allein im Zelt waren?“

Sie errötete. „Was hätte ich denn sagen sollen?“

„Wer du bist! Oder mich zumindest fragen, wer ich bin. Dann hätten wir diese Ehe wenigstens nicht vollzogen. Das würde einiges erleichtern.“ Als Olivia nichts sagte, ging Zayed einen Schritt auf sie zu. „Es sei denn, es war gar nicht deine Absicht zu enthüllen, wer du bist. Weil du schon wusstest, wer ich bin!“

Wütend funkelte sie ihn an. „Was willst du damit andeuten?“

„Dass du die Situation zu deinem Vorteil genutzt hast“, antwortete Zayed und ignorierte die Schuldgefühle, die in ihm aufstiegen.

Olivia stand da wie erstarrt. Ihre Augen waren groß, ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. „Vorteil“, sagte sie nach einer Weile spröde.

„Ja, Vorteil. Du warst eine bloße Gouvernante und hast spontan die sich dir unerwartet bietende Chance genutzt, Königin zu werden.“

„Königin?“, fragte sie verächtlich. „Von ein paar Zelten mitten in der Wüste?“

Zayed zuckte zusammen, auch wenn sie nur die Wahrheit sagte. „Ich werde mein Reich zurückerobern“, erwiderte er scharf. „Das kann ich dir garantieren.“

„Wann? Und warum sollte ich ein so großes Risiko eingehen?“ Sie zog das Handtuch höher. Mit einer Mischung aus Wut und Schmerz sah sie ihn an. „Ich kann nicht fassen, dass du mir so etwas unterstellst!“

„Wie soll ich mir dein Verhalten denn sonst erklären? Du hattest jede Menge Gelegenheiten, mir zu sagen, wer du bist.“

„Mir war nicht bewusst, dass ich das muss! Wie auch?“

„Und hinterher?“ Zayed ging noch einen Schritt auf sie zu. Der verführerische Duft ihrer nassen Haut stieg ihm in die Nase. „Was ist mit unserer Hochzeitsnacht?“

Trotzig hob sie das Kinn, obwohl ihre Hände um das Handtuch zitterten. „Was soll damit sein?“

Autor

Cathy Williams
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