Julia Gold Band 69

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UNTER DEM HIMMEL DER WÜSTE von WALKER, KATE
An die Liebe auf den ersten Blick glaubt Scheich Malik nicht. Bis er die hübsche Engländerin Abbie kennenlernt. Nach einem sinnlichen Kuss ist Malik klar: Abbie ist die Frau seiner Träume. Doch Abbie scheint unerreichbar, denn sie ist einem anderen versprochen - Maliks Bruder!

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  • Erscheinungstag 15.07.2016
  • Bandnummer 0069
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707439
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Walker, Penny Jordan, Lynne Graham

JULIA GOLD BAND 69

1. KAPITEL

Zuerst sah Abbie nur die Eskorte. Große Männer auf großen Motorrädern. Die Motoren dröhnten, Lack und Chrom glänzten in der Sonne. Trotz der Hitze trugen sie eng anliegende schwarze Lederanzüge und schwarze Helme. Diese Männer waren die Leibwache eines Mannes, der über ein weit entferntes Land herrschte.

Majestätisch glitt der Konvoi die Einfahrt entlang und kam vor dem Haupteingang des Anwesens zum Stehen. Auf ihren Maschinen sitzend, beobachteten die Leibwächter das Gelände mit wachsamen Blicken. In dem großen eleganten Wagen mit den getönten Scheiben erkannte Abbie die Gestalt von Scheich Malik bin Rashid Al’Qaim. Auf der Motorhaube prangte eine kleine Flagge.

Die Flagge von Barakhara.

Abbie atmete tief ein. Also war er hier. Es passierte tatsächlich.

Aber er kam zu früh. Sie hatten ihn erst in einer halben Stunde erwartet. Deshalb putzte sie noch dieses Zimmer und trug über der weißen Bluse und dem kurzen Rock eine mit großen bunten Blumen bedruckte Schürze.

„Dad!“, rief sie mit zitternder Stimme. „Sie sind da.“

Doch ihr Vater eilte bereits in die gewaltige Eingangshalle und öffnete die Haustür. Als Abbie sah, dass er einen Moment stehen blieb, tief durchatmete und seine Hände an den Hosenbeinen abwischte, sank ihr Mut.

Wenn ihr Vater, ein Mann, der stets mit allem fertig wurde, nervös war, dann bestand wirklich Anlass zur Sorge.

„Viel Glück“, rief sie ihm nach. Dabei würde er viel mehr als Glück brauchen.

Nicht nur ihr Vater, die ganze Familie würde alles tun, um Andy zu helfen. Aber das Schicksal ihres Bruders lag in den Händen eines arabischen Scheichs. Was er verlangen würde, um ihn freizulassen, stand in den Sternen.

Da er als sehr widersprüchlich galt, konnte niemand vorhersagen, wie er reagieren würde. Zumindest war es ihnen nach drei Wochen zähen diplomatischen Ringens gelungen, dass er persönlich kam, damit sie die Angelegenheit direkt mit ihm besprechen konnten.

In diesem Augenblick öffnete der Chauffeur die hintere Tür des Wagens und trat mit erhobenem Kopf und geradem Rücken einen Schritt zurück. Zwar salutierte er nicht, doch seine ganze Körperhaltung drückte Respekt aus.

„Oh …“

Nur diese eine Silbe, vermischt mit einem langen Seufzen, kam über Abbies Lippen. Wäre ein eleganter schwarzer Panther aus dem Wagen gesprungen, wäre sie nicht überraschter gewesen.

Oder ängstlicher.

Dieser Mann war so groß und dunkel und anmutig wie eine Wildkatze auf der Jagd – und sicher auch so stark.

Bei seinem Anblick lief Abbie ein kalter Schauder über den Rücken. Sein Gesicht hatte zu harte Züge, um es als schön zu bezeichnen. Die hohen Wangenknochen betonten das markante Kinn und die leicht gebogene Nase. Unter den geraden schwarzen Brauen funkelten die tiefsten und dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte.

Was für ein ausdrucksstarkes Gesicht! Wie hartherzig und unnachgiebig. Von diesem Mann durften sie weder Milde noch Gnade erwarten. Dabei war er jünger, als sie erwartet hatte. Aus irgendeinem Grund hatte Abbie immer angenommen, er wäre fünfzig und nicht dreißig.

„Ich dachte, er ist ein Scheich“, sagte eine helle Stimme. Ihr kleiner Bruder George stand plötzlich neben ihr und sah ebenfalls aus dem Fenster.

„Das ist er auch. Der Scheich von Barakhara.“

„Aber er trägt nicht die richtigen Kleider!“

„Nein …“

Unwillkürlich musste Abbie lächeln. Mit seinen zwölf Jahren dachte George noch in anderen Kategorien. Da ihr Besucher ein Scheich war, sollte er auch die fließenden Gewänder tragen, die man in seiner Heimat traditionsgemäß trug. Stattdessen steckte dieser Scheich in einem maßgeschneiderten stahlgrauen Seidenanzug, der seine muskulösen Schultern und die breite Brust betonte. Gerade näherte er sich mit großen Schritten der Eingangstür, um ihren Vater zu begrüßen. Tiefschwarz glänzte das Haar des Fremden in der Sonne, und die Hand, die er hob, um es sich aus der Stirn zu streichen, war von demselben golden schimmernden Bronzeton wie sein Gesicht.

„Also ist er kein echter Scheich?“

„Doch, das ist er. Vermutlich trägt er diese wallenden Gewänder nur in seinem Land.“

„In der Wüste …, wenn er auf einem Kamel reitet?“

„Ja, ich glaube schon.“

Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen.

„Dann ist er der echte Scheich und kann Andy helfen?“

Bei der Erinnerung an den Ernst der Lage, die den Scheich überhaupt erst hierher geführt hatte, verschwand Abbies Lächeln.

„Ja, George, ich hoffe es. Ich hoffe es wirklich.“

„Daddy wird mit ihm reden“, sagte George zuversichtlich.

„Ja, Daddy wird mit ihm reden“, bestätigte Abbie ohne rechte Überzeugung.

Durch das Fenster sah sie, wie der Scheich ihrem Vater höflich die Hand entgegenstreckte. Ihr Vater hingegen verbeugte sich fast und neigte instinktiv den Kopf, um dem königlichen Besucher seinen Respekt zu erweisen. Bei dieser Geste fürchtete Abbie, ihr Vater könne zu viel Ehrfurcht vor dem jüngeren Mann empfinden.

Dabei durfte er nicht die Kontrolle über die Situation verlieren. Denn es war immens wichtig, dass er die Angelegenheit ruhig und selbstbewusst diskutierte. Andys Zukunft hing davon ab.

Als Abbie jetzt an ihren neunzehnjährigen Bruder dachte, der ganz allein in Barakharas Gefängnis saß, fröstelte sie. Auch wenn Andy sich dumm und völlig verantwortungslos verhalten hatte, war er kein schlechter Mensch. Er hatte einen Fehler gemacht, aber nicht mehr. Und wenn er eine zweite Chance bekam …

Er musste einfach eine zweite Chance bekommen! Schließlich war der Scheich doch aus genau diesem Grund hier. Wenn er ihnen nur sagen wollte, dass es keine Gnade für ihren Bruder gab, hätte er den weiten Weg doch nicht zurückgelegt, oder?

Um die Szene an der Haustür besser verfolgen zu können, beugte Abbie sich ein wenig vor und schob den Vorhang beiseite. Gleich darauf hielt sie wie erstarrt inne, denn die winzige Bewegung hatte die Aufmerksamkeit des Scheichs erregt. Instinktiv wandte er den Kopf und suchte nach der Quelle der Ablenkung. Für einen Augenblick, losgelöst von Zeit und Raum, trafen sich ihre Blicke, seiner aus schwarzen Augen, ihrer aus silbergrauen.

Entsetzt stieß Abbie einen leisen Schrei aus. Panik verengte ihre Kehle. Mit fiebriger Hast ließ sie den Vorhang los und machte einen Schritt nach hinten.

Dennoch blieb das Gefühl zurück, unter seinem Blick zu verbrennen.

Bitte, lieber Gott, lass diese Verhandlungen bald vorbei sein, betete sie still. Intuitiv wusste sie, dass sie nicht sicher war, solange dieser Mann mit ihrem Vater verhandelte.

Auf einmal wollte sie nur noch, dass er wieder ging und für immer verschwand.

Und doch, dachte sie, während sie noch ein paar Schritte rückwärts ging, hatte sie nie zuvor einen Mann wie ihn gesehen. Trotz ihrer Angst könnte sie sein Bild niemals aus ihrem Gedächtnis löschen.

Wenn sie sich zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen begegnet wären …

Wer, zum Teufel, war das?

Scheich Malik bin Rashid Al’Qaim war kein Mann, der sich leicht von seinen Zielen ablenken ließ. Und die Angelegenheit, die er mit James Cavanaugh zu besprechen hatte, erforderte seine gesamte Aufmerksamkeit. Aber für einen winzigen Moment hatte die Bewegung des Vorhangs ihn abgelenkt. Einen winzigen Moment hatte er den Kopf gewandt und wie erstarrt innegehalten, als sein Blick dem einer Blondine begegnete, die ihn von einem Fenster im Erdgeschoss aus neugierig ansah.

Eine atemberaubende Blondine. Groß und schlank, mit glänzendem weichen Haar und einer sinnlichen Figur, die seine Aufmerksamkeit sogar länger als einen winzigen Moment abgelenkt hatte. Selbst die alberne und nicht gerade vorteilhafte Baumwollschürze, die sie trug, konnte ihre erotischen Kurven nicht verbergen.

Kurven, die er gern genauer betrachten würde.

Aber noch während der Gedanke in seinem Kopf aufblitzte, weiteten sich die Augen der Blondine vor Verlegenheit, und sie trat hastig einen Schritt zurück und verschwand damit aus seinem Blickfeld.

Nur mühsam unterdrückte Malik das aufsteigende Gefühl von Enttäuschung. Es gab wichtigere Dinge zu erledigen. Die Frau, offensichtlich ein Dienstmädchen oder eine andere Angestellte der Cavanaughs, konnte warten.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten …, eine kleine Erfrischung nach der langen Reise?“

Eilig richtete Malik seine Aufmerksamkeit wieder auf das, was James Cavanaugh – Sir James Cavanaugh, erinnerte er sich – sagte.

„Sehr gern“, antwortete er und folgte Abbies Vater in die mit Eichenholz getäfelte Eingangshalle.

Von dort führte eine Tür zu ihrer Linken in eine geräumige Bibliothek. Früher musste der Raum luxuriös und prächtig ausgesehen haben. Mittlerweile zeigte er jene Anzeichen von Vernachlässigung und Verfall, die auftraten, wenn kein Geld für Reparaturen zur Verfügung stand.

Auf dem ganzen Anwesen waren diese Zeichen deutlich sichtbar. Schon seit Jahren hatten die verzierten schmiedeeisernen Tore an der Einfahrt keinen neuen Anstrich mehr erhalten, den Springbrunnen vor dem Haus überzog grünes Moos, und in den Blumenbeeten wuchs Unkraut.

Das Haus selbst war zwar groß und elegant und zeigte den gesellschaftlichen Einfluss, den die Familie besaß, doch ganz offensichtlich überstiegen die Instandhaltungskosten das Einkommen der Besitzer.

Das wird die Sache einfacher machen, entschied Malik und beobachtete, wie sein Gastgeber sich um seinen Komfort sorgte. Was wenig dazu beitrug zu verbergen, wie nervös James Cavanaugh war.

Liebend gern hätte Malik die üblichen Höflichkeitsbekundungen und Floskeln, die am Beginn jeder Verhandlung standen, übersprungen. Zumal die Freundlichkeit seines Gastgebers sehr rasch verschwinden würde. Denn Maliks Angebot gab James Cavanaugh kaum Anlass zur Freude.

Doch wenn sein Gastgeber seinen Sohn Andrew noch vor dessen vierzigstem Geburtstag wiedersehen wollte, blieb ihm keine Alternative, als den Bedingungen zuzustimmen.

Ob seine Tochter auch damit einverstanden wäre, stand auf einem anderen Blatt.

2. KAPITEL

Als würde man auf den Countdown für eine Explosion warten, ging es Abbie durch den Kopf, als sie durch den Flur zur Treppe schlich. So leise wie möglich huschte sie an der Bibliothek vorbei. Doch ihre Hoffnung, hören zu können, was hinter den geschlossenen Türen gesprochen wurde, erfüllte sich nicht. Durch das dicke Holz drang nur gedämpftes Murmeln.

Lediglich die Stimmen konnte sie unterscheiden, aber das war auch schon alles. Vor allem die Stimme des Scheichs machte Abbie aus.

Waren ihrem Vater schon die Argumente ausgegangen? Oder hatte der Scheich jeden seiner Vorschläge abgewiesen und erläuterte nun seine Bedingungen?

Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen. Als sie den Treppenabsatz erreichte, glitt sie zu Boden und verbarg ihr Gesicht traurig zwischen den Händen.

Als Kind hatte ihr Bruder unter heftigem Asthma gelitten und oft im Krankenhaus oder krank zu Hause gelegen. Deshalb verpasste er sehr viel vom Schulunterricht und war für sein Alter sehr naiv. Die Reise nach Barakhara war sein erster Versuch, auf eigenen Füßen zu stehen. Und jetzt saß er im Gefängnis. Bei dem einzigen Anruf, der dank des britischen Botschafters zustande gekommen war, hatte Andy völlig verängstigt geklungen und seine Familie angefleht, ihn aus dem Gefängnis und nach Hause zu holen.

Plötzlich hörte Abbie Schritte und sprang hastig auf.

Ihr Vater öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Dort blieb er kurz stehen und warf dem Mann im Zimmer einen Blick zu.

„Es tut mir unendlich leid, aber ich muss diesen Anruf entgegennehmen. Es wird nicht lange dauern“, sagte er.

Damit eilte er den Flur in Richtung Küche davon. Abbie schaute ihm nach. Vom Treppenabsatz aus wirkte ihr Vater klein und niedergeschlagen. Ein Anblick, der ihr das Herz schwer machte.

„Oh Andy …“, seufzte sie, gewann aber schnell ihre Fassung zurück.

Andere Jungen in seinem Alter hatten viel schlimmere Dinge angestellt! In England galt es als ganz normaler Diebstahl, wenn man wie er einige Kleinigkeiten von der archäologischen Ausgrabungsstätte, für die er gearbeitet hatte, einsteckte. Woher nahm dieser Scheich das Recht, Andy so lange einzusperren?

Plötzlich stieg Wut in Abbie auf. Bevor sie wusste, was sie tat, lief sie schon die Treppe hinunter. Die Tür zur Bibliothek war nur angelehnt. Weiter dem Impuls folgend, der sie schon die Stufen hinuntergetrieben hatte, öffnete sie die Tür und betrat das Zimmer.

Da stand sie also, von Angesicht zu Angesicht dem Mann gegenüber, der gekommen war, um ihrer Familie Forderungen zu stellen. Der ihren Bruder bis zur Zahlung eines Lösegeldes gefangen hielt und jetzt verkündete, wie viel sie bezahlen mussten.

Hier stand sie also, von Angesicht zu wunderschönem Angesicht …

Wie atemberaubend gut er aus der Nähe aussah, daran wollte Abbie lieber nicht denken. Dunkel und sexy. Gemütlich saß er in einem der großen weichen Ledersessel, die neben dem Kamin standen, die Beine ausgestreckt und an den Knöcheln gekreuzt. Seine blauschwarzen Haare bildeten einen scharfen Kontrast zu dem hellen Leder. Geradezu absurd klein und zerbrechlich wirkte die Teetasse aus feinstem Porzellan in seiner starken bronzefarbenen Hand. Seine andere Hand ruhte entspannt auf der Lehne des Sessels.

„Sie können das nicht tun!“

Noch bevor Abbie nachdenken konnte, brachen die Worte aus ihr hervor. Und sie wusste nicht, ob sie Panik oder Befriedigung empfinden sollte, als sie sah, dass sich die Muskeln in seinem Kiefer spannten und seine schwarzen Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten, als er den Kopf hob und sie ansah.

„Wie bitte?“

Seine samtige dunkle Stimme hatte einen scharfen Tonfall, bei dem sie innerlich zusammenzuckte. Auch saß er jetzt nicht mehr gelöst in dem Ledersessel, sondern spannte jeden Muskel seines Körpers an, als würde die Raubkatze, die sie sich vorhin vorgestellt hatte, nur auf den richtigen Moment zum Angriff warten.

„Sie können Menschen nicht so behandeln!“

„Und wie wäre das?“

„Das wissen Sie sehr gut!“

„Ich denke nicht.“

Zu ihrem Entsetzen stellte er die Tasse samt Untertasse auf dem Tisch ab und stand mit einer langsamen geschmeidigen Bewegung auf.

„Ich weiß nicht, wessen Sie mich anklagen … oder warum“, fuhr er fort, und seine Stimme klang jetzt weich und warm. Doch dieser Tonfall passte ganz und gar nicht zu dem wütenden kalten Funkeln seiner schwarzen Augen. „Vielleicht könnten Sie es mir erklären?“

Seit Malik sie vorhin am Fenster gesehen hatte, wollte er diese verführerische Blondine wiedersehen. Tatsächlich hatte er James Cavanaughs Vorschlag, Tee zu trinken, nur zugestimmt, weil er gehofft hatte, dass sie ihn servieren würde. Leider war James selbst gegangen und mit dem Tablett zurückgekehrt. Doch dann war sein Gastgeber zu einem wichtigen Telefonat gerufen worden, und dafür stand nun ohne Vorwarnung die schöne Fremde in der Bibliothek.

Vorhin, als sich ihre Blicke begegnet waren, hätte Malik jeden Eid geschworen, in ihren Augen dasselbe Interesse und dieselbe Anziehungskraft aufblitzen zu sehen wie in seinen. Überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie sich treffen würden. Und ihr plötzliches Erscheinen schien ihm recht zu geben.

Aus der Nähe sah sie noch atemberaubender aus, als der kurze Moment am Fenster hatte vermuten lassen. Die langen blonden Haare trug sie lässig zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. In der lächerlichen geblümten Schürze müsste sie eigentlich alles andere als aufregend wirken, aber die geknoteten Bänder um ihre Taille betonten die sagenhaften Rundungen ihrer Brüste und die kurvenreichen Hüften.

Mit welcher Intensität ihr Anblick seinen sexuellen Hunger entfachte, schockierte ihn fast. Schon lange hatte er dieses Gefühl nicht mehr empfunden.

Doch ihre Begrüßung entsprach überhaupt nicht seinen Erwartungen. Dieses wild fauchende Kätzchen besaß nur wenig von der warmen willigen Versuchung, die er sich ausgemalt hatte. Dabei hatte er fast schon geglaubt, die Reise nach England könnte mehr werden als eine langweilige diplomatische Familienpflicht.

Stattdessen stand er nun dieser aggressiven heißblütigen Kreatur gegenüber, die ihn in einer Weise anfuhr, wie es eine Frau in Barakhara niemals gewagt hätte.

„Ich muss gar nichts erklären! Sie wissen selbst, warum Sie hier sind!“

„Meine Geschäfte bespreche ich mit Sir James …“

Aber sein Versuch, sie mit Autorität einzuschüchtern, scheiterte, da sie seine Worte mit einer Handbewegung einfach wegwischte.

„Ihr Geschäft ist es, über Andys – Andrews – Schicksal zu entscheiden!“, schrie sie ihn an. „Ich weiß nicht, für wen sie sich halten, dass Sie so mit dem Leben anderer Menschen spielen! Was gibt Ihnen das Recht …“

„Das Gesetz gibt mir das Recht“, unterbrach Malik sie. „Das Gesetz von Barakhara. Dasselbe Gesetz, dass der junge Andrew gebrochen hat, als er einige Artefakte der archäologischen Ausgrabung in seine Taschen gesteckt hat.“

Andy, wiederholte er im Kopf und versuchte, die Bedeutung dieses einzelnen Worts zu entschlüsseln. Sicher, sie hatte sich ziemlich rasch mit Andrew verbessert, aber zuerst hatte sie Andy gesagt.

Und Andy bedeutete Vertrauen und eine Nähe, die das Verhältnis zwischen Dienstmädchen und Familienmitglied überstieg.

„Ein paar Kleinigkeiten! Was war es denn? Eine Münze oder zwei? Ein Fossil? Und dafür sperren Sie ihn lebenslang ein?“

„Ein paar religiöse Kleinigkeiten“, berichtigte Malik nun kalt. „Gegenstände, die von großer Wichtigkeit für die Geschichte Barakharas sind. Gegenstände, deren Berührung noch im letzten Jahrhundert die Todesstrafe für jeden Nichtbarakhaner zur Folge gehabt hätte …“

Mit größter Zufriedenheit beobachtete er, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. „Wussten Sie das nicht?“

Sie schüttelte den Kopf.

Andy. Wieder wanderten Maliks Gedanken zu diesem Wort. War er vielleicht ihr Liebhaber? Völlig unerwartet stieg ein Gefühl von Eifersucht in ihm auf.

„Vielleicht geben Sie nun zu, dass ich nicht die Ausgeburt des Teufels bin, für die Sie mich halten.“

„Ich …“

Offenbar wusste sie keine Antwort. Sie öffnete ihre wunderbaren rosa Lippen, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. In ihren grauen Augen spiegelte sich Verwirrung.

Plötzlich empfand Malik Wut über das Schicksal, das ihn hergebracht, und die Aufgabe, die er zu erfüllen hatte. Warum erledigte Jalil seine schmutzigen Jobs nicht selbst?

Immer wieder gab es Zeiten, in denen er sich wünschte, sein junger Halbbruder würde seine Straße der Verdammnis allein beschreiten. Doch wenn Jalil fiel, drohte seinem Land das Chaos. Und Malik hatte ihrer gemeinsamen Mutter geschworen, das niemals zuzulassen. Ein Schwur innerhalb der Familie war heilig – gleichgültig, was er ihn kostete.

Ursprünglich hatte er gehofft, durch einen Flirt mit dem blonden Dienstmädchen zumindest ein wenig Unterhaltung zu bekommen, ein wenig Entspannung nach den komplizierten Verhandlungen, die er führen musste. Aber nach ihrem sturen und trotzigen Gesichtsausdruck zu schließen, müsste er mehr Arbeit in sie investieren als gedacht.

Wenn sie dem Sohn, diesem Andy, so nahestand, kannte sie vielleicht auch die Tochter sehr gut, drängte sich Malik ein weiterer ungewollter und unbehaglicher Gedanke auf.

Auf diese Komplikation konnte er gut verzichten. Bislang hatte er diese Gail, von der Jalil gesprochen hatte, zwar noch nicht gesehen, aber wenn sie und dieses Mädchen befreundet waren …

„Wie heißen Sie?“, fragte er plötzlich. Weil es ihn große Anstrengung kostete, sich von dem Verlangen, das seinen Körper ergriffen hatte, abzulenken, klang seine Stimme ein wenig rau.

„Ich bin Abbie“, entgegnete sie verwundert.

Nicht Gail, dachte Malik erleichtert. Einen schrecklichen Moment hatte er befürchtet …

„Und wie soll ich Sie ansprechen?“

Offenbar hatte sie nun ihr Selbstvertrauen wiedergefunden, mit dem sie ins Zimmer gestürmt war. Der sarkastische Unterton ihrer Frage war unüberhörbar. Gegen seinen Willen lächelte Malik.

„Sie können mich Malik nennen.“

„Malik.“ Abbie wiederholte den Namen, als schmecke sie den exotischen Klang auf der Zunge. „Ist das alles?“

Ihre Kehle war auf einmal wie ausgetrocknet. Daher schluckte sie und befeuchtete ihre Lippen. Sein Blick folgte dieser entlarvenden Geste. Als er den Kopf wieder hob und sie in seine schwarzen Augen sah, wusste sie, dass sie verloren war. Denn ein kleines Lächeln von ihm reichte, um ihre Welt erbeben zu lassen. Ein kleines Zucken seiner sexy Mundwinkel nur, und ihr Körper reagierte sofort.

„Sollte ich nicht noch etwas hinzufügen?“, fragte sie.

„Etwas hinzufügen?“, wiederholte er, und seine Stimme umschmeichelte ihre Sinne wie warme Seide. „Was denn zum Beispiel?“

Ja, was denn, überlegte Abbie und versuchte, in dem Chaos, das mittlerweile in ihrem Kopf herrschte, ihren ursprünglichen Gedanken wiederzufinden.

„Zum Beispiel … Sir“, erwiderte sie zögernd. Immerhin war er ein Scheich. Ein Herrscher. Er gehörte zum Königshaus Al’Qaim. Sicherlich gab es einen offiziellen Titel. „Oder Ihre Majestät … oder …“

Als er sich plötzlich bewegte und zu ihr trat, brach ihre Stimme. Trotz der Hitze, die sich gerade noch in ihrem Körper ausgebreitet hatte, durchlief sie nun ein Zittern, als streifte ein kalter Wind ihre Haut.

Der Blick aus seinen funkelnden schwarzen Augen hielt Abbie gefangen. Selbst wenn sie es versucht hätte, wäre ihr keine Bewegung gelungen. Aber sie versuchte es nicht, wollte es auch gar nicht versuchen.

Stattdessen wusste sie, dass Maliks Lächeln all ihre Wut mit seiner Wärme auslöschte. Und als sie den schwachen amüsierten Schimmer sah, der in diesen wunderbaren Augen aufleuchtete, war es um sie geschehen.

„Nur Malik“, murmelte er – jetzt so nah, dass sein Atem über ihre Wange strich.

Tief einatmend, nahm sie den warmen männlichen Duft seiner Haut wahr.

„Malik“, sagte sie leise. Ihr wilder Herzschlag pochte ein wenig langsamer, dafür breitete sich eine seidenweiche Wärme tief in ihrem Körper aus.

„Malik“, wiederholte sie noch einmal und wollte so viel mehr sagen, doch ihr fehlte der Mut.

Berühre mich, wollte sie sagen. Ich will deinen Körper an meinem spüren. Zeig mir, wie es wäre, von dir gestreichelt zu werden …

Aber die Worte erstarben auf ihren Lippen, obwohl sie sie laut in ihrem Kopf zu hören meinte. Niemals in ihrem ganzen Leben hatte sie so empfunden.

„Du bist wunderschön.“

Auf einmal konnte Abbie es nicht mehr ertragen, dass er so nah vor ihr stand und dennoch nicht nah genug.

Sie musste ihn berühren.

Alle Vorsicht in den Wind schlagend, ergab sie sich dem intensiven Verlangen, das ihre Haut zum Glühen brachte, und streckte die Hand aus.

Und traf auf seine Hand, die er zur selben Zeit nach ihr ausstreckte.

Als ihre Fingerspitzen sich berührten, war es, als entzünde sich die Luft und als tanzten kleine Funken zwischen ihnen. Dann schloss sich seine bronzefarbene Hand um ihre und hielt sie mit festem Griff. Abbie konnte nicht anders, sie musste dem Verlangen nachgeben, das mit dunklen mächtigen Wellen über sie hereinbrach. Beinahe taumelte sie gegen ihn und empfing seinen Kuss.

Der Kuss, von dem Malik seit der ersten Sekunde geträumt hatte, übertraf die Wirklichkeit bei Weitem. Wie eine Stichflamme loderte die Lust in ihm auf, raste durch seinen ganzen Körper und entfachte ein helles Feuer, eine brennende Sehnsucht in seinem Inneren. Als sie ihren Mund bereitwillig öffnete und das Spiel seiner Zunge ungehemmt erwiderte, betörte ihn ihr Geschmack stärker als ein mächtiges und wirkungsvolles Aphrodisiakum.

Wie von einem gewaltigen Orkan wurden all seine Gedanken hinweggefegt und die Wirklichkeit verflüchtigte sich, so sehr begehrte er diese Frau. Malik vergaß, wo er war und warum er hierhergekommen war. Alles, worauf er sich konzentrieren konnte, war der weiche weibliche Körper in seinen Armen, die zarten Lippen, die Hand, die …

Ungeduldig zerrte er an dem Band in ihrem Haar und löste es, sodass die blonden Locken über ihren Rücken fielen. Jetzt, endlich, konnte er ihren Kopf mit beiden Händen umfassen und halten, um sie so zu küssen, wie er es wollte.

Dabei stieß er nicht auf den geringsten Widerstand, weder versteifte sie sich, noch zog sie sich zurück. Nein, sie drängte sich sogar noch näher an ihn und presste sich fest gegen seine bereits erregte Männlichkeit. Mit jeder kleinen Bewegung entfachte sie sein Verlangen stärker, ließ die Flammen höher und heißer brennen.

„Ich will dich.“

Er erkannte kaum seine eigene Stimme, verstand kaum die Sprache, in der er gesprochen hatte, so sehr riss das Verlangen ihn mit sich.

Die Frau in seinen Armen seufzte und flüsterte nun etwas gegen seine Lippen. Sanft zog er ihren Kopf zurück und sah in ihr von Leidenschaft erhitztes Gesicht, in die vor Sehnsucht umwölkten Augen, auf die von seinen Küssen geröteten Lippen.

„Was?“, fragte er. Trotz der offensichtlichen Beweise, die ihr Antlitz ihm bot, musste er es von ihr hören. „Was hast du gesagt?“

„Ich sagte …“

Doch sie machte sich gar nicht die Mühe, ihren Satz zu beenden, sondern schlang ihren Arm um seinen Nacken und zog seinen Kopf wieder zu sich herunter.

„Ja …“

Wie ein Seufzen oder ein Stöhnen klang das Wort. Ein Zeichen der Kapitulation? Eine Forderung?

Er wusste es nicht, und es kümmerte ihn auch nicht. Jetzt war nicht die Zeit für Worte. Denn wonach sein erregter Körper verlangte, war, diese willige und zügellose Frau zu nehmen, lang, hart und fest, und zwar … jetzt.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, schob er sie rückwärts, wich instinktiv Möbelstücken aus, bis sie die Wand am Ende des Zimmers erreichten.

Wieder umfasste Malik ihr Gesicht mit den Händen, zog ihren Kopf in den richtigen Winkel und küsste sie lange und tief, schmeckte die Süße ihres Mundes und fühlte, wie sein Blut noch heißer kochte, sich seine Sinne immer noch mehr berauschten.

„Ja“, murmelte er. „Ja. Du gehörst mir. Ich wusste es vom ersten Moment …“

Mehr Worte drangen nicht über seine Lippen, denn er spürte, wie ihre Finger an seiner Krawatte zerrten, sie lösten und die warme Haut darunter berührten.

„Abbie.“ Ihr Name glich einem Stöhnen, einem Geräusch, war kaum noch ein Wort.

„Malik.“ Ihre Stimme unterschied sich kaum von seiner. „Malik …“

Er drückte sie fest gegen die Wand, konnte ihr nicht nah genug sein, wollte ihren weichen Körper überall an seinem spüren. Er wollte sie unter sich betten, ihr die Kleider vom Leib reißen, ihre Hitze spüren, wenn er in sie eindrang. Und gleichzeitig wollte er sich nicht bewegen.

Denn sich zu bewegen, hieße, den Kontakt zu unterbrechen. Hieße, sich den hungrig tastenden Liebkosungen ihrer Hände zu entziehen, ihrer Finger, die die Knöpfe an seinem Hemd öffneten und über die weiche Haut und die schwarzen Härchen seiner Brust streichelten.

Mit einer raschen Bewegung drängte er sie in eine andere Position, streifte mit seinen Händen ihre Beine entlang, griff nach dem Saum ihres Rocks, schob ihn nach oben, bis über die Hüften, und entblößte die helle Haut ihrer Schenkel.

Die nackte Haut, wie er überrascht feststellte. Nur Haut, keine Strumpfhose, nur Haut, weich wie warmer Samt und verführerisch wie die Hölle.

Abbie öffnete die letzten Knöpfe seines Hemdes, und endlich, endlich spürten sie einander Haut an Haut. Vor Wonne stieß Malik Worte in seiner Muttersprache aus und schob ihren Rock noch ein Stückchen höher. Unablässig jagte das Gefühl ihrer Haut unter seinen Fingerspitzen heiße Wellen durch seinen Körper, und er spürte, wie auch sie erbebte.

Leise hörte er sie stöhnen – oder war er es? Malik wusste es nicht, presste aber schon im nächsten Moment wieder seine Lippen auf ihre. Doch sie auf den Mund zu küssen, reichte plötzlich nicht mehr. Und intuitiv verstand sie ihn, lehnte sich zurück und lud ihn ein, sich zu nehmen, was er wollte.

Nur die hässliche Schürze war ihm jetzt noch im Weg. In Rücken und Nacken geknotet, behinderte sie seine Liebkosungen. Was er jedoch berühren konnte, war der Ort, wo sie ihn am meisten ersehnte, nur von einem lilafarbenen hauchdünnen Nichts beschützt. Das Seidenhöschen stand in einem so extremen Kontrast zu ihrer sonstigen praktischen Kleidung, dass Malik fast lachen musste.

„Also das hast du unter dieser scheußlichen Uniform versteckt. So etwas trägt eine richtige Frau.“

Selbst mit ein bisschen Abstand fühlte er die Hitze, die von ihr ausging, spürte er die feuchte Wärme, die ihren Hunger verriet. Der samtene weibliche Duft ihrer Erregung überwältigte ihn und verbannte alle rationalen Gedanken.

Und ihre Küsse raubten ihm den letzten Funken Verstand. Heiße, drängende, fordernde kleine Küsse auf seine Wangen und seinen Hals. Längst lag sein Jackett auf dem Boden, alle Knöpfe an seinem Hemd standen offen, und an den Seiten war es aus der Hose gezogen. Vor lauter Sehnsucht schien Abbie nicht recht zu wissen, wo sie zuerst mit ihren Händen hinwollte, sie streichelte über seine Brust, seine Schultern, seine Arme …

Oh Allah, und sie streichelte seinen Bauch, wagte sich etwas weiter nach unten, suchend, tastend, liebkosend …

„Abbie“, stöhnte er, sagte dann aber aus Ermutigung oder aus Protest über die Unmöglichkeit, tatsächlich hier und jetzt dem Verlangen nachzugeben: „Wir können nicht. Wir müssen …, wir …“

Mit einem Kopfschütteln brachte sie ihn zum Schweigen. „Küss mich“, forderte sie. „Küss mich!“

Er würde viel mehr tun, als sie zu küssen. Sehr viel mehr!

Aber zuerst musste diese verdammte Schürze weg. Mit einem unterdrückten Fluch zerrte er an den Bändern, die über ihre Schulter liefen. Die dünnen Baumwollbändchen rissen.

Endlich!

Mit vor Verlangen zitternden Händen öffnete Malik einige der Knöpfe ihrer weißen Bluse. Die kleine Öffnung bot gerade genug Platz, um seine Finger hineinzuschieben und die weiche Rundung ihrer Brust zu streifen. Als Antwort auf diese Liebkosung stieß Abbie einige unzusammenhängende leidenschaftliche Laute aus.

Noch einen Knopf, dann bekam Malik seine Hand in die Lücke, umfasste ihre, ihn bereits sehnsüchtig erwartende Brust und fühlte die Hitze durch die dünne Seide ihres BHs hindurch. Bei dieser Berührung wurde die schmerzhafte Sehnsucht zwischen seinen Beinen schier unerträglich.

Er musste sie haben. Musste …

Aber während er ihre hart aufgerichtete Knospe verwöhnte, hörte er ein Geräusch außerhalb der Bibliothek, bei dem das sinnliche Delirium, das von ihm Besitz ergriffen hatte, in tausend Scherben zersprang.

3. KAPITEL

„Das überlasse ich ganz Ihnen …“, drang eine Stimme vom Flur durch die nur angelehnte Tür. „Wir besprechen das später.“

Es war eine männliche Stimme.

James Cavanaughs Stimme.

Die Stimme seines Gastgebers.

Verwirrt hob er den Kopf und sah in Abbies graue Augen. Auch sie war mitten in der Bewegung erstarrt.

„Cavanaugh“, stieß er hervor.

„Mein …“

Sie schluckte, brachte aber vor Entsetzen kein weiteres Wort über die Lippen.

„Dein Boss.“ Malik nickte, weil er die Verlegenheit verstand, die diese verfängliche Situation für sie bedeutete.

Dein Boss?

Bis die beiden Worte in Abbies Gehirn drangen, dauerte es eine Weile, und als sie es endlich taten, ergaben sie überhaupt keinen Sinn.

Dein Boss!

Er glaubte, sie arbeitete für …

Doch dann verdrängte das Geräusch von Schritten vor der Tür diesen Gedanken. An seine Stelle trat ein anderer, weitaus schockierenderer.

Das waren die Schritte ihres Vaters, und sie kamen näher.

Ihr Vater kam zu seinem Gast in der Bibliothek zurück …

Gleich würde er die Tür öffnen, sich umschauen und … sie sehen.

Panisch hob sie die Hände, um die aufgeknöpfte Stelle ihrer Bluse zu bedecken.

„Hier.“

Augenblicklich übernahm Malik das Kommando. Sein Verhalten war wieder vollkommen beherrscht, wohingegen Abbie jede Kontrolle über sich verloren zu haben schien und befürchtete, sie auch nicht so bald wiederzufinden.

Hastig zog er ihren Rock über ihre Hüften und Beine, mit sehr kalkulierten und – schon wieder dieses verdammte Wort – beherrschten Bewegungen. Offenbar war ihm überhaupt nicht bewusst, was seine Berührungen, so ruhig und kühl, so distanziert wie die eines Arztes, in ihr anrichteten. Abbie wollte aufschreien. Ihr ganzer Körper protestierte, weil ihm die gerade noch empfundene Lust, die leidenschaftliche Ekstase so brutal entrissen und durch kontrollierte Zurückhaltung ersetzt worden war.

„Zieh dich an.“

Sein Tonfall klang hart, in seinen Augen glühte kein Funken Wärme mehr. Nichts blieb übrig von dem Mann, der sich selbst ‚nur Malik‘ genannt hatte, dafür war die Person, von der Abbie als der Scheich dachte, zurückgekehrt.

Während er sprach, richtete er seine eigenen Kleider. Mit schnellen und effektiven Bewegungen knöpfte er sein Hemd zu, steckte es in die Hose und glättete sein zerstrubbeltes Haar mit den Fingern.

„Ich sagte, zieh dich an!“

Das war ein Befehl. Zusammen mit dem kalten tadelnden Blick und dem vorwurfsvollen Tonfall stachen ihr die Worte mitten in ihr Herz.

Gerade noch war Abbie verloren gewesen, versunken in einem Meer der Leidenschaft, dessen Wellen jedes Denken mit sich gerissen hatten. Dieses Gefühl war so intensiv gewesen, dass sie jetzt Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren. Wohingegen Malik nicht länger als einen Herzschlag brauchte, um sich wieder ruhig und kontrolliert zu verhalten. Ganz offensichtlich hatten die letzten Minuten ihn nicht im Entferntesten so berührt wie sie.

„Willst du, dass Cavanaugh dich so sieht?“

„N…nein.“ Sie brachte nur ein Flüstern zustande, weil ihre Stimme ihr nicht mehr gehorchte.

„Abbie!“

Mit dieser verärgerten Ermahnung streckte Malik die Hand nach ihr aus. Vielleicht nur, um ihr zu helfen; vielleicht nur, um die Knöpfe ihrer Bluse für sie zu schließen.

„Nein!“

Abbie erinnerte sich nur an die brennende Lust, die sie nur Sekunden zuvor noch von seinen Händen empfangen hatte. Ob sie eine Wiederholung dieser Berührungen herbeisehnen oder fürchten sollte, wusste sie nicht und reagierte vollkommen panisch.

„Nein …, ich muss gehen!“

Es gab nur eine Möglichkeit, den Raum zu verlassen, ohne ihrem Vater zu begegnen. Auf der anderen Seite der Bibliothek führte eine kleine Tür direkt in den Garten. Um von dort wieder zurück ins Haus zu gelangen, musste sie nur durch die Küche gehen. Auf dem Weg hätte sie zumindest einige Augenblicke für sich und kam hoffentlich wieder zur Ruhe.

‚Dein Boss‘, hatte Malik gesagt. Sicher glaubte er, sie wäre hier angestellt. Wahrscheinlich wegen der Schürze.

Er hielt sie für ein Dienstmädchen, mit dem man ohne Bedenken flirten konnte, das man für sein Vergnügen gebrauchte und fortwarf, wenn einem die Lust verging.

„Ich muss gehen“, murmelte sie noch einmal. Mit gesenktem Kopf und Tränen der Demütigung in den Augen ging sie so schnell sie konnte auf die kleine Seitentür zu.

Als sie die Klinke herunterdrücken wollte, legte sich eine bronzefarbene Hand auf ihren Arm und hielt sie fest.

„Warte!“, sagte Malik mit belegter Stimme. „Warte!“

„Worauf?“

Auf eine weitere Demütigung? Darauf, dass er ihr sagte, sie sei nur eine Spielerei für ihn gewesen? Dass er sich nur die Zeit bis zur Rückkehr ihres Vaters hatte vertreiben wollen? Hielten Männer wie er sich dafür nicht einen Harem? Damit sie irgendeine Frau auswählen und, wenn sie Lust hatten, ausnutzen konnten?

„Damit du mich wieder ausnutzen kannst?“

„Ausnutzen?“ Malik sah wirklich schockiert aus. „Ausnutzen!“, wiederholte er. „Du wagst es, das ausnutzen zu nennen! Darf ich dich daran erinnern, sukkar, dass du es genauso wolltest wie ich …, dass du es immer noch willst?“

Grausam glitt sein Blick auf ihre immer noch aufgerichteten Brustknospen, die jeden Widerspruch im Voraus Lügen straften.

„Und ich will es auch noch.“

Immer noch klang seine Stimme rau. Also ist er doch nicht so beherrscht und kontrolliert, wie er vorgibt, dachte Abbie. In seinen Augen lag noch ein winziges wildes Funkeln, und der Griff seiner Hand umschloss sie nicht ganz so ruhig und fest, wie sie zunächst vermutet hatte.

Diese Einsicht ließ sie zögern. Unsicher sah sie in die schimmernde Schwärze seiner Augen und wartete.

Malik legte eine Hand an ihre Wange und schaute ihr tief in die Augen. „Komm heute Nacht zu mir“, flüsterte er leise und verführerisch. „Komm zu mir in mein Hotel, damit wir beenden können, was wir angefangen haben.“

Abbie antwortete nicht, sie konnte nichts sagen. Aber sein kleines Lächeln zeigte deutlich, dass er die Veränderung in ihrer Miene bemerkt hatte. Eine Veränderung, die Zustimmung bedeutete.

„Das Europa“, sagte Malik in dem Tonfall eines Mannes, der wusste, dass er gewonnen hatte. „Das Europa um acht. Ich warte auf dich.“

Für einen letzten leidenschaftlichen Kuss presste er seine Lippen auf ihre, dann war es vorüber.

Anschließend wusste Abbie nicht, ob sie sich bewegt oder Malik sie durch die Tür geschoben hatte. Auf jeden Fall stand sie auf der anderen Seite der Tür, die bereits wieder geschlossen war. Im nächsten Moment hörte sie, wie sich die andere Tür öffnete und ihr Vater sich für seine lange Abwesenheit entschuldigte.

„Ich bitte Sie …“, antwortete Malik laut und deutlich, kühl und klar und völlig ruhig, als hätte er einfach dort gestanden und auf die Rückkehr seines Gastgebers gewartet. „Ich musste über vieles nachdenken. Auf die Zeit habe ich gar nicht geachtet.“

Als Abbie den Garten betrat, dämmerte es bereits. Im Schutz der einsetzenden Dunkelheit richtete sie ihre Kleider.

Später. Heute Abend. Heute Nacht. Die Worte hallten in ihrem Kopf, während sie den gewundenen Pfad durch den Garten auf die Küchentür zueilte.

Heute Nacht. Komm heute Nacht zu mir, damit wir beenden können, was wir angefangen haben.

Er war sich so sicher gewesen, dass sie Ja sagte.

Würde sie gehen?

Noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, kannte sie die Antwort.

Natürlich würde sie gehen. Ihr blieb gar keine Wahl.

Es war gefährlich. Es war verrückt. Und wahrscheinlich das Dümmste, was sie jemals tun würde …, aber wie sollte sie diesen atemberaubenden Mann gehen lassen, wenn ihr Liebesspiel sich erst zur Hälfte erfüllt hatte? Der Schmerz in ihrem Körper, ein Schmerz, der sich wie eine Wunde in ihrer Seele anfühlte, sagte ihr, dass sie das nicht konnte.

Gedankenverloren verlangsamte Abbie ihre Schritte und berührte mit den Fingern ihren Mund, erinnerte sich an Maliks Kuss und daran, wie er ihren Körper gestreichelt hatte.

Das Europa um acht …

Sie würde dort sein. Wie sollte sie weiterleben, wenn sie nicht hinging?

4. KAPITEL

Als Abbie zur Rezeption ging, schlug die große vergoldete Uhr im Foyer des Hotels Europa halb neun.

Mit voller Absicht hatte sie sich um genau eine halbe Stunde verspätet. Malik sollte auf sie warten. Diesen Beschluss hatte sie gefasst, nachdem die Entscheidung hierherzukommen endgültig gewesen war. Denn die Gewissheit der ersten Minuten hatte nicht angehalten. Kaum war Abbie ins Haus zurückgekehrt, waren ihr Zweifel gekommen …

Wie habe ich so dumm sein können, fragte sie sich. Was habe ich mir nur dabei gedacht, seine Einladung anzunehmen?

Dabei war es gar keine Einladung, sondern ein Befehl. Der Befehl eines Mannes, der daran gewöhnt war, Tag für Tag Befehle zu erteilen. Genauso wie er daran gewöhnt war, dass die Menschen ihm gehorchten. Wahrscheinlich brauchte er oft gar nichts zu sagen, sondern musste nur mit den Fingern schnipsen.

Würde auch sie seinem Fingerschnipsen gehorchen?

Nein. Mochte Seine Königliche Majestät, der arrogante Scheich Malik bin Rashid Al’Qaim, so lange mit den Fingern schnipsen, wie er wollte – sie würde sich seinen Wünschen nicht beugen, nur weil …

Nur weil er der attraktivste Mann mit dem größten Sexappeal war, den sie je getroffen hatte.

Auf dem Weg zurück zu ihrem Zimmer kam sie an der Bibliothek vorbei. Wie von selbst verlangsamten sich ihre Schritte. Die Tür war jetzt wieder fest verschlossen, wieder drangen die Stimmen nur gedämpft an ihr Ohr. Doch Abbie wusste genau, wann Malik sprach.

Sie wollte seine Stimme wieder hören.

Wollte hören, wie er sagte, sie sei wunderschön. Wollte hören, wie er mit dieser samtigen Stimme Worte der Liebe, der Zärtlichkeit und des Begehrens in ihr Ohr flüsterte.

Heute Nacht. Komm zu mir heute Nacht, damit wir beenden können, was wir angefangen haben.

„Kann ich Ihnen helfen, Madam?“

Die Worte der Rezeptionistin unterbrachen ihre Gedanken und holten sie in die Gegenwart zurück. Und zwar genau in dem Moment, vor dem sie sich am meisten gefürchtet hatte.

Noch nie zuvor hatte sie jemand so Wichtiges, den Herrscher eines Landes, besucht. Zweifellos würde es Sicherheitschecks und Kontrollen geben.

„Mein Name ist Abbie …“, begann sie zögernd und war unendlich erleichtert, als sie sah, wie sich ein Lächeln auf dem Gesicht der anderen Frau ausbreitete.

„Natürlich. Wir haben Sie erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“

Wenige Augenblicke später stand sie in dem Lift, der nur zu Maliks Suite fuhr, und konnte kaum fassen, wie einfach bisher alles gewesen war. Auf der anderen Seite der Aufzugkabine stand ein höflicher und diskreter Sicherheitsbeamter.

Als der Aufzug hielt, verbeugte sich ihr Mitfahrer leicht.

„Nach Ihnen, Madam“, sagte er und trat einen Schritt zurück, damit sie an ihm vorbeigehen konnte.

So muss es immer sein, wenn man Scheich ist, dachte Abbie, als sie auf den Flur, der mit einem dicken weichen Teppich in Königsblau ausgelegt war, hinaustrat. Man ist von Menschen umgeben, deren einzige Aufgabe darin besteht, die ihnen erteilten Anweisungen zu befolgen. Wieder einmal hatte Scheich Malik mit den Fingern geschnipst, und jeder gehorchte seinen Wünschen.

War sie vorher schon nervös gewesen, so hatte sie jetzt das Gefühl, als schlügen Millionen verzweifelter Schmetterlinge in ihrem Magen mit den Flügeln. Während Abbie in ein kleines Foyer trat, bemühte sie sich, ruhig zu atmen. Eine Tür aus hellem Holz versperrte ihren Weg. Neben der Tür stand ein zweiter Sicherheitsbeamter, unter dessen maßgeschneidertem Jackett sich eine deutliche Beule abzeichnete.

Bei dem Gedanken, einer Waffe so nah zu sein, musste Abbie unwillkürlich schlucken. Trotzdem zwang sie sich zu einem nervösen Lächeln. Doch ihren Versuch einer höflichen Begrüßung ignorierte der Leibwächter mit einer weiteren dieser kleinen steifen Verbeugungen. Dann öffnete er die Tür für sie.

„D…danke sehr.“

Mit weichen Knien stolperte Abbie in das Zimmer, der Sicherheitsbeamte aus dem Aufzug folgte ihr und sagte etwas auf Arabisch. Offenbar kündigte er sie an. Blinzelnd sah sie, wie sich Maliks große schlanke Gestalt in einer eleganten Bewegung von einem kleinen schwarzen Ledersofa erhob, das in der Mitte des luxuriösen Raumes stand.

„Du bist gekommen!“, sagte er mit jener tiefen samtigen Stimme, die all ihre Sinne berührte. „Willkommen!“

Hatte er wirklich an ihrem Kommen gezweifelt? Das glaubte Abbie nicht wirklich. Männer wie Malik zogen die Möglichkeit, dass man ihnen nicht gehorchte, gar nicht erst in Erwägung.

Wieder fielen ihr die unglaublichen Neuigkeiten ein, die ihr Vater ihr beim Abendessen mitgeteilt hatte. Letztlich hatten diese Neuigkeiten den Ausschlag gegeben, dass sie jetzt in diesem Zimmer stand.

„Es geht um Andy, nicht wahr?“, hatte sie beim sorgenvollen Ausdruck in den Augen ihres Vaters beunruhigt gefragt. „Der Scheich hat dir etwas gesagt …, was war es? Wird er Andy gehen lassen?“

„Eine Möglichkeit gibt es“, erwiderte James Cavanaugh und sah sie ernst und unglücklich an. „Aber das wird nicht leicht.“

„Egal, wie schwierig es ist, du musst es tun!“, erklärte Abbie. „Du musst. Du kannst Andy nicht im Gefängnis lassen, eingesperrt für …“

Doch als ihr Vater mit ernster Miene den Kopf schüttelte, erstarben die Worte auf ihren Lippen.

„Es geht nicht darum, dass ich etwas tue“, hatte James erwidert. „Die einzige Person, die Andy helfen kann, bist du. Alles liegt jetzt in deiner Hand. Aber ich weiß nicht, ob du dem zustimmen kannst, was man von dir verlangt …“

„Komm und setz dich.“

Mit ausgestreckter Hand kam Malik auf sie zu. Instinktiv steckte Abbie ihre Hände in die Taschen ihres blau-weißen Kleides. Sie wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn er sie berührte. Allein mit ihm in einem Zimmer zu sein, war schlimm genug.

Immer wieder hatte sie sich eingeredet, nicht klar denken zu können. Die Sorge um ihren Bruder, die Furcht vor der Ankunft des Scheichs und den Forderungen, die er wegen Andys Freilassung stellen könnte, mussten die Wirkung, die dieser Mann auf sie ausübte, mindestens verdreifachen. Nun allerdings, obwohl er immer noch mehrere Meter von ihr entfernt war, musste sie zugeben, dass dem nicht so war.

Jetzt trug er legere Jeans und ein eng anliegendes T-Shirt – schwarz wie seine Haare und Augen. Ihn so zu sehen, vertrieb das Wissen, dass er ein Scheich war, ein Prinz und Herrscher. Jetzt war er nur ein Mann. Ein unglaublich attraktiver Mann. Und atemberaubend sexy.

„Abbie?“

Malik legte eine Hand auf ihre Schulter. Sofort schien die Wärme, die von seiner Hand ausging, ihre Haut durch das Kleid hindurch zu verbrennen. Sie war sich nicht sicher, ob sie in seine Arme sinken oder zurückzucken sollte.

Einige Schritte von ihm fortzugehen, bedeutete für den ersten Moment eine enorme Erleichterung. Denn die Anspannung in ihren Muskeln ließ prompt nach, genau wie das Gefühl der übersteigerten Wahrnehmung von allem, was mit ihm zu tun hatte. Doch gleich darauf wollte sie wieder in seiner Nähe sein.

Bei aller Beunruhigung waren diese Gefühle das Wunderbarste, was Abbie je erlebt hatte. Sie fühlte sich so lebendig, dass es ihr so vorkam, als hätte sie ihr bisheriges Leben im Halbschlaf verbracht.

Außerdem kam sie sich in Maliks Nähe auf eine unglaubliche Weise weiblich vor. Noch nie hatte sie sich so sehr als Frau gefühlt wie in den wenigen Stunden, die sie diesen Mann kannte und in denen er sein Verlangen nach ihr so deutlich gemacht hatte.

Aber wenn das, was ihr Vater gesagt hatte, stimmte, war es nicht nur Verlangen.

„Möchtest du etwas trinken?“

Malik stand vor ihr, als sie sich auf das schwarze Ledersofa setzte.

„Ja.“

Verdammt, sie musste doch zu mehr als einsilbigen Antworten imstande sein! Doch seine Gegenwart belegte ihre Zunge mit einem Zauberbann, und auch die Synapsen in ihrem Gehirn funktionierten nicht mehr richtig.

„Wein? Mineralwasser … oder etwas Stärkeres?“

„Ein Mineralwasser, bitte.“

Nun, zumindest sprach sie wieder in einigermaßen vollständigen Sätzen. Stumm sah sie, wie Malik eine fast unmerkliche Geste machte und mit dem Kopf auf einen Schrank deutete, in dem Gläser und Flaschen standen.

Sofort bewegte sich jemand auf der anderen Seite der Suite.

Bis jetzt hatte Abbie den Mann gar nicht bemerkt, der dort still und ruhig im Halbdunkel stand. Immer noch schweigend ging er nun zu dem Schrank, schenkte die Getränke ein und reichte sie mit der üblichen Verbeugung an Malik.

So sieht Maliks Leben Tag für Tag aus, dachte Abbie ein wenig geschockt. Für ihn war das Normalität.

Und auch ihr Leben würde so aussehen …

Nein, sie durfte jetzt nicht daran denken! Aber natürlich war es vollkommen unmöglich, nicht daran zu denken. Seit dem Moment, in dem ihr Vater ihr die Bedingungen für Andys Freilassung genannt hatte, dachte Abbie daran.

„Der Scheich von Barakhara braucht eine Ehefrau. Und er hat dich als diese Ehefrau ausgewählt. Wenn du Ja sagst, zieht er die Anklage gegen Andy zurück und entlässt ihn aus dem Gefängnis.“

Ganz selbstverständlich war ihr Vater davon ausgegangen, dass sie diese Forderung ablehnen und sich weigern würde, überhaupt darüber nachzudenken. Aber natürlich wusste er nicht, dass sie den Scheich bereits getroffen hatte.

Irgendetwas muss passiert sein, überlegte Malik, als er die beiden Gläser – eins mit Wein, das andere mit Mineralwasser – von Ahmed entgegennahm und zum Sofa trug. Sie hatte sich verändert, zumindest unterschied sie sich sehr von der lebendigen, energiegeladenen jungen Frau von heute Nachmittag.

Steif saß sie da, und in ihren Augen lag eine Wachsamkeit, die ihn an seine Vollblutaraberpferde erinnerte: beim geringsten Anlass zur Flucht bereit. Als er die Gläser auf dem kleinen Tisch vor ihr abstellte, flackerte ihr Blick zu seinem Gesicht und doppelt so schnell wieder fort. Ihr „Danke“ war kaum zu hören.

Nun, er wusste, wie man mit einer unsicheren Frau umging. Tatsächlich war es fast dasselbe, wie ein nervöses Pferd zu besänftigen. Man brauchte Geduld und Respekt, aber das Ergebnis war alle Mühen wert. Am Schluss würde er bekommen, was er wollte.

Und was er von Abbie wollte, wusste er genau: eine lange Nacht voller Leidenschaft. Entspannung nach einem Tag in der Hölle. Nach ihrer leidenschaftlichen Reaktion vom Nachmittag hatte er allerdings angenommen, es würde wesentlich leichter werden. Aber er konnte warten. Schließlich gehörte ihnen die ganze Nacht.

Zuerst musste er jedoch etwas an der Atmosphäre ändern, sie leichter und angenehmer für sie beide machen.

„Lasst uns allein.“

Mit einer kleinen Geste zur Tür bedeutete er Ahmed und dem Sicherheitsbeamten zu gehen. Allein mit ihm wäre Abbie sicher entspannter.

„Jetzt“, sagte er, als er sich ihr schräg gegenüber in einen Sessel setzte, „sind wir unter uns.“

„Sie … sind rückwärts gegangen“, brachte sie mit zitternder Stimme hervor.

„Hmm? Ahmed und Ishaq?“

In Wahrheit hatte er nicht darauf geachtet, wie die beiden Männer den Raum verlassen hatten. Denn all seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Frau in dem blau-weißen Kleid. Auf die Frau, die ihre blonden Haare zu einem, für seinen Geschmack viel zu strengen Zopf zusammengebunden hatte.

„So ist es Brauch in Barakhara.“

„Also müssen sie das immer tun?“

Ein knappes Nicken war die Antwort. Unglücklicherweise bestand sein Halbbruder nun einmal auf den altmodischen Ritualen. Und da Malik hier in England als sein offizieller Repräsentant fungierte, wurde ihm dieselbe Ehrerbietung zuteil, auch wenn er in seinem eigenen Königreich schon längst auf diesen Unsinn verzichtete. Dass dieses Verhalten auf Abbie sonderbar, wenn nicht schockierend wirken musste, verstand Malik gut.

„Mach dir keine Sorgen, von dir erwarte ich das nicht.“

Was hatte er jetzt nur wieder getan, was diesen Ausdruck in ihre Augen brachte? Sie hob den Kopf und musterte ihn eingehend. Dann griff sie hastig nach ihrem Glas, erwischte jedoch das Weinglas. Trotzdem trank sie einen großen Schluck.

Er wollte nicht, dass sie so auf dem Sofa kauerte, ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Was er wollte, war die Frau von heute Nachmittag. Die Frau, die sein Blut so zum Kochen gebracht hatte, dass es sich wie eine Explosion angefühlt hatte.

Was er wollte, war, die Formalitäten überspringen und sofort zu den Intimitäten übergehen, die sie ihm am Nachmittag versprochen hatte. Er wollte sie aus dem Kleid befreien und aus der winzigen Spitzenunterwäsche, die sie wahrscheinlich trug. Wollte sie nackt und ihn willkommen heißend – entweder hier oder in dem luxuriösen Bett nebenan.

Und sie wollte dasselbe. Sonst säße sie nicht hier.

Als Allererstes musste dieser wenig verführerische Zopf verschwinden.

Er beugte sich vor und griff nach dem Gummiband in ihren Haaren, löste es sanft und geschickt und ließ es achtlos zu Boden fallen.

Nun galt seine gesamte Aufmerksamkeit ihrem Gesicht. Den geweiteten grauen Augen und der Art und Weise, wie sie ihre rosa Lippen vor Überraschung öffnete. Immer noch hielt sie das Weinglas fest umklammert.

„Das ist viel besser.“

Mit den Fingern strich er durch die seidigen Strähnen, kämmte sie locker um ihr Gesicht und über ihre Schulter. Eigentlich hatte er nur ihre strenge Aufmachung lockern wollen, doch kaum berührte er die blonden Haare, vergaß er seine ursprüngliche Absicht.

Jetzt wollte er mit den Händen durch diese weiche Pracht streicheln, den Duft des blumigen Shampoos riechen, der zusammen mit der Wärme ihrer Haut ein Parfüm ergab, das so verführerisch war, dass ihm das Atmen schwerfiel.

„Viel besser“, wiederholte er, und das Verlangen, das in ihm aufstieg, ließ seine Stimme plötzlich tiefer und rauer klingen.

Abbie stieß einen Laut aus, der möglicherweise Zustimmung bedeutete, dann aber in ein schwaches Seufzen überging.

Unsicher befeuchtete sie die Lippen und hielt entsetzt inne, als sie erkannte, mit welchem Interesse er diese Bewegung verfolgte.

„Malik …“, flüsterte sie, und ihre Stimme klang ganz wie seine – rau und heiser. Er lachte leise, ein Lachen, das einem wohligen Seufzen glich.

Langsam wanderten seine Hände von ihren Haaren zu ihrem Kopf, streichelten über ihre Stirn und ihren Nacken. Dann verhakte er seine Finger in einigen Haarsträhnen, nahm sie so auf sanfte Weise gefangen und zog ihren Kopf zu sich.

Fest hielt Abbie den Blick auf ihn gerichtet. Erst als sich ihre Lippen trafen, schlossen sich die grauen Augen. Der Kuss war langsam, zärtlich und voller Sehnsucht. Eine Begrüßung, eine Erkundung, eine Einladung und hätte sich nicht mehr von den feurigen leidenschaftlichen Küssen in der Bibliothek unterscheiden können.

Doch das Feuer, die Leidenschaft, sie glühten immer noch. Malik konnte sie versteckt unter der Oberfläche fühlen, schmeckte sie in Abbies Mund und spürte sie auf ihrer Zungenspitze, als sie die seine kurz berührte. Mit geschlossenen Augen ließ sie den Kopf in den Nacken und gegen seine Hände sinken.

„Ich bin froh, dass du gekommen bist“, flüsterte er und küsste ihre Lider.

Sie öffnete die Augen und blickte direkt in seine. So nah war sie jetzt bei ihm, dass er die kleinen lilafarbenen Punkte in ihrer grauen Iris sah.

„Hast du daran gezweifelt?“, fragte Abbie und kannte die Antwort, noch bevor sie die Frage zu Ende gestellt hatte.

Um seine Mundwinkel zuckte ein schelmisches Lächeln. „Nicht einen Moment.“

„Du wusstest, dass ich komme?“

„Ich wusste, dass du kommst.“

„Du bist dir deiner selbst offenbar sehr sicher.“

Malik schüttelte den Kopf. „Ich war mir deiner sehr sicher.“

Gemächlich schob er seine Hand unter den weiten Ausschnitt ihres Kleides und zog den seidigen Stoff zurück. Das Funkeln seiner schwarzen Augen strafte die Langsamkeit seiner Bewegungen Lügen.

„Ich wusste, du willst mich genauso, wie ich dich will.“

„Ich …“, setzte Abbie an, doch er legte einen Finger auf ihre Lippen.

„Keine Ausflüchte“, sagte er sanft. „Wir wissen beide, was zwischen uns passiert. Deshalb war ich mir sicher, dass du kommst.“

Er sah auf das Weinglas, das sie immer noch umklammerte, nahm es ihr aus der Hand und hielt es hoch, als wollte er einen Toast aussprechen. Doch stattdessen drehte er es und setzte es an der Stelle, an der sie getrunken hatte, an die Lippen. In dieser Geste schien ein Versprechen zu liegen – von Verbundenheit, von Gefühlen … und Treue?

Wieder kamen Abbie die unglaublichen Worte ihres Vaters in den Sinn.

Der Scheich von Barakhara braucht eine Ehefrau. Er hat dich ausgewählt.

Wegen der Gefühle und Reaktionen, die Malik heute Nachmittag in ihr geweckt hatte, war sie hier. Auch ohne einen Gedanken an eine gemeinsame Zukunft wäre sie zu ihm gekommen. Aber was sollte sie zu diesem überraschenden Heiratsantrag sagen? Es schien unmöglich, ein wahr gewordener Traum, dass Malik sie so begehrte, dass er ihrem Vater gesagt hatte, er wolle sie heiraten.

Gut, er hatte die Tatsachen verschleiert, indem er die Hochzeit als Bedingung für Andys Freilassung anführte, anstatt von seinen Gefühlen zu sprechen. Aber Abbie glaubte, sein Verhalten zu verstehen. Wenn sie schon die Wucht und Stärke ihrer eigenen Gefühle verwirrte, wie musste es dann erst einem Mann wie Malik gehen? Kam er nicht aus einem Land, in dem Männer lernten, ihre Gefühle zu verbergen? Er begehrte sie, und das genügte ihr im Moment. Mehr noch, er begehrte sie so sehr, dass er sie heiraten wollte. Konnte sie mehr verlangen? Noch war es zu früh, um von Liebe zu sprechen, zumindest für Malik. Wenn sie erst verheiratet waren, würde sich das sicher ändern.

In diesem Moment setzte Malik sich neben sie. Ganz fest schloss er sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss, der jeden weiteren Gedanken auslöschte. Seinen Duft einzuatmen, war wie ein mächtiges sinnliches Aphrodisiakum, das ihre Sinne berauschte und ein nie gekanntes Verlangen in ihr weckte.

Ohne eine Sekunde zu zögern, erwiderte sie die Umarmung, fuhr mit den Fingern durch sein dichtes schwarzes Haar und zog seinen Kopf zu sich herunter, damit er sie noch fester küsste. Einladend öffnete sie den Mund für ihn, und ihre Zungen begannen einen erregenden Tanz.

Sie wollte ihn bis in alle Ewigkeiten weiterküssen, doch irgendwann hob Malik den Kopf und rang nach Atem.

„Und nun …“, murmelte er, „denke ich, sollten wir dort weitermachen, wo wir heute Nachmittag aufgehört haben.“

5. KAPITEL

Seufzend ergab sich Abbie der Sinnlichkeit des Kusses, sank in Maliks Arme und überließ sich seinen zärtlichen Liebkosungen.

Immer noch hielt Malik sie eng an sich gedrückt. Abbie spürte gerade noch, wie erregt auch er war, als er sie mit sanftem Druck auf den Rücken legte, sodass ihr Kopf auf seinem Arm ruhte und ihr Körper halb gefangen unter seinem lag.

Um sie leichter küssen zu können, zog er ihren Kopf zart in die richtige Position. Und als er sie dann küsste, tat er es mit einer solchen sinnlichen Meisterschaft, dass Abbies bereits glühende Sehnsucht zu einem heißen lodernden Verlangen wuchs.

Auch seine Hände wanderten jetzt über ihren hungrigen Körper. Aufreizend folgten sie jedem Muskel, jeder Linie ihres Körpers, bis sie unwillkürlich unter seinen glühenden Berührungen erschauerte.

Und als er über ihre Brust streichelte, sie durch die dünne Seide ihres Kleides hindurch umfasste, konnte sie ein leises Stöhnen nicht länger zurückhalten.

„Gefällt dir das?“, fragte er mit einer Stimme, die wie das Schnurren eines Tigers klang, und verstärkte den Druck seiner Liebkosungen. „Dann wird dir auch das gefallen.“

Wieder änderte er die Intensität, jetzt waren es federleichte Berührungen, die ihre sensible Haut streiften und schließlich ihre bereits aufgerichtete Knospe erreichten. Er umfasste sie, drückte sie leicht zwischen zwei Fingern und spielte daran, bis Abbie sich unter ihm wand.

„Und dies …“

Sein Mund fuhr mit der Zunge über ihre Knospe, bis die Feuchtigkeit durch ihr Kleid auf die Haut drang. Und dann, genau im richtigen Moment, umschloss er sie mit seinen Lippen. Die Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit, die Reibung ihrer Kleidung gegen ihre sensible Haut, weckten einen Hunger in Abbie, der ihr völlig unbekannt war.

„Mehr … Malik, mehr …“, stöhnte sie.

Die Worte entrangen sich wie von selbst ihrer Kehle. Alle Hemmungen verbrannten in den lodernden Flammen der Lust, schmolzen in der Hitze ihres pulsierenden Blutes.

„Ich habe noch viel mehr mit dir vor“, raunte er. „Aber ich denke, in meinem Bett ist es bequemer.“

Abbie hielt die Augen geschlossen, als er aufstand und sie in seine Arme hob, um sie zu seinem Schlafzimmer zu tragen. Intuitiv legte sie ihre Arme um seinen Nacken. Ihr Gesicht gegen seinen Hals geschmiegt, atmete sie seinen wundervollen betörenden Duft ein. Sie küsste die pulsierende Ader an seinem Hals, ließ ihre Zunge darüberfahren und fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht, und Malik legte sie auf das weiß bezogene Bett und schmiegte sich neben sie.

„Wunderschöne, wunderschöne Abbie …“

Wie ein leises Lied drang ihr Name über seine Lippen, während er ihr Gesicht küsste, ihre geschlossenen Augenlider, ihr Haar und dann ihren Mund. Doch als sie den Kopf hob, um den Kuss zu erwidern, war er schon wieder fort, küsste ihren Körper, küsste jede entblößte Stelle, die er finden konnte, und brachte ihre Nerven zum Vibrieren.

Als er mit seinen Küssen ihren Rücken bedeckte, öffnete er den Reißverschluss ihres Kleides und zog es ihr aus. Mit derselben Geschwindigkeit folgte ihr BH. Währenddessen hörte er nicht auf, sie mit Mund und Lippen zu verwöhnen.

Sämtliche Hitze ihres Körpers konzentrierte sich nun auf einen Punkt. Ihr winziger Seidenslip war die letzte Barriere, das letzte Hindernis. Erregt wand Abbie sich hin und her und presste ihre brennenden Wangen gegen die kühlen Laken.

„Ruhig, sukkar, ganz ruhig“, murmelte Malik, streichelte zärtlich ihr Gesicht und küsste ihre Lippen. „Lass uns nichts überstürzen, nicht dieses erste Mal.“

„Nein …“ Wie es ihr gelang, das Wort auszusprechen, wusste Abbie nicht. Als langes Seufzen stieß sie es hervor, selbst nicht sicher, ob sie es als Zustimmung oder als Protest meinte.

Küssend zeichnete Malik einen Pfad an ihren Schultern entlang, folgte ihren Rippen und den Rundungen ihrer Brüste. Wie sehr wünschte sie sich, er würde auch an ihren vor Erregung aufgerichteten Knospen saugen, doch stattdessen küsste er ihren Bauch und verwöhnte ihren Nabel mit seiner Zunge.

„Malik“, seufzte sie und streckte die Hände nach ihm aus, um ihn wieder nach oben zu ziehen.

Doch als ihre Hände die Baumwolle seines T-Shirts berührten, erinnerte sie das unsanft daran, dass sie fast nackt, er hingegen noch völlig angezogen war.

„Du hast viel zu viele Kleider an“, schmollte sie.

„Das stimmt. Aber das lässt sich rasch ändern.“

Zum Beweis zog er sein T-Shirt so schnell über den Kopf, dass Abbie nicht sicher war, ob seine Lippen überhaupt ihren Körper verlassen hatten.

„Und du trägst mehr, als mir gefällt“, wisperte er.

Voller Ungeduld hakte er seine Daumen rechts und links in ihr Höschen und schob es über ihre Beine. So ungestüm und stürmisch, dass es zerriss. Aber Abbie war das gleichgültig, und einen Augenblick später konnte sie über gar nichts mehr nachdenken, weil Malik seine Küsse nun dort fortsetzte, wo sich ihre Lust konzentrierte, wo sie am empfindlichsten und am erregtesten war.

Sie spürte seinen warmen Atem an ihren Schenkeln, was ihre Lust noch weiter entfachte. Wollte, dass er weitermachte …, immer weiter – doch gleichzeitig brauchte sie noch viel mehr. Jetzt und sofort wollte sie ihn in sich spüren, wollte fühlen, wie er sie ausfüllte und besaß.

„M…Malik …“

Stöhnend versuchte Abbie, sich seinen intimen Liebkosungen zu entziehen. Sie wollte seine Lippen auf ihrem Mund, wollte, dass er ihre Brüste liebkoste, und tief in ihrem Inneren wollte sie den männlichsten Teil von ihm.

Er jedoch ignorierte ihre Aufforderungen und widmete sich weiter hingebungsvoll ihrer empfindsamsten Stelle.

„Malik“, protestierte sie flehender. Dieses Mal gab er ihrem Drängen nach und glitt ihren Körper entlang wieder nach oben, allerdings nicht ohne ihre bereits brennende Haut mit weiteren Küssen zu bedecken.

„Was möchtest du, habibti? Ist es das …?“

Mit dem Mund liebkoste er die Rundung ihrer rechten Brust, woraufhin Abbie vor Lust aufschrie.

„Oder das …?“

Nun versiegelte er ihre Lippen mit seinen, erstickte ihr Stöhnen mit seinem Mund, als er sie tief, ganz tief küsste, während er ihren Kopf festhielt, damit sie ihm nicht entkommen konnte.

„Oder vielleicht das …?“

Noch schmeckte sie ihn auf ihren Lippen, da war er auch schon fort und biss so plötzlich sanft in ihre Brustspitze, dass sie wieder aufschrie.

„Ja … Ja … Ja …“

Töne voller erotischer Verzückung kamen über ihre Lippen, ihre Stimme näherte sich der Ekstase und erstarb in einem lustvollen Stöhnen, als er abwechselnd hart und sanft an ihren Knospen saugte.

„Oh ja“, seufzte sie. „Oh ja …“

Doch so wundervoll es auch war, es war nicht genug. Jede seiner Bewegungen erinnerte sie daran, dass er noch immer seine Jeans trug. Wie eine Barriere lag der raue Stoff zwischen ihrer empfindsamsten Stelle und seiner harten Männlichkeit.

„Malik … Ich will dich … Ich brauche dich …“

„Bald, sukkar, bald“, murmelte er und betonte die Worte, indem er bei jedem mit der Zunge über ihre aufgerichtete Knospe leckte. „Du musst Geduld haben, lernen zu warten.“

„Aber ich will nicht warten! Ich will dich jetzt!“

„Wir haben alle Zeit der Welt. Wir haben die ganze Nacht.“

Die ganze Nacht. Das klang wundervoll. So wundervoll, dass sie ein Lächeln des Entzückens, des reinen Glücks nicht unterdrücken konnte.

Die ganze Nacht – heute Nacht. Und danach …

„Die ganze Nacht und jede folgende.“ Abbie seufzte. „Jede Nacht unserer Ehe.“

„Was?“

Es schien, als wäre Malik zu Stein erstarrt und jede Bewegung, jeder Kuss, jede Liebkosung in einer Sekunde verhallt.

Noch war Abbies Körper von Lust erfüllt, und dennoch kam es ihr vor, als stürzte sie plötzlich aus großer Höhe in die Tiefe. Blind vor Schock, taub und atemlos. Jedes Wort, das sie hätte sagen können, verlor sich in dem Chaos, das in ihrem Kopf herrschte. Völlig unvermittelt war sie aus dem Paradies verbannt worden, aus der Wärme und sinnlichen Freude dieses Schlafzimmers, aus der Weichheit des Bettes und aus Maliks Liebkosungen. Plötzlich befand sie sich wieder in einer kalten, dunklen, unfreundlichen, fremden Welt, in der nichts mehr zueinanderpasste und nichts mehr einen Sinn ergab. Sie wusste nicht mehr, wo und wer sie war und was eigentlich passiert war.

„Was hast du gesagt?“

Mochte die erste Schockwelle noch wie ein Eimer eiskaltes Wasser auf Malik gewirkt haben, das ihn verwirrt erstarren ließ, wirkte die zweite, mit der ihm die Bedeutung von Abbies Worten klar wurde, wie ein elektrischer Schlag. Als erbebte seine Realität, um ihn taumelnd in einer explosiven Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen zurückzulassen.

Jede Nacht unserer Ehe.

Autor

Kate Walker
Kate Walker wurde zwar in Nottinghamshire in England geboren, aber ihre Familie zog nach Yorkshire, als sie 18 Monate alt war, und deshalb sah sie Yorkshire immer als ihre Heimat an. In ihrer Familie waren Bücher immer sehr wichtig, und so lasen sie und ihre vier Schwestern schon als Kind...
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