Julia Extra Band 496

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DIE SINNLICHE RACHE DES PLAYBOYS von JACKIE ASHENDEN

Die rothaarige Schöne mit den kornblumenblauen Augen kommt Playboy Cristiano Velazquez seltsam bekannt vor. Bis er herausfindet wieso: Leonie ist die Tochter seines größten Feindes! Spontan fasst er einen leidenschaftlichen Racheplan und verführt sie zu einer Liebesnacht …

IM BANN DES TYCOONS von ELLA HAYES

Der attraktive Tycoon Theo Molenaar fasziniert Mia vom ersten Moment an. Zwar wollte sie Job und Privates trennen, doch sie kann dem neuen Geschäftspartner ihres Bruders einfach nicht widerstehen! Ein Fehler? Denn Mia fürchtet, dass Theo etwas vor ihr verbirgt …

KÜSS MICH, MEIN GELIEBTER PRINZ! von REBECCA WINTERS

Prinzessin Donettas heimlicher Liebe zu Prinz Enrico ist keine Zukunft vergönnt. Zwischen ihren Familien herrscht eine uralte Fehde, beide sind längst jemand anderem versprochen. Als sie Enrico nach Jahren erneut trifft, verzehrt sie sich trotzdem mehr denn je nach seinen Küssen …

WIEDERSEHEN IN GRIECHENLAND von DANI COLLINS

Nachdem Kiara ihn gezeichnet hat, verbringt Selfmade-Milliardär Valentino Casale eine Nacht der Leidenschaft mit ihr. Danach verschwindet die schöne Künstlerin spurlos aus seinem Leben. Bei einem überraschenden Wiedersehen in Athen macht sie ihm ein schockierendes Geständnis …


  • Erscheinungstag 02.02.2021
  • Bandnummer 496
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500562
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jackie Ashenden, Ella Hayes, Rebecca Winters, Dani Collins

JULIA EXTRA BAND 496

JACKIE ASHENDEN

Die sinnliche Rache des Playboys

Leonie kann nicht fassen, was der Pariser Playboy Cristiano Velazquez von ihr verlangt: Sie soll ihn heiraten! Nicht aus Liebe, sondern aus Rache, weil ihr Vater ihm einst das Wichtigste nahm …

ELLA HAYES

Im Bann des Tycoons

Zwischen der betörenden Mia und Tycoon Theo Molenaar knistert es immer verführerischer. Doch auf keinen Fall darf er ihr zu nahekommen und sein wohlgehütetes Familiengeheimnis in Gefahr bringen …

REBECCA WINTERS

Küss mich, mein geliebter Prinz!

Nie hat Kronprinz Enrico seine Jugendliebe Prinzessin Donetta vergessen! Als er sie nach Jahren wiedertrifft, begehrt er sie mehr denn je. Wird sie ihm verzeihen, dass er sie damals verlassen musste?

DANI COLLINS

Wiedersehen in Griechenland

Kiara hat ihr Wiedersehen mit Valentino Casale zugleich gefürchtet und herbeigesehnt. Wie wird der sexy Milliardär reagieren, wenn sie ihm die Folgen ihrer leidenschaftlichen Liebesnacht gesteht?

1. KAPITEL

Das Letzte, was der Herzog und berüchtigte Playboy Cristiano Velazquez jetzt brauchte, waren irgendwelche Jugendliche, die mit Spraydosen in den Händen vor seiner Limousine herumlungerten. Musste das ausgerechnet um zwei Uhr morgens sein, während er gerade seinen Pariser Lieblingsclub verließ?

Gott allein wusste, wo sein Fahrer André war, der faule Bastard. Jedenfalls nicht hier, um auf seinen Wagen aufzupassen, wie er es eigentlich hätte tun sollen.

Die beiden Frauen an Cristianos Arm reagierten verängstigt und murmelten etwas von Bodyguards. Doch Cristiano hatte sich noch nie Sorgen um seine persönliche Sicherheit gemacht, und das tat er auch jetzt nicht. Die Situation hatte fast einen gewissen Reiz. Wenigstens war die Begegnung mit einer Pariser Straßengang etwas, was nicht jeden Tag vorkam.

Obwohl es natürlich besser gewesen wäre, wenn sie seine Limousine nicht besprüht hätten.

Wie dem auch sei, jedenfalls verängstigten diese Jugendlichen seine Freundinnen. Und da er vorhatte, die Nacht mit beiden Frauen in seinem Bett zu verbringen, musste er die Situation irgendwie in den Griff bekommen.

„Entschuldigung, Ladys“, murmelte er und ging langsam auf die Jugendlichen zu.

Einer von ihnen musste ihn gesehen haben, denn er sagte etwas zu seinen Freunden. Sofort löste sich die Gruppe auf und verteilte sich in alle Richtungen.

Bis auf den Jungen mit der Sprühdose in der Hand, der gerade dabei war, ein Graffiti auf die Beifahrertür zu sprühen.

Er trug dreckige schwarze Jeans und einen Hoodie und war so konzentriert bei der Sache, dass er Cristiano gar nicht bemerkte.

Der Herzog blieb hinter dem Jugendlichen stehen und betrachtete das Kunstwerk. „Ziemlich gut“, sagte er beiläufig. „Aber da fehlt noch ein E.“

Sofort sprang der Junge auf, seine Kapuze verrutschte ein Stück – und eine lange aprikosenfarbene Haarsträhne stahl sich hervor.

Cristiano erstarrte. Eine ungewöhnliche Farbe. Und irgendwie vertraut.

Eine vage Erinnerung überkam ihn, und bevor er wusste, was er tat, hatte er den Jungen schon bei den Schultern gepackt und herumgerissen. Zielstrebig schob Cristiano die Kapuze des Vandalen vollständig zurück, woraufhin diesem ein Schwall rotblonder Haare über den Rücken fiel.

Die langen Haare umrahmten ein schmales Gesicht mit großen Augen, die so blau wie Kornblumen waren.

Es war gar kein Junge, sondern ein Mädchen.

Nein, eine Frau.

Sie stieß einen heftigen Fluch aus, der so gar nicht zu der Aura von Unschuld passte, die sie verströmte. Ihre Stimme war rau und sexy und entfachte in Cristiano sofort das Feuer der Lust.

Was allerdings nichts Besonderes war, denn seine Lust wurde extrem schnell entfacht.

Dennoch lockerte sich sein Griff um ihre Schultern.

Prompt fluchte die junge Frau erneut und versuchte, sich ihm wie eine wütende Katze zu entwinden.

Cristiano betrachtete sie eingehend. Sie war recht stark für ein so zierliches Wesen! Wahrscheinlich wäre es das Beste, sie einfach gehen zu lassen. Zumal er ja genügend weibliche Gesellschaft hatte, mit der er die heutige Nacht verbringen wollte.

Und doch, diese merkwürdige Vertrautheit ließ ihn nicht ruhen. Er hatte ihr Haar schon einmal gesehen, und diese Augen … Kannte er sie etwa? Hatte er vielleicht schon einmal mit ihr geschlafen?

Aber nein, das konnte nicht sein. Diese Frau hatte etwas in ihrem Blick, wie Cristiano es nur von Menschen kannte, die auf der Straße lebten.

„Bleib ruhig, gatita“, sagte er drohend zu ihr. „Sonst rufe ich die Polizei.“

Bei diesem Wort zog sie ein Messer aus ihrer Tasche und fuchtelte drohend damit herum.

„Lassen Sie mich los“, stieß sie hervor, und ihr Augen funkelten wütend.

„Ganz bestimmt nicht“, erwiderte er ruhig. „Dass du meine Limousine angesprüht hast, könnte ich ja noch durchgehen lassen. Aber du hast meine Freundinnen erschreckt, und das geht gar nicht.“

Sie antwortete nicht, sondern versuchte weiterhin, ihn mit dem Messer zu treffen.

„Und jetzt greifst du mich auch noch an“, erwiderte er und deutete mit dem Kinn auf ihr Messer.

„Im Gegenteil, Sie greifen mich an“, gab sie zurück.

Er seufzte.

Lass sie gehen.

Nein, das würde er erst tun, nachdem er herausgefunden hatte, warum sie ihm so vertraut vorkam. Mühelos nahm er ihr das Messer ab, riss die Tür auf und stieß die junge Frau auf den Rücksitz der Limousine.

Dann setzte er sich neben sie und verschloss die Türen automatisch, sodass sie gefangen war.

„Lassen Sie mich hier raus!“, rief sie wütend.

Cristiano schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er ruhig.

Sie erstarrte. „Wollen Sie mich vergewaltigen?“

Er blinzelte erstaunt, damit hatte er nicht gerechnet.

„Bestimmt nicht“, erwiderte er ruhig.

„Warum sperren Sie mich dann ein?“

„Weil du mich mit dem Messer bedroht hast.“

„Aber Sie hätten mich doch einfach gehen lassen können!“

„Du hast mein Auto besprüht, und da es ein teures Auto ist, wird eine neue Lackierung eine Menge kosten.“

Sie sah ihn verächtlich an. „Können Sie sich das etwa nicht leisten? Sie sind doch ein reicher Mann!“

Cristiano neigte den Kopf und sah sie an. „Ja, das stimmt, ich bin reich. Und natürlich kann ich es mir leisten. Trotzdem ist das ziemlich lästig. Du hast mir Ärger gemacht, und das hasse ich. Also, wie willst du es wiedergutmachen?“

„Gar nicht“, erwiderte sie und reckte trotzig ihr Kinn. „Lassen Sie mich raus, Sie Mistkerl!“

„Ts, ts, wo bleiben denn nur deine Manieren?“

„Ich werde selbst die Polizei rufen“, gab sie aufgebracht zurück. „Und ihnen sagen, dass Sie mich gegen meinen Willen hier festhalten.“

Sie griff in die Tasche ihres Hoodies und zog ein ramponiertes Handy hervor. „Ich gebe Ihnen zehn Minuten, dann rufe ich Hilfe.“

Cristiano blieb ungerührt. „Nur zu. Ich kenne die Polizei ziemlich gut. Was meinst du, was sie sagen werden, wenn ich ihnen erzähle, dass du mein Auto besprüht und mich mit dem Messer bedroht hast?“

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.

„Wie heißt du überhaupt?“, fragte er und hatte wieder das unheimliche Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben.

„Das geht Sie nichts an.“

Doch anscheinend hatte sie es sich mit der Polizei anders überlegt, denn sie steckte ihr Handy wieder in die Tasche.

„Geben Sie mir mein Messer zurück!“

Cristiano war amüsiert. Sie war mutig, das ließ sich nicht leugnen. Andererseits, wenn man am Boden lag, hatte man auch nichts mehr zu verlieren. Das wusste er aus eigener Erfahrung.

„Ganz bestimmt nicht.“ Er beugte sich zu ihr und sah, wie sie alarmiert die Augen aufriss.

Das war auch richtig so, denn so langsam fing er an die Geduld zu verlieren. Wenn das passierte, wurde es gefährlich. Sehr gefährlich sogar.

„Ich frage dich jetzt noch ein letztes Mal“, sagte er drohend. „Wie heißt du, gatita?“

Der Mann ihr gegenüber – der reiche Mistkerl, der sie in seine Limousine gestoßen hatte – machte Leonie schreckliche Angst. Aber warum?

Eigentlich verhielt er sich überhaupt nicht bedrohlich. Im Augenblick saß er einfach nur ruhig neben ihr und musterte sie stumm aus seinen dunkelgrünen Augen.

Er war ganz in Schwarz gekleidet, und sie war sich sicher, dass seine Hose und sein Hemd maßgeschneidert waren. Sonst hätten sie nicht so gut gepasst. Sie betonten seine breiten Schultern, die schmale Taille und die kräftigen Oberschenkel.

Eine Aura von Geld und Macht umgab diesen Mann.

Aber da war noch etwas anderes …

Es musste etwas mit seinen Gesichtszügen zu tun haben, die so regelmäßig waren wie die der Engel auf den Gräbern des Père Lachaise. Wobei er eher an einen gefallenen Engel erinnerte – einen schönen Teufel.

Sein Blick war intensiv, und seine grünen Augen …

Plötzlich kam er Leonie wie ein schwarzer Panther im Dschungel vor, der kurz davor war, sich auf seine Beute zu stürzen.

Und genau das machte ihr Angst, denn eine solche Art der Bedrohung kannte sie nicht. Seit sie auf den Straßen von Paris lebte, wusste sie, was es hieß, in Gefahr zu sein. Doch sie hatte nicht das Gefühl, dass dieser Mann ihr körperliche Gewalt antun würde.

Nein, hier ging es um irgendetwas anderes.

„Warum wollen Sie meinen Namen wissen?“ Auf keinen Fall wollte Leonie ihren Namen leichtfertig preisgeben, dafür war sie Fremden gegenüber viel zu misstrauisch. „Wollen Sie Ihre Freunde bei der Polizei anrufen und mich in den Knast bringen?“

Natürlich hätte sie die Limousine nicht ansprühen sollen. Aber in der kleinen Gruppe von obdachlosen Teenagern, auf die sie gestoßen war, hatte Leonie sich heute Nacht sicherer gefühlt. Sie hatte eine Mutprobe ablegen müssen, wenn sie bei ihnen bleiben wollte, und hatte ohne zu zögern nach der Sprühdose gegriffen.

Zugegeben, es hatte Leonie auch nichts ausgemacht, die Autotür besprühen. Denn es war ja klar, dass der Wagen einem reichen Mann gehörte, und die Reichen nahmen die Armen nie wahr. Das hatte sie nur zu gerne einmal ändern wollen, selbst auf die Gefahr hin, dass die Polizei anrücken würde.

„Nein.“

Seine Stimme war tief und berührte sie mehr, als ihr lieb war. Sie klang sehr melodisch mit der Spur eines Akzents.

„Du hast meinen Wagen zerstört. Das Mindeste, was du jetzt tun kannst, ist, mir deinen Namen zu nennen.“

Leonie runzelte die Stirn. Was hatte er mit ihrem Messer gemacht? Sie wollte es zurückhaben. Ohne das Messer fühlte sie sich nicht sicher.

„Warum?“, gab sie zurück. „Wollen Sie etwa kein Geld von mir?“

Er hob eine Braue. „Hast du denn Geld?“

„Nein.“

Der Fremde zuckte mit den Achseln und blieb stumm.

Komisch – was hatte er nur an sich, das sie so anzog? Normalerweise waren Männer ihr nicht besonders sympathisch, schon gar nicht so reiche Typen wie er. Sie wusste alles über sie. Ihr Vater war so einer gewesen. Er hatte ihre Mutter und sie auf die Straße gesetzt.

„In diesem Fall, gatita“, sagte er mit tiefer Stimme, „will ich wenigstens deinen Namen wissen.“

„Kommt nicht infrage!“

Er runzelte die Stirn, doch sie war nicht gewillt, sich ihm zu beugen.

„Ich fürchte, dann musst du den entstandenen Schaden auf andere Weise begleichen.“

Aha, daher wehte also der Wind. Diese Sprache verstand Leonie.

„Ich werde Sie nicht mit Sex bezahlen. Eher sterbe ich.“

Seine Mundwinkel zuckten, und sie sah ihn verwirrt an. Er wirkte nicht erzürnt, sondern amüsiert.

Aus irgendwelchen Gründen missfiel ihr diese Reaktion.

„Das kann ich mir nicht vorstellen“, gab er ruhig zurück. „Denn ob du es glaubst oder nicht, ich bin ziemlich gut im Sex. Jedenfalls ist bisher noch niemand gestorben, der mit mir geschlafen hat, das kann ich dir versichern.“

Leonies Magen zog sich bei diesen Worten zusammen, doch sie ignorierte es. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur Hunger. Sie hatte heute noch nichts gegessen, und obwohl das für sie nichts Ungewöhnliches war, waren die momentanen Umstände dafür umso eigenartiger. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor, dass sie in einer Limousine von einem Mann gefangen gehalten wurde.

„Aber an Sex habe ich gar nicht gedacht“, setzte er hinzu.

„Ach nein?“, fragte Leonie höhnisch. „Was wollen Sie dann von mir? Ich kann Sie nicht bezahlen, und ich werde Ihnen auch nicht meinen Namen nennen. Von mir aus rufen Sie ruhig die Polizei. Wenn Sie das nicht tun wollen, können Sie mich genauso gut ziehen lassen.“

Der Mann schüttelte langsam den Kopf. „Nein, tut mir sehr leid, gatita. Aber ich kann dich nicht ziehen lassen.“ Er machte eine kleine Pause und sah sie nachdenklich an. „Ich denke, du solltest für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten aufkommen. Wie wär’s mit einem Job?“

2. KAPITEL

Die kleine Rothaarige schien von seinem Vorschlag alles andere als begeistert zu sein, was Cristiano nicht anders erwartet hatte.

Eigentlich wusste er auch gar nicht genau, warum er das von dem Job gesagt hatte. Denn natürlich hatte sie recht. Er konnte es sich ohne Weiteres leisten, die Fahrertür lackieren zu lassen. Und was seine angeblichen Unannehmlichkeiten betraf …

Er sah aus dem Fenster zu den beiden jungen Frauen hinüber, mit denen er die Nacht hatte verbringen wollen. Sie standen immer noch dort und warteten geduldig darauf, dass er sie mitnahm. Allerdings verspürte Cristiano plötzlich kein Verlangen mehr nach ihrer Gesellschaft.

Was wirklich eigenartig war, denn er hatte noch nie Nein zu zwei schönen jungen Damen gesagt. Aber irgendwie faszinierte ihn diese kleine Wildkatze vor ihm mehr. Sie war ihm ein Rätsel, und es war schon viel zu lange her, dass er ein Rätsel zu lösen gehabt hatte.

Er wollte ihren Namen wissen, und die Tatsache, dass sie ihn ihm verwehrte, war irritierend. Zumal er sich immer noch fragte, wieso sie ihm so vertraut vorkam.

Cristiano war es nicht gewohnt, dass Frauen ihm etwas verwehrten.

Andererseits … Es war zwei Uhr morgens, und wenn er sie jetzt laufen lassen würde, überließ er sie ihrem Schicksal auf den Straßen von Paris. Die Jugendlichen, mit denen sie vorher zusammen gewesen war, hatten sich längst verzogen.

Cristiano war kein Gentleman, auch wenn er aus spanischem Adel stammte. Doch er hatte genug männlichen Anstand, dass er diese junge Frau nicht mitten in der Nacht allein lassen konnte. Es war zu gefährlich, das wusste er.

Daher musste er einen Weg finden, sie bei sich zu behalten, der für sie akzeptabel war.

Welchen Job könnte er ihr anbieten?

Er besaß mehrere Anwesen in Spanien, doch er hatte genug Personal, das sich darum kümmerte.

Vielleicht könnte sie hier in Paris in seinem Haus für ihn arbeiten. Ein Hausmädchen mehr oder weniger würde keinen großen Unterschied machen, und so konnte er wenigstens ein Auge auf sie haben.

„Was für einen Job denn?“, fragte sie misstrauisch.

„Ich brauche noch jemanden zum Putzen“, erwiderte er spontan. „Mein Haus in Paris ist ziemlich groß, und auf diese Weise könntest du mich für den entstandenen Schaden bezahlen.“

„Aber ich …“

„Du würdest auch dein eigenes Zimmer bekommen.“

„Haben Typen wie Sie denn nicht genug Leute, die die Drecksarbeit für Sie erledigen?“

„O doch.“ Ihr Zorn ließ ihn kalt. „Aber eine Person mehr oder weniger macht keinen Unterschied. Außerdem bezahle ich mein Personal sehr gut.“

Als sie das hörte, sprang ein Funke in ihren Augen auf. Diesen Funken kannte er. Es war Hunger. Hunger im Sinne von etwas, was man nicht bekommen konnte und was man sich sehnlichst wünschte.

Geld – sie brauchte Geld. Und wie hätte man ihr das übelnehmen sollen? Geld bedeutete Macht, und sie hatte ganz bestimmt keine Macht.

„Sie bezahlen Ihre Leute?“

Er nickte. „Natürlich. Deshalb sind sie ja auch meine Mitarbeiter und nicht meine Sklaven.“

Die junge Frau beugte sich aufgeregt vor. „Würden Sie mich denn auch bezahlen? Sobald ich Ihnen den Schaden an Ihrem Auto erstattet habe, meine ich? Könnte ich einen richtigen Job bekommen?“

Etwas zog sich in Cristianos Magen zusammen. Etwas, das ihm sehr vertraut war.

Sie war wirklich hübsch. Und er stellte sich vor, dass sie ihn anschaute, genau wie jetzt, mit geröteten Wangen und einem Funkeln in den Augen. Ein Blick voller Verlangen, während sie unter ihm lag, ihr rotes Haar ausgebreitet auf seinem Kissen …

Aber das war nur ein schöner Gedanke, nicht mehr und nicht weniger. Sie würde nie seine Gespielin sein. Das hätte alles noch viel komplizierter gemacht!

Außerdem hätte Cristiano wetten können, dass sie entweder schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht hatte oder ihnen komplett aus dem Weg gehen wollte.

Das alles klang viel zu anstrengend, fast schon nach Arbeit. Und er vermied Arbeit, wann immer er konnte. Genau wie Komplikationen. Die scheute er wie die Pest.

Das kleine Kätzchen vor ihm war auf jeden Fall eine Komplikation. Trotzdem wollte er unbedingt herausfinden, warum sie ihm so vertraut vorkam. Schließlich war es schon eine Weile her, dass er sich für etwas anderes als sein körperliches Vergnügen interessiert hatte. Schaden konnte es jedenfalls nicht, so viel stand fest.

„Du willst also einen Job?“, fragte er sie.

„Ja, natürlich.“ Ihre Augen verengten sich. „Wie viel können Sie denn zahlen?“

Cristiano zuckte mit keiner Wimper. „Meine Angestellten gehören zu den besten im ganzen Land, und so bezahle ich sie auch“, erwiderte er und nannte eine Summe, bei der sie die Augen aufriss.

„So viel?“ Ihr ganzes Misstrauen schien auf einmal verschwunden zu sein. „Sie bezahlen Leuten wirklich so viel Geld, nur damit sie Ihr Haus putzen?“

„Na ja, mein Haus ist ziemlich groß.“

„Und mir würden Sie das auch zahlen?“

So groß war die Summe nun auch wieder nicht, jedenfalls nicht für ihn. Aber für sie war es eindeutig ein Vermögen. Allerdings konnte er sich gut vorstellen, dass auch ein zerknitterter Fünfeuroschein ein Vermögen für sie darstellte, wenn sie einen auf der Straße finden würde.

„Selbstverständlich.“ Er machte eine kleine Pause und betrachtete sie eingehend. „Wo wohnst du denn? Und was hast du mitten in der Nacht auf der Straße zu suchen?“

Sofort verschloss sich ihre Miene, und das Licht in ihren Augen erlosch. Es war, als hätte sie plötzlich die Jalousien heruntergelassen. Sie ließ sich wieder in den Sitz zurücksinken, rückte ein bisschen von ihm ab und sah aus dem Fenster.

„Ich sollte jetzt nach Hause gehen. Meine … Mutter wird sich Sorgen machen.“

Das war zwar keine direkte Antwort, beantwortete aber die Fragen, die er nicht gestellt hatte. Denn sie log ihn an, dessen war er sich sicher. Bestimmt hatte sie weder ein Zuhause noch eine Mutter, die auf sie wartete.

„Das glaube ich kaum“, erwiderte er und studierte sie weiterhin. „Ich glaube, das Beste wäre, wenn du mit zu mir kommst und die Nacht dort verbringst. Dann kannst du gleich morgen mit der Arbeit anfangen.“

„Ich will aber nicht mit Ihnen nach Hause fahren.“

„Wie ich bereits sagte, meine Mitarbeiter haben ein eigenes Quartier. Dort gibt es mehr als genug Platz für dich.“

„Aber ich …“

„Ich dulde keinen Widerspruch.“ Er hatte seine Entscheidung getroffen. Und wenn Cristiano etwas entschied, blieb er auch dabei. „Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder kommst du mit mir, oder du wirst die Nacht in einer Zelle verbringen.“

„Das sind ja tolle Alternativen“, erwiderte sie wütend.

„Tut mir leid. Du hast dich entschieden, meinen Wagen anzusprühen. Deshalb musst du jetzt auch die Konsequenzen tragen.“ Es gefiel ihm, dass sie Widerstand leistete. Vielleicht gefiel es ihm sogar ein bisschen zu sehr. „Also, was wirst du tun, gatita?“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum nennen Sie mich so?“

„Auf Spanisch heißt das Kätzchen.“

„Ich bin aber kein Kätzchen.“

„Du bist klein und wild und hast versucht mich zu kratzen. Natürlich bist du ein Kätzchen. Eine Wildkatze, würde ich sagen.“

Sie blieb einen Moment lang stumm. „Warum auf Spanisch?“, fragte sie dann.

„Weil ich Spanier bin.“

„Oh. Was tun Sie dann in Paris?“

Er starrte sie an. „Also, ich muss schon sagen, du stellst eine Menge Fragen für eine Frau, die mir nicht mal ihren Namen nennen will.“

„Warum sollte ich das tun? Sie haben mir Ihren ja auch nicht genannt.“

Das stimmte. Und warum nicht? Sein Name stammte zwar aus einer alten und illustren Familie, doch die würde bald ihr Ende erreicht haben. Er war der einzige Nachkomme, und er hatte nicht die Absicht, einen weiteren zu zeugen. Nein, die Linie der Velazquez und das Herzogtum von San Lorenzo würden mit ihm sterben und dann in Vergessenheit geraten. Was wahrscheinlich auch das Beste war, wenn man seinen ausschweifenden Lebensstil betrachtete.

Deine Eltern wären entsetzt.

Bestimmt wären sie es gewesen, wenn sie noch am Leben wären. Doch das waren sie nicht. Es gab niemanden mehr, vor dem er sich rechtfertigen müsste …

„Mein Name ist Cristiano Velasquez, ich bin der fünfzehnte Herzog von San Lorenzo“, sagte er. „Wenn du willst, kannst du mich Euer Gnaden nennen.“

Etwas flackerte in ihrem Gesicht auf, das er nicht entschlüsseln konnte. Dann runzelte sie die Stirn. „Ein Herzog? Cristiano … Velasquez?“ Sie sprach seinen Namen ganz langsam aus, als ob sie ihn schmecken wollte.

Er wusste, es war nicht ihre Absicht gewesen, es verführerisch klingen zu lassen. Und trotzdem … Sein Name aus ihrem Mund, mit ihrer leicht rauen Stimme und dem französischen Akzent … Erneut ergriff ihn das seltsame Gefühl der Vertrautheit, das er sich nicht erklären konnte.

Aber wie hätte sie ihn kennen können? Sie waren sich nie begegnet, daran hätte er sich bestimmt erinnert. Und er hatte auch ganz bestimmt nicht mit ihr geschlafen.

„Hast du schon mal von mir gehört?“, fragte er schließlich und ließ sie dabei nicht aus den Augen.

„Nein, ich glaube nicht.“ Sie blickte zur Seite. „Wo ist denn Ihr Haus?“

Sagte sie die Wahrheit? Hatte sie wirklich nicht von ihm gehört? Er überlegte kurz, ob er nachhaken sollte, entschied sich aber dagegen. Denn plötzlich waren ihm die dunklen Schatten unter ihren Augen aufgefallen. Sie wirkte so schmal und zierlich!

Am besten, er brachte sie nach Hause und ins Bett.

„Bleib sitzen!“, befahl er ihr und stieg aus.

Galant entschuldigte er sich bei den beiden wartenden Frauen und begab sich auf die Suche nach seinem Fahrer. Der nichtsnutzige Kerl spielte tatsächlich Würfel mit ein paar Jugendlichen in einer nahegelegenen Gasse.

Bei näherer Betrachtung erkannte Cristiano, dass es sich ausgerechnet um dieselben jungen Typen handelte, die vorher um seine Limousine herumgestanden waren.

Er zog ein paar Geldscheine aus der Tasche und reichte sie einem von ihnen. „Das ist für dich. Dafür sagst du mir den Namen des Mädchens, mit dem ihr vorher zusammen wart.“

Der Junge steckte das Geld ohne zu zögern ein. „Äh … Leonie“, stammelte er.

„Und ihr Nachname?“

„Den weiß ich nicht. Niemand von uns kennt den Nachnamen der anderen.“

Was wahrscheinlich stimmte.

Cristiano nickte und ging gemeinsam mit seinem pflichtvergessenen Fahrer zur Limousine zurück.

Leonie. Leonie?

Der Klang dieses Namens löste eine schwache Erinnerung in ihm aus …

Leonie blinzelte erstaunt, als sie durch ein großes schmiedeeisernes Tor fuhren, das sich direkt hinter ihnen wieder schloss.

Bei den seltenen Gelegenheiten, da sie sich aus ihrem Viertel wagte, hatte sie solche Anwesen schon einmal gesehen. Prächtige alte Villen, die von hohen Mauern umgeben waren. Häuser, in denen die Reichen wohnten.

Auch sie selbst hatte einmal in einem solchen Haus gewohnt. Aber das war schon lange her, damals war sie noch ein Kind gewesen …

Aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie es war, Geld, ein Dach über dem Kopf, saubere Kleidung und gutes Essen zu haben. Es waren schöne Erinnerungen, aber sie waren eine Lüge gewesen, deshalb versuchte Leonie, nicht mehr daran zu denken. Denn wenn sie diese Gedanken zuließ, wünschte sie sich nur etwas, was sie nie bekommen konnte.

Misstrauisch starrte Leonie hinaus in die Dunkelheit, wo sich die Silhouette eines wuchtigen alten Gebäudes gegen den Himmel abzeichnete.

Der Fahrer ging um die Limousine herum und öffnete ihr den Wagenschlag. Der Herzog bedeutete ihr auszusteigen.

Eigentlich konnte sie es immer noch nicht fassen. Er war ein echter Herzog, obwohl er nicht so aussah. Herzöge waren doch viel älter! Obwohl er bestimmt älter war als sie, wenn man die Fältchen um die Augen und den Mund betrachtete. Andererseits hatte er tiefschwarzes Haar, so alt konnte er also nicht sein.

Sein Name war ihr irgendwie bekannt vorgekommen, obwohl sie nicht wusste, warum. Dass er Spanier war, hatte ihr einen kleinen Kick gegeben, weil auch sie in Spanien geboren war. Vielleicht waren sie sich ja irgendwann schon einmal begegnet, vor langer Zeit, bevor ihr Vater sie und ihre Mutter aus dem Haus geworfen und ihre Mutter sie nach Paris geschleppt hatte.

Damals, als sie noch Leonie de Riero gewesen war, die einzige Tochter von Victor de Riero, in dessen Adern das Blut alter spanischer Aristokratie floss.

Ob sie den Herzog aus dieser Zeit kannte? Aber sie war ja noch sehr jung gewesen und hatte nur eine verschwommene Erinnerung an diese Zeit.

Und wer auch immer er war oder nicht war, sie wollte an diese Tage nicht zurückdenken. Die Gegenwart war das Einzige, was sie hatte!

Deshalb musste sie auf der Hut sein und Fehler vermeiden.

Leonie seufzte leise. Wenn sie nicht so auf ihr Graffiti konzentriert gewesen wäre, wäre sie jetzt nicht in dieser misslichen Lage.

Aber dann hättest du jetzt auch kein Bett für die Nacht.

Das stimmte. Vielleicht war es doch kein so schlimmer Fehler gewesen.

Das blieb noch abzuwarten. Möglicherweise hätte sie größeren Widerstand leisten sollen. Aber die Aussicht auf einen Job war zu verführerisch gewesen – falls er es wirklich ernst damit gemeint hatte.

Der Herzog zog seine perfekt geschwungenen Brauen hoch. „Willst du nicht aussteigen? Oder möchtest du die ganze Nacht hier im Auto verbringen?“

Leonie warf ihm einen zornigen Blick zu. „Zuerst will ich mein Messer zurück.“

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Ich werde dir nichts tun, gatita.“

Kätzchen. Er nannte sie immer wieder Kätzchen. Das ärgerte sie.

„Ich vertraue Ihnen nicht. Und ich werde nicht ohne Schutz unter einem fremden Dach schlafen.“

Er überlegte kurz und nickte dann. „Okay, verstehe.“ Er griff in seine Tasche und reichte ihr das Messer.

Sie nahm es entgegen und fühlte sich sofort wieder besser, als sie es in den Händen hielt. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob sie ihn noch einmal angreifen und dann flüchten sollte. Doch dann fiel ihr die hohe Mauer und das geschlossene Tor ein. Nein, so leicht konnte sie nicht entkommen!

Mit so viel Würde, wie sie nur aufbringen konnte, stieg Leonie aus dem Auto. Sie hörte, wie der Herzog etwas zu dem Fahrer sagte, dann ging er mit ihr auf den Eingang zu.

Jemand vom Personal war anscheinend noch wach, denn die Tür wurde geöffnet, und Licht schien auf.

Einen Moment später befand sie sich in einer großen Eingangshalle. Ein Kronleuchter hing an der Decke, dicke Teppiche bedeckten den Steinboden. An den Wänden hingen Familienporträts. Als Erstes fiel ihr auf, wie warm es hier war.

Leonie war an Kälte gewöhnt. Ihr war im Grunde genommen innerlich kalt gewesen, seit sie sechzehn gewesen war. Damals war sie nach der Schule in ihr kleines heruntergekommenes Pariser Apartment gegangen und hatte anstelle ihrer Mutter nur eine Nachricht von ihr gefunden. Sie schrieb, dass sie weggegangen war und sie nicht nach ihr suchen sollte …

Zuerst hatte Leonie es gar nicht glauben können. Aber ihre Mutter war weder in dieser noch in der nächsten Nacht zurückgekommen, und irgendwann war ihr klar geworden, dass sie nie zurückkehren würde. Kurz danach war sie aus der Wohnung vertrieben worden und hatte fortan auf der Straße leben müssen. Seit dieser Zeit war ihr innerlich immer kalt gewesen.

Erst jetzt hier in der Wärme wurde ihr das bewusst. Und ihr erster Impuls bestand darin, sich umzudrehen und wegzulaufen. Weit, weit weg, denn dieser Wärme konnte sie nicht vertrauen. Sie musste auf der Hut sein, alles andere war nicht sicher.

Aber die Tür war verschlossen, und der Herzog bedeutete ihr, der älteren Frau zu folgen, die sie misstrauisch betrachtete. Leonie wurde sich plötzlich der löchrigen Jeans und der schmuddeligen Kapuzenjacke bewusst.

Ja, sie war dreckig und abgerissen, mit Farbflecken an den Fingern. Wahrscheinlich roch sie auch nicht besonders gut, denn sie hatte sich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Kein Wunder, dass die Frau sie voller Abscheu anschaute.

Unwillkürlich klammerte sie sich an den Griff ihres Messers. Nie aufhören zu kämpfen. Nie Schwäche zeigen. Das war das Gesetz der Straße.

„Geh mit Camille“, sagte der Herzog. „Sie wird dir zeigen, wo du …“

„Nein“, stieß sie hervor. „Sagen Sie mir einfach, wohin ich gehen soll. Ich finde den Weg schon selbst.“

Der Herzog lachte, doch Camille warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Dann drehte sie sich um und ging weg, wobei ihre Schritte durch den Flur hallten.

Er drehte sich um und ging auf die große Marmortreppe zu. „Komm mit, ich zeig es dir“, sagte er, und sie folgte ihm.

Doch ihr Herz fing wie wild zu pochen an, denn jetzt war sie wieder ganz allein mit dem geheimnisvollen Herzog …

Sein Gang war leicht und federnd, und sie musste wieder an einen Panther denken. Leonie fühlte sich wie hypnotisiert. Was war nur mit ihr los? Ihr kam das Märchen vom Rattenfänger von Hameln in den Sinn. Würde das auch ihr geschehen? Würde sie diesem Unbekannten folgen und nie wieder von jemanden gesehen werden?

Aber du hast doch dein Messer. Dir wird schon nichts passieren. Reiß dich zusammen!

Leonie traute diesem Mann nicht, doch es bestand noch immer die Möglichkeit, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Das würde bedeuten, ihr Traum von einem kleinen Cottage auf dem Land, weit weg von der Stadt und ihren Gefahren, konnte irgendwann vielleicht doch noch wahr werden …

Leonie stieg langsam die Stufen hinauf und starrte auf den breiten Rücken des Herzogs. Sie ignorierte die Bilder an den Wänden, den Teppich unter ihren Füßen und folgte ihm stumm einen breiten Flur entlang.

Hohe Fenster gewährten einen Blick nach draußen, und sie sah die Silhouetten einiger Bäume im Garten. Am liebsten wäre sie an ein Fenster getreten, um hinauszuschauen, denn sie hatte schon lange keinen Garten mehr gesehen. Aber das wagte sie nicht.

Schließlich blieb er vor einer Tür stehen und bedeutete ihr mit einem Nicken, einzutreten.

Sie holte tief Luft, ging an ihm vorbei und betrat das Zimmer. Dabei stieg ihr der Duft seines Rasierwassers in die Nase, und es durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag.

Um sich von seiner Nähe abzulenken, sah Leonie sich mit großen Augen im Raum um.

Er war sehr geräumig, und auch hier boten die Fenster einen Blick auf den Garten. Ein dicker Perserteppich lag auf dem Boden, und am anderen Ende stand ein großes Bett mit einer schneeweißen Überdecke.

Der Herzog trat ans Fenster und zog die Vorhänge zu. Das Zimmer war warm, der Teppich fühlte sich weich an, und erneut fiel ihr auf, wie schmutzig und abgerissen sie war.

Sollte sie wirklich hier übernachten? Dieses Zimmer war viel zu luxuriös für eine Putzfrau.

„Hier wohnt doch nicht Ihr Personal, oder?“, fragte sie ungläubig. „Warum bin ich hier?“

Er drehte sich um und steckte die Hände in die Taschen. „Nein, du hast recht, das ist keins der Zimmer für die Dienstboten. Doch Camille hatte nichts mehr frei, deshalb dachte ich, ich bringe dich im Gästezimmer unter.“

„Aber warum? Warum tun Sie das?“

Er runzelte die Stirn. „Was meinst du genau?“

„Ich meine dieses Zimmer. Und Ihr Jobangebot. Warum tun Sie das alles für mich? Das verstehe ich einfach nicht.“

Es sollte gar nicht so anklagend klingen, doch irgendwie konnte sie nicht anders. Denn Männer wie er, Männer mit Macht und Geld taten nichts für andere, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, dessen war sie sich sicher. Bestimmt gab es an der Sache einen Haken.

Der Herzog zuckte mit den Schultern. „Was soll man sonst mit einem streunenden Kätzchen machen? Man muss sich doch darum kümmern.“

„Ich bin aber kein Kätzchen“, sagte sie zum zweiten Mal an diesem Abend.

Seine Mundwinkel verzogen sich, und sie spürte schon wieder so etwas wie einen elektrischen Schlag durch ihren ganzen Körper. Plötzlich wurde ihr klar, dass dieser Mann gefährlich war. Gefährlich auf eine Art, die sie nicht benennen konnte und die ihr deshalb noch mehr Angst machte.

„Glaub mir, das liegt auch in meinem Interesse“, versicherte er ihr.

„Warum denn? Nur weil ich Ihr Auto beschädigt habe?“

Er warf ihr einen langen Blick zu und ging zur Tür. „Unter anderem. Das Bad ist gegenüber. Vielleicht wäre eine Dusche nicht das Schlechteste, gatita.“

„Sie sollen mich nicht so nennen“, fuhr sie ihn an und errötete, weil ihm nicht entgangen war, wie schmutzig sie war. Dabei sollte ihr das doch eigentlich egal sein.

„Wie soll ich dich denn sonst nennen? Zumal du ja noch nicht die Güte hattest, mir deinen Namen zu verraten.“

Leonie presste die Lippen zusammen. Er hatte sie zwar in dieses Haus verschleppt, aber ihren Namen würde er nicht aus ihr herauspressen können. Den würde sie ihm nur freiwillig nennen – oder gar nicht.

Doch er wirkte nicht verärgert, sondern lächelte nur. „Gut, dann muss es wohl bei gatita bleiben.“

Noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, trat der Herzog hinaus und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu.

3. KAPITEL

Die späte Morgensonne fiel durch das Fenster von Cristianos Arbeitszimmer und durchflutete den Raum mit Licht und Wärme. Doch er bemerkte es gar nicht.

Er war ziemlich früh aufgestanden, obwohl er nur wenige Stunden geschlafen hatte, und war in sein Arbeitszimmer gegangen, um zu überprüfen, ob die Erinnerung, die Leonies Name in ihm ausgelöst hatte, ihn auf die richtige Spur bringen würde. Nach ein paar Anrufen hatte er schließlich die Bestätigung, nach der er gesucht hatte.

Die junge Frau war genau die Person, von der er geglaubt hatte, dass sie es war.

Was aber eigentlich unmöglich war, denn diese Person war tot.

Cristiano lehnte sich in seinem großen Ledersessel zurück und starrte auf den Monitor seines Computers vor ihm. Auf das Foto, das den Bildschirm füllte. Es war alt, vor vielen Jahren aufgenommen, und zeigte einen hochgewachsenen Mann mit schwarzen Haaren, der die Hand eines kleinen Mädchens mit aprikosenfarbenen Haaren hielt. Neben ihm stand eine wunderschöne schlanke junge Frau mit ebensolchen Haaren.

Es war das Familienporträt der Familie de Riero – spanische Aristokraten, die vor etwa hundert Jahren ihren Titel verloren und seitdem in schwierigen Verhältnissen gelebt hatten.

Leonie war also keine andere als Leonie de Riero, Victors einzige Tochter, die vor fünfzehn Jahren mit ihrer Mutter verschwunden war. Und über die das Gerücht kursierte, dass sie bei einem Brand in Barcelona ums Leben gekommen wäre.

Dieser Skandal hatte Spanien monatelang erschüttert, Cristiano konnte sich noch sehr gut daran erinnern. Denn Victor de Riero, dessen Familie bis dahin in erbitterter Feindschaft mit Cristianos Familie gelebt hatte, war damals sein Mentor geworden.

Victor war über den Verlust seiner Frau und seines Kindes am Boden zerstört gewesen – bis er eine neue Familie gefunden hatte.

Deine Familie.

Die tiefe vulkanische Wut, von der Cristiano eigentlich geglaubt hatte, dass er sie aus seinem Leben verbannt hätte, explodierte in seinem Inneren. Heiß genug, um alles zu verbrennen, was sich ihr in den Weg stellte. Und er brauchte eine Minute, um sie zu bezähmen. Denn er konnte sich nicht leisten, sie zu empfinden – nicht mehr. Er konnte es sich nicht leisten, irgendetwas zu empfinden.

Cristiano hatte Jahre gebraucht, um diese Wut hinter sich zu lassen, doch es war ihm gelungen. Und er hatte tatsächlich gedacht, dass er einen gewissen Grad an innerem Frieden gefunden hätte. Bis Leonie aufgetaucht war.

Cristiano schob den Stuhl zurück und erhob sich. Er marschierte zu den Bücherregalen gegenüber von seinem Schreibtisch und wieder zurück. Es tat ihm gut, sich zu bewegen, es beruhigte ihn.

Seine Gedanken überschlugen sich.

Natürlich war Leonie ihm bekannt vorgekommen, denn er hatte sie tatsächlich schon einmal getroffen. Vor vielen Jahren, als sie noch das kleine Mädchen auf dem Foto gewesen war. Ein Kind von zwei oder drei Jahren. Zu dem Zeitpunkt war ihr Vater das erste Mal an ihn herangetreten.

Er selbst war damals siebzehn gewesen und hatte seine Eltern bei einem Autounfall verloren. Kurz nach der Beerdigung hatte Victor de Riero ihn aufgesucht, angeblich um die Blutsfeindschaft zwischen den beiden Familien zu beenden, die seit Jahrhunderten existiert hatte.

Cristiano war darüber sehr froh gewesen, denn er hatte mit dem Verlust seiner Eltern kämpfen müssen und war der Verantwortung für das gesamte Herzogtum kaum gewachsen. Daher war er für Victors Interesse an ihm sehr dankbar gewesen. Er hörte auf den Rat des älteren Mannes und nahm seine Hilfe bereitwillig an. Denn er hatte geglaubt, der andere Mann würde aus der Güte seines Herzens handeln.

Doch er hatte nicht gewusst, dass in Victors Herz immer noch der Rachedurst der Familie de Riero brodelte.

Erst drei Jahre später, als Cristiano geheiratet hatte, hatte er die Wahrheit über Victor de Rieros Motive herausgefunden.

Victor hatte ihm seine Frau und seine kleine Tochter vorgestellt. Die Kleine hatte ihn damals nicht besonders interessiert, Kinder hatten ihm nichts bedeutet. Aber dann war Victors Frau gemeinsam mit dem Mädchen verschwunden. Als Nächstes hatte er dann gehört, dass beide bei einem Brand umgekommen waren.

Cristiano hatte versucht, für Victor da zu sein, so, wie Victor für ihn nach dem Tod seiner Eltern da gewesen war. Doch er war sehr mit seiner ersten Liebe und dann mit seiner jungen Ehe beschäftigt gewesen und hatte nicht so genau hingesehen, wie er es hätte tun sollen.

Als es in seiner Ehe kriselte, hatte er ganz selbstverständlich Victor um Rat gefragt. Leider war ihm entgangen, wie sehr seine Frau die Gesellschaft des älteren Mannes schätzte, sich bei gesellschaftlichen Anlässen mehr mit ihm als mit ihrem Ehemann unterhielt.

Irgendwann wurde ihm dann klar, dass Victor keineswegs den Zwist zwischen den Familien hatte beenden wollen. Während er sein Vertrauensverhältnis zu Cristiano ausbaute, hatte Victor nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.

Und schließlich hatte er in Anna ein williges Opfer für seine Rache gefunden. Er hatte sie genommen, obwohl sie damals schwanger gewesen war.

Am Ende hatte Victor ihm nicht nur seine wunderschöne Frau, sondern auch seinen Sohn genommen.

Erregt marschierte Cristiano in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Lange unterdrückte Erinnerungen durchströmten ihn wie Gift.

Irgendwann war Victor de Riero in Cristianos Penthouse in Barcelona aufgetaucht, begleitet von Leibwächtern. Da hatte er ihm den finalen Schlag versetzt. Denn er hatte ihm triumphierend verkündet, dass Annas Verführung ein Teil seines Racheplans gewesen war. Dass Anna schwanger war und das Kind von Cristiano stammte.

Doch er würde ihn wie seinen eigenen Sohn aufziehen, hatte Victor verkündet. Er würde Cristiano das Kostbarste nehmen, so, wie die Familie Velazquez den Rieros damals das Herzogtum geraubt hatte.

Cristiano war über den Verrat am Boden zerstört gewesen und gleichzeitig so wütend, dass er den anderen bestimmt erwürgt hätte, wenn dessen Bodyguards ihn nicht davon abgehalten hätten.

Dein Zorn ist immer schon ein Problem gewesen.

O ja, er hatte in Flammen gestanden.

Zwei Jahre lang hatte er alles versucht, um seinen Sohn zurückzubekommen. Aber Victor hatte es geschafft, den Vaterschaftstest zu fälschen und mittels Bestechung und Verleumdung seinen Racheplan zu Ende zu führen!

In seiner Verzweiflung hatte Cristiano irgendwann sogar versucht, seinen Sohn zu entführen. Doch dieser hatte Angst vor ihm gehabt und war geflüchtet – zu Victor.

„Aus diesem Grund habe ich dich verlassen, Cristiano“, hatte Anna damals zu ihm gesagt und versucht, das hysterische Kind zu beruhigen. „Du bist gefährlich und machst den Menschen Angst. Warum kannst du uns nicht in Ruhe lassen?“

Nun, am Ende hatte sie ihren Willen bekommen. Als Cristiano sich sein Scheitern eingestand, hatte er Spanien verlassen und sich geschworen, nie mehr zurückzukommen.

Er hatte versucht, seinen Sohn zu vergessen und den Schmerz zu betäuben. Durch alle Arten von Vergnügen. Und eigentlich hatte er gedacht, es wäre ihm gelungen.

Doch jetzt war der Schmerz wieder da, stärker als zuvor.

Nur wegen ihr.

Wenn er auch nur einen Funken Vernunft gehabt hätte, hätte er Leonie sofort loswerden sollen, als er diese Vertrautheit gespürt hatte. Aber das hatte er nicht getan, und nun war sie hier, in seinem Haus.

Inzwischen wusste er, dass der Brand, bei dem Victors Frau und seine Tochter angeblich umgekommen waren, nur ein falsch gestreutes Gerücht gewesen war. Ein Gerücht, das Helen de Riero selbst in die Welt gesetzt hatte, um sich an ihrem Mann zu rächen. Aus Gründen, die Cristiano nicht bekannt waren.

Natürlich würde er einen DNA-Test machen müssen, um ganz sicher zu gehen. Doch eigentlich wusste er längst, dass er recht hatte. Denn keine andere Frau hatte Haare in dieser Farbe und zugleich diese hellblauen Augen.

Ja, es gab keinen Zweifel: Er hatte Victor de Rieros Tochter in seiner Gewalt.

Erneut stieg Wut in ihm auf und machte ihm das Atmen schwer.

Hier war eine Gelegenheit, mit der er nicht gerechnet hatte.

Wird Rache nicht am besten kalt genossen?

Nach dem Tod seiner Eltern war ihm der Familienzwist wie etwas aus dem Mittelalter vorgekommen. Ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Aber er war damals jung und naiv gewesen, hatte nicht gewusst, dass Menschen lügen konnten. Und dass sie alles tun würden, um sich für erlittenes Unrecht zu rächen.

Irgendwann hatte er es natürlich gelernt. Und es war eine Lektion gewesen, die er nie vergessen hatte.

Jetzt hatte er die Chance, der anderen Seite selbst eine Lektion zu erteilen.

Und er konnte nicht leugnen, dass ihm der Gedanke gefiel. Sehr sogar.

Schließlich hatte Victor ihm seinen Sohn genommen. Gab es daher eine perfektere Rache, als ihm die Tochter zu nehmen? Die Tochter, die angeblich seit fünfzehn Jahren tot war?

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Vielleicht hätte er gar nicht mehr an Vergeltung gedacht, wenn Leonie nicht plötzlich aufgetaucht wäre. Vielleicht wäre es ihm auch weiterhin gelungen, zu verdrängen, dass er einen Sohn hatte und einmal verheiratet gewesen war. Aber nun war sie da, und er konnte an nichts anderes mehr denken.

Vielleicht sollte er sie zu seiner Gräfin machen und de Riero zur Hochzeit einladen. Er würde ihren Schleier lüften, und dann … Die Tochter, von der Victor geglaubt hatte, sie wäre tot, würde den Mann heiraten, den er einst vor der ganzen Welt gedemütigt hatte.

Und vielleicht würde Cristiano zur Krönung des Ganzen auch noch einen Erben zeugen. Und das Blut der de Rieros mit seiner Blutlinie verseuchen.

Denn wenn de Riero solche Spielchen trieb, warum nicht auch er?

Plötzlich blieb er wie erstarrt mitten im Zimmer stehen. Grausame Lust machte sich in seinem Inneren breit.

Dann kannst du endlich dein eigenes Leben leben.

Nicht dass er das nicht längst getan hätte. Doch er spürte noch immer die Wunden in seinem Herzen, die nicht heilen wollten. Vielleicht würde sich das ändern, wenn er Vergeltung übte.

Gewissheit machte sich in ihm breit, eine Gewissheit, die alles in neuem Licht erscheinen ließ.

Der erste Punkt seines Plans war Leonie, denn ohne ihre Kooperation würde er ihn nicht durchführen können. Was natürlich ein Problem sein könnte, denn er wusste ja schon, wie stur sie war.

Kein Wunder unter den Umständen, in denen er sie angetroffen hatte. Andererseits sah es so aus, als könnte er sie mit Geld motivieren. Vielleicht würde sie ja zustimmen, seine Frau zu werden, wenn sie es als einen Teil ihres Jobs ansah, für den er sie fürstlich bezahlen würde.

Aber durfte er ihr sagen, dass er ihre Identität kannte? Sie hatte ihm ihren Namen nicht verraten, sicher aus gutem Grund. Wahrscheinlich hing es mit ihrem Vater zusammen. Hatte sie je zu ihm zurückkehren wollen? Wusste sie überhaupt, dass er sie für tot hielt?

Er runzelte die Stirn. Vielleicht sollte er ihr nicht gleich enthüllen, dass er wusste, wer sie war. Das konnte sich als schwerer Fehler herausstellen. Denn er durfte sie nicht erschrecken, sonst würde sie noch flüchten wollen. Viel besser war es, zuerst ihr Vertrauen zu gewinnen, bevor er ihr sein Geheimnis verriet.

Cristiano spürte plötzlich einen großen Energieschub, so, wie er ihn seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Er verließ sein Arbeitszimmer mit schnellen Schritten und machte sich auf den Weg zu dem neuesten Mitglied seines Personals.

Er fand Leonie schließlich in der Bibliothek, die an den Garten angrenzte. Sie kniete auf dem Boden vor einem der großen Bücherregale und hatte ihm den Rücken zugekehrt. Ihre schmutzigen Kleider waren verschwunden, Camille hatte sie mit dem Outfit ausgestattet, das auch seine anderen Mitarbeiter trugen – schwarze Hosen und schwarzes T-Shirt. Sie hatte sich das Haar zum Pferdeschwanz gebunden, und gegen das Schwarz des Shirts glänzte es wie rötliches Gold.

Wunderschön.

Es juckte ihm in den Fingern, durch ihr Haar zu streichen, um zu sehen, ob es so seidig und weich war, wie es aussah. Ja, er hätte am liebsten …

Aber nein, das war es nicht, was er von ihr wollte. Ihren Namen wissen, das ja. Aber ihren Körper, nein den wollte er nicht. Auch wenn er sie sehr attraktiv fand, war Sex für ihn kein Problem, er konnte jederzeit eine Frau finden, die nur zu gern mit ihm schlief.

Aber was ist mit deinem Plan mit dem Erben?

Das konnte noch warten.

Er lehnte sich gegen den Türrahmen und betrachtete sie.

Es sah nicht so aus, als würde sie putzen, denn ihr Eimer und das Tuch befanden sich neben ihr. Sie hatte den Kopf gebeugt, als würde sie etwas anschauen. Etwas, das ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen schien, denn sie hatte ihn gar nicht gehört, obwohl er sich keine Mühe gegeben hatte, besonders leise zu sein.

Diese Fähigkeit zur Hingabe hatte ihr ja schon einmal Probleme gemacht. Schließlich hatte er sie deswegen dabei erwischt, wie sie die Tür seiner Limousine mit einem Graffiti verzierte!

Wie mag sie wohl im Bett sein? Genauso konzentriert? Würde sie dich anschauen und …

Cristiano schüttelte den Kopf und zwang sich, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Vielleicht sollte er lieber die beiden Frauen kontaktieren, die er am Straßenrand stehengelassen hatte, um das zu beenden, was er mit ihnen angefangen hatte. Jedenfalls musste er bald Zerstreuung finden, wenn er weiterhin diese lüsternen Gedanken in Bezug auf Leonie hatte.

Er rührte sich und sagte laut: „Na, hast du etwas Interessantes gefunden, gatita?“

Die tiefe Stimme des Herzogs strich über Leonies Rücken wie eine zärtliche Berührung. Schockiert zuckte sie zusammen und erstarrte. Noch immer hielt sie das Buch in der Hand, in dem sie so aufmerksam gelesen hatte.

Und ihr wurde plötzlich eiskalt.

Schließlich war er jetzt ihr Arbeitgeber, und er hatte sie gleich an ihrem ersten Tag beim Lesen erwischt. Das sah nicht gut für sie aus. Was, zum Teufel, hatte sie sich dabei nur gedacht?

Schließlich war bis jetzt alles ganz gut gelaufen. Gestern Abend hatte sie ein warmes Bad genommen und war schließlich in dem großen Bett eingeschlafen. Und zwar nackt, weil sie nicht wieder ihre schmutzigen Sachen anziehen wollte.

Ihr Schlaf war ziemlich unruhig gewesen, was bestimmt damit zusammenhing, dass das Bett so weich und bequem war. Daran war sie nicht gewöhnt. Sie war es gewohnt, einen leichten Schlaf zu haben, denn da draußen musste sie immer auf der Hut sein. Jedenfalls fühlte sie sich an diesem Morgen ausgeruht genug.

Vor der Tür hatte sie frische Kleidung gefunden, die sie dankbar angezogen hatte. Die feine Baumwolle des Shirts und der Hose fühlte sich wunderbar auf ihrer Haut an. Außerdem hatte ein herrliches Frühstück, bestehend aus Kaffee und frischen Croissants auf sie gewartet, das sie hungrig verzehrte. Eigentlich hatte sie danach immer noch Hunger gehabt. Doch dann war Camille erschienen und hatte sie in scharfem Ton in ihre Pflichten eingeweiht.

Sie sollte zuerst die Bibliothek putzen, durfte aber nicht länger als eine halbe Stunde darin verweilen und dann mit dem Wohnzimmer daneben weitermachen. Doch Leonie hatte über den ganzen wunderbaren Büchern die Zeit vergessen.

Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie stundenlang gelesen. Bücher waren etwas, das sie bei dem Leben auf der Straße am meisten vermisste. Ganz, ganz früher hatte ihr Vater ihr vorgelesen …

Doch sie wollte jetzt nicht an ihren Vater denken.

Schnell sprang sie auf und stellte das Buch zurück ins Regal. „Tut mir leid“, sagte sie errötend. „Ich habe nicht gelesen, ich … Ich habe nur staubgewischt.“

Sie sah ihn an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ihre Furcht hatte ihr plötzlich die Sprache verschlagen.

Der Herzog lehnte am Türrahmen und hatte die Hände in die Taschen gesteckt. Er trug wieder maßgeschneiderte schwarze Hosen und dazu ein blütenweißes Hemd, dessen Ärmel er hochgerollt hatte. Er war wirklich unglaublich attraktiv. Schweigend betrachtete sie seine aristokratischen Züge, die dichten schwarzen Augenbrauen, den scharf geschnittenen Mund und die dunkelgrünen Augen, die wie Smaragde funkelten.

Irgendwie wirkte er anders als der Mann, den sie gestern getroffen hatte. Seine Ausstrahlung hatte sich verändert, er war noch viel anziehender, und das machte ihr Angst.

Alles an diesem Mann verängstigte sie.

Er zog die Brauen hoch und sah sie an. „Du wolltest noch etwas sagen?“

Leonie errötete, denn sie hatte das Gefühl, als hätte er ihre Gedanken erraten und würde sich über sie amüsieren.

„Nein“, sagte sie schnell und wünschte sich, sie hätte ihr Messer bei sich. „Brauchen Sie vielleicht etwas … äh, Monsieur?“ Sie brachte es einfach nicht über sich, Euer Gnaden zu ihm zu sagen.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, doch er schüttelte den Kopf.

„Nein, danke. Ich habe alles, was ich brauche. Ich wollte nur einmal nachschauen, wie es dem Neuzugang meines Haushalts geht. Bist du mit allem zufrieden?“

Sie nickte und griff nach dem Tuch. „Camille meinte, sie würde mich bald im Dienstbotentrakt unterbringen und …“

„Nein, das wird nicht passieren“, unterbrach er sie. „Du bleibst im Gästezimmer.“

Eigentlich hatte sie nichts dagegen, denn schließlich gefiel ihr der Raum sehr. Aber sie war es nicht gewohnt, dass man ihr sagte, was sie tun sollte.

So kriegen sie dich am Ende, dachte sie bei sich. Sie geben dir ein warmes Bett und regelmäßige Mahlzeiten, und dann denken sie, dass sie dich …

„Ich brauche keine Extrawürste“, sagte sie laut.

„Wie ich bereits sagte, du wirst im Gästezimmer bleiben.“

„Wieso?“

„Weil ich es sage“, entgegnete er kühl. „Ich bin schließlich der Herr im Hause, und mein Wort ist hier Gesetz. Ach ja, das erinnert mich an etwas. Normalerweise gibt es immer ein Bewerbungsgespräch, bevor ich jemanden einstelle. Deshalb schlage ich vor, wir beide holen das heute beim Dinner nach.“

Alarmiert blickte sie ihn an. Ein Bewerbungsgespräch? Beim Dinner? Das klang überhaupt nicht gut.

Sie sah ihn misstrauisch an. „Ich dachte immer, Bewerbungsgespräche werden im Büro geführt. Während des Tages und nicht beim Abendessen.“

Er nickte. „Also, wenn dir das lieber ist, können wir auch in meinem Arbeitszimmer zu Abend essen.“

„Ich werde nicht mit Ihnen schlafen!“, stieß sie hervor.

Er sah sie erstaunt an. „Habe ich dich etwa darum gebeten?“

„Nein, aber wenn ein Mann eine Frau zum Dinner einlädt, erwartet er meistens bestimmte Dinge.“

„Du hast anscheinend eine schlechte Meinung über Männer, was ich dir natürlich nicht verdenken kann. Aber ich versichere dir, ich habe nicht die Absicht, dich zu verführen. Nur für den Fall, dass du dir deswegen Sorgen machen solltest.“

Sie hatte sich deswegen Sorgen gemacht, so viel stand fest.

„Kann sein“, erwiderte sie nach kurzem Zögern. „Aber ich vertraue Ihnen nicht.“

Cristiano nickte. „Auch das kann ich verstehen. Schließlich haben wir uns ja gerade erst kennengelernt. Wenn es dir hilft, nimm dein Messer mit. Und falls ich dir zu nahekommen sollte, kannst du mich gern wieder angreifen.“

„Oder wir verzichten auf das Bewerbungsgespräch“, schlug sie vor. „Schließlich haben Sie mich ja schon engagiert.“

„Ja, das stimmt. Aber so ist es hier nun mal der Brauch. Ich kann nicht jeden in mein Haus lassen, das wäre ein Sicherheitsrisiko. Zumal …“, Er sah sie scharf an, „… du mir ja immer noch nicht deinen Namen genannt hast.“

Leonie holte tief Luft. Sie hätte ihm gestern Abend schon sagen sollen, wie sie hieß. Bestimmt dachte er jetzt, dass sie etwas vor ihm zu verbergen hatte.

Dabei war sie einfach nur ein junges Mädchen, das beide Eltern verloren hatte. Ein Mädchen, das niemand wollte.

Ihr Magen zog sich zusammen. Ihr Name war das Einzige, was ihr noch gehörte. Niemand hatte ein Recht darauf, ihn zu erfahren.

Warum nennst du ihm dann keinen falschen Namen?

Das könnte sie natürlich tun. Aber irgendetwas in ihr sträubte sich dagegen.

Was war nur an diesem Mann, das in ihr die ganze Zeit den Impuls auslöste, ihn zu bekämpfen? Eine derartig starke Reaktion konnte sie sich gar nicht erklären.

Doch er löste unbekannte und verwirrende Gefühle in ihr aus. Eine Art Sehnsucht. Eine Rastlosigkeit. Was, zum Teufel, war das nur?

Das weißt du doch ganz genau.

Aber Leonie wollte nicht darüber nachdenken. Das konnte sie sich nicht leisten. Denn dann bestand die Gefahr, dass sie wieder auf der Straße landen würde.

Nein, sie hatte sich selbst in diese Situation gebracht, und wenn sie es geschickt anstellte, konnte sie davon profitieren. Doch sie musste den Ball flachhalten, durfte keinen allzu großen Widerstand leisten. Wenn sie Glück hatte, würde der Herzog sie vielleicht irgendwann vergessen und in Ruhe lassen.

Deshalb erwiderte sie nichts, senkte den Kopf und blieb stumm.

„Komm in mein Arbeitszimmer, wenn du heute mit dem Putzen fertig bist. Ich werde Camille sagen, dass ich dich erwarte.“

Sie nickte nur, und als sie schließlich aufsah, stand niemand mehr in der Tür.

Er war gegangen.

4. KAPITEL

Stirnrunzelnd blickte Cristiano auf die Uhr über dem Kaminsims, wobei er immer ungeduldiger wurde. Leonie hatte sich verspätet, und er ging davon aus, dass sie das mit Absicht tat, denn Camille würde sie bestimmt nicht länger arbeiten lassen, wenn ein Meeting mit ihm anstand.

Bestimmt hing es mit ihrem Gespräch in der Bibliothek zusammen. Sie vertraute ihm nicht, und das konnte er ihr auch nicht verdenken.

Denn er plante ja tatsächlich, sie zu verführen …

Allein die Vorstellung erregte ihn schon. Es war lange her, dass er sich für eine Frau hatte anstrengen müssen, und die Idee gefiel ihm besser, als er erwartet hatte. Inzwischen war sein Leben voller Vergnügungen doch etwas schal geworden!

Und der Gedanke, wie geschockt de Riero sein würde, wenn er erfuhr, dass seine Tochter in seiner Gewalt war …

Dieses Gefühl ungeheurer Befriedigung war ebenso grausam wie heiß, und er musste es mit aller Macht zurückdrängen. Denn er konnte nicht zulassen, sich von seinen Emotionen beherrschen zu lassen. Es war damals ein großer Fehler von ihm gewesen, de Riero zu konfrontieren. Er war völlig außer sich gewesen und hatte damit nur erreicht, dass sein Sohn sich in die Arme des anderen Mannes gestürzt hatte.

Diesmal musste er ruhig und distanziert bleiben. Und sein...

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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