Julia Extra Band 562

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VERBOTENE NÄCHTE MIT DEM GRIECHISCHEN TYCOON von MICHELLE SMART

Endlich hat Kate den flüchtigen Tycoon Leander Liassidis in Kalifornien aufgespürt. Er muss mit ihr zurück nach Griechenland fliegen, um dort ihre beste Freundin zu heiraten! Doch Kate hat nicht mit der verboten erotischen Anziehungskraft zwischen ihr und Leander gerechnet …

PRICKELNDES WIEDERSEHEN IN EASTON HALL von KALI ANTHONY

Ein erregender Schauer überläuft Louisa, als Matteo zärtlich ihren Namen ausspricht. Aber dann wird ihr klar: Ihr Schwarm von einst ist ihr Feind! Denn Matteo hat Easton Hall geerbt und ist gekommen, um ihr das einzige Zuhause zu nehmen, das sie je kannte …

KÜSSEN VERBOTEN, HOHEIT? von CAITLIN CREWS

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SINNLICHE VERSUCHUNG IN DER STADT DER LIEBE von KATE HARDY

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  • Erscheinungstag 07.01.2025
  • Bandnummer 562
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534260
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Smart

1. KAPITEL

Mit einem Privatjet zu reisen war genauso toll, wie Kate Hawkins es sich vorgestellt hatte. Die Kabinencrew richtete sich ganz nach ihren Wünschen. Sie hatte ihr eigenes Wohnzimmer, ein Bad und sogar ein Schlafzimmer mit einer superbequemen Matratze. Die einem nichts nützte, wenn man von der Aufgabe, zu der man sich freiwillig gemeldet hatte, so fix und fertig war, dass man nicht einmal mehr schlafen konnte.

Innerhalb von achtunddreißig Stunden war Kate über zwei Kontinente in sieben Länder geflogen. Sie war durch so viele Zeitzonen gerast, dass sie keine Ahnung hatte, ob momentan Sonntag oder Montag war. Und wenn Leander Liassidis bei der nächsten Landung nicht zu finden war, würde sie sehr wahrscheinlich mehr tun, als mit den Füßen aufzustampfen und vor Frustration laut zu schreien, wie sie es in Manhattan getan hatte.

Kate zog die Liste heraus, die Helena geschrieben hatte. Missmutig starrte sie die Orte an, die noch abgehakt werden mussten. Wie konnte ein einziger Mann so viel besitzen? Kates Immobilienreich bestand aus ihrem Kinderzimmer, in das sie wieder eingezogen war, nachdem sie vor zwei Jahren ihren Abschluss in Tiermedizin gemacht hatte. Leander, äußerst erfolgreicher Technologietycoon, besaß vierzehn Immobilien.

Bis sie höflich gebeten wurde, sich anzuschnallen, hatte Kate schon keine Lust mehr zu fragen, wo der Privatflughafen lag, den sie anflogen. Alle Immobilien Leanders lagen nur eine Dreißigminutenfahrt von einem Flugplatz entfernt. Kate brachte nicht einmal mehr einen Funken Interesse für die Aussicht auf, als sie am Pazifik, der an die Strände Kaliforniens rollte, im Sinkflug waren.

„Als Nächstes Grand Cayman“, sagte sie müde lächelnd zu ihrer Lieblingsflugbegleiterin, als sie von Bord ging. Kate war überzeugt, dass sie in jedes Land auf der Liste würde reisen müssen, bevor sie den flüchtigen Bräutigam fand und ihn nach Griechenland zurückschleppte. So, wie sie sich fühlte, würde sie sich davon abhalten müssen, ihn umzubringen.

„Wir werden auf Ihren Anruf warten.“

Wie bei Kates vorherigen Stopps hatte die Crew auch hier dafür gesorgt, dass ein Auto sie am Flugzeug abholte. Sie hatten den Flugplatz kaum verlassen, als ihr auch schon die Augen zufielen. Bilder von der Hochzeit flimmerten in ihren Netzhäuten, Stimmen hallten in ihrem Kopf wider. Der Schock, den falschen Liassidis-Zwilling am Altar warten zu sehen. Das Surreale daran, Leo in Leanders Namen seine Ehegelöbnisse sprechen zu hören. Helena, die schöne Braut, kreidebleich vor Entsetzen darüber, was Leander getan hatte. Kates Versprechen, ihn zu finden und zurückzuholen. Leo, der ihr seinen Firmenjet zur Verfügung stellte und …

Ihre Augen öffneten sich plötzlich. Sie war in einen dieser anschaulichen Wachträume getrieben, und jetzt sah sie, dass sie auf einer Straße mit in kurzen Abständen aufgestellten „Betreten verboten“-Schildern fuhren. Hoch oben vor ihnen ragte ein riesengroßes Haus mit einer Glasfront auf. Als sie näher kamen, erkannte Kate, dass die Villa, obwohl von Bäumen eingerahmt, Blick aufs Meer hatte.

Der Fahrer hielt am Fuß eines breiten, gewundenen Wegs, der nach oben zum, wie Kate vermutete, Haupteingang führte. Sie stieg aus und versuchte, Lebenszeichen zu entdecken, wartete auf den Wachmann, der jeden Moment auftauchen und sie höflich informieren würde, Mr. Liassidis sei nicht da, und er könne keinen Kontakt mit ihm aufnehmen, weil Mr. Liassidis in den Flitterwochen sei.

Selbstverständlich war Mr. Liassidis in den Flitterwochen. Das einzige Problem war, dass es der falsche Mr. Liassidis war.

Natürlich konnte jeder der Wachmänner in Athen, Rom, Mailand, Wien, Frankfurt, London, New York und Toronto gelogen haben, aber Kate hatte kein Leben hinter den geschlossenen Türen gespürt. Hier jedoch …

Erschöpft schleppte sie sich den halben Weg nach oben und dachte gerade, dass das hier das perfekte Versteck war, als der Wachmann vor ihr auftauchte.

Leander Liassidis entdeckte den schwarzen SUV durch das Laub und verzog das Gesicht.

Das bedeutete wohl, dass der Lakai seines Bruders ihn schließlich gefunden hatte.

Er zog sich aus dem Pool und rubbelte sich mit einem Handtuch trocken. Er brauchte Mason nicht zu sagen, er solle den Besucher wegschicken. Seine Anweisungen hatte er schon sehr deutlich gemacht. Leander war nicht da. Leander war in den Flitterwochen. Sein Besucher würde Marina Sands mit leeren Händen verlassen.

Leander fragte sich, wie viele seiner Immobilien der Lakai aufgesucht hatte, um bis hierher zu kommen. Wenn er wollte, könnte er es herausfinden, aber er hatte sich selbst eine Kommunikationssperre verordnet. Seit er sich davon überzeugt hatte, dass Leo an seine Stelle getreten war, hatte Leander nichts von der Außenwelt wissen wollen.

Zum ersten Mal in seinem Leben brauchte er das Alleinsein. Abgesehen von seinen kalifornischen Hausangestellten, deren Loyalität und Verschwiegenheit gesichert waren, wusste nur seine persönliche Assistentin, wo er war. Sheree war schon seit zehn Jahren bei ihm. Geübt darin, für ihn zu lügen, waren ihre Loyalität und Verschwiegenheit auch gesichert.

Leander warf sich das Handtuch um die Schultern, öffnete eine Flasche kaltes Bier und trank einen großen Schluck. Der bittere Geschmack passte dazu, was er gegenüber sich selbst empfand, weil er die Hochzeit nicht durchgezogen hatte.

Er liebte Helena. Sie war die einzige nicht verwandte weibliche Konstante in seinem Leben. Er freute sich immer darauf, sie zu treffen, war sehr gern mit ihr zusammen. Romantische Gefühle hatte er nicht für sie. Vielleicht lag es daran, dass sie zu vertraut miteinander waren, vielleicht war es, weil sie wie eine Schwester für ihn war.

Was auch immer der Grund war, Leander hatte Helena nie so angesehen, wie er andere Frauen ansah. Und selbst wenn er es getan hätte und es beidseitig gewesen wäre – was es nicht war, für sie beide war es platonisch –, hätte er niemals darauf reagiert. Weil er sie zu sehr liebte, um ihr wehzutun.

Und jetzt hatte er ihr wehgetan. Er hatte sein Versprechen gebrochen und war abgehauen.

Irgendwann in naher Zukunft würde er in seine griechische Heimat zurückkehren und sich Helena stellen, sich auch seinem Bruder stellen und die Rolle des Ehemanns übernehmen, die für Helena zu spielen er versprochen hatte. Aber noch nicht jetzt. Leander kippte den Rest seines Biers hinunter, um den Ärger zu ertränken, der in ihm aufstieg bei dem Gedanken daran, aller Welt Liebe vorzuspielen, bis Helena ihr Erbe geregelt hatte und sie ihre Scheinehe auflösen konnten.

Er musste sich wieder einkriegen!

Gerade als er ins Haus gehen wollte, um zu duschen, trug eine vorübergehende Windstille eine Stimme zu ihm nach oben.

Seine Nackenhaare stellten sich auf.

Mit schnellen Schritten war er am Glasgeländer, das über den Weg zu seinem Haus hinausragte.

Kate sah den Wachmann an und verzog das Gesicht. „Lassen Sie mich raten: Mr. Liassidis ist nicht hier?“

„Mr. Liassidis ist in den …“

„Flitterwochen“, beendete sie den Satz für ihn. „Und Sie können keinen Kontakt zu ihm aufnehmen.“

„Es tut mir leid, dass Sie umsonst hergekommen sind.“

Genau das hatte Kate erwartet. Genau das hatte sie während ihrer Boxenstopps bei Leanders anderen Häusern erlebt. Und trotzdem …

Nichts am Verhalten oder an der Miene des Wachmanns ließ sie denken, dass er log, aber irgendetwas fühlte sich anders an.

Kate verschränkte die Arme über dem Bauch und sagte ausdruckslos: „Ich glaube Ihnen nicht.“

„Mr. Liassidis ist nicht hier, Ma’am, und jetzt muss ich Sie bitten zu gehen.“

Sie blickte an dem Wachmann vorbei nach oben und versuchte, durch das Glas zu sehen. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass der Mann log. In diesem Haus wohnte jemand, sie spürte es einfach.

„Ma’am, ich möchte keinen Zwang anwenden müssen …“

„Fassen Sie mich an, und ich verklage Sie bis in alle Ewigkeit, kapiert?“ Kate legte trichterförmig die Hände um den Mund und schrie: „Ich weiß, dass du da drin bist, Leander Liassidis. Beweg deinen Hintern nach draußen, und hör auf, dich zu verstecken!“

„Das ist Ihre letzte Chance. Sie haben unerlaubt das Grundstück betreten. Entweder gehen Sie freiwillig, oder ich trage Sie zu Ihrem Auto. Ich kann Ihnen den Weg zum nächsten Polizeirevier beschreiben, wenn Sie wollen.“

Kate stemmte die Fäuste in die Seiten. „Was ich will, ist, dass Ihr Boss aufhört, sich wie ein großes Baby zu verstecken.“

„Mason, lassen Sie sie nach oben.“

Kates Blick schoss wieder hoch, dorthin, woher die raue Stimme mit dem starken Akzent gekommen war. Am dunkel getönten Glasgeländer stand Leander.

Als sie am Wachmann vorbeihüpfte, konnte Kate nicht widerstehen, ihm die Zunge rauszustecken.

Oben ging der Weg in eine breite Marmortreppe über, die sich auffächerte. Eine Seite führte auf die Terrasse, die andere zum Hauseingang. Leander hatte eine Tür im Geländer für sie geöffnet, und Kate stürmte hindurch, mehr als bereit, ihn fertigzumachen. Nur dass sie all die Beschimpfungen, die sie ihm an den Kopf werfen wollte, plötzlich nicht herausbekam, als sie Leander gegenüberstand. Er trug nichts als enge schwarze Badeshorts. Das Handtuch um seinen Nacken bedeckte kaum etwas von ihm.

„Huch!“ Kate drehte ihm sofort den Rücken zu, schloss die Augen und bedeckte sie sicherheitshalber auch noch mit der Hand. „Zieh dir bitte etwas an.“

„Du kennst den Weg zurück zu deinem Auto, wenn dich stört, dass ich halb nackt bin“, sagte Leander spöttisch hinter ihr.

„Ich habe gerade den größten Teil von zwei Tagen damit verbracht, dich aufzuspüren. Ohne dich gehe ich nirgendwohin, und du weißt das. Also zieh dir etwas an, bevor ich mich übergeben muss.“

Er seufzte hörbar. „Du kannst jetzt hinsehen“, sagte er erstaunlich schnell. „Ich habe was an.“

„Wirklich?“

„Die Fliesen hier draußen zu legen hat ein Vermögen gekostet. Ich will nicht, dass du mir den Boden ruinierst.“

Kate ließ die Hand sinken, öffnete die Augen und drehte den Kopf, nur um die Augen sofort wieder zu schließen. Leander hatte sich lediglich das Handtuch um die Taille gewickelt. „Das ist nicht etwas anhaben.“

„Ich wusste nicht, dass du solch eine Mimose bist.“

„Nur, wenn mir bei einem Anblick die Tränen kommen.“

„Bist du so weit gereist, um mich zu beleidigen?“

Noch immer mit dem Rücken zu ihm, umklammerte Kate ihre kleine Handtasche fester und stellte sich vor, dass es sein Hals war. „Leander, ich ziehe in einer Woche nach Borneo, und wie du sehr wohl weißt, habe ich tausend Dinge zu erledigen, bevor ich fahre. Also hör auf herumzublödeln, und zieh dir etwas an. Für den Flug zurück nach Griechenland musst du bekleidet sein. Mach es jetzt, sonst wirst du feststellen, dass ich mit den Beleidigungen noch nicht einmal angefangen habe.“

Ein kurzes, aber spannungsgeladenes Schweigen folgte.

„Wie kann ich es formulieren …? Nein.“

„Wozu sagst du Nein?“, fragte Kate empört. Sie hörte, wie er wegging.

„Zu allem“, erwiderte er. „Ich reise nirgendwohin, also warum sparst du dir nicht deine Worte und schonst meine Ohren, fährst zurück zum Flughafen, fliegst nach Hause und fängst an, für dein neues Leben zu packen?“

Wütend drehte sie sich um.

Leander saß auf einem der hellgrauen Outdoor-Sofas, die um den Swimmingpool standen. Er hatte eine Sonnenbrille aufgesetzt. Eine Flasche Bier in der Hand, die langen, sonnengebräunten Beine ausgestreckt, blickte er hoch zum Himmel, als wollte er abschätzen, wie das Wetter wurde.

„Tja, ich gehe ohne dich nirgendwohin!“, fuhr Kate ihn an. „Ich habe Helena und deinem Bruder versprochen, dass ich dich zurück nach Griechenland bringe, und genau das werde ich tun.“

„Sag meinem Bruder, dass ich wie versprochen nach Griechenland zurückkehre, bevor die Flitterwochen vorbei sind, aber den Zeitpunkt wähle ich selbst. Also flieg davon, kleine Mimose, und verdirb jemandem anders den Tag.“

„Nein.“ Kate entdeckte eine ungeöffnete Flasche Bier in einem Eiskübel auf dem Tisch, schnappte sie sich und entfernte den Kronenverschluss mit den Zähnen.

„Tolles Kunststück.“

„Nicht wahr?“ Kate ließ sich auf das Sofa neben seinem fallen und ahmte seine Haltung nach, aber ihr Blick blieb auf sein Gesicht gerichtet. „Einer meiner Brüder hat mir das an meinem achtzehnten Geburtstag beigebracht.“

„Der scheint mir der Richtige zu sein. Geh und verdirb ihm den Tag.“

„Ich habe meinen Brüdern im Lauf der Jahre viele Tage verdorben, was bedeutet, dass ich mucho Übung darin habe, Männer zu nerven. Und jetzt bleibe ich hier und nerve dich, bis du nachgibst und mit mir zurück nach Griechenland fliegst.“

„Kate, flieg nach Hause. Ich reise nicht ab.“

„Ich habe Helena versprochen, dass ich dich zurückhole“, wiederholte Kate störrisch. „Und anders als gewisse Menschen breche ich keine Versprechen.“

„Ich habe Leo gesagt, dass ich zurück bin, bevor die Flitterwochen vorbei sind. Und ich habe das ernst gemeint.“

„Ja, ich habe die Nachricht gehört, die du für ihn hinterlassen hast – du kannst von Glück reden, dass er sie rechtzeitig abgehört hat, um deinen Platz einzunehmen. Außerdem hast du zu Helena gesagt, du würdest am Altar auf sie warten. Du hast es ihr versprochen.“

„Leonidas ist für mich eingesprungen.“

„Ja, und er ist nicht glücklich darüber, dich spielen zu müssen. Und Helena hat Angst, dass er dem ganzen Theater ein Ende macht, bevor die Flitterwochen vorbei sind. Du weißt, was das bedeutet. Wenn sie nicht verheiratet ist, muss sie zwei weitere Jahre auf ihr Erbe warten, und sie benötigt das Geld jetzt.“

„Leo wird es nicht auffliegen lassen.“ Endlich richtete Leander den Blick auf sie. „Alle sollten aufhören, sich Sorgen zu machen. Ich werde zurückkehren, bevor die Flitterwochen vorbei sind. Es wird nichts geschadet haben.“

„Wie kannst du das mit unbewegtem Gesicht behaupten? Dein Bruder ist wütend, deine Eltern …“ Kate schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was deine Eltern denken. Sie haben mitgespielt, aber wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, wie bestürzt sie waren. Und was Helena betrifft …“

„Helena hat die Heirat bekommen, die sie wollte.“

„Mit dem falschen Bruder! Und der falsche Bruder ist kein glückliches Häschen. Ich habe den Eindruck, dass er Helena genauso mag wie du mich.“

„Was meinst du damit?“

Kate lachte. „Komm schon, Leander. Tu nicht so. Ich weiß, dass du mich nicht magst. Und du weißt, dass ich es weiß, weil Helena gefragt hat, was ich dir getan habe.“

In den fünfzehn Jahren, die Kate und Helena schon Freundinnen waren, hatte Kate viel über Leander Liassidis gehört, aber bis sie in der Woche vor der Hochzeit auf die griechische Insel der Familie Liassidis geflogen war, hatte sie ihn nie getroffen. Sie hatte sich darauf gefreut, den Mann kennenzulernen, von dem Helena immer in den höchsten Tönen sprach. Kate war sicher, dass sie sich gut miteinander verstehen würden, und während der ersten Tage ihrer Bekanntschaft erfüllten sich ihre Hoffnungen.

Leander war so witzig und gesellig und charmant, wie Helena versprochen hatte. An Kates fünftem Tag in Griechenland flog er die beiden Engländerinnen für einen Abend mit Essen und Tanzen in einem exklusiven Nachtclub nach Athen. Kate amüsierte sich großartig, und als sie den Abend in Leanders Wohnung ausklingen ließen, war sie mehr als glücklich, dass die Party weiterging. Sie drei und eine Handvoll Freunde von Leander tranken Cocktails, kippten Schnäpse und tanzten, bis die Sonne aufging.

Am frühen Nachmittag verließ Kate schließlich verkatert das schöne Gästezimmer. Trotzdem war sie noch immer total aufgedreht von dem Spaß, den sie alle zusammen gehabt hatten. In vielerlei Hinsicht war es die Party gewesen, die sie sich unbewusst gewünscht hatte. Ihre Chance zu feiern, dass sie in Kürze ihr neues Leben begann und all die Träume wahr wurden, die sie gehabt hatte, seit sie ein siebenjähriges kleines Mädchen gewesen war.

Kate tanzte praktisch in Leanders Küche und fand ihn zusammengesunken über der Kücheninsel. Sie machte einen Witz über Kater, und als Leander aufsah, flackerte irgendetwas in seinem Gesicht auf, bevor er eisig sagte: „Ich habe Kopfschmerzen. Ich wäre dankbar für ein bisschen Ruhe.“

Seine plötzliche Kälte verletzte sie, allerdings vermutete sie, dass er wegen seines Katers so mit ihr sprach. Sie versuchte, es nicht persönlich zu nehmen, und rechnete damit, dass der gesellige Leander bald wieder auftauchen würde. Und tatsächlich war der gesellige Leander ganz der Alte, noch bevor sie auf die Insel zurückkehrten, aber nicht für Kate.

Er ignorierte sie nicht direkt, seine neue Einstellung ihr gegenüber hatte jedoch etwas Kühles, fast Abweisendes. Es nervte Kate. Aber erst, als sie sich am nächsten Nachmittag am Pool sonnte, Leander auf die Terrasse kam, einen Blick auf sie warf und ohne ein Wort umkehrte, war sie sicher, dass er wirklich eine Abneigung gegen sie gefasst hatte.

Sie hatte mit Helena darüber gesprochen, weil es sie beunruhigt hatte und sie in Sorge gewesen war, dass sie ihn versehentlich beleidigt hatte. Wenn ja, hätte sie sich entschuldigt.

„Du hast zu Helena gesagt, dass du kein Problem mit mir hast, aber ich bin nicht dumm, Leander. Und ganz ehrlich, deine Gründe interessieren mich nicht einmal mehr. Du musst …“

„Ich wollte Helena mit der Wahrheit nicht wehtun, dir erkläre ich jedoch gern, warum ich dich nicht mag“, unterbrach Leander sie. Er setzte seine Sonnenbrille ab und richtete seine dunkelbraunen Augen auf Kate. „Du bist wie eine summende Biene in meinem Ohr. Du weißt nicht, wann du den Mund halten solltest, und der Schwachsinn, den du redest, lohnt kaum die Luft, die du dafür holst. Ich kann nur vermuten, dass du jemanden dazu gebracht hast, deine Tiermedizinprüfungen für dich zu machen, weil du das wandelnde Klischee der Blondine bist, über die die Generation unserer Eltern früher Witze gerissen hat.“ Er stand auf und fügte spöttisch lächelnd hinzu: „Sag Helena und meinem Bruder, dass ich wie versprochen zurück sein werde, bevor die Flitterwochen vorbei sind. Du kannst allein von meinem Grundstück herunterfinden.“

2. KAPITEL

Leander war noch immer aufgewühlt, als er sich unter der Dusche die Haare wusch.

Warum hatten sein Bruder und Helena ausgerechnet sie losgeschickt, um ihn aufzuspüren?

Er wischte sich den Schaum vom Gesicht und wünschte sich, auch Kates schockierte und gekränkte Miene aus dem Gedächtnis wischen zu können.

Es ist besser so, sagte er sich, während er Duschgel auf seinem Körper aufschäumte. Es hatte getan werden müssen. Kate durfte nicht hier sein.

Leander hatte gewusst, dass Leo jemanden losschicken würde, um ihn zu finden. Weil es unvorstellbar war, dass Leo ihm glaubte, dass er zurückkommen würde. Vor vierzehn Jahren hatte Leander gegenüber seinem Zwillingsbruder sein Wort gebrochen, und Leonidas hatte ihm das nie verziehen. Auch wenn es fünf Jahre her war, dass Leo auf irgendeine seiner Nachrichten geantwortet hatte, wusste Leander, er könnte seinem Bruder sagen, dass es regnete, und Leo würde ein Fenster öffnen, um selbst nachzusehen.

Also ja, er hatte damit gerechnet, dass Leo jemanden losschickte und verlangte, sofort nach Griechenland zurückzukehren. Deshalb hatte er sein Personal entsprechend vorbereitet. Er würde zurückgezogen leben, bis er sich wieder eingekriegt und seine Emotionen unter Kontrolle hatte, und erst dann würde er nach Griechenland fliegen. Eine Woche war mehr als genug Zeit, um all das zu erreichen.

Aber Leonidas und Helena hatten sie losgeschickt, um ihn zu finden.

Warum zum Teufel hatte er sich ihr gezeigt? Die Frage beschäftigte ihn noch immer, als er feste, knielange Segeltuchshorts anzog. Wenn er nicht diesen starken inneren Zwang gespürt hätte zu sehen, ob es wirklich ihre Stimme war, hätte Kate Marina Sands verlassen, ohne zu wissen, dass sie ihn beinahe gefunden hätte.

Leander hoffte, dass sie sich seine gemeinen Worte nicht zu Herzen nahm, aber er musste sie loswerden, und nur so konnte er es schaffen.

Er musste etwas essen. Sein gesunder Appetit hatte ihn in den letzten Tagen im Stich gelassen. Es war fast Mittag, und er hatte noch nichts zu sich genommen. Was für einen Mann von einem Meter dreiundneunzig Größe normalerweise undenkbar war.

Leander beschloss, seinen Koch das milde Wetter genießen zu lassen und sich selbst ein Omelett zu machen. Ein Omelett, ein Eimer Wein und ein Schrottfilm …

Er betrat sein Hauptwohnzimmer, und seine Pläne lösten sich in nichts auf.

Kate hatte sich auf einem seiner Sofas ausgestreckt, Kopf auf ein Kissen gestützt, die Füße an den Knöcheln übereinandergeschlagen, die schlanken goldbraunen Beine bis zur Mitte der Oberschenkel nackt in den kakifarbenen Shorts. Sie beschäftigte sich mit etwas oder nichts auf ihrem Telefon.

„Da bist du ja“, rief sie fröhlich, ohne vom Display aufzusehen. „Ich habe mich schon gefragt, ob du wieder weggelaufen bist.“

„Ich habe dir gesagt, du sollst gehen.“ Zum Teufel mit ihr! Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass sie bleiben würde, nachdem er so gemein mit ihr gesprochen hatte. Jeder mit einem Funken Stolz wäre weggefahren.

„Ich habe Helena die gute Nachricht gesendet, dass ich dich gefunden habe, und sie über deinen Widerstand gegen die sofortige Rückkehr nach Griechenland informiert.“ Kate wandte ihm das herzförmige Gesicht zu, das Leander an Elfen denken ließ, und richtete mit einem stahlharten Lächeln ihre jadegrünen Augen auf ihn. „Ich habe versprochen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um dich lieber früher als später zurückzuschaffen. Zwischen den Zeilen gelesen, ist dein Bruder gerade ein Mistkerl, was mich nicht überrascht nach dem, was Helena mir von ihm erzählt hat. Also betrachte mich als dein Gast, bis du dich bereit erklärst zurückzukehren.“

„Ganz bestimmt nicht.“

„Leider habe ich nur ein paar Sachen in eine Reisetasche geschmissen, als ich losgeflogen bin, um dich zu finden. Und ich habe sie im Flugzeug gelassen, deshalb muss ich mir Kleidung von dir leihen. Und auch Toilettenartikel und so was – es sei denn, es stört dich nicht, einen miefenden Gast zu haben …“

„Das kommt alles nicht infrage. Du musst gehen.“

„Ich kann nicht.“ Kates Lächeln wurde breiter. „Ich habe den Fahrer weggeschickt.“

„Meine Fahrerin wird dich zum Flughafen bringen.“

„Ohne dich gehe ich nirgendwohin, Leander. Wenn du mich also nicht wortwörtlich aus dem Haus werfen willst, musst du dich damit abfinden, dass ich dich nerve, bis du nachgibst und das Richtige tust. Und das Richtige ist, nach Griechenland zurückzukehren und Helena und Leo aus der Notlage zu befreien, in die du sie gebracht hast.“

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich nach Griechenland zurückkehre, bevor die Flitterwochen vorbei sind?“, fragte er wütend.

Kate richtete den Blick wieder auf ihr Telefon und wischte über den Bildschirm. „Niemand traut dir zu, dass du dein Wort hältst, und selbst wenn man es täte, es sollten deine Flitterwochen sein. Und es ist egoistisch von dir, von deinem Bruder zu erwarten, dass er alle seine Verpflichtungen ruhen lässt, nur weil du nicht für ein paar Monate ohne Sex an eine Frau gebunden sein kannst. Wenn du Sex so nötig hast, sei einfach diskret. Helena wird es egal sein.“

„Du denkst, hier geht es nur um Sex?“ Leander war hin- und hergerissen. Einerseits wollte er genau das tun, was Kate gesagt hatte, und sie sich über die Schulter werfen und aus seinem Haus tragen, andererseits war allein der Gedanke, sie anzufassen, unerträglich.

„Tja, du hast deinem Bruder in dieser Nachricht mitgeteilt, dir sei etwas dazwischengekommen, und du bist als ‚Leander, der Playboy‘ bekannt“, erinnerte Kate ihn zuckersüß. „Also ist es logisch.“

So nannten ihn die Boulevardzeitungen. Es hatte ihn bisher nie gestört. Tatsächlich fand er es ziemlich nützlich. Frauen wussten, dass sie nichts Dauerhaftes von ihm zu erwarten hatten. Er konnte ohne Bindung schwer arbeiten und schwer spielen und sein Leben genießen, sich kurze, aber angenehme Affären gönnen, ohne dass Erwartungen in ihn gesetzt wurden.

Kate versuchte, weiter auf den Bildschirm zu blicken und nicht Leander anzusehen, weil sie sich noch immer bemühte, ihn nicht halb nackt vor ihrem geistigen Auge zu haben. Wenn man bedachte, dass sie sich mehrere Male neben ihm gesonnt und seinen Körper dabei kaum beachtet hatte, war das so beunruhigend wie das Pulsieren in ihrem Bauch. „Wenn es nicht um Sex geht, worum dann?“, fragte sie. „Erst vor einer Woche hast du zu mir gesagt, eine Scheinehe mit Helena sei für dich keine große Sache.“

Sie hatte ihn danach gefragt, als sie sich an ihrem dritten Tag auf der Insel seiner Familie gesonnt hatten, während Helena telefonierte. „Was hast du davon?“, hatte sie gefragt.

Leander hatte auf dem Rücken gelegen, eine dunkle Sonnenbrille auf. Er hatte ihr das Gesicht zugewandt. „Du meinst, wenn ich Helena heirate?“

„Ja. Ich weiß, warum sie eine Blitzhochzeit braucht und warum sie dich gefragt hat …“

„Warum noch gleich?“

„Weil du ihr zweitbester Freund bist …“

„Nur zweitbester?“

„Natürlich.“ Kate grinste. „Ich bin Nummer eins.“

Weiße Zähne blitzten auf.

„Und Helena hat dich gefragt, weil du keine Bindungen hast und anscheinend nicht die Absicht, jemals zu heiraten.“

„Oh, vielleicht heirate ich irgendwann in echt.“

„Wenn du die Richtige kennenlernst“, neckte Kate ihn, die sich sehr bewusst war, dass Leanders Ruf als Playboy wohlverdient war.

„Das klingt bemerkenswert romantisch für eine Frau, die einen Orang-Utan heiraten will“, neckte Leander wiederum sie, und sie prustete vor Lachen. „Das Leben ist dazu da zu leben, nicht dazu, gebunden zu sein. Aber ich kann mir vorstellen, dass ich irgendwann Kinder haben will. Dann denke ich vielleicht ans Heiraten, allerdings wäre es nicht für lange Zeit. Helena braucht ihr Erbe jetzt, und sie bekommt es nur, indem sie heiratet. Und weil sie von mir kein Geld annehmen will …“ Er hatte wieder seine Zähne aufblitzen lassen. „Ich dachte einfach, warum nicht? Für mich ist das keine große Sache. Es wird höchstens für ein paar Monate sein. Sobald das Erbe an Helena überschrieben ist, werden wir tragischerweise unsere eigenen Wege gehen.“

Bei der Erinnerung an dieses Gespräch war für Kate noch schwerer zu verstehen, warum Leander am Morgen der Hochzeit kalte Füße bekommen hatte. Wie konnte er der Heirat erst so gleichgültig gegenüberstehen und dann nur Tage später Tausende von Meilen fliehen? Das ergab einfach keinen Sinn.

Daran, wie reglos Kate geworden war, erkannte Leander, dass ihr scharfer Verstand tickte, und seine Anspannung nahm zu.

Ihm kam der Gedanke, dass er den Spitznamen, den ihm die Klatschzeitungen gegeben hatten, und den Ruf, der daraus entstanden war, zu seinem Vorteil nutzen könnte.

„Du hast recht, Kate. Hier geht es allein um mein unstillbares Verlangen nach Sex. Und wenn ich nach Griechenland zurückkehre, erkläre ich Helena ganz bestimmt, dass ich mir Geliebte nehmen werde – diskrete Geliebte, natürlich –, bis sie ihr Erbe bekommt und wir die Ehe auflösen können.“

Kate wandte ihm wieder das Gesicht zu. „Oh, gut. Heißt das, wir können jetzt abreisen?“

„Du kannst abreisen, wann auch immer du willst, aber ich bleibe hier. Jetzt allerdings, wo du mich an Sex erinnert hast …“ Leander warf ihr einen vielsagenden Blick zu.

Sie rümpfte die Nase, genau, wie er vorhergesehen hatte. Von den Frauen, die er im Erwachsenenalter kennengelernt hatte, war Kate die Einzige, die ihm überhaupt nicht signalisierte, dass sie ihn begehrte. Nichts deutete darauf hin, dass sie ihn als Mann wahrnahm.

„Du bist widerlich.“

„Die meisten Frauen finden mich unwiderstehlich.“

„Dann sind die meisten Frauen dumm.“

Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du nicht helfen willst, mein Telefon ist voller Namen und Nummern von Frauen, die gern herkommen und meine Bedürfnisse befriedigen.“

Abscheu stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie zuckte ebenso lässig die Schultern. „Nur zu.“

„Einige meiner Geliebten … wie kann ich das vorsichtig formulieren … neigen dazu, laut zu sein.“

„Wenn sie zu laut sind, halte ich mir halt die Ohren zu.“

Wie konnte sie so verdammt gleichgültig sein? So unbeeindruckt?

Leander zog sein Telefon aus der Gesäßtasche und winkte ihr damit. „Hunderte von zuvorkommenden Frauen.“

„Deine Mutter muss sehr stolz sein.“

„Meine Mutter versteht mich sehr gut.“ Es war sein eineiiger Zwilling, der es nicht tat. Oder nicht wollte. Leander setzte sich auf die Sofalehne neben Kates Kopf und blickte flüchtig auf ihr Telefon. Sie spielte ein Anagramm, was seine Wut aus irgendeinem Grund verstärkte. Er scrollte durch seine Kontakte. „Wen soll ich anrufen? Grace? Hettie? Ah, Elle ist in Santa Monica. Das ist nicht weit entfernt. Was meinst du, Kate? Soll ich Elle anrufen? Sie ist eine echte Schönheit.“

Kate neigte den Kopf zurück, um zu ihm hochzusehen. Durch die Bewegung streifte ihr blondes Haar seinen Oberschenkel. „Wenn du glaubst, dass sich Elle gern zu dir bestellen lässt, um als Objekt deiner egoistischen Lust zu dienen, dann solltest du sie unbedingt anrufen.“

„Bleib lange genug da, und du wirst feststellen, dass die Lust gegenseitig ist.“

„Ich bleibe da, bis ich dich zurück nach Griechenland kriege.“

Leander lächelte gemein. „Ich habe Hunger. Wenn du noch immer vorhast rumzuhängen, wo du nicht erwünscht bist, kannst du dich nützlich machen und mir ein Omelett zubereiten.“

„Ich bin hier auf dem Sofa zufrieden, danke.“

„Du wirst deinen Platz räumen müssen, wenn Elle rüberkommt. Es sei denn, du willst zuhören und auch zusehen?“

Kate gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. „Ich bin sicher, es wird fesselnd sein, dir beim Sex zuzusehen.“

„Ich kann stundenlang.“

„Herzlichen Glückwunsch. Du solltest das deiner E-Mail-Signatur anfügen.“

„Zu prahlen ist taktlos.“ Leander stand wieder auf. „Ich rufe Elle jetzt an. Ich denke, sie wird in einer Stunde hier sein. Wenn du also zur Vernunft kommst, drück die Eins auf der Gegensprechanlage, und meine Fahrerin wird dich zum Flugplatz bringen. Ich mache mir jetzt etwas zu essen.“

„Keine Zwiebel in meinem Omelett, danke.“

„Wenn du essen willst, musst du woanders hingehen. Ich gebe dir nichts.“

Kate ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Das ist okay. Ich war fünf Jahre lang eine hungrige Studentin. Außerdem bin ich sicher, dass dich beim Sex zu sehen und zu hören mir für immer den Appetit verderben wird.“

Die Zähne so fest zusammengebissen, dass sein Kiefer schmerzte, ging Leander in die Küche, entschlossener denn je, Kate Hawkins aus seinem Zufluchtsort zu vertreiben.

Kate wartete, bis sie sicher war, dass Leander nicht sofort ins Wohnzimmer zurückkommen wollte, um sie mit einem weiteren Psychomanöver aus seinem Haus zu lotsen. Erst dann legte sie das Telefon auf ihre Brust, schloss die Augen und stieß den Atem aus.

Sie würde sich nicht von seiner Verachtung für sie beeinflussen lassen. Sie hatte noch nie ein Versprechen gebrochen und würde jetzt nicht damit anfangen, schon gar nicht, weil sie dieses Versprechen Helena gegeben hatte. Wenn Helena nicht gewesen wäre, hätte sie niemals das Internat durchgestanden. Dann hätte sie die örtliche Schule besuchen müssen, die für ihren lausigen Unterricht berüchtigt war. Also hätte sie nie die Noten erreicht, die sie benötigte, um Tiermedizin zu studieren. Sie würde nicht schon in einer Woche losfliegen, um in ihrem Traumjob in einem von einer Stiftung betriebenen Orang-Utan-Waisenhaus anzufangen.

Kate war eine von nur drei Vollstipendiatinnen an ihrem Internat gewesen, eins der wenigen Mädchen, die nicht die Ferien in Saint-Tropez oder Klosters verbrachten – oder wo auch immer Mummy und Daddy ein zweites, drittes oder viertes Haus besaßen. Die Familie Hawkins verbrachte ihren jährlichen Urlaub normalerweise in einem All-inclusive-Dreisterneresort in Spanien oder Portugal, was die anderen Mädchen urkomisch gefunden hatten, und zwar nicht auf eine nette Art.

Helena war anders. Ihr war es egal gewesen, dass Kates Eltern Gebrauchtwagen fuhren, in einer Doppelhaushälfte wohnten und sich keine Lebensmittel von Fortnum & Mason liefern ließen. Sie waren sofort Freundinnen geworden, und ihre Freundschaft hielt seit fast fünfzehn Jahren. Sie waren so eng miteinander wie Schwestern, und es gab nichts, was sie nicht füreinander tun würden. Und wenn sich Kate für Helena wie eine Klette an Leander Liassidis hängen musste, bis sie ihn zurück nach Griechenland schleifen konnte, dann würde sie genau das tun.

Keine Sekunde lang glaubte Kate, dass Leander wirklich Elle oder eine andere Frau hierherrufen würde. Er spielte schmutzige Psychotricks, um sie loszuwerden. Und sie würde ihren Stolz unterdrücken und den Stich ignorieren, den es ihr immer wieder gab, wenn er kein Geheimnis daraus machte, dass er sie nicht leiden konnte.

Wenigstens erleichterte Leander es ihr damit, ihn auch zu verachten. Und sie würde sich nicht erlauben, traurig darüber zu sein, dass ein Mann, bei dem sie das Gefühl gehabt hatte, er könnte ein echter Freund werden, sich als solch fieser Mistkerl entpuppte.

Sein Omelett sah gut aus, selbst wenn er selbst das sagte. Leander hatte es mit Käse und Serrano-Schinken überladen, aber absichtlich keine Zwiebel hineingetan, um Kate zu quälen. Er würde sie aushungern. Als er seinen Teller aus der Küche trug, schloss er die Tür hinter sich ab.

Aus seinem Weinkühlschrank wählte Leander eine Flasche Chablis aus, nahm ein Glas aus dem Schrank daneben und trug alles ins Wohnzimmer.

Die Bemerkung, mit der er Kate hatte ärgern wollen, blieb ungesagt, als er sah, dass sie eingeschlafen war.

Er konnte nichts tun, um die starken Gefühle zu stoppen, die plötzlich in ihm aufstiegen.

Noch immer lag Kate auf dem Rücken, ein Arm hing jetzt über die Sofakante, die Fingerspitzen berührten den Teppich. Sie atmete tief und gleichmäßig, bei jedem Ein- und Ausatmen bewegte sich das Telefon auf ihrer Brust und rutschte ein Stück.

Leander zwang sich, den Ansturm von Gefühlen zu unterdrücken, und setzte sich in einen Sessel in ihrer Nähe. Der Duft von Käse und Schinken würde sie wecken, und wenn das nicht funktionierte, würde er den Fernseher laut stellen. Er drückte die Fernbedienung und wollte gerade die Lautstärke hochfahren, als er den Fehler machte, den Blick auf Kates Gesicht im Schlaf zu richten. Der Ansturm von Gefühlen ging wieder los.

Er war so versessen darauf gewesen, sie loszuwerden, dass er die Erschöpfung übersehen hatte, von der ihr zartes, elfenhaftes Gesicht gezeichnet war. Er schaltete den Fernseher aus und ließ den Chablis ungeöffnet.

Drei Bissen von seinem Omelett, und Leander konnte es nicht länger ertragen. Er stellte den Teller auf den Boden, ging leise zu ihr und hob vorsichtig das Telefon von ihrer Brust, passte dabei auf, dass er nicht den runden Ausschnitt ihres blau-weiß gestreiften Tops berührte. Er legte das Telefon neben ihre flachen Sandaletten auf den Teppich, dicht neben ihre Hand.

Die zarten Finger zuckten.

Ihm blieb fast das Herz stehen.

Er wich zurück und beendete seine Solomahlzeit.

Der Mann kam aus dem Schatten der Tür auf sie zu, bis auf ein kleines Handtuch um die Hüften war er nackt. Je näher er kam, desto größer und überirdischer wurde seine Schönheit und desto höher schlug ihr Herz voller freudiger Erwartung. Sie brachte kein Wort heraus, aber als sein Gesicht über ihrem schwebte, öffneten sich ihre Lippen. Sie schob ihm die Finger in sein schwarzes Haar und stöhnte unter seinem besitzergreifenden, hungrigen Kuss …

Kate schreckte aus ihrem Traum hoch. Als Erstes sah sie nur dunkelblauen Samt – das Sofa, auf dem sie eingeschlafen war. Ihr Herz raste. Wenn sie nicht schon ihr Top krampfhaft festhalten würde, müsste sie sich selbst tätscheln, um sicherzugehen, dass sie noch bekleidet war.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie den Mut aufbrachte, den Kopf zu drehen.

Leander saß in einem Sessel und las, die kräftige, von schwarzen Bartstoppeln bedeckte Kieferpartie angespannt.

„Wie spät ist es?“, fragte Kate. Verzweifelt versuchte sie, den Traum abzuschütteln, und sie war sehr dankbar, dass Leander nicht von seinem Buch aufsah, als er antwortete.

„Sieben.“

Sie hatte stundenlang geschlafen. Hastig schwang sie die Füße auf den Boden. „Ich muss mal.“

„Die Toiletten hier stehen dir nicht zur Verfügung.“

Das war besser. Im Moment hatte sie es nötig, dass er so gemein wie nur möglich war.

„Na schön. Soll ich auf deinen Teppich machen?“

Jetzt sah Leander sie an, und Mensch, wie sie wünschte, er würde es nicht tun. Nicht, bis sie für immer diesen Traum aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte.

Er verzog spöttisch den Mund und deutete mit dem Kopf zu dem Bogen, durch den er vorhin gegangen war. „Die erste Tür links.“

Sie durchquerte den riesengroßen Wohnraum und hoffte fast, dass Leander sie in eine Besenkammer schickte, nur damit sie noch etwas hatte, wofür sie ihn hassen konnte. Aber nein, es war eine der luxuriösesten Gästetoiletten, die sie jemals betreten hatte.

Erst als sie die Tür abgeschlossen hatte, war Kate fähig, richtig Luft zu holen.

Ihr Herz raste immer noch, während sie sich mit der herrlich duftenden Seife die zitternden Hände wusch und sich kaltes Wasser in ihr erhitztes Gesicht spritzte. Aber es war nicht nur ihr Gesicht, das erhitzt war. Ihr war durch und durch heiß.

Dieser Traum … Er war so real gewesen.

Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr zerzaustes Haar und rieb den Rest Mascara unter ihren Augen weg. Energisch erinnerte sie sich daran, dass der Traum nicht real gewesen war.

Trotzdem, ihr Spiegelbild hatte etwas Beängstigendes an sich, eine Fiebrigkeit, die sie nicht wiedererkannte, und sie spritzte sich noch mehr kaltes Wasser ins Gesicht.

Jeder Schritt zurück ins Wohnzimmer ließ ihr Herz noch ein bisschen schneller rasen. Es war deutlich kälter im Raum, als sie hineinging. Der größte Teil der Glaswand zum Meer hin war geöffnet worden, kühle Abendluft strömte herein.

Leander las noch immer sein Buch. Er reagierte nicht auf ihre Rückkehr.

Ihr rasender Herzschlag wurde zu einem schmerzhaften Donnern. Wenn sie geglaubt hatte, das Bild von Leanders fast nacktem Körper vergessen zu können, so hatte ihr Traum das zunichtegemacht.

3. KAPITEL

Kate rief sich Helenas Gesicht in Erinnerung. Helena war der Grund, warum sie hier war, im Haus eines Mannes, der sie nicht ausstehen konnte. Helena.

Und es war nur ein Traum gewesen. Ein anschaulicher Traum, aber trotzdem nur ein Traum. Er bedeutete nichts. Sie würde ihn vergessen, bevor der Abend zu Ende war.

„Ich nehme an, ich habe Elle verpasst“, sagte sie betont munter, als sie ihren Platz auf dem Sofa zurückforderte.

Leander sah nicht von seinem Buch auf. „Du hast den ganzen Spaß verpasst.“

„So laut kann sie nicht sein, wenn ich trotz allem weitergeschlafen habe.“

„Ich bezweifle, dass du beim Lärm deines Schnarchens irgendetwas gehört hättest.“

„Ich schnarche nicht.“

„Woher willst du das wissen? Du hast geschlafen. Du hast geklungen wie ein Warzenschwein.“

„Du sagst die nettesten Sachen.“

Von der Zimmerdecke ertönte ein Summer.

Leander schlug sein Buch zu. „Mein Abendessen ist fertig.“

„Lass dich von mir nicht aufhalten.“

„Moussaka.“

Kate ließ sich nichts anmerken. Sie hatte das Gericht vor ihrer Reise auf die Insel der Familie Liassidis nie probiert und war beim ersten Bissen begeistert gewesen. Leander hatte diese Liebe zu etwas, was für ihn so gewöhnlich war, amüsant gefunden, und sie hatten ein langes Gespräch über all ihre Lieblingsgerichte geführt.

Schnell kehrte Leander mit einem Tablett zurück, auf dem ein übervoller Teller und ein großes Glas Rotwein standen.

„Isst du nicht in deinem Esszimmer?“, fragte Kate gespielt gelangweilt.

„Was für ein Gastgeber wäre ich, wenn ich meinen Gast sich selbst überlasse, während ich esse?“ Leander setzte sich wieder in seinen Sessel, trank einen Schluck Wein und aß dann seinen ersten Bissen. „Mmm … ich glaube, das ist vielleicht noch besser als das Moussaka, das wir letzte Woche gegessen haben.“

Kate konnte nichts dagegen tun, dass ihr der Magen knurrte. Es musste gut sechzehn Stunden her sein, dass sie zuletzt etwas gegessen hatte. Sie hatte auch Durst. Seit dem Bier auf der Poolterrasse hatte sie nichts getrunken.

Das Lächeln, das Leander ihr zuwarf, bewies, dass er das Knurren ihres Magens gehört hatte. Er legte Messer und Gabel auf den Teller, hielt das Tablett geschickt mit einer Hand, stand auf und zog eine Flasche Wasser aus der Tasche seiner Shorts.

„Für dich“, sagte er, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte, und warf ihr die Flasche zu. „Ich kann nicht zulassen, dass mein Gast dehydriert.“

Kate fing die Flasche und lächelte. „Oh, das ist wirklich nett von dir.“ Dann sah sie, dass es Wasser mit Kohlensäure war. Sie schraubte die Flasche auf und trank sie halb leer, obwohl sie Wasser mit Kohlensäure hasste. Was Leander sehr wohl wusste.

Sie beobachtete, wie er alles aufaß, und als der leere Teller durch eine große Schüssel mit heißem Schokoladenpudding und Schlagsahne ersetzt wurde, verzog sie keine Miene, nicht einmal, als ihr Magen zum vierten Mal ihren Hunger verriet.

„Zwei Meilen von hier gibt es ein großartiges Restaurant“, sagte Leander. „Es liegt in einer Bucht und serviert frische Meeresfrüchte, aber es sind die Desserts, für die es hier in der Gegend berühmt ist. Der Limettenkuchen ist himmlisch.“

„Klingt toll.“

„Das Restaurant schließt um elf, wenn du es jetzt ausprobieren möchtest.“

„Mir geht’s gut“, sagte Kate, gerade als ihr wieder der Magen knurrte.

Leander lächelte wissend. „Drück die Eins auf der Gegensprechanlage, und meine Fahrerin bringt dich hin.“ Mit seinem Dessert fertig, verschwand Leander wieder und kehrte diesmal mit einem Kaffee zurück.

Bei dem herrlichen Duft wäre Kate fast vom Sofa gesprungen und hätte ihm die Tasse aus der Hand gerissen.

Die Rache war bald ihre, als er den Fernseher einschaltete und einen Agententhriller fand. Kate machte sich daran, ihn zu nerven, indem sie über alles drauflosquatschte, von den unpraktischen Schuhen des Helden bis zur Unglaubwürdigkeit der Handlung, von der Leander nichts mitkriegte, weil Kate dafür nicht lange genug den Mund hielt.

Er meinte, dass sie nervte? Tja, sie bewies ihm mit großem Vergnügen, wie sehr sie nerven konnte.

Es dauerte weniger als dreißig Minuten, bis er aus seinem Sessel aufsprang und verkündete, einen Strandspaziergang zu machen.

„Klingt nach Spaß“, schwärmte sie sofort. „Ich komme mit.“ Und dann fing sie das Funkeln seiner Augen auf und ahnte, dass für sie alle Eingänge versperrt wären, sobald sie sein Haus erst einmal verließ. „Wobei … Ich glaube, ich bleibe doch lieber hier.“

Ohne ein weiteres Wort ging Leander nach draußen und verschwand in der Dunkelheit.

Leander atmete tief die salzige Seeluft ein und verfluchte sich, weil er nicht daran gedacht hatte, Schuhe und einen Pullover anzuziehen. Tagsüber blieben die Temperaturen in Marina Sands immer mild, aber die Abende waren oft viel kühler.

Wahrscheinlich war es nur gut, dass Kate nicht mitgekommen war. Die Versuchung, sie ins Meer zu werfen, wäre vielleicht zu groß gewesen. Sie ins Meer zu werfen hätte bedeutet, sie anfassen zu müssen … Eine Erinnerung daran, wie sie in seiner Athener Wohnung getanzt hatte, blitzte auf. In der einen Hand hielt sie einen Cocktail, mit der anderen fuchtelte sie über ihrem Kopf, während sie das Stück laut mitsang, das gerade lief. Wie sich Dimitri anschlich, ihr den Arm um die Taille legte und ihr mit der flachen Hand durch ihr Sommerkleid den Bauch streichelte. Wie Kate vor Lachen kreischte und …

Leander ging schneller.

Sie wird bald weg sein, sagte er sich grimmig. Er hatte alle Räume abgeschlossen, deshalb musste sie sich auf das Hauptwohnzimmer beschränken. Darin wurde es über Nacht kühl, und sie hatte bis auf die Shorts und das kurzärmelige Top nichts anzuziehen. Sie hatte schon Hunger. Morgen früh – wenn sie so lange durchhielt – würde sie sehr frieren und am Verhungern sein. Selbst Kate, trotz all ihrer Zähigkeit und Sturheit, würde ihre Niederlage eingestehen und gehen müssen.

Bis Kate herausgefunden hatte, wie man die Außentüren des Wohnzimmers schloss, war die ganze Wärme entwichen. Eine Durchsuchung des Hauses nach etwas Warmem, in das sie sich einhüllen konnte, scheiterte. Nur die Gästetoilette war nicht abgeschlossen. Das einzige Stück Stoff, mit dem sie sich wärmen konnte, war das Handtuch in der Toilette.

Zurück im Wohnzimmer rief Kate nach Leanders Hausangestellten. Ihre Rufe blieben unbeantwortet, deshalb drückte sie die Eins auf der Gegensprechanlage. Es wurde abgenommen, bevor das erste Klingeln zu Ende war.

Eine Frauenstimme. „Wohin soll ich Sie bringen?“

„Ich habe gehofft, Sie oder ein anderer Mitarbeiter könnte das Kaminfeuer für mich anmachen“, sagte Kate. „Hier drin ist es eiskalt.“

„Tut mir leid, Ma’am, ich bin nicht befugt, das zu tun. Ich bin nur befugt, Sie zu einem Ziel Ihrer Wahl zu fahren.“

„Würden Sie mich nach England fahren?“

„Wenn Sie mich darum bitten. Es würde einen gewissen Einfallsreichtum erfordern, das zu schaffen, doch ich würde mein Bestes tun.“

„Also können Sie mich nach England fahren, aber nicht den Kamin anmachen?“

„Tut mir leid, Ma’am, wir haben unsere Anweisungen.“

Kate seufzte. „Jedenfalls danke.“

Sie zog Bilanz. Sie fror und hatte Hunger, aber sie war nicht besiegt. Allein ihre Anwesenheit machte Leander Ärger. Und das Gute am Frieren war, dass die Hitze des Traums endlich verschwunden war.

Kate wünschte nur, dass der Traum selbst auch verschwinden würde. Auch wenn sie die derzeitigen Umstände und die nicht unwichtige Tatsache, dass Leander sie nicht ausstehen konnte, einfach mal vergaß, sie hatte kein Recht, von Leander zu träumen. Er war völlig tabu für sie. Es spielte keine Rolle, dass Helena keine romantischen Gefühle für ihn hatte und ihre Heirat nur eine Vernunftehe war. Nach Kates Ansicht gehörte er Helena.

Mit fast sechsundzwanzig Jahren hatte Kate noch nie von einem Mann geträumt. Nicht einmal von Euan, ihrer Zwei-Wochen-Affäre während des Studiums, die im Grunde gar keine richtige Affäre gewesen war, die sie aber abrupt beendet hatte, als …

Draußen ging das Licht an.

Kate eilte zurück zu ihrem Sofa, zog die Füße unter ihren Po, um sie so gut sie konnte zu wärmen, und schaltete ihr Telefon ein.

Die Glastür wurde aufgeschoben.

Kates Herz klopfte wie verrückt. Ihr stockte der Atem, als sich Leanders dunkelbrauneAugen auf sie richteten.

Er lächelte angespannt. „Noch immer hier, wie ich sehe.“

„Deine Beobachtungsgabe ist erstaunlich.“

„Fast so erstaunlich wie deine Fähigkeit, dich selbst zu quälen.“ Er schob die Tür zu. „Die hier schließe ich nicht ab, sodass du allein hinausfindest. Ich gehe ins Bett.“

„Willst du nicht eins deiner Lustobjekte anrufen?“ Kate wusste, dass sie das nicht hätte sagen sollen. Weil sie in diesem Moment auf gar keinen Fall daran denken oder darüber sprechen wollte, dass Leander Sex hatte. Nicht, wo sie sich dieses Mannes doch schon so bewusst war.

Das angespannte Lächeln wurde ein bisschen breiter. „Der Anruf ist bereits gemacht. Ich lasse meine Schlafzimmertür offen, damit du zusehen kannst. Wenn du zu sehr zu frieren beginnst, mein Bett ist groß genug für drei.“

Obwohl Kate wusste, dass es nur ein weiteres Psychospielchen war, durchströmte sie eine Hitzewelle, entflammte ihre Haut, entflammte alles.

„Lieber erfriere ich!“

„Eine Nacht hier drin ohne Heizung und ohne Wolldecken, und du wirst genau das tun.“ Das Lächeln verschwand. „Denk daran, drück die Eins auf der Gegensprechanlage, und meine Fahrerin bringt dich, wohin du willst.“

Es war viele Jahre her, dass Leander so früh ins Bett gegangen war, und zum ersten Mal war er voller Wut unter die Steppdecke geglitten. Wut war immer nur eine flüchtige Emotion in ihm. Sein Zwillingsbruder hielt für sie beide genug daran fest. Leander hatte die enge Verbindung, die sie als eineiige Zwillinge hatten, reduziert, aber Leo war derjenige gewesen, der sie ganz gelöst hatte. Fünf Jahre lang tat er so, als hätte er keinen Bruder. Jede Nachricht, die Leander ihm schickte, blieb unbeantwortet, wenn auch nicht ungelesen. Leo antwortete nicht einmal auf die Einladung zur Hochzeit.

Trotzdem wusste Leander, dass Leo eine direkte Bitte um Hilfe niemals abweisen würde und umgekehrt verhielt es sich ebenso.

Theós, es war surreal, nach so langer Zeit Leos Stimme am Ende der Leitung zu hören, selbst wenn es nur die kurze Aufforderung war, eine Nachricht zu hinterlassen.

Zum Zeitpunkt seines Anrufs war Leanders einziger Gedanke, so schnell wie möglich so weit weg wie möglich von Griechenland zu kommen, aber seitdem dachte er öfter an seinen Bruder, als er es in den Jahren zuvor getan hatte.

Als er Leo damals seine Entscheidung mitteilte, war Leander klar gewesen, dass er seinen Bruder damit verletzte. Er wäre auch verletzt gewesen, wenn es umgekehrt gewesen wäre. Was er unmöglich hatte voraussehen können, war, dass sich die Situation so sehr verschlimmern würde, dass Leo ihn aus seinem Leben ausschloss.

Während dieses ersten Kontakts seit fünf Jahren waren Leanders Gedanken durch die Frau getrübt gewesen, die jetzt im Erdgeschoss unter seinem Schlafzimmer schlief. Sie konnte es nicht wissen, aber das Sofa stand direkt unter seinem Bett.

Zum Teufel mit ihr, weil sie das Eindringen in sein Haus als ein Spiel betrachtete. Zum Teufel mit ihr, weil sie so … Kate war.

Es schlug Mitternacht, und sie war noch immer da.

Wie konnte sie nur so stur sein? Sie würde sich unterkühlen. Na und? Sie wäre selbst schuld. Ein Anruf, und sie könnte sich in einem beheizten Auto zum Flugplatz fahren lassen.

Kate hatte sich so tief ins Sofa gekuschelt, wie sie konnte. Das Gästehandtuch hatte sie sich über die Füße gelegt. Trotzdem fror sie so sehr, dass sogar der quälende Hunger in den Winterschlaf verfallen war.

Wenigstens hatte sie keinen Durst. Nachdem er das Wohnzimmer verlassen hatte, war Leander mit zwei Flaschen Wasser für sie zurückgekehrt. Er hatte sie auf ein Sideboard gestellt und war wieder verschwunden. Natürlich war es Wasser mit Kohlensäure.

Kate glaubte nicht, dass sie es noch viel länger aushalten konnte. Es war zwei Uhr morgens, und obwohl sie am Nachmittag so lange geschlafen hatte, war sie noch immer erschöpft, aber der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Ihr war zu kalt. Bevor die Sonne aufging und den riesengroßen Raum wärmte, würde sie noch Stunden leiden müssen.

Allerdings war es nicht nur die Kälte, die den Gedanken, die Eins auf der Gegensprechanlage zu drücken, immer verlockender machte.

Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, war sofort der Traum wieder da und ließ ihr Herz klopfen und ein fieberhaftes Prickeln auf ihrer eiskalten Haut ausbrechen. Wenn es ihr einmal gelang, den Traum zu verdrängen, wurde er durch Erinnerungen an all den Spaß ersetzt, den sie zusammen erlebt hatten, bevor sich Leander gegen sie gewandt hatte.

Was hatte sie getan, um die Veränderung hervorzurufen?

Irgendetwas musste sie getan haben. Sein Gerede darüber, dass sie nervte, war als Grund nicht glaubwürdig, weil sein kühles Verhalten zu plötzlich gekommen war. Kate rief sich die Nacht in Athen in Erinnerung, von dem Zeitpunkt an, als Leander Cocktails gemixt hatte. Er hatte mit ihr getanzt und den Shaker zu den Beats geschüttelt, die durch die ganze Wohnung hämmerten. Dann hatte er ein Glas gefüllt und es ihr mit einer spöttischen Verbeugung überreicht. Kate war davongetanzt und hatte ihm eine Kusshand zugeworfen, die er breit lächelnd aufgefangen und sich an die Wange geschlagen hatte. Kaum zehn Stunden später hatte sie ihn zusammengesunken über der Kücheninsel gefunden, und seitdem war er ihr gegenüber abweisend.

Leander schlug mit der Faust auf sein Kopfkissen, inzwischen bestimmt schon zum fünfzehnten Mal, und dann rastete er aus.

Er sprang aus dem Bett, stürmte die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer.

Kate musste seine schweren Schritte gehört haben, denn im Mondlicht, das durch die Glastüren schien, konnte er sehen, dass sie den Kopf gehoben hatte.

„Hast du irgendeine Art von Todessehnsucht?“, fragte er wütend, während er das Licht anmachte.

Sofort drehte sie ihm den Rücken zu. Sie drückte sich so fest ins Sofa, dass sie fast ein Teil davon war, aber es war das kleine Gästehandtuch auf ihren Füßen, was ihn bis ins Mark traf.

„Warum gehst du nicht weg?“, schrie er. „Warum setzt du dich dem aus? Was willst du beweisen? Glaubst du, dich zu unterkühlen wird mich dazu bringen, dich bleiben zu lassen? Glaubst du, Helena würde wollen, dass du ihr zuliebe krank wirst?“

Kate antwortete nicht. Sie blieb mit dem Rücken zu ihm liegen. Fluchend stürmte Leander die Treppe wieder hoch.

Kate hörte eine Tür zuknallen und unterdrückte ein Schluchzen. Sie hatte ihn auch anschreien wollen, ihn an das Versprechen erinnern wollen, das er Helena gegeben hatte, aber ihr hatte das Herz bis zum Hals geschlagen. Leander aus der Dunkelheit auftauchen zu sehen hatte die Reaktion ausgelöst. Im silbrigen Mondlicht war seine Schönheit noch größer gewesen. Genau wie in ihrem Traum. Leander hatte nur Boxershorts angehabt, so wenig wie in ihrem Traum.

Nur dass er in ihrem Traum nicht so gemein zu ihr war.

Zittrig holte sie Luft und drehte sich herum. Leander so zu nerven, dass er nachgab, war eine Sache, aber wie er sie eben angeschrien hatte …

Sie hatte unterschätzt, wie tief seine Abneigung reichte. Es war nicht so, dass er sie nur einfach nicht mochte.

Er hasste sie.

Was ihr teilweise wie ein Spiel, ein Machtkampf zwischen ihnen vorgekommen war, empfand Kate unter Leanders tief sitzendem Hass ganz anders.

Schwere Schritte waren wieder auf der Treppe zu hören.

Leander kam mit einem Bündel in den Armen herein. Er legte es aufs Ende des Sofas, schnappte sich etwas davon und warf es Kate auf den Schoß. „Zieh das an“, sagte er rau.

Es war ein langärmeliges schwarzes Top aus Baumwollvelours.

Er drückte die Hand auf den Rest der Sachen. „Steppdecke und Kopfkissen.“ Dann marschierte er durchs Wohnzimmer und verschwand.

Ganz überwältigt von dieser unerwarteten Geste, zerrte Kate die Steppdecke über sich, legte das Kissen zurecht und zog sich das Top über den Kopf. Es roch nach Weichspüler. Es roch sauber.

Kate kuschelte sich unter die Steppdecke. Während sie darauf wartete, dass ihr warm wurde, merkte sie zum ersten Mal, dass ihr BH an den Schultern einschnitt. Sie setzte sich wieder auf, zog das langärmelige Top und ihr eigenes aus, hakte den BH auf und legte ihn ab, dann zog sie sich Leanders Top über den Kopf – und sah Leander reglos wie eine Statue am Kamin stehen. Er hielt ein Glas mit einer dunklen Flüssigkeit in der Hand.

Plötzlich brauchte Kate weder sein Top noch die Steppdecke, damit ihr warm wurde. Die Hitzewelle, die sie durchflutete, war heiß genug, um ganz Marina Sands zu beheizen.

Die Zeit stand still. Kate konnte den Blick nicht von Leander losreißen, konnte nichts dagegen tun, dass die Hitze noch stärker wurde und pulsierte, als sich sein perfekt gebauter, sonnengebräunter Körper in ihr Gedächtnis einbrannte, mit all den Details, die anzuerkennen sie sich bisher nie erlaubt hatte. Das dunkle Haar, das die definierten Brustmuskeln und den Waschbrettbauch bis zum Nabel bedeckte. Der kräftige Hals. Die breiten Schultern.

Leander holte tief Luft, bevor er fest die Lippen zusammenpresste.

Einen Moment später ging er zum Bogen, der zur Treppe führte, und verschwand.

4. KAPITEL

Leander trank seinen Scotch in einem großen Schluck aus.

Noch nie hatte sein Herzschlag so laut in seinen Ohren gedröhnt.

Kates Brüste …

Sie waren genauso schön, wie er sie sich vorgestellt hatte. Noch schöner. Üppiger, als es ihre zierliche Figur vermuten ließ. Dunkelrosa Brustwarzen …

Leander stöhnte auf.

Noch nie war er so erregt gewesen.

Er brauchte eine Dusche.

Kurz darauf stand er unter dem kalten Wasserstrahl. Alles in ihm flehte um eine einzige kleine Kostprobe, nur wäre eine kleine Kostprobe niemals …

Verdammt, warum hatte er sich erweichen lassen und eine Steppdecke für sie aus dem Schrank geholt? Sich zu sagen, dass es nicht dasselbe war, wie Kate ins Gästezimmer einzuladen, zog nicht. Er hatte ...

Autor

Kali Anthony
<p>Als Kali Anthony mit vierzehn ihren ersten Roman las, wurde ihr einiges klar: Es kann nie zu viele Happy Ends geben, und eines Tages würde sie diese selbst schreiben.Wie in einer perfekten Liebesromanze heiratete sie ihren eigenen großen, dunklen und gutaussehenden Helden, dann wagte sie den Sprung ins kalte Wasser...
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Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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