Julia Extra Band 488

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WIE RÄCHT MAN SICH AN EINEM PLAYBOY? von JACKIE ASHENDEN

Jetzt wird sie sich rächen! Raffiniert hat Stella es geschafft, den italienischen Playboy Dante Cardinali ans Bett zu fesseln. Allerdings nicht für aufregende Liebesspiele - obwohl auch das ein sehr verführerischer Gedanke ist …

PARIS, L’AMOUR UND DU von ANDREA BOLTER

Das ist Zoes Chance: Im schönen Paris soll die unkonventionelle Innenarchitektin für Jules Durand ein Apartment einrichten. Aber der hyperkorrekte Milliardär streitet ständig mit ihr. Weil sie unterschiedlichen Geschmack haben - oder weil es gefährlich zwischen ihnen knistert?

MEINE LADY IN RED von KATE HARDY

Heiß flirtet Harry auf dem Ball mit der sexy Lady in Red, und aus dem Abend wird eine gemeinsame Nacht. Doch am nächsten Morgen verschwindet sie spurlos! Bis Harry sie zufällig auf seinem Anwesen wiedersieht. Aber warum tut sie so, als ob er ein Fremder für sie wäre?

DIE RÜCKKEHR DER STOLZEN PRINZESSIN von ELISA MARSHALL

"Du wirst mir meine Tochter nicht nehmen." Stolz weist Jasmine den feurigen Scheich Tarek in die Schranken. Zwar ist er Leilas Vater - aber niemand trennt sie von ihrem Kind! Auch wenn sie Tarek dafür nach Aljazar begleiten muss, wo in einer sinnlichen Wüstennacht alles begann …


  • Erscheinungstag 18.08.2020
  • Bandnummer 488
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714888
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jackie Ashenden, Andrea Bolter, Kate Hardy, Elisa Marshall

JULIA EXTRA BAND 488

JACKIE ASHENDEN

Wie rächt man sich an einem Playboy?

Es ist bestimmt nicht das erste fremde Bett, in dem Dante erwacht. Aber noch nie wurde er gefesselt und von einer Frau mit einer Waffe bedroht! Was will diese Schönheit – seine Liebe oder seinen Tod?

ANDREA BOLTER

Paris, l‘amour und du

Milliardär Jules Durand glaubt nicht an l‘amour! Weshalb er sich nicht erklären kann, dass er sich wie verzaubert fühlt, als er der schönen Zoe sein romantisches Paris, die Stadt der Liebe, zeigt …

KATE HARDY

Meine Lady in Red

Nach einem Autounfall kann sich Holly nicht mehr erinnern, mit wem sie einen One-Night-Stand hatte – wer der Vater ihres Babys ist! Was weiß der attraktive Harry, der sie so fassungslos anstarrt?

ELISA MARSHALL

Die Rückkehr der stolzen Prinzessin

Wut ergreift Scheich Tarek, als er das kleine Mädchen neben seiner Ex-Geliebten Jasmine sieht. Seine Tochter! Beide gehören zu ihm nach Aljazar, dem Wüstenstaat, aus dem Jasmine damals geflohen ist …

1. KAPITEL

Dante Cardinali, einer der berüchtigtsten Playboys in ganz Europa, war es gewohnt, in fremden Betten aufzuwachen. Er war auch an schöne Frauen gewöhnt, die neben diesen Betten standen und auf ihn herunterschauten. Es hatte sogar ein paar Gelegenheiten gegeben, bei denen er wie jetzt an den Handgelenken und den Knöcheln gefesselt gewesen war.

Was ihm jedoch fremd war, war der Lauf der Pistole, der auf seinen Kopf gerichtet war.

Dante war noch nie jemand gewesen, der sich viel Gedanken über Dinge machte. Nur eines beschäftigte ihn, und das war er selbst. Und sein Leben. Sowie die Tatsache, dass diese schöne Frau vor ihm die Knarre ziemlich sicher in der Hand hielt.

Es war dieselbe Frau, die er im VIP-Bereich seines Lieblingsclubs in Monte Carlo kennengelernt hatte. Ihm war nicht danach gewesen, sie zu verführen, weshalb sie sich nur lange unterhalten hatten. Was ihm in letzter Zeit häufiger passierte. Eine bedenkliche Entwicklung, wenn er genauer darüber nachdenken würde, was er jedoch nicht tat. Weil er nie über etwas länger nachdachte.

Wie auch immer … Er konnte sich jedenfalls nicht mehr daran erinnern, wie lange er mit ihr gesprochen hatte. Es war ihm einfach entfallen. Eigentlich konnte er sich überhaupt nicht mehr an den Abend erinnern. Und wenn man die Lage bedachte, in der er sich gerade befand, bedeutete das wahrscheinlich, dass er irgendwann das Bewusstsein verloren haben musste.

Woran Dante sich aber noch sehr gut erinnern konnte, waren die durchdringenden, silberblauen Augen dieser hinreißenden Frau.

Diese Augen sahen ihn jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit an. Als müsste die Schönheit sich noch entscheiden, ob sie ihn erschießen sollte oder nicht.

Nun, da er ja immer noch gefesselt und am Leben war, schien sie wenigstens Zweifel zu haben. Und das hießt, dass er sie vielleicht dazu bewegen konnte, aufzugeben.

Denn wenn Dante es darauf anlegte, konnte er eigentlich jeden davon überzeugen, das zu tun, was er wollte. Oder etwas nicht zu tun.

„Darling“, sagte er daher mit leicht belegter Stimme, „eine Pistole ist doch ein bisschen übertrieben, findest du nicht auch? Wenn du Sex mit mir haben willst, zieh dich einfach aus und komm her. Es ist wirklich nicht nötig, mich ans Bett zu fesseln.“ Er runzelte die Stirn und merkte, wie sein Kopf langsam wieder klarer wurde. „Oder tu mir etwas in den Drink, um ans Ziel zu kommen.“

Der kühle Blick der Frau – sie hatte ihm ihren Namen genannt, aber er konnte sich nicht mehr an ihn erinnern – blieb weiterhin direkt auf ihn gerichtet. „Ich will keinen Sex mit Ihnen haben, Dante Cardinali“, sagte sie. Ihr eisiger Ton wirkte wie ein kalter Wasserstrahl auf seiner Haut. „Sehr viel lieber möchte ich Sie umbringen.“

Aha. Sie wollte ihn also tatsächlich töten. Und sie meinte es ernst.

Wahrscheinlich sollte er sich mehr Sorgen machen angesichts der Pistole und der Entschlossenheit in ihren faszinierenden Augen. Was er durchaus auch tat. Aber komischerweise war sein vorherrschendes Gefühl nicht Angst, sondern Erregung.

Es war schon lange her, dass er zuletzt so etwas wie Erregung empfunden hatte, ja, dass er überhaupt etwas empfunden hatte.

Dante starrte sie an und merkte, wie sein Herz schneller zu schlagen begonnen hatte. „Das kommt mir ziemlich extrem vor.“

„Ist es auch. Andererseits ist die Strafe dem Vergehen angemessen.“

Ihre Hand mit der Waffe zitterte nicht, trotzdem hatte sie den Auslöser noch nicht gedrückt. Interessant. Warum nicht?

Dante musterte sie von oben bis unten.

Sie war zierlich, und ihr glattes Haar, das ihr in Kaskaden über den Rücken fiel, hatte die Farbe von frisch geprägten Goldmünzen. Ihre regelmäßigen Züge waren so perfekt wie ihre Figur. Hohe Wangenknochen und ein geschwungener Mund zeichneten ihr Gesicht.

Sie trug ein Cocktailkleid aus silberblauem Satin, das perfekt zu ihrer Augenfarbe passte. Wie eine seidige Flüssigkeit schmiegte es sich an ihren Körper und betonte ihre Kurven – den Schwung ihrer Hüften und ihre wunderschönen Brüste.

Eine entzückende kleine Schönheit. Eigentlich genau sein Typ.

Bis auf die Waffe natürlich.

„Welches Vergehen?“, wollte er wissen. „Bist du zufällig Sizilianerin? Geht es hier um eine Vendetta?“ Dante stellte die Frage nur, um sie zum Reden zu bringen, denn er wusste längst, dass sie nicht aus Sizilien kam. Ihr Italienisch klang anders, der Akzent kam ihm irgendwie vertraut vor.

Sie klang, als käme sie von jenem Inselreich, wo er einst ein Prinz gewesen war, bis man ihn und seine ganze königliche Familie vor Jahren verbannt hatte.

Monte Santa Maria.

„Nein“, sagte sie flach und sehr entschieden. „Aber das wissen Sie doch längst, oder?“

Dante erwiderte ihren Blick. Er war ein guter Menschenkenner, was auch ein Grund für seinen Erfolg als millionenschwerer Investor war. Daher merkte er, wie unsicher sie war. Und natürlich entging ihm nicht, dass sie noch immer nicht den Abzug gedrückt hatte. Was vielleicht bedeutete, dass sie es auch nicht mehr tun würde.

Er war in der Vergangenheit bereits Killern begegnet, und diese Frau war keine von ihnen, darauf hätte er gewettet.

„Ja“, sagte er und nickte. „Gut aufgepasst. Ich liebe intelligente Frauen.“

Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. „Wissen Sie, was ich liebe? Dumme Männer.“

Ihre Nähe stieg ihm zu Kopf. Plötzlich erinnerte er sich wieder an ihre Begegnung im Club von Monte Carlo. Wie sie ihn angelächelt und ihm schüchtern gestanden hatte, dass sie noch nie zuvor in einem Nachtclub gewesen war. Er hatte ihr geglaubt, und obwohl er eigentlich nicht in Stimmung für Gesellschaft gewesen war, hatte er sich zu ihr gesetzt und mit ihr geplaudert. Worum es gegangen war, daran erinnerte er sich zwar nicht mehr, doch er wusste, dass er sich nicht gelangweilt hatte, wie er es in letzter Zeit so häufig tat.

Jetzt, in diesem Moment, war er allerdings auch nicht gelangweilt, ganz im Gegenteil.

Noch immer betrachtete sie ihn prüfend, als wäre sie eine Wissenschaftlerin und er ein Insekt unter ihrem Mikroskop.

Sie war gut. Sehr gut sogar, das ließ sich nicht leugnen. Und Dante wurde klar, dass er sie begehrte.

Bist du verrückt? Sie will dich umbringen, und du bist scharf auf sie?

Doch es überraschte Dante nicht wirklich, denn es war schon zu lange her, dass er eine solche Herausforderung erlebt hatte. Die spannende Frage war jetzt, wie er sich aus dieser Situation befreien sollte.

Er würde beträchtlichen Charme einsetzen müssen, um sie zu manipulieren. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke.

„Dumm, hm? Vielleicht bin ich das ja.“ Er entspannte sich ein wenig und sah zu ihr auf. „Oder vielleicht habe ich immer gewusst, wer du bist und wollte nur sehen, was du von mir willst.“

Ihr wunderschöner Mund verzog sich zu einem kühlen Lächeln. „Ach ja? Dann wissen Sie also auch, warum Sie hier sind?“

Er warf ihr einen provozierenden Blick zu. „Ist es nicht dein Job, mir das zu erklären? Ich warte immer noch auf deinen Monolog.“

„O nein, nein, offensichtlich wissen Sie schon alles, daher lassen Sie sich nicht aufhalten.“ Sie neigte den Kopf, und das Licht fiel auf ihr goldenes Haar. „Ich würde gern hören, was Sie zu sagen haben. Also bitte, nur raus damit!“

Adrenalin schoss durch seine Adern. Das hier wurde von Sekunde zu Sekunde interessanter. Genau wie diese Frau, die ihn mit seinen eigenen Karten schlagen wollte. Kleine Hexe.

Dante versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Wenn sie wirklich aus Monte Santa Maria kam, wie er annahm, dann hing ihr eigenartiges Verhalten wahrscheinlich mit seiner Familie zusammen. Die Cardinalis waren früher die Herrscher des Inselreichs gewesen, doch leider hatte sein Vater seine Macht missbraucht und das Land so heruntergewirtschaftet, dass das Parlament ihn und seine ganze Familie ins Exil geschickt hatte.

Konnte es sein, dass sein Vater der Familie dieser Frau Schaden zugefügt hatte? Sie war noch ziemlich jung, auf jeden Fall jünger als er. Dante war elf Jahre alt gewesen, als seine Familie das Land verlassen musste, daher war sie wahrscheinlich die Tochter von jemandem, den sein Vater verärgert hatte.

Dante erinnerte sich dunkel an eine Adelsfamilie, deren Mitglieder für ihre Schönheit und ihr goldenes Haar berühmt gewesen waren.

„Also gut“, sagte er und gab sich einen Ruck. „Deinem Akzent nach stammst du aus Monte Santa Maria. Und es würde mich nicht wundern, wenn deiner Familie durch meinen Vater Unrecht zugefügt wurde. Daher könntest du eine …“, er überlegte kurz, dann fiel ihm der Name wieder ein, „Montefiore sein.“

Ein Funken blitzte in ihren Augen auf, sie sah ihn schockiert an.

Er hatte also richtig gelegen.

„Sie vermuten es nur, aber Sie wissen nichts“, erwiderte sie.

„Kann schon sein. Aber ich glaube, ich habe ins Schwarze getroffen.“ Er lächelte. „Wenn du also abdrücken willst, solltest du es bald tun. Bevor mich die Spannung umbringt.“

„Glauben Sie etwa, das hier ist ein Witz? Oder irgendein Sexspiel?“

Dante antwortete nichts darauf, doch der Blick, mit dem er sie betrachtete, ließ an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Tatsächlich gefiel ihm die ganze Situation immer besser.

Ihre Züge verhärteten sich. „Für einen Mann, der bald sterben wird, sind Sie erstaunlich gelassen.“

Offensichtlich gefiel ihr seine Haltung nicht. Aber damit war sie nicht allein.

„Ich weiß ja nicht, wie es dir gelungen ist, mich in dieses Hotelzimmer zu bringen und ans Bett zu fesseln“, sagte er gedehnt. „Aber ich weiß, dass du noch immer nicht abgedrückt hast.“ Seine Stimme wurde ein bisschen tiefer, sinnlicher. „Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass du am liebsten etwas ganz anderes mit mir machen würdest, als mich umzubringen.“ Er lächelte sein unwiderstehliches Lächeln, das seine Wirkung auf Frauen nie verfehlte. „Bitte tu dir keinen Zwang an. Ich bin dir voll und ganz ausgeliefert.“

Stella Montefiore hatte nie geglaubt, dass es leicht sein würde, Dante Cardinali umzubringen. Denn er war reich, bedeutend und eigentlich immer von Leuten umgeben, was es schwierig machte, überhaupt an ihn heranzukommen.

Aber sie hatte eine Mission, und ihre Familie zählte auf sie. Besonders ihr Vater.

Es ging um Rache für den Tod seines Sohnes und um die Möglichkeit, die verlorene Ehre der Montefiores zurückzugewinnen. Sie war mitschuldig am Tod ihres Bruders, daher konnte sie sich jetzt keinen Fehler leisten.

Bisher war ihr Plan aufgegangen. Dante war genau da, wo sie ihn haben wollte. Er war ihr ausgeliefert, das hatte er selbst gesagt.

Warum konnte sie dann nicht abdrücken?

Er lag hier auf dem Bett, auf das sie ihn mithilfe des Hotelpersonals gehievt hatte. Sie hatte behauptet, er wäre betrunken. Nun war er an den Handgelenken und Knöcheln gefesselt. Was bedeutete, er konnte ihr nichts tun.

Und trotzdem …

Irgendetwas faszinierte sie an der Art, wie er sie anschaute, mit seinen Wimpern, die viel zu dicht für einen Mann waren. Mit seinen dunklen, goldgesprenkelten Augen, in denen trotz der Situation keine Furcht zu sehen war. Und auch der Anblick seines athletischen, muskulösen Körpers in den schwarzen Hosen und dem maßgeschneiderten weißen Hemd verfehlte seine Wirkung auf sie nicht.

Es ließ sich nicht leugnen, dass Dante Cardinali ein ungewöhnlich gut aussehender Mann war. Seine Züge waren aristokratisch, mit hohen Wagenknochen, einer geraden Nase und perfekt geschwungenen Lippen. Er hatte das Gesicht eines gefallenen Engels und den Körper eines Kriegers. Und er verströmte ungezügelte sexuelle Energie.

Damit hatte Stella nicht gerechnet.

Ihr Herz begann schneller zu schlagen, doch sie ließ sich ihre Erregung nicht anmerken.

„In diesem Fall“, sagte sie kühl, „sollten Sie wohl besser um Ihr Leben betteln, statt mich aufzufordern, mit Ihnen zu schlafen. Und nur damit Sie es wissen: Lieber würde ich sterben, als das zu tun!“

Er lachte und schüttelte den Kopf. „Ach, das glaube ich nicht.“ Seine Augen glitzerten übermütig. „Aber wir können es ja mal darauf ankommen lassen. Ich schwöre dir, gib mir fünf Minuten, und du wirst diejenige sein, die mich anbettelt. Und zwar nicht, damit ich dich am Leben lasse … Stella Montefiore.“

Schockiert sah sie ihn an.

Er kannte ihren Namen.

Bring ihn um. Und zwar sofort.

Plötzlich merkte sie, dass ihre Hand, mit der sie noch immer die Pistole hielt, schweißnass war. Und sie musste an die vielen Stunden denken, in denen sie das Schießen geübt hatte.

Aber auf Blechdosen zu zielen war etwas anderes, als einen Mann zu erschießen.

Sie schluckte, ihr Mund war trocken.

Vergiss nicht, hier geht es um Rache. Rache für Matteo. Und für dich.

Sie musste doch einfach nur abdrücken. Dann wäre alles vorbei. Matteos Ehre wäre wiederhergestellt, und sie hätte ihre Pflicht erfüllt.

Ursprünglich hatte ihr Vater jemanden für diese Mission engagieren wollen, aber sie hatte ihm widersprochen und gesagt, wie wichtig es wäre, dass jemand aus der Familie die Rache vollziehe. Natürlich hatte er davon nichts hören wollen und gemeint, sie wäre zu schwach für den Job, zu weichherzig. Doch Stella hatte darauf bestanden, es selbst zu tun.

Dazu war sie auch in der Lage. Eigentlich müsste es ganz einfach sein.

Aber noch immer bewegte sich ihr Finger nicht.

„Sie irren sich“, sagte sie ruhig. „So heiße ich nicht.“

„Ach nein?“ Dante Cardinalis Augen glänzten, während ein spöttisches Lächeln seinen Mund umspielte. „Dann irre ich mich wohl.“ Seine Stimme war genauso verführerisch wie sein Lachen und löste Empfindungen in ihr aus, die sie nicht fühlen wollte.

Aber so war es ja von Anfang an gewesen, seit dem ersten Moment, als sie ihn leibhaftig vor sich gesehen hatte. Stella hatte Monate damit verbracht, ihn auf Videos zu studieren und seine Geschichte zu recherchieren. Das Ergebnis all dieser Bemühungen war das Bild eines charmanten Playboys, der anscheinend mehr Zeit in Nachtclubs als in den Büros von Cardinal Developments verbrachte, der Investmentfirma, die er gemeinsam mit seinem Bruder Enzo betrieb, und die ihr Geld vorwiegend in Immobilien steckte. Dante Cardinali war immer wieder in den Schlagzeilen, oft an der Seite einer schönen Frau.

„Die Welt wird ihn nicht vermissen“, hatte Stellas Vater, Stefano Montefiore, gesagt. „Er ist genauso egoistisch wie Luca. Wertloser Müll.“

Aber als Stella bis zu den Nervenenden angespannt den schicken Nachtclub von Monte Carlo betreten hatte, allein angetrieben von dem Bedürfnis nach Rache, war es Dante gewesen, der sie an dem Türsteher vorbeigelotst hatte. In diesem Moment war er ihr nicht wie Müll vorgekommen, besonders nicht, nachdem er sie angelächelt hatte. Denn es war ein freundliches Lächeln gewesen, nicht das eines notorischen Womanizers. Er hatte sie unter seine Fittiche genommen, ihr von der Bar einen Drink geholt und sich stundenlang angeregt mir ihr unterhalten.

Dabei hatte er ihr das Gefühl vermittelt, als würde ihn ihre Meinung wirklich interessieren. Und all diese Aufmerksamkeit war Stella zu Kopf gestiegen.

Bis er dann irgendwann auf seine Uhr gesehen und bedauernd gesagt hatte, dass er bald gehen müsste. In diesem Moment war ihr klar geworden, dass sie handeln musste. Noch einen Drink, hatte sie gesagt, und er hatte eingewilligt. Er hatte nicht bemerkt, dass sie ihm etwas in sein Glas getan hatte.

Auch jetzt sah Dante sie lächelnd an, doch diesmal war sein Lächeln nicht freundlich. Es war das eines Raubtiers, das seine Beute studierte. Und sie fand es sehr, sehr aufregend. So aufregend, dass ihr Herz einen Satz machte.

„Mein Name ist Carlotta“, sagte sie gepresst. „Das habe ich Ihnen ja schon im Club erzählt.“

„Oh, bitte entschuldige, das ist mir entfallen. Wahrscheinlich hat jemand etwas in meinen Drink getan.“ Er rührte sich leicht, und sie schluckte beim Anblick seines durchtrainierten Körpers. Sein Rasierwasser stieg ihr in die Nase, es duftete nach Sandelholz.

„Wie sieht es aus, willst du nicht endlich abdrücken?“, fragte er milde. „Denn wenn nicht, werde ich noch vor Erschöpfung einschlafen, fürchte ich. So viel Aufregung bin ich einfach nicht gewohnt.“

Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück.

„Allerdings glaube ich, wenn du mich wirklich umbringen wolltest, hättest du es schon längst getan“, fuhr er fort.

Er hat recht.

Irgendwie war es Stella nicht möglich, einen unbewaffneten Mann zu erschießen. Außerdem musste Dante vorher noch erfahren, warum er sterben sollte: um die Ehre ihrer Familie wiederherzustellen.

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Dante blickte sie an, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie hatte das Gefühl, als würde er ihr auf den Grund ihrer Seele schauen.

„Jetzt leg schon die Waffe weg, Darling“, sagte er ruhig. „Egal, was ich verbrochen haben mag, du darfst dich nicht versündigen.“

„Ob ich mich versündige oder nicht, geht Sie nichts an.“ Stella versuchte, ihrer Stimme einen möglichst festen Klang zu verleihen.

„Wenn du mich wirklich umbringen willst, geht mich das sehr wohl etwas an.“ Er schüttelte den Kopf. „Doch es wird nicht funktionieren, glaube mir.“

Eigentlich wäre dies der richtige Moment gewesen, ihn zu erschießen. Stattdessen tat sie genau das, was er gesagt hatte und senkte ihren Arm.

Sein Blick war weiterhin nur auf sie gerichtet, sie fühlte sich wie hypnotisiert. Die Waffe war schwer, und Stella verstand einfach nicht, warum sie nicht abgedrückt hatte, als sie noch auf ihn gerichtet war. Denn jetzt war dieser Moment unwiderruflich vorbei.

Du hast es verbockt.

Die Scham schlug wie eine Welle über ihr zusammen. Wie hatte er das geschafft? Und, was sehr viel wichtiger war, warum hatte sie es zugelassen?

Seit Matteos Tod hatte Stella hart dafür gearbeitet, sich genau auf diesen Moment vorzubereiten, sich dafür zu wappnen, sich abzuhärten. Doch es sah so aus, als wäre ein Teil von ihr noch immer zu schwach.

Plötzlich empfand sie Zorn, wilden, heißen Zorn über ihr Versagen. Noch bevor sie wusste, was sie tat, hatte sie die Waffe schon auf das kleine Tischchen neben dem Bett gelegt und beugte sich über Dante. Sie sah ihm direkt in die Augen.

„Was möchtest du denn, Kätzchen?“, fragte er amüsiert. „Willst du mir deine Klauen zeigen?“

Er schien überhaupt keine Angst zu haben, und sie wusste auch, warum. Weil er sie durchschaut hatte. Er wusste, dass sie ihm nichts tun würde.

Stellas Wut verstärkte sich noch. Sie loderte in ihr auf wie ein Feuer. Was fiel ihm ein, sie so bloßzustellen? Ihr ihre eigene Schwäche derart zu spiegeln? Und was war nur mit ihr los, dass sie es zugelassen hatte?

Jetzt war ihr wunderbarer Plan kaputtgegangen. Nur weil sie nicht den Mut gehabt hatte, ihn auszuführen.

Weil es diesem Mann irgendwie gelungen war, ihn zu unterminieren.

Nun, wenn Dante wollte, dass sie ihm ihre Klauen zeigte, würde sie es tun. Schließlich kannte sie ja auch seine Schwäche. Er glaubte, immer zu bekommen, was er wollte.

Und es war klar, dass er sie wollte.

Was ihr einen unschlagbaren Vorteil verlieh.

„Nein, meine Klauen wirst du nicht zu spüren bekommen“, sagte sie leise. „Aber meine Zähne schon.“

Dann senkte sie den Kopf und biss ihn.

2. KAPITEL

Die schöne junge Frau, die wahrscheinlich Stella Montefiore, ganz sicher aber nicht Carlotta war, biss Dante zart in die Unterlippe. Ein köstlicher Schmerz durchfuhr ihn.

Sofort wurde er hart, sein ganzer Körper war zum Zerreißen gespannt. Er sperrte sich unwillkürlich gegen seine Fesseln, am liebsten hätte er Stella in seine Arme gezogen.

Diese spezielle Art der Berührung hatte er nicht erwartet, trotz der Wut, die er in ihren Augen hatte aufblitzen sehen, kurz bevor sie sich über ihn gebeugt hatte.

Offensichtlich war sie doch nicht so cool, wie er gedacht hatte – was ihn positiv überraschte.

Dante hatte auf einen Kampf gehofft, und anscheinend würde er ihn auch bekommen.

Wenn nur seine Hände frei wären!

Stattdessen öffnete er den Mund und fuhr mit der Zungenspitze leicht über ihre Lippe.

Sie hielt inne und löste ihre Zähne, den Mund nur einen Hauch von seinem entfernt.

Er biss zurück, aber nur ein wenig, gespannt darauf, wie sie reagieren würde.

Ihr Kopf schnellte zurück. Sie starrte ihn an, ihre Augen funkelten zornig und ihre Wangen waren gerötet. „Zum Teufel mit dir“, flüsterte sie.

„Wieso?“, gab er mit heiserer Stimme zurück. „Weil ich dich davor bewahrt habe, etwas zu tun, was du gar nicht tun wolltest? Weil du keine Killerin bist?“

Anstelle einer Antwort beugte sie den Kopf erneut zu ihm herab und küsste ihn, diesmal fest und entschlossen.

Dante merkte sofort, dass sie ziemlich unerfahren war. Aber er schmeckte auch ihren Zorn und ihre Leidenschaft, was sein Verlangen noch steigerte.

Eigentlich vermied er es, sich mit unerfahrenen Frauen abzugeben, die nicht wussten, worauf sie sich mit ihm einließen. Aber in diesem Fall hatte er es mit jemandem zu tun, der kurz davor gewesen war, ihn zu erschießen. Ein weiterer Faktor, der ihn zusätzlich antörnte.

Trotzdem war es natürlich ein Warnzeichen für ihre Verletzbarkeit. Aber Dante würde nicht den Fehler begehen, sie zu unterschätzen. Schließlich hatte er gemerkt, wie sauer sie gewesen war, als sie begriffen hatte, dass ihre Mission zum Scheitern verurteilt war. Doch statt ihn zu erschießen, hatte sie ihn geküsst.

Ja, das war sehr, sehr interessant.

„Schätzchen“, stieß er hervor, „weißt du überhaupt, was du da tust?“

Anstelle einer Antwort biss sie ihm erneut in die Lippe, diesmal noch fester. Dabei streiften ihre Brüste seinen Oberkörper, als sie sich vorbeugte. Verdammt, ihre Brustspitzen waren ganz hart. Dante konnte sie durch den Stoff seines Hemdes spüren.

Lust schoss in seinen Unterleib, entzündete eine Flamme. Gespannt hielt er den Atem an.

Es war schon sehr, sehr lange her, dass er eine ähnliche Leidenschaft verspürt hatte. Und er genoss es. Doch wenn sie wirklich mit ihm spielen wollte, ging das nur zu seinen Bedingungen.

Deshalb wandte er den Kopf und sagte: „Hör zu, wenn du das haben willst, musst du mich darum bitten.“

Sie stieß einen verärgerten Laut aus und wollte ihn erneut küssen, aber er presste die Lippen zusammen.

Das schien sie zu ernüchtern, sie lehnte sich zurück und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick und erkannte nach wenigen Minuten, dass sie anscheinend eine Entscheidung getroffen hatte.

Das ganze Spiel gefiel Dante von Minute zu Minute besser. Er konnte es kaum erwarten zu erfahren, wie ihr nächster Schritt aussehen würde.

Außerdem war er ja weiterhin ans Bett gefesselt, war ihr also ausgeliefert. Wogegen er gar nichts einzuwenden hatte, denn damit lag der Ball in ihrem Feld.

Seine schöne Kidnapperin stand vor ihm und atmete schwer. Dann hob sie die Hände und schob die dünnen Träger ihres blauen Kleids herunter, sodass es an ihrem Körper hinabglitt und zu Boden fiel.

Darunter trug sie nichts als einen weißen Spitzentanga.

Dante hatte schon viele schöne Frauen in seinem Leben gesehen, mehr, als er zählen konnte. Aber in diesem Fall waren es nicht ihre körperlichen Vorzüge, die ihn so stark berührten, obwohl sie ausnehmend hübsch war.

Es war die Art, wie sie vor ihm stand. Sie hatte den Kopf erhoben, ihr Rücken war kerzengerade. Wie eine Königin sah sie ihn herausfordernd an, als wollte sie ihn dazu auffordern, sie anzubeten. So, wie sie es verdient hatte.

Sein Puls beschleunigte sich, und der Druck in seinem Unterleib wurde immer stärker. Unwillkürlich zog er an seinen Fesseln, beherrschte sich im letzten Moment aber noch.

„Ist das eine Bitte?“, fragte er sie. „Dann lass sie mich erhören.“

Sie erwiderte nichts darauf, sondern streifte sich nur stumm den Tanga ab, bis sie in ihrer ganzen nackten Pracht vor ihm stand.

Dante schluckte, sein Mund wurde ganz trocken. Er konnte seinen eigenen Herzschlag hören.

Verdammt noch mal, was war nur mit ihm los? Seit wann ließ er sich von einer Frau so aus der Fassung bringen?

Und vor allem … seit wann gefiel es ihm, so passiv zu sein?

Aber genauso war es. Er war gewillt, Stella das Kommando zu überlassen und selbst gar nichts zu tun.

Dante biss die Zähne zusammen. Eigentlich sollte es ihm ganz egal sein, ob sie ihn küsste oder berührte.

Doch so war es nicht, und das konnte er sich nicht erklären.

Er lächelte, merkte jedoch selbst, wie gezwungen es wirken musste. Mehr eine Grimasse als ein Lächeln.

„Komm her!“, forderte er sie auf.

Sie sah ihn nur an, und er fragte sich im Stillen, ob ihr aufgefallen war, wie nervös er war. Doch dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und betrachtete ihn in aller Seelenruhe. Dabei blieb ihr Blick schließlich auf dem unmissverständlichen Zeichen seiner Erregung hängen.

Und verweilte dort.

Sein ganzer Körper fühlte sich wie elektrisiert an.

Was, zum Teufel, machte sie nur mit ihm?

„Das ist gar nichts Besonderes“, stieß er hervor. „Wenn du mich wirklich heiß machen willst, musst du dir schon mehr einfallen lassen.“

Sie runzelte die Stirn. „Wer sagt denn, dass ich dich heiß machen will? Vielleicht will ich ja nur mit dir spielen.“

Ach, dann ging es hier also um ein Machtspiel, ja? Nun, dazu gehörten immer zwei. Vielleicht war sie im Moment im Vorteil. Aber er war ein Meister auf diesem Gebiet, ob gefesselt oder nicht.

„Dagegen lässt sich nichts einwenden.“ Er verlieh seiner Stimme einen verführerischen Unterton. „Aber auch wenn du spielen willst, musst du wissen, was du tust.“

„Wer behauptet denn, dass ich das nicht weiß?“, erwiderte sie, streckte die Hand aus und strich leicht über die Ausbeulung in seiner Hose.

Es war zum Verrücktwerden! Heiß wie ein Pfeil schoss die Lust durch ihn hindurch. Doch Dante war entschlossen, sich von ihr nicht an der Nase herumführen zu lassen. Schließlich war sie die Unerfahrene, nicht er.

„Ach ja?“, gab er daher höhnisch zurück. „Hoffentlich übernimmst du dich da nicht.“

Statt zu antworten, fuhr sie fort, ihn zu streicheln.

„Du bist ziemlich arrogant für einen Mann, der ans Bett gefesselt ist.“

„Und du bist ganz schön selbstsicher für eine Jungfrau.“

Die Röte auf ihren Wangen wurde dunkler. Befriedigt registrierte er, wie sie die Augen niederschlug. Offensichtlich hatte er erneut ins Schwarze getroffen. Und er hätte sich auch nicht gewundert, wenn er der erste Mann wäre, vor dem sie sich nackt zeigte.

Normalerweise hielt er sich von Jungfrauen fern. Doch in diesem Fall fand er die Vorstellung, dass die Frau vor ihm noch unerfahren war, besonders reizvoll.

Eine Jungfrau mit einer Waffe … Das hatte etwas Faszinierendes.

„Kein Grund, verlegen zu sein“, sagte er zu ihr. „Selbst ich war mal eine Jungfrau.“ Obwohl er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann er seine Unschuld verloren hatte, so lange war das her.

Einen langen Moment sagte sie gar nichts. Dann ging sie auf ihn zu, stieg aufs Bett und setzte sich zu seiner Überraschung rittlings auf ihn. Ihre Haut glänzte, er konnte die kleinen Schweißperlen auf ihrer Stirn sehen. Ihr Blick war voller Entschlossenheit.

„Ich bin nicht verlegen“, behauptete sie und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. „Warum sollte ich?“

Ihre Nacktheit hatte seinen Hunger nach ihr noch verstärkt. Und ihr Trotz fachte etwas in ihm an, was er schon längst verloren geglaubt hatte.

Seine Entschlossenheit, zu gewinnen.

Er lächelte siegesgewiss. „Völlig richtig. Aber wenn du mit mir spielen willst, solltest du erst mal die Regeln lernen.“ Nach einer Pause fuhr er fort. „Du willst doch sicher nicht beim ersten Versuch gleich verlieren, oder?“

Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte Unsicherheit in ihrem Gesicht auf.

„Ich werde nicht verlieren“, sagte sie kühl und fuhr damit fort, sein Hemd weiter aufzuknöpfen, bis seine Brust sichtbar wurde. „Auch wenn ich noch Jungfrau bin, bin ich deshalb noch lange nicht dumm. Denn wie Sie gesagt haben, Mr. Cardinali: Sie sind mir ausgeliefert. Und es gibt nichts, was Sie dagegen tun können.“

Dante lachte wieder sein unglaublich sexy Lachen. Der Klang ging ihr durch und durch, ihr wurde immer heißer.

Der hungrige Blick, mit dem er sie betrachtete, ließ ihren Atem stocken.

So hatte Stella sich das Ganze nicht vorgestellt. Ja, sie hatte ihn mit ihrem Biss necken, hatte ihn provozieren und ihm zeigen wollen, dass sie es war, die hier das Sagen hatte.

Außerdem hatte sie ihn für seine Überheblichkeit bestrafen wollen. Aber jetzt hatte sie das Gefühl, als wäre sie es, die bestraft wurde.

Sie hatte nicht damit gerechnet, unter seinem Blick zu verbrennen. Dass es sich so gut anfühlen würde, ihn an seiner empfindlichsten Stelle zu streicheln. Oder dass es sie so erregen würde.

Zum Teufel mit ihm! Das hier sollte eigentlich der Moment ihrer Stärke sein, in dem sie sich ihm nackt und gleichzeitig unverwundbar präsentieren wollte.

Aber offensichtlich hatte sie die Rechnung ohne ihn und die Gefühle gemacht, die seine Nähe in ihr auslöste.

„Armes Kätzchen.“ Dantes Stimme war rau und tief, das Vergnügen darin wirkte wie eine Liebkosung ihrer Haut. „Das verstehst du nicht, stimmt’s? Nicht ich bin dir ausgeliefert, sondern du mir.“

Wie unglaublich arrogant das klang. Er lag gefesselt vor ihr, während sie … und doch merkte sie, dass er recht hatte.

Stella spürte die Kraft seines Körpers, die Spannung und sexuelle Energie, die von ihm ausging. Und sie spürte ihr Verlangen, das sie mehr überraschte als alles andere. Plötzlich ging ihr die Luft aus, etwas in ihrem Unterleib zog sich zusammen. Ihr Herz fing an schneller zu schlagen.

Du bist schwach. Du warst schon immer schwach.

Stella verdrängte den Gedanken schnell. Es gab nur eine Antwort auf seine Provokation: Sie musste ihm zeigen, dass sie stärker war als er.

Eigentlich hatte sie geglaubt, Dante Cardinali wäre ein eher simpler Charakter. Ein Mann, dem es nur um sein Vergnügen ging, ein Sklave jeder hübschen Frau, die ihm über den Weg lief.

Aber nicht er war der Sklave, sondern sie.

„Nein“, flüsterte sie. „Ich bin niemandem ausgeliefert, schon gar nicht dir.“

„Gut, dann beweis es mir“, forderte er sie auf. „Steig von mir ab und verlasse diesen Raum.“ Doch seine Taten machten deutlich, dass er genau das Gegenteil wollte. Er hob seine Hüfte und drängte sich provozierend gegen sie. Feuer schoss durch ihre Adern, und sie konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.

„Mach schon“, sagte Dante heiser. „Wenn du glaubst, du kannst es.“

Natürlich konnte sie es. Und sie würde es auch tun.

Doch er hörte nicht auf, sich an ihr zu reiben. Das Ziehen in ihr wurde immer stärker, bis es sie zu überwältigen drohte. Immer wieder hatte Stella sich selbst versprochen, besser und stärker zu werden als das junge Mädchen, das ihren eigenen Bruder durch ihren Verrat ins Gefängnis gebracht hatte. Deshalb hatte sie sich bisher auch jede sexuelle Begegnung versagt. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie dadurch nichts verpasst hätte. Aber das hier …

Steig von ihm herunter. Verlass den Raum. Verweigere dich ihm. Das wolltest du doch, oder?

Natürlich wollte sie das. Und ja, sie würde sich von ihm lösen. Und zwar sofort.

Nur leider … die Hitze, die Dante verströmte und die Faszination, die sein Körper auf sie ausübte, das Gefühl seiner Hüften an ihren … all das schien Stella geradezu zu hypnotisieren, und sie konnte einfach nicht aufhören.

Du musst jetzt etwas tun.

Dante rechnete nicht damit, dass sie sich von ihm löste, das war offenkundig. Er erwartete von ihr, dass sie blieb, dass sie ihm ausgeliefert war, genau wie er gesagt hatte. Und obwohl sie sich dagegen wehrte, sprach ihr Körper eine deutliche Sprache. Sie musste sich also etwas anderes einfallen lassen, um ihre Stärke zu beweisen.

Daher beugte sie sich über ihn und machte sich entschlossen am Reißverschluss seiner Hose zu schaffen.

Dante erstarrte, sein ganzer Körper spannte sich an. „Oh Kätzchen“, stieß er hervor, „ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“

Doch Stella ignorierte ihn, zog den Reißverschluss herunter und steckte ihre Hand in seine Boxershorts. Ihre Finger schlossen sich fest um seine Erektion. So lang, so hart und so heiß.

„Stella!“ Er riss die Augen auf. „An deiner Stelle würde ich das nicht tun.“

Aber es war zu spät. Jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Das hätte den Abend zu einem kompletten Desaster gemacht und wäre ein weiterer Beweis ihrer Schwäche gewesen. Und das durfte sie auf keinen Fall zulassen.

Sie zwang sich, seinem Blick zu begegnen. Das Feuer, das darin loderte, ließ sie erschauern.

„Was sollte ich dir noch einmal beweisen?“, fragte sie provozierend und wartete seine Antwort nicht ab. Stattdessen hob sie ihre Hüften an und ließ sich langsam auf ihn herab, bis sie vereinigt waren.

Ihn in sich zu spüren, war einfach fantastisch. Es tat nicht weh, Stella merkte nur, wie sie sich weitete und verspürte einen leichten Druck, der sie schneller atmen ließ.

Dantes Lächeln verschwand. Er stöhnte auf, als sie ihn noch tiefer in sich gleiten ließ.

Dann fing sie an, sich langsam auf ihm auf und ab zu bewegen, bis sie ihren Rhythmus gefunden hatte. Dante war ganz stumm geworden, er passte sich ihr an, und während sie nach und nach schneller wurden, wuchs das Verlangen zwischen ihnen an wie eine Sturmflut, die sie zu überwältigen drohte.

Stella stemmte die Hände gegen seine Brust. Plötzlich schien die Welt nur noch aus dem harten Männerkörper unter ihr zu bestehen. Wie gut es sich anfühlte, ihn in sich zu spüren. Und wie wunderbar sich die Lust anfühlte, die wie Lava durch ihre Adern strömte.

Nie hätte sie gedacht, dass Sex so sein würde, dass sie selbst so hungrig danach werden könnte. So voller Sehnsucht und Verzweiflung.

Obwohl es kühl im Zimmer war, war sie plötzlich schweißgebadet. Jetzt übernahm Dante die Kontrolle, er bestimmte das Tempo und trieb sie immer mehr an, sich ihm hinzugeben, sich ihm zu überlassen.

Als Stella es kaum noch aushalten konnte, stieß er tief in sie hinein, und sie schrie laut auf. Wie Wellen überrollte sie ihr Orgasmus. Sie warf den Kopf zurück und zerstob in einem Regen aus Licht.

Es war die reine Ekstase.

Als es vorbei war, fiel sie nach vorn auf seine Brust und atmete schwer gegen seine Haut. Dantes Duft aus Schweiß und Sandelholz benebelte sie noch mehr. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, auf einem Felsen in der Sonne zu liegen. Sie schloss die Augen und gab sich ihm hin, lauschte seinem Herzschlag, der sich nur langsam beruhigte.

Der Klang lullte sie ein, es war, als würde sie dem Meer lauschen.

„Hey Kätzchen“, vernahm sie schließlich seine Stimme wie von weit her.

Die Wärme verschwand, das Gefühl der Geborgenheit löste sich auf. Plötzlich wurde ihr kalt.

Stella stemmte sich gegen ihn, richtete sich auf und zwang sich, seinem Blick zu begegnen.

Was hast du nur getan? Du wolltest ihn doch umbringen. Stattdessen hast du mit ihm geschlafen!

Die Scham überrollte sie, drohte sie zu ersticken. Das hier war ein Fehler gewesen. Ein furchtbarer Fehler.

„Stella“, sagte Dante mit weicher Stimme.

Aber sie hielt es nicht aus, auch nur eine Minute länger im selben Raum mit ihm zu sein. Umgeben von den Trümmern ihrer Mission und dem Beweis ihrer Schwäche.

Wortlos glitt sie von ihm herunter, zog sich schnell an und griff nach ihrer kleinen Tasche. Dann floh sie zur Tür und spürte, wie weich ihre Knie waren.

„Stella“, wiederholte Dante noch einmal etwas lauter.

Doch sie drehte sich nicht um. Sie hätte es nicht ertragen können, ihn anzuschauen.

Mit zitternder Hand öffnete sie die Tür und flüchtete hinaus. Das Letzte, was Stella hörte, war der Klang ihres Namens, den Dante ihr zum dritten Mal nachrief und der in ihren Ohren dröhnte.

3. KAPITEL

„Was denkst du, Dante?“, fragte Enzo. „Sollen wir die Pläne aus Tokio übernehmen oder dem New Yorker Büro folgen?“

Dante hörte ihm gar nicht richtig zu, sondern ging unruhig im Konferenzraum der Londoner Filiale von Cardinal Developments auf und ab. Regen prasselte gegen die Scheiben, doch er achtete weder auf die Aussicht, die sich ihm bot, noch auf die Worte seines Bruders.

Er war mit Enzo in England, um mit ihm die Details für ein neues Projekt in der Stadt auszuarbeiten, das aber leider nicht voranging, weil ihre Leute in Tokio und die in New York unterschiedliche Vorstellungen hatten. Doch um ehrlich zu sein, hatte Dante dafür gerade nicht die Geduld.

Denn er konnte an nichts anderes denken als an Stella Montefiore.

Es war jetzt über einen Monat her, seit sie ihn in diesem Hotelzimmer in Monte Carlo gefesselt zurückgelassen hatte. Und zwar nach der intensivsten sexuellen Begegnung seines Lebens. Zu behaupten, dass ihn das ärgern würde, wäre wahrlich eine Untertreibung gewesen.

Denn er war nicht nur verärgert, sondern ausgesprochen wütend.

Nicht nur, weil sie ihm etwas in den Drink getan und ihn sogar hatte umbringen wollen. Nein, er war sauer, weil sie sich nicht bei ihm bedankt hatte. Und weil er seitdem an nichts anderes als an sie denken konnte.

Dabei hätte ihm der kurze Moment der Erfüllung eigentlich reichen müssen. Schließlich gab es auch noch andere Frauen auf der Welt. Er verstand einfach nicht, warum sie ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.

Aber leider war es so.

Dante konnte nicht vergessen, wie sich ihre Erregung angefühlt hatte. Sowie den köstlichen Moment, als sie sich auf ihn gesetzt hatte, um sich mit ihm zu vereinen.

Es war fantastisch gewesen, wie sie ihn in ihre Hand genommen hatte. Und dann später, als sie begonnen hatten, sich miteinander zu bewegen … Nie würde er den Ausdruck auf ihrem Gesicht vergessen. Besonders, weil er wusste, dass er der erste Mann in ihrem Leben gewesen war, der ihr diese Erfahrung bescherte.

Vielleicht hing die Tatsache, dass er sie nicht vergessen konnte, aber auch damit zusammen, dass Stella versucht hatte, ihn umzubringen. Das hatte alles noch einmal gesteigert, einschließlich des Vergnügens.

Letztlich war alles darauf hinausgelaufen, dass ihm klargeworden war, dass er sie nicht einfach gehen lassen konnte.

Deshalb hatte Dante die letzten vier Wochen damit verbracht, sie zu finden. Doch leider ohne Ergebnis, was ihn ziemlich frustrierte.

Jedenfalls bis jetzt.

„Dante, bitte“, sagte Enzo in diesem Moment gereizt. „Wenn du so weitermachst, kriege ich noch Kopfschmerzen.“

Dante blinzelte und drehte sich wieder zu seinem Bruder um, die Hände in den Hosentaschen. Enzo stand gegen den langen Konferenztisch gelehnt, er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn scharf an.

„Erzählst du mir jetzt endlich, was mit dir los ist? Oder wirst du hier weiter wie ein Tiger im Käfig herumlaufen?“

Natürlich hatte sein Bruder recht. Er benahm sich tatsächlich äußerst merkwürdig.

Also versuchte Dante sich zu entspannen. Schließlich wollte er nicht, dass Enzo etwas über Stella erfuhr, zumindest jetzt noch nicht. Denn zum ersten Mal in seinem Leben war Enzo wirklich glücklich, und Dante wollte ihn nicht beunruhigen.

Außerdem würde sein Bruder ihm bestimmt anbieten, ihm bei der Suche nach Stella zu helfen, und auch das wollte er auf keinen Fall. Sie war allein sein Problem, und er würde schon eine Lösung finden.

Natürlich hat das alles nichts damit zu tun, dass du Stella Montefiore wieder in deinem Bett haben möchtest.

Natürlich nicht. Schließlich hatte er sie ja schon einmal gehabt. Und er musste sie nicht noch einmal haben, egal, wie schön sie war oder wie erregend er ihre Begegnung gefunden hatte. Nein, Dante wollte nur, dass man sie fand, damit er die Bedrohung, die von ihr ausging, eliminieren konnte.

„Mit mir ist gar nichts los“, erwiderte er daher scheinbar gelassen. „Wie kommst du denn darauf?“

„Weil du mir überhaupt nicht zuhörst und auch nicht eine Minute mal stillstehen kannst. Irgendwie kommst du mir vor wie Simon.“

Simon war Dantes fünfjähriger Neffe.

„Oh, das tut mir leid“, erwiderte er beschämt, auch wenn ihm der Vergleich nicht gefiel.

Enzo runzelte die Stirn und sah ihn nur an.

„Was denn?“, fragte Dante nervös. „Es gibt kein Problem, wirklich nicht.“

„Ach, komm schon, spuck endlich aus, was dich bedrückt. Ich kann nur hoffen, dass es etwas mit der Arbeit zu tun hat. Das Letzte, was wir in diesem Moment brauchen können, ist ein Skandal in den Medien. Simon kommt bald in die Vorschule, und ich will jeglichen Ärger von ihm fernhalten.“

Dante hatte schon gemerkt, dass Enzo in letzter Zeit besonders daran gelegen war, seine kleine Familie zu beschützen. Bis jetzt hatte sich sein Bruder nie in seine Angelegenheiten eingemischt, daher ärgerte es ihn jetzt umso mehr.

Denn Dante liebte sein Leben so, wie es war und wollte nicht, dass sich irgendetwas veränderte.

„Es hat nichts mit der Arbeit zu tun“, erwiderte er knapp. „Ich würde Cardinal Developments nie in Gefahr bringen, das muss ich dir doch wohl nicht extra sagen.“ Er bemühte sich um ein Lächeln. „Und meinen Neffen bestimmt auch nicht. Nein, es ist nur … ich habe jemanden kennengelernt. Und sie …“

„Oje, das klingt nicht gut. Ist sie verheiratet?“

„Ich bitte dich, Bruderherz. Eine verheiratete Frau? Das ist nicht mein Stil.“

Doch so leicht ließ Enzo sich nicht einwickeln. „Lügst du mich an?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Was ist es dann? Du lässt dich doch sonst auch nicht von deinen Affären aus der Bahn werfen.“

Das stimmte, aber Dante war nicht gewillt, seinen Bruder in die näheren Einzelheiten einzuweihen. Er würde Enzo ganz bestimmt nicht erzählen, dass Stella Montefiore ihn zuerst betäubt und dann hatte umbringen wollen. Als Dante nach der fatalen Begegnung mit ihr wieder in seinem Büro gewesen war, hatte er seine Assistentin sofort gebeten, alles über Stella herauszufinden. Am nächsten Tag hatte er ein ganzes Dossier über Stella Montefiore erhalten, das er aufmerksam studierte, um herauszufinden, warum sie gerade ihn zum Ziel ihrer Rache ausgewählt hatte.

Wie er vermutet hatte, hing es mit ihrer Familiengeschichte zusammen.

Die Montefiores waren eine der einflussreichsten aristokratischen Familien in Monte Santa Maria gewesen, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als sein Vater, der König, ins Exil gegangen war.

Danach hatte die Bevölkerung sie dafür büßen lassen, dass sie das alte Regime unterstützt hatten. Man hatte ihnen all ihre Besitztümer genommen. Schließlich hatte sich herausgestellt, dass Stefano Montefiore zusammen mit Dantes Vater einen Coup geplant hatte, damit dieser wieder den Thron besteigen konnte. Diese Verschwörung war ans Licht gekommen, und dafür hatte man Matteo, Stellas Bruder, ins Gefängnis geworfen, wo er Jahre später auch gestorben war.

Daher musste man kein Genie sein, um sich auszurechnen, warum Stella Montefiore ihn hatte töten wollen. Sie und ihr Vater wollten Dantes Blut, um Rache für ihren verstorbenen Bruder und Sohn zu nehmen.

Es war eine Vendetta, wie sie einer Sizilianerin würdig war.

Nur dass Stella sie leider nicht durchgezogen hatte.

„Ach, du weißt doch, wie es ist“, sagte Dante leichthin. „Es gibt Frauen, die sind einfach … tödlich, unter gewissen Umständen.“ In diesem Fall vor allem, was seine Selbstbeherrschung betraf.

Enzo zog eine Braue hoch. „Ach wirklich? Und willst du mir nicht ein bisschen mehr über diese ganz bestimmte Frau erzählen?“

Dante schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich nicht.“

„Gut, können wir uns dann vielleicht wieder aufs Geschäft konzentrieren? Ich wollte dich nämlich fragen, ob du …“

In diesem Moment klingelte Dantes Handy. Er zog es aus der Tasche und starrte auf das Display.

Es war eine SMS von einem der Privatdetektive, die er engagiert hatte, um Stella ausfindig zu machen. Dieser nannte ihm eine Adresse in Rom.

Dante lächelte zufrieden und merkte, wie aufgeregt er plötzlich war.

Tatsächlich, es war ihm gelungen, sie zu finden.

Und er würde sie nicht wieder entwischen lassen.

Natürlich vor allem deshalb, weil ihm sein eigenes Leben am Herzen lag. Und weil er entschlossen war, sie unschädlich zu machen.

Aber das ist nicht der einzige Grund, oder?

Nein, selbstverständlich ging es ihm nicht allein darum. Er wollte sie auch ein bisschen dafür bestrafen, dass sie ihm nicht mehr aus dem Kopf ging, dass er immer wieder an den Sex mit ihr denken musste.

Ja, dafür wollte er sie büßen lassen.

„Du siehst ganz schön selbstzufrieden aus“, bemerkte sein Bruder anzüglich. „Heißt das, du wirst mir jetzt endlich zuhören?“

„Es heißt“, erwiderte Dante und steckte sein Handy wieder ein, „dass ich nach Italien fliegen muss.“

„Aha. Und mit dieser Frau hat das natürlich nichts zu tun, oder?“

„Natürlich nicht.“

Sein Bruder schnaubte ungläubig. „Was ist mit Tokio?“

Aber Dante war bereits an der Tür. „Das kriegst du schon hin“, erwiderte er und verließ eilig den Konferenzraum.

Am späten Nachmittag landete Dante in Rom, wo bereits eine Limousine auf ihn wartete.

Er gab dem Fahrer die Adresse, die der Privatdetektiv ihm geschickt hatte, und sie fuhren los.

Wie immer war der Verkehr sehr dicht, sodass sie nur langsam vorankamen. Aber als sie dann einen der Außenbezirke erreichten, wo die Straßen immer enger wurden und die Häuser ziemlich heruntergekommen wirkten, wurde er doch ein bisschen unsicher.

Denn die Gegend hier erinnerte ihn an das dreckige Viertel in Neapel, in dem er mit seiner Mutter gewohnt hatte, nachdem sie sich von Enzo und seinem Vater in Mailand getrennt hatte. Sie hatte Dante ein neues, aufregendes Leben versprochen. Ein Leben, das endlich nicht mehr von seinem dominanten Vater bestimmt werden würde.

Eigentlich hatte das ganz gut geklungen, doch es hatte ihm nicht gefallen, dass er Enzo zurücklassen musste. Seiner Mutter hatte Dante das aber nicht gesagt. Er hatte sie nicht noch mehr aufregen wollen, zumal sie damals schon zu trinken angefangen hatte.

Auch dem Fahrer schien die verwahrloste Gegend mit den vielen Graffitis an den Wänden nicht zu gefallen.

„Soll ich vielleicht Ihren Bodyguard holen, Mr. Cardinali?“, fragte er Dante nach einem Blick in den Rückspiegel.

Dante schüttelte den Kopf. „Nein, Giorgio, das ist nicht nötig. Schließlich bin ich in den Slums von Neapel aufgewachsen. Ich kenne mich gut aus mit Vierteln wie diesem hier.“

Er stieg aus und sah sich um. Komisch – natürlich wusste er, dass man die Montefiores um ihr Vermögen gebracht hatte. Aber warum lebte Stella jetzt ausgerechnet hier? Das war kein guter Ort für eine zierliche und hübsche junge Frau wie sie.

Langsam ging Dante auf die Adresse zu, die der Detektiv ihm genannt hatte, einen baufälligen Häuserblock, vor dem mehrere Straßenjungen spielten, die ihn argwöhnisch beobachteten. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er selbst in einer ähnlichen Gegend aufgewachsen war. Dort hatte er gelernt, sich durchzusetzen und zu kämpfen.

Dante betrat das Gebäude, das innen genauso heruntergekommen war wie außen. Im Flur war es dämmrig, und natürlich funktionierte der Aufzug nicht.

Daher musste Dante bis zum fünfzehnten Stock die Treppe hochlaufen, was ihn erneut an die schlimme Zeit mit seiner Mutter erinnerte, die ihm ein schönes neues Leben versprochen hatte. Mit dem Ergebnis, dass sie selbst ein paar Jahre später gestorben war und er sich mit sechzehn hatte allein durchschlagen müssen.

Oben angekommen, ging Dante den Flur entlang, bis er die Apartmentnummer fand, die der Detektiv ihm gegeben hatte. Vor der Tür blieb er unschlüssig stehen, gab sich dann aber einen Ruck und klopfte an.

Stille.

„Ich weiß, dass du da bist, Stella“, sagte er wütend. „Deshalb wäre es besser, du machst mir auf, bevor ich die Polizei hole. Das würde deinem Vater bestimmt nicht gefallen.“

Nichts rührte sich, und sein Herzschlag beschleunigte sich.

Er hatte die Hand schon in seine Tasche gesteckt, um sein Handy herauszuholen und seine Drohung wahrzumachen, da wurde die Tür geöffnet. Eine junge Frau in Jeans und einem verblichenen roten T-Shirt stand vor ihm. Sie hatte ihr goldenes Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden, wirkte ziemlich blass und sah ihn aus großen Augen an.

„Das wird nicht nötig sein“, sagte Stella erstaunlich ruhig. „Falls du allerdings Angst hast, mit mir allein im Zimmer zu sein, solltest du unbedingt die Polizei rufen.“

Obwohl sie sich äußerlich nichts anmerken ließ, raste Stellas Herz wie wild. Doch eher wäre sie gestorben, als sich ihre Aufregung anmerken zu lassen.

Er hatte sie also gefunden. Das war wirklich erstaunlich.

In den letzten Wochen hatte sie immer wieder an das denken müssen, was sich zwischen ihnen ereignet hatte. Im Nachhinein hatte es das Ganze nur als ein fatales Missgeschick deuten können. Als eine vorübergehende Schwäche ihrerseits, die offensichtlich mit ihrer fehlerhaften Planung zusammenhing. Außerdem hatte sie Dante und die Anziehung, die er auf sie ausübte, anscheinend überschätzt. Doch jetzt, wo er tatsächlich vor ihr stand, hatte sie eher den Eindruck, ihn unterschätzt zu haben.

Er wirkte groß und breit, wie er da vor ihrer Tür stand, als wäre er auf einer exklusiven Party und nicht in einem heruntergekommenen Gebäude in einem der schmuddeligsten Viertel Roms. Was natürlich auch mit seinem teuren Maßanzug, dem schwarzen Hemd und der blauen Seidenkrawatte zusammenhing.

Stella schluckte, als ihr Blick auf seine bronzefarbene Haut am Hals fiel. Diese Haut hatte sie berührt, in diese Augen hatte sie geschaut, als er ganz tief in ihr gewesen war …

Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Daran durfte sie nicht denken.

Plötzlich hatte sie wieder Angst. Dieselbe Angst, die sie die letzten Wochen zu unterdrücken versucht hatte.

Wie, zum Teufel, hatte er sie nur finden können? Stella hatte sich doch solche Mühe gegeben, unterzutauchen. Hatte nach der Begegnung mit Dante sogar kurz mit dem Gedanken gespielt, wieder nach Monte Santa Maria zurückzukehren, sich dann jedoch dagegen entschieden.

Denn sie hatte den Gedanken nicht ertragen, ihrem Vater ihr Versagen beichten zu müssen. Bestimmt wäre er furchtbar enttäuscht gewesen. Und es hätte ihn in seiner Ansicht bestärkt, dass sie nicht stark genug war. Dass er jemand anderes hätte engagieren sollen, um Rache zu nehmen.

Das hätte Stella nicht verkraften können. Matteos Tod musste gerächt werden. Sie konnte jetzt nicht aufgeben, nur weil sie einmal gescheitert war.

Natürlich war ihr klar, dass ein zweiter Anschlag auf Dante Cardinalis Leben sehr viel schwieriger werden würde. Schließlich war er jetzt auf der Hut. Aber sie hatte keine andere Option, als weiterzumachen.

Deshalb hatte sie ihrem Vater nur geschrieben, dass sie ein bisschen mehr Zeit bräuchte, um ihren Plan in die Tat umzusetzen, und hatte über ihre nächsten Schritte nachgedacht. Sie war mehrmals umgezogen, um ihre Spuren zu verwischen, hatte es vermieden, mit Kreditkarten zu bezahlen und gehofft, dass Dante sie nicht finden würde.

Aber offensichtlich hatte sie ihn unterschätzt.

Was einem zweiten Fehlschlag gleichkam.

Stella spürte erneut ihre Knie weich werden und fing an zu zittern. O Gott, sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen, nicht noch einmal, nicht vor ihm. Diese Demütigung würde sie nicht ertragen.

„Ah, da bist du ja.“ Dantes Stimme klang warm und tief, so wie sie sie in Erinnerung hatte. Aber sein Blick war alles andere als freundlich. „Es war gar nicht so leicht, dich zu finden.“

Stella antwortete nicht, denn plötzlich wurde ihr wieder schlecht. Genau wie gestern und vorgestern Morgen schon.

Dante sah sie aufmerksam an. „Was ist los?“

Verdammt, er hatte etwas gemerkt.

„Gar nichts“, sagte sie mit belegter Stimme.

Und dann knickten ihre Beine ein.

Bevor sie zu Boden sinken konnte, fing er sie auf und trug sie ins Zimmer. Mit der Ferse kickte er die Tür hinter sich zu.

Ein Gefühl der Scham überkam sie. Sie versuchte, sich aus seinen Armen zu befreien, doch er schüttelte nur den Kopf, und Stella hatte nicht die Kraft, sich zu widersetzen.

Kein Wunder. Die letzten Tage waren unglaublich anstrengend gewesen. Gegen ihren Willen schmiegte sie sich an Dante und spürte nichts als seine Wärme und die Kraft seines Körpers. Eigentlich hätte sie das beunruhigen müssen, aber dafür fehlte ihr die Energie.

Was tust du? Was wird passieren, wenn er es herausfindet?

Plötzlich wurde ihr eiskalt.

Immerhin war es erst zwei Tage her, dass sie ihr letztes Geld zusammengesammelt und in der Apotheke einen Schwangerschaftstest gekauft hatte. Das Ergebnis hatte sie überwältigt. Sie wusste nur, dass es ihren Plan endgültig zunichte machte.

Sie war nicht nur gescheitert, es war viel schlimmer. Das Ganze war eine Katastrophe, und sie hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.

Aber jetzt musst du es.

Dante legte sie behutsam auf die abgewetzte Couch in der Ecke und trat einen Schritt zurück. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie stirnrunzelnd an.

Einen langen Moment herrschte unbehagliches Schweigen.

Stella versuchte sich gegen seinen Angriff zu wappnen und spürte gleichzeitig, wie ihr das Herz bis zum Halse schlug. Doch nach außen hin ließ sie sich nichts davon anmerken. Sie wusste, dass sie ihm gegenüber keine Schwäche mehr zeigen durfte. Das ließ ihr Stolz nicht zu.

„Was war das gerade?“, fragte Dante schließlich.

„Gar nichts.“ Sie war überrascht, wie fest ihre Stimme klang.

„Gar nichts“, wiederholte er ungläubig. „Aber Darling, du bist doch vor meinen Augen zusammengebrochen.“

Stella schüttelte den Kopf. „Ich … ich bin nur ein bisschen müde. Und ich bin nicht dein Darling.“

„Unsinn, du bist mehr als nur müde.“ Er sah sie prüfend an. „Du siehst völlig erschöpft aus.“

Sie ignorierte diese Bemerkung. „Und, hast du jetzt die Polizei gerufen? Bist du deshalb gekommen? Um mich festnehmen zu lassen?“

Es folgte weiteres Schweigen.

„Nein“, erwiderte Dante. „Ich werde schon allein mit dir fertig.“

Was meinte er damit? Unerbetene Bilder drängten sich vor ihr auf. Bilder, wie er sie in seine Arme schließen und mit ihr … Ihr Mund wurde ganz trocken, als sie daran dachte.

Hör auf damit. Konzentrier dich!

Stella biss die Zähne zusammen und versuchte die Erinnerung zu verdrängen, obwohl sie schon wieder das vertraute Ziehen zwischen ihren Beinen spürte.

„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“, fragte sie ihn herausfordernd.

„Nun, ich verfüge über genügend finanzielle Mittel. Außerdem gibt es noch mehr Leute, die dich suchen.“

Er musste einiges an Geld in die Hand genommen haben, denn sie hatte sich redliche Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen.

Anscheinend wollte er mich wirklich finden.

Kein Wunder. Schließlich hatte sie versucht ihn umzubringen.

„Also dann herzlichen Glückwunsch! Und was genau meinst du mit ‚fertig werden‘?“

Ein Funke blitzte in seinen Augen auf, dann schüttelte er den Kopf. „Um ehrlich zu sein, weiß ich das noch nicht genau. Aber ich bin sicher, mir wird etwas einfallen.“ Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Glaubst du nicht auch, Kätzchen?“

Stella schluckte, weigerte sich aber, auf die Provokation einzugehen. Sie hatte bereits einen großen Fehler gemacht. Einen zweiten konnte sie sich nicht leisten.

Sie nickte. „Gut, dann gebe ich dir jetzt meine Telefonnummer. Wenn du weißt, wie du mit mir fertig werden willst, kannst du mich gern kontaktieren. Bis dahin …“ Sie lächelte dünn. „… solltest du vielleicht lieber gehen.“

„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich jetzt einfach wieder verschwinde?“, fragte Dante ungläubig. „Schließlich war es nicht leicht, dich zu finden. Immerhin wolltest du mich umbringen. Wer sagt mir, dass du es kein zweites Mal versuchen wirst?“

Stella schluckte, ihr Mund war trocken. Erneut überkam sie Übelkeit. Sie hätte etwas essen sollen heute Morgen, doch sie hatte überhaupt keinen Appetit gehabt. Und jetzt machte der Hunger alles nur noch schlimmer. Es war ein dummer Fehler gewesen.

Hoffentlich würde sie sich nicht vor Dantes Augen übergeben müssen. Das hätte sie sich nie verziehen.

„Was, wenn ich dir verspreche, dass ich es nie wieder tun werde? Würde dir das reichen?“ Sie wollte aufstehen, aber ihr war noch immer schwindlig, und sie schwankte, als sie auf den Beinen stand.

Sofort war Dante bei ihr und hielt sie am Arm fest. „Kätzchen, was ist denn los mit dir? Bist du etwa krank?“

Stella biss die Zähne zusammen. Die Übelkeit drohte sie zu überwältigen. Und sein besorgter Tonfall gab ihr den Rest. Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte sie den überwältigenden Wunsch, ihm alles zu erzählen, damit er sich darum kümmerte. Schließlich war es ja auch sein Problem.

Doch das konnte sie nicht. Wenn Dante erfahren würde, dass sie schwanger war, würde er bestimmt … nun, was würde er dann tun? Sie hatte keine Ahnung. Sie wusste nur, dass sie es nicht riskieren konnte.

„Nein, es ist nichts.“

„Wie bitte? Du kannst dich doch kaum auf den Beinen halten.“

Ein Teil von ihr sehnte sich danach, sich ihm anzuvertrauen. Ein Teil, den sie jahrelang sogar vor sich selbst versteckt hatte.

Das war doch lächerlich. Was machte dieser Mann nur mit ihr?

Stella versuchte, sich von ihm freizumachen, doch sein Griff um ihre Arme war fest. Was auch gut war, denn sonst wäre sie bestimmt zusammengesunken.

Ihre physische Schwäche machte sie noch wütender. Sie wusste, dass sie eine starke Frau war, aber in Dantes Gegenwart bekam sie plötzlich Zweifel.

Und das hasste sie.

„Mir geht’s gut.“ Sie versuchte erneut, sich von ihm zu lösen. „Und ich weiß gar nicht, warum du dir solche Sorgen um meine Gesundheit machst. Vergiss nicht, dass ich noch vor einem Monat versucht habe, dich zu töten.“ Warum sollte sie das nicht erwähnen? Zumal er diesen besonderen Aspekt jener Nacht bestimmt nicht vergessen hatte.

Falls ihm ihre Bemerkung unangenehm war, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken, sondern betrachtete sie nur weiter prüfend. Allerdings hielt er sie immer noch fest und führte sie jetzt langsam zur Couch, damit sie sich hinsetzen konnte.

„Bleib dort“, befahl er ihr.

Stella wollte protestieren, war aber so erleichtert darüber, dass sie nicht mehr stehen musste, dass sie ihm einfach nur nachschaute, als er sich umdrehte und in die winzige Küche ging.

Zum Teufel mit Dante! Das Letzte, was sie wollte war, dass er nett zu ihr war.

Erschöpft lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Am liebsten wäre ihr gewesen, wenn das alles gar nicht passiert wäre. Wenn sie nicht mit dem Mann, den sie hatte umbringen wollen und von dem sie jetzt schwanger war, geschlafen hätte.

Doch das war nur ein Wunschtraum.

Plötzlich fing ihr Nacken an zu kribbeln. Sie riss die Augen auf.

Dante stand mit einem Glas Wasser in der Hand vor ihr und sah sie argwöhnisch an.

Eine Vorahnung überkam sie.

Er weiß Bescheid.

Aber nein, das war Unsinn. Schließlich hatte sie ihm nichts gesagt.

„Also?“, fragte er herausfordernd. „Wolltest du es mir sagen? Oder wolltest du es einfach nur loswerden?“

Schockiert blickte sie ihn an.

„Wenn du wissen willst, woher ich davon weiß …“ Er zeigte ihr einen Zettel, den er in der anderen Hand hielt. „Das hast du in der Küche liegen lassen.“

Es war die Gebrauchsanweisung für den Schwangerschaftstest.

Stella wurde eiskalt, und sie merkte, wie die Übelkeit zurückkehrte. Panisch überlegte sie, ob sie ihm erzählen sollte, dass der Test nicht von ihr, sondern von einer Freundin wäre, die …

Vielleicht ist das ja gar nicht die Katastrophe, die du befürchtest. Möglicherweise ist es die perfekte Gelegenheit, an ihn heranzukommen.

Vielleicht konnte sie ihre Mission ja doch noch erfüllen und endlich Rache für Matteo nehmen.

Vielleicht konnte sie ihm auf diese Weise zeigen, wie schmerzhaft es war, jemanden zu verlieren. Das konnte noch befriedigender sein als sein Tod.

Aber was ist mit dem Kind?

Nein, über das Kind konnte sie jetzt nicht nachdenken. Ihre Mission stand an erster Stelle.

Sie zwang sich, Dantes wütendem Blick zu begegnen. „Ich … ich habe es selbst erst vor ein paar Tagen erfahren. Und ich hatte mich noch nicht entschieden, wann ich es dir sagen wollte.“

Darauf erwiderte er nichts, doch das war auch nicht nötig. Von seinem charmanten Lächeln war nichts mehr zu sehen, er sah zum Fürchten aus.

Natürlich konnte sie das verstehen.

Wortlos ging Dante auf sie zu und reichte ihr das Glas. „Hier, trink das“, befahl er ihr.

Sein Ton gefiel ihr gar nicht, aber sie wollte ihn nicht noch wütender machen. Also nahm sie das Glas entgegen und trank es in einem Zug aus.

Dante ließ sie nicht aus den Augen. „Und?“, hakte er nach. „Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet. Wolltest du mir sagen, dass du schwanger bist? Ja oder nein?“

„Natürlich wollte ich es dir sagen. Sobald ich mir ganz sicher war.“

„Und willst du es abtreiben?“

Die Frage schockierte sie, schnell schüttelte sie den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ich will es auf jeden Fall behalten.“

„Gut.“ Sein Ton war eisig und duldete keinen Widerspruch. „Schließlich ist es ja auch mein Baby.“

Stella starrte ihn an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Es klang fast so, als wollte er dieses Kind.

Sehnsucht stieg in ihr auf. Schnell ignorierte sie dieses Gefühl.

„Woher willst du das wissen?“, gab sie zurück. „Vielleicht ist es gar nicht von dir.“

Er schnaubte. „Darling, du warst noch Jungfrau, als wir miteinander geschlafen haben. Falls du nach unserem kleinen Intermezzo nicht gleich zu einem anderen Mann gelaufen bist, halte ich es für ziemlich unwahrscheinlich, dass das Kind nicht von mir ist.“ Entschlossenheit blitzte in seinem Blick auf. „Aber wenn du einen Vaterschaftstest willst, ist das für mich auch kein Problem.“

Die Art, wie er sie anschaute, ließ sie erzittern, obwohl sie gar nicht wusste, warum. Stella musste den Blick abwenden, um ihre vorübergehende Schwäche zu verbergen.

Was war nur mit ihr los? Es sah ganz so aus, als würde Dante das Baby wollen. Allerdings machte das auch keinen Unterschied, denn ein Fehler blieb nun einmal ein Fehler, der so schnell wie möglich korrigiert werden musste.

„Nein“, sagte sie schließlich. „Das wird nicht nötig sein.“

„Natürlich nicht“, wiederholte er. „Andererseits wird es wahrscheinlich eines der Dinge sein, die zu organisieren sind, sobald wir in meinem Hotel sind.“

Sie runzelte die Stirn. „Was willst du damit sagen?“

Er zuckte nicht mit der Wimper. „Damit will ich sagen, dass ich in fünf Minuten von hier aufbrechen werde. Mit dir und dem Kind.“

4. KAPITEL

Stella Montefiore sah Dante schockiert an. Doch das war ihm egal. Er würde sie nicht hierlassen, so viel stand fest. Nicht zuletzt wegen ihrer Blässe und den dunklen Ringen unter den Augen.

Sie brauchte Ruhe und Sicherheit, was sie hier ganz bestimmt nicht finden würde.

Sie würde sein Baby bekommen.

Sein Baby.

Diese Tatsache haute ihn noch immer um.

Sie hatten nur einmal miteinander geschlafen und … verdammt, sie hatten kein Kondom benutzt. Wie hatte das nur geschehen können? Es war eine seiner eisernen Regeln, niemals ungeschützten Sex zu haben. Aber an diesem Abend … als er wieder zu sich gekommen war, war er an Händen und Füßen gefesselt gewesen. Eine junge Frau hatte eine Waffe auf ihn gerichtet, und zu allem Überfluss hatte er seine Angreiferin auch noch begehrt. So sehr, dass er die Kondome in seiner Brieftasche völlig vergessen hatte.

Du bist so ein Idiot!

Als Dante die Anleitung für den Schwangerschaftstest auf dem Küchentisch gesehen hatte, hatte er es zunächst nicht fassen können. Das war doch nicht möglich … Stella war schwanger und bekam ein Kind von ihm? Bisher hatte er den Gedanken an Kinder und eine Familie weit von sich gewiesen. Lediglich seinen Bruder Enzo akzeptierte er als Familie.

Mehr wollte er nicht, und mehr brauchte er auch nicht.

Warum berührte ihn die Vorstellung, dass Stella sein Kind zur Welt bringen würde, dann so sehr? Dante hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er sie unbedingt von hier wegbringen musste.

Natürlich konnte er ihr nicht vertrauen, schließlich hatte sie versucht ihn umzubringen. Deshalb war es nur logisch, dass er ein Auge auf sie haben wollte.

Die Frage war nur, ob sie mitspielen würde.

Es sah eher weniger danach aus.

Mit hochgerecktem Kinn funkelte sie ihn zornig an. „Ich soll mit dir ins Hotel fahren? Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Mit einem notorischen Playboy, dem das Leben meines Kindes garantiert total egal ist?“

Plötzlich stieg eine Erinnerung in ihm auf. Die schreckliche Wohnung in Neapel, die er mit seiner Mutter bewohnt hatte, ganz ähnlich wie die, in der er sich jetzt befand. Seine Mutter lag auf der Couch im Koma, während jemand im Flur laut herumbrüllte. Dante hatte damals unglaublich viel Angst gehabt, dass dieser Jemand, der einen solchen Lärm machte, ihre Tür aufbrechen und in ihr Apartment stürmen würde. Und es hatte niemanden gegeben, der sie hätte beschützen können.

Offensichtlich waren seiner Mutter das Leben und die Sicherheit ihres Sohnes egal gewesen. Auch wenn sie immer wieder betont hatte, wie sehr sie ihn liebte, hatte sie ihre elterlichen Pflichten vernachlässigt. Immer, wenn Dante sie gebraucht hatte, war sie betrunken gewesen.

Willst du so enden wie sie?

Nein, ganz bestimmt nicht.

Er holte tief Luft. „Hör mir jetzt bitte genau zu. Denn ich werde es nur einmal sagen. Du hast genau fünf Minuten, um deine Sachen zu packen, dann werden wir von hier verschwinden. Entweder gehst du freiwillig mit, oder ich werde dich dazu zwingen. Hast du verstanden?“

Erneut herrschte Schweigen. Die Spannung zwischen ihnen war mit den Händen zu greifen. Stellas Augen funkelten, aber trotz ihres Zorns erschien sie ihm schöner denn je.

Dennoch ließ sich Dante nicht von seinem Entschluss abbringen. Er wusste, dass er nicht nur sie, sondern auch das Baby beschützen musste. Es war ihm egal, ob Stella sauer auf ihn war. Hier ging es nicht mehr nur um sie beide. Das Leben eines Kindes, seines Kindes, stand auf dem Spiel.

Sie schien seine Entschlossenheit zu spüren, denn schließlich nickte sie resigniert. „Na gut. Wenn du willst, können wir gleich gehen. Ich nehme nur meine Handtasche mit.“

Dante, der damit gerechnet hatte, dass sie mehr kämpfen würde, starrte sie an.

Plötzlich fiel ihm auf, wie extrem blass sie war. Außerdem wirkte sie ein bisschen verwahrlost mit dem alten T-Shirt und der zerrissenen Jeans. Ihre Haare schien sie auch schon eine Weile nicht mehr gewaschen zu haben.

Der Unterschied zu der glamourösen jungen Frau im Cocktailkleid und mit goldener Mähne hätte nicht größer sein können.

Es wirkte, als wäre Stella auf der Flucht, wahrscheinlich vor ihm. Dass er jetzt herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, musste ein großer Schock für sie sein.

Dante überkam der Drang, etwas tun zu müssen. Spontan hob er sie hoch.

„Hey, lass das“, protestierte sie und stemmte sich gegen seine Brust. Doch er merkte auch, wie ihr Körper sich entspannte, als hätte sie sich schon die ganze Zeit danach gesehnt.

„Glaubst du, dass du dich auf den Beinen halten kannst?“, fragte er und sah besorgt in ihr blasses Gesicht.

„Natürlich kann ich das.“

„Soll ich dich dann wieder runterlassen?“

Stella presste nur die Lippen zusammen und wandte den Kopf ab.

Also ging er mit ihr in die Küche, wo sie sich ihre Handtasche schnappte, und trug sie aus dem Apartment.

Die Leute, an denen sie vorbeigingen, starrten sie an, doch das war ihm egal. Stella fühlte sich in seinen Armen so weich und warm an, so feminin. Kein Vergleich zu dem aufreizenden Parfüm, das sie in Monte Carlo aufgetragen hatte.

Und das war auch gut so. Denn genau wie damals reagierte sein Körper wieder auf ihre Nähe, obwohl Dante das im Moment nun wirklich nicht gebrauchen konnte.

Auf keinen Fall durfte er diese verzwickte Situation durch Sex noch komplizierter machen. Bestimmt würde es nicht leicht für ihn sein, sich bei Stella zurückzuhalten. Doch im Moment ging es hier um etwas ganz anderes.

Außerdem war es ein großer Fehler von ihm gewesen, überhaupt mit ihr zu schlafen.

Dante biss die Zähne zusammen und trug Stella vorbei an all den Dealern und Junkies und Straßenjungen, die vor ihrem Gebäude herumlungerten. Als Giorgio, sein Fahrer, ihn erblickte, stieg er sofort aus der Limousine und öffnete die Wagentür. Dante ließ Stella behutsam auf den Rücksitz nieder und setzte sich neben sie. Als sie losfuhren, spürte er ein seltenes Gefühl der Befriedigung. Endlich hatte er einmal etwas richtig gemacht.

Stella sagte auf der ganzen Fahrt kein einziges Wort, was ihm nur recht war. Sie wirkte weiterhin sehr erschöpft.

Bald hatten sie das Hotel erreicht, das nicht weit von der Spanischen Treppe entfernt lag. Dante fuhr mit Stella hoch in seine Penthouse Suite und ignorierte dabei die neugierigen Blicke der anderen Hotelgäste und des Personals. Es war kein Wunder, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen, denn Stella sah nun wirklich nicht wie seine üblichen Begleiterinnen aus.

Trotzdem wusste er, dass er vorsichtig sein musste, damit die Presse nicht Wind von dieser Aktion bekam. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren Gerüchte über sie, ihn und das Baby. Jedenfalls noch nicht. Er musste erst einmal in Ruhe darüber nachdenken, wie er mit der ganzen Situation am besten umgehen sollte.

Nachdem Dante den Angestellten ein paar kurze Anweisungen gegeben hatte, was sie ihnen bringen sollten, schloss er die Tür hinter ihnen.

Dann führte er Stella in den luxuriösen Loungebereich mit den weißen Ledersofas. Von hier oben hatte man einen fantastischen Blick auf die Dächer Roms.

Wortlos ließ Stella sich auf einem der Sofas nieder, rollte sich zusammen und schloss die Augen. Offensichtlich war sie so sehr erschöpft, dass sie wenige Minuten später fest eingeschlafen war. Dante breitete eine Decke über sie aus und betrachtete sie nachdenklich.

Sie wirkte so schmal und zierlich, so verletzlich. Wie eine Porzellanpuppe, mit ihren großen blauen Augen und dem Haar aus gesponnenem Gold. Eine Frau, die zuerst versucht hatte, ihn zu töten, und die ihm dann zu einer der außergewöhnlichsten sexuellen Erfahrungen seines Lebens verholfen hatte.

Eine Frau, die jetzt sein Kind in sich trug.

Erneut verspürte Dante einen Beschützerinstinkt in sich, der ihm bisher völlig fremd gewesen war. Eine starke Emotion, die er einfach nicht abschütteln konnte, die er sich aber auch nicht recht erklären konnte.

Wahrscheinlich hing es mit dem Baby zusammen und nicht mit ihr.

Plötzlich registrierte er eine Spannung in seinem ganzen Körper.

Bisher war er immer nur für sich allein verantwortlich gewesen und hatte nach seinem eigenen Gusto gelebt. Doch jetzt, da Stella sich plötzlich in seinem Apartment befand, merkte er, dass es hier noch um etwas anderes ging, als nur darum, sie in Sicherheit zu bringen.

Warum hatte er nicht eine Sekunde gezögert, als er sie gefragt hatte, ob sie das Kind behalten würde? War ihm überhaupt klar gewesen, welch große Verantwortung damit plötzlich auf ihn zukam?

Aber es ließ sich nicht leugnen – die Tatsache, dass sie schwanger von ihm war, veränderte alles.

Normalerweise vermied er Komplikationen jeglicher Art wie die Pest. Doch in diesem Fall … Ihr gemeinsames Kind hatte nicht darum gebeten, geboren zu werden. Ganz bestimmt hätte es sich nicht Eltern wie sie gewünscht, einen egoistischen Playboy und eine potenzielle Mörderin. Doch es war unschuldig. Und es brauchte jemanden, der sich um es kümmerte.

Und auch wenn Dante vielleicht der schlechteste Vater der Welt sein würde, wollte er diese Rolle unbedingt übernehmen.

Ob es Stella Montefiore nun gefiel oder nicht.

Stella wollte eigentlich nicht aufwachen, doch ein köstlicher Duft stieg ihr in die Nase. Zum ersten Mal war ihr nicht übel. Sie verspürte sogar so etwas wie Hunger.

Als Nächstes vernahm sie eine Stimme, nicht weit von ihr. Jemand sprach Englisch, und offensichtlich ging es um ein Kind …

Die Realität traf sie plötzlich wie ein kalter Wasserstrahl. Sie riss die Augen auf.

Natürlich, der Schwangerschaftstest. Dante Cardinali, der sie in sein Hotel gebracht hatte. Und der wusste, dass sie von ihm ein Kind bekam.

Dante.

Sie hatte nicht erwartet, dass er sich um sie kümmern würde, nachdem er sie gefunden hatte. Aber da es ihren Plänen entgegenkam, hatte sie sich auch nicht dagegen gewehrt und zugelassen, dass er sie zum Auto brachte.

Ohne sich zu rühren, öffnete Stella vorsichtig die Augen und studierte ihre Umgebung.

Es schien früher Abend zu sein, die weißen Wände des Raums waren in ein rosafarbenes Licht getaucht. Die großen Glastüren waren geöffnet und führten hinaus auf die Terrasse, wo Dante mit dem Rücken zu ihr stand. Eine Hand in die Tasche gesteckt, hielt er mit der anderen sein Handy ans Ohr.

Stella wäre gern auf ihn wütend gewesen, weil er sie hierher entführt hatte. Doch sosehr sie sich auch bemühte, sie brachte keinen Zorn gegen ihn auf.

Dazu fühlte sie sich viel zu warm und geborgen, auch wenn sie wusste, dass sie vor ihm auf der Hut sein musste.

In diesem Moment drehte Dante sich um, und seine dunklen Augen bohrten sich in ihre. Es geschah so plötzlich, dass ihr die Luft wegblieb, genau wie in dem Moment, als er plötzlich vor ihrem Apartment gestanden hatte.

Er lächelte, doch sein Lächeln schien nicht ihr zu gelten. Denn sobald er den Anruf beendet und sein Handy wieder in die Tasche gesteckt hatte, verschwand es.

Sie fröstelte. Es schien ihr, als hätte sich mit einem Mal eine dunkle Wolke vor die Sonne geschoben, obwohl es im Zimmer noch hell war.

„Du bist wach“, sagte Dante.

Stella richtete sich auf, schob eine Haarsträhne hinters Ohr und zog die warme Wolldecke bis zu den Schultern hoch.

„Ja, sieht ganz so aus.“

Es lag etwas in seinem Blick, das sie nicht recht deuten konnte. Etwas, das sie verunsicherte. Als ob er eine Entscheidung getroffen hätte. Hatte er vielleicht doch die Polizei angerufen und sich gegen das Baby entschieden?

Das hättest du verdient.

Sie schluckte und versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

„Ich habe etwas zu essen bestellt.“ Er zeigte auf den kleinen runden Tisch auf der Terrasse, auf dem ein üppiges Frühstück stand. „Du solltest unbedingt etwas essen.“

Alles sah köstlich und einladend aus, der Duft der Speisen ließ ihren Magen grummeln.

Stella biss die Zähne zusammen und hätte Dantes Einladung am liebsten abgewiesen. Sie wollte im Grunde nicht, dass sie sich näherkamen. Das würde es ihr unmöglich machen, ihren Racheplan durchzuführen. Doch wahrscheinlich war es besser, ihn einzulullen, damit er sich in Sicherheit wägte und aufhörte, sie als eine Bedrohung zu betrachten. Daher sollte sie ihn nicht bekämpfen.

Außerdem hast du Hunger.

Das stimmte wirklich.

Stella erhob sich von der Couch und stellte dabei erfreut fest, dass ihre Beine längst nicht mehr so schwach waren wie am Tag zuvor.

Dante ließ sie nicht aus den Augen, wahrscheinlich wäre er sofort wieder zur Stelle, wenn ihre Beine versagten.

Diesen Gedanken fand sie äußerst irritierend.

„Mir geht’s gut“, sagte sie knapp. „Du brauchst mich nicht so anzustarren. Ich werde schon nicht umkippen.“

Er schüttelte den Kopf. „Das hast du schon mal gesagt.“

„Warum machst du dir eigentlich solche Sorgen um meine Gesundheit?“

„Weil du mein Kind in dir trägst, Kätzchen.“ Sein Ton war beißend, fast schon sarkastisch. „Nur für den Fall, dass du das vergessen haben solltest.“

Stella ignorierte diese Bemerkung und trat hinaus auf die Terrasse.

Die Dämmerung senkte sich auf die ewige Stadt, und es wurde merklich kühler. Die Luft war erfüllt vom Geruch des Essens und einem schwachen Hauch von Sandelholz, Dantes Aftershave.

Stella trat auf ihn zu und spürte sofort die elektrische Spannung, die sie immer in seiner Nähe empfand.

Du erinnerst dich an diesen Körper. Du weißt, wozu er imstande ist.

O ja, natürlich erinnerte sie sich daran. Und zwar in allen Einzelheiten. Doch lieber wäre ihr gewesen, sie würde es nicht tun. Tatsächlich hatte sie sich in den letzten Wochen dauernd gewünscht, das alles wäre nicht passiert.

Jetzt kannst du es nicht mehr vergessen. Du wirst für immer daran erinnert werden.

Fast hätte Stella ihre Hand auf ihren Bauch gelegt, zog sie jedoch im letzten Moment zurück. Warum sie das tat, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie jetzt nicht an das Baby denken durfte. Schließlich hatte sie noch immer einen Job zu tun.

Verärgert über sich selbst, weil Dantes Nähe eine solche Wirkung auf sie hatte, ging sie an ihm vorbei und ließ sich an dem runden Tisch nieder. Das Essen sah wirklich zum Anbeißen aus. Es gab mehrere Teller mit Käse, Schälchen mit Oliven und Salat, Hummus sowie frisch gebackenes Weißbrot. Dazu kaltes Fleisch, was sie jedoch nicht reizte. Außerdem Kaffee und Orangensaft.

Da fiel ihr erst auf, wie durstig sie war.

Stella griff nach der Karaffe mit Orangensaft und schenkte sich ein.

Dante hatte ein Glas Weißwein in der Hand und trank einen Schluck.

„Wie geht’s dir?“, erkundigte er sich.

„Wirklich gut. Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?“

„Ein paar Stunden.“ Er sah sie nachdenklich an. „Auf jeden Fall solltest du jetzt etwas zu dir nehmen. Das hilft immer gegen die Übelkeit.“

„Ist mir klar, vielen Dank.“ Sie wusste, dass sie sich etwas auf den Teller legen sollte. Aber aus irgendeinem Grund bäumte sie sich innerlich auf. Sie hatte keine Lust, das zu tun, was Dante ihr sagte.

Vor ihrem Treffen in Monte Carlo war er für sie immer nur das Ziel ihrer Rache gewesen. Und dann, als sie ihn persönlich kennengelernt hatte, war er für sie mehr eine Karikatur als ein echter Mensch gewesen. Jemand, den sie beseitigen musste, um der Ehre ihrer Familie willen.

Aber seitdem er ihr gesagt hatte, dass er das Kind wollte, das sie in sich trug, hatte sie begonnen, ihn mit anderen Augen zu sehen. Jetzt war er für sie nicht mehr nur der selbstbezogene Playboy, sondern jemand, der mehr zu bieten hatte, als sie gedacht hatte.

Gleichzeitig wusste Stella, dass das ein gefährlicher Gedanke war. Sie konnte es sich nicht leisten, Dante als Person zu sehen, die Bedeutung für ihr Leben hatte. Denn dann könnte sie ihre Rache nicht mehr ausüben.

Er schien ihren Widerstand nicht zu bemerken, sondern stellte sein Glas ab und begann, einen Teller für sie zusammenzustellen.

„Ich weiß, dass Schinken nicht gut für dich ist, aber alles andere kannst du doch essen, oder?“

„Bist du jetzt etwa ein Experte für Schwangerschaft?“, fragte sie spöttisch. „Wie viele Kinder hast du denn schon gezeugt?“

„Kein einziges“, erwiderte er ruhig. „Und ich bin ganz bestimmt kein Experte auf diesem Gebiet. Allerdings habe ich mir von meiner Schwägerin gerade ein paar Tipps geholt.“ Er lächelte leicht. „Keine Sorge, Kätzchen, so schnell wird man kein Fachmann in diesen Dingen.“

Sie runzelte die Stirn und musste die Nachricht erst mal verdauen. Dante Cardinali war dafür bekannt, dass er sich an niemanden band und auch nicht vorhatte, jemanden zu heiraten.

Warum interessierte er sich dann plötzlich so sehr für ihre Schwangerschaft? Und warum war er bereit, Verantwortung für seine Vaterschaft zu übernehmen?

Bisher hatte er ihr darauf keine befriedigende Antwort gegeben. Aber jetzt war sie so neugierig, dass sie einfach nachhaken musste.

„Was willst du damit sagen?“ Stella trank noch einen Schluck Orangensaft. „Du willst doch wohl nicht behaupten, dass du es kaum erwarten kannst, Vater zu werden, oder? Und dich mit einer Frau niederzulassen, die versucht hat, dich umzubringen?“

Etwas glänzte in seinen Augen auf, obwohl sie es nicht deuten konnte. Doch sein Ton war milde. „Keine Ahnung. Willst du mich denn immer noch umbringen?“

„Wer weiß?“, gab sie gespielt harmlos zurück. „An deiner Stelle würde ich jedenfalls beim Schlafen immer ein Auge offenhalten.“

Darauf erwiderte er lange nichts. Sie konnte kaum atmen und merkte, dass ihre Hand, mit der sie das Glas hielt, zitterte. In diesem Moment verschwand der scharfe Funke in Dantes Augen. „Oder ich könnte mit dir schlafen und dich auf andere Gedanken bringen“, murmelte er.

Ihre Wangen erröteten. Erneut verspürte sie das vertraute Ziehen zwischen den Beinen.

„Aber du wirst keinen zweiten Versuch starten“, fuhr er fort. „Schließlich hast du vor fünf Wochen nicht geschafft, mich zu töten. Es gibt keinen Grund, warum es dir jetzt gelingen sollte.“

Vielleicht hatte er recht. Aber Stella hasste es, dass er so arrogant war.

„Woher willst du das wissen?“, fuhr sie ihn an. „Du kennst mich doch gar nicht.“

Au contraire, Darling“, erwiderte er und stellte ihr den vollen Teller hin. „Ich kenne dich sogar sehr gut. In den letzten Wochen, als ich dir auf der Spur war, habe ich nämlich ein Dossier über dich angelegt.“

Überrascht blickte sie ihn an, und er fuhr fort: „Du bist die jüngste Tochter von Stefano Montefiore, der viele Jahre lang meinen Vater unterstützt hat, sogar noch nachdem wir ins Exil gegangen sind. Aber dann hat die Regierung von Monte Santa Maria herausgefunden, dass er ihm viel Geld zur Verfügung gestellt hat und dass die beiden gemeinsame Pläne geschmiedet haben, damit mein Vater die Herrschaft über das Land zurückgewinnt. Doch aus irgendwelchen Gründen konnten sie weder deinen Vater noch deinen Bruder Matteo schnappen, bis dieser am Ende im Gefängnis gelandet ist.“ Er sah sie scharf an. „Wo er dann auch gestorben ist.“

Stella zuckte zusammen. Erneut drohten die Schuldgefühle sie zu überwältigen.

Nie würde sie vergessen, wie die Polizei damals zu ihnen ins Haus gekommen war und von ihnen wissen wollte, wo Stefano und Matteo Montefiore sich aufhielten. Ihre Mutter hatte die ganze Zeit über nur geweint, und Stella hatte große Angst um sie gehabt. Deshalb hatte sie den Polizeibeamten schließlich auch alles gesagt, was sie wusste. Dass sie gesehen hatte, wie ihr Vater und ihr Bruder zu den Höhlen am Strand gegangen waren, die sich unweit des Hauses befanden.

Natürlich wusste Stella, dass sie damit einen großen Verrat begangen hatte. Aber sie war erst zehn Jahre alt gewesen und konnte es nicht ertragen, wenn jemand Schmerzen erleiden musste. Es war furchtbar, ihre Mutter weinen zu sehen, deshalb hatte sie der Polizei alles erzählt, was sie wusste.

Während ihr Vater fliehen konnte, hatte ihr Bruder weniger Glück gehabt. Sie hatten ihn erwischt und ins Gefängnis geworfen, wo er fünf Jahre später ums Leben gekommen war.

Es war ihre Schuld, ganz allein ihre Schuld.

Stella versuchte Dantes Blick standzuhalten und stark zu bleiben, so wie ihr Vater es ihr beigebracht hatte. Daher nickte sie nur und sagte ruhig: „Ja, das stimmt. Aber was willst du damit sagen?“

„Damit will ich sagen, Darling, dass ich weiß, warum du versucht hast mich umzubringen. Dein Vater will Vergeltung für seinen Sohn üben. Nach dem Motto ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘.“ Dante trank noch einen Schluck Wein und setzte hinzu: „Oder anders ausgedrückt: Den Tod eines Sohns für den eines anderen.“

Stella starrte ihn an. Eins stand fest: Dante war nicht dumm.

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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