Julia Herzensbrecher Band 21

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

ROSENDUFT UND SINNESLUST von KATE HARDY
Süßer Rosenduft und leidenschaftliche Küsse machen Amber trunken vor Glück. Hals über Kopf verliebt sie sich in den attraktiven Franzosen Guy Lefèvre und lässt sich auf eine heiße Affäre ein. Alles könnte perfekt sein, doch Amber ahnt: Guy verbirgt ein dunkles Geheimnis …

DAS GEHEIMNIS VON TURRET HOUSE von CATHERINE GEORGE
Als sie Luc Brissac durch das prachtvolle Anwesen führt, kann sich Portia kaum auf ihren Job als Maklerin konzentrieren: Der attraktive Franzose raubt ihr schier die Sinne – und lässt sie über das Geheimnis von Turret House schweigen. Doch Luc ahnt schnell, dass etwas an Portias Geschichte nicht stimmt …

GESTOHLENES GLÜCK IN DER PROVENCE? von MARIAN MITCHELL
Nach einem Unfall hat Anna das Bewusstsein verloren und wird von einem faszinierenden Mann mit grünen Augen in seine Villa gebracht. Doch dann erfährt sie, dass ihr unbekannter Retter Jacques Sabran heißt. Um ihn zu finden, ist sie in die Provence gereist. Denn sie wird erpresst, dem berühmten Maler ein Porträt zu stehlen!


  • Erscheinungstag 12.08.2022
  • Bandnummer 21
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512565
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hardy, Catherine George, Marian Mitchell

JULIA HERZENSBRECHER BAND 21

1. KAPITEL

Guy legte auf und steckte das Handy in die Tasche. Wir müssen abwarten. Er konnte diesen Satz mittlerweile nicht mehr hören. Wie konnte er abwarten, wenn die Sache drohte, sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen?

Aber dies war schon der zweite Spezialist, der ihm diesen Rat gab. Die dritte ärztliche Meinung in drei Monaten. Auch wenn die Aussage „Wir müssen abwarten, ob Ihr Geruchssinn sich erholt“ für normale Menschen wenig dramatisch klang – für einen Parfumeur war sie völlig unakzeptabel. Ohne Geruchssinn war er beruflich am Ende.

Seit drei Monaten hielt er die Diagnose nun schon geheim, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand dahinterkam. Und dann würden die Dinge kompliziert. Wie es aussah, wollte sein Geschäftspartner das Angebot eines großen Konzerns akzeptieren, der ihr Parfumunternehmen aufkaufen wollte. Guy hatte sich diesem Plan widersetzen können – bislang zumindest. Er zog es vor, sich auch weiterhin auf die individuellen Wünsche seiner Kunden konzentrieren zu können und Zulieferer aus der Region zu bevorzugen. Doch der Verlust seines Geruchssinns war genau die Art von Argument, die Philippe brauchte, um den Verkauf durchzusetzen. Denn wie sollte es mit der Firma GL Parfums weitergehen, wenn der Leiter der Duftentwicklung seine „feine Nase“ verloren hatte?

Es war zum Verrücktwerden!

Guy hatte all seine Hoffnung in diesen letzten Spezialisten gesetzt. Die Hoffnung, dass er ihm helfen konnte und mehr anzubieten hatte als nur den Rat, abzuwarten, bis der Geruchssinn von allein zurückkehrte, denn die einzig mögliche Erklärung sei nun einmal eine Virusinfektion. Er hatte stillgehalten und die unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen, bei der ein Schlauch mit einer Kamera durch die Nase bis hinauf in die Nebenhöhlen geschoben wurde. Er hatte es mit Vitaminpräparaten versucht, hatte Stunden im Internet damit verbracht, jedes Selbsthilfeforum nach einer Lösung zu durchforsten. Und dennoch bekam er immer nur zu hören: „Wir müssen abwarten.“

Schlimmer noch – der Arzt hatte ihm gesagt, dass es bis zu drei Jahre dauern könnte, bis sein Geruchssinn zurückkehrte. Und selbst dann würde er möglicherweise nur teilweise wieder funktionieren.

Drei Jahre?

Die letzten drei Monate waren schon schlimm genug gewesen.

Die Aussicht, drei Jahre in diesem Zustand verbringen zu müssen, war unerträglich.

Abgesehen davon, dass er nicht so lange warten konnte. Seine Firma konnte es sich nicht erlauben stillzustehen. Wenn sie keine neuen Parfums entwickelten und ihre Produktlinien erweiterten, hätten sie keine Chance gegen die Konkurrenz. Dann müssten sie schließen, und alle würden ihre Arbeit verlieren. Die Angestellten hatten ihn unterstützt und glaubten an ihn und seine Träume. So sehr, dass sie in der Anfangszeit sogar Lohnkürzungen akzeptiert hatten, damit es mit dem Unternehmen weiterging. Er durfte sie nicht enttäuschen.

Natürlich könnte er einen anderen Parfumeur einstellen, der seine Rolle als nez, als „Nase“, übernahm, aber dann würden sich seine eigenen Aufgaben im Betrieb ändern. Er würde mehr Verwaltungs- und Marketingarbeit übernehmen müssen – Dinge, die er bislang stets mit Vorliebe anderen Mitarbeitern überlassen hatte, da er selbst am liebsten im Labor arbeitete und neue Düfte kreierte. Mit einem anderen Parfumeur wäre die Firma gerettet – aber sie wäre nicht mehr sein Traum. Sie wäre nur noch ein Job für ihn. Ohne die Arbeit im Labor, die er so liebte, wäre sein Leben nur noch halb so erfüllt.

Gott sei Dank hatte er die Formel für das neue Parfum noch fertigstellen können, bevor sein Geruchssinn ihn verlassen hatte. Das verschaffte ihm ein paar Monate Aufschub. Danach blieb ihm nur noch, zu beten und zu hoffen, dass was auch immer mit seiner Nase nicht stimmte, wieder in Ordnung gebracht werden konnte. Dass es doch einen Spezialisten gab, der ihm helfen konnte.

Vorläufig jedoch musste er sich zusammenreißen und wie gewohnt den lächelnden, weltgewandten, zuvorkommenden Guy Lefèvre spielen, den Trauzeugen seines Bruders. Kein Wort würde er darüber verlieren, dass sein Leben im Begriff war, sich in einen Albtraum zu verwandeln. Auf keinen Fall durfte er Xaviers und Allegras Glück mit seinem eigenen Unglück zerstören.

„Lächeln!“, befahl er sich selbst. Er war hier draußen, um Rosen für die Tischdekoration zu schneiden, und nicht, um geheime Handygespräche mit HNO-Ärzten zu führen und in düsteren Grübeleien zu versinken. Er sollte besser weitermachen, bevor jemand kam und ihn suchte.

„Sheryl, es ist fantastisch! Genau so habe ich mir ein französisches Château vorgestellt. Hast du das Foto bekommen?“, fragte Amber euphorisch.

„Ja, danke“, antwortete die Stimme ihrer besten Freundin aus dem Handy. „Die alte Steinfassade und die hohen Fenster sehen wirklich edel aus.“

„Im Haus selbst ist es ein bisschen heruntergekommen“, räumte Amber ein, „aber das wäre mit wenig Aufwand schnell behoben. Die ausgeblichenen dicken Vorhänge könnte man durch Voile und leichten Damast ersetzen, die Wände bräuchten frische Farbe – Weiß mit einem Hauch Rosa vielleicht –, und das Parkett und die Wandvertäfelungen müssten mal wieder ordentlich poliert werden. Und im Flur hängt dieser unglaubliche Kronleuchter. Der müsste zwar auch geputzt werden, aber trotzdem: ein echtes Prachtstück.“

Sheryl lachte. „Du willst Allie doch nicht überreden, dir das Haus für eine Party zu leihen, oder?“

„Ich muss gestehen, ich habe daran gedacht“, gab Amber zu. „Wie viel würden die Leute wohl für eine Wochenendparty in Frankreich zahlen? Oder ein historisches Dinner à la Marie Antoinette?“

„Du bist unglaublich! Du bist dort, um dich auf Allies Hochzeit zu amüsieren, aber stattdessen begutachtest du mögliche Räumlichkeiten für deine Wohltätigkeitsbälle.“

„Ja, ich weiß. Aber es ist so schön hier. Und die Küche erst! Riesengroß, mit alten Terrakottafliesen, einem riesigen massiven Holztisch in der Mitte und cremefarbenen, handgeschreinerten Schränken.“ Genau die Art von Küche, die sie sich selbst eines Tages wünschte.

„Ich hoffe nur, dich hören keine Paparazzi“, warnte sie Sheryl. „Die würden Augen machen: Bambi Wynne, das Partygirl, ist in Wirklichkeit eine häusliche graue Maus, die für Küchen schwärmt!“

„Und wie gut, dass sie es von dir nicht erfahren werden“, gab Amber zurück, wohl wissend, dass sie ihrer besten Freundin absolut vertrauen konnte. Sie verdrängte den Gedanken, dass sie sich in der Tat etwas mehr Häuslichkeit in ihrem Leben wünschte. Ein schönes Zuhause. Eine Familie. Einen liebevollen Mann.

Wie lächerlich.

Ihr jetziges Leben ließ absolut nichts zu wünschen übrig – die meisten Menschen würden sie darum beneiden. Sie besaß eine schöne Wohnung in einem angesagten Stadtteil Londons, hatte viele Freunde, mit denen man essen und shoppen gehen konnte, und bekam haufenweise Einladungen zu Partys von berühmten Leuten und Kinopremieren. Wenn sie Lust hatte, in Mailand, Paris oder New York bummeln zu gehen, musste sie sich nur ins Flugzeug setzen. Sie war ihr eigener Herr und brauchte auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Also warum um alles in der Welt sehnte sie sich so danach, dass ihr jemand Fesseln anlegte?

Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort: „Und dann dieser Rosengarten. Ich habe noch nie so viele Rosen auf einem Fleck gesehen. Kennst du den Seifenladen in Covent Garden, den mit den Seifen aus eigener Herstellung? Ich dachte immer, dort würde es herrlich duften – aber der Duft hier ist noch tausendmal besser! Es ist fast so, als würde man Rosen trinken.“ Einem plötzlichen Impuls folgend, brach sie eine besonders schöne Blüte ab. Sie hielt sie sich dicht unter die Nase und seufzte. „Einen köstlicheren Duft gibt es einfach nicht!“

Guy umrundete die Ecke des Hauses und blieb wie angewurzelt stehen. Ungläubig starrte er auf das, was er sah.

Véra?

Doch dann schaltete sich sein Verstand ein. Nein, auf keinen Fall hätte Xavier seine Exfrau zur Hochzeit eingeladen. Und selbst wenn Allegra sie durch die Arbeit kennen sollte, bezweifelte er stark, dass die beiden befreundet waren. Allegra war alles andere als verwöhnt und zickig, während Véra eine stets unzufriedene und selbstsüchtige Diva war, wie er schmerzvoll hatte herausfinden müssen – leider erst nach der Hochzeit. Bis heute machte es ihn zornig, wie er sich damals von seiner Liebe zu ihr so hatte blenden lassen können. Véras wahren Charakter hatte er erst viel zu spät erkannt.

Unvermittelt drehte die Frau sich um.

Es war nicht Véra.

Obwohl diese Frau ihr äußerlich sehr ähnelte: Sie war groß und schlank, mit Beinen, die kein Ende zu nehmen schienen. Auch ihre langen dunklen Locken erinnerten ihn an Véra. Erstaunt spürte er, wie seine Fingerspitzen vor Verlangen kribbelten. Er wollte durch dieses Haar fahren und herausfinden, ob es sich tatsächlich so seidig anfühlte, wie es aussah.

Offensichtlich gehörte die Frau zu den Hochzeitsgästen. Wahrscheinlich war sie eine von Allegras Freundinnen. Auf ihn wirkte sie wie eine von diesen Prominenten, die ständig in irgendwelchen Magazinen zu sehen waren. Eine von denen, die sich selbst dann noch aufstylten, wenn sie nur Jeans und T-Shirt trugen. Hinter der dunklen Brille – da hätte er wetten mögen – verbargen sich große blaue Augen, die durch getönte Kontaktlinsen und Mascara übertrieben zur Geltung gebracht wurden. Unablässig plapperte sie in ihr Handy, während sie zwischen den Rosen entlangschlenderte und mit ihrer freien Hand übertriebene Gesten machte. Sie wirkte völlig unbeschwert, als hätte sie ihr Lebtag noch keine Sorgen gehabt. Dann – zu seinem großen Schrecken – bückte sie sich plötzlich und brach eine Rose ab.

Das ging entschieden zu weit. Es störte ihn nicht, wenn Leute in seinem Garten spazieren gingen, aber von seinen Rosen hatten sie gefälligst die Finger zu lassen. Was käme als Nächstes? Würde sie die Blume auf den Boden werfen und darauftreten, sobald ihre plötzliche Laune vorbei war und sie das Interesse verlor?

Entschlossenen Schrittes ging er auf sie zu. „Entschuldigen Sie bitte, aber es würde mich interessieren …“

Sie sah auf. „Oh. Ich muss los. Ich rufe dich später an“, sagte sie rasch in ihr Handy und beendete das Gespräch. Dann schenkte sie Guy ein strahlendes Lächeln. „Pardon, was sagten Sie?“

Er zeigte auf die Rose in ihrer Hand. „Meinen Sie nicht, dass Sie um Erlaubnis fragen sollten?“

Sie runzelte die Stirn. „Die Rose ist so wunderschön … Und man soll Blumen doch mit anderen Menschen teilen, oder nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Allie und Xav etwas dagegen hätten, wenn ich mir eine Rose für mein Zimmer pflücke.“

„Nur leider gehört der Garten nicht Allie und Xav“, erwiderte er, „sondern mir.“

„Oh.“ Ein zartes Rot legte sich über ihre Wangen und verlieh ihnen die Farbe der Rose in ihrer Hand. „In dem Fall muss ich mich entschuldigen.“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern und lächelte ihn entwaffnend an. „Jetzt ist es wohl ein bisschen spät, um die Erlaubnis einzuholen.“

Sie schob die Sonnenbrille nach oben in die Haare. Guys Körper spannte sich schlagartig an. Ihre Augen waren keineswegs blau. Sie schimmerten in einem tiefen warmen Braun. Und sie waren beeindruckend groß. Von Make-up konnte kaum die Rede sein: Nicht einmal Mascara trug sie, um die Linien dieser herrlichen Augen zu betonen. Nur ein leichter Schimmer von Lippenstift war zu sehen. Allerdings hatte sie Make-up auch wirklich nicht nötig. Sie war eindeutig die hübscheste Frau, der er je begegnet war. Und das, obwohl er selbst mit einem Supermodel verheiratet gewesen war und so einige der attraktivsten Frauen der Welt kennengelernt hatte.

Ohne Zweifel wusste sie nur zu gut, wie attraktiv sie war. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite, roch verträumt an der Rose und blinzelte von unten zu ihm auf. Die kokette Pose ließ ihn unwillkürlich an seine Exfrau denken.

„Der Duft ist umwerfend“, sagte sie.

Das brauchte sie ihm nicht zu sagen, es waren schließlich seine Rosen. Nur leider konnte er sie selbst nicht mehr riechen. Was er wahrnahm, war höchstens noch der vage Schatten eines Dufts. Der wirkliche Geruch existierte nur noch in seiner Erinnerung. Aber das war bei Weitem nicht ausreichend, nicht für einen Parfumeur.

„Ich hätte nie gedacht, dass Ende September noch Rosen blühen“, bemerkte die Frau. „Das muss wohl am Mittelmeer liegen. Es kann ja nicht allzu weit weg sein.“

Guy wusste, dass er freundlich zu ihr sein sollte. Sie war schließlich zu Gast in seinem Haus. Außerdem war es nicht ihre Schuld, dass er nichts mehr roch, genauso wenig, wie es ihre Schuld war, dass sie ihn an Véra erinnerte. Aber die Begegnung mir ihr warf ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Der Frust darüber, dass er die zwei größten Probleme seines Lebens einfach nicht in den Griff bekam, machte ihn halb wahnsinnig. Und die Tatsache, dass er den Menschen, die er am meisten liebte, nichts davon erzählen durfte, machte es nicht leichter für ihn. Aber es kam nicht in Frage, dass er sie mit seinen Problemen belastete – sie hatten ihr eigenes Päckchen im Leben zu tragen.

„Wenn Sie nicht wissen, wo wir sind, sollten Sie vielleicht einen Blick in den Atlas werfen“, schlug er bissig vor. „Und bitte seien Sie so gut, die Finger von den Rosen zu lassen.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging, ohne sich umzuschauen. Er musste hier weg. Jetzt. Die Rosen für die Dekoration mussten warten.

Amber starrte dem Mann hinterher.

Wow.

Was hatte sie getan? War er der Gärtner? Hatten diese Rosen einen Preis gewonnen und waren deshalb sein Allerheiligstes? Aber besaßen Rosenzüchter, die etwas auf sich hielten, nicht viele verschiedene Arten und waren stolz auf ihre eigenen Züchtungen? Hier sahen alle Rosen gleich aus – ihre Blüten waren in der Mitte cremefarben und gingen nach außen in ein kräftiges Rosa über.

Und was wollte er damit sagen, dass dies sein Garten sei? Der Garten gehörte doch wohl zum Château und zum Weingut, und damit Allegra und Xavier. Aber vielleicht arbeitete er schon so lange hier, dass er den Rosengarten insgeheim als sein Eigentum betrachtete.

Wieso war er nur so wütend geworden? Wegen einer einzigen winzigen Rose?

Das war doch verrückt.

Trotzdem fühlte sie sich schuldig. In einer Sache hatte er recht: Sie war hier zu Gast und hätte sich den Wunsch verkneifen sollen, eine Rose für ihr Zimmer zu pflücken. Zumindest hätte sie vorher fragen sollen.

Wie dem auch sei. Sie würde Allegra nach diesem höchst attraktiven Gärtner fragen – und danach, ob er auch manchmal lächelte. Trotz seiner mürrischen und unfreundlichen Art war ihr nicht entgangen, wie gut er aussah: dichtes blondes Haar, Augen so tiefblau wie der Abendhimmel nach einem heißen Sommertag, ein sinnlicher Mund, der heiße Leidenschaft versprach – und zudem ein ziemlich erotischer Körper.

Energisch schüttelte sie den Kopf. Nein, Rosen zu stehlen, reichte als Fauxpas für einen Gast völlig aus. Sie musste nicht noch alles dadurch verschlimmern, dass sie den Gärtner verführte. Ganz abgesehen davon, dass sie Männern vorläufig abgeschworen hatte, nachdem in der letzten Ausgabe von Celebrity Life ein peinlicher Artikel über sie erschienen war. Darin waren ihre sämtlichen Liebhaber und Freunde des letzten Jahres aufgelistet worden, einschließlich detaillierter Angaben, wie lange sie mit ihr zusammen gewesen waren und wie sie mit ihr Schluss gemacht hatten.

Sie ging zurück in ihr Zimmer und füllte im Bad ein Glas mit Wasser für die Rose. Dann stellte sie die Blume auf das Tischchen neben dem Bett.

Dieses Haus war einfach umwerfend! Ihr Bett mit dem kleinen Baldachin sah aus, als gehörte es einer Märchenprinzessin. Alles hier verströmte altehrwürdigen Charme und leicht verwohnten Chic. Und von ihrem Zimmer aus hatte man einen herrlichen Blick über den Rosengarten. Das morgendliche Bild der aufgehenden Sonne über den duftenden Rosen versüßte selbst das Aufstehen zu früher Stunde.

Was Allegra für ein Glück hatte, von nun an hier leben zu dürfen.

Und was für ein Glück für Amber, dass sie eine Freundin hatte, die sie an diesem herrlichen Ort besuchen konnte.

Sie schlenderte hinunter in die Küche. Allegra saß am Küchentisch, neben ihr eine junge Frau, die Amber seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte, aber sofort erkannte. „Gina!“ Sie umarmte die Designerin herzlich und küsste sie auf beide Wangen. „Wann bist du denn angekommen?“

„Vor zehn Minuten, mit dem Taxi.“

Amber verdrehte die Augen. „Du hättest mir eine SMS schicken sollen. Dann hätte ich am Flughafen gewartet und dich mitgenommen … Na, egal.“ Sie umarmte Gina erneut. „Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen.“

„Da ist noch frischer Kaffee, wenn du möchtest“, sagte Allegra lächelnd.

„Ja, danke“, gab Amber zurück. Sie goss sich eine große Tasse aus der cafetière ein und gab einen Spritzer Milch hinzu. „Übrigens, Allie, ich befürchte, ich habe deinen Gärtner verärgert.“

„Meinen Gärtner?“, erwiderte Allegra erstaunt.

„Er hat mich dabei erwischt, wie ich eine Rose gepflückt habe. Er schien ein bisschen sauer zu sein.“

Allegra sah verwirrt aus. „Ich habe keinen Gärt … Oh, warte … War er groß, blond und gut aussehend?“

„Groß und blond, ja.“ Amber zuckte mit den Achseln. „Gut aussehend – ich weiß nicht …“ Und wie! widersprach eine Stimme in ihrem Kopf. „Vielleicht wäre er es, wenn er nicht so grimmig dreinblicken würde.“

„Guy sieht eigentlich nie grimmig aus“, wunderte sich Allegra.

„Wer ist Guy?“, fragte Amber.

„Xavs Bruder. Ihm gehört das Château.“

Verflixt. Also war es tatsächlich sein Garten. Amber biss sich auf die Lippe. „In dem Fall muss ich mich wohl bei ihm entschuldigen.“

„Tut mir leid“, sagte Allegra, „es ist meine Schuld. Ich hätte dich warnen müssen, dass er mit seinen Rosen sehr empfindlich ist und man sie besser in Ruhe lässt.“

„Ist er Rosenzüchter oder so etwas?“

„Nein, Parfumeur“, sagte Allegra. „Kennst du GL Parfums? Das ist er: Guy Lefèvre. Die Firma gehört zur Hälfte ihm.“

„GL Parfums? Machen die nicht dieses tolle Duschgel? Das mit dem Zitrusaroma?“, fragte Gina. „Vor ein paar Wochen wurde es in der Celebrity Life als wahres Vitalisierungswunder gepriesen.“

Amber stöhnte auf und verdrehte die Augen. „Erwähn bloß nicht dieses Magazin!“

Tröstend streichelte Gina ihr über den Arm. „Die haben dich letzten Monat ganz schön in die Mangel genommen, oder?“

„Das kann man wohl sagen! Woher wussten die bloß, dass Raoul, diese Ratte, per SMS mit mir Schluss gemacht hat? Ich könnte schwören, dass mein Handy abgehört wird.“ Sie bemühte sich, ihre Stimme unbeschwert klingen zu lassen, aber der Artikel hatte sie tief getroffen. Und Raoul hatte sie mit seinem Verhalten tief verletzt. Sie war überzeugt gewesen, er sei anders, hatte geglaubt, dass er vielleicht der Eine, der Richtige sei, aber dann hatte auch er sich als Lügner und Idiot entpuppt – wie anscheinend alle Männer, mit denen sie ausging. Manchmal fragte sie sich, ob da nicht ein Schriftzug auf ihrer Stirn stand, den sie beim Blick in den Spiegel selbst nicht sah, der allen anderen aber in grellen Neonfarben entgegenleuchtete: Suche oberflächlichen und gefühllosen Kerl. Bitte ansprechen!

Sie schüttelte sich. „Lasst uns über etwas Angenehmeres sprechen. Also Guy hat diesen Duft kreiert?“

Allegra nickte. „Es war der erste Duft, den er für die Firma kreiert hat. Ursprünglich war es ein Aftershave, aber sie haben die Produktlinie erweitert.“

Xavier kam in die Küche, trat hinter seine zukünftige Frau, umarmte sie und gab ihr einen Kuss. „Hast du Guy gesehen, ma belle?“

„Nein, aber wir sprachen gerade von ihm und seinen genialen Fähigkeiten als Parfumeur“, antwortete Allegra.

„Dann hat er sich bestimmt wieder in seinem Labor verbarrikadiert“, sagte Xavier. „Mal sehen, ob ich ihn herauslocken kann. Wir haben ein heißes Date – mit dem Grill.“

„Du hast auch schon bessere Witze gemacht“, erwiderte Allegra, lachte aber trotzdem. Dann blickte sie auf die Uhr. „Du hast recht. Wir sollten langsam anfangen, die Salate zu machen.“

„Ich helfe dir in der Küche“, bot sich Amber an, nachdem Xavier gegangen war. „Was gibt es eigentlich zum Nachtisch?“

„Nachtisch?“ Allegras Augen weiteten sich. „Das habe ich völlig vergessen! Verflixt, wie konnte mir das nur passieren?“

„Weil du morgen heiratest und ein Dutzend wichtigere Dinge im Kopf hast?“, fragte Amber augenzwinkernd.

Allegra seufzte. „Dann werde ich wohl ins Dorf fahren müssen und bei Nicole etwas kaufen. Eine Tarte Tatin vielleicht – sie macht die beste weit und breit.“

Doch Amber konnte sich die Gelegenheit, in dieser herrlichen Küche zu kochen, unmöglich entgehen lassen. „Ich könnte ja den Nachtisch machen“, schlug sie vor. „Letzten Monat habe ich das hier für einen Gala-Ball gemacht.“ Sie zeigte Allegra und Gina einige Fotos auf ihrem Handy.

„Oh, wow, das sieht großartig aus“, bemerkte Gina bewundernd.

„Und schmecken tut es noch viel besser“, sagte Amber. „Kann man im Dorf irgendwo Himbeeren und Maracujas kaufen?“

„Ja, in Nicoles Hofladen“, antwortete Allegra.

„Gut, dann fahre ich jetzt einkaufen. Allie, könntest du vielleicht in der Zwischenzeit deinen schlecht gelaunten Schwager überreden, mir drei Rosen zu überlassen? Ich bin gleich zurück.“

„Macht es dir wirklich nichts aus?“

„Nein, kein Problem. Brauchst du sonst noch etwas?“

„Nein.“

Aber Amber sah es Allegra an, dass sie furchtbar angespannt und nervös war. Hoffentlich verkaufte diese Nicole auch Schokolade in ihrem Laden. Gute Schokolade. Oder im Notfall wenigstens Schokokuchen.

Der Einkauf der Zutaten dauerte nicht lange. Bald war Amber mit den Sachen zurück im Château bei den anderen. „Ach, bevor ich es vergesse: Ich habe dir Nervennahrung mitgebracht“, sagte sie lächelnd zu Allegra und gab ihr die Schokolade.

„Wie lieb von dir. Danke! Ich habe meinen Auftrag auch erledigt.“ Allegra reichte ihr die drei Rosen.

„Prima. Dann kann es ja losgehen …“ Während Allegra und Gina sich um die Salate kümmerten, bestrich Amber die Rosen vorsichtig mit Eiweiß, bestreute sie mit Puderzucker und legte sie zum Trocknen zur Seite. Dann backte sie Meringue und bereitete die Füllung vor. „Ich kann die Meringue erst ganz zum Schluss füllen, sonst weicht sie auf“, erklärte sie. „Das mache ich dann erst, wenn wir fast fertig sind mit essen, okay?“

„Mehr als okay“, sagte Allegra und umarmte sie. „Ich weiß wirklich nicht, warum Celebrity Life dich immer als dumme Zicke darstellt. Sie haben keine Ahnung, wie du wirklich bist.“

Amber wusste es sehr wohl. Sie hatte einem der Redakteure einen Korb gegeben. Zwar fand sie, dass sie ihn sehr respektvoll und freundlich abgewiesen hatte, dennoch schien er es ihr offensichtlich übel genommen zu haben. Die Folge war, dass das Magazin größten Gefallen daran fand, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlechtzumachen. Zwar bemühte sie sich, die abfälligen Überschriften zu ignorieren – Arme Bambi: Keine Ge-wynne-rin in Sachen Liebe –, aber mittlerweile war sie wirklich genervt. Nach dem letzten Artikel hatte sie kurz davor gestanden, zur Redaktion zu fahren und besagtem Schmierfink ins Gesicht zu schlagen. Aber das Beste war wohl, sie ignorierte ihn einfach. Abwarten und durchhalten. Sicher würde bald ein anderer Prominenter eine unvorsichtige Dummheit begehen und das schlüpfrige Interesse der Zeitschrift auf sich ziehen.

„Wen interessiert schon Celebrity Life?“, sagte sie betont unbekümmert und nahm eine Schale mit Brot, um sie auf die Terrasse zu tragen.

Xavier hatte bereits mit dem Grillen begonnen, während Guy Wein für die Hochzeitsgäste einschenkte, die im Château übernachteten.

Wortlos reichte er Amber ein Glas.

Zeit, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, dachte sie. Die Rose abzubrechen, war ein dummer Fehler gewesen. Auf keinen Fall durfte die Stimmung auf der Hochzeit darunter leiden, das wäre Allie und Xavier gegenüber nicht fair gewesen. „Guy, könnte ich Sie einen Augenblick sprechen?“

Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu. „Wozu?“

„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen“, antwortete sie. „Weil ich vorhin einfach so, ohne zu fragen, eine von Ihren Rosen gepflückt habe. Noch nicht einmal vorgestellt habe ich mich. Mittlerweile weiß ich immerhin, wer Sie sind. Sie sind der Bruder von Xav. Ich bin Amber Wynne. Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen.

Für eine Sekunde fürchtete sie, er würde ihre Hand ignorieren, aber dann nahm er sie doch. Als sich ihre Hände berührten, war es wie ein elektrischer Schlag, der sie durchzuckte. Heißes Verlangen schien mit einem Mal ihren ganzen Körper zu erfüllen. Und dem überraschten Ausdruck nach zu schließen, der für den Bruchteil einer Sekunde auf Guys Gesicht zu sehen war, ging es ihm genauso.

Interessant.

Zu dumm, dass Männer gerade tabu sind, ermahnte sie sich selbst. Aber ihr Liebesleben war eine einzige Katastrophe, und für die nächsten sechs Monate hatte sie sich eine strikte Pause verordnet.

„Ich muss mich auch bei Ihnen entschuldigen, Amber“, überraschte sie Guy. „Sie sind hier zu Gast, und ich hätte Sie wirklich nicht so anfahren dürfen. Meine einzige Entschuldigung ist, dass Sie mich zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt haben.“

„Aber Ihre Blumen sind ja auch sehr wichtig für Sie. Wie ich höre, verwenden Sie die Rosen für Ihre Parfums.“

Guy blickte sie irritiert an, offensichtlich wurde ihm klar, dass sie mit Allegra über ihn gesprochen hatte. „Ja, das stimmt.“

„Darf ich?“ Sie zeigte auf den freien Stuhl neben ihm. Er nickte. „Sie haben wirklich einen wunderschönen Garten“, fuhr sie fort, nachdem sie sich gesetzt hatte. „Und Ihr Haus gefällt mir ebenfalls sehr.“ Sie konnte nur hoffen, dass er nicht gehört hatte, was sie Sheryl am Telefon über den renovierungsbedürftigen Zustand gesagt hatte. „Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass ich hier übernachten darf.“

Er zuckte mit den Schultern. „Jede Freundin meiner zukünftigen Schwägerin ist auch eine Freundin der Familie.“

Guy war überzeugt gewesen, er würde Amber nicht ausstehen können. Sie erinnerte ihn einfach zu sehr an Véra. Doch überrascht stellte er fest, dass sie eine warme und herzliche Art hatte, die es ihm leicht machte, sich angeregt und entspannt mit ihr zu unterhalten. Und als sie sich interessiert nach seinen Rosen erkundigte und sich zu ihm hinüberbeugte, musste er sich für einen kurzen Augenblick wundern: Duftete ihre Haut nach Rosen?

Aber das war natürlich reine Einbildung. Der Virus, den er sich vor drei Monaten eingefangen hatte, hatte seinen Geruchssinn fast vollständig zerstört.

Wieso fasziniert mich diese Frau so? fragte er sich plötzlich.

Er fühlte sich wie magisch von ihr angezogen. Selbstverständlich würde er dieser Anziehung auf keinen Fall nachgeben. Nicht jetzt, da sein Leben einem einzigen Chaos glich und er seine ganze Energie dafür aufwenden musste, die tagtägliche Sorge in Schach zu halten, seine geliebte Arbeit als Parfumeur womöglich für immer aufgeben zu müssen. Außerdem war sie nur für die Dauer der Hochzeit hier. Danach würden sie sich wohl kaum so bald wieder begegnen. Es war sinnlos, sich auf etwas einzulassen, für das es keine Zukunft gab.

Als Allegra und Gina sich daranmachten, den Tisch abzuräumen, stand Amber auf, um ihnen zu helfen. Erneut war Guy höchst erstaunt. Véra hätte ihren Status als Gast genüsslich ausgekostet und sich von vorne bis hinten bedienen und bewirten lassen. Sie hätte nicht im Traum daran gedacht, auch nur einen Finger krumm zu machen.

Als könnte sie seine Gedanken lesen, lächelt ihn Amber an und sagte: „Ich bin für den Nachtisch verantwortlich – bin gleich wieder da.“

Kurz darauf kehrte sie mit einer großen Platte zurück, auf der zwei perfekte Meringuerollen lagen, gefüllt mit einer leckeren Mischung aus Sahne und Früchten. Die Oberseite war mit puderzuckerbestäubten Rosenblättern und Maracujakernen kunstvoll dekoriert. Zwei Wunderkerzen versprühten ihre Funken nach allen Seiten und verschafften ihrem Dessert den angemessenen glanzvollen Auftritt.

„Dafür waren also die drei Rosen“, bemerkte Guy, als Amber ihm ein Stück Dessert reichte.

Etwas verlegen erwiderte sie: „Tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Die Blüten sind wie gemacht als Dekoration für dieses Dessert: innen cremefarben, außen dieses kräftige Rosa – einfach perfekt.“

„Es war sicher sehr aufwendig, sie so mit Zucker zu überziehen, oder?“

„Ja, aber die kleinen Details machen ja bekanntlich den Unterschied.“

„Und Sie scheinen ein Auge für diese Details zu haben.“ Auch das hatte er nicht erwartet.

Er hatte sie eher für eine oberflächliche, egoistische Zicke gehalten. Offensichtlich lag er jedoch mit seiner Einschätzung falsch. „Das sieht einfach toll aus. Sind Sie Köchin?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich tobe mich nur gern in der Küche aus. Als Koch hat man ja völlig wahnwitzige Arbeitszeiten, das wäre absolut nicht mein Ding.“

„Und was ist Ihr Ding, wenn ich fragen darf?“

„Ich organisiere Partys.“

Er blickte sie ungläubig an. „Sie organisieren Partys?“

„Ja, so habe ich Allie kennengelernt. Vor ein paar Jahren war sie auf einer meiner Partys. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Und seitdem sind wir befreundet.“

„Und folglich gehen Sie auch häufig auf Partys von anderen Leuten …“ Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen: Sie war eine Prominente – genau wie seine Exfrau.

„Stimmt“, gab sie seufzend zurück. „Aber glauben Sie bitte nicht alles, was Sie in den Zeitungen über mich lesen.“

„Sind Sie oft in den Medien?“, fragte er. Ihr Gesicht kam ihm zwar bekannt vor, aber er konnte sich nicht genau erinnern. Für gewöhnlich überflog er nur den Wirtschaftsteil, meistens im Internet, da es so schneller ging. Fast nie las er die Gesellschaftsseiten. Und Klatschzeitschriften bekam er nur dann zu Gesicht, wenn sie einen Artikel über GL Parfums brachten und sie ihm von seiner Medienbeobachtungsagentur zugeschickt wurden.

Guy mochte die Medien nicht. Eine Sache, die seinen Geschäftspartner Philippe regelmäßig wahnsinnig machte, war sein Beharren darauf, ihre neuen Produkte leise und unauffällig auf den Markt zu bringen, ohne großen Medienhype. Aber Guy war ein gebranntes Kind. Er würde es nicht noch einmal zulassen, dass die Medien in seinem Privatleben herumwühlten.

„Unsere Bambi hier ist der absolute Liebling der Klatschblätter“, bemerkte Gina, die sich zu ihnen gesellte und Amber die Hände auf die Schultern legte.

„Bambi?!“ Die erstaunte Frage hatte seinen Mund verlassen, bevor er sie stoppen konnte.

„Wegen ihrer braunen Augen und den langen Beinen natürlich. Wenn sie nicht so lieb wäre“, fuhr Gina augenzwinkernd fort, „würden wir sie alle für ihr fantastisches Aussehen hassen. Jeder normale Mensch muss sich dafür unendlich anstrengen. Sie nicht. Sie könnte sich einen Kartoffelsack überziehen und eine Woche durchfeiern, und trotzdem sähe sie todschick aus und würde wahrscheinlich einen neuen Trend auslösen! Das Leben ist einfach ungerecht.“

Amber lachte. „Danke für die Blumen, Gina. Dabei kann ich gar nichts dafür. Es sind die Gene meiner Mutter. Und wenn du endlich auf mich hören und diese Künstler-tragen-immer-Schwarz-Uniform aufgeben würdest, stünden die Männer auch bei dir Schlange von hier bis Paris. Mit ein bisschen Farbe würden deine Alabasterhaut und deine kastanienbraunen Haare super zur Geltung kommen, ganz zu schweigen von deinen hübschen Augen.“

„Oh nein! Ich bin eine Künstlerin!“, rief Gina mit gespielter Empörung.

„Ein hoffnungsloser Fall – das bist du“, sagte Amber und verdrehte die Augen. „Sagen Sie es ihr, Guy: Sie sieht gut aus.“

„Ja, sie sieht gut aus“, wiederholte Guy pflichtbewusst. Es stimmte, Gina sah gut aus. Aber Amber war bildhübsch: Neben ihr wirkte jede andere Frau wie ein Mauerblümchen.

Und genau das machte ihn nervös. Das hatte er schon einmal erlebt. Damals hatte er sich Hals über Kopf in ein bildhübsches Model verliebt, und nach nur einem Monat hatten sie geheiratet. Er hatte nicht lange für die Entscheidung gebraucht, sie dafür aber umso länger bereut.

Nicht, dass er die Absicht hegte, mit Amber etwas anzufangen. Selbst wenn sie ihn nicht schmerzhaft an den größten Fehler seines Lebens erinnert hätte, war er zurzeit einfach nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Dafür war sein Leben gerade viel zu chaotisch. Er musste sich auf seine Karriere konzentrieren und darauf, seinen Geruchssinn zurückzuerlangen. Zärtliche Gefühle für eine Frau störten dabei nur.

„Hilfst du mir mit dem Kaffee?“, fragte Gina.

„Klar“, antwortete Amber. „Bitte entschuldigen Sie mich, Guy. Hat mich gefreut, mit Ihnen zu plaudern. Wie sehen uns später.“

Und dann war sie verschwunden.

Seltsam, wie düster und trist diese stille Ecke der Terrasse plötzlich wirkte. Guy richtete sich auf und straffte sich. Sie war nicht sein Typ. Und es wäre purer Wahnsinn, sich etwas anderes einzureden.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen wachte Amber früh auf, noch bevor der Wecker ihres Handys klingelte. Eilig duschte sie und wusch sich die Haare. Dann ging sie hinunter in die Küche. Allegra und Gina saßen bereits beim Frühstück. Sie setzte sich dazu. Anschließend lackierte sie den beiden die Nägel und übernahm bereitwillig den Abwasch, damit der Lack gründlich trocknen konnte.

Dann ging es an das Make-up und die Haare. Fasziniert erkundigte sich Amber nach den Unterschieden zwischen einer französischen und einer englischen Hochzeit: „Also gibt es gewissermaßen zwei Zeremonien? Die amtliche im Rathaus, wo du den Hosenanzug trägst, und dann die in der Kirche, im weißen Kleid?“

„Genau“, bestätigte Allegra.

„Gleich zwei Hochzeiten … wie gierig!“, sagte Amber lachend. Sie trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten. „Oh, Allie! Xav wird sich ganz schön beherrschen müssen, dich nicht sofort in seine Höhle zu schleppen, wenn er dich so sieht.“

„Ja, du siehst umwerfend aus“, pflichtete Gina bei. „Einfach wunderschön!“

Allegra tat die Komplimente mit einer knappen Handbewegung ab. „Ach, das sagt ihr doch zu jeder Braut.“

„Aber es stimmt!“, bekräftigte Amber. Und verdrängte den Anflug von Neid, der in ihr aufstieg. Wie lächerlich – im Augenblick hatte sie doch noch nicht einmal Lust, mit einem Mann auszugehen, geschweige denn, einen zu heiraten. „Ich gehe mich dann auch umziehen. Wir sehen uns gleich!“

Guy konnte den Blick kaum von Amber lösen, als sie aus dem Château kam. Gestern hatte sie eine schlichte Jeans und ein T-Shirt getragen, und selbst darin hatte sie schon wahnsinnig gut ausgesehen. Jetzt, in diesem eleganten Kleid, sah sie einfach atemberaubend aus. Fast wie Audrey Hepburn. Das Kleid war aus goldener Seide und wurde von dünnen Spaghettiträgern gehalten, dazu trug sie farblich passende Sandalen mit eleganten Riemchen. Ihre hoch aufgesteckte Frisur wurde von perlenverzierten Haarnadeln zusammengehalten.

Gott sei Dank hatte er sich angeboten, heute für einen Teil der Hochzeitsgäste den Fahrer zu spielen. So musste er sich auf den Weg zum Rathaus konzentrieren, und seine Gedanken wurden von Amber abgelenkt. Ihr warmes Lächeln, strahlend, aber auch schüchtern, sandte einen heißen Schauer der Erregung über seinen Rücken. Seine Finger kribbelten wie wild und wollten die Nadeln aus ihrem Haar ziehen, sodass ihre Locken über die Schultern fielen. Oder über sein Kissen …

„Verdammt, reiß dich zusammen!“, murmelte er mit zusammengepressten Lippen.

Bonjour, Guy.“ Ihre Stimme klang weich und voll, ein wenig vornehm. Und unwiderstehlich sexy. „Allie sagte, dass Sie uns fahren. Wie schön!“

„Mit Vergnügen“, antwortete er. „Sie haben freie Platzwahl.“

Doch als sie sich neben ihm auf dem Beifahrersitz niederließ, wünschte er sich, er hätte präzisere Anweisungen gegeben und sie gebeten, sich nach hinten zu setzen. Denn so kostete es ihn größte Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren. Jedes Mal, wenn er schaltete, wurde ihm nur allzu bewusst, wie nah seine Hand ihrem Bein war. Besonders, da der Saum ihres Kleids beim Hinsetzen über die Knie nach oben gerutscht war und die makellose zarte Haut ihrer Schenkel entblößte. Sie schien es nicht zu bemerken und erzählte fröhlich davon, dass dies ihre erste französische Hochzeit sei und sie schon wahnsinnig gespannt auf den croquembouche wäre, die riesige pyramidenförmige Hochzeitstorte aus Windbeuteln, die mit Karamell zusammengehalten wurden.

Diese Frau war in der Lage, ihm in null Komma nichts den Kopf zu verdrehen. Und das machte sie sehr, sehr gefährlich.

Die Zeremonie im Rathaus war kurz und schmerzlos. Während Allegra und Xavier sich anschließend umziehen gingen, fand sich der Rest der Hochzeitsgesellschaft auf ein Glas Wein im Café am Markt ein, nur ein paar Häuser weiter. Amber verzichtete auf den Wein und bestellte stattdessen einen Kaffee – sie ließ es lieber langsam angehen.

Gerade unterhielt sie sich mit einigen anderen Gästen, als Guy das Café betrat. Ungewollt musste sie schlucken und verstummte abrupt. In Frack, himmelblauer Weste und passendem Seidenschlips sah er atemberaubend attraktiv aus. Feierliche Garderobe stand ihm wirklich ausgesprochen gut, und es überraschte Amber nicht zu sehen, dass ihn auch alle anderen Frauen im Café mit offenem Mund anstarrten. Guy Lefèvre gehörte zu jenen Männern, die weibliche Aufmerksamkeit erregten, ohne es zu merken. Irgendwie hatte er etwas Besonderes an sich, und als sich ihre Blicke streiften, schien das Herz in ihrer Brust einen kleinen Hüpfer zu machen.

Oh, das war gar nicht gut. Auch wenn sie nicht unbedingt im Zölibat lebte, durfte sie sich auf keinen Fall in diesen Mann verlieben. Es machte zwar nicht den Eindruck, als gehöre er zu den üblichen Idioten, mit denen sie sich sonst einließ, aber trotzdem war sie überzeugt, dass es auch mit ihm nie und nimmer klappen würde. Dafür lebten sie einfach in zu unterschiedlichen Welten.

Dann traten Allegra und Xavier durch die Tür. Allegras blendend weißes Hochzeitskleid war schlicht und elegant geschnitten. Ihr Kopf war gekrönt von einem schmalen Diadem, und in den Händen hielt sie einen großen Strauß herrlich weißer Rosen. Gina, die Brautjungfer, trug ein ähnlich geschnittenes Kleid, allerdings war es himmelblau, in der gleichen Farbe wie die Westen von Xavier und Guy.

Angeführt von Braut und Bräutigam, machte sich die Hochzeitsgesellschaft auf den Weg zu der kleinen Kirche am Rand des Dorfes. Unterwegs waren zwischen den Hecken weiße Bänder über den Weg gespannt, die Allegra und Xavier durchschneiden mussten. Es schien eine französische Tradition zu sein. Amber nahm sich vor, Allegra später danach zu fragen. Der Innenraum der hübschen alten Kirche aus hellem Stein war lichtdurchflutet. Unter einem seidenen Baldachin vor dem Altar warteten zwei mit rotem Samt bezogene Stühle auf das Brautpaar. Geigenmusik ertönte, als sie die Kirche betraten. Die Violinistin war Allegras Mutter, die eine melancholisch-feierliche Melodie von Bach spielte.

Obwohl die Zeremonie auf Französisch abgehalten wurde, konnte Amber in etwa folgen. Als Allegra und Xavier schließlich die Ringe tauschten, ertappte sie sich bei dem wehmütigen Gedanken, was für ein ungeheures Glück Allegra hatte, den Mann ihres Lebens gefunden zu haben. Sie selbst würde ihn wohl nie finden.

Verärgert drängte sie diesen Anflug schlechter Laune sofort zurück. Für gewöhnlich liebte sie Hochzeiten und Partys! Und da Allegra erzählt hatte, dass auf französischen Hochzeiten fast immer die ganze Nacht hindurch gefeiert wurde und erst mit dem Frühstück endeten, war sie fest entschlossen, sich ausgiebig zu amüsieren!

Vor der Kirche erwartete Braut und Bräutigam ein Regen aus getrockneten Ritterspornblüten. Der Boden war mit Lorbeerblättern bestreut. Dann folgte der vin d’honneur, der Champagnerempfang zu Ehren des Brautpaars, zu dem das ganze Dorf eingeladen war, wie Amber schon berichtet worden war. Erstaunt sah sie, wie Xavier zu einem der Gräber auf dem Friedhof ging und ein Glas Champagner am Fuß des Grabsteins ausgoss. Kurz darauf tat Allegra das Gleiche, allerdings an einem anderen Grab, das neuer aussah und noch keinen Grabstein hatte. Amber vermutete, dass man mit dieser Geste geliebte verstorbene Menschen an dem freudigen Ereignis teilhaben lassen wollte – in diesem Fall wohl Allegras Großonkel und jemand, der Xavier sehr nahegestanden hatte.

Dann fuhren alle zurück zum Château, wo ein großes Festzelt auf dem Rasen stand, darin Tische und ein Tanzparkett. Wieder gab es Champagner, allerdings machte Amber große Augen, als sie sah, wie die Flaschen geöffnet wurden. Guy und Xavier hatten sich dafür mit geschwungenen Säbeln bewaffnet. Jeder von ihnen nahm eine Flasche in die Hand und hielt sie so vor sich, dass der Korken vom Körper wegzeigte. Dann fuhren sie mit den Säbeln von unten schwungvoll den Flaschenhals entlang und ließen ihn auf den Glaswulst unterhalb des Korkens treffen. In hohem Bogen flogen die Korken samt dem obersten Teil des Flaschenhalses davon, gefolgt von einer Champagnerfontäne.

So etwas hatte Amber noch nie gesehen. Das war ja noch beeindruckender als eine Champagnerpyramide! Ob sie Guy wohl überreden konnte, ihr zu zeigen, wie man es machte? Das wäre der Hit für den nächsten Sommerball!

Schneller als erwartet bekam sie die Möglichkeit, ihn zu fragen, denn beim anschließenden Dinner ergab es sich, dass er den Platz neben ihr hatte.

„Was Sie da mit dem Champagner gemacht haben, war wirklich beeindruckend“, begann sie das Gespräch.

Er zuckte mit den Schultern. „Sie meinen die sabrage?“

„So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich nehme an, es ist eine typisch französische Tradition?“

„Ja. Sie stammt noch aus der Zeit Napoleons, als die Husaren Champagnerflaschen im vollen Galopp köpften, um ihren Sieg zu feiern.“

Es fiel ihr nicht schwer, sich Guy als Husarenoffizier vorzustellen. Auf einem Pferd würde er zweifellos eine gute Figur machen. Und unverschämt sexy aussehen.

Mit Mühe zwang sie ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Gespräch. „Aber ist das nicht gefährlich? Ich meine, wegen der Glasscherben. Könnte da nicht leicht eine im Champagner landen?“

„Nein, durch den Druck wird alles herausgeschleudert.“

„Und da sind Sie ganz sicher?“

Will sie alles in Frage stellen, was ich sage, fragte sich Guy, oder will sie wirklich etwas wissen? Ausführlich erklärte er ihr: „Man muss darauf achten, dass man die Flasche im richtigen Winkel hält und den Flaschenhals an der richtigen Stelle trifft. Direkt unter dem Wulst, an der Naht, wo das Glas am schwächsten ist. Übrigens waren das keine echten Säbel mit scharfer Klinge, sondern nur Champagnersäbel. Die Form ist den Schwertern der Husaren nachempfunden.“

„Kann das jeder machen?“, fragte Amber.

„Mit etwas Anleitung und Übung, auf jeden Fall.“ Plötzlich erkannte er die Falle, in die er gerade getappt war. Wollte Sie etwa, dass er es ihr zeigte?

Amber lächelte unschuldig. „Würden Sie es mir beibringen?“

Um Zeit zu gewinnen, antwortete er mit einer Gegenfrage: „Wofür wollen Sie das denn lernen?“

„Ich habe ja schon erzählt, dass ich Partys organisiere. Dazu gehört unter anderem ein Sommerball, mit dem wir Geld für die Krebshilfe sammeln. Es wäre ein wahnsinniges Spektakel, wenn wir den Champagner auf dem nächsten Ball so öffnen würden. Noch besser als die Champagnerpyramide, die wir dieses Jahr hatten.“

„Warum ausgerechnet die Krebshilfe?“

„Meine Oma hatte Brustkrebs.“ Für einen Augenblick legte sich ein trauriger Schatten über ihr Gesicht, doch dann hellte es sich wieder auf. „Die Krankheit ist Gott sei Dank vorläufig unter Kontrolle, aber ich engagiere mich trotzdem.“

„Indem Sie Partys geben?“

„Warum nicht?“, erwiderte sie. „Für richtig gute Partys sind die Leute immer bereit, viel Geld für den Eintritt zu bezahlen. Geld, das dann dem Krebshilfeverein zugutekommt. Natürlich könnte ich auch einen Wohltätigkeitslauf organisieren, mich für Geld mit Torten bewerfen lassen oder so etwas, aber der Ball macht mir mehr Spaß. Also eine klare Win-win-Situation für alle Beteiligten.“ Sie verdrehte die Augen. „Und das war jetzt kein Wortspiel mit meinem Nachnamen …“

Schwang da Verletztheit in ihrer Stimme mit? Wahrscheinlich waren in den Medien ständig solche Witze über sie zu lesen.

„Wo wir schon beim Thema sind, könnte ich Sie eigentlich gleich etwas fragen“, fuhr sie fort. „Nicht nur die Erlöse aus dem Eintritt gehen an den Verein, sondern wir veranstalten auch jedes Mal eine Tombola mit vielen Preisen, für die man Lose kaufen kann. Eine persönliche Stilberatung zum Beispiel, eine Ballonfahrt, einen Tag im Wellnesshotel oder ein Fotoshooting bei einem richtig guten Fotografen. Einmal hatten wir auch ein Candle-Light-Dinner mit einem bekannten Schauspieler. Das hatten wir Mum zu verdanken, die einen ihrer Freunde überredet hat.“

„Und Ihre Mutter ist …?“

„Libby Wynne, die Schauspielerin.“

Das also war der Grund, wieso sie ihm so bekannt vorkam. Tatsächlich, die Ähnlichkeit war unübersehbar. Allerdings fand er, dass Amber ihre Mutter an Schönheit noch übertraf.

„Und weil Sie doch so ein genialer Parfumeur sind“, nahm sie den Faden wieder auf, „wie wäre es da, wenn Sie für den glücklichen Gewinner einen persönlichen Duft kreieren würden?“

Eine schlimmere Frage hätte sie ihm nicht stellen können.

Vor vier Monaten hätte er wahrscheinlich mit Freuden eingewilligt – jetzt jedoch sah die Sache völlig anders aus. „Ein Parfum kreieren ist nichts, was man mal eben so macht“, gab er kühl zurück.

Sie runzelte die Stirn. „Mir ist schon klar, dass mehr dazugehört, als nur ein paar Öle zusammenzumischen.“

„Viel mehr!“, betonte er.

„Na gut, wenn das zu viel Aufwand ist, wie wäre es dann mit einem Geschenkkorb? Aber einem richtig großen.“

Er war nicht sicher, ob ihn ihre direkte Art belustigte oder beängstigte. „Ein bisschen unverschämt sind Sie schon, oder?“

„Nur Sprechenden kann geholfen werden.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Was ist das Problem? Ich kann von niemandem erwarten, dass er meine Gedanken liest.“

Was das Problem war? Sein Problem war, dass er sich wie wahnsinnig von ihr angezogen fühlte, obwohl er gerade das momentan überhaupt nicht gebrauchen konnte.

„Wie auch immer“, sagte er schließlich. „Ein Korb geht in Ordnung. Sagen Sie Allie noch einmal Bescheid, wenn es so weit ist. Ich denke mir dann etwas aus. Und jetzt werde ich mich ein bisschen unter die Gäste mischen. Übrigens wird zwischen den Menügängen getanzt, das ist so üblich auf französischen Hochzeiten.“

Amber erkannte das Lied des Eröffnungstanzes auf Anhieb: „Time After Time“. Auch in Frankreich schien es Tradition zu sein, dass das Brautpaar den Tanz eröffnete, gefolgt vom Brautführer und der Brautjungfer. So ein schönes Lied, dachte sie bei sich und sang im Kopf den Text mit. Ob sie wohl jemals einen Mann finden würde, der sie auffing, wenn sie fiel, der auf sie wartete und für sie da war? Ihre bisherigen Beziehungen machten ihr in der Hinsicht wenig Hoffnung. Irgendwie suchte sie sich immer die falschen Männer aus.

Sie nippte an ihrem Champagner. Schluss jetzt mit dem Trübsalblasen, wies sie sich selbst zurecht. Sie war hier auf einer Hochzeit, und sie würde Spaß haben. Einige von den Gästen sahen noch etwas reserviert oder gelangweilt aus. Das war die richtige Aufgabe für sie. Wenn es etwas gab, das sie wirklich gut konnte, dann war es, Partys in Schwung zu bringen. Und genau das würde sie jetzt tun.

Guy wusste die ganze Zeit, wo Amber sich befand, selbst wenn er sie nicht sah. Dort, wo sie stand, ertönte lautes Lachen. Sie schien die Leute wunderbar zu unterhalten. Ob sie auch bei den anderen Gästen nach Spenden für ihren Wohltätigkeitsball fischte? Verstohlen hielt er nach ihr Ausschau.

Nein, es sah nicht so aus. Stattdessen holte sie Drinks für seine Großtanten und schäkerte mit seinen Großonkeln. Alle schienen entzückt von ihr zu sein. Langsam verstand er, warum sie Partys organisierte: Sie hatte ungeheures Talent, mit Menschen umzugehen und ihnen die Befangenheit zu nehmen.

Dann sah er, wie Amber hinüber zu Allegras Eltern ging. Das durfte er sich auf keinen Fall entgehen lassen. Die Beauchamps galten nicht gerade als zugängliche und sympathische Menschen, und sie waren für ihre Tochter wahrlich keine besonders fürsorglichen Eltern gewesen. Wenn Amber es wirklich wagte, sie zu fragen, ob sie auf ihrem Ball ein kleines Konzert geben würden – ohne Gage! –, würde sie eine Abfuhr bekommen, die sich gewaschen hatte. Möglicherweise wären die Beauchamps so entrüstet und beleidigt, dass sie vorzeitig abreisen würden.

Doch dann blinzelte er verwirrt. Das war doch nicht möglich! Emma Beauchamp lächelte! Entweder kannten Amber und sie sich bereits – was unwahrscheinlich war, auch wenn Allegra und Amber Freundinnen waren – oder Ambers Fähigkeiten waren wirklich außergewöhnlich. Wem es gelang, Emma Beauchamp ein herzliches Lächeln zu entlocken, der wurde mit jedem Menschen warm.

Nun konnte er seine Augen erst recht nicht mehr von Amber lösen. Schließlich schien sie genug vom Plaudern zu haben und ging tanzen. Aber statt mit einem Mann zu tanzen, versammelte sie alle Kinder um sich und zeigte ihnen ein paar einfache Tanzschritte. Die Mädchen waren begeistert, dass ein Erwachsener ihnen so viel Aufmerksamkeit widmete, während die Jungen sich gar nicht genug anstrengen konnten, ihr zu gefallen. Nachsichtig lächelnd standen die Eltern der Kinder am Rand der Tanzfläche und schauten zu. Als Amber es bemerkte, winkte sie die Eltern heran, damit sie mitmachten. Nach zehn Minuten war das ganze Zelt auf den Beinen und tanzte.

Als ein kleines Mädchen in dem Gedränge stolperte und hinfiel, hob Amber es rasch auf, nahm es in den Arm und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr. Nach kürzester Zeit waren die Tränen versiegt und das Mädchen strahlte wieder. Abdrücke von fettigen Kinderhändchen auf ihrem Kleid schienen Amber nichts auszumachen, auch wenn es zweifelsohne sehr teuer gewesen war. Für sie zählte einzig und allein, dass es allen gut ging und dass alle Spaß hatten.

Schließlich konnte Guy nicht länger widerstehen. Er nahm eine Champagnerflöte und ging damit zu ihr hinüber. „Ganz schön heiß“, sagte er.

Sie lächelte ihn verschmitzt mit hübschen Grübchen an. „Wollen Sie damit andeuten, dass ich einen roten Kopf habe, Monsieur Lefèvre, oder ist das Ihre Art, eine Frau zum Tanzen aufzufordern?“

„Äh, ich meinte, dass Sie nach der ganzen Tanzerei vielleicht einen Drink möchten, nicht, dass Sie, also Ihr Tanzstil hei …“ Er brachte den Satz nicht zu Ende und spürte, wie er knallrot anlief. Ihr Blick verriet ihm deutlich, dass sie ihn durchschaute. Aber die Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit. Er sah es an ihren sinnlichen Lippen, die leicht geöffnet waren, als warteten sie förmlich auf einen Kuss von ihm. Dabei wirkte es völlig natürlich und unbewusst, nicht wie eine einstudierte Pose. „Na gut. Beides“, gab er zu.

Neckisch blinzelte sie ihm zu. „Gott sei Dank! Ich hatte mich schon gefragt, ob mein Kleid für den gehobenen Anlass womöglich ein bisschen zu kurz sei …“

Ja, oberhalb des Knies vielleicht. Das war ihm nicht entgangen, aber sicherheitshalber schaute er noch einmal nach.

Beim Anblick ihrer langen Beine fühlte sich sein Mund plötzlich wie ausgedörrt an. Er überlegte kurz, dann ging er aufs Ganze. „Hübsche Knie, Mademoiselle Wynne.“

„Danke, Monsieur Lefèvre. Und natürlich auch für den Drink.“ Sie nahm ihm das Glas ab und streifte dabei leicht seine Finger. Die Berührung jagte ein heißes Kribbeln durch seinen Körper, wie ein elektrischer Schlag. Gebannt starrte er auf ihre Lippen, als sie sich sanft um den Rand des dünnen Glases schlossen.

Hatte er je einen perfekteren, verlockenderen Mund gesehen? Er schien ihm einfach unwiderstehlich.

Und plötzlich erwachte in ihm die Gewissheit, dass er diesen Mund heute Abend noch küssen würde – und dass sein Kuss erwidert werden würde.

Die Jazzband begann ein neues Lied, das Amber sofort bekannt vorkam. Es war der Tango aus diesem alten Film mit Al Pacino, den sie vor ein paar Monaten zusammen mit ihrer Mutter gesehen hatte. Ein fantastischer Film. Natürlich wäre es klüger gewesen, diesen Song auszusetzen und den Flirt mit Guy nicht noch weiterzutreiben, das wusste sie nur zu gut. Aber ihr Mund wollte ihrem Gehirn einfach nicht gehorchen.

„Und? Trauen Sie sich?“, stichelte sie kess.

„Sie wollen wissen, ob ich mich traue?“ Seine Augen sahen mit einem Mal sehr dunkel aus.

Halt jetzt den Mund, Amber, halt endlich den Mund! Aber ihr Mund machte, was er wollte. „Sie sind wohl kein Tangotänzer?“

„Wollen Sie es darauf anlegen, Amber? Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun …“

Sag Nein, Amber, sofort! Setz dich hin und sei still! Doch ihr Mund blieb ungehorsam und lächelte ihn herausfordernd an. „Versuchen Sie es doch.“

In aller Ruhe nahm er ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch, ohne den Blick von ihr zu nehmen. Dann riss er sie schwungvoll an sich, sodass sein Mund fast ihr Ohr berührte. „Ich soll es versuchen, ja?“, flüsterte er mit einer tiefen Stimme, die so sexy klang, dass ihr ein prickelnder Schauder nach dem anderen über den Rücken lief.

Gott sei Dank hielt er sie fest, denn ihre Knie waren mit einem Mal weich wie Butter und hätten ihren Körper nie im Leben gehalten. Für einen Moment sah sie ihn im Geiste über sich gebeugt, wie er begierig mit dem Mund ihren Körper erkundete, sie zärtlich an den richtigen Stellen biss. Ihr Puls schoss nach oben.

Amber hatte schon mit professionellen Tänzern getanzt, aber das war nicht zu vergleichen mit dem, was sie jetzt erlebte. Mit ihnen hatte sich das Tanzen um Haltung, Stil und Choreografie gedreht. Das hier jedoch war elementarer, unendlich viel sinnlicher. Es ging tiefer, ließ sie jeden Schlag ihres Herzens als pulsierendes Echo in ihren Adern spüren. Jedes Mal, wenn er sie drehte und wieder an sich zog, steigerte sich ihre Erregung. Seine Nähe, sein starker Arm an ihrem Rücken, sein Bein, das sich geschmeidig zwischen ihre schob und sie dazu aufforderte, das Gleiche bei ihm zu tun – all das ließ eine heiße Welle der Lust durch ihren Körper branden.

Was mit jedem anderen nur elegante Bewegungen gewesen wären, war mit Guy ein prickelndes erotisches Spiel. Ein warmer Druck seines Oberschenkels, und sie konnte nicht anders, als sich seine nackte Haut auf ihrer vorzustellen, ihre Beine verschlungen mit seinen. Dann ein Lösen, um sie zu drehen. Es war, als zöge er sich aus ihrem Körper zurück, nur um gleich darauf mit verdoppelter Leidenschaft wieder mit ihm zu verschmelzen. Eng aneinandergepresst tanzten sie, Hüfte an Hüfte, Bauch an Bauch, Brust an Brust. Seine Haut verströmte einen zarten Zitrusduft und erweckte in ihr den unbändigen Wunsch, ihn zu schmecken.

Die Welt um sie herum verblasste, nur Guy und die Musik existierten noch für sie. All ihre Sinne waren auf ihn gerichtet, auf seine Berührungen, die neckend, verlockend und verheißend zugleich waren.

Dann spürte sie, wie seine heißen Lippen ganz zart die bloße Haut ihrer Schulter streiften. Die Liebkosung war leicht wie eine Feder, aber sie genügte, tief in ihr ein loderndes Feuer zu entfachen.

Seine Augen schimmerten dunkel, blaugrau wie ein stürmischer Abendhimmel. Empfand er auch diese pulsierende Leidenschaft in sich? Stellte er sich auch vor, wie es wäre, sich jetzt zu küssen, mit heißen, feuchten, begierigen Lippen? Sie verzehrte sich danach, seinen Mund auf ihrer Haut zu spüren, von ihm liebkost und geneckt zu werden.

Doch dann war die Musik plötzlich zu Ende. Es traf Amber wie ein Schock.

„Bravo, Mademoiselle Wynne“, flüsterte er ihr ins Ohr, während er sie in einer hinreißenden Schlusspose hielt.

Amber fuhr zusammen, als die umstehenden Gäste begannen zu applaudieren.

Oh nein, das durfte nicht wahr sein! Waren sie etwa das einzige Paar auf der Tanzfläche?

Ein verstohlener Blick in die Runde bestätigte ihren Verdacht.

Das war gar nicht gut. Jetzt glaubte er bestimmt, dass sie immer und überall im Mittelpunkt stehen musste. Sie öffnete den Mund, um ihm zu sagen, wie unangenehm ihr die Situation war, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Ihr wollten einfach nicht die richtigen Worte einfallen.

Der Abend wäre ein gefundenes Fressen für Celebrity Life gewesen. Sie hatte sich exakt wie das selbstverliebte eitle Partygirl benommen, als das man sie immer hinzustellen versuchte.

„Tut mir leid“, flüsterte sie.

Er machte einen Schritt auf sie zu und beugte sich zu ihr hinunter. Heiß spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr. „Mir nicht“, sagte er leise. „Das war … überwältigend.“

Seine Nähe raubte ihr fast den Verstand. Verflixt, was machte dieser Mann bloß mit ihr? Wieso hatte er diese Wirkung auf sie?

„Ich, äh, muss etwas trinken“, brachte sie verwirrt hervor. „Ich verdurste.“

Skeptisch zog er eine Augenbraue nach oben. Na prima, jetzt hielt er sie auch noch für feige. Dann antwortete er: „Natürlich.“

Sie gingen zur Bar, wo er zwei Gläser Wasser bestellte. „Wie kommt es, dass Sie so gut tanzen können?“, fragte er.

„Ich hatte als Teenager Unterricht.“

„Das ist alles?“, hakte er ungläubig nach.

Sie seufzte. „Na gut. Ich hatte auch ein paar Freunde, die gute Tänzer waren. Und für meine Bälle hat sich immer mal wieder der eine oder andere Profitänzer bereit erklärt, eine Gratisshow zu geben. Einer von ihnen hat mir Tango beigebracht.“

„Und mit dem haben Sie dann so getanzt wie gerade eben?“

Sie lachte nervös. „Eher nicht.“ Wie gerade eben hatte sie noch mit niemandem getanzt!

„Wieso nicht?“

Weil der Profi von damals sie nicht ansatzweise so erregt hatte wie Guy Lefèvre. Von Leidenschaft war nicht viel zu spüren gewesen – weder bei ihr noch bei ihm. „Sagen wir mal, mir fehlte das männliche Y-Chromosom – wenn Sie verstehen, was ich meine“, antwortete sie trocken.

Guy schien zu verstehen. Er grinste. „Gute Umschreibung.“

„Na ja …“ Sie machte ein geringschätzige Geste. „Tut mir leid, ich rede viel zu viel. Danke für das Wasser.“

„Keine Ursache.“ Anstatt sie nun stehen zu lassen und sich mit den anderen Gästen zu unterhalten, wie sie erwartet hatte, zog er zwei Hocker heran, setzte sich auf den einen und bot ihr den anderen an.

Eigentlich hätte sie froh sein sollen, sich etwas ausruhen zu können, denn seit das Jazztrio begonnen hatte zu spielen, hatte sie ohne Unterbrechung getanzt. Stattdessen rutschte sie unruhig auf ihrem Hocker hin und her.

„Was ist los mit Ihnen, Amber?“, fragte er sanft.

„Nichts.“

„Ich glaube, Sie lügen.“ Er seufzte, stellte sein Glas ab, nahm ihre Hand und zog sie sanft hinter sich her. „Kommen Sie.“

„Was … Noch mal tanzen?“

„Es ist mir zu laut hier drinnen.“ Ohne mehr zu sagen, verließ er mit ihr das Zelt und führte sie in den Rosengarten. Dort herrschte angenehme, friedliche Stille.

O-oh, das hier ist gar keine gute Idee, schoss es ihr durch den Kopf.

„Zunächst einmal finde ich, wir sollten ab jetzt Du zueinander sagen“, schlug er vor. Sie war einverstanden. Dann fügte er im Flüsterton hinzu: „Ich möchte mit dir tanzen.“

Gedämpft drang die Musik durch die mit Rosenduft erfüllte Luft zu ihnen herüber. Die Band spielte eine romantisch verträumte Ballade. Welche Frau hätte sich in dieser Situation nicht in die Arme dieses Mannes geschmiegt?

Guy legte seine Hand auf die nackte Haut zwischen ihren Schulterblättern. Sofort breitete sich ein warmes Kribbeln von der Stelle aus. Deutlich spürte sie, wie sie mehr wollte. Viel mehr! Sie schmiegte sich dicht an ihn, bis sich ihre Wangen berührten, und ließ sich von seinen starken Armen fest umschließen. Später war Amber nicht mehr sicher, wer sich zuerst bewegt hatte, aber plötzlich fühlte sie seine weichen Lippen auf ihrem Mundwinkel. Die Berührung war leicht wie ein Windhauch, doch sie reichte aus, um sie in heiße Erregung zu versetzen.

Zärtlich erwiderte sie den Kuss.

Davon ermutigt, begann er, ihre Unterlippe mit winzigen zarten Küssen zu bedecken, bis sie ihm mit einem leisen Seufzer der Lust Einlass gewährte. Leidenschaftlich eroberte er ihren Mund. Die Intensität des Gefühls überwältigte sie völlig – noch nie waren ihre Knie bei einem Kuss so weich geworden, dass sie sich regelrecht festklammern musste, um nicht zu fallen. Jede kleinste Bewegung seiner Zunge, jede seiner Berührungen entfachte ihre Lust weiter. Und immer noch wollte sie mehr. Sie zog ihn fester an sich und verlagerte ihr Gewicht so, dass sein Bein zwischen ihre Schenkel rutschte. Ganz so wie vorhin auf der Tanzfläche, nur dass es diesmal kein Publikum gab. Hier gab es nur sie und ihn.

Dann löste er ruckartig den Kuss und sagte: „Was wir hier machen, ist absolut keine gute Idee.“

„Ja, da hast du recht“, hauchte sie atemlos.

„Dann sag mir, dass ich aufhören soll.“ Er schob seinen Daumen unter den dünnen Träger ihres Kleids und ließ ihn herabfallen. Dann küsste er zart ihre Schulter.

„Ich kann es nicht …“ Sie löste seinen Schlips, öffnete die oberen Knöpfe an seinem Hemd und presste ihre Lippen sinnlich an seinen Hals.

„Amber …“ Seine Stimme klang heiser. „Das ist die letzte Warnung. Wenn ich aufhören soll, sag es mir. Jetzt!“

Mit zitternden Händen knöpfte sie seine Weste auf, dann die übrigen Knöpfe an seinem Hemd. „Mach weiter“, flüsterte sie.

Ohne Zögern gehorchte Guy ihrem Befehl, hob sie schwungvoll in seine Arme und trug sie hinüber ins Haus.

3. KAPITEL

Nachdem Guy mit Amber auf dem Arm die Treppe hinaufgestiegen war, setzte er sie ab, drückte sie sanft an die Wand und küsste sie erneut. Heiß und stürmisch. Dann streichelte er mit den Fingerrücken über ihre Wange. In seinem Blick loderte ein hungriges Feuer. „Alors, mon ange“, sagte er mit heiserer Stimme, die unglaublich sexy klang. „Das ist wirklich deine allerletzte Chance. Ab hier gibt es kein Zurück mehr. Wenn du jetzt nicht Nein sagst, landen wir in meinem Bett.“

„Das klingt weniger nach einer Warnung als nach reizvollen Aussichten …“, gab sie verführerisch zurück.

„Aussichten auf was?“

„Hemmungsloses Vergnügen. Für uns beide. Für eine Nacht.“ Sie holte tief Luft. „Ich bin eine einzige Katastrophe, was Beziehungen angeht. Aber so, wie du vorhin mit mir getanzt hast … Da kann ich einfach nicht widerstehen.“

„Ich habe auch kein besonderes Talent für Beziehungen. Und ehrlich gesagt will ich zurzeit auch gar keine.“

„Gut, dann wären die Positionen ja geklärt.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen zarten, fast fragenden Kuss auf den Mund. „Wollen wir?“

Ein leises lustvolles Stöhnen entrang sich ihm. Seine Antwort war ein Kuss mit heißen fordernden Lippen.

Dann ergriff er ihre Hand und führte sie in sein Zimmer am Ende des Korridors. Es war ähnlich eingerichtet wie ihres, mit einem großen, altmodischen Baldachinbett, das mit strahlend weißer Bettwäsche bezogen war. Die Wände waren in dezentem Blaugrün gehalten, ebenso wie die schweren Damastvorhänge, hinter denen leichte, cremefarbene Stores aus Voile zu sehen waren. Auf dem polierten Dielenboden lagen verstreut einige Läufer, ein großes Landschaftsgemälde schmückte die Wand.

Ganz sicher hingen in den anderen Zimmern auch Porträts von Guys Vorfahren – Männer in Kleidern des 18. Jahrhunderts, die ebenso strahlend blaue Augen hatten wie er und ebenso schönes dunkelblondes Haar.

„Bist du immer noch sicher, dass du es willst?“, fragte Guy mit leiser Stimme.

Sie legte ihm den Zeigefinger auf die Brust und ließ ihn langsam nach unten gleiten. Guy stand den männlichen Models aus den Anzeigen für seine Parfums in nichts nach. Sein Körper war athletisch, aber nicht übertrieben muskelbepackt, seine glatte Haut leicht gebräunt. „Ja, ganz sicher. Ich konnte vorhin auf der Tanzfläche schon an nichts anderes denken“, gestand sie.

„Dann haben wir wohl an dasselbe gedacht …“

Er zog sie in seine Arme und gab ihr einen langen, tiefen Kuss. Dann löste er die Nadeln aus ihrer Frisur, eine nach der anderen, legte sie auf die Kommode und fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar, bis es sanft über ihre Schultern strömte. „So gefällt es mir besser.“ Verspielt wickelte er sich eine Strähne um den Finger und ließ sie dann fallen. „Bezaubernd. Ravissant.“

Sein Französisch klang weich und sehr erotisch in ihren Ohren. Erregt fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe und sehnte sich nach weiteren Küssen von ihm. Doch stattdessen begann er, sie auszuziehen. Behutsam und langsam. So langsam, dass der süße Schmerz des Verlangens sie fast um den Verstand brachte. Am liebsten hätte sie ihm und sich selbst die Kleider vom Leib gerissen und sich mit ihm aufs Bett gestürzt.

Aber Guy war gründlich, beinahe methodisch. Er achtete auf die kleinen Details, erkundete das kleine Muttermal auf ihrer Schulter, die winzigen Hautfalten ihres Ellbogens, die Grübchen um ihren Mund. Mit Händen und Lippen studierte er ihren Körper, schien ihn auswendig lernen zu wollen. Wie in Zeitlupe öffnete er den Reißverschluss an ihrem Kleid und ließ es zu Boden fallen, während er sie zärtlich streichelte.

„Hm, ich liebe durchsichtige Spitze“, murmelte er heiser und fuhr mit dem Zeigefinger am Rand ihres BHs entlang. „Aber noch lieber will ich dich nackt sehen. Ich will …“

Er brauchte nicht weiterzusprechen. Sie wusste auch so, was er wollte. Und sie wollte es ebenso.

Vorsichtig streifte er ihr die Träger des BHs ab und liebkoste die warme nackte Haut ihrer Schulter. Verzückt schloss sie die Augen und warf den Kopf nach hinten, um ihm ihren Hals anzubieten. Er nahm das Angebot mit heißen Lippen an. Dann wandte er sich der anderen Schulter zu. Seine Hände ruhten weich auf ihren Hüften, während die Hitze seines Munds sie halb wahnsinnig machte. Als er ihr schließlich bis auf den Slip aus feiner Spitze alles ausgezogen hatte, zitterte sie förmlich vor Lust und hielt es kaum noch aus.

Wie er so vor ihr stand, mit offener Weste und aufgeknöpftem Hemd, sah er einfach unwiderstehlich aus. Aber sie wollte noch mehr sehen. Jetzt war sie dran mit Ausziehen.

„Du hast noch viel zu viel an“, sagte sie mit leicht bebender Stimme.

Zuerst verschwand die Weste, dann streifte sie ihm das Hemd über die Schultern, wobei sie mit den Fingern den Linien seiner kräftigen Schultermuskeln folgte. Seine Haut fühlte sich warm und seidig an. Fasziniert fuhr sie mit der Hand durch die weichen Härchen auf seiner Brust, die seine Männlichkeit zusätzlich unterstrichen.

„Du hast wunderschöne Hände“, bemerkte er. Mit zärtlichem Druck umgriff er ihre schlanken Finger und führte sie hinunter zu seiner Hose.

Geschickt öffnete sie den Knopf und strich über seinen flachen, trainierten Bauch. „Nicht schlecht …“

Merci, Mademoiselle Wynne“, sagte er grinsend.

Heiße Röte schoss ihr ins Gesicht. „Pardon, ich wollte das nicht laut sagen.“

„Aber es freut mich, dass du es getan hast.“ Er streichelte mit dem Finger um ihren Bauchnabel. „Du bist auch ‚nicht schlecht‘. Und ich muss gestehen, dass ich mich kaum noch beherrschen kann, diesen Traumkörper näher zu erkunden.“

Nichts lieber als das! Wenn sie daran dachte, wie sehr er sie schon auf der Tanzfläche, also in aller Öffentlichkeit, erregt hatte, war sie mehr als sicher, dass es hier hinter verschlossenen Türen einfach atemberaubend sein würde.

Sie öffnete seinen Reißverschluss und schob die Hose so weit nach unten, bis sie von allein auf den Boden fiel. Rasch bückte er sich, um sich Schuhe und Strümpfe abzustreifen. Dann stand er nur noch in Boxershorts vor ihr.

Ihr Mund war wie ausgedörrt.

Doch plötzlich zögerte sie. Ging das nicht alles ein bisschen zu schnell?

Er schien ihren Zweifel zu bemerken und flüsterte: „Du kannst es dir immer noch anders überlegen, mon ange.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Guy, ich will es genauso wie du. Es ist nur …“ Sie stockte und wusste nicht, wie sie es erklären sollte.

„Ich weiß, chérie. Für mich ist es genauso. Es kommt sehr unerwartet.“ Er ermutigte sie mit einem zärtlichen Kuss auf den Mund. „Das hier ist eine Sache nur zwischen dir und mir. Niemand sonst muss davon erfahren. Und keiner muss sich schlecht fühlen. Es geht nur um Lust und Vergnügen.“

Dann schob er die Bettdecke beiseite, hob Amber auf seine Arme und bettete sie mit dem Kopf auf die dicken Kissen. Geschickt schob er die Daumen seitlich unter ihren Slip und zog ihn behutsam nach unten. Nun lag sie splitternackt vor ihm.

„Du bist wahnsinnig hübsch“, sagte er fast träumerisch. „Ich könnte dich stundenlang so betrachten.“ Dann grinste er verführerisch und fügte hinzu: „Erst betrachten, dann anknabbern, und dann … Dann wirst du nicht mehr wissen, wie dir geschieht …“

„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“, fragte sie.

„Ein Versprechen. Absolument. Und ich halte meine Versprechen immer.“

Mit sanftem Druck seiner Daumenballen massierte er die Knospen ihrer Brüste, und Amber spürte, wie sie sich mit süßem Ziehen aufrichteten. Dann beugte er sich herab und verwöhnte sie mit dem Mund. Seine Lippen brannten förmlich auf ihrer Haut. Mit einem leisen Seufzer wölbte sie den Rücken, presste sich ihm entgegen und vergrub ihre Finger in seinem Haar.

Sein Mund wanderte Kuss für Kuss an ihrem Körper nach unten, über ihren Bauch, noch weiter, noch tiefer … Amber hielt den Atem an. Würde er etwa …?

Ohne den Blick von ihr zu wenden, kniete er sich zwischen ihre Füße und beugte sich langsam zur Seite hinab. Ein vielversprechendes Lächeln lag auf seinem Mund, das ihren Puls in die Höhe schnellen ließ. Er küsste liebevoll ihren Knöchel und schob sich langsam mit Küssen an ihrem Bein nach oben. Dann wiederholte er das Gleiche am anderen Bein, ohne Eile, aber dafür mit umso mehr Gefühl. Als seine Lippen die Innenseite ihres Oberschenkels erreichten, wand sie sich förmlich vor Lust. „Guy, bitte …“ Die Worte verloren sich in einem lustvollen Stöhnen. Seit Monaten hatte sie mit keinem Mann mehr geschlafen, aber auch davor hatte es genau genommen keinen Mann gegeben, der je solche Lust in ihr entfesselt hätte.

Sie zog Guys Kopf fester zwischen ihre Schenkel. Was er ihr gab, erfüllte ihre sehnlichsten Wünsche. Das Spiel seiner Zunge ging mal schneller, mal langsamer, fester, weicher, während die heiße Erregung in ihr immer größer wurde, bis sie das süße Ziehen kaum noch aushielt. Wie eine Explosion erfüllte der Höhepunkt ihren Körper. Sie musste sich in die Hand beißen, um nicht laut aufzuschreien.

Es war kaum zu glauben, dass Sex so gut war mit diesem Mann! Es war doch das erste Mal mit ihm, sie kannte ihn kaum! Ihrer Erfahrung nach hätte es verklemmt, beschämend und enttäuschend sein müssen.

Aber offensichtlich war Guy Lefèvre als Liebhaber ein Ausnahmetalent.

Er legte sich neben sie, drehte sie zu sich und schloss sie in den Arm. „Hat es dir gefallen, mon ange?“

Sprachlos nickte sie.

„Schön. Aber das war erst der Anfang …“ Der intensive Blick seiner Augen ließ keinen Zweifel daran. „Damit du dich entspannst.“

Sie hatte nichts dagegen – ganz im Gegenteil. Vorsichtig, beinahe scheu befreite sie ihn von seinen Boxershorts.

Zu ihrer stillen Genugtuung errötete auch Guy leicht, als er so nackt ihrem neugierigen Blick ausgesetzt war. „Guy, liebe mich“, flüsterte sie ihm ins Ohr und küsste ihn auf die Schulter. „Jetzt.“

Als Antwort nahm er ihren Mund mit einem langen, tiefen, fordernden Kuss in Besitz. Dann drehte er sich auf den Rücken und zog sie mit, sodass sie auf ihm zu sitzen kam. Mit halb geschlossenen Augen beugte sie sich etwas nach vorn und nahm ihn in sich auf.

Das Gefühl war fantastisch!

Langsam begann sie, sich auf ihm zu bewegen, sich zu heben und zu senken. Mit jeder Bewegung wuchs ihre Lust – und seine, wie sie ihm deutlich ansah.

Ihre Muskeln schlossen sich noch fester um ihn, und sie flüsterte mit heißem Atem: „Magst du das?“

„Was glaubst du?“

„Ich glaube“, antwortete sie atemlos, „jetzt wirst du gleich nicht mehr wissen, wie dir geschieht.“

„Dann tu, was du nicht lassen kannst!“

Sie beugte sich zu ihm hinab und nahm zärtlich seine Unterlippe zwischen ihre Zähne. Dann küsste sie ihn tief und leidenschaftlich, während sie gleichzeitig die Bewegungen ihres Körpers verstärkte. Mal trieb sie den Rhythmus voran, mal verlangsamte sie ihn. Beinah schockiert spürte sie, wie sie einem zweiten Höhepunkt immer näher kam. Das war ihr noch nie passiert, jedenfalls nie so schnell hintereinander! Alles in ihr schien sich zusammenzuziehen, immer dichter, bis es nicht mehr weiter ging. Auch Guys Körper spannte sich unter ihr immer mehr an. Mit einem Stöhnen bäumte er sich plötzlich auf, riss sie an sich und eroberte wild ihren Mund. Schwer atmend erreichten sie gleichzeitig den Gipfel ihrer Leidenschaft, fest aneinander geklammert, als hinge ihr Leben davon ab.

Anschließend lag sie in seine Arme gebettet, während er ihr Haar streichelte und mit ihren Locken spielte. „Du hast wunderschönes Haar“, sagte er. „Das ist das Erste, was mir an dir auffiel. So weich wie Seide. Und ich liebe diese Locken. Die sind natürlich, oder?“

Sie nickte. „Ja. Als Teenager habe ich sie gehasst. Widerspenstige Dinger – nie haben sie das gemacht, was ich wollte. Ich habe sogar einmal versucht, sie zu bügeln.“

„Wie bitte?“

„Das war, bevor es vernünftige Glätteisen gab. Ich habe meine Haare ziemlich lange glatt getragen.“

„Na, dann bin ich froh, dass du es jetzt nicht mehr tust. Deine Locken sind viel zu schön, um sie platt zu drücken.“ Er gab ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. „Ich muss mal kurz verschwinden …“

Ihr Stichwort. „Ich gehe dann auch.“

„Warum?“, fragte er verwundert.

„Noch sind alle draußen im Zelt, und ich will nicht, dass später jemand sieht, wie ich aus deinem Zimmer komme. Mit chaotischer Frisur, zerdrücktem Kleid und verträumtem Blick. Dann ist sofort klar, was hier lief.“

„Ist das ein Problem?“

„Ja, das ist ein Problem.“ Sie ging vielleicht häufig auf Partys, aber sie war kein Flittchen! „Es denken sowieso schon alle, dass ich nur ein vergnügungssüchtiges Partygirl bin. Dabei ist es eigentlich überhaupt nicht meine Art, mit einem Mann ins Bett zu gehen, mit dem ich nicht zusammen bin.“

„Das Problem lässt sich lösen“, entgegnete er.

Für eine Sekunde schien ihr Herzschlag auszusetzen. Wollte er etwa eine Beziehung mit ihr vorschlagen?

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
Mehr erfahren
Catherine George
Die öffentliche Bibliothek in ihrem Heimatort nahe der walisischen Grenze war der Ort, an dem Catherine George als Kind in ihrer Freizeit meistens zu finden war. Unterstützt wurde sie dabei von ihrer Mutter, die Catherines Lesehunger förderte. Zu einem Teil ist es sicher ihrer Motivation zu verdanken, dass Catherine George...
Mehr erfahren
Marian Mitchell
Ihre erste Geschichte veröffentlichte Marian Mitchell, als sie elf Jahre alt war – und bekam dafür von der Zeitung, die sie abdruckte, ein kleines Honorar, das sie stolz sparte. Von da an war klar: Das Schreiben sollte eines Tages zu ihrem Beruf werden. Nach einigen Umwegen kam es dann auch...
Mehr erfahren