Julia Herzensbrecher Band 12

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AM WEISSEN STRAND DER SEHNSUCHT von CATHY WILLIAMS
Eine raffinierte Verführungsstrategie! Gabriel Gessi besteht darauf, dass seine schöne Sekretärin Rose ihn auf eine Geschäftsreise in die Karibik begleitet. Am weißen Strand wird er endlich tun, was er viel zu lange versäumt hat: Rose erobern ...

… DANN ANTWORTEN SIE MIT JA! von HELEN BROOKS
Am Pool ihres Chefs stehen Erdbeeren und Champagner bereit. Er hat an alles gedacht … Aber die hübsche Cory ist entschlossen, standhaft zu bleiben. So umwerfend Max Hunter auch ist, Cory ahnt, was er will: nur ein kleines Abenteuer. Dabei träumt sie von der wahren Liebe!

DAS SCHLOSS AUF DEN KLIPPEN von LEE WILKINSON
Die wilde Brandung, der süße Duft des Ginsters – und ein faszinierender Mann: Seit Jenny für Bestsellerautor Michael Denver arbeitet, schwebt sie im siebten Himmel. Doch dann erfährt Jenny: Ihr Boss plant einen Neubeginn – mit seiner Ex!


  • Erscheinungstag 02.07.2021
  • Bandnummer 12
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501460
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathy Williams, Helen Brooks, Lee Wilkinson

JULIA HERZENSBRECHER BAND 12

1. KAPITEL

Es war erst kurz nach sieben, doch Gabriel Gessi saß bereits an seinem Schreibtisch im Büro. Wie jeden Morgen. Abweichungen von diesem strikt festgelegten Plan waren nicht vorgesehen. Zunächst eine halbe Stunde auf dem Laufband in seinem Fitnessraum, dann eine halbe Stunde Schwimmen im Pool, eine kurze Dusche, eine Rasur und ab ins Büro, wo er sich voller Energie in die vor ihm liegenden Aufgaben stürzte.

Auch in den vergangenen drei Monaten hatte es davon keine Ausnahmen gegeben, und das, obwohl Gabriel sich mit einigen unvorhergesehenen Problemen herumschlagen musste, die ihn kostbare Zeit und noch viel wertvollere Nerven gekostet hatten.

Gabriel Gessi bewegte sich in der exklusiven Welt der Superreichen – insofern war er nicht daran gewöhnt, sich mit den belanglosen Unwägbarkeiten des Lebens zu befassen. Den ersten Rückschlag hatte er in Gestalt der kurzfristigen Vertretung seiner Sekretärin erhalten, die im Vorstellungsgespräch den Eindruck einer effizienten Person gemacht hatte, sich nach einer Woche jedoch als emotionales Wrack herausstellte, das die meiste Zeit in ein Taschentuch weinte und etwas von Liebeskummer stammelte.

Gabriel hatte weder Zeit noch Verwendung für Frauen mit Liebeskummer, und noch weniger für welche, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch standen. Er war sie so schnell wie möglich wieder losgeworden, doch nach ihr folgte eine ganze Armada der Mittelmäßigkeit, die ihn beinahe in den Wahnsinn trieb.

Wie all diese inkompetenten Frauen, die bei ihm vorsprachen, es jemals geschafft hatten, eine bezahlte Arbeit zu finden, blieb ihm ein Rätsel.

Die letzte hatte er mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung am vergangenen Freitag verabschiedet. Zwar hatte sie länger durchgehalten als die anderen, aber das war nur der Tatsache zu verdanken, dass er eine geradezu lächerliche Geduld an den Tag legte und ihre alberne Neigung, sich jedes Mal, wenn er sie ansprach, in eine Ecke zu verdrücken, ignorierte. Wenn sie mit ihm redete, tat sie es so leise, dass er sie ständig auffordern musste, lauter zu sprechen.

Gabriel war mehr als glücklich, dass sich sein Leben nun endlich wieder normalisieren würde.

Zum ersten Mal seit drei Monaten hatte er die Empfangshalle des riesigen Bürokomplexes ohne grimmigen Gesichtsausdruck durchquert.

Heute kehrte Rose zurück, und mit ihr würde die Arbeit wieder in geregelten Bahnen verlaufen. Er konnte sich ganz seinem Imperium widmen, ohne sich über die lästigen kleinen Rädchen, die alles zusammenhielten, Gedanken machen zu müssen.

Natürlich war es noch nicht einmal acht Uhr, und auch wenn es ihn gefreut hätte, erwartete er nicht wirklich, dass seine Sekretärin wie er bei Anbruch der Dämmerung bereits im Büro saß. Vermutlich kämpfte sie immer noch mit ihrem Jetlag. Ein Flug von Australien setzte auch dem erfahrensten Reisenden zu, und Rose war keine erfahrene Reisende. In den vier Jahren, die sie jetzt für ihn arbeitete, hatte sie ihn nur wenige Male auf Reisen begleitet, und wenn, dann nur innerhalb Europas. Es war ihm immer wichtiger gewesen, dass sie in seiner Abwesenheit die Dinge am Laufen hielt.

Gabriel drehte seinen Ledersessel so, dass er durch das große Fenster auf die Londoner Skyline blicken konnte, die sich eindrucksvoll gegen den blauen Maihimmel abhob.

Die vergangenen drei Monate hatten ihm gezeigt, wie glücklich er sich schätzen durfte, eine so zuverlässige Mitarbeiterin wie Rose zu haben. Er bezahlte sie zwar schon gut, aber trotzdem dachte er jetzt über eine Lohnerhöhung nach. Oder vielleicht einen Firmenwagen, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass sie selbst zur Arbeit fuhr. Wer tat das schon? Er nahm entweder ein Taxi oder ließ sich von seinem Chauffeur durch den hektischen Londoner Verkehr fahren. Aber vielleicht würde sie das Auto nutzen, um aus der Stadt herauszukommen.

Kurz fragte sich Gabriel, ob sie das wohl jemals tat. Obwohl er hin und wieder nachgehakt hatte, wusste er herzlich wenig über ihr Privatleben. Rose besaß ein überaus großes Talent, ungewollten Fragen geschickt aus dem Weg zu gehen. Damit hätte sie auch im diplomatischen Dienst Karriere machen können.

Besaß sie überhaupt einen Führerschein? Eigentlich tat das wohl jeder, aber vielleicht auch nicht?

Er war so in seine Gedanken versunken, dass er weder das leise Klopfen noch das zaghafte Öffnen der Tür hörte. Erst eine Bewegung in der Spiegelung der Fensterfront ließ ihn realisieren, dass seine Sekretärin hinter ihm in dem offenen Türrahmen stand, der sein Büro von ihrem Arbeitsplatz trennte.

Im ersten Moment überkam ihn ein ungewöhnliches Aufwallen von Gefühlen, dann blickte er demonstrativ auf die Uhr und drehte sich um.

Rose holte unwillkürlich tief Luft, die sie dann ganz langsam wieder ausstieß. Es beruhigte ihre Nerven. Gabriel hatte schon immer eine unglaubliche Wirkung auf sie ausgeübt, und ihre dreimonatige Abwesenheit hatte das noch verstärkt. Jetzt fühlte sie sich beinahe einer Ohnmacht nahe, obwohl ihr wie immer kühler Gesichtsausdruck nichts davon verriet.

„Es ist Viertel vor neun“, sagte Gabriel mit grimmiger Miene. „Normalerweise sind Sie um acht Uhr dreißig da.“

Sein brüsker Ton löste ihre Starre, sodass sie eintrat und sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte. „Wie ich sehe, haben Sie sich nicht verändert, Gabriel“, bemerkte sie trocken. „Sie ignorieren immer noch die elementarsten Regeln der Höflichkeit. Wollen Sie mich nicht fragen, wie mein Aufenthalt in Australien war?“

„Das brauche ich nicht. Aus Ihren E-Mails ging bereits hervor, dass Sie den Spaß Ihres Lebens hatten. Sie haben sich verändert. Sie haben abgenommen.“

Rose konnte es nicht verhindern. Sie errötete, als seine blauen Augen sie von oben bis unten musterten.

Verzweifelt kämpfte sie darum, sich daran zu erinnern, was ihre Schwester zu ihr gesagt hatte. Sie musste sich endlich aus dieser ausweglosen Situation befreien. Es brachte nichts, sich weiter dieser albernen Schwärmerei für einen Mann hinzugeben, der für jede Frau ein Gesundheitsrisiko darstellte.

„Ja, das habe ich“, gab sie zu, während sie auf den Brief in ihrem Schoß hinunterblickte, den sie mit nervösen Fingern umklammert hielt. „Da drüben war es wahnsinnig heiß. Ich habe mich fast ausschließlich von Salat ernährt. Es tut mir leid, dass Sie solche Probleme mit meinen Vertretungen hatten“, wechselte sie rasch das Thema. Gabriels bewundernde Blicke irritierten sie zunehmend. „Ich habe wirklich geglaubt, Claire wäre ein guter Ersatz, sonst hätte ich sie nicht eingestellt. Was war denn genau das Problem?“

Gabriel musste sich noch immer von ihrer Verwandlung erholen, von der er nicht wusste, ob er sie mochte. Verschwunden war die rundliche Sekretärin, die er zuletzt in einem praktischen blauen Hosenanzug mit weißem Rollkragenpullover gesehen hatte. An ihre Stelle war eine sehr schlanke Frau getreten, die eine überraschend aufsehenerregende Figur und gebräunte Haut zeigte. Sie trug einen schmalen schwarzen Rock, der einiges an Bein enthüllte, und ein enges T-Shirt, unter dem sich Brüste abzeichneten, die mehr als eine gute Handvoll waren. Ihre flachen Ballerinas bildeten die einzige nicht aufreizende Ausnahme an ihrer Kleidung.

„Ich wusste nie, dass Sie Beine haben“, murmelte er.

„Natürlich habe ich Beine, Gabriel! Was glauben Sie wohl, wie ich von A nach B gelange? Mit Flügeln?“

„Aber Sie haben sie bislang immer versteckt …“ Abrupt stand er auf und lehnte sich über den Schreibtisch, um sie besser betrachten zu können. „Und sehr hübsch sind sie auch noch. Doch vielleicht sollten Sie sich hier im Büro ein bisschen dezenter kleiden.“

Bei dieser ungeniert sexistischen Bemerkung blieb Rose der Mund offen stehen.

„Was haben Sie mit Ihrem Haar angestellt? Haben Sie irgendetwas gemacht? Es sieht anders aus.“

„Ich habe überhaupt nichts mit meinem Haar angestellt, Gabriel, abgesehen von einem Schnitt, und können wir jetzt bitte meine Person für einen Moment hinter uns lassen …?“ Sie schob den schicksalsträchtigen Brief von der einen in die andere Hand.

„Warum? Ihre Verwandlung fasziniert mich. Ich hatte geglaubt, Sie wollten Ihrer Schwester mit dem Baby helfen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie sich vollkommen umstylen würden.“

„Ich bin dorthin gereist, um Grace zu helfen!“

„Und währenddessen haben Sie eine Diät gemacht, sich Ihr Haar schneiden lassen und den ganzen Tag im Bikini in der Sonne gelegen, um braun zu werden …?“

Rose zählte innerlich bis zehn und fragte sich dabei, was sie eigentlich in einem Mann sah, der unerträglich arrogant war und jedes Warnsignal ihrerseits ignorierte.

„Hatten Sie jemals mit einem Neugeborenen zu tun, Gabriel?“

„Das konnte ich bislang verhindern …“

„Dachte ich mir, denn andernfalls wüssten Sie, dass Neugeborene und im Bikini in der Sonne liegen nicht zusammenpassen.“

„Ihre Schwester hat doch sicher nicht erwartet, dass Sie die ganze Zeit nach diesem Ding sehen!“

„Es war kein Ding, Gabriel. Es war ein Baby. Ein wunderschöner kleiner Junge. Er heißt Ben.“ Als sie sich an das winzige weiche Bündel in ihren Armen erinnerte, wurde ihre Stimme ganz weich. Diese neue Erfahrung hatte sie dazu bewogen, ihr Leben zu überdenken.

Grace, zwei Jahre älter als sie, war so glücklich. Neben ihr sah Rose plötzlich die hässliche Realität ihres eigenen Lebens deutlich vor sich. In zwei Jahren würde sie genauso alt sein wie ihre Schwester jetzt, achtundzwanzig, aber es war mehr als zweifelhaft, ob sie dann auch ein kleines Kind und einen liebenden Ehemann an ihrer Seite haben würde. Zumindest wenn sie weiterhin für einen Mann arbeitete, der in ihr nichts weiter sah als seine kompetente Sekretärin. Daher schlich sich eine gewisse Sehnsucht in ihre Stimme, als sie ihm jetzt von ihrer Zeit in Australien erzählte.

Gabriel hörte kaum auf ihre weiteren Ausführungen über das Baby. Irgendwann würde das zwar auch für ihn zum Thema werden – schließlich war er Halbitaliener –, doch im Moment gab es kaum etwas, das ihn mehr langweilte als die Geschichten über ein Neugeborenes am anderen Ende der Welt.

Er war noch viel zu sehr damit beschäftigt, den Anblick dieser Frau mit den haselnussbraunen Haaren vor ihm zu verkraften. Einer Frau, die über üppige Brüste verfügte, zu denen sein Blick immer wieder abdriftete.

Da er nicht lüstern wirken wollte und weil er bereits ein unangenehmes Ziehen in den Lenden bemerkte, setzte er sich wieder auf seinen Sessel hinter dem Schreibtisch und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte. Irgendetwas über Ben und die Unberechenbarkeit seiner Hungerattacken. Diesen sanften Ausdruck in ihren Augen hatte er noch nie zuvor gesehen, und plötzlich runzelte er die Stirn.

„Ich hoffe, diese Reise hat Sie nicht auf dumme Ideen gebracht“, unterbrach er sie mitten im Satz.

„Wie bitte?“

„Reise? Ideen?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, erklärte Rose perplex.

„Ich spreche davon, dass meine perfekte Sekretärin plötzlich entschieden haben könnte, dass es für sie an der Zeit wäre, Mutter zu werden. Dieser ganze Babykram kann manchmal ansteckend sein. Das weiß ich mit Sicherheit.“

„Also wirklich, Gabriel …“ Rose spürte, wie blinde Wut sie erfasste und sie sich sehr bemühen musste, ruhig zu bleiben. „Und woher wollen ausgerechnet Sie so etwas wissen?“

„Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder. Beide Schwestern haben Kinder, beinahe im selben Alter. Ich weiß also aus sicherer Quelle, dass sich bei manchen Frauen in dem Moment Muttersehnsüchte einstellen, sobald sie in die Nähe eines Neugeborenen kommen …“

Rose betrachtete den ungemein attraktiven Mann vor sich und wunderte sich nicht länger, dass sein Ton, als er von Babys sprach, mehr als geringschätzig geklungen hatte. Er gehörte zu der Sorte Mann, die die Gründung einer Familie so lange wie irgend möglich hinausschob.

„Ich plane nicht, in nächster Zeit Mutter zu werden“, erwiderte sie kühl. „Um einen solchen Schritt zu machen, sollte eine Frau einen ernsthaften Partner an ihrer Seite haben.“

Mit diesem einen Satz bekam Gabriel einen größeren Einblick in Roses Privatleben als jemals zuvor. Er war immer davon ausgegangen, dass bei ihr kein Mann im Spiel war, ganz einfach deshalb, weil sie nie einen erwähnte, und Frauen redeten in der Regel immer von ihrem Freund, wenn sie denn einen hatten. Jetzt erhielt er aber die offizielle Bestätigung, und das freute ihn.

„In Ihrem Leben gibt es also im Moment keinen Mann?“, hakte er trotzdem noch einmal nach, auch wenn ihr der Widerwille, dieses Thema zu erörtern, deutlich ins Gesicht geschrieben stand.

Rose errötete. Sie hatte immer darauf geachtet, ihre Beziehung streng geschäftlich zu halten und nichts über sich selbst zu erzählen. Instinktiv wusste sie – je mehr er von ihr erfuhr, desto gefährlicher würde ihre alberne Schwärmerei.

Daher zwang sie sich zu einem nonchalanten Lächeln. „Sie kommen und gehen“, erwiderte sie betont lässig. „Sie wissen ja, wie das ist – im Moment befinde ich mich zwischen zwei Beziehungen.“ Die kleine Notlüge war es allemal wert, denn die Ungläubigkeit in seinem Blick fand sie einfach unbezahlbar. Offensichtlich stellte es einen Schock für ihn dar, dass sie außerhalb des Büros auch noch ein Privatleben hatte. „Wie dem auch sei …“, nervös fingerte sie wieder an dem Brief herum, „jetzt, wo ich Ihnen alles von meiner Zeit in Australien erzählt habe, muss ich Ihnen etwas geben …“

Sie beugte sich nach vorne und legte den weißen Umschlag auf den Schreibtisch. Eine Welle der Anspannung erfasste sie.

Rasch erinnerte sie sich deshalb daran, dass sie absolut das Richtige tat. Sie hatte lange mit Grace darüber gesprochen – und es war der einzige Ausweg!

Gabriel schaute misstrauisch auf den Brief, doch dann griff er danach, öffnete ihn und überflog den Inhalt. Mehrmals. Offensichtlich glaubte er, sich verlesen zu haben. Als ihre Nerven mittlerweile zum Zerreißen angespannt waren, sagte er verdächtig sanft: „Was ist hier los, Rose?“ Schock und Ungläubigkeit standen in seinen blauen Augen, sodass sie unwillkürlich zurückzuckte. Nur mit Mühe schien er sich von einem Wutausbruch abzuhalten.

„Es ist … ist mein Kündigungsschreiben …“

„Ich weiß, was das ist! Ich kann lesen! Was ich nicht verstehe, ist die Tatsache, dass diese Kündigung überhaupt auf meinem Tisch liegt!“ Der Optimismus, mit dem er diesen Tag begonnen hatte, löste sich gerade in Rauch auf.

Es hatte damit angefangen, dass seine sonst so zuverlässige Sekretärin später als gewöhnlich zur Arbeit gekommen war und so fantastisch aussah, dass jeder Mann sich nach ihr umdrehen würde. Und als wenn das allein noch nicht schlimm genug gewesen war, knallte sie ihm ihre Kündigung auf den Tisch, als wäre ihr alles völlig egal.

Zusätzlich zu seiner Wut und Fassungslosigkeit fühlte er sich deshalb auch noch bitter betrogen.

„Ich dachte nur …“

„Ich meine, ohne Vorwarnung!“, unterbrach er sie scharf und wedelte anklagend mit dem Blatt Papier. „Sie schlendern hier herein zu Gott weiß welcher Zeit …“

„Viertel vor neun!“, protestierte sie. „Fünfzehn Minuten bevor ich meine Arbeit zu beginnen habe!“

Gabriel ignorierte ihren Einwand. „Und plötzlich erklären Sie mir, dass Sie mich im Stich lassen!“

„Ich lasse Sie nicht im Stich.“ Rose räusperte sich und zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. „Jetzt sind Sie melodramatisch …“

„Wagen Sie ja nicht zu behaupten, ich sei melodramatisch!“, rief Gabriel. Hastig stand er auf und stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper schien vor Anspannung hervorzutreten. Ihre Kündigung hätte ihn nicht stärker erschüttern können, als wenn er in sein Büro gekommen wäre und dort ein gähnendes Loch vorgefunden hätte.

„Ich habe Sie nach Australien gehen lassen“, donnerte er, „was mir unglaubliche Unannehmlichkeiten bereitet hat …“

Rose, die nicht vorhatte, ihren Chef noch wütender zu machen, wollte allerdings auch nicht klein beigeben. Sie konnte die Male, die sie nicht für Gabriel zur Verfügung gestanden hatte, an einer Hand abzählen. An endlos vielen Abenden hatte sie Überstunden gemacht und Treffen mit Freunden kurzfristig abgesagt, nur um ihm aus der Bredouille zu helfen.

„Ich habe für eine adäquate Vertretung während meiner Abwesenheit gesorgt“, verteidigte sie sich ruhig.

„Sie haben mir ein emotionales Wrack auf den Hals gehetzt! Eine Frau, die sich die ganze Zeit, die sie hier war, am Rande eines Nervenzusammenbruchs bewegte! Das ist nicht gerade meine Vorstellung eines adäquaten Ersatzes! Und der ganze Rest dieser inkompetenten Frauen war genauso schlimm!“ Mit der Schnelligkeit einer Raubkatze umrundete er den Schreibtisch. Er beugte sich zu ihr hinunter, wobei er beide Arme auf ihren Stuhllehnen abstützte. „Also, was haben Sie dazu zu sagen?“, fuhr er sie an, woraufhin sie unwillkürlich zurückzuckte.

Ihr war ja klar gewesen, dass ihre Kündigung bei ihm nicht gerade auf Begeisterung stoßen würde. Sie war gut in ihrem Job, und mit den Jahren hatte sich Gabriel an sie gewöhnt. Sie arbeiteten in perfekter Harmonie miteinander. Oftmals mussten sie nicht mal verbal äußern, worum es ging. Vor allem hatte Rose im Gegensatz zu seinen vorigen Sekretärinnen keine Angst vor ihm.

„Ich warte!“

„Ich sage gar nichts, bevor Sie nicht wieder auf Ihren Platz gehen, Gabriel. Ich fühle mich … bedroht …“

„Was glauben Sie denn, was ich tun werde?“ Unfreiwillig glitt sein Blick über ihre Brüste. Der Ausschnitt ihres T-Shirts gab einiges an Dekolleté frei. Als sie nicht antwortete, stieß er sich von den Lehnen ab und fuhr sich mit den Fingern frustriert durch die schwarzen Haare.

Rose merkte, wie sich ihre Atmung sofort normalisierte. „Es können doch nicht all diese Vertretungen hoffnungslos gewesen sein, Gabriel.“ Er warf ihr einen skeptischen Blick über die Schulter zu. „Sie schüchtern Menschen ein. Wahrscheinlich haben Sie es bei diesen Frauen genauso gemacht.“

„Ich? Schüchtere Menschen ein?“ Lässig hockte Gabriel sich auf die Schreibtischkante und schaute auf sie herab. „Hin und wieder vielleicht“, gab er widerwillig zu. „Aber Sie wissen ganz genau, dass das in der Geschäftswelt ein probates Mittel ist. Wollen Sie deshalb gehen? Weil Sie mit meiner Arbeitsweise unzufrieden sind?“ Er runzelte die Stirn und versuchte, das Unbegreifliche zu verstehen. Vor ihrer Abreise nach Australien hatte sie nur zu gern für ihn gearbeitet. Doch jetzt schien sie plötzlich andere Pläne zu haben.

Dabei konnte sie kaum darauf hoffen, bessere Arbeitskonditionen zu finden. Was ihr Gehalt anging, würde es keine andere Firma in ganz London geben, die ihr so viel zahlte. Nein, wahrscheinlich würde sie im ganzen Land vergeblich suchen.

„Hat Ihre Schwester Ihnen vielleicht eingeredet, es wäre eine gute Idee, London zu verlassen …?“, kam ihm der plötzliche Gedanke. „Sagen Sie mir ja nicht, Sie sind dumm genug, nach Australien gehen zu wollen!“ Schock mischte sich mit etwas anderem, das Gabriel nicht ganz verstand, das aber wie glühend heißes Feuer durch seine Adern schoss. Aus irgendeinem Grund behagte ihm diese Vorstellung ganz und gar nicht. Er sah ein Bild von ihr im australischen Outback vor sich, allein mitten in der Einöde. Doch wahrscheinlich würde sie gar nicht allein sein, oder?

Erneut nahm er ihre Erscheinung in sich auf – die fantastische Figur, die gebräunte Haut und den kupferfarbenen Schimmer in ihrem braunen Haar, das ihr lockig und weich auf die Schultern fiel. Nein, irgendein verdammter australischer Rancher würde ihr nur zu gern Gesellschaft leisten. Unwillkürlich biss er die Zähne zusammen und schaute sie grimmig an.

„Nein“, entgegnete sie müde. „Ich habe nicht vor, nach Australien zu gehen.“

„Warum dann das Ganze?“ Er warf einen vernichtenden Blick auf den beleidigenden Brief auf seinem Tisch. „Ein paar höfliche Zeilen sind alles, was ich mir verdient habe, nachdem ich vier Jahre lang ein vorbildlicher und großzügiger Chef war?“

„Ich dachte nicht, dass Sie blumige Reden mögen würden. Außerdem gibt es nicht mehr zu sagen. Ich gehe, weil ich festgestellt habe, dass es da draußen noch ein paar Dinge für mich zu erledigen gibt, und das kann ich nicht tun, während ich hier arbeite, auch wenn Sie tatsächlich ein sehr großzügiger Chef waren.“

„Dinge, die Sie noch erledigen wollen?“ Erneut runzelte Gabriel verständnislos die Stirn.

„Ich … ja …“

„Was für Dinge?“

„Ein Business-Kurs zum Beispiel …“ Unter anderem, dachte sie, inklusive einem eigenen Leben mit passendem Partner, einer Familie und all den Dingen, von denen Frauen meist schon sehr früh träumen.

„Sie wollen einen Business-Kurs belegen?“ Bei ihm klang es so, als hätte sie den Wunsch geäußert, auf den Mond fliegen zu wollen.

„Ja, zufälligerweise möchte ich das!“ Rose hob trotzig das Kinn. „Ich bin mit achtzehn von zu Hause weggegangen“, fuhr sie fort und gab damit noch mehr von ihrem Privatleben preis, das sie bislang so unter Verschluss gehalten hatte. „Dann musste ich mich um meine kranke Mutter kümmern, und als sie starb, machte ich eine Sekretärinnenausbildung, um Geld zu verdienen, das ich für ein Studium verwenden könnte. Falls Sie sich daran erinnern … ich bin mit einem Zeitvertrag zu Ihnen gekommen … und dann hier hängen geblieben …“

„Davon haben Sie nie etwas erzählt“, murmelte Gabriel, der die Bestürzung über ihre ungewohnte Gesprächigkeit in ihrem Gesicht ablesen konnte. Seine kühle, souveräne, sachliche Sekretärin verfügte also über inneres Feuer. Natürlich hatte er das von Anfang an vermutet. „Was hat denn Ihre Schwester gemacht, während Sie sich um Ihre Mutter gekümmert haben?“, fragte er neugierig.

Rose starrte ihn an und versuchte insgeheim, sich wieder auf sicheres Terrain zurückzuziehen, doch das ließ er nicht zu. Nach ein paar Sekunden lastender Stille zuckte sie die Achseln und wandte den Blick ab. „Grace war an der Universität, und dann hat sie Tom kennengelernt, und alles wurde … ziemlich hektisch für sie. Wie dem auch sei – natürlich werde ich meine Nachfolgerin entsprechend einarbeiten. Wenn ich hier aufhöre, will ich mir ein paar Wochen freinehmen und den Sommer genießen … Der Kurs wird dann im September starten …“

„Und Ihnen ist nie in den Sinn gekommen, das mit mir zu besprechen …? Dass es vielleicht eine für uns beide zufriedenstellende Lösung geben könnte …?“

„Nicht wirklich. Ich meine …“

„Warum nicht?“ Gabriel hakte sofort nach. „Weil Sie, wenn Sie ganz ehrlich sind, doch ein Problem damit haben, für mich zu arbeiten?“

„Natürlich nicht!“ Sie konnte es nicht zulassen, dass Gabriel glaubte, er habe etwas mit der Sache zu tun.

„Warum haben Sie dann bis jetzt geschwiegen?“

„Ich habe wirklich erst darüber nachgedacht, als ich in Australien war“, gab Rose zu. „Da hatte ich Zeit, mir über einige Dinge klar zu werden und zu erkennen, dass ich etwas verändern muss, wenn ich beruflich vorankommen will …“

Gabriel, der vor seinem inneren Auge bereits eine ganze Reihe unfähiger Sekretärinnen sah, die jedes Mal zusammenzuckten, wenn er die Stimme hob, verfluchte insgeheim Roses Schwester, die sein geordnetes Arbeitsleben so durcheinanderbrachte.

„Und ich gebe Ihnen recht“, verkündete er plötzlich.

„Wirklich?“

„Natürlich.“ Er lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schaute Rose mit einem verständnisvollen Blick an, der ihr völlig neu war. „Sie sind jung. Sie sind intelligent …“ Er wartete, bis die Worte in ihr Bewusstsein gedrungen waren. „Sie wollen mehr, als Anweisungen von mir entgegenzunehmen. Nicht“, fügte er bewusst hinzu, „dass ich Ihnen nicht eine ganze Menge Verantwortung übertragen hätte. Wenn ich mal bedenke, dass Ihre ursprünglichen Aufgaben darin bestanden zu tippen, zu ordnen und Anrufe entgegenzunehmen, dann sind Sie ganz schön weit gekommen. Doch das nur nebenbei gesagt …“

Rose versuchte, die überraschende Wendung des Gesprächs zu verarbeiten. Natürlich wusste sie, wie unberechenbar Gabriel sein konnte, dennoch …

„Ich kann verstehen, dass Sie vorankommen wollen … Schließlich bin ich das beste Beispiel dafür – jemand, der sich mit Zielstrebigkeit und Ehrgeiz nach oben gearbeitet hat …“

„Oh, solch schwindelerregende Höhen strebe ich gar nicht an …“

„Habe ich Ihnen jemals erzählt, dass meine Eltern mit nichts angefangen haben? Mein Vater hat zuerst mit Lumpen gehandelt. Wir hatten gerade mal genug Geld, dass es uns nicht wirklich schlecht ging, aber wir wussten immer, wie wichtig eine gute Ausbildung und die volle Ausschöpfung unserer Talente waren.“

„Machen Sie sich keine Sorgen, Gabriel. Ich werde nicht in zwei Jahren mit Ihnen konkurrieren …“, meinte Rose ironisch.

Ihre Blicke begegneten sich, und sie erkannte die Belustigung in seinen Augen. Schon immer hatte er ihren Sinn für Humor zu schätzen gewusst. Selbst Grace fiel es manchmal schwer, ihren sarkastischen Bemerkungen zu folgen.

„Wenn Sie mir das früher gesagt hätten, dann wäre ich nur zu gerne bereit gewesen, Ihren Kurs zu finanzieren.“

„Wie bitte?“

„Ich könnte Sie einen Tag die Woche freistellen. Vielleicht auch zwei. Sie behalten Ihren Lohn und arbeiten dafür nur jemanden ein, der Sie an diesen Tagen vertritt. Wenn Sie Ihre Weiterbildung dann beendet haben, garantiere ich Ihnen eine Junior Position im oberen Management-Level. Ich hatte sowieso schon daran gedacht, Ihre Leistungen mit einem Firmenwagen zu belohnen …“

„Ich weiß nicht so recht …“

„Aha, dann sind wir also wieder bei diesen geheimnisvollen Gründen angelangt, weshalb Sie gehen wollen! Denn wenn es nichts mit der Finanzierung zu tun hat, dann muss es an mir liegen …“

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass das nicht der Fall ist!“

„Warum probieren Sie es dann nicht, Rose …?“ Gabriel beugte sich zu ihr vor. „Ich will nicht, dass Sie gehen …“ Sein Blick glitt langsam über ihren Körper, wie in einer Liebkosung. Rose erschauerte unwillkürlich. Ich will nicht, dass Sie gehen – wenn er sie nicht gesiezt hätte, dann hätte man das auch für die Worte eines Liebhabers halten können. „Ich brauche Sie“, murmelte er beinahe heiser. „Wenn das Arrangement nicht funktioniert, dann können Sie tun, was Sie möchten. Ich trage Ihnen in diesem Fall nichts nach.“ Und dann tat er etwas, was er noch nie zuvor getan hatte. Er sagte Bitte.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen informierte Rose sich hektisch über die verschiedenen Angebote von Business-Management-Kursen. Als sie Gabriel gegenüber vage erklärt hatte, dass sie ihre Karriere vorantreiben wolle, hatte sie nicht damit gerechnet, so schnell beim Wort genommen zu werden. Ja, irgendwo im Hinterkopf spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, sich ein paar Zusatzqualifikationen anzueignen, aber ihre Entscheidung zu kündigen hatte pragmatischere Gründe. Sie hielt es für an der Zeit, Gabriels dominierenden Einfluss auf ihr Leben abzuschütteln.

Unglücklicherweise war sie jetzt jedoch in die Situation geraten, einen Kurs beginnen zu müssen, über den sie angeblich bereits umfassende Informationen eingeholt hatte. Außerdem musste sie jemanden finden, der sie an den Tagen vertrat, an denen sie nicht da war.

Als sie mit ihrer Schwester über ihre verzweifelte Lage gesprochen hatte, schien eine Kündigung die absolut beste Lösung. Wie hätte sie damit rechnen sollen, dass ihr großer, mächtiger Boss sie nicht nur bittend ansehen, sondern sie auch anflehen würde zu bleiben?

Gott sei Dank verbrachte er heute den Tag außerhalb des Büros, sodass sie genug Gelegenheit hatte, diverse Kurse herauszusuchen. Bislang schienen allerdings nur zwei das zu bieten, was sie sich vorstellte. Also hatte sie vereinbart, sich beide Ende der Woche anzusehen.

Um halb sieben saß sie immer noch an ihrem Schreibtisch und versuchte, die Sachen aufzuarbeiten, die sie am Morgen aufgrund ihrer Recherchen vernachlässigt hatte.

Es war ihr gar nicht bewusst, dass Gabriel im Raum stand, bis sein Schatten über sie fiel. Überrascht sah sie auf. Als sich ihre Blicke begegneten, hielt sie unwillkürlich den Atem an.

„Ich vermute, Sie haben Entzugserscheinungen … Ich kann mir sonst keinen anderen Grund vorstellen, warum Sie immer noch am Schreibtisch sitzen, während alle anderen bereits Feierabend gemacht haben …“ Er warf ein Bündel Akten auf ihren Tisch. „Noch ein bisschen Nachschub, um Sie nicht arbeitslos werden zu lassen, aber es reicht, wenn Sie das morgen erledigen. Ein oder zwei Probleme mit einem neu errichteten Hotel in der Karibik. Wir müssen einen verlässlicheren Zulieferer finden. Mr. Roberts auf Barbados müsste Ihnen dabei helfen können.“ Er umrundete ihren Schreibtisch, um zu sehen, was sie gerade an ihrem Computer machte. Rose seufzte erleichtert, dass er sie nicht dabei erwischte, wie sie Colleges in London auflistete.

„Wissen Sie, ich habe genau das vermisst“, murmelte er mit überzeugender Aufrichtigkeit. „Ihre Effizienz. Das Wissen, dass ich das Büro verlassen kann, ohne dass hier ein komplettes Chaos ausbricht und bei meiner Rückkehr eine schluchzende Frau am Schreibtisch sitzt.“

Rose schaltete den Computer aus und biss die Zähne zusammen. Das war genau das, was sie nicht vermisst hatte! Dass er sie immer nur als perfekte Sekretärin wahrnahm.

„Genau deshalb möchte ich Sie heute Abend auch zum Dinner einladen.“

Ungläubig sah sie auf. „Wie bitte?“

„Ich lade Sie zum Dinner ein“, wiederholte Gabriel, den ihre mangelnde Begeisterung gehörig irritierte. „Sie waren drei Monate fort …“ Er runzelte die Stirn und gab sich Mühe, sich von ihrem kühlen Gesichtsausdruck nicht verärgern zu lassen. „Ich muss einige Dinge bezüglich der Arbeit mit Ihnen besprechen, und im Büro finden wir niemals die Zeit dazu.“

„Oh ja, natürlich“, sagte Rose höflich. „Ich hole nur meine Jacke.“ Während sie das tat, war sie sich überdeutlich bewusst, dass sein Blick all ihren Bewegungen folgte. Rasch schlüpfte sie in den leichten schwarzen Leinenblazer, der für das ziemlich warme Frühjahrswetter genau richtig war.

Sie hatte sich eine komplett neue Garderobe zulegen müssen. Verschwunden waren die formlosen Sachen in Größe zweiundvierzig und ersetzt durch Kleider in achtunddreißig. Jetzt trug sie Kleidung, deren Farbe und Schnitt ihr früher viel zu gewagt gewesen wären.

„Es wäre mir nur lieber, wenn es nicht zu spät würde“, erklärte sie, als sie sich nach ihrer Handtasche bückte. „Ich habe noch nicht alle Koffer ausgepackt. Außerdem müssen Sie sich wegen der Arbeit keine Sorgen machen. Ich werde am Wochenende einige Akten mit nach Hause nehmen und zusehen, dass ich mir einen Überblick über unsere Bestände und Zahlen verschaffe.“

„Schön.“

„Wo wollen wir essen?“ Rose schaute an ihrem Bürooutfit hinab. „Ich bin nicht passend angezogen, um in ein zu schickes Restaurant zu gehen.“ Und Gabriel besuchte keine billigen, einfachen Lokale. Nicht weil er ein neureicher Snob gewesen wäre, sondern weil er es schlicht und ergreifend nicht nötig hatte. Das wusste sie am besten. Schließlich hatte sie in der Vergangenheit genug Tische für ihn reserviert. Urplötzlich ritt sie jedoch ein kleiner Teufel.

„Ich kenne einen wirklich guten Italiener“, sagte sie und hielt kurz inne, um ihn anzusehen. „Außerdem ist er in der Nähe meines Apartments, sodass ich schnell zu Hause bin, wenn wir fertig sind …“

„Okay.“ Gabriel bereute bereits die Einladung. Es war gar nicht als Arbeitsessen geplant gewesen, trotz allem, was er gesagt hatte, und jetzt fühlte er sich in die Enge getrieben. Er würde berufliche Dinge besprechen müssen, wo er doch am liebsten nur ein wenig entspannen wollte – und wenn er ganz ehrlich war, dann reizte ihn die Aussicht, mehr über die Frau zu erfahren, die nach Australien gereist und komplett verändert zurückgekommen war.

„Es macht Ihnen doch nichts aus, oder?“

Gabriel zuckte die Schultern. „Ein Restaurant ist so gut wie das andere, wenn es darum geht, die Arbeit zu besprechen.“

Er rief seinen Fahrer an, damit er sie vor dem Gebäude abholte.

Als sie endlich das Restaurant erreichten – ganze vierzig Minuten später, weil der Feierabendverkehr die Hölle war –, hatte Gabriel mehr als genug davon, über Büroangelegenheiten, Fusionen und Verkäufe zu diskutieren. Noch mehr störte ihn der zwar interessierte, aber unpersönliche Ton, den Rose anschlug. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so sehr gewünscht zu haben, hinter die kühle Fassade zu blicken, um zu sehen, was dort verborgen lag.

„Ich hoffe, dieses Restaurant ist nicht zu einfach für Sie, Gabriel.“

Gabriel verengte die Augen und versuchte herauszufinden, ob in ihrer Bemerkung eine gewisse Spitze versteckt war, doch sie schaute ihn völlig unschuldig an.

„Warum sollte es zu einfach sein?“, entgegnete er, während sie eintraten. Es handelte sich eher um ein Pub als um ein Restaurant. Etliche Leute, die die Bar bevölkerten, waren offensichtlich direkt nach der Arbeit hergekommen, während andere an schlichten Holztischen saßen und sich angeregt unterhielten. Zu seiner Überraschung schien Rose in dem Lokal bekannt zu sein. Irgendjemand tauchte wie aus dem Nichts auf, lächelte und küsste sie auf beide Wangen, ehe er sie an einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Raums führte.

„Weil ich weiß, dass Sie exklusivere Restaurants bevorzugen.“

„Oh, tue ich das?“

„Ja.“ Sie drehte sich zu ihm um und lächelte trocken. „Vergessen Sie nicht, dass ich die Tische für Sie reserviere.“ Sie senkte den Blick, während sie sich auf ihrem Platz niederließ. „Schöne Frauen mögen teure Restaurants, haben Sie einmal gesagt. Sie genießen das Gefühl des Sehens und Gesehenwerdens.“

Das habe ich mal gesagt?“

„Jawohl.“

„Ich bin überrascht, dass Sie mir nicht vorgeworfen haben, furchtbar oberflächlich zu sein.“

Rose zuckte achtlos die Schultern, schaute zu ihm herüber und wich dann seinem Blick aus. „Jedem das Seine. Außerdem arbeite ich für Sie.“

„Das hat Sie nie davon abgehalten, Ihre Meinung zu äußern.“

Sie errötete und schwieg. Ja, sie hatte immer laut ausgesprochen, was sie dachte. Es hatte ihr nie Angst gemacht, anderer Meinung zu sein als er, zumal er es in beruflicher Hinsicht sogar begrüßte, wenn jemand einen auch schon mal kontroversen Standpunkt vertrat. Es war eine seiner größten Stärken, die sie in den vergangenen Jahren immer geschätzt hatte.

„Ist das hier Ihr Stammlokal?“, fragte Gabriel und wechselte damit das Thema. Er blickte sich eine Weile um, ehe er wieder zu ihr herübersah. „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihnen diese Art von Kneipe gefällt.“

„Warum nicht?“, entgegnete Rose verwundert.

„Weil es … ziemlich laut ist.“

„Und ich bin eher ein stiller Bücherwurm?“

„Jetzt legen Sie mir Worte in den Mund, Rose.“

„Ich bin müde.“ Sie war dankbar für die Unterbrechung durch den Kellner, dem sie ihre Bestellung nannte, ohne auch nur in die Speisekarte zu schauen. „Warum bringen Sie mich nicht auf den neuesten Stand? Durch Ihre E-Mails habe ich den groben Überblick, was sich in den letzten drei Monaten in der Firma getan hat, aber wenn Sie mir jetzt die Details erklären, komme ich schneller wieder rein.“

„Der Flug von Australien ist ganz schön lang“, versetzte Gabriel, der damit das Thema Arbeit umging, das ihm im Moment unglaublich langweilig erschien. „Ich kann verstehen, dass Sie müde sind. Und vermutlich vermissen Sie Ihre Schwester …?“

„Ja, natürlich tue ich das. Obwohl die drei nächstes Jahr nach England zurückkehren wollen. Sowohl Grace als auch ihr Ehemann Tom finden, dass es an der Zeit ist, wieder in die Heimat zu kommen, jetzt, wo Ben auf der Welt ist.“

In diesem Moment wurde ihr Essen gebracht, und Rose musste ein Lächeln unterdrücken, als sie Gabriels erstaunten Gesichtsausdruck sah, weil die Gerichte wirklich vorzüglich waren. Er blickte auf, ehe sie wegschauen konnte, und lächelte sie verschmitzt an.

„Jetzt werde ich wahrscheinlich einen Vortrag zu hören bekommen, wie dumm es ist, für ein Dinner horrende Summen zu zahlen, wenn man die gleiche Qualität anderswo zum halben Preis bekommt …“

„Nein, natürlich nicht.“

„Ich würde Lokale wie dieses besuchen, wenn Klienten und Frauen nicht exklusivere Restaurants erwarten würden.“

„Was die Klienten anbelangt, so gebe ich Ihnen recht, aber vielleicht sollten Sie einmal mit einer anderen Sorte Frau ausgehen.“

„Warum sagen Sie das?“

„Sage ich was?“

Rose, die gar nicht so genau darauf geachtet hatte, was sie antwortete, schaute hoch und stellte fest, dass der Blick aus seinen mitternachtsblauen Augen fest auf sie gerichtet war. Sollten sie nicht eigentlich Berufliches besprechen? Warum saßen sie überhaupt hier?

„Eigentlich weiß ich gar nicht, was Sie von … meinen Frauen … halten … aber ich schätze, dass Sie sich mit den Jahren eine Meinung gebildet haben. Schließlich haben Sie alle miteinander kennengelernt …“

„Nicht wirklich …“ Oh ja, und ob sie eine Meinung hatte! Allesamt waren sie schön, hirnlos und vollkommen unbedarft. Schon oft hatte sie sich gefragt, wie ein intelligenter Mann wie Gabriel sich mit dem Klischee des blonden Dummchens zufriedengeben konnte. Doch irgendwann hatte sie erkannt, dass er Leidenschaft und Herausforderung nur im Beruf suchte. Privat bevorzugte er Frauen, die einfach nur gefügig waren.

„Sehen Sie mich deshalb so missbilligend an?“, fragte Gabriel.

Ertappt!

„Tue ich das?“, erwiderte Rose betont lässig und hoffte inständig, dass er ihre feuerroten Wangen nicht bemerken würde.

„Oh ja. Ihr kleiner Mund hat sich zu einer dünnen Linie zusammengepresst.“

Sie starrte ihn wütend an, woraufhin er nur unverschämt grinste. Er wusste, dass seine Bemerkung ihr unter die Haut ging. Bis jetzt hatte sie jeden seiner Versuche, sie näher kennenzulernen, abgewehrt. Doch jetzt hatte er sie kalt erwischt. Und obwohl er nicht genau sagen konnte, warum, so genoss er doch die Veränderung ihrer Beziehung.

„Was Sie in Ihrem Privatleben tun, ist ganz allein Ihre Sache.“ Rose hörte selbst den schnippischen Ton in ihrer Stimme. Sie registrierte ihn mit wachsender Irritation. „Wenn Sie entscheiden, mit Frauen auszugehen, deren IQ keine zweistellige Zahl erreicht, dann geht mich das nichts an!“

„Ah, ich hätte Sie niemals für einen intellektuellen Snob gehalten“, versetzte Gabriel sanft.

„Ich bin kein intellektueller Snob!“, protestierte Rose lautstark.

„Und wie“, fuhr er mit gespielter Nachdenklichkeit fort, „können Sie dann Frauen verurteilen, die es genießen, wenn man sie mit Geld verwöhnt, wo Sie doch selbst noch nie in dieser Position waren?“ Er hielt inne. „Oder waren Sie es?“

„Nein, aber …“

„Ich meine, woher wollen Sie wissen, dass Sie es nicht genauso genießen würden, in die exklusivsten Restaurants ausgeführt zu werden? Perlen und Diamanten geschenkt zu bekommen? Oder übers Wochenende nach Paris oder Venedig zu fliegen?“

„Ich kann mich nicht daran erinnern, allzu viele Wochenendflüge nach Paris oder Venedig gebucht zu haben“, gab sie spitz zurück. Gabriel hatte kein Problem damit, eine Unmenge Geld für Geschenke an Frauen auszugeben, die nie lange Bestandteil seines Lebens waren, doch Zeit für sie zu erübrigen, war eine ganz andere Sache.

„Sie wissen, was ich meine“, entgegnete er ungeduldig.

Rose war hin- und hergerissen zwischen dem Drang, das Thema zu wechseln, und dem Wunsch, ihren Standpunkt zu verteidigen. Zum ersten Mal setzte sie sich über ihren Entschluss, ihre Gedanken für sich zu behalten, hinweg. „Man muss mir nicht erst teure Dinge kaufen, damit ich erkenne, dass es nicht das ist, was ich will. Meine Eltern haben mich und meine Schwester gelehrt, dass Geld kein Glück kaufen kann.“

„Oh, ich weiß, dass Geld kein Glück kaufen kann“, stimmte Gabriel sofort zu. „Zumindest kein Glück von Dauer, aber es kann Spaß ermöglichen …“

„Wenn man eine kurze unverbindliche Affäre nach der anderen für Spaß hält“, murmelte Rose.

„Ich sehe schon, dass Sie anderer Meinung sind“, bemerkte er und winkte dem Kellner, ihre Teller abzuräumen. Als der ihm ein weiteres Glas Wein anbot, schaute er fragend zu Rose hinüber, die bislang nur Wasser getrunken hatte.

„Bitte sagen Sie mir jetzt nicht, dass auch der gelegentliche Genuss von Alkohol als verwerflich zu erachten ist …“ Das, da war er sicher, würde sie richtig auf die Palme bringen. Und so war es auch.

„Natürlich trinke ich hin und wieder Alkohol! Ich habe auch ein Leben außerhalb der Arbeit, wissen Sie, Gabriel!“

„Erzählen Sie mir davon.“ Sofort nutzte er ihre Unvorsichtigkeit aus, nachdem er den Kellner gebeten hatte, ihnen beiden ein Glas Wein zu bringen. Ein großes Glas. „Keine Liebhaber zu haben, die zu viel Geld ausgeben – das wäre ungesund und würde den Charakter verderben …“

Rose öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. „Wenn Sie zu den Frauen, die mich in meiner Abwesenheit vertreten haben, genauso waren, dann kann ich die armen Dinger nur bedauern.“

„Wenn ich wie war?“, fragte er sanft.

„Wenn Sie so gestichelt haben.“

„Keine von denen wäre in der Lage gewesen, damit umzugehen.“

„Oder vielleicht haben Sie diese Frauen auch einfach mehr respektiert …“, überlegte Rose ruhig.

„Seien Sie nicht albern. Glauben Sie das wirklich? Dass ich Sie nicht respektiere? Oder möchten Sie nur Komplimente hören?“ Als sie nicht antwortete, fuhr er sich mit den Fingern durch das dunkle Haar und warf ihr einen düsteren, frustrierten Blick zu. „Es war ausnahmslos nichts mit diesen Frauen anzufangen. Ich habe das ernst gemeint, als ich sagte, dass ich Sie brauche, Rose. Es ist die Wahrheit.“ Seine wundervollen blauen Augen musterten sie, dann fügte er gerissen hinzu: „Ich brauche Sie und will Sie …“ Mit einiger Befriedigung sah er, wie sie rot wurde.

Rose, die an seine Brillanz, seine Ungeduld und auch an seinen Zorn, der sich allerdings nur selten auf sie richtete, gewöhnt war, wurde von seinem Charme völlig aus der Bahn geworfen. Sie hätte geglaubt, dass Letzterer ausschließlich für die Frauen reserviert war, mit denen er ausging. „Das glauben Sie vielleicht, Gabriel, aber niemand ist unersetzlich, und schon gar nicht eine Sekretärin.“ Sie nippte an ihrem Rotwein und schaute ihn über den Rand des Glases hinweg an.

„Unterschätzen Sie sich nicht.“

„Das tue ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass Ihr Arbeitsleben zum Stillstand kommt, wenn ich nicht da bin.“

„Vielleicht kommt es nicht zum Stillstand“, gab er zu. „Aber es läuft wesentlich weniger reibungslos. Das habe ich in den vergangenen drei Monaten zur Genüge erlebt.“ Es amüsierte ihn, dass sie nie zuvor ihre Meinung zu seinen Frauen geäußert hatte. Außerdem fiel ihm auf, dass sie es mit wenigen Worten geschafft hatte, ihre Missbilligung darüber auszudrücken, wie er sein Privatleben führte. Sie hatte sich ziemlich weit vorgewagt. Gesunde Kritik in beruflichen Dingen unterstützte er, aber sein Privatleben war eigentlich tabu.

„Wenn ich diesmal eine Vertretung finden soll, die Ihren Ansprüchen genügt, dann müssen Sie mir ganz genau erklären, wonach Sie suchen“, sagte sie jetzt.

„Eine Vertretung?“

„Für die Tage, die ich am College bin.“

„Wie viele Tage werden das sein?“

„Das … werde ich Ihnen am Ende der Woche sagen können. Dann kann ich auch in absehbarer Zeit mit der Auswahl beginnen.“

„Natürlich müssen Sie sich weiterhin um die schwierigen Kunden selbst kümmern und um alles, was vertraulicher Natur ist.“ Er winkte nach der Rechnung, während er schon wieder eine Reihe inkompetenter Frauen vor sich sah, die es nie schaffen würden, mit ihm mitzuhalten. Der Gedanke war entmutigend. „Die Schlüsselqualifikation liegt darin, sich nicht wie ein verängstigtes kleines Kaninchen zu verhalten, sobald ich spreche.“

„Das hatten wir doch schon“, seufzte Rose. Sie schaute auf ihre Uhr und stellte fest, dass es um einiges später war, als sie gedacht hatte. „Wir haben noch gar nicht über die anstehende Arbeit gesprochen.“

„Und jetzt müssen Sie gehen?“ Er runzelte die Stirn, während er die PIN seiner Kreditkarte eingab. „Ich bringe Sie nach Hause.“

„Das ist nicht nötig. Ich wohne gleich um die Ecke.“

„Keine Widerrede. Ich würde eine Frau nie abends allein nach Hause laufen lassen.“

„Ich tue das jeden Tag, Gabriel! Glauben Sie, dass ich mir jedes Mal ein Taxi von der Arbeit nehme? Der Bus hält genau am Ende der Straße, und der Weg zu meinem Apartment ist sehr sicher, auch im Dunkeln.“ Eigentlich wusste sie gar nicht, warum sie sich die Mühe machte zu protestieren. Gabriel tat ja doch das, was er wollte. Im Moment hatte er sich in den Kopf gesetzt, den Gentleman zu spielen und sie zu Hause abzusetzen.

„Sie brauchen ein Auto“, verkündete er abrupt, während sie nach draußen traten.

Rose blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich brauche was?“

„Ein Auto. Einen Firmenwagen. Es war nachlässig von mir, das bis jetzt übersehen zu haben.“

„Sie müssen wirklich verzweifelt versuchen, mich zu halten“, bemerkte sie trocken, „wenn Sie mir jetzt sogar schon ein Auto anbieten …“

„Es ist nicht unüblich, dass eine persönliche Assistentin einen Firmenwagen fährt.“ Er hielt ihr die Tür auf, damit sie einsteigen konnte. „Wo wohnen Sie?“

Rose gab dem Chauffeur die Wegbeschreibung. Dieser Tag hatte einen ziemlich ungewöhnlichen Verlauf genommen, und sie musste sich daran erinnern, dass ihr einiges davon nicht behagte.

Zum ersten Mal war es Gabriel gelungen, ihren sorgfältig errichteten Schutzschild zu durchbrechen. Nein, sie hatte ihm keine Geheimnisse anvertraut, aber er hatte gesehen, wie ihre professionelle Maske ins Rutschen geriet, und das war nicht gut. Es war auch das erste Mal, dass er mit ihr flirtete. Oder zumindest hatte er mit dieser dunklen, samtigen Stimme gesprochen, die sie sonst nur am Telefon hörte, wenn er mit seinen Freundinnen redete. Und zu guter Letzt war es das erste Mal gewesen, dass sie zusammen aßen, ohne einen dringenden beruflichen Grund, der das erforderlich machte.

All das war nicht gerade dazu angetan, ihre bereits aufgewühlten Nerven zu beruhigen. Merkwürdigerweise schien sich eine unsichtbare Tür zwischen ihnen geöffnet zu haben. Rose kam sich irgendwie nackt vor – schutzlos.

Darum war sie mehr als erleichtert, als sie nach wenigen Minuten ihre Wohnung erreichten. Sie bedankte sich rasch, stieg aus und bemerkte erst, dass er ihr gefolgt war, als sie bereits an ihrer Haustür stand und er ihr die Schlüssel aus der Hand nahm.

„Meine Mutter hat mir beigebracht, eine Lady immer bis zur Haustür zu begleiten. Sie zittern.“

„Es ist ein bisschen frisch hier draußen. Ich glaube, ich habe mich an das mildere Wetter in Australien gewöhnt.“ Nachdem er aufgeschlossen hatte, reichte er ihr die Schlüssel zurück, wobei sich ihre Finger kurz berührten. „Also“, Rose trat in den Türrahmen und blickte ihn kühl an. „Gute Nacht und nochmals vielen Dank für das Dinner. Es tut mir leid, dass wir doch nicht mehr über die Arbeit gesprochen haben. Vielleicht sollte ich in Ihrem Terminkalender nachsehen, wann Sie nächste Woche Zeit haben, die Problemfelder durchzugehen …?“

„Ich lege Ihnen morgen einen Zettel auf den Tisch, welche Akten Sie bearbeiten sollen.“ Er stellte einen Fuß in die Tür, doch Rose bemerkte es nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, warum er sie zu einem Arbeitsessen eingeladen hatte, wenn die Sache ganz einfach damit zu regeln war, dass er ihr einen Zettel auf den Tisch legte.

„Das hätten Sie mir doch gleich sagen können, Gabriel!“

„Richtig“, gab er sofort zu. „Aber ich wollte wirklich über Ihre zeitweilige Vertretung mit Ihnen sprechen. Nachdem ich die schöne Auswahl kenne, würde ich sagen, dass die Vorstellungsgespräche besser früher als später starten sollten.“

Rose seufzte frustriert.

„Haben Sie damit ein Problem?“

„Nein. Überhaupt nicht. Sie sind derjenige, der mein Gehalt zahlt. Wie könnte ich da ein Problem damit haben?“ Sie lächelte, um es wie einen Scherz klingen zu lassen, doch er reagierte nicht darauf.

„Mit anderen Worten – was ich Ihnen zahle, sorgt für Ihre Kooperation, auch wenn Sie das nicht gutheißen, was ich von Ihnen verlange?“

Bei dieser Bemerkung errötete sie wieder und schaute zu Boden.

„Ich hätte Sie nie daran gehindert, das zu sagen, was Sie denken …“, fügte Gabriel langsam hinzu, während er seinen Blick über ihr Gesicht wandern ließ. „Und es beleidigt mich, dass Sie mich für einen Tyrannen halten und damit zögern, Ihre Meinung zu äußern, aus Angst, dass ich Sie dann feuere oder Ihr Gehalt kürze …“

„Das habe ich nicht gedacht!“

Gabriel erkannte eine aufrichtige Antwort am Klang. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass sie ihn besser kannte, als zu glauben, dass er sie mithilfe ihres Gehaltsschecks kontrollieren würde. Dennoch hatte sie ihm zu denken gegeben. Angefangen bei ihrer Kündigung bis hin zu verschiedenen ihrer Bemerkungen, die er nicht wirklich benennen konnte, aus denen er aber einen Hauch von Kritik herauszuhören glaubte. Irgendetwas in ihrer Stimme und in der Art, wie sie den Blick senkte, hatte seine Neugier geweckt. Und dabei gab es keine Frau, die seine Neugier herausforderte. Interesse, ja, Lust, ganz bestimmt, aber Neugier, niemals.

Deshalb war er jetzt wie ein Jagdhund, der Lunte gerochen hatte, zumal er sich vor langer Zeit ein voreiliges Bild von seiner effizienten Sekretärin gemacht hatte, das er gerade im Begriff stand zu begraben.

„Warum machen Sie uns nicht einen Kaffee …?“

„Nein!“

„Weil Sie es trotz all dieser Ja, Sir, und Nein, Sir, und Selbstverständlich, Sir, nicht ertragen können, längere Zeit mit mir zu tun zu haben?“

Das war so weit von der Wahrheit entfernt, dass Rose lachen musste.

„Okay. Vielleicht eine schnelle Tasse Kaffee. Ich möchte nicht, dass Ihr Chauffeur zu lange warten muss.“

Während Gabriel seinem Fahrer Bescheid gab, trat Rose über die Schwelle zu ihrem Apartment und dachte, dass dies ein weiteres erstes Mal war. Das erste Mal, dass Gabriel zu ihr nach Hause kam.

Kurze Zeit später saßen sie sich an ihrem Küchentisch gegenüber, und Rose goss ihrem Chef eine Tasse Kaffee ein – schwarz und ohne Zucker, so wie er ihn mochte.

„Also gut, reden Sie mit mir“, forderte Gabriel sie auf.

„Wann wollen Sie, dass ich mit den Vorstellungsgesprächen für meine Vertretung anfange? Reicht nächsten Montag? Oder früher?“

„Erklären Sie mir diese Bemerkung, dass Sie mir wegen des Geldes gehorchen.“

„Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Ich habe es nicht so gemeint.“

„Wie lange denken Sie schon so? Seit Sie für mich arbeiten? Seit der letzten paar Monate? Oder erst seit Sie aus Australien zurück sind? Seit wann?“

Rose hätte beinahe laut aufgestöhnt. „Das spielt doch keine Rolle, Gabriel.“

„Für mich schon. Jetzt sagen Sie mir endlich, was Ihnen nicht passt. Sie können mit mir reden. Sie werden sogar feststellen, dass ich sehr verständnisvoll sein kann. Ich will Sie nicht verlieren, und wenn Sie irgendwelche Bedenken hegen, wie ich die Dinge handhabe, dann ist jetzt der Zeitpunkt, diese Bedenken zu äußern.“

3. KAPITEL

Das Mitarbeiterrestaurant in dem modernen Bürogebäude aus Glas und Stahl war genauso wie alles andere ziemlich spektakulär. Es gehörte zu den vielen angenehmen Dingen, die man genoss, wenn man für einen Mann wie Gabriel arbeitete. Den ganzen Tag über konnte man hier wirklich erstklassiges Essen zu sich nehmen.

Um halb drei am Nachmittag war der Hochbetrieb gerade vorbei. Drüben an den Fenstern saßen zwei kleine Gruppen – drei Mädchen aus der Küche, die sich Kaffee und Muffins gönnten, und ein paar Männer, die sich angeregt über Zahlen und Statistiken unterhielten.

Von diesen Leuten abgesehen, war das Restaurant leer – insofern für Rose die perfekte Gelegenheit, etwas Leichtes zu essen und die Geschehnisse des vergangenen Abends Revue passieren zu lassen.

Gabriel hatte nachgehakt, welche Sorte Business-Kurs sie belegen wolle, welche Qualifikation sie damit erwerben werde und ob sie sich dann eine Stelle wünsche, in der sie andere Leute beaufsichtige oder in der sie eher für sich arbeite. Harmlose Fragen, die ein interessierter Chef stellte, nichts, was bei ihr die Alarmglocken hätte schrillen lassen müssen.

Als er sich nach ihren Eltern erkundigte, was ihr Vater beruflich machte, da wurde sie nicht hellhörig, denn die Frage war verpackt in die Beobachtung, dass Eltern nun mal einen großen Einfluss auf ihre Kinder ausübten.

„Wenn es nach meinen eigenen Eltern ginge“, sagte er und stand auf, um seine Kaffeetasse zur Spüle zu bringen, „hätte ich schon vor Jahren heiraten sollen. Genau genommen halten sie es für längst überfällig, dass ich mir die zwei Komma zwei Kinder und den Familienhund zulege.“ Er warf ihr ein schiefes Grinsen zu, das sie beinahe dazu aufforderte, seinen dekadenten Lebenswandel zu kritisieren.

„Ich kann Sie mir nicht vorstellen mit zwei Komma zwei Kindern.“ Rose stützte ihr Kinn auf die Hand und schaute zu ihm herüber. Nie hätte sie auch nur zu träumen gewagt, dass ihr Kündigungsschreiben dazu führen würde, dass er in ihrer Küche saß und mit ihr Kaffee trank, als wäre es die normalste Sache der Welt. „Das mit dem Hund passt noch am ehesten.“

„Was für eine Art Hund?“

„Ein sehr großer.“

„Weil ich einen Meter neunzig bin?“

Nun, diese Bemerkung lud natürlich dazu ein, dass sie ihn musterte. Für ein paar Sekunden drohte ihr dabei das Herz stehen zu bleiben. Ein Meter neunzig voller umwerfender Männlichkeit.

„Sie gehen jetzt besser“, erklärte sie abrupt und stand auf.

„Das werde ich, in etwa fünfzehn Minuten. Ich habe Harry gesagt, dass er den Wagen auftanken soll, anstatt draußen auf mich zu warten, und er wird noch nicht zurück sein.“

„Warum haben Sie das getan?“, erwiderte Rose halb entsetzt. Jetzt, wo sie aufgestanden war, konnte sie nicht entscheiden, ob sie auch zur Spüle gehen sollte – in seine Nähe – oder ob sie sich besser wieder hinsetzte. Schlussendlich schnalzte sie mit der Zunge, drehte auf dem Absatz um und ging ins Wohnzimmer.

„Weil“, erklang seine Stimme hinter ihr, „es viel besser ist, als im Dunkeln auf mich zu warten.“

„Er hätte das Licht anmachen und lesen können!“

„Vorausgesetzt, dass er so umsichtig war, ein Buch mitzunehmen.“

Rose warf ihm einen gequälten Blick zu und setzte sich. „Harry hat immer ein Buch dabei.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil ich ihn einmal gefragt habe, wie er es aushält, Sie irgendwohin zu fahren und dann oftmals Stunden warten zu müssen, bis Sie ihren Termin oder was auch immer beendet haben.“

„Sie haben also lange Unterhaltungen mit meinem Chauffeur geführt?“ Bei ihm klang es so, als hätte sie ein schmutziges Geheimnis vor ihm verborgen.

„Manchmal gehen wir gemeinsam zum Bus, wenn wir zufällig zur selben Zeit Feierabend machen. Und es besteht kein Grund, so konsterniert dreinzuschauen, Gabriel. Die Leute haben auch noch ein Leben außerhalb der Firma.“

„Das weiß ich!“

„Gut, dann hören Sie auf so zu tun, als wenn alles, was außerhalb Ihrer kleinen Welt passiert, nicht existieren würde.“

„Ich lebe nicht in einer ‚kleinen Welt‘“, stieß er zwischen zusammenpressten Lippen hervor.

„Natürlich tun Sie das.“ Sie milderte die Kritik, indem sie hinzufügte: „Das ist sogar verständlich. Sie leiten ein riesiges Unternehmen, sind es gewohnt, anderen Menschen Anweisungen zu erteilen. Sie müssen nur mit dem Finger schnippen, und man gehorcht Ihnen. Das ist nicht die reale Welt.“

Gabriel verengte die Augen. „Ich bin also ein unerträglicher Diktator?“

„Nein, natürlich nicht! Das ist ganz und gar nicht das, was ich gesagt habe!“

„Ich erteile Befehle, schnippe mit den Fingern und erwarte Gehorsam. Ich schätze, der nächste Schritt besteht darin, dass ich per königlichem Dekret verlange, dass sich alle meinen Untertanen verbeugen müssen, wenn ich vorbeikomme!“

„Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt habe.“

„Sie haben mich nicht beleidigt“, versetzte er kühl. „Sie arbeiten für mich, und als meine Angestellte haben Sie natürlich das Recht auf eine eigene Meinung. Ich wünschte nur, Sie hätten den Mut gehabt, mir das ein wenig früher zu sagen, anstatt wie eine kleine Maus herumzutrippeln, zu lächeln, zu gehorchen und dabei unangenehme Ressentiments zu pflegen.“

Rose starrte ihn entsetzt an. „Ich pflege keine Ressentiments“, protestierte sie und wurde dabei rot.

„Nein?“ Gabriel hatte das Gefühl, einen Schlag unter die Gürtellinie bekommen zu haben, und das behagte ihm ganz und gar nicht.

„Nein … wenn ich Probleme damit gehabt hätte, für Sie zu arbeiten … nun, dann hätte ich es Ihnen gesagt … und ich wäre nicht ‚wie eine kleine Maus herumgetrippelt‘ …“ Diese Beschreibung tat weh, denn sie erkannte genau, wie er zu diesem Eindruck gelangt war. Sie kam ins Büro, machte ihren Job und ging wieder. Eine äußerst fähige herumtrippelnde kleine Maus. Und vor drei Monaten war sie noch dazu eine rundliche kleine Maus gewesen.

Nicht zum ersten Mal schossen Rose die Bilder der Frauen in den Kopf, mit denen er ausging. Blondinen, Brünette, Rothaarige – Gabriel zeigte keine besonderen Präferenzen. Seine einzige Bedingung bestand darin, dass sie umwerfend attraktiv und intellektuell unbedarft sein mussten.

Sie blickte zu ihm herüber und sah sich mit seinen Augen. Die mollige kleine Maus, die sich ruhig verhielt und seine Wünsche erfüllte. Kein Wunder, dass sie für ihn die perfekte Sekretärin war!

Doch sie hatte sich verändert. Sie sah anders aus, und auch innerlich hatte sich eine ganze Menge getan. Sie war fest entschlossen, einen anderen Weg im Leben einzuschlagen, und wenn sie immer noch für ihn arbeitete, dann nur, weil sie den rechten Zeitpunkt abwartete.

„Ich habe kein Problem damit, für Sie zu arbeiten, Gabriel, weil ich keine Angst vor Ihnen habe. Ich habe lange genug mit Ihnen zu tun gehabt, um zu wissen …“

„Wie man am besten mit mir umgeht …?“

„Wie man Ihren verschiedenen Stimmungen am besten begegnet …“

„Was sehr gut ist.“

Rose erkannte seinen selbstgefälligen Gesichtsausdruck und biss die Zähne zusammen. „Ja, ja, das ist es. Was nicht bedeutet, dass ich nicht ein paar Bedingungen stellen würde, jetzt, wo Sie mich überredet haben, doch weiter für Sie zu arbeiten … Ich möchte nicht, dass Sie vergessen, dass ich mich nur auf dreimonatiger Probebasis darauf eingelassen habe, und in dieser Zeit werde ich jemanden einarbeiten, der meine Stelle ganz übernehmen könnte, sollte ich entscheiden, dass ich gehen will.“

Alles in ihm drängte ihn, ihr zu sagen, dass er sich nicht auf Erpressung einließ, weder emotionaler Art noch sonstiger, doch dann erinnerte er sich an die endlose Reihe unfähiger Vertretungen und schluckte die Worte hinunter.

„Was sind Ihre Bedingungen? Ich dachte, ich hätte den finanziellen Anreiz groß genug gemacht.“

„Genau genommen hat es nichts mit Geld zu tun …“ Rose holte tief Luft und schaute ihn fest an. „Zunächst möchte ich eine angemessene Vorwarnung bekommen, wenn ich lange Überstunden machen soll …“

„Eine angemessene Vorwarnung?“, explodierte Gabriel. „Was genau hatten Sie denn da im Sinn? Eine Woche? Zwei? Einen Monat?“ Er sprang auf und lief mit grimmiger Miene durch den Raum. Die gute Laune, mit der er diesen Tag begonnen hatte, verwandelte sich in eine Frustration, die mit jeder Minute schlimmer wurde. Und all das nur, weil seine zuverlässige Sekretärin vor drei Monaten verschwunden und als widerspenstige Zicke zurückgekehrt war! Der Himmel allein wusste, welche Ideen diese Schwester ihr in den Kopf gesetzt hatte!

„Ein oder zwei Tage würden genügen“, teilte Rose ihm ruhig mit.

„Und soll das vielleicht schriftlich eingereicht werden?“, fragte Gabriel sarkastisch.

„Ich will nicht unverschämt sein …“

„Nein? Sie halten es also für völlig normal, dass jemand in einem verantwortungsvollen Job mit einem Gehalt, das weit über dem nationalen Durchschnitt liegt, nach der Stechuhr arbeitet?“

Rose hatte Gabriel bereits zuvor erlebt, wenn er wütend war. Er wirkte körperlich einschüchternd und war sich nicht zu schade, das auszunutzen, um seinen Gegner zu bezwingen.

„Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich nach der Stechuhr arbeiten, Gabriel, aber während ich nichts dagegen habe, hin und wieder Überstunden zu machen, haben Sie mich ständig gebeten, länger im Büro zu bleiben, manchmal bis Mitternacht, wenn ich an dringenden Dokumenten gearbeitet habe.“

„Ständig ist eine Übertreibung“, murmelte Gabriel.

„Wie auch immer – ich werde studieren, und ich halte es nur für fair, dass Sie das respektieren.“

„Was genau verstehen Sie unter Überstunden?“

„Alles, was über siebzehn Uhr dreißig hinausgeht, ist nicht akzeptabel.“ Rose wartete auf den Wutanfall, doch nichts geschah. Stattdessen schaute er sie ein paar Sekunden abschätzend an und zuckte dann die Schultern.

„Also gut.“

„Es macht Ihnen nichts aus?“

„Nun, natürlich ist es nicht gerade günstig, aber Sie haben recht. Sie werden studieren, davon möchte ich Sie um keinen Preis abhalten …“

„Da ist noch mehr“, versetzte sie rasch und nutzte damit die Gunst der Stunde.

„Wann haben Sie beschlossen, dass es Ihrer Karriere hilft, wenn Sie sich so unerbittlich geben?“ Die Sanftheit seines Tons wurde durch seinen grimmigen Gesichtsausdruck Lügen gestraft.

„Ich dachte, Sie schätzen es, wenn Ihre Angestellten eine eigene Meinung haben?“, konterte sie unschuldig.

„Natürlich begrüße ich es, wenn ich weiß, was meine Angestellten denken“, erwiderte Gabriel irritiert. „Und bitte ersparen Sie mir jetzt eine langweilige Standpauke, dass meine kleine Welt so weit von der Realität entfernt ist, dass ich eine freie Rede nicht erkennen würde, wenn sie mir ins Gesicht spränge.“ Er sah ihren amüsierten Blick und schnaubte. „Sie können natürlich genauso gut fortfahren. Welche weiteren Beschwerden haben Sie über die Zeit gesammelt?“

Es sah Gabriel ähnlich, dass er den Spieß umdrehen und ihre berechtigten Forderungen als Schläge unter die Gürtellinie darstellen würde, dachte Rose.

„Diese Frauen von Ihnen …“

„Welche Frauen …?“ Gabriel brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, wovon sie redete, und dann verengte er die Augen. „Tun Sie das besser nicht, Rose.“

Rose konnte nachvollziehen, warum sie für ihn als Sekretärin allmählich zu einer Plage wurde. Ein paar Sekunden verspürte sie echtes Mitleid mit ihm. Zusätzlich zu ihrer Forderung nach einer geregelten Arbeitszeit würde sie ihm nun auch noch mitteilen, dass es nicht zu ihrem Job gehörte, sich um seine weiblichen Bekanntschaften zu kümmern. Wenn er ihnen demnächst etwas schenken wollte, dann konnte er diese Geschenke selbst kaufen!

„Sie sollten mich ausreden lassen, Gabriel …“

„Ich denke nicht daran, mir Vorhaltungen von Ihnen machen zu lassen, wie ich mein Privatleben zu führen habe. Das, warne ich Sie, ist tabu.“

„Was glauben Sie denn, was ich sagen wollte, Gabriel?“ Ruhig begegnete sie seinem düsteren Blick. „Da Sie zusätzlich zu allem anderen scheinbar auch noch Gedanken lesen können?“

„Man muss nicht gerade ein Genie sein, um sich denken zu können, was in Ihnen vorgeht.“ Allmählich bereute Gabriel seine Entscheidung, seine wunderbar zuverlässige Sekretärin um jeden Preis halten zu wollen. Seine wunderbar zuverlässige Sekretärin schien nämlich nach Australien geflogen und dort geblieben zu sein.

„Ach ja?“ Roses Stimme klang verdächtig spitz.

„Sie haben mehr als deutlich gemacht, dass Sie mein Verhalten dem anderen Geschlecht gegenüber kritisieren. Das sagten Sie bereits. Dabei vergessen Sie allerdings, dass die Frauen, mit denen ich ausgehe, dies vielleicht genießen, auch wenn ich mich irgendwann von ihnen trenne.“

Rose hob eine Augenbraue, so als zweifele sie tatsächlich an seiner geistigen Gesundheit, wenn er so etwas annehmen konnte.

„Ich biete ihnen viel Spaß“, hörte Gabriel sich sagen. Er fragte sich, warum er sich vor einer Frau verteidigte, die das alles überhaupt nichts anging. „Ich mache ihnen Geschenke und führe sie in teure Restaurants aus … neben anderen Dingen …“ Es bereitete ihm eine gewisse Genugtuung, als er sah, wie ihre kühle Miene dadurch untergraben wurde, dass sie langsam errötete. „Und glauben Sie mir, Rose, wenn es zu diesen anderen Dingen kommt, bereite ich ihnen sehr viel Vergnügen …“

„Die Glücklichen“, murmelte Rose, die sich schnell erholt hatte. „Nicht nur, dass sie Geschenke bekommen und in schicke Restaurants eingeladen werden, nein, sie haben sogar noch die Ehre, Bekanntschaft mit Ihrem Bett zu machen, ehe sie zu den Akten gelegt werden.“

Gabriel war schockiert. Rose auch. Sie hatte keine Ahnung, wo diese Bemerkung hergekommen war. Mit brennend roten Wangen schaute sie zu Boden, weigerte sich aber dennoch, das Gesagte zurückzunehmen oder sich zu entschuldigen.

„Wie bitte?“, brachte er mit derart ungläubiger Stimme hervor, dass es zum Lachen gewesen wäre, wenn sie sich nicht selbst vor Verlegenheit gewunden hätte.

„Sie haben mich verstanden, Gabriel.“

„Wo haben Sie sich eine solche Sprache angeeignet?“

Was für eine Sprache? Ich denke nicht, dass ich irgendetwas Vulgäres gesagt habe, oder?“

„Nein, aber …“

„Gut! Und nur zu Ihrer Information: Es ist mir vollkommen egal, was Sie mit den Frauen anstellen, die in Ihrem Leben kommen und gehen. Aber mir ist es nicht egal, wenn das Auswirkungen auf mein Leben hat.“

„Und wie, bitte schön, hat es das?“, fragte er mit plötzlichem Interesse.

„Folgendermaßen: Sie lernen eine Frau kennen. Sie überhäufen sie mit Geschenken. Ich kaufe die Geschenke, normalerweise in meiner Mittagspause oder am Wochenende. Immer in meiner Freizeit. Dann sind da die Restaurants, die reserviert werden müssen, oder die Blumen, die zusammen mit der richtigen Nachricht an die richtige Adresse gehen sollen. Manchmal muss ich schluchzende Frauen abwimmeln, die Ihren Standpunkt nicht so ganz verstehen, dass es doch ein Privileg war, mit Ihnen auszugehen, und es nun an der Zeit ist, den klaglosen Abgang zu machen. Manchmal haben sich diese Frauen doch tatsächlich eingebildet, Sie könnten etwas für sie empfinden.“ Die armen Irren, implizierte ihr Tonfall.

Eine Überraschung jagte die nächste. Gabriel hätte nie vermutet, dass sie das, was er als Aufgabe einer guten persönlichen Assistentin empfand, für unzumutbar hielt. „Sind Sie eifersüchtig?“, fragte er mit seidenglatter Stimme und neugierigem Blick.

Rose spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, denn, und das war eine Wahrheit, die sie nur sich selbst und auch nur tief in der Nacht eingestand, ja, sie war eifersüchtig!

„Natürlich nicht“, erwiderte sie kalt. „Glauben Sie wirklich …“ Gerade noch rechtzeitig unterbrach sie sich.

„Glaube ich wirklich … was?“

„Nichts.“

„Nein, sagen Sie es. Immerhin scheint das heute ein Tag der Wahrheit zu sein.“

Sie schaute ihn an und fragte sich, welchen Schock er erst bekommen würde, wenn sie ihm wirklich alles enthüllte!

„Also gut, weil Sie es unbedingt wissen wollen – glauben Sie wirklich, dass ich jemals auf diese Frauen eifersüchtig sein könnte, mit denen Sie ausgehen?“ Sie lachte humorlos. „Zum Ersten sind sie nicht besonders klug …“

„Wer hat je behauptet, dass mir das wichtig wäre?“ Wenn er genau darüber nachdachte, dann fragte er sich, warum sie das überhaupt diskutierten. Doch aus irgendeinem Grund wollte er das Gespräch nicht beenden.

Die Frau, deren Gedanken er nie beachtet hatte, sagte ihm gerade gehörig die Meinung, und merkwürdigerweise faszinierte ihn das. Wenn er ehrlich war, konnte er den Blick nicht von ihr wenden, auch wenn das vermutlich einiges mit ihrer äußeren Verwandlung zu tun hatte.

„Intelligenz in einer Frau ist vollkommen überschätzt“, fügte er bewusst provozierend hinzu. Er ahmte ein Gähnen nach und nahm belustigt zur Kenntnis, dass Roses Augen vor Zorn nur so sprühten. „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass eine intelligente Frau immer einen Standpunkt hat, den sie mit geradezu tödlicher Penetranz vertreten muss?“

„Ist Ihnen schon mal aufgefallen“, konterte sie, „dass blonde Dummchen teilweise so viel Blödsinn von sich geben, dass man am liebsten sterben würde …?“

Gabriel schenkte ihr ein langes träges Lächeln, das sie noch mehr auf die Palme brachte. Dann lachte er laut. Als seine Heiterkeit nachließ, wanderte sein Blick genüsslich über ihren Körper, und er bemerkte anzüglich: „Ich will nicht leugnen, dass sie manchmal Blödsinn von sich geben, aber ich versichere Ihnen, wenn ich mit ihnen im Bett bin, will ich niemals sterben …“

Rose holte tief Luft. Dumme, dumme Eifersucht, die sie zeitweilig einer Ohnmacht nahe brachte!

„Und außerdem …“, nahm sie ihre Argumentation mit eiskalter Stimme wieder auf, auch wenn innerlich in ihr ein Sturm tobte, „tun mir diese Frauen leid. Sie glauben vielleicht, dass Sie sie gut behandeln, aber eine Frau wünscht sich mehr, als Geld ihr kaufen kann.“

„Oh, wirklich?“

„Ja, wirklich. Die Ohrringe und Ketten sind nett, aber tausendmal schöner ist ein Spaziergang im Park, ein selbst gekochtes Essen, ein Gespräch vor dem offenen Kamin oder ein Ausflug ans Meer an einem sonnigen Tag …“

„Vielleicht für Sie …“

„Ich habe mich oft genug mit Ihren Exfreundinnen unterhalten, um zu wissen, dass diese Frauen immer viel verzweifelter sind, als Sie glauben!“, schoss Rose zurück. „Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, jemanden zu trösten, der in Tränen aufgelöst ist und nicht weiß, was er falsch gemacht hat?“

Die Unterhaltung, die zu Beginn eine so reizvolle Herausforderung dargestellt hatte, nahm allmählich eine unangenehme Wendung, und Gabriel runzelte verwirrt die Stirn.

„Ich habe keine Ahnung, warum eine der Frauen, mit denen ich ausgegangen bin, sich fragen sollte, was sie falsch gemacht hat“, hörte er sich sagen und wusste selbst, wie schwach das klang. „Es ist ja nicht etwa so, als würde ich ihnen nicht gleich von Anfang an klarmachen, dass ich mich nicht binden werde. Niemand kann mir den Vorwurf machen, nicht fair zu sein. Spaziergänge im Park, selbst gekochte Mahlzeiten und Kuscheln am Kamin … Nun, solch romantische Szenen sind nichts für mich.“

Autor

Cathy Williams
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