Julia Extra Band 497

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HEIRATE NIEMALS EINEN ITALIENISCHEN PLAYBOY! von MELANIE MILBURNE
Der attraktive Playboy Luca Ferrantelli erlässt Artemisia ihre Schulden. Vorausgesetzt, sie wird für sechs Monate seine Frau! In ihrer Not sagt Artie Ja - aber bloß zu einer Ehe auf dem Papier. Als Luca sie jedoch küsst, erwacht insgeheim sinnliche Sehnsucht in ihr …

LIEBESMÄRCHEN FÜR DIE PRINZESSIN von REBECCA WINTERS
Zwischen Prinzessin Fausta und Dr. Nico Barsotti ist es Liebe auf den ersten Blick. Ihr Glück könnte nicht größer sein. Bis Nico ihr verrät, dass er ein lang vermisster Kronprinz ist. Dabei will Fausta unbedingt ein bürgerliches Leben fernab des Hofes führen! Was nun?

KÜSSE, ZART WIE SCHMETTERLINGE von KATE HARDY
Architekt Hugo Grey ist empört: Seine Tante hat ihre Villa in Notting Hill einer Fremden vermacht! Und zu allem Überfluss soll er dieser Frau auch noch ein Schmetterlingshaus bauen. Doch das Schlimmste: Obwohl Alice eine Erbschleicherin ist, verzehrt er sich nach ihren Küssen …

SÜSSE ÜBERRASCHUNG FÜR DEN MILLIARDÄR von KIM LAWRENCE
Wie konnte Gwen ihm die süßen Folgen ihrer Affäre vorenthalten? Der spanische Milliardär Rio Bardales wird sich ab sofort um sie und das Baby kümmern - natürlich nur aus Pflichtbewusstsein! Denn auch wenn er Gwen mehr als je zuvor begehrt, hat er der Liebe schon lange abgeschworen …


  • Erscheinungstag 02.03.2021
  • Bandnummer 497
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500579
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne, Rebecca Winters, Kate Hardy, Kim Lawrence

JULIA EXTRA BAND 497

MELANIE MILBURNE

Heirate niemals einen italienischen Playboy!

Damit sein kranker Großvater neuen Lebensmut schöpft, beschließt Playboy Luca Ferrantelli zu heiraten – bloß zum Schein! Bis er seine Braut Artemisia küsst und ungeahnt romantische Gefühle verspürt …

REBECCA WINTERS

Liebesmärchen für die Prinzessin

Zwar schwört Prinzessin Fausta ihm ihre Liebe, aber Nico weiß: Er ist nicht standesgemäß für sie. Da erfährt er, dass sein leiblicher Vater ein König war. Aber Fausta will gar keinen Prinzen, oder?

KATE HARDY

Küsse, zart wie Schmetterlinge

Überraschend erbt Schmetterlingsforscherin Dr. Alice Walters ein Haus. Eine große Freude! Wäre da nicht der Neffe der Verstorbenen, der sie für eine Erbschleicherin hält – und sie trotzdem magisch anzieht …

KIM LAWRENCE

Süße Überraschung für den Milliardär

Als Gwen dem sexy Milliardär Rio Bardales die süßen Folgen ihrer Affäre gesteht, lädt er sie prompt in seine Strandvilla nach Spanien ein. Nur eins versagt er ihr: den ersehnten Platz in seinem Herzen …

1. KAPITEL

Artemisia Bellante starrte den Anwalt ihres Vaters entsetzt an. „Aber da muss ein Irrtum vorliegen! Wie kann das Castello Mireille mit einer Hypothek belastet sein? Es befindet sich seit Generationen in der Familie meines Vaters. Papa hat nie erwähnt, dass er einer Bank Geld schuldet.“

„Er schuldet es auch nicht einer Bank.“ Der Anwalt, Bruno Rossi, schob Artie über den Schreibtisch einige Papiere zu. „Haben Sie schon einmal von Luca Ferrantelli gehört? Er leitet die weltweit agierende Immobilienentwicklungsgesellschaft seines verstorbenen Vaters.“

Artie blickte verwirrt auf die Papiere vor sich. „Ja, natürlich habe ich von ihm gehört.“ Sie mochte vielleicht jahrelang isoliert auf dem alten Familiensitz gelebt haben, aber selbst sie hatte von dem Milliardär gehört. Und wie wohl die meisten Frauen war auch sie ins Schwärmen geraten, wenn sie Fotos von diesem extrem gut aussehenden, schwerreichen Herzensbrecher gesehen hatte …

Sie blickte den Anwalt stirnrunzelnd an. „Aber wie konnte das geschehen? Ich weiß, dass Papa einige Gärtner entlassen musste, um die Kosten zu senken, aber er hat nie erwähnt, dass er von jemandem Geld geliehen hätte. Das Castello soll also demnächst diesem Signor Ferrantelli gehören? Warum hat Papa mir das denn nicht erzählt, bevor er gestorben ist?“

Der Anwalt schob seine fast auf der Nasenspitze sitzende Brille hoch. „Anscheinend hatten Ihr Vater und Luca Ferrantellis Vater früher gewisse geschäftliche Beziehungen. Als das Castello im letzten Jahr schwer vom Sturm beschädigt wurde und die Versicherung das nicht abdeckte, hat Ihr Vater Luca kontaktiert und um finanzielle Hilfe gebeten. Er wusste, dass er verkaufen müsste, wenn ihm nicht jemand unter die Arme griff.“

Artie blinzelte nervös. „Probleme mit der Versicherung? Aber warum hat er mir das nicht gesagt? Ich bin sein einziges Kind.“

Bruno Rossi zuckte mit den Schultern. „Stolz. Scham. Die üblichen Gründe in solchen Fällen. Für die aufwendigen Reparaturen musste er das Anwesen mit einer Hypothek belasten. Luca Ferrantelli schien wohl die beste Option zu sein. Oder besser gesagt, die einzige Option, in Anbetracht der schlechten Gesundheit Ihres Vaters.“

Ein Spannungskopfschmerz durchzuckte Artie wie brennend heiße Nadelstiche. Welch ein Albtraum!

Bitte, lass das nicht Wirklichkeit sein!

„Mein Vater wusste doch gewiss, dass er das geliehene Geld von Signor Ferrantelli irgendwann zurückzahlen müsste. Und hätte nicht zumindest Luca Ferrantelli erkennen müssen, dass Papa nicht mehr in der Lage war, dies zu tun? Oder hatte es Signor Ferrantelli von Anfang an darauf abgesehen, uns das Castello wegzunehmen?“

Bruno Rossi beugte sich mit einem Seufzer zu ihr.

„Ihr Herr Vater war ein guter Mann, Artie, aber er war leider nicht sehr gut darin, sich um seine Finanzen zu kümmern, besonders in der Zeit nach dem Unfall. Als er aus der Klinik kam, waren hohe Rechnungen aufgelaufen, wie Sie wissen. Ihre Mutter war diejenige, die sich davor um die Finanzen gekümmert hatte, doch nach ihrem tragischen Unfalltod musste Ihr Vater sich plötzlich damit befassen. Leider hat er nicht immer auf den Rat seines Buchhalters oder Steuerberaters gehört.“ Bedauernd schüttelte der Anwalt den Kopf und fuhr dann fort: „Sie wissen ja, wie sehr der Unfall ihn verändert hat. Luca Ferrantellis finanzielle Hilfe ermöglichte es, dass Sie Ihren Vater bis zu seinem Tod zu Hause pflegen konnten. Aber natürlich wird das Castello jetzt in Luca Ferrantellis Besitz übergehen, wenn Sie die Hypothek nicht ablösen können.“

Nur über ihre Leiche! Auf keinen Fall würde Artie diesem Mann ihr Zuhause kampflos überlassen, selbst wenn es ein Kampf zwischen David und Goliath war. Sie würde schon einen Weg finden, um zu gewinnen.

Das musste sie einfach.

Artie tat ihr Bestes, um die Schweißperlen zu ignorieren, die sich zwischen ihren Schulterblättern geformt hatten. Ihr Herz hämmerte ängstlich in ihrer Brust, und sie hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihr schwankte. „Wann und wo hat Papa sich denn mit Signor Ferrantelli getroffen? Ich habe mich während der ganzen letzten zehn Jahre unentwegt um Papa gekümmert und erinnere mich nicht daran, Signor Ferrantelli je bei uns gesehen zu haben.“

„Vielleicht war er an einem Tag da, an dem Sie ausgegangen sind.“

Ausgegangen? Artie ging nicht aus.

Sie war nicht wie andere Menschen, die einfach das Haus verließen und sich mit Freunden trafen. Für sie war es unmöglich, mit mehr als ein oder zwei Menschen gleichzeitig zusammen zu sein.

„Vielleicht …“ Artie blickte wieder auf die Papiere. Ihre soziale Phobie war viel effektiver als ein Hochsicherheitstrakt. Seit dem Unfall hatte sie sich nicht mehr vor die Mauern des Castellos begeben. Damals war sie fünfzehn Jahre alt gewesen.

Das war zehn Jahre her.

Zwei Fünftel ihres Lebens.

Soweit sie wusste, war es nicht öffentlich bekannt, dass sie Angstzustände bekam, sobald sie das Haus verlassen sollte. Durch die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters hatte sie ihre schreckliche Angst vor Menschenmengen gut verbergen können. Sie hatte die Rolle der Pflegerin damals willig übernommen, da es ihrem Leben einen Sinn gegeben hatte. Besuchern ihres Vaters war sie so gut wie möglich aus dem Weg gegangen. Zudem war außer den Ärzten und Physiotherapeuten während der letzten beiden Lebensjahre ihres Vaters sowieso kaum mehr jemand gekommen. Und da Artie nach dem Unfall zu Hause unterrichtet worden war, hatte sie auch den Kontakt zu Schulfreundinnen und Freunden verloren.

Sie hatte niemanden außer Rosa, der Haushälterin.

Artie holte tief Luft und blinzelte die aufsteigenden Tränen weg. Die Worte des Anwalts bestätigten ihre schlimmsten Befürchtungen. Ihr Heim war bis unters Dach mit Hypotheken belastet. Keine Bank würde ihr genug Geld leihen, um das Castello bei Luca Ferrantelli auszulösen. Die einzige Berufserfahrung, die sie vorweisen konnte, war die Pflege ihres Vaters. Von fünfzehn bis fünfundzwanzig hatte sie sich um ihn gekümmert. Sie hatte keine offiziellen Qualifikationen und keine besonderen Fähigkeiten, mal abgesehen von ihrem Hobby, der Stickerei.

Kopfschüttelnd schob sie die Papiere zurück über den Schreibtisch. „Was ist mit dem Treuhandfonds meiner Mutter? Ist davon nicht genug übrig, um die Hypothek zurückzuzahlen?“

„Dieser reicht gerade, damit Sie noch eine Weile über die Runden kommen, ist aber nicht genug, um die Schulden zu bezahlen.“

Arties Herz begann, immer schneller zu pochen. „Wie lange habe ich noch?“ Das klang wie eine Todesdiagnose, was es auf gewisse Weise auch war. Sie konnte sich ein Leben ohne das Castello Mireille nicht vorstellen. Es war ihr Zuhause, ihr Anker.

Ihre ganze Welt.

Bruno Rossi schob die Papiere zu einem ordentlichen Stoß zusammen. „Ein Jahr oder auch zwei. Aber selbst, wenn Sie aus irgendeinem Grund die Schulden begleichen können, fallen für das ganze Anwesen beträchtliche Unterhaltskosten an. Der Sturmschaden vom letzten Jahr hat außerdem gezeigt, wie anfällig das Castello ist.“

„Ja, ich weiß.“ Artie schob ihren Stuhl zurück. Jeden Tag konnte sie sehen, wie das Castello um sie herum zerfiel. Doch ein Auszug war undenkbar. Unmöglich.

Sie konnte es einfach nicht.

Panik überkam sie, und ihre Haut brannte wie unter Tausenden von Ameisen. Druck baute sich in ihrer Brust auf, immer stärker, bis sie kaum mehr atmen konnte. Sie verschränkte die Arme und kämpfte gegen die Panikattacke an. Sie hatte schon eine Weile keine mehr gehabt, dennoch war sie seit dem Unfall, der ihre Mutter getötet und ihren Vater in den Rollstuhl gebracht hatte, ständig von Panikattacken bedroht.

Ein Unfall, der ohne sie nie passiert wäre.

Der Anwalt räusperte sich. „Da wäre noch etwas …“ Sein Ton veränderte sich, woraufhin Artie eine Gänsehaut bekam.

Sie straffte die Schultern und umfasste ihre Ellbogen mit den Händen, hoffte, dadurch kühl und würdevoll auszusehen. „W…was denn?“

„Signor Ferrantelli möchte Ihnen einen Vorschlag zur Rückzahlung der Hypothek unterbreiten. Falls Sie auf seine Bedingungen eingehen, werden Sie innerhalb von sechs Monaten wieder ganz über das Castello verfügen können.“

Artie sah ihn erstaunt an. Wie sollte sie diese Hypothek in so kurzer Zeit zurückzahlen können? Was um Himmels willen wollte dieser Mann von ihr? „Er hat einen Vorschlag? Was für einen Vorschlag?“

„Er hat mich nicht autorisiert, mit Ihnen darüber zu sprechen, sondern besteht darauf, zuerst persönlich mit Ihnen zu reden.“ Der Anwalt schob seinen Stuhl zurück, und es wurde deutlich, dass er dazu nichts weiter zu sagen hatte. „Signor Ferrantelli bittet um ein Treffen mit Ihnen in seinem Büro in Mailand am Montagmorgen um Punkt neun Uhr, um Ihre Optionen zu besprechen.“

Optionen? Was für Optionen? Eiskalte Furcht breitete sich in ihr aus. Welche schändlichen Pläne konnte dieser Luca Ferrantelli haben? Was wollte er von einer Frau, die er noch nie getroffen hatte? Und was sollte dieser Kommandoton?

Um Punkt neun Uhr. In seinem Büro. In Mailand.

Luca Ferrantelli hörte sich nach einem Mann an, der Befehle erteilte und erwartete, dass sie einfach ausgeführt wurden. Doch Artie konnte unmöglich nach Mailand. Nicht am Montag. Und auch an keinem anderen Tag. Sie schaffte es nicht mal weiter als bis zum Gartentor, ohne dass sie eine entsetzliche, mit Übelkeit verbundene Panik befiel.

Artie umfasste die Lehne des Stuhls, der neben ihr stand. Ihr Herz raste. „Richten Sie ihm aus, er könne mich hier treffen. Es ist mir nicht möglich, nach Mailand zu kommen.“

„Signor Ferrantelli ist ein beschäftigter Mann. Er hat mich ausdrücklich angewiesen, Ihnen zu sagen, dass …“

Artie richtete sich gerade auf, reckte das Kinn und versuchte sich mit zusammengebissenen Zähnen an einem höflichen Lächeln. „Richten Sie ihm aus, er kann mich hier treffen, um Punkt neun Uhr am Montag. Das ist mein letztes Wort.“

Am Montagmorgen passierte Luca Ferrantelli in seinem Maserati das verrostete Eingangstor des Castellos. Das gesamte Gelände kam ihm vor, als wäre es einem Märchen der Gebrüder Grimm entsprungen. Das jahrhundertealte, von Efeu überwucherte steinerne Gebäude befand sich in einem Garten mit ungezähmt wachsenden Rosen, von Unkraut bedeckten Wegen und alten Bäumen, die knorrigen Wachposten glichen. Dieses Castello hatte allerdings viel Potenzial – jahrelange Arbeit im Immobilienunternehmen seines verstorbenen Vaters hatten ihn gelehrt, wie man einen Rohdiamanten entdeckte.

Apropos Diamanten …

Zufrieden lächelnd blickte Luca zu dem Samtkästchen auf dem Beifahrersitz, in dem sich der Verlobungsring seiner verstorbenen Großmutter befand. Artemisia Bellante würde die perfekte Braut auf Zeit abgeben. Ihr Vater Franco hatte Luca kurz vor seinem Tod ein Foto seiner Tochter per Mail geschickt und Luca gebeten, sich um sie zu kümmern, wenn er nicht mehr da wäre. Das Foto hatte Luca auf die Idee gebracht, der jungen Frau einen ungewöhnlichen Weg aus ihren derzeitigen Problemen anzubieten. Jung, unschuldig, behütet – Lucas konservativer Großvater würde in Franco Bellantes Tochter die perfekte Braut für einen Ferrantelli sehen!

Langsam wurde die Zeit knapp, um seinen Großvater zu überzeugen, die Chemotherapie anzutreten, die er so dringend benötigte. Luca hatte nur ein kleines Zeitfenster, um Nonno dazu zu bringen. Und Luca würde alles tun – selbst eine arme Erbin heiraten –, um sicherzugehen, dass sein kranker Großvater noch ein paar wertvolle Jahre leben würde. Schließlich war es Lucas Schuld, dass Nonno den Lebenswillen verloren hatte. Schuldete er seinem Großvater nicht etwas Lebensfreude, wenn man bedachte, dass Luca die ganze Familie Ferrantelli entzweigerissen hatte?

Vor Lucas geistigem Auge tauchte das Bild von seinem Vater Flavio und seinem älteren Bruder Angelo auf. Er sah ihre leblosen Körper vor sich, wie sie aus der Brandung gezogen wurden – umgekommen wegen seiner Waghalsigkeit! Damit hatte er das Glück seiner Mutter und seiner Großeltern für immer zerstört.

Luca blinzelte die Vision fort und umfasste das Lenkrad fester. Seinen Vater und seinen Bruder konnte er nicht wieder zurückbringen. Seine Großmutter war vor einem Jahr gestorben, seitdem hatte sein Großvater den Lebenswillen verloren. Nonno verweigerte die Behandlung seines Krebsleidens, und wenn er die Chemotherapie nicht bald begann, würde auch er sterben. Bisher hatte kein Bitten und kein Flehen von Luca die Meinung seines Großvaters ändern können.

Doch Luca hatte einen Plan gefasst. Er würde eine zauberhafte Braut nach Hause bringen, die seinem Großvater die Hoffnung gab, dass die Linie der Ferrantellis weitergeführt wurde.

Auch wenn das nichts anderes als ein Märchen wäre …

Artie sah den glänzenden dunkelblauen Maserati vorfahren, das tiefe Schnurren des Motors war selbst hier im Salon zu hören. Die getönten Scheiben des Autos verhinderten den Blick auf das Gesicht des Fahrers, aber der elegante Sportwagen schien wie eine Repräsentation seiner Persönlichkeit.

Einiges wusste Artie bereits über Luca Ferrantelli. Nicht umsonst hatte sie am Wochenende im Internet nach Informationen über diesen Mann gesucht. Ihre Einschätzung hatte sich bestätigt: Er schien ein Playboy zu sein, der große Geschäfte machte und Frauenherzen auf der ganzen Welt brach.

Artie holte tief Luft, als die Fahrertür aufging, und ihr Herz schlug schneller, während sie beobachtete, wie der athletische junge Mann ausstieg. Gut sah Luca Ferrantelli auf jeden Fall aus! Etwa eins achtzig groß, schlank und sportlich, mit welligem schwarzen Haar. Obwohl Artie ihn nur aus der Ferne betrachtete, wurde sie bereits nervös.

Als hätte er ihren Blick auf sich gespürt, nahm Luca Ferrantelli die Sonnenbrille ab und schaute zu ihr. Auf einmal hatte Artie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Schnell trat sie vom Fenster zurück, lehnte sich gegen die Wand und fuhr sich mit der Hand an die Kehle. Sie musste sich zusammenreißen, und zwar schnell. Schließlich wollte sie nicht unbeholfen und provinziell wirken. Was allerdings ein schwieriges Unterfangen war, wenn man bedachte, wie lange sie nicht mehr unter Menschen gewesen war. Luca Ferrantelli war ein weltgewandter Playboy und sie ein Mauerblümchen, das seit einem Jahrzehnt das Haus nicht mehr verlassen hatte.

Es dauerte einige Minuten, bis Rosa, die Haushälterin, Luca Ferrantelli hereinführte. Dennoch schlug Arties Herz immer noch sehr schnell, als die Tür zum Salon geöffnet wurde.

„Signor Ferrantelli“, kündigte Rosa ihn mit einem förmlichen Nicken in Lucas Richtung an, bevor sie das Zimmer wieder verließ.

Das Erste, was Artie bemerkte, war, dass sein Haar nicht völlig schwarz war. Stahlgraue Strähnen an den Schläfen verliehen ihm ein distinguiertes Aussehen. Seine Augen waren von einem ungewöhnlichen Braun – eine Mischung aus braunen und grünen Punkten, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern und ebenso dichten Brauen. Seine Augen waren ein Kaleidoskop an Farben, die an einen schattigen Wald erinnerten. Sein Kinn war glatt rasiert, doch der leichte Schatten um Mund und Nase deutete an, dass potente männliche Hormone am Werk waren …

Die Atmosphäre im Raum änderte sich allein durch seine Gegenwart.

Buongiorno, Signorina Bellante.“ Luca Ferrantellis Stimme war tief und volltönend. Sie erinnerte Artie sofort an das Motorengeräusch seines Wagens, was merkwürdigerweise ein eigenartiges Kribbeln in ihr auslöste. Genau wie der Anblick seines Mundes, als er ihren Namen aussprach. Seine Unterlippe war voll und sinnlich, die vertikale Rinne über seiner Oberlippe besonders ausgeprägt. Und dann noch das winzige Grübchen an seinem Kinn …

Artie ergriff seine ausgestreckte Hand, und es kam ihr so vor, als bekäme sie einen kleinen elektrischen Schlag. Sein Griff war fest und dennoch eigenartig sanft. Seine Finger waren lang und gebräunt, und sein Handrücken zeigte dunkle Härchen. Der Rest seines Arms wurde von einem langärmligen Hemd und einem Jackett verborgen. Armani, dem Anschein nach. Sein Aftershave hatte unter den herb-männlichen Duftstoffen eine angenehme Note von Zitrone.

Buongiorno, Signor Ferrantelli.“

Artie bemühte sich um kühle Höflichkeit, wusste allerdings nicht, ob es ihr gelang. Sie merkte, wie ihre Wangen sich röteten.

Lass seine Hand los!

Ihr Verstand gab zwar das Kommando, aber ihre Hand gehorchte einfach nicht.

Luca löste seine Hand, hielt jedoch Arties Blick. „Zuerst gestatten Sie mir, Ihnen mein Beileid zum Tod Ihres Vaters auszusprechen.“

„Grazie.“

Sie tat einen Schritt zurück und machte eine Handbewegung in Richtung Sofa. „Möchten Sie sich setzen? Ich werde Rosa bitten, einen Kaffee zu bringen. Wie trinken Sie ihn?“

„Schwarz und stark.“

Natürlich.

Artie drückte den Knopf der Sprechanlage und bat Rosa um den Kaffee.

Erst nachdem Artie mit Rosa gesprochen und sich selbst gesetzt hatte, nahm auch Luca ihr gegenüber Platz. In einer lässigen Geste, um die Artie ihn beneidete, legte er einen Arm über die Rücklehne des Sofas. Entschlossen ballte Artie die Hände und setzte ein gezwungenes Lächeln auf. „Nun, wie war Ihre Fahrt? Ich hoffe, es hat Ihnen nicht zu viele Umstände bereitet, aus Mailand hierherzukommen?“ Da sage noch mal einer, sie beherrsche keinen Smalltalk.

Lucas Lächeln und seine funkelnden Augen lösten ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus. „Ganz und gar nicht. Aber wir wissen beide, dass der Wunsch nachdrücklich von Ihnen kam, nicht wahr?“

Artie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. „Signor Ferrantelli, ich bin nicht die Art von Frau, die springt, wenn ein Mann es ihr sagt.“

Das Funkeln in seinen Augen verstärkte sich, und plötzlich wurde es Artie ganz heiß. „Sie haben aber vielleicht keine Wahl, nachdem ich nun neun Zehntel des Castello Mireille besitze. Es sei denn, Sie können meine Ansprüche umgehend ablösen.“ Es lag ein warnender Unterton in seiner Stimme, sich nicht mit ihm anzulegen.

Artie schluckte möglichst unauffällig. „Der Anwalt meines Vaters hat mich von dem merkwürdigen finanziellen Arrangement informiert, das Sie mit meinem Vater getroffen haben. Warum haben Sie denn nicht gleich alles gekauft?“

„Er war ein sterbender Mann, der noch etwas Würde in seinen letzten Lebensmonaten verdiente.“

Artie lächelte skeptisch. „Erwarten Sie tatsächlich, dass ich glaube, Sie hätten Mitgefühl mit ihm empfunden? Während sie ihm gleichzeitig jeden einzelnen Stein seines angestammten Zuhauses genommen haben?“

Luca änderte seine lässige Sitzhaltung nicht, doch sein Blick wurde kühl, und er reckte sein Kinn. „Ihr Vater hat mich letztes Jahr um Hilfe gebeten, und ich habe ihm geholfen. Es war ein ehrliches Geschäft. Nun bin ich gekommen, um die Ansprüche an meiner Investition geltend zu machen.“

Wie von einem Schleudersitz nach oben geschmissen, schoss Artie vom Sofa hoch. Sie sah Luca wütend an, und ihre Brust hob und senkte sich, als hätte sie gerade für einen Marathon trainiert. „Sie können mir mein Zuhause nicht nehmen. Das werde ich nicht zulassen.“

Luca Ferrantellis Blick war unergründlich. „Meine Absicht ist es tatsächlich, Ihnen das Castello zurückzugeben … nach einer gewissen Zeit. Und für einen gewissen Preis.“

Nun schluckte Artie schwer. „Welchen Preis? Sie wissen schließlich, dass ich die Mittel zur Rückzahlung der Hypothek nicht aufbringen kann.“

Sein Blick war jetzt so intensiv, dass Artie unwillkürlich erschauerte. „Ich werde Ihnen die Schulden erlassen und die Rechte am Castello zurückgeben, wenn Sie damit einverstanden sind, für sechs Monate meine Frau zu werden.“

2. KAPITEL

Schockiert starrte Artie den attraktiven Mann vor ihr an. Hatte sie eben richtig gehört oder spielte ihre Fantasie ihr einen Streich? Hatte Luca Ferrantelli gerade „meine Frau“ gesagt?

„Ihre … was?“

Er legte ein Bein über sein abgewinkeltes Knie, sodass er den Reißverschluss seiner italienischen Lederstiefel fassen und damit spielen konnte. Er wirkte so entspannt und selbstbewusst, dass es einen verrückt machen konnte.

„Sie haben ganz recht gehört! Ich brauche eine Frau für sechs Monate. Nur auf dem Papier.“ Seine Selbstsicherheit brachte sie nur noch mehr gegen ihn auf.

Auf dem Papier? Ihre Augen wurden groß. „Sie meinen eine Heirat aus praktischen Gründen? Nur der Form halber?“

„Natürlich.“

Wieso natürlich? Artie runzelte die Stirn. Es war lächerlich, beleidigt zu sein. Ein vollkommen Unbekannter machte ihr einen Antrag und sie stieß sich daran, dass er nur eine Ehe auf dem Papier wollte.

Aber warum sollte er dich auch wollen? fragte eine Stimme in ihrem Kopf höhnisch. Wer würde dich denn wollen? Du hast deine Mutter unter die Erde und deinen Vater in den Rollstuhl gebracht – alles nur, weil du zu einer albernen Party wolltest.

In diesem Moment kam Rosa mit dem Tablett herein. Sie reichte erst Luca, dann Artie eine Tasse Kaffee. Doch sobald Rosa den Raum verlassen hatte, stellte Artie ihren Kaffee auf den Tisch.

Luca löste seine übereinander geschlagenen Beine und nahm einen Schluck vom Kaffee, als wäre dies eine ganz normale Einladung zum Kaffeetrinken.

„Darf ich fragen, wie Sie ausgerechnet auf mich kommen?“, unterbrach Artie die Stille. „Gewiss haben Sie keinen Mangel an weitaus passenderen Kandidatinnen für die Rolle.“

Luca stellte mit einer Ruhe seine Tasse ab, die ahnen ließ, dass er überzeugt war, alles zu bekommen, was er wollte. „Ehrlich gesagt, war Ihr Vater derjenige, der mich auf den Gedanken brachte …“

„Mein Vater?“, rief Artie ungläubig aus.

„Er war besorgt über Ihre Zukunft, angesichts seiner angespannten finanziellen Situation. Er wollte, dass Sie gut versorgt sind, also hatte ich den Gedanken, dass wir dadurch beide bekommen, was wir wollen. Sie können das Castello behalten, ich bekomme vorübergehend eine Frau.“

Artie versuchte, die Fassung zu bewahren. „Aber weshalb möchten Sie überhaupt, dass ich Ihre … Ihre Frau werde?“ Die Worte „Ihre Frau“ auszusprechen fühlte sich merkwürdig an, und doch ging sofort ihre Fantasie mit Artie durch. Bilder, wie sie ein weißes Kleid trug und neben Luca am Altar stand. Er legte die Arme um sie und zog sie an sich, um die Verbindung mit einem Kuss zu besiegeln …

„Sie sind genau die Art von Frau, die mein Großvater als meine Braut sehen möchte“, sagte Luca, und sein Blick wanderte dabei zu ihrem Mund, als hätte er die gleichen Gedanken gehabt wie sie. Gedanken an Küsse, Berührungen und Leidenschaft.

Artie hob die Augenbrauen. „Ach, tatsächlich? Wieso das denn?“

Sein Lächeln war spöttisch. „Sie sind der niedliche Typ des Heimchens am Herd oder so ähnlich. Zumindest ließ Ihr Vater mich das glauben.“

Artie verzog keine Miene, doch innerlich kochte sie. Wie konnte ihr Vater es wagen, sie quasi an diesen unmöglichen Mann zu verkaufen? Und weshalb wollte Luca Ferrantelli seinem Großvater zuliebe so etwas tun? „Hören Sie, Signor Ferrantelli, da muss es wohl ein Missverständnis gegeben haben. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, weshalb ich je erwägen sollte, Sie zu heiraten.“

Lucas spöttisches Lächeln wurde schmaler. „Vielleicht sind Sie ja doch nicht so niedlich und gehorsam, wie Ihr Vater sagte“, meinte er nachdenklich, während er sie musterte. „Aber egal. Es wird genügen.“

Artie straffte die Schultern und warf ihm einen eisigen Blick zu. „Bitte gehen Sie. Wir haben nichts mehr zu bereden.“

Luca blieb auf dem Sofa sitzen und wirkte immer noch auf provozierende Weise entspannt. Doch sein Blick zeigte ein Funkeln, bei dem sie sich fragte, ob es klug war, sich mit ihm anzulegen. Sie hatte keine Erfahrung im Umgang mit mächtigen Männern. Genau genommen hatte sie überhaupt keine Erfahrung mit Männern …

„So wie ich es sehe, haben Sie letztlich keine Wahl. Sie werden das Castello verlieren, wenn Sie nicht mit einer Heirat einverstanden sind.“

Artie biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Das war alles, was sie tun konnte, um diesem Mann nicht sofort eine Ohrfeige zu geben. Sie stellte sich vor, wie sie es doch tat, wie ihre Handfläche klatschend auf seiner Wange landete. Stellte sich vor, wie seine raue Haut sich unter ihrer Handfläche anfühlte. Stellte sich vor, wie er sie vielleicht am Handgelenk packte, sie an sich zog und leidenschaftlich küsste …

Oje! Sie hätte nicht so oft „Vom Winde verweht“ anschauen dürfen …

Wütend streckte sie den Arm aus und deutete zur Tür. „Gehen Sie!“

Luca erhob sich mit raubtierhafter Geschmeidigkeit vom Sofa und ging einen Schritt auf sie zu. Artie kämpfte gegen den Instinkt an, einen Schritt zurückzuweichen. Sie war entschlossen, diesem unverschämten Mann zu beweisen, dass er sie nicht bezwingen konnte.

„Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden, um über mein Angebot nachzudenken.“

Artie hob das Kinn noch höher. „Ich habe ausreichend nachgedacht und Ihr Angebot abgelehnt. Morgen werde ich Ihnen auch keine andere Antwort geben, also verschwenden Sie nicht Ihre oder meine Zeit, indem Sie zurückkommen.“

Seine funkelnden Augen ließen vermuten, dass ihre Ablehnung ihn eher anstachelte. „Sie haben viel zu verlieren, Signorina Bellante.“ Er ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen, bevor er sie wieder ansah. „Sind Sie sicher, dass Sie all das wegwerfen wollen, nur um Ihres Stolzes willen?“

„Stolz hat nichts damit zu tun. Falls und wenn ich heirate, dann wird es aus Liebe sein.“

Sein Blick fiel auf ihren Mund und verweilte dort einen Moment. „Sie lieben diesen Ort, oder nicht? Das Heim Ihrer Familie seit wie vielen Jahrhunderten? Wenn das nicht Heirat aus Liebe ist, dann weiß ich nicht.“

Artie presste die Lippen aufeinander. „Natürlich liebe ich es. Es ist das einzige Zuhause, das ich je gekannt habe.“

„Wenn Sie mich nicht heiraten, werden Sie es verlieren. Und ich werde deswegen keine schlaflosen Nächte haben. Geschäft ist Geschäft. Ich lasse mich nicht von Emotionen ablenken. Denken Sie einfach darüber nach, ja?“

Artie versuchte, das Funkeln in seinen Augen zu ignorieren. Genau wie die Panik, die in ihr aufstieg, bei dem Gedanken, ihr Zuhause zu verlieren. „Sie können mich nicht aus meinem Heim werfen. Ich habe schließlich auch Rechte!“

„Ihr Vater hat mir diese übertragen, als er mich um meine Hilfe bat.“

Artie hob das Kinn und sammelte jedes bisschen Willenskraft, das sie besaß, um sich gegen sein Ego zu behaupten. „Sie sind mit der Erwartung hierhergekommen, dass ich sofort Ja sage, nicht wahr? Sagt denn jemals irgendjemand Nein zu Ihnen?“

„Nicht oft.“ Er griff in seine Jackentasche, holte ein kleines, mit Samt überzogenes Kästchen heraus und hielt es ihr auf der Handfläche entgegen. „Dies könnte Ihnen vielleicht bei der Entscheidungsfindung helfen.“

Artie wich zurück, als sei das kleine Kästchen eine Kakerlake. „Glauben Sie etwa, Sie könnten mich mit Diamanten bestechen?“

„Nicht nur mit Diamanten.“ Er öffnete die Samtschachtel mit einer geschickten Handbewegung, und ein glitzernder Ring mit Saphiren und Diamanten funkelte ihr entgegen. „Probieren Sie wenigstens, ob er passt.“

Artie sah ihr Gegenüber wieder an. „Nein danke“, antwortete sie.

Es herrschte ein Moment der Stille.

Luca ließ den Deckel des Kästchens zuschnappen und stellte es auf den Couchtisch. Wenn sie ihn mit ihrer Weigerung beleidigt hatte, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

„Ich werde morgen wiederkommen, um mir Ihre Entscheidung zu holen. Auf Wiedersehen.“

Er deutete spöttisch eine Verbeugung an, verließ ohne ein weiteres Wort den Salon und schloss die Tür hinter sich.

Artie stieß einen langen Seufzer aus und ließ sich mit zitternden Knien auf das Sofa sinken.

Wie konnte das geschehen? Es war wie ein Drama aus einer vergangenen Epoche. Sie wurde gezwungen, einen Mann zu heiraten, den sie gar nicht kannte, um ihr Zuhause zu retten.

Rosa kam zurück in den Salon, um die Kaffeetassen zu holen. „Dein Gast ist also schon gegangen. Was wollte er denn?“ Ihr Blick fiel auf das Schmuckkästchen auf dem Kaffeetisch. „Oh, was ist das?“

Artie stand auf und fuhr sich mit einem Seufzer durchs Haar. „Du wirst es nicht glauben!“

Rosa klappte das Kästchen auf und stieß einen leisen Pfiff aus. „Mamma mia! Das nenn ich einen Verlobungsring!“

Artie nahm ihr das Kästchen ab und ließ es zuschnappen. „Kannst du dir vorstellen, was er vorgeschlagen hat? Er will mich heiraten! Für ein halbes Jahr. Eine Heirat nur auf dem Papier. Dann wird er mir das Castello schuldenfrei zurückgeben.“

„Und was hast du gesagt?“

Artie runzelte die Stirn. „Was glaubst du wohl? Ich habe abgelehnt.“

Rosa stellte die Tassen betont langsam auf das Tablett. „Würdest du Ja sagen, wenn die Heirat nicht nur auf dem Papier stattfände?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Was ist dann das Problem? Vertraust du ihm nicht, dass er sein Wort hält?“

Artie stemmte die Hände in die Seiten. „Willst du mir ernsthaft vorschlagen, sein verrücktes Angebot anzunehmen?“ Artie sah ihre Haushälterin misstrauisch an. „Warte mal, wusstest du etwa davon? Hat Papa mit dir darüber gesprochen, dass er mich mit einem Fremden verheiraten will, um seine Schulden zu tilgen?“

Rosa nahm das Tablett seufzend wieder auf. „Dein Vater machte sich große Sorgen, was nach seinem Ableben wohl mit dir geschehen würde. Luca Ferrantelli kann deinem Vater nicht völlig fremd gewesen sein, sonst hätte er ihn nicht um Hilfe gebeten. Und was diese rein formale Ehegeschichte angeht: Sechs Monate sind keine lange Zeit. Und so lange alles rechtlich in Ordnung ist, hast du nichts zu verlieren, sondern nur alles zu gewinnen.“

Artie warf das Schmuckkästchen aufs Sofa. „Ich kann nicht fassen, dass du mir rätst, diesen entsetzlichen Mann zu heiraten.“

„Du kannst nicht für immer hier eingesperrt bleiben, Artie. Das ist nicht gesund.“

Artie stieß einen genervten Seufzer aus. „Ich kann nicht hier weg. Ich dachte, gerade du würdest das verstehen. Ich bin wie gelähmt, sobald ich mich dem Haupttor nähere. Es ist ja nicht, als wollte ich so sein. Ich kann einfach nicht anders.“

Nichts hatte geholfen. Keine Medizin. Keine Konsultation eines Psychologen. Keine Meditation. Nichts hatte sie von dem Fluch ihrer Phobie befreit. Irgendwann hatte Artie sich mit dem Gedanken abgefunden, ihr Leben in Isolation zu verbringen.

Rosa wiegte den Kopf, ihre dunklen Augen blickten ernst. „Du wirst keine andere Wahl haben, als das Castello zu verlassen, wenn es verkauft wird.“

Der Gedanke, ihr Zuhause verlassen zu müssen, ließ Arties Herz panisch schneller klopfen. Artie blickte auf das Kästchen mit dem Ring. „Luca Ferrantelli ist ein Playboy. Er wechselt seine Geliebten jede Woche. Was für einen Ehemann soll er bitte abgeben?“

„Das wirst du nie erfahren, wenn du ihn nicht heiratest, nicht wahr?“, sagte Rosa. „Überzeuge ihn davon, dich hier im Castello zu heiraten, dann musst du es gar nicht verlassen. Es ist sowieso nur eine Heirat auf dem Papier, also gibt es keine Flitterwochen. In einem halben Jahr gehört dir alles wieder. Und außerdem noch ein wunderschöner Ring. Problem gelöst.“

O nein! An Flitterwochen hatte sie noch gar nicht gedacht. Ihr Körper kribbelte bei dem Gedanken, wie Luca Ferrantellis Hände sie berührten …

Artie presste die Finger gegen ihre Schläfen, als Rosa das Zimmer verlassen hatte. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und sah sich um. Das schwarze Samtkästchen auf dem weißen Sofa symbolisierte die Entscheidung, die sie zu treffen hatte. Die Sofakissen zeigten noch immer die Abdrücke von Luca Ferrantellis athletischem Körper.

Diesen Mann kennenzulernen hatte ihr plötzlich ihre Weiblichkeit stark bewusst gemacht. Ihr Körper fühlte sich so lebendig an wie nie zuvor. Ihr Verstand mochte entschieden haben, dass Luca der unausstehlichste Mann war, den sie je getroffen hatte, doch ihr Körper sagte etwas anderes. Er reagierte auf eine Weise, die sie nie für möglich gehalten hatte.

Artie marschierte zurück zum Sofa und griff nach dem Schmuckkästchen. Sie würde es bis morgen in den Safe legen. Doch plötzlich ertappte sie sich dabei, wie sie den Deckel aufklappte. Der Ring funkelte, als wolle er sagen: „Steck mich an deinen Finger!“

Es war der schönste Ring, den sie je gesehen hatte. Er war ihr wahrscheinlich sowieso zu groß. Artie runzelte die Stirn. Was schadete es, ihn nur einmal anzuprobieren?

Zögernd nahm sie den Ring heraus und steckte ihn auf ihren linken Ringfinger. Eigenartigerweise passte er perfekt. Sie konnte gar nicht aufhören, ihn anzusehen. Die Diamanten und Saphire funkelten um die Wette.

„Mach es dir dort nicht allzu bequem“, sagte Artie zu dem Ring. „Ich werde dich nicht behalten.“

Der Ring glitzerte, als wolle er sagen: „Bist du dir da wirklich sicher?“

Artie nahm den Ring ab, legte ihn zurück ins Kästchen und ließ den Deckel zuschnappen. Sie hielt das Kästchen auf ihrer Handfläche und musterte es, als enthielte es ein tödliches Insekt. „Ich werde dich nicht noch einmal herausholen, verstanden?“ Sie ließ die Schachtel auf dem Kaffeetisch stehen und ging zu Rosa in die Küche.

Rosa schnitt gerade Gemüse und blickte jetzt hoch. „Hat der Ring gepasst?“

Artie schob die Lippen vor. „Wie kommst du darauf, dass ich ihn anprobiert habe?“

Rosa lächelte wissend. „Man bekommt nicht jeden Tag einen solchen Ring.“

Artie runzelte die Stirn. „Ich dachte, du wärst auf meiner Seite. Machst du dir denn gar keine Gedanken, in welche Lage Luca Ferrantelli mich bringt?“

„Ich mache mir Gedanken, ob du vielleicht alles verlierst, wenn du Luca Ferrantellis Vorschlag nicht akzeptierst“, erwiderte Rosa ernst. „Du könnest es auch schlechter treffen, als ausgerechnet ihn zu heiraten. Er sieht gut aus, ist reich und wird dich zweifelsohne verwöhnen, wenn man sich den Ring ansieht.“

„Was ist, wenn ich nicht verwöhnt werden will?“

Rosa nahm eine Zwiebel und hielt sie hoch. „Siehst du die hier? Männer wie Luca Ferrantelli sind wie diese Zwiebel. Du siehst nur das Äußere, die Fassade, die er der Welt zeigt. Wenn du die einzelnen Lagen abschälst, wirst du den Mann hinter seiner Maske sehen. Wer weiß, du könntest angenehm überrascht werden.“

„Und woher weiß ich, ob das Schälen der Zwiebel mir nicht Tränen in die Augen treibt?“

„Das ist ein Risiko, das wir alle eingehen, wenn wir jemandem nahekommen.“ Rosa schnitt die Zwiebel jetzt klein. „Und Gott weiß, du wirst niemals irgendjemandem nahekommen, wenn du weiter allein hier lebst. Die Sache mit der Vernunftehe ist letztlich ein Rettungsring und du wärst eine Närrin, würdest du ihn nicht ergreifen.“

Vielleicht hatte Rosa ja recht, denn wenn Artie nicht Luca Ferrantelli heiratete, musste sie das Castello verlassen. Für immer.

Das durfte sie nicht zulassen.

Egal zu welchem Preis.

Artie ging zurück in den Salon und nahm das Samtkästchen vom Couchtisch, um es in den Safe zu legen. Doch noch bevor sie recht darüber nachdachte, hatte sie es geöffnet und den Ring wieder anprobiert. Sie würde ihn einfach nur eine Weile tragen, nur so …

Später am Abend saß Artie an ihrer Stickarbeit, als sie plötzlich merkte, dass der Ring nicht mehr an ihrem Finger steckte. Sie sprang vom Sofa auf und suchte mit klopfendem Herzen zwischen den Kissen. Wo um Himmels willen war er? War er ihr irgendwo vom Finger gerutscht? O Gott, o Gott! Der Ring war ein Vermögen wert. Was sollte sie nur tun, wenn sie seinen verflixten Ring verloren hatte? Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, ihn ersetzen zu müssen.

Da kam Rosa herein und sah sie verwundert an. „Hm, ich weiß, die finanzielle Lage ist schlecht, aber sicher doch nicht so schlecht, dass du unter den Sofakissen nach verlorenem Kleingeld suchen musst?“

Die Augen voller Panik weit aufgerissen, wirbelte Artie zu ihr herum. „Ich kann den verflixten Ring nicht finden! Was soll ich nur tun?“

Rosa half ihr suchen. „Du musst einfach in Gedanken deine letzten Schritte wiederholen. Wo warst du in den letzten Stunden? Warst du im Garten?“

„Nein, nur im Haus.“

Artie leerte ihren Stickkorb aus – Nadeln, Fingerhüte, Faden, alles flog heraus. Die Unordnung auf dem Boden vor ihr glich jener in ihrem Kopf. Das reinste Chaos!

„Er muss doch hier irgendwo sein. O Gott, wie konnte ich ihn nur verlieren?“

Aufgebracht warf sie die Utensilien zurück in den Korb und stach sich dabei in den Finger.

„Autsch!“ Sie steckte den Finger in den Mund, saugte die Blutstropfen auf und sah Rosa wütend an. „Er hatte kein Recht, mir einen so teuren Ring zu geben. Jetzt muss ich ihn ja heiraten.“

Aber willst du das nicht in deinem tiefsten Innern? Durch die Heirat mit Luca Ferrantelli könntest du vielleicht dein Leben wieder unter Kontrolle bekommen. Dazu kannst du noch deine Schulden loswerden und neue Freiheiten gewinnen. Nicht zu vergessen einen verflixt gut aussehenden Ehemann, wenigstens auf dem Papier …

Rosa bückte sich und suchte noch einmal sorgfältig im Korb. „Ah, hier ist er ja!“ Sie reichte Artie den Ring. „Du solltest ihn auf dem Finger lassen, bis du ihn Signor Ferrantelli zurückgibst.“

Zurückgibst? Und damit die Chance verlieren, mein Leben in den Griff zu bekommen?

Artie steckte den Ring auf den Finger und endlich entwirrten sich ihre Gedanken. „Ich werde ihn nicht zurückgeben. Du hast wahrscheinlich recht. Das ist vielleicht meine einzige Chance, mein Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich werde das zu meinem Vorteil nutzen. Es ist schließlich nur für sechs Monate. Also, was habe ich schon zu verlieren?“

Am folgenden Tag konnte sich Luca Ferrantelli nicht erinnern, sich je mehr auf ein Wiedersehen gefreut zu haben. Etwas an Artemisia Bellante faszinierte ihn, wie er es nie zuvor bei einem Menschen erlebt hatte. Es war ihm während ihres kurzen Gesprächs extrem schwergefallen, den Blick von ihr zu wenden! Sie war schlank, aber mit Kurven an all den richtigen Stellen. Und ihre braunen Augen hatten so bezaubernd gefunkelt, als er sie eingehend betrachtete – das lockige dunkelbraune Haar, die reizende Stupsnase, das trotzige Kinn und den kirschroten Mund.

Bei ihren verschiedenen Telefonaten und in den E-Mails hatte Franco Bellante ihm erklärt, dass Artemisia Männern gegenüber sehr schüchtern war. Doch Luca hatte nicht allzu viel Schüchternheit bemerkt. Stattdessen hatte er Schlagfertigkeit, Intelligenz und eine unterschwellige und unglaublich attraktive Sinnlichkeit vorgefunden. Er hatte ihre versteckten Blicke auf seinen Mund bemerkt und die Spannung in der Luft wahrgenommen, wenn ihre Blicke sich trafen.

Doch Luca wusste, seine Impulse zu kontrollieren. Er hatte es auf die harte Weise lernen müssen. Artemisia Bellante mochte die verführerischste junge Frau sein, die er seit Langem kennengelernt hatte, doch ein Deal war ein Deal. Ihre nur auf dem Papier existierende Ehe würde sechs Monate dauern und nicht länger. Die Ärzte seines Großvaters hatten ihm nicht mehr als noch ein Jahr Lebenszeit prophezeit, wenn er nicht bald mit der Behandlung begann. Die Uhr tickte, und Luca war entschlossen, ihm so rasch wie möglich die perfekte Braut zu präsentieren.

Die Haushälterin führte ihn in den Salon, wo Artemisia ihn wie gestern erwartete. Sie stand am Fenster, die Hände hinter dem Rücken. Auch in Freizeitkleidung – blaue Jeans und eine weiße Bluse mit einem kunstvoll um den Hals geschlungenen Tuch – sah sie elegant und fast hoheitsvoll aus. Die Jeans betonten die Kurven ihrer Hüften und die weiße Bluse unterstrich die leicht gebräunte Haut. Ihr Kinn war stolz gehoben, ihre dunkelbraunen Augen funkelten mit deutlichem Missfallen.

Heftiges Verlangen machte sich unvermittelt bei ihm bemerkbar. Ihre Abneigung ihm gegenüber reizte ihn mehr, als er gedacht hatte. In letzter Zeit war das Dating für ihn ein wenig zu einfach geworden – ein wenig zu langweilig und vorhersehbar. Aber nichts an Artemisia Bellante war langweilig oder vorhersehbar.

Luca deutete eine elegante Verbeugung an. „Buongiorno, Artemisia. Haben Sie eine Entscheidung getroffen?“

Ihr tiefes Einatmen war wie das Zischen einer in die Ecke gedrängten Katze. „Das habe ich.“

„Und?“ Luca bemerkte erst, als seine Lunge zu brennen begann, dass er den Atem angehalten hatte. Er wollte diese Frau als seine Braut. Niemand sonst war so gut geeignet.

Sie erwiderte seinen Blick mit eisigem Gesichtsausdruck, vorgeschobenem Kinn und leicht gerötetem Gesicht. „Ich werde Sie heiraten.“

Die Erleichterung, die ihn durchfuhr, kam unerwartet. Mit einem Nein war schließlich kaum zu rechnen gewesen! „Gut. Ich freue mich über Ihre Einsicht.“

Sie hob die Augenbrauen. „Allerdings habe ich auch ein paar Bedingungen.“

Luca war niemand, der sich von anderen Leuten Bedingungen diktieren ließ, doch bei Franco Bellantes bezaubernder Tochter würde er eine Ausnahme machen. Sie ging ihm auf eine Art unter die Haut, wie er es nie vorher erlebt hatte. „Ich höre.“

Artemisia löste die verschränkten Arme und fuhr mit den Händen über ihre schlanken Oberschenkel. Sie trug heute hellbraune Stiefeletten aus Wildleder, durch die sie etwas größer wirkte. Dennoch reichte sie ihm noch nicht einmal bis zur Schulter. Aber das war nicht das Einzige, was ihm auffiel – der Ring seiner Großmutter funkelte stolz, beinahe trotzig, an ihrer linken Hand. Er sah gut an Artemisias Hand aus, als wäre der Ring genau für sie gemacht worden. In Lucas Hinterkopf läuteten jetzt leise Alarmglocken. Er musste wirklich aufpassen, um seine Gefühle aus diesem Arrangement herauszuhalten. Wieso sollte er auch emotional werden, nur weil er den Ring seiner Großmutter an Arties Hand sah! Es war nichts Sentimentales an seiner Wahl des Verlobungsrings. Er hatte den Ring gewählt, weil er wusste, das würde seiner Beziehung in den Augen seines Großvaters zusätzliche Authentizität verleihen.

Es war sein Großvater, der sentimental war. Nicht er.

„Möchten Sie Platz nehmen?“ Arties Ton war kühle Höflichkeit.

Luca machte eine einladende Handbewegung. „Ladies first.“

Artie holte tief Luft und setzte sich aufs Sofa, schlug die Beine übereinander und legte die Hände um die Knie. „Also, ich habe beschlossen, Ihr Angebot anzunehmen, unter der Voraussetzung, dass wir hier im Castello heiraten. Eine Hochzeit im kleinen Rahmen.“

Es verblüffte ihn, dass sie eine Hochzeit im Stillen verlangte. Wollten nicht die meisten jungen Frauen an diesem Tag eine Prinzessin sein? „Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie hier heiraten möchten?“

Sie sah ihn nicht direkt an, sondern eher über seine Schulter hinweg. „Die Beerdigung meines Vaters wurde hier abgehalten, wie auch die meiner Mutter. Hier sind viele meiner Vorfahren begraben.“

„Verstehe, aber eine Beerdigung unterscheidet sich doch ein wenig von einer Hochzeit, oder nicht?“

Jetzt sah sie ihn direkt an. „Nicht aus meiner Sicht. Hier handelt es sich nicht um eine echte Hochzeit. Es wäre mir sehr unangenehm, eine Kirche zu entweihen, indem wir etwas schwören, was keiner von uns beiden vorhat zu halten. Es wäre sehr respektlos. Darüber hinaus möchte ich keine große, aufsehenerregende Feier mit Menschen, die ich nicht kenne, und mit denen mich nichts verbindet.“

Luca war es egal, wo sie heirateten, solange sie überhaupt heirateten. Er hoffte nur, Nonno ginge es gut genug, um von seinem Zuhause in der Toskana hierher zu reisen, doch da Umbrien gleich der nächste Bezirk war, wäre es keine lange Reise – nur etwa zwei Stunden Fahrt.

„In Ordnung. Wir werden hier heiraten. Überlassen Sie mir die Arrangements. Ich habe bereits alle nötigen Papiere beantragt, also müssen wir nicht die sechs Wochen warten, die normalerweise nötig sind. Ihr Vater hat mir eine Kopie Ihrer Geburtsurkunde und Ihres Passes geschickt, bevor er starb. Ich nahm mir die Freiheit, das Nötige zu veranlassen.“

Arties Augen wurden groß. „Sie waren derart sicher, ich würde akzeptieren? Aber Sie haben mich bis gestern noch nicht einmal in natura gesehen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ihr Vater zeigte mir ein Foto und hat viel von Ihnen erzählt. Ich war überzeugt, dass Sie geeignet wären.“

Sie sprang auf und entfernte sich ein paar Schritte. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Mann in Ihrer Position auf eine Braut aus dem Katalog angewiesen wäre.“ Wut schwang in jedem Wort mit. „Was, wenn ich Nein gesagt hätte?“

Luca lächelte sie gelassen an. „Ich hätte gewiss eine Möglichkeit gefunden, Sie zu überzeugen.“

Sie sah ihn aus funkelnden Augen an. „Ich kann nicht glauben, dass mein Vater Sie auf dieser albernen Mission, eine Frau zu finden, unterstützt hat. Wann haben Sie sich mit ihm getroffen? Ich habe Sie vor gestern nie hier gesehen, und ich bin meinem Vater kaum von der Seite gewichen.“

„Ich habe Ihren Vater Ende letzten Jahres im Krankenhaus besucht, als er wegen einer Lungenentzündung dort behandelt wurde. Er hat so viel über Sie gesprochen, dass ich es faszinierend fand. Zu meiner Enttäuschung habe ich Sie nie bei einem meiner Besuche gesehen, aber er erklärte, dass Sie seit dem Unfall Krankenhäuser mieden. Nach seiner Entlassung haben wir mehrmals gemailt und telefoniert.“

Sie biss sich auf die Unterlippe und sah zur Seite. „Hat er sonst noch etwas von mir erzählt?“

„Nur, dass Sie eher scheu sind und kein Partygirl.“

Sie lachte humorlos auf. „Tja, nun, das kann man sicher so sagen.“

Luca erhob sich vom Sofa und ging zu einer Reihe von gerahmten Fotos auf einem Sideboard. Er nahm ein Foto, das Artie als Kind auf dem Schoß ihrer Mutter zeigte. „Ihre Mutter war sehr schön. Sie kam aus England, nicht wahr?“

„Ja …“ Ihre Stimme klang ein wenig atemlos.

Luca stellte das Foto zurück auf das Sideboard und drehte sich wieder zu Artie. „Es ist schwer, als Teenager ein Elternteil zu verlieren.“ Noch schwerer, wenn man selbst schuld war am Tod eines Elternteils. Und am Tod des einzigen Bruders. Diese Schuld verließ Luca nie. Sie verfolgte und quälte ihn, hielt ihn oft des Nachts lange wach.

Sie sah ihn an. „Sie haben ebenfalls früh Familie verloren, nicht wahr? Ihren Vater und Ihren älteren Bruder?“

Luca wusste, es gab immer noch Berichte über den Tod seines Vaters und seines Bruders im Internet. Damals war das aufgrund der Bekanntheit seines Vaters eine Topstory gewesen, die viel Aufsehen erregt hatte.

Er konnte die Überschriften noch heute vor seinem geistigen Auge sehen: Immobilienentwickler mit Sohn und Erben vermisst in schwerer Brandung in Argentinien.

Über Luca war zum Glück nichts berichtet worden! Er hatte erst Jahre danach herausgefunden, dass sein Großvater einige Fäden gezogen hatte, um ihn zu beschützen.

„Ja, als ich dreizehn war.“ Er ließ keinerlei Emotionen in dieser Aussage zu – genauso gut hätte er über die Börsendaten sprechen können, statt über den schlimmsten Tag seines Lebens.

„Das tut mir leid“, sagte Artie und fragte dann: „Lebt Ihre Mutter denn noch?“

„Ja. Sie wohnt jetzt in New York.“

„Hat sie wieder geheiratet?“

„Nein.“

Es herrschte kurzes Schweigen.

Luca hätte jetzt viel dazu sagen können, weshalb seine Mutter nicht mehr in Italien lebte. Ihre nicht enden wollende Trauer, ihre angestrengte Beziehung zueinander, die durch nichts, was er sagte oder tat, verbessert werden konnte. Er hatte an jenem Tag nicht nur seinen Vater und seinen Bruder verloren – er hatte seine ganze Familie verloren, wie er sie bis dahin gekannt hatte. Selbst seine Großeltern, so liebevoll sie auch ihm gegenüber waren, hatten sich durch ihre tiefe Trauer stark verändert …

„Und was hat nun Ihre Meinung hinsichtlich der Heirat geändert?“ Luca wollte lieber bei dem Thema ihrer bevorstehenden Heirat bleiben. „Lassen Sie mich raten. War es der Verlobungsring?“

Sie schluckte und wurde rot. „Auf gewisse Weise, ja.“

„Er sieht gut an Ihnen aus. Aber ich hoffe, es stört Sie nicht, dass er aus zweiter Hand ist. Er gehörte meiner Großmutter. Sie hat ihn mir in ihrem Testament hinterlassen.“

Artie bekam große Augen. „Ihre Großmutter? O mein Gott. Bloß gut, dass ich …“ Sie biss sich auf die Lippen und die Rötung ihrer Wangen vertiefte sich.

„Bloß gut, was …?“, fragte Luca sofort nach, aufgrund ihrer ausweichenden Antwort noch stärker interessiert.

Sie schluckte noch einmal und sah zu Boden. „Ich … ich hatte ihn kurz einmal verlegt. Aber es ist Ihre Schuld, wenn Sie mir einen so unglaublich wertvollen Ring geben. Ein unbezahlbares Erbstück! Um Himmels willen, was haben Sie sich nur gedacht? Natürlich werde ich Ihnen den Ring zurückgeben, wenn die sechs Monate vorbei sind.“

„Ich möchte den Ring nicht zurück. Er ist ein Geschenk.“

Daraufhin sah sie ihn entsetzt an. „Ich kann ihn unmöglich behalten. Er ist ein kleines Vermögen wert, nicht zu vergessen den sentimentalen Wert.“

Luca zuckte mit den Schultern. „Es ist mir ganz egal, was Sie damit tun, wenn unsere Ehe vorbei ist. Es ist nur ein Ring. Ich werde keine weitere Verwendung dafür haben. Er bedeutet mir nichts.“

Ihr Mund wurde schmal. „Gibt es denn irgendetwas, was Ihnen etwas bedeutet, außer viel Geld zu verdienen?“

Luca lächelte zynisch. „Es ist nicht strafbar, erfolgreich im Beruf zu sein. Geld öffnet viele Türen.“

„Allerdings schließt es auch andere. Woher wollen Sie wissen, ob jemand Sie wegen Ihres Charakters mag oder nur wegen Ihres Geldes?“

„Ich verfüge über ziemlich gute Menschenkenntnis. Schmarotzer habe ich ziemlich schnell aussortiert.“

Arties Augen funkelten herausfordernd. „Wie schön für Sie!“

3. KAPITEL

Artie hätte es niemals zugegeben, doch sie begann, den Schlagabtausch mit Luca Ferrantelli zu genießen. Der Mann war intelligent und schlagfertig und außerdem auch noch charmant.

Die nur zögernde Erwähnung seines Vaters und Bruders hatte ihr Interesse geweckt. Sein Gesichtsausdruck hatte nicht viel verraten, sein kühler Ton noch weniger. Dennoch spürte sie, dass dem ein tiefer Schmerz zugrunde lag.

Vielleicht hatte Rosa recht! Luca Ferrantellis Persönlichkeit schien ziemlich komplex zu sein! Möglicherweise lohnte es sich, zu den tieferen Schichten vorzudringen …

Artie kannte sich mit seelischen Schmerzen sehr gut aus. Wenn sie an ihre Mutter, den Unfall und seine Nachwirkungen dachte, fiel sie in eine tiefe Spirale der Verzweiflung. Die Schuld war ihr ständiger Begleiter. War es nicht auch ihre Schuld, dass ihr Vater seine Finanzen nicht mehr im Griff gehabt hatte? Er war seit dem Unfall nicht mehr der Gleiche gewesen. Also war es nur fair, dass sie Luca Ferrantelli heiratete und dadurch das Erbe ihrer Familie sicherte.

„Wir müssen die Flitterwochen besprechen.“ Lucas Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. „Haben Sie einen bestimmten Wunsch?“

Flitterwochen?

Artie bekam große Augen und fuhr sich mit der Hand an die Kehle, die sich mit einem Mal unglaublich eng anfühlte. „Flitterwochen? Wieso das denn? Es ist lediglich eine Ehe auf dem Papier.“

Er hob eine Augenbraue bei ihrem gestotterten Protest, ein spöttisches Funkeln im Blick. „Ich bin mit einer Hochzeit im kleinen Rahmen hier im Castello einverstanden, doch ich bestehe auf Flitterwochen. Es wird unserer Ehe mehr Glaubwürdigkeit verleihen, wenn man sieht, dass wir zusammen verreisen.“

Gesehen werden? In der Öffentlichkeit? Sich in den Verkehr stürzen, in Lärm und geschäftige Menschenmassen? Artie machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Sie bekam kaum noch Luft. „Nein. Das geht nicht. Ich will nicht weg. Das muss nicht sein. Es ist keine echte Ehe, und es ist falsch, wenn Sie darauf bestehen.“

Atmen. Atmen. Atmen.

Luca runzelte die Stirn. „Haben Sie Angst, dass ich Ihnen zu nahe trete? Bitte seien Sie versichert, dass das nicht passieren wird. Ich habe Ihnen mein Wort gegeben.“

„Ich fahre nirgendwo mit Ihnen hin“, sagte Artie. „Wie können Sie das nur denken? Ich mag Sie ja nicht einmal.“

Sein Blick fiel auf ihren Mund, dann sah er ihr wieder in die Augen. „Artemisia, wir müssen zusammen in der Öffentlichkeit gesehen werden. Wenn wir uns nicht als normales Paar präsentieren, wird das Ganze nicht funktionieren. Wir müssen die meiste, wenn nicht die ganze Zeit zusammenleben.“

Ihr drehte sich der Magen um. „Zusammenleben?“

„Natürlich. Ist es nicht das, was Ehepartner tun?“

Artie schluckte. Ihre Haut kribbelte, ihre Beine zitterten, ihre Gedanken rasten. Mit Luca Ferrantelli zusammenleben? Was würde das beinhalten? Sie konnte ja nicht einmal ihr eigenes Haus verlassen. Wie um Himmels willen sollte sie bei ihm einziehen? Sollte sie ihm von ihrer Phobie erzählen? Würde er es verstehen? Nein. Unwahrscheinlich. Die wenigsten Leute verstanden das.

Nervös spielte sie mit dem Ärmel ihrer Bluse, um ihre Hände zu beschäftigen. „Es tut mir leid, aber könnten Sie nicht hier bei mir einziehen? Ich meine, das Schloss ist riesig. Sie hätten Ihre eigenen Gemächer und wir würden uns kaum sehen und niemand müsste wissen, dass wir nicht …“

„Nein.“ Sein Ton war absolut unnachgiebig.

Artie drehte sich weg und versuchte, gleichmäßig und ruhig zu atmen. Ihr war schwindlig und übel. Sie würde gleich ohnmächtig werden … Nein, das würde sie nicht! Sie würde dagegen ankämpfen. Gegen diesen Mann kämpfen. Sie holte tief Luft und drehte sich wieder zu ihm um. „Ich werde nicht für Sie mein Zuhause verlassen. Diese Heirat auf dem Papier soll für beide Seiten funktionieren. Im Augenblick kann ich einfach nicht umziehen. Ich habe gerade erst meinen Vater begraben. Ich brauche mehr Zeit, um … um im Stillen zu trauern.“ Das war zum Teil durchaus richtig.

Luca musterte sie einen langen Augenblick, sein Ausdruck verriet nichts. Artie versuchte, sich nicht von seinem Blick verunsichern zu lassen. „Also gut“, gab er schließlich nach. „Wir verschieben die Flitterwochen.“

Erleichterung durchfuhr sie und sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, wobei ihre Hand nicht ganz so ruhig war, wie sie sich gewünscht hätte. „Danke.“

Luca kam jetzt auf sie zu und sah sie nachdenklich an. „Mir ist klar geworden, dass die finanzielle Lage Ihres Vaters für Sie ein Schock war. Und ich merke, dass Sie meinen Plänen, die letztlich nur zu Ihren Gunsten sind, abwehrend gegenüberstehen. Doch ich möchte, dass mein Großvater sieht, dass wir verheiratet sind und als Paar zusammenleben.“

„Warum ist das denn so wichtig für Sie?“

„Er hat Krebs, will aber keine Chemo.“

„Oh, das tut mir leid.“

Luca fuhr sich mir der Hand übers Gesicht. „Wenn er nicht bald in eine Chemo einwilligt, heißt das, dass er innerhalb eines Jahres stirbt. Sein Traum war es immer zu sehen, wie ich mit einer netten jungen Frau zur Ruhe komme. Ich möchte ihm einen Grund geben, weiterzuleben! Er soll miterleben, dass ich eine passende Braut gefunden habe.“

Eine passende Braut.

Wenn Luca Ferrantelli wüsste, wie unpassend sie in Wirklichkeit war! „Wird es Ihrem Großvater überhaupt gut genug gehen, um für die Hochzeit hierherzukommen?“

„Das hoffe ich.“

Artie biss sich auf die Lippen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen dabei, ihre Menschenscheu vor Luca zu verheimlichen, aber sie konnte nicht riskieren, ihr Zuhause zu verlieren, wenn er seinen Heiratsantrag zurückzog. Sie kannte ihn nicht gut genug, um seine Reaktion auf die ganze Wahrheit einzuschätzen. „Aber Sie kennen mich ja nur aus den Erzählungen meines Vaters. Ich könnte die schlimmste Person auf der ganzen Welt sein.“

Ein herbes Lächeln umspielte seinen Mund und seine Augen wurden dunkler. „Mir gefällt, was ich bis jetzt gesehen habe.“

Artie merkte, wie ihre Wangen sich röteten. Sie spürte ein merkwürdiges Kribbeln in ihren Brüsten und ein eigenartiges Pochen zwischen ihren Schenkeln. Sein Blick wanderte zu ihrem Mund, und sie konnte nicht anders, als ihre Lippen mit der Zungenspitze zu benetzen. Sein Blick folgte der Bewegung und mit einem Mal wurde ihr durch und durch heiß. Welche unsichtbare Chemie hatte sich da in ihrem Körper von selbst in Gang gesetzt? Welche Macht hatte Luca Ferrantelli über sie? Sie war sich niemals eines anderen Menschen, niemals ihres eigenen Körpers so bewusst gewesen.

Plötzlich stand Luca Ferrantelli nahe genug, dass sie die Zitronennote in seinem Aftershave riechen konnte. Hatte er sich bewegt oder sie selbst?

Luca hob die Hand zu ihrem Gesicht und fuhr mit dem Zeigefinger ihre Wangenkontur nach.

„Sie sind in Wirklichkeit noch viel schöner als auf dem Foto, das Ihr Vater mir geschickt hat, Artemisia.“ Lucas Ton war eine Mischung zwischen rau und weich. Seidenweich und doch hart. Versuchung und Gefahr.

Artie konnte den Blick nicht von seinem Mund lösen, angezogen von einer Macht, die so alt war wie die Welt. Das Aufeinandertreffen von männlichem und weiblichem Begehren. Lust und Versuchung. „Ich werde eigentlich nicht Artemisia gerufen“, flüsterte sie. „Die meisten Leute nennen mich Artie.“

Ach, um Himmels willen. Konntest du dir nicht etwas einfallen lassen, was etwas weltgewandter klingt?

Luca lächelte schief, und Artie wurde plötzlich ganz warm ums Herz. „Artie. Das ist süß. Gefällt mir. Artemisia, Königin von Halikarnassos. Sie war, wie es heißt, sehr tapfer in der Schlacht.“

Genau, tapfer. Was ich nicht bin.

„Meine Mutter hat den Namen ausgewählt. Sie liebte griechische Geschichte.“

Sein Blick war plötzlich schwer zu deuten, als er wieder auf ihren Mund blickte. „Es wird Momente geben, wenn man von uns erwartet, dass wir Zuneigung zeigen. Kommen Sie damit klar?“

„Welche … welche Art von Zuneigung?“

„Küsse. Händchenhalten. Dass wir uns berühren. Und wir müssen uns natürlich auch duzen.“

Auf einmal machte sich in Artie Sehnsucht breit. Sie konnte nicht aufhören, daran zu denken, an welchen Stellen er sie vielleicht berühren würde – Stellen, die bereits erwartungsvoll kribbelten. Wie würde sie damit umgehen? Niemand hatte sie bisher geküsst. Der Wunsch, von ihm berührt zu werden, war beinahe überwältigend. Ihr Körper verlangte danach wie nach einer lebensnotwendigen Droge.

„Okay.“

Okay? Hast du den Verstand verloren?

Artie hatte tatsächlich den Verstand verloren – vor Begehren. Noch nie hatte sie so völlig die Kontrolle über ihren Körper verloren. Sie reagierte auf diesen Mann auf eine Weise, die sie nicht erwartet hatte.

Luca sah sie weiter intensiv an. „Wenn du nicht möchtest, dass ich dich küsse, musst du es mir sagen, denn im Augenblick fällt mir nichts ein, was ich lieber täte.“ Seine Stimme wurde zu einem tiefen Bass.

„Wie kommen Sie darauf, dass ich jetzt von Ihnen geküsst werden möchte? Was wäre der Sinn? Es ist niemand hier außer uns.“ Artie war stolz auf ihren ruhigen Ton, während ihr Körper innerlich glühte.

Luca fuhr mit dem Daumen leicht über ihre Unterlippe. „Durch die Art, wie du mich ansiehst.“

„Wie sehe ich Sie denn an?“

Du liebe Güte. War das ihre Stimme gewesen? Sie musste unbedingt etwas dagegen tun. Nicht mehr diesen flüsternden, heiseren Unsinn von sich geben. Sie musste nüchtern und sachlich sein. Sie räusperte sich. „Das müssen Sie sich einbilden.“

Er umfasste eine Seite ihres Gesichts, die leichte Rauheit seiner Handfläche ließ erneut Begehren in ihr aufsteigen. „Vielleicht. Aber vergiss nicht, wir müssen uns duzen.“ Er lächelte sie kurz an und ließ dann seine Hand fallen. „Also, die Hochzeit. Wie klingt kommendes Wochenende?“

Artie sog überrascht die Luft ein. „Dieses Wochenende? Weshalb die Eile?“

„Ich bin kein Fan einer langen Verlobungszeit.“

„Lustig. Aber wie soll ich rechtzeitig ein passendes Kleid finden? Oder erwartest du von mir, nackt zu kommen?“

O nein! Wieso hast du das nun gesagt?

Ein Funkeln zeigte sich in seinen Augen. „Na, wenn das mal nicht eine gute Idee ist.“

Artie schob die Lippen vor und hoffte, ihre Wangen waren nicht so knallrot, wie sie sich anfühlten. „Ich bin ganz sicher, dass ich mich nie, niemals vor dir nackt zeigen werde.“

Er legte wieder seine Hand auf ihre brennende Wange, ein Lächeln in den Augen. „Hast du dich denn jemals vor jemand anderem nackt gezeigt?“

Artie machte einen Schritt zurück. Sie musste einfach Distanz halten. Es war gefährlich, so nahe bei ihm zu stehen, da sie so gar nicht gegen seine sinnliche Ausstrahlung immun war.

„Ich werde ganz gewiss nicht mein Intimleben mit dir diskutieren. Das geht dich überhaupt nichts an.“

„Wir müssen aber ein paar Dinge übereinander wissen, andernfalls wird man unsere Heirat nicht als echt akzeptieren.“

Artie runzelte die Stirn. „Was? Willst du etwa so tun, als wärst du in mich verliebt oder so etwas? Wer soll das glauben? Wir sind die totalen Gegensätze.“

„Hm, aber heißt es nicht, Gegensätze ziehen sich an?“ Sein Lächeln machte sie nervös.

Artie presste die Lippen aufeinander und bemühte sich um einen eisigen Blick. „Dies mag für dich eine Überraschung sein, da du so unglaublich eingebildet bist, aber ich fühle mich nicht von dir angezogen.“

Er lachte leise auf. „Dann musst du wohl ein wenig Schauspielkunst aufbringen, um meinen Großvater von etwas anderem zu überzeugen. Denkst du, das schaffst du, cara mia?“

Der Kosename brachte Artie ganz schön aus der Fassung! Sie hob das Kinn. „Und was ist mit dir? Glaubst du als zynischer Playboy denn, du könntest dich wie ein Mann verhalten, der leidenschaftlich in seine Braut verliebt ist?“

Luca schenkte Artie einen so leidenschaftlichen Blick, dass ihr Herz vor Erregung ganz schnell zu pochen begann. „Das wird mit Sicherheit der einfachste Teil meines Plans!“

4. KAPITEL

Artie stand in ihrem Schlafzimmer vor dem Spiegel und überprüfte ihr Aussehen. Sie hatte sich gegen das Hochzeitskleid ihrer Mutter entschieden und stattdessen ein cremefarbenes Ballkleid ihrer Mutter gewählt. Es hatte einen klassischen Schnitt mit einem Unterrock aus Tüll, der ihre schlanke Taille unterstrich, und ein eng sitzendes Mieder, das ihre Brüste betonte, ohne zu viel von ihrem Dekolleté zu zeigen. Es war ihr falsch vorgekommen, das schöne Hochzeitskleid ihrer Mutter zu dieser Scharade einer Heirat zu tragen. Ihre Eltern hatten aus Liebe geheiratet und waren glücklich zusammen gewesen. Bis Artie mit fünfzehn darauf bestanden hatte, gegen ihren Wunsch zu einer Geburtstagsparty zu gehen …

Sie biss sich unwillkürlich auf die Lippen, bis es schmerzte. Warum nur hatte sie damals unbedingt auf diese blöde Party gehen wollen? Wo waren diese angeblichen Freundinnen und Freunde von ihr jetzt? Niemand von ihnen war damals zur Beerdigung ihrer Mutter gekommen, als Artie neben dem Rollstuhl ihres Vaters gestanden hatte, während ihre Mutter ins Familiengrab gesenkt wurde. Wie konnte eine einzige Entscheidung so viele furchtbare Konsequenzen nach sich ziehen?

Artie zupfte nervös an ihrem Kleid. Heute war ihr Hochzeitstag. Der Tag, an dem sie Luca Ferrantelli heiratete, um das Heim ihrer Familie zu retten. War dies eine weitere Entscheidung, die sie später bereuen würde? Sie blickte auf den Verlobungsring an ihrer Hand. Je länger sie ihn trug, desto mehr liebte sie ihn. Sie fühlte sich eigenartig verbunden mit Lucas Großmutter, indem sie ihren Ring trug. Doch würde sich die alte Dame nicht im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass Artie in eine Verbindung mit ihrem Enkel einwilligte, ohne ihn zu lieben?

Rosa kam mit einem Blumenstrauß aus dem Garten herein. „Du siehst wunderschön aus, Artie.“ Sie reichte ihr den schlichten, aber herrlich duftenden Strauß. „Trägst du gar keinen Schleier?“

Artie schnupperte an den Blumen. „Das ist doch gar keine echte Hochzeit.“

Rosa runzelte die Stirn. „Dennoch ist es eine legale Hochzeit. Also kannst du auch wie eine richtige Braut aussehen und dafür sorgen, dass dein gut aussehender Bräutigam dich bewundert.“ Entschlossen marschierte sie zu dem großen Schrank und zog die lange Schachtel heraus, in der das Hochzeitskleid von Arties Mutter samt Schleier verstaut war. Sie stellte sie aufs Bett, nahm den Deckel ab und holte den hübschen handbestickten Schleier heraus, der sowohl von Arties Mutter als auch von ihrer Großmutter getragen worden war. Rosa schüttelte den Schleier aus und brachte ihn dann hinüber zu Artie. „Na komm. Tu es mir zuliebe.“

Artie verdrehte die Augen, gab aber nach und ließ sich von Rosa den Schleier mit Haarnadeln auf dem Kopf feststecken.

Danach betrachtete sie sich erneut im Spiegel. Nun sah sie tatsächlich wie eine richtige Braut aus. Sie blickte zu Rosa. „Bitte sag mir, dass ich nicht den größten Fehler meines Lebens begehe. Meinen zweitgrößten, meine ich.“

Rosa fasste Arties Hände, in ihren Augen standen Tränen. „Du hast bereits so viel verloren. Du kannst das Castello nicht auch noch verlieren. Manchmal müssen wir einfach tun, was wir tun müssen.“ Sie ließ Arties Hände los, wischte sich über die Augen und lächelte wehmütig. „Hochzeiten machen mich immer sentimental. Nur gut, dass ich selbst nie geheiratet habe.“

„Hättest du das denn gern?“ Artie war selbst überrascht, dass sie das vorher nie gefragt hatte. Rosa war jetzt um die sechzig und seit Artie sich erinnern konnte ein Teil des Haushalts gewesen. Sie hatten sich über die Jahre hinweg viele Dinge erzählt, aber darüber hatten die beiden Frauen noch nie gesprochen.

Rosa beschäftigte sich übertrieben damit, Arties Kleid zurechtzuzupfen. „Vor langer Zeit hatte ich mich einmal verliebt. Doch es funktionierte nicht.“

„Was ist geschehen?“

Rosa lächelte angestrengt. „Er hat jemand anders geheiratet. Leider habe ich nie mehr jemanden getroffen, der es mit ihm aufnehmen konnte.“

„Oh, das ist so traurig.“

Rosa lachte, doch es klang hohl. „Ich habe mir selbst viel Herzschmerz erspart. Anscheinend wurde er seit damals bereits dreimal geschieden.“ Sie seufzte. „Deine Eltern hatten Glück, einander gefunden zu haben.“

Und was war, wenn man jemanden auf Zeit heiratete, den man erst vor wenigen Tagen kennengelernt hatte? Einen Mann, der so unglaublich attraktiv war, dass sein Anblick einem den Atem raubte?

Luca stand in der Schlosskapelle und wartete auf Artie. Sein Großvater hatte sich für die Reise nicht wohl genug gefühlt, doch Luca hatte vor, seine neue Braut zu ihm zu bringen, sobald ihre Ehe offiziell war.

Artie war wirklich eine Herausforderung. Dass sie seinem Charme widerstand, verstärkte sein Interesse noch, denn er spürte Arties Interesse an ihm und merkte, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte. Doch auf tiefere Gefühle durfte er sich auf keinen Fall einlassen! Das war viel zu gefährlich! Und viel zu schmerzhaft …

Er spürte einen Luftzug und drehte sich um. Artie stand am Eingang. Luca unterdrückte mit Mühe einen überraschten Ausruf und verschlang sie mit den Augen. Das Sonnenlicht fiel durch die Tür und umrahmte ihre schlanke Gestalt, ließ sie aussehen wie einen Engel. Als sie mit dem kleinen Blumenstrauß auf ihn zuschritt, musste er sich zwingen, nicht die Luft anzuhalten. Je näher sie kam, desto mehr klopfte sein Herz. Und ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihm breit. Wärme, die sein erstarrtes kaltes Inneres erweichte.

Er rügte sich insgeheim. Keine Gefühle! Das hier war eine geschäftliche Vereinbarung, sonst nichts. Egal, ob seine Zukünftige aussah wie ein Engel. Egal, ob sein Körper sich nach ihrer Berührung sehnte. Hier ging es nicht um ihn, es ging um seinen Großvater!

Artie stand nun neben ihm, ihr Gesicht unter dem Schleier war ernst und gefasst. Die Haut war makellos, die dunkelbraunen Augen und dichten schwarzen Wimpern wurden vom Make-up betont. Ihre Lippen glänzten mit einem Hauch Lipgloss, und am liebsten hätte er sie sofort geküsst, um zu sehen, ob sie so herrlich schmeckten, wie sie aussahen.

„Du siehst atemberaubend aus“, sagte Luca und nahm ihre Hände. Als er ihre schmalen Finger in seiner Hand spürte, durchzuckte ihn plötzlich ein so leidenschaftliches Begehren, dass es ihn beinahe aus der Fassung gebracht hätte.

„Ich … ich bin ziemlich nervös.“ Arties Stimme zitterte und sie biss sich auf die Unterlippe.

Luca drückte sanft ihre Hand. „Das musst du nicht sein.“ Seine Stimme war tief und rau. Er drückte noch einmal ihre Hand und lächelte. „Ziehen wir es durch.“

„Ich, Artemisia Elisabetta nehme dich, Luca Benedetto, zu meinem rechtmäßigen Ehemann …“ Artie sprach die Worte des Priesters mit einem leichten Zittern in der Stimme nach. „Ich verspreche, dir die Treue zu halten in guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit.“

Sie war nicht besonders religiös, doch vor einem Priester Worte auszusprechen, die sie gar nicht meinte – dabei fragte sie sich unwillkürlich, ob sie vielleicht gleich vom Blitz getroffen würde. Bislang hatte sie nur eine Art elektrischen Schlag bekommen, als Luca zum ersten Mal ihre Hand genommen hatte …

Plötzlich war sie sich seiner Anwesenheit nur allzu bewusst. In seinem blauen Anzug sah er aus, als sei er gerade einer Werbeanzeige für Designerkleidung entsprungen.

Luca nahm ihre Hand und steckte den Ehering an ihren Finger, während er seinen Schwur sagte. „Ich, Luca Benedetto, nehme dich, Artemisia Elisabetta, zu meiner Frau. Ich verspreche …“ Er machte eine kurze Pause und fuhr mit rauer Stimme fort: „… dich zu lieben und zu ehren, an jedem Tag meines Lebens.“

Artie blinzelte die Tränen weg, die ihr unwillkürlich in die Augen gestiegen waren. Er klang so überzeugend. Er sah sogar überzeugend aus mit seinem bewundernd auf sie gerichteten Blick, als sei sie die schönste Frau auf Erden.

Es ist nur ein Schauspiel. Lass dich nicht täuschen. Nichts von alledem bedeutet ihm etwas, und es sollte auch dir nichts bedeuten.

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Die Worte des Priesters schreckten Artie aus ihrer Benommenheit auf. Sie hatte gerade noch Zeit, kurz Luft zu holen, bevor Luca die Arme um sie legte und sie an sich zog. Unaufhaltsam näherte sich sein Mund sich ihrem, und der erste warme und feste Druck seiner Lippen war absolut elektrisierend. Einen ganz kurzen Moment löste Luca den Mund noch einmal von ihr, als wäre die Zeit einen Augenblick stehen geblieben. Dann legte er seine Lippen erneut auf ihre, diesmal drängender, während er Artie noch enger an sich zog.

Eine Hand legte er sanft, beinahe ehrfürchtig, an ihre Wange – und doch war sein Mund die reine Sünde. Lockend und quälend zugleich. Unwillkürlich öffnete Artie die Lippen. Seine Zunge berührte ihre, und ihr ganzer Körper wurde von Sehnsucht und Begehren erfasst. Artie drückte sich an ihn, legte ihm die Arme um den Hals. Ihre Sinne waren wie im Taumel, als sich ihre Zungen auf erotische Weise umspielten. Jeder Nerv in Arties Lippen erwachte unter seinem Kuss, und ihr Mund öffnete sich wie Blütenblätter im Sonnenschein. Artie war sich ihres Körpers auf eine Weise bewusst, die sie nie zuvor gekannt hatte. Unglaublich intensiv spürte sie ihre weiblichen Bedürfnisse, die schamlos auf den dunklen, urtümlichen Ruf dieses Mannes antworteten.

Luca neigte den Kopf, und seine Zunge umschmeichelte ihre. Ein tiefes Stöhnen entfuhr ihm. Es erregte sie zu wissen, dass er von ihrem Kuss genauso mitgerissen wurde wie sie selbst. Es erregte sie, ihre eigene sinnliche Macht zu erkennen. Eine Macht, von der sie bisher nichts geahnt hatte.

Der Priester räusperte sich, und Luca zog sich mit einem verblüfften Ausdruck von ihr zurück. Artie nahm an, dass sie genauso schockiert aussah wie er. Ihr Mund fühlte sich geschwollen an, ihr Innerstes meldete sich mit einem fordernden Hunger, den Luca allein geweckt hatte.

Er blinzelte einige Male, als müsse er sein Gleichgewicht wiederfinden. „Tja, hallo, Signora Ferrantelli!“ Seine Stimme klang rau, sein Blick fiel wie magnetisiert auf ihren Mund, als könne er nicht glauben, was gerade zwischen ihnen passiert war.

Artie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte noch seinen Kuss. „Hallo …“

Luca bedankte sich bei dem Priester, dann führte er Artie in den Garten, wo Rosa Erfrischungen vorgesehen hatte.

„Also gut. Zeit zu feiern. Und morgen werden wir dann meinen Großvater besuchen.“

Eine Welle eiskalter Angst erfasste Artie. „Aber können wir damit nicht noch ein klein wenig warten? Ich meine, er nimmt doch sicher an, dass wir in die Flitterwochen fahren …?“

„Ich kann es mir leider nicht erlauben, allzu lange zu warten, bevor ich dich ihm vorstelle“, erwiderte Luca stirnrunzelnd. „Sein Gesundheitszustand ist sehr schlecht.“

Artie kaute nervös auf der Unterlippe und senkte den Blick. „Ich verstehe, aber ich brauche noch ein wenig Zeit, um mich daran zu gewöhnen … deine Frau zu sein. Ich fürchte, dass ich etwas sage oder tue, was deinen Großvater Verdacht schöpfen lässt.“

Luca sah sie durchdringend an. „Wenn du mich so küsst wie gerade eben, wird er keinerlei Zweifel haben.“

Artie merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. „Ich habe nur deinen Kuss erwidert. Schließlich habe ich vorher noch nie geküsst und …“

„Ach nein?“ Er hob überrascht die Augenbrauen.

Sie machte sich von ihm los und verschränkte die Arme. „Nur zu, mach dich ruhig über mich lustig. Eine fünfundzwanzigjährige Jungfrau muss für jemanden wie dich, der seine Geliebte täglich wechselt, ja etwas Unvorstellbares sein.“

In Gedanken schüttelte Artie über sich selbst den Kopf. Ich fasse es nicht, dass du ihm gerade gesagt hast, dass du noch Jungfrau bist.

Er fuhr sich durchs Haar. „Hör mal, nach dem, was dein Vater erzählt hat, habe ich schon vermutet, dass du nicht viel Erfahrung hast, aber mir war nicht klar, dass du nie einen Freund hattest, nicht einmal als Teenager. Hat dein Vater dir verboten, auszugehen?“

Artie weigerte sich, ihn anzusehen. „Nein. Ich war einfach nur damit beschäftigt, ihn zu pflegen. Er wurde schwer verletzt bei dem Unfall, durch den meine Mutter getötet wurde.“

Er runzelte die Stirn. „Warum warst du eigentlich die Einzige, die sich um ihn kümmerte? Warum hat er nicht eine Krankenschwester eingestellt?“

Artie drehte sich weg und schaute in die Ferne. Lucas Blicke machten sie nervös. Wie konnte sie ihm ihre Gründe für ihr Verhalten erklären? Wie konnte sie erklären, welche Schuld sie an die Seite ihres Vaters gefesselt hatte? „Es war meine eigene Wahl, mich um ihn zu kümmern und ich habe es gern getan.“

Luca stellte sich hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern, um Artie wieder zu sich umzudrehen. Er runzelte noch immer die Stirn und in seinen braunen Augen lag Besorgnis. „Du warst noch ein Kind, als der Unfall passierte. Es war nicht fair von deinem Vater, dir zu gestatten, dass du dich auf diese Weise opferst. Was war eigentlich mit der Schule? Dort hattest du doch Gelegenheit, dich mit Leuten deines Alters zu treffen?“

Artie schüttelte den Kopf. „Ich habe meine Schulausbildung aufgrund einer Sondererlaubnis zu Hause weitergeführt und online beendet. Ich wollte meinen Vater nicht in der Obhut von Fremden lassen. Er war nach dem Verlust meiner Mutter in tiefer Trauer. Das waren wir beide. Es war meine Entscheidung, mich um ihn zu kümmern, niemand hat mich dazu gezwungen.“

„Ich denke, es war bewundernswert, was du getan hast, dennoch habe ich das Gefühl, als hätte er dich ausgenutzt“, sagte er und massierte leicht ihre verspannten Schultern.

Artie löste sich aus seinem Griff und verschränkte abwehrend die Arme vor sich. Sie blickte zu Rosa, die mit einer Flasche Champagner wartete. „Sollten wir uns nicht zu Vater Pasquale und unseren Trauzeugen begeben?“ Sie wartete nicht auf seine Antwort, sondern drehte sich um und ging auf die Haushälterin, den Priester und den zweiten Trauzeugen zu, einen langjährigen Angestellten des Castellos.

Luca sah, wie Artie ein Glas Champagner vom Silbertablett nahm. Ihr Gesichtsausdruck war jetzt gefasst, doch er spürte, dass er einen Nerv getroffen hatte, als er ihre Rolle als Pflegerin ihres Vaters thematisiert hatte. Er hatte bereits vermutet, dass sie Jungfrau war – ihr Vater hatte etwas in dieser Richtung angedeutet –, aber er hätte nie gedacht, dass sie absolut null Erfahrung mit dem anderen Geschlecht hatte.

Niemand hat sie je zuvor geküsst.

Sie hatte nie einen Freund gehabt, nicht einmal als Teenager. Wie hatte ihr Vater das zulassen können?

Luca fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte die fruchtige Note ihres Lipgloss. Noch immer konnte er nachempfinden, wie sich ihre weichen Lippen angefühlt hatten. Und noch immer konnte er das Begehren spüren, das dieser Kuss bei ihm geweckt hatte.

Er hatte schon viele Frauen geküsst, vielleicht zu viele, um sich an alle genau zu erinnern, doch er wusste genau, dass er niemals diesen ersten Kuss mit Artie vergessen würde. Er war tief in seine Erinnerung eingebrannt, genau wie die Kontur ihres weichen Mundes und das Spiel ihrer Zunge.

Doch er würde einen Weg finden müssen, um all das zu vergessen, schließlich handelte es sich nur um eine Heirat auf dem Papier. Ein sechsmonatiges Zeitfenster, um das Ziel zu erreichen, bei seinem Großvater wieder Lebensfreude zu wecken. Das Wissen, dass Artie so wenig Erfahrung hatte, war sogar ein noch stärkerer Grund, die Hände von ihr zu lassen. Es wäre nicht fair, trügerische Erwartungen in ihr zu wecken.

Lang anhaltende Beziehungen verlangten, dass man sich um die Gesundheit und Sicherheit des Partners kümmerte. Und Luca hatte eindrücklich bewiesen, dass er dazu nicht fähig war! Es war einfacher, nicht zu lieben. Es war einfacher, die eigenen Gefühle innerlich einzufrieren …

Luca blickte zu Artie und ihr Anblick versetzte ihm einen Stich in die Brust. Sie stand neben einem sanft plätschernden alten Steinbrunnen, der den perfekten Hintergrund für ihre beinahe überirdische Schönheit abgab. Jetzt drehte sie den Kopf und erwischte ihn dabei, wie er sie anstarrte, und ihre Wangen färbten sich rosa.

Hatte er einen Fehler gemacht, indem er sie als seine Braut ausgewählt hatte? Artie war so unschuldig, so unberührt und kam aus einer ganz anderen Welt, als wäre sie von einer Zeit in der Vergangenheit oder aus einem Märchen ins Hier und Jetzt transportiert worden. Und doch hatte er eine Verbindung zu ihr gespürt, im gleichen Moment, in dem er sie kennengelernt hatte. Auch wenn sein Verstand dagegen ankämpfte, das Begehren nach Artie brannte lichterloh in seinem Körper!

Doch er würde sich beherrschen und zwar schnell! Denn sich in seine süße unschuldige Braut zu verlieben wäre wohl das Närrischste und Verrückteste, was Luca tun könnte …

5. KAPITEL

Artie war sich bewusst, dass Luca sie unentwegt ansah. Sie war sich auch bewusst, wie intensiv ihr Körper auf seine Berührungen reagierte.

Seinen Kuss …

Am besten dachte sie nicht mehr an den Kuss, schließlich sollte ihre Beziehung platonisch sein. Auch wenn nichts an Lucas Kuss platonisch gewesen war. Er hatte etwas in ihr geweckt, ein Begehren, das gestillt werden wollte. Der Gedanke, Luca zu fragen, ob sie nicht ihre Vereinbarung abändern konnten, drängte sich ihr auf. Es wäre die ideale Gelegenheit für sie, ein paar Erfahrungen zu sammeln. Was hatte sie schon zu verlieren, außer ihrer Unschuld?

Deinen Stolz? meldete sich ihr Verstand. Er kann jede haben. Du bist nicht einmal sein Typ. Wie kommst du überhaupt auf die Idee, du könntest ihn auch nur für sechs Minuten zufriedenstellen? Geschweige denn für sechs Monate!

Luca nahm ein Glas Champagner vom Tablett und kam herüber zum Brunnen, wo Artie stand. Er blickte zum Priester. „Vater Pasquale genießt offensichtlich Rosas gutes Essen. Wie lange arbeitet sie schon hier?“

„Schon seit ich noch ein Kind war“, sagte Artie. „Das hier ist genauso ihr Zuhause wie meines.“

„Und was würde sie tun, wenn du es verkaufen und wegziehen müsstest?“

Artie hob das Kinn. „Ich würde das Castello nie verkaufen. Und ich will nirgendwo anders leben als hier.“

Ich kann nirgendwo anders leben als hier.

Luca blickte sie zweifelnd an. „Wie willst du das Anwesen denn unterhalten? Es sind viele Reparaturen nötig, und zwar eher früher als später.“

Sie leerte ihr Champagnerglas und krauste missmutig die Stirn. „Ist dies die richtige Zeit, das zu diskutieren? Es ist unser Hochzeitstag.“

„Muss ich dich an unsere Abmachung bezüglich der Heirat erinnern?“

„Natürlich nicht.“ Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. „Musst nicht eher du daran erinnert werden? Dieser Kuss war etwas zu enthusiastisch für jemanden, der nur eine Heirat auf dem Papier will.“

Die Atmosphäre pulsierte auf einmal förmlich vor Spannung. „Vielleicht, aber dieser Kuss war nicht allein mein Werk, Artie! Du warst durchaus beteiligt.“ Sein Ton war so tief und rau, dass Artie ein Schauer über den Rücken lief. Und Lucas Augen funkelten auf eine Weise … Plötzlich wurde sie sich ihrer intimsten Stellen fast schmerzhaft bewusst.

Artie wollte sich von ihm wegdrehen, doch er umfasste ihr Handgelenk. Als sie seine langen, starken Finger auf ihrer nackten Haut spürte, durchfuhr Artie ein wohliger Schauer. Sie blickte auf seine Hand und das eigenartige warme Gefühl breitete sich in ihrem ganzen Unterkörper aus wie Feuer. Sie sah Luca an und hob möglichst hochmütig die Augenbrauen. „W…was tust du?“ Ihr Ton war jedoch eher atemlos als beleidigt.

Langsam und nachdrücklich fuhr er mit dem Daumen über ihr Handgelenk, und prompt ging ihr Puls schneller. Seine Nähe machte sie fast schwindlig.

„Wir sind verheiratet, Artie. Man erwartet von uns, dass wir einander berühren.“

Ihr Herz benahm sich wie verrückt. „Ich bin nicht daran gewöhnt, mich berühren zu lassen.“

Luca strich sanft mit dem Handrücken über ihre Wange, ohne den Blick zu lösen. Er sah ihr so leidenschaftlich in die Augen, dass das Begehren in Artie fast unerträglich wurde. „Aber du magst es, wenn ich dich berühre, oder?“ Mit dem Daumen strich er langsam über ihre Unterlippe. „Du magst es sogar sehr.“

Artie wollte das leugnen, doch nachdem sie seinen Kuss so bereitwillig erwidert hatte, würde das wohl nicht sehr glaubhaft klingen. Und jetzt konnte sie sich nicht einmal von ihm losmachen – stattdessen wollte sie seine Berührung, verlangte danach wie eine Süchtige nach einer verbotenen Droge. Sie konnte den Blick nicht von seinem Mund wenden, konnte nicht aufhören, an das sinnliche Gefühl zu denken, dass sie bei dem Kuss verspürt hatte. Konnte nicht aufhören, an das Spiel seiner Zunge zu denken und wie es ihren ganzen Körper in Flammen gesetzt hatte.

Sie holte tief Luft und zwang sich, ihm geradewegs in die Augen zu blicken. „Es tut mir leid, wenn ich dir ständig unterschiedliche Signale sende. Das war nicht meine Absicht.“

Er führte ihre Hand an seinen Mund und setzte einen federleichten Kuss auf ihre Finger, während er ihren Blick hielt. „Du bist nicht der einzige Mensch, der unterschiedliche Signale von sich gibt.“ Er ließ ihre Hand los und lächelte sie reumütig an. „Ich werde die Bedingungen unserer Heirat nicht ändern. Das wäre dir gegenüber nicht fair.“

Nicht fair? Was war fair daran, ihrem Körper die Erlösung zu versagen, nach der er verlangte? „Machst du dir Sorgen, ich könnte mich in dich verlieben?“ Die Frage war ausgesprochen, noch bevor sie darüber nachdenken konnte.

Sein Blick fiel erneut auf ihren Mund, und Luca runzelte die Stirn, als überlege er dabei, ob es möglich wäre, dass sie Gefühle für ihn entwickelte. Als ihre Blicke sich wieder trafen, hatte er erneut sein Pokerface aufgesetzt. „Das wäre allerdings sehr unklug von dir.“

„Warst du jemals in jemanden verliebt?“

„Nein.“ Seine Antwort kam schnell und knallhart.

Artie drehte das leere Champagnerglas in der Hand. „Ich wusste gar nicht, dass es möglich ist, sich vor dem Verlieben zu schützen. Ich dachte immer, es passiert einfach und man kann es nicht aufhalten. Vielleicht hast du nur noch nicht die richtige Frau getroffen.“

„Ich habe keine Zweifel, dass derartige Gefühle zwischen anderen Leuten existieren, doch ich habe kein Interesse daran, selbst solche Gefühle für irgendjemand aufzubringen.“

„Warum nicht?“

Luca zuckte mit den Schultern. „Mir scheint es eine unmögliche Aufgabe, jemandes Seelenverwandter zu sein. Ich weiß genau, dass ich ein solcher Mensch nicht sein kann. Dazu bin ich zu egoistisch.“

Artie fragte sich, wie das stimmen konnte. Luca wollte schließlich eine praktisch Fremde heiraten, nur um seinen Großvater am Leben zu erhalten. Inwiefern war das egoistisch?

In diesem Moment näherte sich Rosa mit frisch eingeschenkten Gläsern Champagner auf dem Tablett. „Noch ein Glas, bevor die offiziellen Fotos gemacht werden?“, fragte sie mit einem Lächeln. „Der Fotograf baut gerade seine Ausrüstung vor dem Rosengarten auf.“

Artie stellte ihr Glas aufs Tablett und nahm ein neues. „Danke.“

„Und Sie, Signor Ferrantelli?“ Rosa drehte sich zu Luca.

Er schüttelte den Kopf. „Nein danke. Eines reicht mir. Und bitte, nennen Sie mich Luca.“ Er nahm Arties freie Hand und nickte in Richtung des Fotografen. „Sollen wir?“

Sobald die Fotos gemacht und alle gegangen waren, half Artie noch Rosa beim Aufräumen. Als die Haushälterin anschließend ankündigte, sich zurückzuziehen, wusste Artie gar nicht, was sie machen sollte. Sie hatte Luca seit dem Fototermin nicht mehr gesehen – er hatte erklärt, er müsse einige Dinge auf dem Anwesen besichtigen und war noch nicht zurückgekehrt. Sie dachte an das, was er am Brunnen gesagt hatte.

Luca hatte sie davor gewarnt, sich in ihn zu verlieben. Aber wie konnte sie etwas verhindern, was überhaupt nicht in ihrer Macht lag? Sie war sich ihrer Verletzbarkeit sehr bewusst. Er war so erfahren und kannte sich in einer Welt aus, an der sie ihr ganzes Leben als Erwachsene noch nicht teilgenommen hatte. Hatte nicht sein leidenschaftlicher Kuss ihr gezeigt, welch großes Risiko sie einging, wenn sie Gefühle ihm gegenüber entwickelte?

Artie umfasste ihr Handgelenk an der Stelle, wo seine Finger gelegen hatten. Sie erschauerte, als sie sich seine Ausstrahlung in Erinnerung rief, die Art, wie seine Berührung sie erweckt und verlockt hatte. Er war die personifizierte Versuchung, und sie wäre wirklich eine Närrin, wenn sie ihren Gefühlen erlaubte, das Kommando zu übernehmen. Aber warum nur sehnte sie sich so sehr nach seiner Berührung?

Artie saß ruhig mit ihrer Stickerei im Salon, als Luca schließlich hereinkam. Sein Haar war vom Wind zerzaust und er hatte seinen Anzug von heute Vormittag gegen Jeans und ein weißes Baumwollhemd eingetauscht. Die Ärmel hatte er hochgerollt, sodass seine kräftigen Hände und Unterarme sichtbar waren. Das weiße Hemd betonte seinen dunklen Teint, die Jeans die muskulösen Beine. Er brachte den frischen Geruch nach Gras und Natur mit herein – und nach etwas anderem. Etwas, das ihre weiblichen Hormone stimulierte und all ihre Sinne in Aufregung versetzte.

Sie legte ihre Stickarbeit zur Seite. „Ich war mir nicht sicher hinsichtlich deiner Pläne, also habe ich Rosa gebeten, eines der Gästezimmer für dich vorzubereiten. Es liegt im zweiten Stock, die grüne Suite mit Blick auf den Weinberg.“

Er schaute sie aufmerksam an. „Also weiß sie von unserem Arrangement hinsichtlich der Heirat?“

„Ja, ich hielt es für das Beste. Ich bin nicht gerade eine gute Schauspielerin, und sie kennt mich schon mein Leben lang und würde jede Unaufrichtigkeit bemerken.“

„Ich würde es vorziehen, wenn du niemandem sonst von der Art unserer Beziehung erzähltest.“ Sein Ton war energisch. „Ich möchte nicht, dass irgendein Klatsch zu meinem Großvater vordringt.“

„Rosa ist die absolute Diskretion. Sie würde niemals mein Vertrauen enttäuschen.“ Sie war die Einzige, auf die Artie sich verlassen konnte – die Haushälterin war absolut loyal und vertrauenswürdig.

Luca kam zu dem Sofa herüber, auf dem Artie saß, beugte sich vor und nahm die Stickerei auf, an der sie gearbeitet hatte. Mit den Fingern fuhr er bewundernd über die winzigen Blütenblätter, die sie gestickt hatte. „Das ist ja eine sehr feine Arbeit. Machst du das schon lange?“

Artie tat das Kompliment mit einem Schulterzucken ab, doch innerlich freute sie sich sehr über das Lob. „Es ist nur ein Hobby. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich damit angefangen. Ich habe mir alles selbst beigebracht, was man wahrscheinlich auch sehen kann.“

Autor

Kim Lawrence
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