Julia Extra Band 516

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

WIE BEZAUBERT MAN EINEN MILLIARDÄR?von RACHAEL STEWART
Hotelmanagerin Sophia versteckt ihr Herz hinter einer dicken Mauer. Liebe, zärtliche Gefühle? Daran glaubt sie nicht. Bis ein mutterloses kleines Mädchen alles ändert! Was Sophia gefährlich verletzlich für den Charme des attraktiven Single Dads, Milliardär Jack McGregor, macht …

KÜSSE UNSERE TRÄNEN FORT! von SOPHIE PEMBROKE
„Komm mit auf mein Schloss.“ In Frankreich will Rugbylegende Ryan Phillips der schönen Gwen beweisen, dass er nicht der Rebell von früher ist, sondern zuverlässig, liebevoll, der perfekte Vater für ihre Tochter. Genau wie Gwens verstorbener Ehemann, sein Bruder …

KLEINES WUNDER – GROSSES GLÜCK von NINA MILNE
Küsse, Kuscheln, Kinderlachen: Zusammen mit ihrem Ex, dem vermögenden Unternehmer Jake Cartwright, muss Isobel sich um das Baby einer Freundin kümmern. Das unerwartete Familienleben weckt in ihr die Sehnsucht nach einem zweiten Glück mit Jake – doch kann sie ihm jemals verzeihen?

NANNY AUF ZEIT, MAMI FÜR IMMER? von SUSAN MEIER
Dominic Manelli braucht eine Nanny für seinen verwaisten Neffen? Audra, die weiß, wieviel Zeit sein Firmenimperium ihn kostet, springt ein. Blitzschnell erobern die beiden ihr weiches Herz – obwohl Audra befürchtet, dass Playboy Dominic sich niemals fest binden wird …


  • Erscheinungstag 29.03.2022
  • Bandnummer 516
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512084
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rachael Stewart, Sophie Pembroke, Nina Milne, Susan Meier

JULIA EXTRA BAND 516

RACHAEL STEWART

Wie bezaubert man einen Milliardär?

Milliardär Jack McGregor erfüllt seiner Tochter jeden Wunsch. Außer einem – Lily will, dass sie beide Zeit mit der schönen Sophia verbringen. Die erste Frau, die den Witwer wieder in Versuchung führt …

SOPHIE PEMBROKE

Küsse unsere Tränen fort!

Das Leben ist nicht fair: Gwen verliert viel zu früh ihren geliebten Mann. Doch dann tritt sein Bruder in das einsame Leben der alleinerziehenden Mutter und umwirbt sie zärtlich. Darf sie mit Ryan auf ein neues Familienglück hoffen?

NINA MILNE

Kleines Wunder – großes Glück

Ein Baby wurde direkt vor seinem Hotel ausgesetzt! Zum Glück hilft Jakes Ex-Geliebte Isobel ihm, sich zu kümmern. Was in ihm die unerklärliche Sehnsucht nach einem eigenen Kind weckt – mit Isobel!

SUSAN MEIER

Nanny auf Zeit, Mami für immer?

Ich darf sie nicht verführen, ermahnt sich Dominic. Die aparte Nanny Audra, die so rührend für seinen verwaisten Neffen sorgt, hat einen Mann verdient, der an die Liebe glaubt. Aber dieser Mann kann er niemals sein …

1. KAPITEL

„Soph, wir haben ein Problem.“

Für gewöhnlich versetzte eine solche Aussage Sophia Lambert in ihrer Position als Hotelmanagerin in Panik, aber heute konnte sie die Ablenkung gebrauchen. Zu dieser Jahreszeit waren Probleme genau das Richtige, denn sie verhinderten, dass ihre Gedanken in die Vergangenheit schweiften.

Sie wandte sich Andrew zu, ihrem Stellvertreter. Ihr Lächeln erstarb, als sie ihn ansah. Normalerweise ließ er sich durch nichts aus der Ruhe bringen, aber im Moment wirkte er sichtlich besorgt.

„Was ist denn?“

„Jack McGregors Tochter ist verschwunden.“

„Verschwunden?“ Jack McGregor war im Penthouse des Devereaux Leisure abgestiegen – und damit in einer der elegantesten Hotelsuiten von London. Als milliardenschwerer Geschäftsmann konnte er sich diesen Luxus leisten.

Er war verwitwet, Vater einer kleinen Tochter. Nicht dass Sophia ihn persönlich gekannt hätte, aber der Flurfunk des Hotels funktionierte bestens. Und der Unfall mit Fahrerflucht, bei dem seine Frau vor drei Jahren gestorben war, hatte Schlagzeilen gemacht. Sophia konnte sich lebhaft vorstellen, was passieren würde, wenn sein Kind verschwand …

„Nach dem Mittagessen ist sie mit ihrer Nanny zurückgekommen. Aber noch bevor sie wieder in ihrem Zimmer war …“ Andrew zuckte mit den Schultern. „… hat sie sich in Luft aufgelöst.“

Sophia schüttelte den Kopf und stand auf. „Ein kleines Mädchen löst sich nicht einfach in Luft auf.“

Wenn sie es mit McGregors Nanny zu tun gehabt hätte, wäre sie aber vielleicht auch verschwunden. Auch wenn sie McGregor selbst noch nicht kennengelernt hatte, war sie seiner Tochter und ihrer schroffen Erzieherin schon begegnet.

„Zwölf Stockwerke, hundertdreißig Zimmer, dazu Schränke und Besenkammern – das Paradies für ein Kind, das Verstecken spielt. Ich würde nicht gleich das Schlimmste annehmen. Kommen Sie schon.“ Sie ging zur Tür, dann den Flur entlang, der in die Lobby führte. Andrew folgte ihr. „Wo haben Sie bisher gesucht?“

„In den Waschräumen, in den Empfangsräumen unten, in den Fahrstühlen und im Treppenhaus. Ich habe alle freien Mitarbeiter darauf angesetzt. Marie ist bei Ms. Archer im Penthouse, um sie zu beruhigen.“

Marie war eine gute Wahl; ruhig und effizient. „Prima.“

„Aber bald müssen wir die Polizei verständigen.“

„Wir finden sie schon.“ Sophia legte Andrew flüchtig die Hand auf die Schulter. „Was ist mit den Überwachungskameras?“

„Die letzte Aufzeichnung zeigt sie auf dem Weg in einen Konferenzraum im zweiten Stock.“

„Aber dort ist sie nicht?“

„Nein.“

„Hat sie das Gebäude verlassen?“ Andrew schüttelte den Kopf. „Also gut, irgendwo muss sie sein. Wir müssen nur wie ein Kind denken … Ich gehe noch einmal in den Konferenzraum, Sie suchen weiter. Geben Sie Bescheid, wenn Sie sie finden.“

„Natürlich.“

Sie trennten sich. Sophia nahm die Treppe in den zweiten Stock. Noch machte sie sich keine Sorgen. In einem Hotel gingen jeden Tag Dinge und Menschen verloren. Es war ihr Job, dafür zu sorgen, dass alle wiederauftauchten und die Gäste glücklich abreisten, auch die kleine Unruhestifterin und ihr Vater.

Der Konferenzraum sah leer aus. Für die verspätete Weihnachtsfeier eines namhaften Unternehmens war ein Tisch mit einer roten Tischdecke, Blumen, Gläsern und Servietten gedeckt, während die übrigen Stühle und Tische ordentlich aufgestapelt an der Seite bereitstanden.

Sophia drehte sich um und wollte gerade wieder gehen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte. Sie wandte sich erneut um und kniff die Augen zusammen. Sie hätte schwören können, dass sich das Tischtuch gerade bewegt hatte.

„Hallo?“ Sie ging einen vorsichtigen Schritt darauf zu.

Als ein leises Kichern erklang, atmete sie erleichtert auf.

„Bist du das, Lily McGregor?“

„Ich habe für so etwas keine Zeit, Connor. Warum erfahren wir erst jetzt davon?“ Jack starrte den Pförtner des Hotels böse an. Es war keine Absicht – seine Aufmerksamkeit galt dem Telefongespräch –, aber es führte dazu, dass die Tür eiligst geöffnet wurde. Er betrat die Lobby, ging zum Fahrstuhl und drückte den Knopf.

„Anscheinend ist es einem neuen Start-up irgendwie gelungen, uns zu überbieten“, sagte Connor am anderen Ende der Leitung.

Eigentlich hatte Jack vorgehabt, eine Woche oder höchstens zwei in London zu bleiben, um die Übernahme unter Dach und Fach zu bringen, und dann schnell wieder abzureisen. „Also gut, bringen Sie alles darüber in Erfahrung, was Sie können. Und …“

„Entschuldigung, Mr. McGregor?“

Jack runzelte die Stirn und drehte sich um. Ein flüchtiger Blick verriet ihm, dass der ältere Mann, der vor ihm stand, der stellvertretende Hotelmanager war.

„Einen Moment, Connor … Ja?“

„Es tut mir schrecklich leid, Sir.“ Der Mann neigte leicht den Kopf. „Aber es gibt da ein kleines Problem.“

Als hätte er nicht schon genug Sorgen!

„Was für ein Problem?“, fragte er. Hatte es Probleme mit der Reservierung gegeben? Was es auch war, nichts konnte schlimmer sein als Connors Neuigkeiten.

„Es geht um Ihre Tochter. Ich fürchte, sie ist …“ In diesem Moment piepste das Walkie-Talkie des Mannes. Hastig zog er es aus der Tasche. „Ja?“

Jack hörte kaum, was er sagte. Sein Puls schnellte in die Höhe. Was zum Teufel ging hier vor? Was hatte Lily diesmal angestellt?

Der Mann vor ihm entspannte sich sichtlich und atmete erleichtert auf.

„Wunderbar. Danke!“ Er steckte das Gerät zurück in die Tasche und lächelte Jack an. „Alles in Ordnung. Das Problem ist gelöst.“

Jack starrte finster zurück.

„Verzeihung, Sir.“ Der Manager errötete. „Wie es scheint, hat Ihre Tochter mit Ms. Archer ein wenig Verstecken spielen wollen. Inzwischen haben wir sie allerdings gefunden, und …“

Jack fluchte. „Wie lange war sie verschwunden?“

„Ähm … ich … ich bin mir nicht sicher. Vielleicht kann Ms. Archer es Ihnen erklären. Ich bringe Sie am besten zu Ihrer Tochter, ja? Ms. Lambert, unsere Hotelmanagerin, ist gerade bei ihr.“

Jack nickte. „Connor, ich rufe Sie zurück“, sagte er knapp in sein Telefon, beendete den Anruf und folgte dem Mann, der mit zügigen Schritten den Flur entlangging.

Jack schüttelte den Kopf und lockerte seinen Schlips. Obwohl er wusste, dass es Lily gut ging, schwitzte er auf einmal. Heute war wirklich nicht sein Tag. Und vielleicht wurde es Zeit, einen Ersatz für Lilys Nanny zu finden. Allein in den letzten zwei Wochen war Lily ihr ein Dutzend Mal entwischt. Das machte ihn ratlos.

Aber eine andere Nanny zu finden, das würde dauern. Er hatte keine Zeit dafür. Besser wäre es, wenn er seiner Tochter erklärte, dass ihre Sicherheit wichtiger war als ihre spontanen Einfälle. Leider war sie in dieser Hinsicht zu sehr wie ihre Mutter: impulsiv und eigensinnig, die perfekte Kombination für einen weiteren Unfall oder – schlimmer noch – einen Kidnapper, der Geld erpressen wollte.

Bloß wie sollte er das einem fünfjährigen Mädchen klarmachen? Vielleicht war es an der Zeit, einen privaten Sicherheitsdienst anzuheuern. Bisher hatte er das vermieden, weil er einen Hauch von Normalität bewahren wollte, aber er wusste nicht, wie viele solcher Zwischenfälle er noch ertragen konnte.

„Hier entlang, Mr. McGregor“, sagte der Manager, öffnete eine Tür und machte eine einladende Geste.

Grimmig nickte Jack ihm zu. Der Mann trug schließlich keine Schuld an seinem Gemütszustand. Es war einfach alles …

Der Gedanke blieb unvollendet. Wie angewurzelt blieb Jack stehen und starrte mit offenem Mund auf das Bild, das sich ihm bot.

Vor ihm stand ein festlich gedeckter Tisch. Und unter dem Tisch ragte ein Paar Beine hervor, mit schlanken Waden, zarten Knöcheln und Füßen in einem Paar hautfarbener Pumps.

Sophia lag unter dem Tisch und starrte auf dessen Unterseite, die Lily McGregor gerade mit einer Taschenlampe anleuchtete.

„Das ist toll, oder?“ Das kleine Mädchen deutete auf die Sternenkonstellation, die die Taschenlampe auf die dunkle Unterseite der Tischplatte projizierte.

„Ja, tatsächlich. Hast du die ganze Zeit hier gesteckt? Weißt du, Ms. Archer macht sich große Sorgen um dich.“

Lily runzelte die Stirn. Ihr Gesicht wirkte ernst und aufrührerisch zugleich. Sophia hatte den leisen Verdacht, dass sie gleich eine Ausrede zu hören bekommen würde.

„Sie lässt mich nie die Sterne angucken. Sie sagt, damit würde ich nur meine Zeit verschwenden. Ich soll lieber lesen und rechnen lernen.“

„Ms. Archer will bestimmt nur dein Bestes.“

Lily schaute zu den Sternen hoch. „Ich will Astronautin werden! Rechnen brauche ich nicht.“

Sophia lachte leise. „Rechnen – Mathematik – ist aber sehr wichtig für Astronautinnen.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“

Lily seufzte und schob die Unterlippe vor. „Vielleicht kann ich ja ein bisschen rechnen lernen …“

„Was geht hier vor sich?“

Die donnernde, tiefe Stimme übertönte Lilys Worte. Sie riss die Augen auf und schaltete die Taschenlampe aus.

„Oh, oh. Daddy ist wütend!“

Daddy ist wütend. Sophia versuchte, die Szene aus McGregors Blickwinkel zu sehen, und spürte, wie sie errötete. Nicht dass sie Grund zur Verlegenheit gehabt hätte: Immerhin hatte sie seine Tochter gefunden, und dafür sollte er lieber dankbar sein.

„Lily! Komm augenblicklich her!“

„Tut mir leid“, flüsterte das kleine Mädchen ihr zu, drehte sich auf die Knie und krabbelte unter dem Tisch hervor. Ihre schwarzen Locken wippten.

Bei Lily wirkte das Manöver einfach und elegant, und Sophia hätte dasselbe tun sollen. Aber auf dem Rücken unter dem Tisch zu liegen, während jemand auf sie herabstarrte, machte sie so verlegen, dass sie sich einen Moment lang kaum rühren konnte.

„Warum bist du einfach davongelaufen?“

Sophia konnte keine Antwort hören, nur ein Schniefen. Im nächsten Moment hob sich das Tischtuch, und ein Paar ausdrucksvoller grauer Augen starrte auf sie herab.

„Ms. Lambert, nehme ich an?“

Sie schaute von unten zu Jack McGregor hinauf und wünschte sich, der Erdboden würde sich auftun und sie verschlingen. Seine grauen Augen waren viel zu schön, doch gleichzeitig wirkte sein Blick viel zu hart.

Na los, Sophia.

Sie räusperte sich, rollte sich auf die Seite, kniete sich hin und zupfte ihr Kleid zurecht, damit es ihr nicht über den Po rutschte. Dabei vermied sie es, Mr. McGregor anzusehen. Selbst in seiner gebückten Position verströmte er eine raubtierhafte Anmut; Macht, Eleganz und Stärke. Bei seinem Anblick verschlug es ihr schier die Sprache.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. McGregor“, sagte sie, als es ihr endlich gelang, aufzustehen und ihn anzuschauen – nur, um sich zu wünschen, sie hätte es nicht getan. Aus irgendeinem Grund hatte sie ihn sich älter vorgestellt und gedacht, die Medien würden übertreiben, was sein Äußeres anging. Sein gut aussehendes, markantes Gesicht gehörte auf das Cover einer Illustrierten, und sein Körper …

Sophia schluckte. Solche Gedanken waren ungehörig und halfen ihr ganz und gar nicht dabei, professionell zu wirken. Er war ein Gast, ein äußerst wichtiger Gast, den sie unbedingt durch ihre Haltung und Höflichkeit beeindrucken sollte.

„Jack.“ Er reichte ihr die Hand, und sie zuckte ein wenig zusammen.

Na toll. Jetzt hielt er sie wahrscheinlich für ängstlich.

„Sophia.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. Die Intensität seines Blickes ließ sie sich nackt fühlen. Es war, als könnte er jeden Gedanken lesen, der ihr durch den Kopf ging.

Sophia holte tief Luft und schüttelte ihm die Hand. Wärme rann durch ihre Finger, ihren Arm entlang, ging ihr bis tief in den Bauch.

Er musterte sie von Kopf bis Fuß wie ein Panther, der zum Sprung ansetzte. Vielleicht waren es sein ungebändigtes schwarzes Haar, sein gebräunter Teint und die leicht schräge Form seiner Augen, die sie an eine Raubkatze erinnerten.

„Ich mag Fia, Daddy. Kann sie mit uns Tee trinken?“

Wie bitte?

Sophia gab einen erstickten Laut von sich, der von einem plötzlichen, bellenden Lachen des Mannes vor ihr übertönt wurde.

Lachen konnte der Panther also. Faszinierend. Und irritierend, besonders, wenn sie dringend eine Grenze ziehen musste. Private Treffen mit Hotelgästen kamen für sie nicht infrage.

„Ich glaube, Fia hat wichtigere Dinge zu tun.“

Die Art, wie McGregor prompt die Namensvariante aufnahm, die seine Tochter gewählt hatte, ließ Sophia im Inneren erglühen. Sie öffnete den Mund, aber es kam kein Wort heraus.

„Es sei denn natürlich, das ist nicht der Fall?“ McGregor musterte sie mit scharfem Blick. „Dann würden wir Sie gern einladen, als Dank dafür, dass Sie meine kleine Ausreißerin wiedergefunden haben.“

Sophia schaute von ihm zu seiner Tochter, die sie flehend aus grauen Augen ansah.

Wie sollte sie es anstellen, McGregors verlockendes Angebot abzulehnen, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen? Einen so betuchten Kunden durfte sie unmöglich kränken.

Jack schaute in Sophia Lamberts hübsche blaue Augen und fragte sich, was er eigentlich gerade tat. Sie war die Hotelmanagerin, um Himmels willen!

Es war Lilys Schuld. Wenn sie nicht auf die Idee gekommen wäre … Von allein wäre er nicht darauf verfallen.

Er war sich nicht sicher, ob er gerade mit seinem Kopf dachte. Der Anblick zweier wohlgeformter, schlanker Beine und das Wissen, dass diese Frau sich ohne Zögern auf eine Ebene mit seiner Tochter begeben hatte, ließen ihn nicht los.

Sophia blinzelte, und auf ihren Wangen zeigte sich eine zarte Röte, als sie vor Lily in die Hocke ging. Jack schaute auf rotbraunes Haar herab, das zu einem Knoten aufgesteckt war. Ein paar Strähnen fielen ihr lose in den Nacken, auf die cremefarbene Haut und die zarten Sommersprossen, die unter dem hochgeschlossenen, marineblauen Kleid zu sehen waren. Er räusperte sich und fragte sich, warum sein Mund auf einmal so trocken war.

„Das ist ein wirklich nettes Angebot, Lily“, sagte Sophia sanft. „Aber ich fürchte, ich muss noch arbeiten.“

„Jetzt klingst du wie mein Papa!“

Jack zuckte innerlich zusammen. Aber ein milliardenschweres Unternehmen konnte man nun einmal nicht ohne Überstunden leiten. Lily fehlte es an nichts – und seine Arbeit stellte sicher, dass es so bleiben würde.

„Weißt du, dieses große Gebäude – dieses Hotel …“ Sophia deutete auf den Raum, und Lily nickte. „Es steht unter meiner Aufsicht. Wenn ich mich nicht darum kümmere, dann funktioniert es nicht richtig. Ich sorge dafür, dass wichtige Gäste wie du sich hier wohlfühlen.“

„Du bist der Boss!“

Sophia lachte, und der Klang ging Jack unter die Haut. „Ja. Ich bin der Boss.“

„Eines Tages will ich auch der Boss sein. Auf dem Mond!“

Sophia berührte sanft Lilys Wange. „Dann denk daran, dass du dafür lesen und rechnen können musst.“

Lily schaute von ihr zu Jack. Er erwartete, sie mit den Augen rollen zu sehen, doch stattdessen griff sie nach seiner Hand, schaute Sophia an und nickte ernst. „Okay.“

„Braves Mädchen.“ Sophia wuschelte Lily durchs Haar, bevor sie aufstand und Jack ansah. Die Röte war fast ganz aus ihren Wangen gewichen. „Ich hoffe, in Ihren Zimmern ist alles zu Ihrer Zufriedenheit“, sagte sie glatt, gab sich jetzt ganz kühl und professionell. Er wollte gern die andere Version von ihr zurückhaben, die gerade so nett mit seiner Tochter geplaudert hatte. „Aber wenn es irgendetwas gibt, das wir für Sie tun können, zögern Sie bitte nicht, es uns wissen zu lassen.“ Sie deutete in Richtung Tür. „Wollen wir dann, Mr. McGregor?“

„Jack, bitte.“ Normalerweise machte es ihm nichts aus, wenn die Leute formell blieben. Daran war er gewöhnt. In Sophias Fall allerdings schien er es nicht auf sich beruhen lassen zu können.

Wieder errötete sie leicht und räusperte sich. „Jack.“

Besser. Viel besser.

Sie mied seinen Blick, während sie sich an ihren Assistenten wandte.

„Andrew, können Sie Jack und Lily bitte in ihre Suite begleiten?“

„Natürlich.“

Jack sah den älteren Gentleman an. Er wusste, von wem er lieber begleitet werden wollte …

„Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr. … ich meine, Jack, und dich auch, Lily. Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt.“ Damit drehte sie sich um und schwebte aus dem Raum, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Er wünschte sich, sie würde es tun.

„Daddy?“ Lily zupfte ihn am Ärmel, und er schaute zu ihr herunter.

„Ja?“

„Ich glaube, du solltest sie umstimmen.“

Er lachte, stimmte ihr insgeheim aber zu.

Warum, wusste er nicht.

Aber das Verlangen war da.

2. KAPITEL

Sophia rieb sich den Nacken und unterdrückte ein Gähnen. Es war fast zehn, und sie hätte längst nach Hause gehen sollen, aber dort wartete nur ihre leere Wohnung auf sie. Und die Vergangenheit.

Morgen begann der Februar. Das war besser. Sie ließ den zehnjährigen Todestag ihrer Schwester hinter sich, eine Dekade voller Schuldgefühle und Trauer. Dabei heilte die Zeit doch angeblich alle Wunden …

Sie schaute auf ihren Computerbildschirm und beendete die Programme, die noch liefen. Als sie gerade den Internetbrowser schließen wollte, kam ihr das Gesicht von Jack McGregor in den Sinn, und ihr Herz schlug ein wenig schneller.

Das war ihr noch nie passiert. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, und von ein paar Küssen als Teenager mal abgesehen, hatte sie keinerlei Erfahrung mit Männern. Sie hatte geglaubt, dieser Teil von ihr sei tot, jeder Hauch von Begierde erstickt von Selbstdisziplin und dem anhaltenden Schmerz, den der Verlust ihrer sorglosen, lebensfrohen kleinen Schwester Amy hinterlassen hatte.

Aber als sie Jack in die Augen gesehen hatte, hatte sie es nicht leugnen können: die Aufregung, das Kitzeln … Es hatte all ihre Selbstbeherrschung erfordert, seine Einladung zum Essen abzulehnen.

War es, weil auch er jemanden verloren hatte, den er liebte? Gab es da eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen, die sie zu ihm hinzog?

Sophia war keine Romantikerin. Während ihre Freundinnen von Hochzeiten und Kindern träumten, stürzte Sophia sich in die Arbeit, versuchte, das Beste aus sich zu machen, möglichst viel zu erreichen.

Für ihre Eltern war sie trotzdem unsichtbar, ganz egal, was sie tat, welche Auszeichnungen sie gewann, wie schnell sie befördert wurde. Sophia konnte ihre kleine Schwester nicht zurückbringen, deren Unfall sie selbst verschuldet hatte.

Sie presste die Hand auf ihren Bauch, als sich ihr Magen schmerzhaft zusammenkrampfte. Das Gefühl der Übelkeit würde vergehen, das tat es immer. Der Schmerz jedoch ließ nie nach.

Heute allerdings … heute hatte sie einen Hauch von etwas ganz anderem gefühlt, und ihre Finger bewegten sich fast von selbst über die Tastatur und tippten Jack McGregors Namen ein. Sie drückte „Enter“, bevor sie es sich anders überlegen konnte, und da war er, überall auf ihrem Bildschirm: Bilder und Artikel, einer nach dem anderen.

Was tue ich nur?

Er hatte bestimmt kein Interesse an ihr. Warum auch? Er war ein stinkreicher Geschäftsmann, dessen Leben sich in ganz anderen Kreisen abspielte als ihres.

Doch das Wissen darum hielt sie nicht davon ab, weiterzulesen, und löschte auch nicht den Funken, den er in ihr entzündet hatte.

Sophia lächelte schwach. Zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie die Fantasien ihrer Freundinnen.

Schade nur, dass sie zu klug war, um zu träumen, zu zynisch, um sich vorbehaltlos den Gefühlen hinzugeben, die Jack in ihr wachrief. Allein hier in ihrem Büro konnte sie der Illusion erliegen, dass sie im tiefsten Inneren nicht tot und erfroren war.

Jack war ratlos.

Er hatte sich mit den unerwarteten Schwierigkeiten bei der Übernahme auseinandergesetzt und Ms. Archer beruhigt, sodass sie nicht sofort ihre Koffer gepackt, sondern sich entschieden hatte, ihnen noch eine Chance zu geben; hatte Lily ins Bett gebracht. Aber die letzten Worte seiner Tochter, als er ihr eine gute Nacht gewünscht hatte, hallten in ihm wider.

Wann können wir Fia sehen?

Von Lily abgesehen, hatte er an wenigen Menschen ein aktives Interesse. Das letzte Mal, als jemand mehr von ihm gewollt hatte, hatte er sich als Enttäuschung erwiesen. Lange vor dem Unfall, lange vor Lily. Er hatte versucht, Elena glücklich zu machen, aber es hatte nie gereicht. Er hatte nicht gereicht.

Jack fuhr sich mit der Hand durchs Haar und beugte sich auf seinem Stuhl vor, griff nach der Whiskykaraffe, die auf dem Schreibtisch stand, und goss sich einen Schluck ein.

Nie wieder wollte er in eine solche Situation geraten. Er war in Armut aufgewachsen. Mit sechs Jahren war er in staatliche Obhut gekommen, weil seine drogensüchtige Mutter sich nicht mehr um ihn gekümmert hatte. Als er neun gewesen war, war sie an einer Überdosis gestorben. Und bald danach, auf seiner langen Reise von einer Pflegefamilie zur nächsten, hatte er begriffen, dass er nur dann die Kontrolle über sein Leben haben würde, wenn er sich finanziell unabhängig machte.

Also hatte er sich auf das Lernen konzentriert, auf eine gute Ausbildung. Und dann war er Elena begegnet, ebenfalls ein Pflegekind. Sie hatten eine Zeit lang in der gleichen Familie gelebt. Zwischen ihnen war ein enges Band entstanden, das niemand zerstören konnte.

Er hatte ihr geschworen, sie mitzunehmen, sich um sie zu kümmern. Sie beide würden ihrem harten Schicksal entkommen. Elena hatte ihn geliebt und er sie – soweit er dazu in der Lage war. Allerdings war im Laufe der Zeit, zumindest für ihn, eher eine Freundschaft daraus geworden, obwohl ihm das nicht gleich klar gewesen war.

Als sie ihn gefragt hatte, ob sie heiraten wollten, hatte er es schon gewusst, es aber nicht ertragen, ihr die Wahrheit zu sagen. Und dann war sie schwanger geworden, und Jack hatte gewusst, dass er es ihr niemals würde anvertrauen können.

Er hatte seine eigenen Gefühle unterdrückt und sich geschworen, für sie da zu sein. Sie hatten geheiratet und Lily bekommen. Jack hatte sich in die Arbeit gestürzt, Überstunden gemacht und war auf Geschäftsreisen gegangen – teils aus Gewohnheit, teils, um ihr aus dem Weg zu gehen. Natürlich hatte es ihre Beziehung belastet. Elena hatte mehr von ihm gewollt: mehr Zeit als Vater, mehr Zeit als Partner, mehr Liebe.

In der Nacht des Unfalls hatte er lange gearbeitet und wieder einmal das Versprechen gebrochen, rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein. Elena hatte das Essen für ihn auf dem Tisch stehen lassen und war mit Lily in den Park gegangen … Als er aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen war, Lily in den Armen, war alles dunkel gewesen, kalt und still.

Jack kippte den Whisky herunter.

Elena war einsam gewesen, und das war seine Schuld. Sie hatte ihn geliebt, und wie hatte er es ihr vergolten?

Nein, er verdiente die Liebe eines anderen Menschen nicht. Außer vielleicht die von Lily. Ihr schenkte er auch seine Liebe, bedingungslos. Seine Tochter hatte absolute Priorität.

Aber warum wollte er dann unbedingt Sophia wiedersehen, wenn dadurch alles nur komplizierter werden würde?

Er umklammerte das Whiskyglas und starrte auf die Londoner Skyline. Die Aussicht allein machte das Penthouse zu einer der begehrtesten Suiten Londons, aber an ihn war sie verschwendet.

Was würde Ms. Lambert wohl dazu sagen?

Er beschwor ihr Bild herauf – ihre helle Haut mit den zarten Sommersprossen, ihre leuchtend blauen Augen, ihr rotbraunes Haar, das er vor sich auf dem Kissen ausgebreitet sehen konnte … Die Hitze einer Anziehungskraft, die er sehr lange nicht gespürt hatte, vertrieb die Kälte.

Ausgerechnet in dieser Stadt, Elenas Stadt.

Er hasste London. Hier waren sie zu Hause gewesen, hier war sie gestorben.

Allerdings war es kein Hass gewesen, den er bei Sophia Lamberts Anblick empfunden hatte. Nein, ganz im Gegenteil.

Das war der Grund, weshalb er nicht schlafen konnte. Aber allein im Penthouse zu sitzen half auch nicht. Er hätte besser ins Fitnessstudio gehen sollen, statt Whisky zu trinken, aber nun, nach zwei Gläsern, stand das nicht mehr zur Debatte.

Vielleicht sollte er sich lieber in die Hotelbar setzen. Der Anblick anderer Menschen würde ihn vielleicht von der Vergangenheit ablenken – und von der gefährlichen Ms. Lambert.

Elf Uhr. Sie hätte wirklich früher gehen sollen.

Stattdessen hatte sie sich in dem Rätsel Jack McGregor verloren.

Waise, verheiratet mit seiner Jugendliebe, Selfmade-Milliardär. Es war das reinste Märchen. Die Medien hatten alle persönlichen Details, deren sie hatten habhaft werden können, ausgeschlachtet, selbst den Drogentod seiner Mutter.

Sophia empfand schmerzliches Mitgefühl, als sie weiterlas. In den letzten Jahren war es ruhig um ihn geworden. Keine Gerüchte über sein Privatleben, keine Bilder von seiner Tochter. Es ging immer nur um geschäftliche Dinge oder wohltätige Zwecke. Ihre stille Bewunderung wuchs.

Wie es wohl wäre, mit ihm am Tisch zu sitzen, ihn kennenzulernen und zu erfahren, wie er geworden war, wer er war – wie es war, alles zu erreichen und die Person, die einem am nächsten stand, zu verlieren? Er hatte seine Frau verloren.

Sophia rieb sich die Augen. Weinen half nichts, das hatte sie über die Jahre gelernt. Es änderte nichts.

Sie war einfach nur müde. Zeit, heimzugehen, sich ein Glas Rotwein einzuschenken und ein heißes Bad zu nehmen, statt sich weiter mit dem faszinierenden Jack McGregor und seiner persönlichen Tragödie abzulenken.

Sophie fuhr den Computer herunter und stand auf, hängte sich ihre Handtasche um und verließ ihr Büro.

Auf halbem Weg durch die Lobby fiel ihr Blick auf die Bar und die einsame Gestalt, die dort saß. Selbst aus der Distanz konnte sie Jack McGregor erkennen.

Er lehnte in einem der bequemen Sessel, einen Drink in der Hand und die Beine übereinandergeschlagen: Der Knöchel des einen Beins ruhte auf dem Knie des anderen. Jackett und Krawatte hatte er abgelegt, und der oberste Hemdknopf stand offen. Doch die vermeintlich entspannte Pose täuschte. Er starrte grübelnd die Pianistin an, die in der Ecke an einem Konzertflügel spielte. Seine Stirn lag in Falten, und er strich sich abwesend mit dem Zeigefinger über die Lippen.

Sie hätte weitergehen sollen, nur leider waren ihre Füße wie festgewachsen. Und dann hielt er inne und wandte den Kopf, sodass sich ihre Blicke trafen. In Sophias Magen begann es zu kribbeln, und sie versuchte ein Lächeln. Dann nickte sie, wie um ihm eine gute Nacht zu wünschen, aber statt das Gebäude zu verlassen, ging sie auf ihn zu.

Warum sie das tat, wusste sie nicht. Ihr Körper schien auf einmal einen eigenen Willen zu haben.

„Sophia.“ Er erhob sich. „Schön, Sie wiederzusehen.“

Seine Worte ließen ihr Herz unwillkürlich schneller schlagen, ob sie nun ehrlich gemeint waren oder nicht.

„Gleichfalls.“ Sie deutete auf den Drink, den er auf dem Tischchen neben sich abgestellt hatte. „Ein kleiner Umtrunk?“

„Das Beste, was die Bar zu bieten hat. Wollen Sie sich mir nicht anschließen?“

Als er sie ansah, erstarben die ablehnenden Worte auf ihren Lippen.

„Ich möchte nicht stören“, hörte sie sich sagen.

„Das tun Sie nicht.“

Sie warf einen Blick zurück in Richtung Lobby, in Richtung Eingang.

„Wenn überhaupt, lenken Sie mich von meinen Gedanken ab, und das ist alles andere als etwas Schlechtes.“

Sie schaute ihn an. In seinem Gesicht – den Fältchen um seine Augenwinkel, dem stürmischen Grau seiner Augen – las sie den gleichen Schmerz und die gleiche Sehnsucht nach einer Ablenkung, die auch sie empfand. „Es ist spät. Ich sollte nach Hause gehen.“

„Einen einzigen Drink? Als Dankeschön für Ihre Hilfe heute.“

Sie hätte Nein sagen sollen. Er war ein Kunde, und das hier war ihr Hotel. So etwas gehörte sich nicht. Allerdings war die Stimme der Vernunft, auf die sie vorhin noch gehört hatte, jetzt leiser, vielleicht wegen der späten Stunde, des gedämpften Lichts in der Bar und der intimen Atmosphäre.

„Okay.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem zögernden Lächeln. „Ein kleines Glas Shiraz, bitte.“

Bei seinem Grinsen spürte sie ein nervöses Zittern.

„Wunderbar, setzen Sie sich.“

Sophia folgte seiner Aufforderung, setzte sich auf einen Stuhl, der seinem gegenüberstand, und versuchte, sich zu entspannen.

„Ich hoffe, ich halte Sie nicht von etwas Wichtigem ab?“ Er war zurück und nahm wieder Platz.

Sophia lachte. Es war seltsam. Dies war ihr Hotel, aber er schien sich hier wohler zu fühlen als sie.

Sie legte ihren Mantel über die Stuhllehne und schlug die Beine übereinander – ein Versuch, genauso souverän zu wirken wie er, auch wenn sie es nicht war.

„Falls Sie herausfinden wollen, ob ein Partner auf mich wartet … Nein, keine Sorge.“

„Gut.“

Gut?

Sie kniff die Augen zusammen. „Flirten Sie etwa mit mir, Mr. McGregor?“

Du lieber Himmel, was sagte sie da?

Dabei ging ihr auf, dass sie wollte, dass er mit ihr flirtete.

Sein tiefes Lachen ging ihr durch und durch. „Nennen Sie mich Jack. Und, ja, ich schätze schon.“

Sophia legte den Kopf auf die Seite. Sein Tonfall und sein Zögern weckten ihre Neugier. Er wirkte sonst so selbstsicher! Aber vielleicht war sie nicht die Einzige, die mit der erstaunlichen Anziehung zwischen ihnen zu kämpfen hatte …

„Warum habe ich den Eindruck, dass Sie das selbst überrascht?“, fragte sie.

Er hielt ihren Blick fest. „Um ganz ehrlich zu sein, ich bin ein bisschen eingerostet.“

„Dann haben wir etwas gemeinsam.“

„Das kann ich mir bei einer Frau wie Ihnen kaum vorstellen.“

„Kann man einrosten, wenn man nie wirklich angefangen hat?“

Sie starrten sich an, und es lagen unzählige unausgesprochene Worte in der Luft.

„Jack, ich …“ Sophia brach ab, als der Barkeeper ihr den Drink brachte. „Danke, Peter.“

Sie hob das Glas und nahm einen Schluck. Versuchte, einen Weg zu finden, Jack zu sagen, dass sie sonst nie flirtete. Oder sich verabredete. Schon gar nicht mit Kunden. Aber als sie ihn ansah, musste sie um Worte ringen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das hier eine kluge Idee ist“, vervollständigte sie dann ihren Satz.

„Nein“, sagte er leise. „Da haben Sie wahrscheinlich recht.“

Enttäuschung durchflutete sie. Sie nahm noch einen Schluck Wein.

„Und trotzdem haben Sie die Einladung angenommen.“

Ihre Wangen wurden warm. „Es wäre unhöflich gewesen, es nicht zu tun.“

„Ist das der einzige Grund: dass Sie nicht unhöflich sein wollten?“

Nein, natürlich war es nicht der einzige Grund. „Ich wollte mich erkundigen, wie es Lily und Ms. Archer nach dem kleinen Abenteuer heute geht.“

„Es geht ihnen gut, danke der Nachfrage.“ Seine Lippen kräuselten sich leicht, und das Funkeln in seinen Augen sagte ihr, dass er ihre Lüge durchschaut hatte. „Mir allerdings nicht.“

„Wirklich?“ Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist denn?“

„Wie es scheint, habe ich meine Tochter schwer enttäuscht.“

Sie ahnte schon, worauf er hinauswollte. Eigentlich sollte sie es unterbinden. „Und wieso?“

„Sie ist begeistert von Ihnen und nimmt es mir übel, dass es mir nicht gelungen ist, Sie zu einem Abendessen zu überreden.“

Sophia musste lachen. „Warum nur klingt es, als wären Sie und Ihre Tochter daran gewöhnt, immer Ihren Willen zu bekommen?“

„Weil wir das sind.“ Er zuckte mit den Schultern. Sein lässiges Grinsen setzte sie in Flammen. „Was soll ich sagen? Gegen den berühmten Charme der McGregors sind die meisten Menschen machtlos.“

„Der Charme der McGregors?“ Sie lachte wieder. Irgendwie gelang es Jack zuverlässig, ihre Stimmung zu heben.

„Was denn?“ Er hob die Augenbrauen. In seinen Augen funkelte der Schalk. „Wollen Sie seine Existenz etwa in Zweifel ziehen?“

„Moi?“ Sie presste sich eine Hand auf die Brust. „Niemals.“

Er lachte erneut. „Sie könnten mir helfen, wissen Sie.“

Sophia erstarrte. „Wollen Sie mich etwa noch einmal zum Abendessen einladen?“

„Würden Sie denn diesmal Ja sagen?“

Sein hoffnungsvoller Gesichtsausdruck raubte ihr die Widerstandskraft. „Zu einem Abendessen mit Ihnen und Lily?“

„Ja, sie kann als Anstandswauwau fungieren.“

„Brauchen wir denn einen?“

Etwas blitzte in seinen Augen auf, und Hitze durchlief Sophia von Kopf bis Fuß, als ihr klar wurde, dass sie ihre voreiligen Worte nicht zurücknehmen konnte – und es auch nicht wollte.

„Also, wie lautet Ihre Antwort?“

Was sollte sie sagen?

Nein, weil mir das, was zwischen uns passiert, Angst macht.

Nein, weil mein Leben so ein Chaos ist und ich nicht bereit bin für … was auch immer.

Nein, einfach nein.

„Wissen Sie, ich beginne, die Wirkung meines Charmes infrage zu stellen.“ Als er sie angrinste, löste sich jede Absicht, seine Einladung abzulehnen, in Wohlgefallen auf.

Und welchen logischen Grund gab es auch, sein Angebot auszuschlagen?

Sie genoss seine Gesellschaft, und sie mochte Lily. Wäre ein Abendessen wirklich so schlimm?

Was konnte schon passieren, solange seine Tochter dabei war?

Sophia lächelte und hob ihr Glas an die Lippen. Sie genoss die Spannung, die Vorfreude.

„Kommen Sie schon. Versüßen Sie Lily und mir den Tag.“

Später würde sie es bestimmt bereuen, aber …

„Okay, Jack. Einladung angenommen.“

3. KAPITEL

Es war ein schlimmer Freitagabend, und sie war spät dran. Viel zu spät. Um halb sieben hatte sie Jack in der Lobby treffen wollen, aber jetzt war es schon sieben, und sie musste ihn anrufen und ihm sagen, dass sie sich noch eine weitere halbe Stunde verspäten würde.

„Jack, es tut mir schrecklich leid“, stieß sie hervor, sobald er dranging. „Ich komme hier nicht weg.“

„Schon okay.“

Im Hintergrund hörte sie Lily aufgeregt fragen, ob das Fia sei. Sie schloss kurz die Augen und unterdrückte ihre Schuldgefühle.

„Wollen wir den Termin verschieben?“, bot sie an.

Sie verzog das Gesicht, während sie auf eine Antwort wartete.

„Nein, wir bleiben dabei. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie so weit sind.“

Ihre Schultern sanken herab. „Aber es ist schon nach sieben. Lily muss bestimmt bald ins Bett.“

„Darum kümmere ich mich schon.“

„Okay.“ Sie legte auf. In Wirklichkeit war es ganz und gar nicht okay.

Sie wusste, sie durfte sich dieser Fantasie nicht hingeben.

Sie war Sophia Lambert, und es war ihr Schicksal, allein zu sein, und zwar aus dem gleichen Grund, weshalb sie nicht nach Hause gehen und ihre Eltern besuchen konnte: Sie würden sie in den Arm nehmen und so tun, als ob sie ihr verziehen, und das wiederum könnte sie nicht ertragen.

Je mehr Abstand sie von anderen Menschen hielt, desto unwahrscheinlicher war es, dass sie wieder einen solchen Verlust erleben musste. So lebte sie ihr Leben. So musste sie es leben.

„Sophia, wenn ich gewusst hätte, dass Sie Pläne für heute Abend haben, hätte ich Sie hiermit gar nicht belästigt“, sagte Andrew. „Wir wären auch allein damit fertiggeworden.“

Das stimmte. Dennoch war sie hier und bestand darauf, das Problem persönlich zu lösen – weil es ihr einen Aufschub gewährte.

„Das weiß ich.“ Sie schenkte Andrew ein beruhigendes Lächeln. „Aber Sie sollten längst zu Hause sein. Cassie wartet auf Sie.“ Freitagabends aß er mit seiner Frau warm zu Abend, und Sophia wusste, wie wichtig den beiden diese Tradition war. „Gehen Sie schon“, beharrte sie.

Resigniert schüttelte er den Kopf. „Okay, aber suchen Sie jemanden, dem Sie die Aufgabe übertragen können, und machen Sie hier Schluss. Auch Sie müssen sich einmal amüsieren.“

Andrew machte sich unnötig Sorgen. Ihr ging es gut. Und wenn der Abend vorbei war, würde ihr Leben wieder normal verlaufen. Warum hatte sie der Verabredung überhaupt zugestimmt?

Eine alberne Frage. In Jacks Gegenwart konnte sie nicht klar denken.

Erneut klingelte ihr Telefon.

Zeit, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.

Es war fast acht, als sie dazu kam, wieder an Jack und Lily zu denken. Oder vielmehr, als sie sich erlaubte, an sie zu denken, nachdem sie sich die ganze Zeit hatte zwingen müssen, es nicht zu tun.

Lily hatte das nicht verdient. Und Jack auch nicht. Es war nicht seine Schuld, dass er sie so durcheinanderbrachte.

Sie nahm den Hörer ab und wählte die Nummer seiner Suite.

„Ja?“

„Hi.“ Sie schluckte. „Ich bin es, Sophia.“

„Hey.“

Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.

„Ich bin so weit.“ Sie klang außer Atem. Irgendwie bekam sie nicht genug Luft. Nervosität oder Aufregung?

„Wunderbar, wir treffen uns in fünf Minuten in der Lobby.“

„Wunderbar“, wiederholte sie, legte auf und starrte das Telefon ungläubig an.

Hatte sie sich wirklich gerade darauf eingelassen, mit einem Mann essen zu gehen, der einem der Liebesromane hätte entsprungen sein können, die sie so gern mochte? Alleinerziehender Vater trifft einsame Hotelmanagerin. Sie konnte es geradezu vor sich sehen.

Zum ersten Mal in ihrem Leben würde Sophia ein Risiko eingehen. Sie würde sich amüsieren, ganz beruhigt in Lilys Gegenwart, und morgen wäre alles wie vorher. Nichts einfacher als das.

Als sie die Lobby betrat, war niemand dort. Doch dann kam der Lift, und als sich die Türen öffneten, sah sie Jack. Sophia war so von seinem Anblick gefesselt, dass sie Lilys Abwesenheit gar nicht bemerkte, bis er auf sie zukam, selbstbewusst und elegant in seinem Designeranzug und dem weißen Hemd, dessen oberster Knopf offen stand, die dunklen Augen auf sie gerichtet.

Sie runzelte die Stirn. „Keine Lily?“

Er blieb vor ihr stehen. „Sie hat schon zu Abend gegessen und liegt im Bett, wie sich das gehört. Aber ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung. Ähm … Sie wissen, was ich meine.“

Ihre Wangen wurden heiß, und die Wärme breitete sich bis in ihren Magen aus. „Sie hätten mit ihr zusammen essen sollen. Wir hätten den Termin wirklich verschieben können.“

„Keine Chance.“ Er verzog das Gesicht und fuhr sich mit der Hand durch das ungebändigte Haar. „Ich habe es erst geschafft, sie ins Bett zu stecken, nachdem ich ihr versichert hatte, ich würde auf jeden Fall mit Ihnen essen gehen.“

Ihr Lachen geriet ein bisschen zittrig. „Sie wickelt Sie um den kleinen Finger.“

„Tun Töchter das nicht immer?“

Sie dachte an ihren eigenen Vater, verdrängte dann aber den Gedanken. „Ich hoffe, sie war nicht zu enttäuscht.“

„Nein. Aber sie möchte, dass wir die Verabredung nachholen.“

Sophias Herz setzte einen Schlag aus. Auf den kurzen Moment der Euphorie folgte Panik. „Nachholen?“

„Erschreckt Sie die Idee so sehr?“

„Es tut mir leid. Ich habe nur gerade gedacht … Sicher haben Sie wichtigere Dinge zu tun, während Sie hier in London sind.“

„Überlassen Sie es uns, das zu beurteilen, okay?“

Leichthin gesagt und von einem bewundernden Blick begleitet, verliehen ihr seine Worte fast das Gefühl, sie sei es wert, dass ein Mann wie er sich mit ihr verabredete.

„Wollen wir?“ Er legte den Arm um sie. Seine Handfläche ruhte auf ihrem unteren Rücken. Die Wärme seiner Berührung war beruhigend, und Sophia ging, ohne zu protestieren, mit ihm zur Tür.

Schadete es etwas, wenn sie eine Nacht lang so tat, als wäre alles möglich, als wäre es ein richtiges Rendezvous? Konnte sie sich darauf einlassen? Seine Finger strichen leicht über ihre Wirbelsäule, erinnerten sie an seine Gegenwart. Einen Moment lang hielt sie den Atem an.

Wenn es sich so gut anfühlte, sich darauf einzulassen, wie konnte sie sich dann dagegen wehren?

„Ich hoffe, Sie essen gern chinesisch?“

„Hmm?“ Es war alles, was sie herausbrachte. Ihre Beine waren wackelig.

„Es ist eins meiner Lieblingsrestaurants.“

„Ach so.“ Du liebe Güte, Sophia, was soll das werden? „Ich bin so ausgehungert, ich könnte alles verschlingen.“

Sie sah, wie er die Augenbrauen hob, und schaute schnell wieder geradeaus. Dachte er, sie hätte von ihm gesprochen? Sie verschluckte sich beinahe und wandte sich rasch an den Portier. „Guten Abend, Henry.“

„Ms. Lambert.“ Er öffnete ihnen die Tür und lächelte. „Einen schönen Abend.“

„Danke“, sagte Jack. Dann wandte er sich an Sophia. „Ich würde vorschlagen, den Mantel überzuziehen, aber mein Fahrer wartet gleich um die Ecke, und im Auto ist es warm.“

Er deutete auf ein elegantes schwarzes Auto, dessen Chauffeur in Livree ihnen bereits die Tür aufhielt.

Wow. Oft genug hatte Sophia hier gestanden und wohlhabende, einflussreiche Gäste begrüßt, sich gefragt, wie sie wohl lebten. Jetzt fühlte sie sich beinahe wie eine von ihnen.

Für ein paar Stunden konnte ihr die Realität gestohlen bleiben.

Jack wartete, bis sie ihren Platz auf der Rückbank eingenommen hatte, dann setzte er sich in gebührendem Abstand neben sie. Dennoch brachte ihre Nähe seinen Puls zum Hämmern, wie es ihm seit Ewigkeiten nicht geschehen war … oder noch nie.

Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Sophia mit ihren Fingern spielte und aus dem Fenster blickte, während der Chauffeur auf die Hauptstraße abbog.

Sie trug ein ähnliches Kleid wie am Tag zuvor, hatte aber ihren Anstecker abgenommen. Ihr Haar war hochgesteckt, ihr Make-up sehr dezent. In ihren Ohren steckten kleine Perlentropfen, die ihren langen, schlanken Hals betonten. Sophia besaß eine natürliche Anmut, die ihr Eleganz verlieh.

Er musste nur daran denken, dass das hier kein Date war, sondern etwas, was er für Lily tat.

„Irgendetwas sagt mir, dass Sie oft Überstunden machen.“ Es war als Ablenkung gedacht, aber als Sophia ihn ansah und der Schalk in ihren Augen funkelte, konnte Jack nicht länger leugnen, dass er hier war, weil er das wollte.

Er wollte sie zum Abendessen ausführen, ganz egal, ob das klug war.

„Irgendetwas sagt mir, dass Sie das auch tun.“

Er nickte grinsend. „Da haben Sie recht.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich vermute, Sie sind geschäftlich in London?“

„Ja, richtig. Ich hatte gehofft, nur eine Woche bleiben zu müssen, aber es sieht aus, als würden es eher zwei werden.“

Sie runzelte ein wenig die Stirn. „Brennen Sie so darauf, wieder von hier wegzukommen?“

„Ist das so offensichtlich?“

Sie haben gerade gesagt, Sie hätten gehofft, früher abreisen zu können.“

Jack musste ein Stirnrunzeln unterdrücken, als er an den Grund dachte, weshalb er nicht hier sein sollte. Er wollte nicht daran denken. Besonders jetzt nicht, da sie miteinander allein waren.

Und da waren sie wieder, die Schuldgefühle, die Gedanken an Elena und sein Versagen. Jack starrte aus dem Fenster, und London starrte zurück. Er atmete tief ein und aus, zwang sich zu Gleichmut. „Ich mag London nicht besonders.“

Sophia schaute ihn an, offensichtlich war sie neugierig. Doch er sah nur sie, ihre natürliche Schönheit, ihre Anziehungskraft, die ihn bis ins Innerste wärmte. Sie machte London ein bisschen weniger grau.

„Aber vielleicht ist es nicht so schlecht, wenn wir ein bisschen länger bleiben. Lily jedenfalls gefällt die Idee.“

Sophia nickte. „Sie ist ein tolles Kind.“

„Das ist sie.“

„Nehmen Sie sie oft mit auf Reisen?“

„Sehr häufig.“

„Und wo sind Sie zu Hause, wenn Sie nicht unterwegs sind?“

Zu Hause? Nirgends. Nicht seit London, seit Elena.

Kalter Schweiß brach ihm aus, und er schaute aus dem Fenster, um Sophias aufmerksamem Blick zu entgehen.

„Wir haben keinen festen Wohnsitz“, antwortete er und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Ich unterhalte Büros in vielen Teilen der Welt und reise, wohin es gerade nötig ist.“

Sophia schwieg eine Weile. „Lily hat sicher viel von der Welt gesehen“, sagte sie dann. „Wie alt ist sie?“

„Fünf, bald wird sie sechs.“ Lily freute sich darauf. Geburtstage wurden jetzt immer wichtiger. Gerade gestern Abend hatten sie zusammen die Nächte gezählt, die sie noch schlafen musste, bis es endlich so weit war.

„Ein Geburtstag – wie wunderbar. Und was wünscht sie sich?“

„Ein Pony.“

Sophias Lachen erfüllte das Auto, vertrieb den Rest seiner inneren Unruhe. „Alle kleinen Mädchen haben so eine Phase.“

„Hatten Sie die auch?“

„Ja, meine Schwester und ich …“ Ihre Stimme schwankte auf einmal; sie schüttelte den Kopf und schluckte. Als sie ihn wieder ansah, glänzten ihre Augen verdächtig. Dennoch lächelte sie. „Wir haben darum gebettelt. Wir hätten uns sogar eins geteilt.“

Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Sie sah so schön aus – und so traurig. „Und, hat man Ihnen den Wunsch erfüllt?“

Sophia schüttelte den Kopf, und ihm war klar, dass die Tränen in ihren Augen nichts mit dem Pony zu tun hatten. Er wollte fragen, was los war, aber das würde sie vielleicht nur noch trauriger stimmen.

Ihr Blick machte ihm zu schaffen. Er wollte … was? Sie trösten? Sie ablenken?

Sein Blick fiel auf ihre Lippen. Er spürte die Anziehungskraft wie Magnetismus, der sich von einem Moment auf den anderen exponentiell verstärkte und sie beide einhüllte. Fühlte sie es auch?

„Also …“ Der Klang ihrer Stimme brachte Jack dazu, den Blick zu heben. Ihre Wimpern flatterten, und ihr Atem kam ein wenig zittrig. Sie musste sichtlich darum kämpfen, sich zusammenzureißen. „Bekommt sie ein Pony?“

Sein Lachen war ein kurzes, scharfes Bellen. Er versuchte, sich entspannt zurückzulehnen. Was war nur los mit ihm? Sonst beeindruckten ihn schöne Frauen nie so sehr.

Vielleicht war es der Hauch von Trauer, von Verwundbarkeit, den er bei ihr sah. Es war etwas, was er verstehen konnte, weil es sie beide verband.

„Wohl kaum.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar und schaute aus dem Fenster. „Ponys passen nicht in einen Koffer, und sie braucht keins – nicht, wenn ich für sie letztes Jahr schon ein ganzes Gestüt gekauft habe.“

„Sie haben was?“, stieß Sophia hervor, der Ausruf halb ungläubiges Lachen, halb schockiertes Keuchen.

„Letztes Jahr hat sie sich ein Pferd gewünscht.“ Jack zuckte mit den Schultern. „Ich hielt es für eine gute Geldanlage.“

„Ich glaube nicht, dass es ihr um das Geld ging.“

Jetzt grinste er. „Nein, das stimmt. Aber eins der Pferde ist nach ihr benannt, und manchmal darf sie darauf reiten.“

„Ah … okay.“ Sophia lächelte und nickte. Ihre Augen funkelten.

„Was denn?“

„Denken Sie nicht, es geht ihr eher um ein Haustier – einen vierbeinigen Freund?“

„Vielleicht.“

„Ich bin überrascht, dass sie keinen Hund will …“

„Oh, den will sie auch.“

„Und?“

„Ich fürchte, auch der passt nicht in den Koffer. Es wäre dem Tier gegenüber nicht fair, es durch alle Welt zu fliegen – und dann der Papierkram, die Impfungen, das Gassigehen …“ Er schauderte. „Nein, ganz bestimmt nicht.“

Eine Falte bildete sich auf Sophias Stirn, und es machte den Eindruck, als wollte sie etwas sagen.

„Ja?“, ermunterte er sie.

„Nichts.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute wieder aus dem Fenster.

Er musste seine Augen von ihrem Mund abwenden, von ihrer vollen Unterlippe, die ihn dazu verlockte, sie mit dem Daumen zu berühren … sie zu küssen.

„Wenn dieser Gesichtsausdruck ‚nichts‘ bedeutet, würde ich nur zu gern sehen, wie es aussieht, wenn Sie einen echten Gedanken haben“, neckte er sie.

Ihr Lächeln war ein wenig schuldbewusst. Das machte ihn neugierig. Was ging wirklich in ihr vor?

„Es ist nicht meine Sache.“

Jack verspannte sich. „Jetzt möchte ich es aber wissen.“

„Also gut. Es kann für Lily nicht leicht sein, die ganze Zeit unterwegs zu sein.“

„Sie lernt die Welt kennen. Es gibt nicht viele Fünfjährige, die von sich behaupten können, so viele Städte gesehen zu haben wie sie.“

„Wo geht sie zur Schule?“

„Ms. Archer unterrichtet sie.“

Sophia hob die Augenbrauen. „Sie hat eine Privatlehrerin?“

„Sie sagen das, als wäre es etwas Schlechtes. Aber welche andere Option haben wir denn, wenn wir so viel reisen?“

„Na ja … es ist nur … wann trifft sie sich mit anderen Kindern zum Spielen, all so etwas?“

Er runzelte die Stirn. „Meiner Tochter fehlt es an nichts. Für ihre Sicherheit ist gesorgt, sie ist gut erzogen und, wie ich denke, auch sehr ausgeglichen.“

Sophia schüttelte leicht den Kopf.

„Aber ist es nicht ein sehr einsames Leben?“, gab sie zu bedenken. „Besonders, wenn Sie nicht einmal ein festes Heim haben.“

Lilys Heimat war dort, wo er war, deshalb nahm er sie überallhin mit. Er würde nicht wieder in alte Gewohnheiten verfallen, ständig abwesend sein und sich verspäten.

„Kinder kommen sehr gut mit Veränderungen zurecht.“ Er wusste, dass er sich ein wenig defensiv anhörte.

Er hatte Angst vor dem, was Sophia als Nächstes sagen würde, doch sie nickte nur.

„Sicher haben Sie recht. Was verstehe ich schon davon?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe selbst keine Kinder, und Lily ist wirklich wunderbar.“

Niemand hatte je zuvor seine Erziehungsmethoden infrage gestellt, seit Elena ihn damals angefleht hatte, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Und nun war er nie weit weg. Lily und er verbrachten alle Wochenenden und die meisten Abende zusammen.

Er wollte den Mund öffnen, um sich zu verteidigen, aber Sophia kam ihm zuvor.

„Und was haben Sie eigentlich gegen London?“, wollte sie wissen.

Als ihm das Blut aus dem Gesicht wich, weiteten sich ihre Augen, und sie berührte seinen Arm.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich hätte nicht fragen sollen.“

Er sprach nie darüber: über London, die Vergangenheit, Elena.

„Ich habe vom Unfall Ihrer Frau gelesen.“

„Ich spreche nicht darüber.“ Seine Stimme war angespannt.

„Das verstehe ich.“

Und Jack sah ihr an, dass sie nicht nur verstand, sondern mitfühlte … weil auch sie jemanden verloren hatte.

„Wer war es?“, fragte er, einer Eingebung folgend.

Ihre Lippen öffneten sich, und sie stockte einen Moment.

„Wie bitte?“, fragte sie dann.

„Auch Sie haben einen Verlust erlitten.“ Er legte seine Hand auf ihre, die immer noch auf seinem Arm lag. „Ich sehe es Ihnen an, Sophia. Sie müssen nicht darüber sprechen, wenn Sie nicht wollen, aber …“

Sie holte tief Luft. Ihre Finger zitterten.

„Meine Schwester“, antwortete sie dann leise.

„Wann war das?“

Sie blinzelte Tränen zurück. „Vor zehn Jahren.“

„Und doch fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen, nicht wahr?“

Sie nickte.

„Es spielt keine Rolle, wie viel Zeit vergeht“, sagte er. „Immer wenn ich nach London zurückkehre …“ Er drückte ihre Hand ganz leicht. „Es tut mir leid, das mit Ihrer Schwester. Was ist geschehen?“

Sie erstarrte. Jack verfluchte seinen Mangel an Taktgefühl, aber er wollte es wissen, auch wenn sie kaum mehr als Fremde waren.

Er war ein Heuchler. Obwohl er selbst nicht über Elena sprechen wollte, drängte er Sophia, ihm von ihrer Schwester zu erzählen.

„Es war ein Unfall. Mit dem Schlitten. Gestern vor zehn Jahren.“ Sie zog ihre Hand fort, verschränkte ihre Hände im Schoß und blickte darauf herab. „Und es war meine Schuld. Ich war mit ihr unterwegs, während unsere Eltern bei Freunden waren. Eigentlich hätten wir nach einer Stunde zurück sein sollen, aber es machte einfach zu viel Spaß, und sie flehte mich an, es sie allein versuchen zu lassen, nur ein einziges Mal … Ich dachte, es würde schon gut gehen. Also habe ich sie in den Schlitten gesetzt und ihr Anschub gegeben.“ Sie brach ab. Ihr ganzer Körper bebte. „Der Schlitten ist aus der Bahn geschleudert, und sie ist mit dem Kopf auf einen Stein aufgeschlagen.“

Jacks Magen verkrampfte sich, als er sich die Szene vorstellte. „Wie alt war sie?“

„Erst sieben.“

Sieben. Kaum älter als Lily. Der Schmerz, den sie fühlte, war auch seiner. Er konnte sich nicht länger zurückhalten, sondern griff nach ihrer Hand.

„Es ist nicht Ihre Schuld“, versicherte er. „Es war ein Unfall. Ein tragischer Unfall. Das müssen Sie doch wissen?“

„Aber wenn ich nicht mit ihr losgezogen wäre, wenn wir drinnen geblieben wären, wenn ich sie nicht allein hätte fahren lassen, ihr keinen Anschwung gegeben hätte …“ Sophia verstummte.

Jack hielt ihre Hände. „Rückblickend würde man immer alles anders machen. Wir können aus der Vergangenheit lernen, Sophia, aber ändern können wir sie nicht.“

Er sollte sich dasselbe sagen. Nur, dass er es verdiente zu leiden. Sie nicht. Vielleicht war es das Schuldgefühl, das sie beide verband, nicht allein der Verlust.

Sophia wandte den Kopf und sah ihn an, dann atmete sie tief ein und wieder aus.

„Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie damit belaste“, entschuldigte sie sich. „Lassen Sie uns lieber …“

Er drückte ihre Hände. „Ich wollte es wissen.“

Während sie beide schwiegen, wurde sein Wunsch, sie tröstend an sich zu ziehen, immer stärker.

Sophia schüttelte schwach den Kopf. „Normalerweise rede ich nicht über die Vergangenheit.“

„Es ist nicht gut, alles in sich hineinzufressen.“

Sagt der Mann, der nie über Elena spricht.

Sophia sollte sich nicht schuldig fühlen. Jack dagegen hatte sich schuldig gemacht und konnte kein Mitgefühl akzeptieren, keine Vergebung. Und keine Liebe.

Gegenüber Elena hatte er sich unfähig erwiesen, jemanden zu lieben, und als unwürdig noch dazu. Er hatte sie nicht verdient. Und Sophia verdiente er auch nicht.

Langsam zog er seine Hände zurück und lehnte sich erneut in seinem Sitz zurück.

Er verdiente niemanden.

4. KAPITEL

Sophia war im Paradies.

Das war die einzige Beschreibung, die der Umgebung und dem Mann, der ihr gegenübersaß, gerecht wurde. Auch wenn sie sich noch so oft daran erinnerte, dass es eine einmalige Sache war, ein Dankeschön, weil sie seine Tochter gefunden hatte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr das Ganze zu Kopf stieg.

Das Restaurant, in dem sie saßen, kannte jeder in ihrer Branche. Es war vielfach ausgezeichnet worden, und man wartete Monate auf einen Tisch. Dass Jack trotzdem kurzfristig einen bekommen hatte, überraschte sie nicht. Das Personal jedenfalls behandelte sie, als wären sie königlichen Blutes.

Sophia genoss ihr dekadentes Schokoladendessert. Und – diskret – den Anblick des Mannes, der es ihr empfohlen hatte.

Den Löffel auf dem Weg zum Mund, hielt sie inne, als sich ihre Blicke trafen. Jack beobachtete sie, und die Intensität seines Blicks trieb ihren Puls in die Höhe.

„Was?“ Sie ließ den Löffel sinken.

„Das Essen schmeckt Ihnen.“

Das war eine schlichte Feststellung, dennoch brannten ihre Wangen. „Es tut mir leid.“

Im Geist hörte sie die amüsierte Stimme ihrer Mutter. Pass auf, dass du nicht noch den Teller mit aufisst!

Sie legte den Löffel ab und strich sich mit der Hand über den Bauch. An ihre Familie zu denken verdarb ihr den Appetit. Dabei hatte sie gerade eben noch auf Wolke sieben geschwebt und jede Sekunde des Abends genossen.

Er grinste sie an. „Wofür entschuldigen Sie sich?“ Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf die verschränkten Hände. „Es ist nett, zur Abwechslung mit jemandem zu dinieren, der nicht nur mit dem Essen spielt.“

„Sprechen Sie von Lily?“

Er lachte leise. „Nein, sie hat einen gesunden Appetit. Ich meinte …“ Er brach ab und schüttelte den Kopf.

„Ja …?“

Jack lehnte sich zurück, hob die Serviette und wischte sich den Mund ab. Sie verfolgte die Bewegung, starrte auf den Schwung seiner Lippen. Wie würde es sich anfühlen, ihre Lippen auf seine zu pressen?

Schnell hob sie den Löffel und steckte ihn in den Mund. Kein Küssen, nein. Auch kein Lecken oder Knabbern … Sie widmete ihre Aufmerksamkeit dem Dessert, konzentrierte sich auf den Geschmack und versuchte, das Kribbeln im Magen zu ignorieren. Aber es half nichts.

„Was ich sagen wollte …“ Seine Stimme klang ein wenig rauer. „Sie sind anders als die Frauen, mit denen ich normalerweise zu Abend esse.“

Ein Stich der Eifersucht durchfuhr sie. Sie überspielte es mit einem weiteren Löffel Schokoladencreme. Sie hatte kein Recht, eifersüchtig zu sein, und würde es auch nie haben.

Und doch war sie es.

„Gehen Sie häufig aus?“ Die Frage klang höflich-interessiert, wie sie es gehofft hatte, aber angesichts seines Stirnrunzelns fragte sie sich, ob sie ihm zu nahe getreten war.

„Nein.“

Die Antwort kam unvermittelt und brüsk. Dachte er wieder an seine Frau? Im Auto hatte Sophia ein Echo seiner Trauer gespürt, als sie ihm Dinge erzählt hatte, die sie zuvor keinem Menschen anvertraut hatte. Sie hatte sich mit ihm verbunden gefühlt.

„Nicht sehr oft. Mir bleibt kaum Zeit für so etwas“, fügte er hinzu. „Die Arbeit nimmt den größten Teil meines Tages in Anspruch, Lily den Rest.“

„Das glaube ich Ihnen.“ Erleichtert lächelte Sophia.

„Was ist mit Ihnen?“ Er hielt ihren Blick. Das Kerzenlicht spiegelte sich in den dunklen Tiefen seiner Augen, bis sie beinahe vergaß zu atmen. In seiner Gegenwart fühlte sie sich berauscht.

„Mit mir?“ Sie wollte ihm nicht von ihrem nicht-existenten Liebesleben erzählen.

„Ja“, beharrte er. „Sie sind wunderschön, intelligent, etwas ganz Besonderes. Ich bin sicher, Sie werden oft von Männern angesprochen.“

Das brachte sie zum Lachen. Sie bedeckte den Mund mit einer Hand. „Mr. McGregor, Sie sind wirklich charmant.“

„Ich sage nur die Wahrheit.“

Wirklich? So sah er sie?

Ihr gefiel nicht, wie ihr Körper darauf reagierte.

Doch. Natürlich gefiel es ihr, und genau das war das Problem.

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht in Verlegenheit gebracht.“

War das wirklich so offensichtlich? Oder hatte er einfach nur ein Talent dafür, sie zu durchschauen?

„Haben Sie nicht“, versicherte sie ihm und hob ihr Weinglas, um sich ein bisschen Mut anzutrinken. „Die Wahrheit ist, ich hatte noch nie ein Date.“

Er riss die Augen auf. Sein offensichtlicher Unglauben brachte ihre Wangen zum Glühen.

„Nie?“, vergewisserte er sich.

Sie schüttelte den Kopf.

„Heißt das, Ihre Beziehungen haben immer als Freundschaften begonnen, aus denen mehr geworden ist …?“ Er verstummte, als sie den Kopf schüttelte. „Keine Beziehungen? Gar keine?“

Sophia nahm noch einen Schluck Wein, obwohl sie wusste, dass die Farbe ihrer Wangen inzwischen der ihres Haars entsprechen musste.

„Ich habe immer viel gearbeitet“, versuchte sie zu erklären, dankbar, dass ihre Stimme halbwegs gelassen klang. „In der Schule, in der Universität, in meinem Beruf. Ich hatte keine Zeit dafür.“

„Aber … bestimmt gab es doch irgendwann jemanden, der …?“

Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind mein erstes Date. Mein erstes Nicht-Date, meine ich“, fügte sie schnell hinzu.

Jack betrachtete sie eingehend, ohne etwas zu sagen.

„Ist das wirklich so ungewöhnlich?“ Sie nahm noch einen Schluck Wein. „Es ist schließlich nicht so, als hätte ich drei Köpfe.“

Als er lachte, empfand sie Erleichterung. Sie wollte die Leichtigkeit zurück, die sie beim Essen begleitet hatte, während sie über die Arbeit gesprochen hatten, über Lily, ihr Lieblingsessen. Nichts Ernstes.

Unruhig rutschte sie auf ihrem Platz hin und her. Es fühlte sich an, als stünde sie vor einer Grenze, die sie nicht übertreten sollte. Auf der einen Seite war alles platonisch und freundschaftlich. Auf der anderen …

Sie wusste, auf welcher Seite ihr Körper stehen wollte: nicht auf der gleichen wie ihr Verstand.

„Nein, keine drei Köpfe.“ Jack ließ den Blick zu ihren Lippen wandern. „Aber Sie sind ausgesprochen faszinierend, Ms. Lambert.“

Jack sah, wie sich ihre Lippen öffneten und sich die Röte auf ihren Wangen vertiefte. Wusste sie wirklich nicht, wie schön sie war? Dass ihr Geständnis ihn so verblüffte, weil er nicht glauben konnte, dass eine Frau wie sie über die Jahre hinweg erfolgreich jede Beziehung vermieden hatte? Was für eine Verschwendung …

„Faszinierend?“ Sie nahm einen Schluck Wein. Nun, da ihre Unterhaltung so persönlich geworden war, leerte sich das Glas rasch. „Sie, Jack …“ Das Glas neigte sich in seine Richtung. „Sie sind wirklich ein Experte im Flirten. ‚Eingerostet‘ trifft es jedenfalls nicht.“

Das ignorierte er.

„Wie alt sind Sie?“, stellte er die Frage, die ihm inzwischen auf der Seele brannte.

„Okay, ich nehme alles zurück!“ Sie schnaubte. „Hat Ihre Mutter Ihnen nicht beigebracht, dass man eine Frau nicht nach dem Alter fragt?“

Sobald die Worte heraus waren, wich die Farbe aus ihrem Gesicht. Sie stellte ihr Glas ab und legte eine Hand auf seinen Arm.

„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Ich habe nicht nachgedacht.“

„Hey, schon okay“, versicherte er ihr. „Ich habe gelernt, mit solchen Fragen umzugehen. Heißt das, Sie haben Informationen über mich eingeholt?“

Er hob eine Augenbraue, gab sich lässig. Hoffentlich begriff sie, dass ihre Worte ihn nicht verletzt hatten.

Die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. „Vielleicht.“

„Vielleicht?“

„Okay, ja. Ich finde Sie auch faszinierend, Jack.“

Sie hielt seinen Blick fest, und ihre Worte klangen ihm in den Ohren. Touché.

„Hätten Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang, bevor ich Sie nach Hause bringe?“ Er wollte nicht, dass der Abend schon endete.

Zu seiner Erleichterung lächelte sie. „Das wäre schön. Und … ich bin vierundzwanzig.“

„Vierundzwanzig? Wow. Das ist eine ziemliche Leistung, in Ihrem Alter in einer solchen Position zu sein.“

„Jetzt klingen Sie ein bisschen gönnerhaft.“

Er lachte und gab dem Kellner zu verstehen, dass er die Rechnung bringen sollte.

„Nein, nur beeindruckt. Ich habe fast zehn Jahre länger gebraucht, um dahin zu gelangen, wo ich bin“, verriet er.

„Na ja, zu Ihnen werde ich nicht aufschließen, auch in zwanzig Jahren nicht.“ Ihr Lachen wärmte ihn durch und durch.

„Ihre Eltern müssen sehr stolz auf Sie sein“, mutmaßte Jack – und spürte das plötzliche, innerliche Erstarren, das seine Worte bei ihr auslösten.

„Ich schätze, schon.“

„Sie schätzen?“ Hatte sie auch ihre Eltern verloren, nicht nur ihre Schwester? „Es tut mir leid, aber sind Ihre Eltern … nicht mehr am Leben?“

Sophia schaute weg und strich sich mit der Hand durchs Haar. „Doch, es geht ihnen gut. Wir stehen uns nur nicht besonders nahe.“

„Wie kommt das?“ Jack verstand es nicht. Er hatte erwartet, dass sie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern hatte, und nicht damit gerechnet, sie mit seiner Frage so durcheinanderzubringen.

„Nach Amys Tod haben wir uns voneinander entfremdet.“

Sophia senkte den Blick. Er vermutete, dass sie unter dem Tisch die Hände rang, so wie vorhin im Auto.

Als Jack eine Hand auf den Tisch neben ihr Weinglas legte, schaute sie auf.

„Sie vermissen sie bestimmt“, sagte er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lily irgendwo lebt und ich ihr nicht nahe bin.“

„Ich weiß nicht.“ Wieder schaute sie auf ihre Hände. „Mein Anblick erinnert sie an das, was sie verloren haben.“

Jack schüttelte den Kopf, aber sie sah ihn nicht an.

„Wir unterhalten uns kaum. Es war anders, bevor … Damals war alles anders. Aber danach habe ich es einfach nicht ertragen.“ Sophia zuckte mit den Schultern. „Ich wollte die Anklage in ihren Augen nicht sehen.“

„Sie machen Ihnen bestimmt keine Vorwürfe“, sagte er leise.

„Aber es hat sich so angefühlt. Es war besser, ihnen aus dem Weg zu gehen.“

„Also haben Sie sich von allen zurückgezogen?“

„So ungefähr. Jetzt ist es einfach der Normalzustand.“

Ihre Stimme klang angespannt, seine eigene tief und heiser.

„Arbeiten Sie deshalb so viel?“, wollte er wissen.

Zu seiner Überraschung lächelte sie. „Versuchen Sie etwa, mich zu analysieren, Jack?“

„Ich schätze, schon.“

Sophia schüttelte den Kopf. „Ich muss nicht erfolgreich sein, damit mein Leben lebenswert ist.“ Sie schaute weg. „Aber ich schulde es Amy, etwas im Leben zu erreichen.“

„Es gibt Erfolg, und es gibt Glück, Sophia.“ Diese Worte brachten sie dazu, ihn anzusehen. In ihren Augen suchte er nach der Wahrheit. „Sind Sie glücklich?“

„Warum sollte ich das nicht sein?“, fragte Sophia achselzuckend. „Ich bin die jüngste Hotelmanagerin, die das Devereaux Leisure je hatte, und ich kann mir eine eigene Wohnung in London leisten, ohne dass jemand anders dafür bezahlt. Es gibt nicht viele Vierundzwanzigjährige, die das von sich behaupten können.“

„Aber sind Sie glücklich?“

Er kannte die Antwort, las sie in Sophias erzwungener Gleichgültigkeit, in der Art, wie ihre Finger zitterten, als sie das Glas an die Lippen hob und es leerte.

„Glücklich genug.“

„Ich glaube, Amy wäre Ihr Glück wichtiger als alles andere … und Ihren Eltern auch.“

Sie schluckte, und ihre Augen glänzten verdächtig. Auf einmal hatte er das Gefühl, zu weit gegangen zu sein.

„Okay, Sie Besserwisser“, schleuderte sie ihm entgegen. „Sind Sie denn glücklich?“

Er hätte damit rechnen sollen, dass sie den Spieß umdrehte, aber er war nicht darauf vorbereitet und konnte ihre keine ehrliche Antwort geben. Ohne hinzuschauen, legte er seine Kreditkarte auf das Metalltablett, den Blick auf Sophia gerichtet.

Und zum ersten Mal seit langer Zeit spürte er einen Hauch von Glück, einen Hauch von Gewissheit, dort zu sein, wo er hingehörte, indem er dieser Frau gegenübersaß, die so verwirrende Gefühle in ihm wachrief. Er wollte davor davonlaufen, und gleichzeitig wollte er sie mit zu sich nach Hause nehmen. Doch Letzteres konnte nur in einer Katastrophe enden.

Sie verdiente mehr, als Jack ihr geben konnte.

Warum setzt du dem Ganzen dann kein Ende?

Das konnte er nicht erklären; er handelte ausschließlich instinktiv.

Eigentlich hätte ihn das zur Flucht veranlassen sollen. Stattdessen sah er Sophia in die Augen und sagte sich, es würde schon alles in Ordnung kommen. Er musste nur vorsichtig sein. Beherrscht. Klug.

Das Firmenimperium, das er leitete, bewies, dass er diese Eigenschaften im Übermaß besaß. Obwohl er, als er sich in Sophias schönen Augen verlor, an sich zu zweifeln begann.

„Sir?“

Der Kellner. Der, wenn er Sophias amüsierten Blick richtig deutete, nicht zum ersten Mal versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Vorsichtig. Beherrscht. Klug. Zurückhaltend.

Jack zahlte und erhob sich.

„Wollen wir?“ Er bot ihr die Hand.

Sophia ergriff sie und stand auf, ohne dass ihre Blicke einander losließen.

Sie war schön, und sie war humorvoll. Ohne weiter darüber nachzudenken, beugte er sich vor und hauchte ihr ins Ohr: „Sie machen mich glücklich.“

5. KAPITEL

Als sie hinaus in die kalte Winternacht traten, zitterte Sophia. Nicht wegen des kalten Windes oder des Schneeregens, sondern wegen der Erinnerung an seinen Mund an ihrem Ohr. Es war nur eine flüchtige Berührung gewesen. Aber so machtvoll …

„Ist Ihnen kalt? Vielleicht war ein Spaziergang keine so gute Idee.“

„Nein, es ist nett, noch ein bisschen frische Luft zu bekommen. Ich habe sonst so wenig Zeit dafür.“ Sie zog ihren dicken Wollmantel fest um sich und lächelte Jack an. „Oder wollen Sie etwa kneifen?“

Er grinste, legte ihr den Arm um die Taille und entzündete damit erneut ein Feuerwerk in ihr.

„Auf keinen Fall“, versicherte er.

Sie fielen mühelos in den Gleichschritt, als täten sie das seit Jahren. Dabei war Sophia noch nie auf diese Weise mit einem Mann zusammen durch die Straßen gegangen.

Sie hielt den Kopf gesenkt und dachte an seine verstorbene Frau. Ob die beiden oft zusammen ausgegangen waren?

„Worüber denken Sie nach?“

Sein Blick verbrannte sie schier, aber sie konnte nicht antworten.

„Sophia?“

Die Art, wie er ihren Namen sagte, brachte sie dazu, aufzublicken. „Ich schätze, das hier tun Sie auch nicht besonders oft?“

„Was, spazieren gehen?“

„Ja.“

„Doch. Lily und ich gehen jeden Samstagmorgen spazieren, selbst bei Regen.“

Sie grinste. „Schlammpfützen-Tage, wie wunderbar!“

„Oh ja.“ Er kniff die Augen zusammen. „Für jemanden, der selbst keine Kinder hat, wissen Sie sehr genau Bescheid.“

„Ich war immerhin selbst mal ein Kind. Nichts ist besser als ein Paar Gummistiefel und viele tiefe Pfützen.“

Sein Lachen war ein tiefes Grollen, dessen Vibration sie tief im Inneren spürte.

„Erzählen Sie das nicht Lily, oder sie zerrt Sie beim nächsten Regenschauer in Ihrer Hoteluniform vor die Tür – ob mit oder ohne Gummistiefel“, prophezeite er.

Auch Sophia lachte. Sie konnte es sich lebhaft vorstellen. „Jederzeit.“

„Jederzeit?“, wiederholte er.

Der Gedanke, das mit Lily und ihm zusammen zu erleben, war einfach zu verlockend. Aber auch unrealistisch.

„Schauen Sie nicht so überrascht“, murmelte sie. „Ein bisschen Matsch macht mir keine Angst.“

Viel eher hatte sie Angst, dass ihr die Gesellschaft der beiden ein bisschen zu gut gefallen würde …

Jack schürzte die Lippen und nickte nachdenklich. „Und Sie scheuen auch nicht davor zurück, mit meiner Tochter unter dem Tisch Verstecken zu spielen.“

„Sie hat den Sternenhimmel erforscht.“

„Mit ihrer Taschenlampe?“

„Gehe ich recht in der Annahme, dass es nicht das erste Mal war?“, fragte Sophia statt einer Antwort.

„Sie ist davon besessen.“

„Es gibt viel Schlimmeres, wovon sie besessen sein könnte. Schleim zum Beispiel. Der kommt überallhin.“

„Die Phase haben wir auch schon durchgemacht. Sie hätten die Rechnung für die Reinigung der letzten Hotelsuite sehen sollen.“

Das versetzte Sophia jäh in Alarmbereitschaft. „Muss ich mich etwa auch darauf einstellen?“

„Ups.“ Jack zog den Kopf ein. „Einen Moment lang habe ich vergessen, mit wem ich es zu tun habe.“

Das hatte sie auch. Sie wollte jemand anders sein, die Art von Frau, mit der ein Mann wie Jack sich tatsächlich verabreden würde.

Er blieb stehen, also stoppte sie ebenfalls.

„Tun Sie, als hätte ich das nie gesagt“, forderte er sie auf.

„Hmm. Was zahlen Sie mir?“

Seine Augen verdunkelten sich, und er griff nach ihrem Arm.

„Nennen Sie Ihren Preis“, sagte er mit rauer Stimme.

Nun, sie hatte damit angefangen. Auf einmal glühten ihre Wangen.

Einen Kuss.

Sophia war sich sicher, dass er die Antwort in ihrem Gesicht las. Aber sie hatte nicht das Recht, um so etwas zu bitten, ja, überhaupt daran zu denken. Es war verrückt!

Sie drehte sich um und steuerte auf sein Auto zu.

„Der Regen wird stärker“, sagte sie. „Wir sollten umkehren.“

Nach ein paar Schritten holte Jack sie ein, legte wieder den Arm um ihre Taille, erfüllte sie mit seiner Wärme und seiner Gegenwart.

Aber das Abendessen war vorüber, und morgen würden Jack und Lily wieder nichts weiter als Gäste in ihrem Hotel sein.

„Also, was meinen Sie, Sophia?“, fragte Jack auf einmal.

Hitze erfüllte sie. Sie musste ihm noch den Preis nennen …

„Wollen Sie noch einmal mit Lily und mir zu Abend essen?“

Puh. Ihr wurde kalt, dann wieder heiß. Sie sah rasch zu ihm hinüber, bemerkte, dass er sie hoffnungsvoll anschaute, und senkte den Blick. „Ja.“

„Morgen?“

„Schon so bald?“ Es klang ein bisschen atemlos.

„Sie kennen Lily schlecht, wenn Sie denken, sie ließe sich noch länger vertrösten.“

Nervös lachte sie auf. Wenn sie sich schon am nächsten Tag trafen, hatte das den Vorteil, dass ihr weniger Zeit blieb, in Panik zu geraten.

„Okay“, antwortete sie. „Dann also morgen.“

„Wunderbar!“

Sophia wollte Jack glücklich machen. Sie wollte Lily glücklich machen. Und wenn es auch sie selbst glücklich machte …

„Sind Sie sicher, dass Lily von Ihnen beiden die Ungeduldige ist?“, neckte sie ihn und hakte sich bei ihm ein.

„Was soll ich sagen? Sie hat viel von mir.“

„Was noch, außer ihrer Ungeduld?“

Er lachte. „Ihren Dickkopf und ihre herrschsüchtige Art. Außerdem ist sie unabhängig, unordentlich …“

„Wow. Bitte sagen Sie mir, dass sie von ihrer Mutter auch ein paar sanftere Wesenszüge geerbt hat, oder die Pubertät wird die Hölle werden.“ Das sagte sie in beiläufigem Ton, aber in Wirklichkeit wollte sie mehr über Elena wissen. Über die Frau, die er so geliebt und die ihm eine wunderbare Tochter geschenkt hatte.

Er lachte leise. „Glücklicherweise schon.“

„Zum Beispiel?“

„Ihre Unbekümmertheit, ihre Spontanität, ihre Liebe zu allem, was glitzert. Und ihr Herz … Die Liste ist lang.“

„Eine interessante Mischung.“

Seine gemurmelte Zustimmung schien von Herzen zu kommen.

„Sie müssen sie sehr vermissen“, sagte sie leise und drückte seinen Arm. „Elena, meine ich.“

Er sah Sophia nur kurz in die Augen, aber in dem einen Blick lagen so viele Gefühle, dass sie nicht sagen konnte, was er empfand. Weder Trauer noch Schmerz, sondern eher … Unsicherheit?

„Wir haben uns sehr lange gekannt.“

Das war eine interessante Formulierung. „Wie haben Sie sich kennengelernt?“

Er wandte den Kopf und betrachtete die Autos, die an ihnen vorbeifuhren.

„Verzeihung, ich will nicht aufdringlich sein“, entschuldigte sich Elena. „Sie müssen nicht über sie sprechen.“

Das Lachen, mit dem er stehen blieb und den Kopf schüttelte, überraschte sie. „Nach allem, was ich heute aus Ihnen herausgeholt habe, wäre das nicht fair.“

Auch sie lachte, doch es klang ein wenig angespannt.

„Da haben Sie recht“, pflichtete sie ihm bei. „Aber es ist schon okay, wenn Sie nicht darüber reden wollen.“

Jack sah sie einen Moment lang an. Sie fragte sich, ob er ebenso überrascht von der Richtung war, die ihre Unterhaltung nahm, wie sie.

„Wir waren in der gleichen Pflegefamilie, als wir dreizehn waren“, sagte er schließlich.

„Dreizehn?“ Das hieß, die beiden hatten sich wirklich sehr lange gekannt. „Sie waren beide so jung …“

„Ja. Sie war beinahe ebenso lange in staatlicher Pflege wie ich.“

„Aber keiner von Ihnen ist adoptiert worden?“

„Nein. Anfangs bestand noch Hoffnung, dass wir zu unseren Eltern zurückkehren könnten, aber dazu kam es nie.“

„Das tut mir so leid.“

„Es gab Gründe dafür.“ Jack zuckte mit den Schultern. „Und dann, später, war es nicht mehr möglich.“

„Was war mit Elenas Eltern?“

„Ihr Vater sitzt im Gefängnis, soweit ich weiß. Ihre Mutter hat erneut geheiratet. Aber Elena war schon erwachsen, als ihre Mutter endlich ein neues Leben begann, und zu dem Zeitpunkt …“

„Hatte sie Sie?“

Er lächelte, aber seine Augen blieben traurig. „Ja.“

„Sie hatte Glück, dass Sie beide einander begegnet sind.“

Er schnaubte nur.

Seine Reaktion machte Sophia stutzig. Wie konnte er daran zweifeln, wenn er ihnen beiden doch ein so viel besseres Leben ermöglicht hatte?

„Hat Elenas Mutter Kontakt zu Lily?“

„Sie hat sie nur einmal gesehen, kurz nachdem Lily geboren wurde. Elena wollte die Beziehung zu ihrer Mutter gern kitten, aber Isla hat Elena als Teil einer Vergangenheit gesehen, die sie lieber vergessen wollte.“

„Arme Elena.“ Sie drückte erneut seinen Arm.

„Isla ist zu ihrer Beerdigung gekommen.“

„Kennt Lily sie?“

„Bei der letzten Begegnung war Lily noch ein Baby. Es wäre schön, wenn das anders wäre …“

„Vielleicht ergibt sich später noch einmal die Gelegenheit. Sie sollten nicht aufhören, es zu versuchen.“

„Vielleicht.“ Jack schaute auf sie herab. Sein Blick war warm, unendlich anziehend. „Danke für Ihr Verständnis. Dafür, dass Sie zuhören.“

„Sie müssen mir nicht danken.“ Sie lächelte zu ihm auf. „Mir hat der Abend sehr gefallen.“

„Mir auch“, murmelte er, und ihr Lächeln wurde von ganz allein breiter.

Der Chauffeur hatte sie entdeckt und kam ihnen mit einem Regenschirm in der Hand entgegen. Es erinnerte sie daran, wer Jack wirklich war. Doch statt die Seifenblase platzen zu lassen, brachte es sie zum Lächeln. Das hier war wirklich wie in einem Märchen!

„Danke“, sagte sie zu dem Chauffeur, als er den Schirm über sie hielt und sie zurück zum Auto begleitete.

„Keine Ursache, Ma’am.“

Sie wollte kichern. Noch nie hatte jemand sie „Ma’am“ genannt.

Sie stiegen ins Auto. Diesmal blieb deutlich weniger Raum zwischen ihnen, und Sophia wünschte sich, sie würde weiter weg leben, der Verkehr wäre zähflüssiger, das schwarze Auto hätte eine Panne … irgendetwas, damit ihr mehr Zeit blieb. Zeit mit ihm.

Aber natürlich sollte das nicht sein. Als sie vor ihrem Apartment hielten, musste sie die plötzliche Traurigkeit unterdrücken, die zugleich mit der Realität auf sie eindrang. Drinnen erwarteten sie nur Leere und schmerzhafte Erinnerungen.

„Hier wohne ich“, sagte sie, um überhaupt etwas zu sagen. Sie war sich nicht sicher, wie man sich nach einem Date, das keins war, verabschiedete.

Der Chauffeur öffnete die Tür, und Sophia wandte sich Jack zu.

„Danke für einen wunderbaren Abend“, sagte sie.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, beugte sie sich vor und küsste ihn auf die Wange. Ihr Körper reagierte sofort auf die Wärme seiner Haut, und sie atmete tief ein.

„Sophia?“ Jack griff nach ihrer Hand.

„Hmm?“

Sein Blick schweifte zu ihren Lippen, dunkel und glitzernd, und sie fragte sich, ob er sie küssen würde. Voller Sehnsucht benetzte sie ihre Lippen, doch dann schien er sich eines Besseren zu besinnen.

„Sollen wir morgen um zehn vorbeikommen und Sie abholen?“, fragte er.

„Um zehn? Ein bisschen früh für das Abendessen, oder?“

„Das stimmt.“ Er strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken. „Ich dachte, das würde Ihnen vielleicht nicht auffallen.“

Sie lachte. „Ich würde zwar gern, aber ich kann nicht. Ich muss morgen den halben Tag arbeiten.“

„Am Samstag?“

„Das Hotel hat auch am Wochenende geöffnet.“

„Natürlich.“

„Aber ich kann gegen vierzehn Uhr Schluss machen, wenn das in Ordnung geht? Hier, nehmen Sie das …“ Sie zog Zettel und Stift aus der Tasche und schrieb ihm ihre Telefonnummer auf. „Fall Sie Ihre Meinung ändern oder sonst irgendetwas ist.“

Er nahm den Zettel. Ihre Finger berührten sich, und keiner von ihnen zog die Hand zurück.

„Nichts außer einem überraschenden Blizzard könnte uns davon abhalten, uns mit Ihnen zu treffen.“

Das machte sie sprachlos.

„Aber glücklicherweise“, sagte er, und es war nicht zu überhören, wie heiser seine Stimme nun klang, „sind wir alle im selben Gebäude, also zählt nicht einmal das als Entschuldigung.“

Sie lächelte. „Wie wahr.“

„Dann sehen wir uns also um kurz nach zwei in der Lobby?“

Sie nickte.

„Bis dann, Sophia.“

„Gute Nacht, Jack.“

Sophia stieg aus dem Auto, nickte dem Chauffeur zu und ging.

Sie lächelte noch immer, als sie die Treppen hochstieg und die Tür aufschloss, und auch noch, als sie zehn Minuten später mit einem heißen Kakao auf dem Sofa saß … und als sie später zu Bett ging, erfüllt von den Gedanken an ihn.

Sie hatte Angst gehabt, traurigen Erinnerungen nachzuhängen, aber dafür war kein Raum, solange sie an Jack denken musste.

Es war keine langfristige Lösung, aber heute Abend half es.

6. KAPITEL

„Bist du sicher, dass sie kommt, Daddy?“

Jack lächelte auf seine Tochter herab und band ihr den karierten Schal fester um. „Ganz sicher – sie kommt gleich.“

„Hoffentlich.“ Lily schaute auf die Gummistiefel in verschiedenen Größen herab, die vor ihnen aufgereiht standen. „Was, wenn ihr Rot nicht gefällt?“

Autor

Rachael Stewart
Mehr erfahren
Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
Mehr erfahren
Nina Milne
<p>Nina Milne hat schon immer davon geträumt, für Harlequin zu schreiben – seit sie als Kind Bibliothekarin spielte mit den Stapeln von Harlequin-Liebesromanen, die ihrer Mutter gehörten. Auf dem Weg zu diesem Traumziel erlangte Nina einen Abschluss im Studium der englischen Sprache und Literatur, einen Helden ganz für sich allein,...
Mehr erfahren