Julia Royal Band 10

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SÜSSES ERWACHEN IM SCHLOSS DER TRÄUME - MARION LENNOX
Alasdair McBride ist wütend! Um sein Erbe zu retten, soll er das ehemalige Hausmädchen Jeanie zur Frau nehmen. Ein Desaster! Schließlich erinnert gerade sie ihn an seinen größten Fehler. Warum fühlt es sich dann nur so verführerisch richtig an, mit ihr in seinem Schloss zu leben?

CASTELLO DI FELICI - SCHLOSS DES GLÜCKS - CAITLIN CREWS
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  • Erscheinungstag 25.01.2022
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507554
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Marion Lennox, Caitlin Crews, Catherine George

JULIA ROYAL BAND 10

1. KAPITEL

Heirat …

Tödliches Schweigen herrschte in der ehrwürdigen Bibliothek von Duncairn Castle. An einer Wand, in speziell dafür eingelassenen Nischen, standen die Whiskyflaschen, die Jeanie nach und nach auf eigene Kosten angeschafft hatte. Nur daran konnte sie im Augenblick denken. Was für eine Verschwendung! Wie viele Flaschen würden in einen Koffer passen – oder anders ausgedrückt – wie viele Kuchenrezepte konnte man damit verfeinern? Denn zurücklassen würde sie diesen Schatz auf keinen Fall.

Nicht für ihren möglicherweise zukünftigen Bräutigam Alasdair.

Was für ein Witz!

Sie hatte inständig gehofft, ihren Job behalten zu können. Der Lord of Duncairn schätzte sie nicht, aber dass die Pension „Duncairn Castle“ inzwischen den Ruf großer Gastfreundlichkeit genoss, war ihr Verdienst und das Ergebnis harter Arbeit.

Doch was zählte das noch? Ihre Mühe war umsonst gewesen. Gemäß des verrückten Testaments war sie Knall und Fall entlassen.

„Das kann nur ein Scherz sein.“ Das Entsetzen war Alasdair McBride, dem sechzehnten Earl of Duncairn, deutlich anzuhören, was kein Wunder war. Für Jeanie stand nur ihr Job auf dem Spiel, für Alasdair dagegen sein Erbe und der Familienkonzern.

„Ein Testament ist niemals ein Scherz.“ Edward McCraig von der angesehenen Kanzlei McCraig, McCraig & McFerry war extra aus dem entfernten Edinburgh gekommen, um an der Beisetzung von Alasdairs Großmutter und Jeanies Arbeitgeberin Eileen McBride teilzunehmen. Er hatte in der alten Kirche hinter Jeanie gesessen und mit merklicher Ungeduld den Reden am Grab zugehört. Er wollte die letzte Fähre zum Festland nicht verpassen und hatte jetzt in einem Prunksessel der Bibliothek Platz genommen, um den Letzten Willen der verstorbenen alten Lady ihrem einzigen Enkel und der Wirtschafterin bekannt zu geben.

Er raschelte mit den Papieren und rückte seine Brille zurecht, ohne die beiden anzusehen. Ihm war bei diesem Testament offenbar selbst nicht ganz wohl.

Jeanie sah zu Alasdair hinüber – und gleich wieder weg. Sie hatte mit diesem Chaos nichts zu tun und zählte weiter ihre Whiskyflaschen. Vielleicht würden drei Koffer ausreichen. Sie besaß zwar nur einen, aber in den Kellerräumen des Schlosses gab es leere Kisten. Wenn sie sich von der Dunkelheit und den Spinnen nicht abschrecken ließ …

War es möglich, Whisky online zu verkaufen?

Sie schaute wieder zu Alasdair und merkte, dass er ihrem Blick gefolgt war – von einer Flasche zur anderen. Mit einem unterdrückten Fluch, der ebenso seine Wut wie sein Entsetzen ausdrücken konnte, nahm er drei Gläser von der Anrichte hinter ihm und goss Whisky ein.

Fast bis zum Rand, als wäre es Sodawasser.

Der Anwalt schüttelte den Kopf, als Alasdair ihm eins reichen wollte, aber Jeanie nahm dankbar an. Das Testament war ein Schock für sie, und es handelte sich um erstklassigen Whisky, den sie sowieso nur teilweise mitnehmen konnte.

Sie trank einen Schluck, spürte die angenehme Wirkung und drückte sich tiefer in das weich gepolsterte Sofa. Eine Wolke feiner Hundehaare wirbelte empor und erinnerte sie daran, dass es nun auch um Eileens Lieblinge ging.

Oder auch nicht. Laut Testament war sie für nichts mehr verantwortlich. Sie würde die Insel verlassen und konnte die Tiere, die ihr längst ans Herz gewachsen waren, nicht mitnehmen. Auch das so aufwendig renovierte und üppig ausgestattete Schloss nicht, das sie ebenfalls liebte.

„Also …“ Alasdair hatte sein Glas fast geleert, aber der Whisky blieb bei ihm offenbar ohne Wirkung. „Wie wollen wir das Problem lösen?“

Jeanie hatte ihn schon den ganzen Nachmittag heimlich beobachtet, was ihr niemand verdenken konnte. Der Lord of Duncairn mochte arrogant und hochfahrend sein, er mochte sie verachten, aber es lohnte sich, ihn anzusehen.

Alasdair McBride war siebenunddreißig Jahre alt und ein Mann, mit dem man rechnen musste, wie es im Dorf hieß. Sein Titel, den er nicht benutzte, passte vollendet zu ihm – besonders an diesem Tag, wo er zu Ehren seiner Großmutter die Tracht der Highlander trug und fantastisch darin aussah.

Jeanie hatte von jeher eine Schwäche für Männer im Kilt, und das Duncairn-Muster war besonders ausdrucksvoll. Um ehrlich zu sein, nicht nur das, sondern auch der Mann, der es trug. Ein Meter fünfundachtzig groß, mit pechschwarzem Haar, dunklen Augen, feinen Gesichtszügen und einer athletischen Figur zog er alle Blicke auf sich. Dass er auch noch Chef der mächtigen Duncairn Corporation war, trug zu seiner Wirkung bei, ohne dass es dessen bedurft hätte. Er wirkte durch sich selbst. Ein Herrscher in seiner Welt.

Nur in diesem Moment nicht. Durch das Testament seiner Großmutter schien er den Boden unter den Füßen verloren zu haben – wie Jeanie übrigens auch. Sie hatte sich eingebildet, als Wirtschafterin auf Duncairn Castle endlich Ruhe gefunden zu haben.

„Sie können den Letzten Willen Ihrer Großmutter nicht ignorieren“, stellte Edward McCraig fest. „Er ist gesetzlich verpflichtend.“

„Könnte es sein …“ Jeanie räusperte sich. Sie ergriff zum ersten Mal wieder das Wort. „Könnte es sein, dass Eileen … dass sie …“

„Lady Eileen war im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.“ Der Anwalt warf Jeanie einen misstrauischen Blick zu, als fürchtete er, sie würde jeden Moment einen hysterischen Anfall bekommen. „Sie war sich absolut darüber im Klaren, dass ihre Verfügungen etwas … sagen wir, ungewöhnlich waren. Deshalb hat sie sich besonders abgesichert und ein medizinisches Gutachten eingeholt. Es trägt dasselbe Datum wie das Testament.“

Alasdair leerte sein Glas, füllte es neu und drehte sich zu dem großen Erkerfenster um, durch das man weit über das Meer blicken konnte. Die Aussicht war atemberaubend schön. Auf den Wiesen grasten Hochlandrinder friedlich in der Spätsommersonne. Weiter weg, dicht am Strand gebaut, ragte die Ruine einer mittelalterlichen Burg auf. Zwei Adler ließen sich von den warmen Aufwinden tragen. Mit einem Fernglas hätte man vielleicht sogar Wild entdecken können.

Jeanies Blick ruhte auf Alasdairs breitem Rücken. Im Grunde tat er ihr leid. Eileen hatte immer gut für sie gesorgt. Es wäre nicht nötig gewesen, sie in dem Testament zu bedenken, durch das Alasdair ein großer Verlust drohte. Jeanie hegte, weiß Gott, keine Sympathien für ihn, aber das hatte er nicht verdient.

Was hast du dir bloß dabei gedacht, Eileen? Was hast du von mir … was hast du von ihm erwartet?

„Das war’s dann wohl“, sagte sie laut und wandte sich dem Anwalt zu. „Wie viel Zeit geben Sie mir, um das Feld zu räumen?“

„Es hat keine Eile“, versicherte er. „So schnell lässt sich das Schloss nicht verkaufen.“

„Soll ich mich dann weiter um die Gäste kümmern? Wir haben Anmeldungen bis zum Ende des nächsten Monats.“

„Ausgezeichnet. Vielleicht ließe es sich sogar einrichten, dass Sie noch länger bleiben. Ein Schloss mit laufendem Pensionsbetrieb ist ein attraktives Objekt auf dem Immobilienmarkt.“

„Nein!“ Alasdair knallte sein Glas so hart auf den Tisch, dass es zerbrach, was er nicht zu bemerken schien. „Das kommt nicht infrage.“ Er senkte seine Stimme, die nur noch kalt und scharf klang. „Soll die ehrenwerte Geschichte meiner Familie etwa bei … Hundeheimen enden?“

„Tierschutz ist eine gute Sache“, wandte der Anwalt ein, aber Alasdair hörte gar nicht zu.

„Es geht nicht nur um das Schloss“, fuhr er erregt fort. „Der Name Duncairn steht für einen der weltweit größten Konzerne. Haben Sie eine Ahnung, wie viel wir jährlich für wohltätige Zwecke ausgeben? Dieses Testament stammt von einer Wahnsinnigen. Ich bin bereit, alle Gewinne der nächsten zehn Jahre dem Wohl von Hunden zu opfern, aber alles zu verlieren …“

„… und damit am Ende Ihrer Karriere zu sein …“

„Unsinn. Beruflich wäre ich damit nicht am Ende. Können Sie sich vorstellen, wie sich die Konkurrenz um mich reißen würde? Meine Erfahrungen und Fähigkeiten würden mich überall empfehlen. Hier geht es um die Zerstörung des Familienerbes aufgrund einer albernen Laune.“

„Verzeihung“, mischte sich Edward McCraig wieder ein. „Ich glaube nicht, dass es sich um eine Laune handelt. Lady Eileen wusste, wie schlecht Ihr Cousin seine Ehefrau behandelt hat, und wollte das wiedergutmachen.“

„Also doch! Immer wieder geht es um meinen nichtsnutzigen Verwandten.“ Alasdair drehte sich zu Jeanie um und warf ihr einen Blick voller Hass und Verachtung zu. „Den du geheiratet hast!“

„Es besteht kein Grund, Alan in die Sache hineinzuziehen“, protestierte sie.

„Wirklich nicht? Eileen hat ihr Leben lang versucht, seine Fehler zu vertuschen. Sie war blind gegenüber seinen Lügen und Betrügereien, und diese Blindheit ist offenbar auf dich übergegangen. Was schwebte ihr eigentlich vor? Dass ich Alans Witwe heirate? Dich? Lieber würde ich über glühende Kohlen laufen. Du bist unsere Wirtschafterin … und sonst nichts. Heirate, wen du willst, aber lass mich aus dem Spiel.“

Wenn er ihr vorhin noch leidgetan hatte, so war das jetzt vorbei. „Wen ich will?“, fragte sie. „Besten Dank, Sir. Dieser Heiratsantrag ist kaum zu überbieten.“

„Einen anderen wirst du von mir nicht bekommen.“

„Dann trifft es sich ja gut, dass ich gar keinen erhalten möchte.“

Alasdair unterdrückte einen Fluch und wandte sich wieder zum Fenster. Jeanies aufflackernder Zorn war schnell verraucht. Zurück blieb nur Verwirrung. Eine Heirat? Mit Alasdair? Was hatte Eileen diesen verrückten Gedanken eingegeben? Wollte sie nach Alan auch Alasdair dazu zwingen, sie, Jeanie, zu heiraten? Mit dem einzigen Unterschied, dass die Karten diesmal offen auf dem Tisch lagen? Der Text des Testaments war erschreckend eindeutig. Ein Befehl an Alasdair: Heirate Jeanie, und bewahre dir dadurch dein Erbe. Es kostet dich nicht mehr als ein Ehejahr. Andernfalls bekommst du nichts.

„Ich glaube, für Streit ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt“, bemerkte der Anwalt und schob seine Papiere zusammen. Es klang fast wie eine Warnung. „Denken Sie gründlich nach, ehe Sie eine Entscheidung fällen. Ich verstehe, dass Sie sich in einem erregten Gemütszustand befinden und daher Zeit zum Überlegen brauchen. Sie sind beide ledig. Wenn Sie, Mylord, die verwitwete Mrs. McBride heiraten, behalten Sie Grund und Boden und den Konzern.“ Er wandte sich an Jeanie. „Und wenn Sie, Mrs. McBride, seine Lordschaft heiraten, gehört Ihnen nach Ablauf eines Jahres das Schloss. Sie würden beide sonst sehr viel verlieren … und das nur, weil Sie nicht die besten Freunde sind.“

„Das Schloss gehört meiner Familie!“, begehrte Alasdair auf. „Es geht diese Frau nichts an.“

„Für Ihre Großmutter gehörte Jeanie zur Familie.“

„Das tut sie aber nicht … nur, weil sie Alan geheiratet hat. Sie taugt genauso wenig wie …“

„Bitte, Mylord“, unterbrach der Anwalt ihn hastig. „Ich flehe Sie an, nichts Unüberlegtes zu tun oder zu sagen. Dazu zählen auch Äußerungen, die die Situation nur verschlimmern können. Hören Sie auf mich, und denken Sie während der nächsten Tage in Ruhe nach.“

Während der nächsten Tage? dachte Jeanie. Das konnte nur ein Scherz sein. Hier war nur eine Entscheidung möglich. „Der Lord will mich nicht heiraten“, erklärte sie, „und warum auch? Ich will ja ebenso wenig seine Frau werden. Eileen war ein Schatz, aber auch eine berechnende Intrigantin. Sie zog gern die Fäden und übersah dabei manchmal, dass sie es damit übertrieb. Ich war schon mit einem ihrer Enkel verheiratet und lege auf eine Wiederholung mit dem zweiten keinen Wert. Das ist mein letztes Wort. Danke, Sir, dass Sie gekommen sind. Darf ich Ihnen ein Taxi rufen … sagen wir, in fünfzehn Minuten?“

„Gern … das wäre sehr freundlich von Ihnen. Sie haben die Pension hervorragend geführt, Mrs. McBride. Lady Eileen wusste das und war Ihnen sehr zugetan.“

„Das weiß ich, und ich liebte sie ebenfalls. Aber manchmal …“ Jeanie sah flüchtig zu Alasdair hinüber. „Nun, Arroganz war schon immer ein Merkmal dieser Familie. Sie hat jahrhundertelang über das Leben der Inselbewohner bestimmt, aber in diesem Fall ist Eileen einfach zu weit gegangen. Wie es aussieht, sind die Herrschaftstage der McBrides gezählt, aber dagegen kann ich leider nichts tun. Guten Abend, Gentlemen.“

Sie stand auf und verließ die Bibliothek.

Die Tür fiel ins Schloss. Alasdair blieb allein mit dem Anwalt zurück. Doch keiner sagte etwas, und das Schweigen schien eine Ewigkeit zu dauern. Gönnte Edward McCraig ihm eine Atempause? Dafür hätte er dankbar sein müssen, aber das war er nicht.

Unwillkürlich musste er an seinen Großvater denken, einen klugen alten Mann, der seiner Frau bedingungslos vertraut hatte. Mit harter Hand hatte er den Finanzkonzern geleitet und Eileen zu seiner Nachfolgerin bestimmt. Seine beiden Söhne – Alans und Alasdairs Väter – hatten ihn tief enttäuscht.

„Wenn du stirbst, wird sich vielleicht einer von ihnen besonnen haben“, hatte er zu seiner Frau gesagt. „Den kannst du ja dann als deinen Nachfolger einsetzen.“

Doch keiner seiner Söhne hatte sich für das Unternehmen interessiert. Sie wollten nur immer mehr Geld von Eileen und starben beide vor ihr. Der eine bei einem Skiunfall, der andere durch Herzversagen, vermutlich als Folge von zu viel gutem Essen in Gourmetrestaurants.

Eileen ihrerseits entstammte einer traditionsreichen, auf Sparsamkeit bedachten schottischen Familie und fand in Alasdair endlich den Nachfolger, den ihr verstorbener Ehemann vermisst hatte.

Im Lauf der Zeit war der Konzern gewachsen und hatte an Bedeutung gewonnen. Es war Alasdairs Wunsch gewesen, ihn zu verstaatlichen, um alle persönlichen Verluste für die Zukunft auszuschließen, aber das hatte Eileen abgelehnt. „Ich vertraue dir“, hatte sie gesagt und den Konzern weiter als Privatgesellschaft geführt.

Und jetzt das!

„Das Ganze entbehrt jeder rechtlichen Grundlage“, hielt er Edward McCraig entgegen.

„Inwiefern?“, fragte dieser erstaunt.

„Man kann niemanden zur Heirat zwingen.“

„Es liegt auch kein Zwang vor. So, wie Ihre Großmutter ihre Wünsche formuliert hat …“

„Mit Ihrer Hilfe, nicht wahr?“

„Mr. Duncan McGrath, der älteste und äußerst erfahrene Anwalt unserer Kanzlei, hat ihr dabei geholfen, um jedes Missverständnis auszuschließen.“ Edward McCraig sprach jetzt ganz als juristische Autorität. „Lady Eileen hatte ganz genaue Vorstellungen von dem, was sie wollte. Danach sollen das gesamte Konzernvermögen und alles, was sie sonst noch besaß, liquidiert werden. Der Erlös wird dann, möglichst gleichmäßig verteilt, verschiedenen Hundeheimen zugutekommen. Eine Klausel besagt, dass diese Verfügung nur außer Kraft gesetzt werden kann, wenn Sie und Mrs. McBride heiraten.“

„Diese Frau ist keine McBride!“

„Oh doch“, widersprach der Anwalt, „und das wissen Sie genau, Mylord. Ihre Großmutter liebte Jeanie, zählte sie zur Familie und wünschte, dass es so blieb. Nur, wenn Sie und Mrs. McBride innerhalb Monatsfrist nach Lady Eileens Ableben miteinander verheiratet sind, gehen Europas Hunde leer aus.“

„Das ist haarsträubender Blödsinn! Außerdem haben Sie selbst miterlebt, wie … Mrs. McBride zu der Sache steht.“ Alasdair fuhr sich nervös durchs Haar. Er schien der Situation kaum noch gewachsen zu sein. „Das ist Erpressung.“

„Keineswegs“, entgegnete Edward McCraig. „Für den Fall, dass Sie heiraten – was, zugegebenermaßen, nicht sehr wahrscheinlich ist –, sorgt Lady Eileen sogar noch für die Zukunft der Familie.“

„Und wenn wir das Testament anfechten?“

„Das habe ich bereits erwogen, denn der Inhalt des Testaments hat mich, ehrlich gesagt, selbst überrascht. Ich habe den Fall auch mehreren Kollegen vorgetragen, und wir sind zu der einstimmigen Überzeugung gelangt, dass das Testament rechtskräftig ist.“

Wieder herrschte Schweigen. Alasdair griff nach seinem Whiskyglas und merkte jetzt erst, was damit geschehen war. Der ganze Tisch war mit Glassplittern bedeckt. Er musste jemanden rufen, um sie zu beseitigen, aber wen?

Etwa Jeanie? Mrs. McBride?

Seit drei Jahren führte sie das Schloss als Bed and Breakfast. Sie war Köchin, Wirtschafterin und Empfangsdame in einer Person und hatte ihren Job erstaunlich gut gemeistert. Doch danach beurteilte Alasdair sie nicht. Für ihn war sie die Frau seines Cousins, mit dem sie bis zu dessen Tod ein wildes Leben geführt hatte. Eileen war zwar von beiden enttäuscht gewesen, hatte sich aber der Witwe gegenüber verpflichtet gefühlt und sie bei sich behalten.

„Und wenn wir heiraten?“, fragte Alasdair am Rand der Verzweiflung.

„Dann bleibt alles wie bisher.“ Edward McCraig beobachtete ihn misstrauisch, als fürchtete er, der Lord würde ihm jeden Augenblick ein Glas Whisky ins Gesicht kippen. „Wenn Sie und Mrs. McBride heiraten und ein ganzes Jahr verheiratet bleiben, erben Sie den gesamten Besitz … mit Ausnahme des Schlosses, das dann Mrs. McBride gehört.“

„Nur das Schloss?“

„Mit dem umliegenden Park, der dazugehört. So steht es im Testament.“

„Hat Jeanie eine Vorstellung davon, was es kostet, das Ganze zu erhalten?“, fragte Alasdair weiter. „Was sie durch den Pensionsbetrieb einnimmt, würde nicht annähernd ausreichen. Ohne die Ländereien und den Konzern …“

„Ich könnte mir vorstellen, dass Mrs. McBride das Schloss verkauft“, unterbrach ihn der Anwalt und legte die Papiere in seinen Aktenkoffer. „Möglicherweise an Sie, falls Sie die Familientradition fortführen wollen. Doch das spielt im Moment keine Rolle. Wenn die Heirat nicht zustande kommt, wird das Schloss mit veräußert. Mrs. McBride sollte ihre Zukunftsaussichten daher sorgfältig abwägen.“

Hier lag der einzige Lichtblick für Alasdair. Falls er nichts erbte, bekam Jeanie auch nichts. Er würde sie für immer los sein.

Brauchte er das Erbe? Nein. Er konnte sich aus dem ganzen Schlamassel heraushalten und sich woanders einen Job suchen. Es gab genug Konzerne, die ihn mit Handkuss übernehmen würden.

Aber Duncairn im Stich zu lassen … und die Corporation? Würde er den Verlust des familieneigenen Unternehmens so einfach verschmerzen? Es würde geschluckt werden – von einem größeren Hai. Viele Mitarbeiter würden ihre Existenzgrundlage verlieren und keine neue Anstellung finden. So rosig stand es nicht um die schottische Wirtschaft.

„Jeanie war schon einmal verheiratet“, sagte er langsam, als würde er nur laut denken. Er mochte die Frau nicht und traute ihr nicht, aber wenn er auf der Hut war … Sein spontaner Widerwille ließ langsam nach und machte vernünftigen Überlegungen Platz. „Sie führte mit meinem Cousin ein aufwendiges Leben, was beweist, dass sie an Geld interessiert ist. Womöglich würde ich sie heiraten, wenn die Lage dadurch geklärt wird. Natürlich nur auf dem Papier“, fügte er hastig hinzu.

Schon bei der Vorstellung wurde ihm übel, aber die Lords of Duncairn hatten häufiger Vernunftehen geschlossen, um das Familienvermögen mithilfe einer reichen Erbin zu vermehren. Sie hatten getan, was sie tun mussten, um den Besitz zu erhalten.

Edward McCraig gestattete sich ein feines Lächeln. Sein Klient schien Vernunft anzunehmen. „Ich habe das natürlich in Erwägung gezogen“, versicherte er. „Die Bedingungen des Testaments wären damit erfüllt … wenn Sie ein Jahr zusammenleben.“

„Wie bitte?“

„Lady Eileen war in diesem Punkt sehr genau.“

Alasdair musste mehrmals tief durchatmen. „Bitte erklären Sie mir das.“

„Sie und Mrs. McBride müssten für mindestens ein Jahr die Wohnung teilen, aber Lady Eileen verlangte nichts Unmögliches. Ihr war klar, dass Sie beweglich bleiben müssen … allerdings mit Einschränkungen. Vom Datum Ihrer Hochzeit an dürfen Sie und Mrs. McBride für die Dauer eines Jahres nur dreißig Nächte voneinander getrennt sein.“

Alasdair schwieg, unfähig zu reagieren. Er hatte seine Großmutter geliebt, aber in diesem Moment …

„Lady Eileen hat ebenfalls dafür gesorgt, dass diese Bedingung erfüllt wird“, fuhr der Anwalt fort und hüstelte verlegen. „Es stehen Mittel zur Verfügung, die es erlauben, die Erfüllung zu überprüfen.“

„Sie müssen verrückt sein!“, brauste Alasdair auf. „Wollen Sie etwa die Bettlaken untersuchen lassen?“

Edward McCraig schüttelte lächelnd den Kopf. „Die Lösung des Problems würde Ihnen und Ihrer … Gattin überlassen bleiben, sofern Sie die Wohnung teilen.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Aber Jeanie McBride hat ihre Reize …“

„Mit dieser Bemerkung dürften Sie Ihre Kompetenzen überschreiten.“

„Zugegeben, Mylord. Ich bitte um Entschuldigung.“

Alasdair wusste noch, wie sehr er sich gewundert hatte, als Alan die kleine, sommersprossige Jeanie Lochlan zur Frau nahm. Auch das schulterlange mittelbraune Haar, das sie meist als Pferdeschwanz trug, und die unauffällige Kleidung hatten sie nicht anziehender gemacht. Kurz und gut, er hatte Alans Wahl absolut nicht verstanden.

Nur in einer Hinsicht hatte der Anwalt recht. Wenn Jeanie, die mit sehr weiblichen Rundungen gesegnet war, lächelte, schien die Sonne aus grauen Regenwolken hervorzubrechen. Ihr Gesicht begann dann zu leuchten, und die Sommersprossen schienen zu verschwinden. In einer Wange bildete sich dann ein Grübchen. Wenn sie außerdem noch leise in sich hineinlachte …

Er hatte dieses Lachen lange nicht gehört.

Edward McCraig erhob sich. „Es tut mir leid, Mylord. Ich weiß, dass ich Sie in einer verzwickten Lage zurücklasse, aber meine Mission ist erfüllt. Mein Taxi ist eben vorgefahren … pflichtbewusst wie immer, unsere Mrs. McBride. Würden Sie ihr in meinem Namen Lebewohl sagen? Wenn es noch etwas gibt, das ich oder meine Kollegen für Sie tun können …“

„Zerreißen Sie das Testament!“

„Wir wissen beide, dass ich so etwas nicht tun darf. Das Testament ist unanfechtbar. Sie müssen eine Entscheidung treffen, und dafür werde ich hier nicht gebraucht. Viel Glück, Mylord … und auf Wiedersehen.“

2. KAPITEL

Alasdair ging nervös in der Bibliothek hin und her, bis es ihm dort zu eng wurde. Es trieb ihn ins Freie, durch das wuchtige Schlosstor und den Park bis zu den Wiesen und den dahinterliegenden Hügeln mit ihren Bächen.

Die zottigen Hochlandrinder waren immer noch da. Noch einige Grad mehr, und sie wären zum Strand hinuntergewandert, um sich bis zum Bauch im Meerwasser abzukühlen. Jetzt lagen sie nur träge da und fraßen, was sie erreichen konnten.

Alasdair liebte diese Tiere. Mehr noch, er liebte das ganze umliegende Land. Als sein Großvater das Familienerbe angetreten hatte, war nur ein kleiner Teil des Schlosses bewohnbar gewesen. Damals hatte man ihn hergebracht. Er war noch ein kleiner Junge gewesen, aber man hatte ihn frei umherlaufen und alles auskundschaften lassen, was seine gesellschaftlich angepassten Eltern niemals gestattet hätten. Er durfte vergessen, dass er aus einer reichen Familie kam. Er war auf Bäume geklettert, hatte geangelt, Höhlen entdeckt und war begeistert gewesen, als seine Großmutter die vollständige Renovierung des Schlosses durchgesetzt hatte.

Leider war dann irgendwann Jeanie auf der Bildfläche erschienen.

Wenn nicht sie, dann eine andere, dachte er missmutig, während er zum Strand hinunterging. Eileens Hunde, Abbot und Costello, begleiteten ihn – zwei schöne Spaniels, lebhaft und dumm. Sie witterten die Kaninchen, die überall ihre Baue hatten, und brachten sich halb um, ohne eins zu erwischen.

Jeanie. Alans Witwe …

Seine Großmutter hatte behauptet, sie zu lieben. Dabei hatte er geglaubt, ihre Liebe gälte ihm.

Er erreichte die Bucht und setzte sich auf einen großen, abgeflachten Stein, der zur Burgruine gehörte. Sein Blick schweifte über das Wasser, aber in seinem Innern tobte es.

Erste Option: kein Erbe. Nichts. Abschied für immer. Bei der Vorstellung drehte sich ihm das Herz um. Er sah zurück zu dem alten, ihm so vertrauten Schloss. Während der letzten Jahre war er nur selten hier gewesen, aber es hatte ihn nie losgelassen. Er liebte es – oder etwa nicht? Hatten McBrides nicht schon zur Zeit der Dinosaurier auf Duncairn Castle gewohnt? Und ausgerechnet er sollte mit dieser ehrwürdigen Tradition brechen?

Zweite Option: Heirat – mit einer Frau, die er nicht ausstehen konnte, die aber auch erben würde.

Alasdair blickte sich um. Da war nicht nur das Meer, da waren das Vieh, das Wild, die Hunde, die bellten und irgendwo Löcher buddelten. Da waren die Bäche mit den Fischottern, die Adler, die sich von den warmen Aufwinden tragen ließen …

Duncairn. Sein Land. Gab es wirklich keine Lösung?

Doch, entschied er, je länger er darüber nachdachte und ruhiger wurde. Er besaß in Edinburgh ein weitläufiges Apartment mit einer abgetrennten Wohnung für die Wirtschafterin. Er hatte das Apartment gekauft, als er und Celia die Heirat planten, und später keinen Grund gesehen, wieder auszuziehen. Sein Arbeitstag umfasste vierzehn bis fünfzehn Stunden – vor allem jetzt, nach Eileens Tod. Es gab da gewisse Unklarheiten. Er konnte sie noch nicht genauer benennen, musste ihnen aber unbedingt nachgehen.

„Es könnte klappen“, sagte er halblaut vor sich hin. „Wir könnten dort wohnen, ohne uns zu begegnen.“

Doch womit würde sich Jeanie tagsüber beschäftigen? Diese Frage stellte sich ihm unwillkürlich, und er musste sie beantworten.

„Sie kann shoppen, sich mit Freundinnen treffen … Das tun andere Ehefrauen schließlich auch.“

Ehefrau! Alasdair zuckte förmlich zusammen. Nach Celias Betrug hatte er sich geschworen … Und genau das hatte Eileen gewusst und sich deshalb diesen Unsinn ausgedacht.

Er sah wieder auf das Schloss, einen eindrucksvollen grauen Quaderbau, der dazu bestimmt gewesen war, Jahrhunderte zu überdauern. Und da war der Konzern. Finanzfragen hatten ihn schon früh fasziniert. Er hatte das Unternehmen nach Kräften gefördert. Plötzlich alles aufzugeben …

„Ich könnte ihr das Schloss abkaufen, wenn das Jahr um ist.“ Er sprach immer noch laut mit sich selbst. „Es kommt ihr doch vor allem auf das Geld an. Wenn ich das meiste biete, wird sie mir den Zuschlag geben und sich mit dem Erlös davonmachen.“

So weit war Alasdair gekommen, als er aufstand, die Glieder reckte und nach den Hunden rief. „Ich werde es tun, Gran“, wandte er sich an die Verstorbene. „Du hast gewonnen. Meine Gratulation. Ich spreche mit Jeanie und arrangiere die Hochzeit, aber das war’s dann auch. Es mag eine Hochzeit geben, aber eine Ehe wird nicht daraus. Wenn du dir eingebildet hast, ich wäre Alans Resteverwerter …“

Sprich nicht so über sie.

War das die Stimme seiner Großmutter? Egal, er konnte nicht anders. Alans Verrat, seine beispiellose Gemeinheit quälten ihn immer noch, und Jeanie war seine Witwe. Er hatte das Schloss gemieden, um ihr nicht zu begegnen, aber damit war es jetzt wohl vorbei.

Ein Jahr war keine Ewigkeit, vor allem nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand. „Los, Alasdair McBride. Nimm dir eine Frau.“

Jeanie war in der Küche. Sie betrachtete sie als ihr Refugium, als den Platz, an dem sie Trost fand. Seit Ewigkeiten war hier gekocht, gebacken und gebraten worden. Der riesige Herd nahm eine halbe Wand ein. Der sechs Meter lange massive Eichentisch war blank gescheuert und zerkratzt vom vielen Hacken, Schneiden und Kneten. Der kopfsteingepflasterte Fußboden war ausgetreten. Hunderte von Bediensteten waren darüber gegangen, um Tausende Gäste zu bewirten.

Eileen hatte das Schloss renovieren lassen. Es machte jetzt fast einen pompösen Eindruck, aber sie war klug genug gewesen, an der Küche nichts zu ändern. Der zusätzliche elektrische Herd stand verborgen hinter der Tür. Es gab auch eine Mikrowelle und eine Spülmaschine, ebenfalls halb versteckt in der überdimensionalen Vorratskammer. In dem alten Herd brannte immer Feuer, es schien niemals zu verlöschen. Rechts und links standen zwei bequeme Hundekörbe für Abbot und Costello. Alles zusammen machte einen altertümlichen, warmen und behaglichen Eindruck.

Jeanie hatte sich auf den ersten Blick in die Küche verliebt. Hier hatte sie Ruhe und Frieden gefunden, aber an diesem Tag kämpfte sie umsonst darum.

Wenn du dich unwohl fühlst, musst du Scones backen. Inzwischen gelang ihr das Rezept im Schlaf. Sie servierte den Gästen im Schloss nur das Frühstück, für Mittag- und Abendessen mussten sie selbst sorgen. Doch es gab kleine Leckereien, wenn die Gäste spät nach Hause kamen und noch in der Bibliothek saßen. Sie wagte sich sogar an komplizierte Torten, aber an diesem Tag reichte es nur für Scones.

Sie wollte über nichts nachdenken. Sie wollte überhaupt nicht denken.

Heirat mit Alasdair …

Eigentlich konnte es ihr gleichgültig sein. Sie hatte kein Erbe erwartet und nur damit gerechnet, weiter für den Pensionsbetrieb verantwortlich zu sein. Ob sie Alasdair mochte oder nicht, spielte ebenfalls keine Rolle. Andererseits … Hatte Eileen wirklich mit der Möglichkeit gerechnet? Was sie in ihrem Testament bestimmt hatte, war grausam – vor allem für Alasdair. Doch sie selbst fühlte sich ebenfalls verletzt. Ein Erbe hatte sie nicht erwartet, aber dies ebenso wenig. Wenn Eileen geglaubt hatte, ihr auch den zweiten Enkel aufzwingen zu können …

Was hast du dir bloß dabei gedacht, Eileen? Sie sprach die Frage nicht aus, und plötzlich begriff sie: Eileen hatte sich gar nichts gedacht. Sie hatte einfach auf die Zukunft gesetzt.

Während der letzten Monate war sie kaum noch in Edinburgh gewesen, und von ihrer einstigen Lebhaftigkeit war nicht mehr viel übrig geblieben. Sie war in sich gekehrt erschienen und hatte viel geweint. Um Alan, aber auch um Alasdair.

„Erst seine Eltern und dann diese schreckliche Frau, die er fast geheiratet hätte.“ Jeanie hatte die Worte noch im Ohr. „Sie haben etwas in Alasdair zerstört. Wenn er doch bloß eine Frau wie dich finden würde.“

Dieses Testament ist reines Wunschdenken, sagte sich Jeanie, während sie den Teig für die Scones knetete. Eileen mochte im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen sein, aber was sie als Letzten Willen formuliert hatte, glich einem unerfüllbaren Traum.

Sie hatte eben nicht alles gewusst. Jeanie dachte an ihre katastrophale Ehe, an die grausamen Folgen und fühlte sich schwach und elend. Hätte Eileen alles gewusst, hätte sie niemals so gehandelt.

Jeanie sah auf ihre Hände. Knetete sie etwa immer noch den Teig? Sie musste verrückt sein. „Es gibt nichts Schlimmeres als harte Scones“, flüsterte sie. „Nur die Ehe.“

Zwei verhängnisvolle Ehen. Sollte sie eine dritte wagen?

Vielleicht, dachte sie und versuchte, ihre fröhliche, optimistische Seite hervorzukehren, die ihr noch immer geholfen hatte. Vielleicht würde sie dann endlich zu sich selbst finden. Sie konnte nach Paris gehen und lernen, französische Torten zu backen. Vielleicht würde sie einem netten Pariser begegnen, der Sinn für ihre Whiskyvorräte hatte …

Darüber lächelte sie. Für irgendetwas musste der ganze Whisky doch gut sein, zumal sie selbst ihn gar nicht gern trank. Hatte sie jemals eine echte Wahl gehabt? Da war immer noch der riesige Schuldenberg. Alans Nachlass. Der Bankrott hing über ihr wie eine schwarze Wolke. Wie sollte man da optimistisch bleiben?

Sie sah aus dem Fenster, hinüber zu den Adlern, die über Duncairn schwebten, als wären sie die Gutsherren.

„So fliegen können“, flüsterte sie, „das wäre ein Traum, aber ich sitze in der Falle.“

„Ich empfinde es genauso.“

Jeanie fuhr herum. Der Lord of Duncairn stand auf der Türschwelle. Wie lange schon? Hatte er sie heimlich beobachtet? Doch darauf kam es nicht an. Sie warf den hart gewordenen Teig in den Mülleimer und schüttete frisches Mehl in die Backschüssel.

Die McBrides. Sie hatte genug von ihnen! Jeder Gedanke an Alan … Doch dieser Mann war nicht Alan. Er glich ihm nicht einmal. Alans Losung war gewesen, das Leben in vollen Zügen zu genießen, während Alasdair strengen Prinzipien folgte. Er hatte Vorurteile, gewiss, und sah gern auf andere herab, aber wie er jetzt so dastand … Wieder empfand sie das leichte Kribbeln, das sie schon in der Bibliothek gespürt hatte.

Fand sie ihn vielleicht anziehend? Dann hatte sie den Verstand verloren. Er war ihr adliger Dienstherr, sie dagegen kam aus dem einfachen Volk. Wenn sich beide Sphären begegneten, gab es nur eins: davonlaufen.

Doch sie war auch Wirtschafterin und Köchin im Schloss dieses Mannes. Als solche musste sie bleiben und auf ihn hören.

„Meine Großmutter hat uns beide schlecht behandelt“, fuhr er fort, diesmal in versöhnlichem Ton. „Ich weiß nicht, was du dir gewünscht hast, aber dies hast du sicher nicht erwartet.“

Sie blickte ihn an. Sein Zorn war verflogen. Er schien angestrengt nachzudenken, ohne bisher zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Es ging ihm also genauso wie ihr.

„Deine Großmutter hat mich nicht schlecht behandelt“, erwiderte sie in dem Bewusstsein, damit die Wahrheit zu sagen. Eileen hatte keine Veranlassung gehabt, sie nach Duncairn Castle zu holen und ihr hier eine Lebensperspektive zu bieten. „Sie war sehr gütig zu mir.“

Jeanie schabte kleine Butterflöckchen in das Mehl. Die mechanische Tätigkeit wirkte beruhigend und ließ sie Alasdair, der sie beobachtete, fast vergessen, aber leider nicht ganz. „Ich habe gern hier gelebt und gearbeitet. Dass es sich um keine Lebensstellung handelte, war mir durchaus bewusst. Ich habe kein Recht, hier zu bleiben.“

„Du warst mit Alan verheiratet“, wandte Alasdair ein. „Du gehörtest … gehörst zur Familie.“ Es klang, als müsste er sich zu der Feststellung zwingen. Als versuchte er, nett zu sein.

„Die Ehe war kurz und eine Katastrophe“, stellte Jeanie nüchtern fest. „Ich bin kein Familienmitglied mehr, sondern die ehemalige Angestellte deiner Großmutter. Ich bin gern bereit, bis zum Verkauf als Wirtschafterin hierzubleiben, dann aber verschwinde ich mit Freuden.“

Lügnerin! Lügnerin! Lügnerin! Es wird dir das Herz brechen, wenn du fortmusst, wenn das Schloss an den Meistbietenden verschleudert wird, aber IHM kannst du das nicht sagen.

In diesem Augenblick hatte sie fast Angst vor Alasdair. Er lehnte weiter lässig am Türpfosten und sah ihr zu. Er wirkte wie ein wilder, erbarmungsloser Krieger aus altem Geschlecht. Natürlich stimmte das nicht. Er war ein ganz gewöhnliches Mitglied der Familie McBride, aber verschwinden musste sie – und zwar so schnell wie möglich.

„Wenn wir heiraten, könntest du das Schloss behalten.“

Jeanie hörte auf, Mehl und Butter zu vermengen. Der Atem stockte ihr, sie meinte nur noch ihr Herz schlagen zu hören. Hatte er das wirklich gesagt, noch dazu in diesem beiläufigen Ton?

„Es wäre vielleicht eine vernünftige Lösung“, fuhr er fort. „Sogar die einzig vernünftige.“ Er hatte seine Jacke ausgezogen und begann, die Hemdsärmel aufzukrempeln. Er hatte kräftige gebräunte Arme, wie man sie bei einem Banker aus der City nicht erwartet hätte. Umso besser passten sie zum Kilt. „Wir bekämen beide, was wir uns wünschen, während wir sonst alles verlieren würden. Eileens Testament ist ein Albtraum, aber nicht unbedingt das absolute Ende. Wir könnten sie austricksen.“

„Indem wir … heiraten?“

Er nickte. „Nur dann würdest du das Schloss behalten.“

„Ich will es nicht.“

Damit hatte Alasdair offenbar nicht gerechnet. Es brachte ihn vorübergehend aus der Fassung.

„Egal, wie das Testament lautet … als Erbe steht mir das Schloss nicht zu.“ Jeanie hatte Mühe, bestimmt zu klingen. „Es war mein Arbeitsplatz, mehr nicht. Du bist der Earl of Duncairn, und das Schloss ist der Sitz deiner Vorfahren. Eileen hat es gewiss gut gemeint, aber ihr Vermächtnis ist so verrückt, dass wir gar nicht darüber sprechen sollten.“

„Das müssen wir aber.“

„Nein. Es tut mir leid, dass du in diese Lage geraten bist, aber dafür kann ich nichts. Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss Scones backen. Ich bleibe, bis der Anwalt mich vor die Tür setzt. Danach werde ich für immer aus deinem Leben verschwinden.“

Alasdair ließ sie nicht aus den Augen. Jeanie beachtete ihn jedoch nicht weiter, aber den Gefallen, still und leise zu verschwinden, tat er ihr nicht. Dafür war die Lage zu ernst.

Letzten Endes handelte es sich um ein Geschäft, und in Geschäften kannte er sich aus. In erfolgreichen Geschäften!

„Mir ist klar, dass dir die Mittel fehlen würden, um das Schloss instand zu halten“, bemerkte er in gemessenem Ton. Er wollte Jeanie nicht kränken, denn vielleicht bedauerte sie, kein Geld geerbt zu haben. Vielleicht war sie darüber sogar wütend. „Die Corporation kommt seit Langem für die Instandhaltung auf. Das kann sie auch weiterhin tun und dir das Schloss nach Verlauf eines Jahres abkaufen … falls du nicht bleiben möchtest.“

„Die Corporation würde eine solche Summe problemlos lockermachen?“

„Sie kann es sich leisten, und an meiner Großzügigkeit brauchtest du nicht zu zweifeln. Eileen wünschte ganz offensichtlich, dass gut für dich gesorgt wird. Alan war schließlich mein Cousin. In seinem Namen …“

Ein flammender Blick brachte ihn zum Verstummen. „Niemand muss für mich aufkommen … am wenigsten ein McBride!“

Jetzt begriff er. Jeanies Zorn richtete sich nicht nur gegen die Bedingungen des Testaments. Er richtete sich gegen die ganze Familie McBride.

Alasdair und Alan waren nie gut miteinander ausgekommen und hatten deshalb auch nicht persönlich verkehrt. Dann hatte Alan Jeanie geheiratet. Was für ein Schock! Was für ein Desaster, aber Jeanie hatte sich bedingungslos darauf eingelassen. Alasdair hatte sie als kleines geldgieriges Flittchen eingestuft. Bis zu diesem Tag. Dieser Blick eben … Eine Frau, der es nur aufs Geld ankam, reagierte anders!

„Jeanie, für dich zu sorgen, bedeutet nicht …“

„Nenn mich gefälligst nicht Jeanie!“ Sie hatte wieder angefangen, den Teig zu kneten. „Ich bin Mrs. McBride und für die nächsten Wochen Wirtschafterin auf Duncairn Castle. Danach bin ich nichts mehr für dich.“

„Du verlierst nur alles … genau wie ich.“

„Falsch. Du verlierst alles. Für mich ist das Schloss nur ein Arbeitsplatz.“

„Du ziehst also aus?“

„Das geht dich nichts an!“

„Ich würde dir einen Job anbieten.“

„Ich will aber keinen.“

„Sobald du das Schloss los bist, brauchst du einen.“

„Wenn schon.“ Jeanie zuckte die Schultern. „Und bitte keine Spitzfindigkeiten, Alasdair McBride. Im Übrigen haben Gäste zur Küche keinen Zutritt … und du bist ab jetzt ein Gast, der ein Zimmer gebucht hat. In diesem Zimmer, im Speisesaal und in der Bibliothek bist du willkommen. Jetzt habe ich zu tun.“

„Bitte, Jeanie. Ich will helfen.“

„Nein, du willst dein Erbe.“

„Ja“, gab er zu, und plötzlich war es mit seiner Zurückhaltung vorbei. „Ich will mein Erbe. Die Duncairn Corporation ist ein weltweit vernetztes Unternehmen und mein Lebensinhalt. Das alles aufzugeben, um Hundeheime zu unterstützen …“

„Es gibt sehr verdienstvolle Hunde“, unterbrach sie ihn und schaute unter den Tisch, wo Eileens Spaniel geduldig auf Krümel lauerten. „Diese beiden, zum Beispiel. Sie brauchen ein Heim. Für sie kannst du zuerst sorgen.“

„Hier!“ Alasdair zog sein Handy aus der Felltasche – wie viel praktischer war sie doch als normale Hosentaschen! – und schaltete es ein. „Hier, sieh dir das an.“ Er hielt ihr das Gerät hin.

„Was soll ich mir anschauen?“

„Die Spendenliste des Konzerns vom letzten Rechnungsjahr. Es sind Millionenbeträge. Mein Großvater und nach ihm Eileen lehnten einen Börsengang ab, deshalb vermehrten die Gewinne entweder das Grundkapital oder sie kamen wohltätigen Stiftungen zugute. AIDS, Malaria, Pocken, Frauenhäuser, Naturschutz, gefährdete Tierarten wie Fischotter … sogar Hundeheime sind dabei.“

Jeanie war ehrlich beeindruckt. „Warum hat Eileen dann alles für die Hunde bestimmt?“, fragte sie verwundert.

„Das liegt doch auf der Hand. Je absurder die Bestimmungen des Testaments, desto stärker der Druck auf uns. Sie wollte uns zu der Heirat zwingen, und soweit ich sehe, ist ihr das auch gelungen.“ Alasdair seufzte. „Ich habe keine Wahl. Das Schloss stellt einen hohen Wert dar, aber wenn es dir nicht genügt, zahle ich dir, was du verlangst. Stell deine Bedingungen und bedenke, wie die Alternative aussieht. Du hättest als meine Frau keine Verpflichtungen. Ich würde keine Forderungen an dich stellen. Dem Testament zufolge müssen wir ein Jahr lang dieselbe Wohnung teilen. Mein Apartment in Edinburgh ist sehr weitläufig, und du würdest genug Geld bekommen, um dich dort frei bewegen zu können. Gib nach, Jeanie … Du würdest mehr als nur das Schloss gewinnen. Es wäre ein Sieg über dich selbst. Wenn alles vorbei ist, geht jeder seiner Wege.“ Alasdair hielt inne. Er wusste keine Argumente mehr. Er hatte sein Pulver verschossen.

Jeanie erwiderte nichts, und das Schweigen zog sich hin. Kein Laut war zu hören. Selbst Abbot und Costello verhielten sich mucksmäuschenstill.

Heirat …

Würde sie beim dritten Mal glücklich werden? Jeanie verwarf den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Glücklich – mit diesem Mann? Lächerlich!

Er schlug ihr ein Geschäft vor, mehr nicht. Doch vielleicht war gerade das die Lösung. Keine Heirat, sondern ein Vertrag, dessen Bedingungen erfüllt werden mussten. Und sie tat sogar noch etwas Gutes, wenn sie an die Millionen dachte, die der Konzern weiter für wohltätige Zwecke spenden würde.

Sie hätte sich als Wohltäterin fühlen können, aber das tat sie nicht. Sie fühlte sich beschmutzt. Verschachert. Alasdair vermutete, dass sie das Schloss verkaufen und dadurch ein Vermögen gewinnen würde. Wenn er gewusst hätte …

Doch warum sollte sie ihm von dem Schuldenberg erzählen, auf dem sie saß? Was hätte das gebracht?

„Würdest du dir das Apartment in Edinburgh gern ansehen? Es ist so groß, dass wir uns aus dem Weg gehen können. Ich würde dir für ein Jahr ein Konto einrichten, und wir würden einen Ehevertrag abschließen.“

„Damit ich dich nicht heimlich ausnehmen kann?“

„Daran habe ich weniger gedacht, aber der Wert des Schlosses …“

„Sei still und lass mich nachdenken.“

Donnerwetter! dachte Alasdair. Diese Frau ist eine Hausangestellte. Sie ist Alans Witwe, das angespülte Treibgut seines Schiffbruchs, und sie fordert mich eiskalt auf, den Mund zu halten. Er wollte sie zornig zurechtweisen, aber sie warf ihm einen Blick zu, der ihn verstummen ließ.

Schweigen.

Stille.

Kann ich? fragte sich Jeanie. Habe ich den Mut? Plötzlich fiel ihr Maggie ein, ihre beste Freundin auf der Insel. Sie hatte einen Fischer geheiratet und war jetzt glückliche Mutter von zwei Jungen. Maggie war verständnisvoll und einfühlsam. Wie würde sie reagieren, wenn sie die Neuigkeiten erfuhr?

„Du willst noch einmal heiraten? Hast du den Verstand verloren?“

Fast hätte Jeanie laut gelacht. Es würde sich lohnen, Maggies Aufschrei am Telefon zu hören.

Sie hätte gern länger und gründlicher nachgedacht, aber Alasdair schien nicht bereit, ihr Zeit dafür zu lassen. Seine lässige Haltung, sein beharrlicher Blick – Jeanie wusste, dass er sie in ihren Gedanken verfolgen würde, wenn sie diese Küche verließ, ohne eine Entscheidung getroffen zu haben.

Äußerlich war er ein potenzierter Alan. Alan hatte sie betrogen, ausgenutzt, hintergangen, aber vor der letzten grausamen Nacht hatte sie nie Angst vor ihm gehabt. Alasdair aber machte ihr Angst. Er schüchterte sie ein. Er vermittelte ihr das Gefühl, als könnte er bis auf den Grund ihrer Seele blicken.

Jeanie sah sich um. Da war der riesige alte Herd, den sie so liebte, da waren die beiden schönen, dummen Hunde, da war alles, was ihr in den letzten Jahren Sicherheit gegeben hatte und ihr ans Herz gewachsen war.

Eileens Schloss. Ihr Schloss …

War Eileen überhaupt klar gewesen, dass sie Alasdairs Schicksal in ihre Hände legte? Wenn Jeanie wollte, stand er von heute auf morgen mittellos da: ohne Schloss, ohne Grundbesitz, ohne Konzern, ohne Beruf. Eileen wäre entsetzt gewesen. Verzweifelt.

„Denk bis morgen darüber nach“, sagte Alasdair und richtete sich auf. „Aber ich muss früh weg. Bis dahin brauche ich deine Entscheidung.“

„Ich habe mich entschieden.“

Alasdair blieb wie angewurzelt stehen. Jeanie hatte inzwischen Milch in den Teig gegossen, ohne es zu merken. Jetzt knetete sie ihn noch einmal kurz durch, nahm ihn aus der Schüssel und rollte ihn auf dem Tisch aus. Dann schnitt sie einzelne Stücke heraus, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, als regelmäßige Scones zu formen.

„Jeanie …“

Sie schüttelte den Kopf. Die richtigen Worte waren ihr noch nicht eingefallen. Sie schnitt weiter Scones aus, machte aus dem restlichen Teig einen Klumpen, den sie wieder ausrollte, um mehr Scones zu bekommen. Erst als alle fein säuberlich auf dem eingefetteten Backblech lagen, hielt sie inne. Wahrscheinlich war ihr das Ganze wieder misslungen. Die Scones würden nicht aufgehen. Sie musste kapitulieren.

Nein, nicht kapitulieren. Sie hatte Eileen geliebt und würde danach handeln. Du hast gewonnen, Eileen.

Sie zwang sich, Alasdair ruhig anzusehen. „Ich bin einverstanden, wenn ich hier im Schloss bleiben kann.“

Alasdair war sprachlos. Er verstand nicht, worauf sie hinauswollte, war aber Geschäftsmann genug, die Argumente der Gegenseite abzuwarten.

Jeanie stand da, Hände in den Hüften, den Kopf zur Seite geneigt. Betrachtete sie nur die Scones, oder schloss sie ihn in ihre Überlegungen ein? Unter der Schürze trug sie ein dunkles Maßkostüm – wegen der Beerdigung. Es betonte ihre sehr weibliche Figur, wozu die eng gebundene Schürze noch beitrug. Das braune Haar hatte sie in einem Pferdeschwanz zusammengefasst, aber einzelne Strähnen hatten sich inzwischen daraus gelöst.

Auf ihrer Wange klebte etwas Mehl …

„Wir müssen in Edinburgh wohnen“, unterbrach er schließlich zögernd das Schweigend.

„Dann kommen wir nicht ins Geschäft.“

„Warum, zum Teufel …“

„Darum!“, fuhr sie ihn mit blitzenden Augen an. „Es gab einmal eine Zeit, da wollte ich nur noch von dieser Insel fort. Das war dumm von mir. Abgesehen von meinem Vater, sind hier alle freundlich und hilfreich zu mir. In Edinburgh habe ich niemanden. Ich wäre mit einem Mann verheiratet, den ich nicht kenne und dem ich nicht trauen kann. Ich habe schon einmal überstürzt geheiratet, Alasdair McBride, und werde diesen Fehler nicht wiederholen. Du gewinnst durch diesen Handel weit mehr als ich und musst deshalb meine Bedingungen akzeptieren. Ich heirate dich, wenn du bereit bist, hier im Schloss zu wohnen. Nach Ablauf des Pflichtjahres trete ich mein Erbe an, und dann ist Schluss. Bis dahin ziehst du in dieses Schloss – also gewissermaßen als mein Gast – und erfüllst meine Bedingungen. So und nichts anders … das ist mein letztes Wort.“

„Und ganz schön verrückt.“ Alasdair spürte ihren Zorn, der wie elektrische Wellen von ihr ausging.

„Du kannst Ja oder Nein sagen. Es ist deine Entscheidung.“ Jeanie drehte sich abrupt um, nahm das Backblech und kippte die Scones in den Mülleimer. „Vielleicht klappt es beim dritten Mal … wenigstens bei den Scones.“

Beim dritten Mal? Alasdair verstand sie nicht. „Ich kann hier nicht wohnen“, protestierte er.

„Wie du meinst. Ich hätte da allerdings einige Flaschen sehr guten Whiskys, von dem ich durchaus etwas abgeben würde.“

„Whisky interessiert mich nicht!“, brauste er auf. „Hier geht es ums Geschäft.“

„Um nichts anderes.“ Sie nickte und stellte das Backblech ins Abwaschbecken. „Ich werde für die Gäste Shortbread backen. Was hältst du davon?“

„Es interessiert mich nicht, was du ihnen servierst!“

„Aber es sind auch Ihre Gäste, Mylord of Duncairn. Wenn wir heiraten, erwarte ich, dass Sie den Schlossherrn spielen. Ein echter Lord im Kilt … Gastgeber auf dem Schloss seiner Ahnen. Ich werde es auf unserer Website ankündigen. Es wird die Gäste in Scharen anlocken.“

„Du bist nicht bei Verstand!“

„Das war Eileen auch nicht, als sie das Testament machte.“ Jeanie kehrte ihm noch immer den Rücken zu. „Machen wir also das Beste daraus. Wie ich schon sagte … die Entscheidung liegt bei dir. Wir können gemeinsam Lord und Lady Duncairn spielen oder von heute auf morgen alles verlieren. Überlegen Sie es sich gut, Mylord. Jetzt muss ich den Teig für Shortbread vorbereiten.“

3. KAPITEL

Vier Wochen später stand Lord Alasdair Duncan Edward McBride, sechzehnter Earl of Duncairn, wieder in der Kirche, in der die Totenfeier für seine Großmutter stattgefunden hatte, und erwartete seine Braut.

Er hatte nur standesamtlich heiraten wollen, ebenso wie Jeanie. Es war ihr unbehaglich, vor dem Altar einen falschen Schwur abzulegen, aber Eileen hatte eine kirchliche Trauung zur Bedingung gemacht. Kirche – oder Ruin.

„Ich bin wirklich nicht dagegen, dass man Hundeheime unterstützt“, sagte sie zu ihrer besten Freundin Maggie Campbell, die an diesem Tag ihr Fels in der Brandung war. „Aber AIDS, Malaria und Fischotter sollte man darüber nicht vergessen. Ob man mir später vorwirft, ich hätte geheiratet, um Schlossbesitzerin zu werden?“

Maggie wusste nichts von den Schulden. Niemand wusste etwas, und daher würde man sie wahrscheinlich für eine typische berechnende Schottin halten.

„Niemand könnte dir das übel nehmen“, beruhigte Maggie sie und richtete das Glockenheidesträußchen an Jeanies schlichtem dunkelblauem Kleid.

„Ich hätte das Kostüm anziehen sollen“, klagte Jeanie, „denn ich bin keine Braut, sondern ein Vertragspartner. Es geht hier nur ums Geschäft.“

„Dafür siehst du viel zu hübsch aus“, stellte Maggie fest. „Und morgen bist du die Lady of Duncairn.“

„Alasdair benutzt den Titel nicht.“ Jeanie hatte ihn deswegen geneckt und wieder mit der Website gedroht, aber seine finstere Miene hatte sie eines Besseren belehrt.

Man scherzte nicht mit Lord Alasdair.

„Das ändert nichts daran, dass der Titel existiert, Mylady.“ Maggie versank in einen Hofknicks. „Wenn Mylady jetzt so weit ist … wir sollten zur Kirche aufbrechen.“

Jeanie rang sich ein Lachen ab, aber es klang nicht echt. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Noch zwei Minuten, jetzt noch eine …

„Also los.“ Maggie schob sie zur Tür.

Sie sollte heiraten. Zum dritten Mal.

Beim dritten Mal glücklich?

Alasdair stand am Altar und wartete. Nie hätte er das für möglich gehalten. Er war kein Typ für die Ehe.

Früher hatte er nicht so konsequent gedacht. Er war sogar bis über beide Ohren verliebt gewesen – damals, mit zweiundzwanzig Jahren und einem abgeschlossenen Jura- und Wirtschaftsstudium.

Die fünf Jahre ältere Celia hatte sich gern in der Öffentlichkeit gezeigt. Schön, intelligent, sicher im Auftreten, hatte sie sich in der sogenannten besseren Gesellschaft bewegt und sich ganz genaue Vorstellungen von der Ehe gemacht.

Dass sie es auf ihn abgesehen hatte, war ihm unbegreiflich gewesen. Auf einen jungen Schlaks, Sohn gefühlskalter Eltern, einen Bücherwurm, der wenig von zwischenmenschlichen Beziehungen verstand. Das ideale Opfer für eine Frau mit Kennerblick. Eine wie Celia.

Als sie sich bereit erklärt hatte, ihn zu heiraten, war er überglücklich gewesen. Ihm war entgangen, dass Celias schmachtende Blicke nicht ihm als Mann, sondern seinem Titel und seinem Vermögen galten.

Sie hatte großartig Theater gespielt. Niemand war jemals so auf ihn eingegangen. Sie hatte ihm zugehört, sich die Geschichte seiner Kindheit erzählen lassen und ihm beigebracht, Spaß zu haben. Er hatte sich frei und leicht gefühlt, von Liebe geträumt und Vertrauen geschenkt. Er hatte sie tief in seine Seele blicken lassen – und war mit Untreue belohnt worden.

Lange hatte er seinen Cousin verantwortlich gemacht, den charmanten, gewissenlosen Alan. Eine Woche vor der festgesetzten Hochzeit war Alan in Edinburgh aufgetaucht – angeblich, um an der Hochzeit teilzunehmen, aber in Wirklichkeit, um seiner Großmutter mehr Geld abzupressen. Damals war von Jeanie noch nicht die Rede. Eine andere puppenhafte Blondine hing an seinem Arm, aber das genierte ihn nicht. Menschen waren ihm generell gleichgültig. Er kannte keine Rücksicht und stimmte darin mit Celia überein.

Zwei Tage vor der Hochzeit hatte Alasdair seinen Aktenkoffer in Celias Wohnung vergessen. Da er einen Schlüssel besaß, war er einfach hineingegangen, hatte gerufen, aber keine Antwort erhalten.

Natürlich nicht. Sie hatten vor Schreck nicht antworten können – Celia und Alan in ihrem Liebesnest. Natürlich war damit alles aus gewesen. Unvorstellbar, Alans verflossene Geliebte zu heiraten, und jetzt trat er – in gewisser Weise – doch dessen Erbe an. Er übernahm seine Witwe.

Denk nicht an Alan. Denk nicht an Celia.

Das war leichter gesagt als getan. Die Wunde schmerzte immer noch, und das Vertrauen zu anderen Menschen hatte er für immer verloren.

Alasdair sah seine Braut kommen. Sie trug ein schlichtes dunkelblaues Kleid, nichts Besonderes, aber hübsch anzusehen. Ihre Schuhe hatten metallisch glänzende Absätze. Normalerweise trug sie einen Pferdeschwanz, doch jetzt fiel ihr das Haar offen auf die Schultern, was wohl ein Zugeständnis an ihre Rolle als Braut war, ebenso wie das Glockenheidesträußchen am Kragen.

Celia wäre das Muster einer Braut gewesen, dachte er flüchtig. An dem Morgen, als er sie mit Alan überraschte, hatte ihr Brautkleid schon zur Begutachtung bereitgelegen. Noch heute sah er sie in diesem Kleid durch den Mittelgang der Kirche auf sich zuschweben – ein Traum, eine Vision. Jeanie glich ihr durchaus nicht. Sie sah starr vor sich hin, mehr auf den ausgetretenen Holzfußboden als auf ihn. Ihre Freundin ging hinter ihr und stupste sie ab und zu leicht.

Nicht gerade eine romantische Braut und doch irgendwie – niedlich. Dann bemerkte er die Röte auf ihren Wangen und begriff, dass sie sich schämte. Doch wofür? Dass sie etwas tat, wozu man sie gezwungen hatte? Dafür war nicht er, sondern seine Großmutter verantwortlich. Wenn Jeanie geglaubt hatte, das Schloss ohne Gegenleistung zu bekommen, dann hatte Eileen sie eines Besseren belehrt. Also Scham hin oder her. Am Ende bekam sie, was sie wollte.

Alasdair hatte alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um zu erreichen, dass er von nun an im Schloss wohnen würde. Unter anderem hatte er einen Hubschrauberlandeplatz anlegen lassen, um schnell in Edinburgh und wieder zurück zu sein. Mehr als dreißig Nächte durfte er freilich nicht von Duncairn Castle fernbleiben. Er saß in der Falle – zusammen mit dieser Frau.

Inzwischen hatte sie ihn erreicht, fixierte aber weiter den Fußboden. Spürte sie vielleicht noch etwas anderes als Scham? Fürchtete sie sich etwa vor ihm? Ausgeschlossen, aber er reagierte instinktiv und hob leicht ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste.

„Ich bin kein Monster, Jeanie.“

„Nein, aber …“

Er nahm ihre zitternden Hände. „Und ich bin auch nicht Alan.“

„Dann lass uns schnell …“

„Nicht, wenn du kein Vertrauen zu mir hast.“ Sein Ton war ruhig, fast sanft. „Alles Geld der Welt rechtfertigt keine Vernunftheirat. Wenn du Angst hast und die Entscheidung rückgängig machen willst, geben wir den Plan auf. Hab Vertrauen zu mir, oder lass mich einfach stehen.“

Wusste er, was er da sagte, oder hatte er den Verstand verloren? Er konnte einfach nicht anders. Er sah, wie Jeanie bebte. Vielleicht übertrieb sie, aber er musste tun, was ihm sein Gewissen eingab.

Im selben Moment raffte sie sich auf, entzog ihm ihre Hände und nickte entschlossen. „Eileen vertraute dir, und wir schließen nur einen Vertrag. Jeder soll bekommen, was ihm zusteht.“ Sie atmete tief ein und wandte sich an den Pfarrer. „Bringen wir es hinter uns. Erteilen wir uns das Jawort.“

Sie gelobten sich, was sich Brautleute auf der ganzen Welt geloben, wenn sie als Mann und Frau zusammenbleiben wollen. Jeanie hatte es sich leichter vorgestellt, die entscheidenden Worte zu sprechen. Zweimal hatte sie es schon getan und an das Versprechen, das damit verbunden war, geglaubt.

Diesmal glaubte sie nicht mehr daran. Die Worte waren hohl. Sie bedeuteten nichts. Trotzdem spürte sie, dass ihr die Tränen kamen, und sie musste ihre ganze Energie aufbringen, um sie zu unterdrücken. Nur keine Schwäche vor diesem Mann zeigen! Es gab keinen Grund dafür. Sie handelte nur aus Vernunft, weil ein verrücktes Testament es so verlangte.

Du weißt, warum ich das tue, Eileen. Du wolltest, dass wir eine Familie werden, aber wir handeln nur nach Vorschrift. Man kann zwei Menschen nicht zwingen, sich zu lieben.

Sie hatte es versucht, damals mit Alan, bis zu der letzten schrecklichen Nacht. „Glaubst du wirklich, ich hätte dich geheiratet, wenn Gran nicht Wucherpreise dafür gezahlt hätte?“, hatte er sie angeschrien.

Tat Eileen jetzt nicht dasselbe? Zahlte sie nicht wieder Wucherpreise? Aber diesmal sah Jeanie klarer. Sie wusste, was sie tat. Sie kannte die guten Gründe.

Alasdair stand so dicht neben ihr, dass sie sich leicht berührten. In seiner Hochlandtracht sah er fantastisch aus. Überwältigend. Einschüchternd. Doch sie durfte sich nicht einschüchtern lassen. Nie und nimmer. Sie würden heiraten, das gemeinsame Zwangsjahr überstehen und sich dann für immer trennen.

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, hörte sie in diesem Moment den Pfarrer sagen.

Sie wollte den Kopf schütteln, sich umdrehen und weglaufen, aber der alte Mann strahlte übers ganze Gesicht, und Alasdair nahm wieder ihre Hände. Er lächelte, vielleicht nur, um dem Pfarrer eine Freude zu machen. Und wenn nicht? durchfuhr es sie. Wenn er es nun ernst meinte, wenn er sie wirklich liebte …

Bring es hinter dich. Handle als Geschäftsfrau.

Doch da waren Zuschauer, die sie erwartungsvoll beobachteten. Und da war Alasdair, der ihre Hände hielt und lächelte.

Küss den Bräutigam.

Sie atmete tief ein und hob ihm das Gesicht entgegen. „Stell dir vor, du wärst beim Zahnarzt“, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte.

Sie sah ihn mit großen Augen an. Erlebte sie das alles wirklich? Hatte sie, Jeanie Lochlan, gerade mit dem Earl of Duncairn die Ringe gewechselt? Und wofür? Für ein Schloss …

Sie konnte nicht anders, sie musste einfach lachen. Und weil alles so verrückt war, konnte sie auch handeln. Sie erwiderte seinen Händedruck, stellte sich auf die Zehenspitzen und ließ sich küssen.

Wenn sie doch nicht gelacht hätte! Bis dahin war alles glatt verlaufen. Ein Geschäft, da kannte Alasdair sich aus. Er war in der Lage, Jeanie zu heiraten, sich von ihr fernzuhalten, das Testament buchstabengetreu zu erfüllen und nach zwölf Monaten unbeschadet seiner Wege zu gehen. Ohne irgendetwas zu empfinden.

Das setzte allerdings voraus, dass er sich in keiner Weise von ihr beeindrucken ließ. Dass ihm ihre Person gleichgültig blieb und er sie keinesfalls als seine Ehefrau ansah.

Aber sie lachte – und damit änderte sich alles.

Die alte Kirche. Der strahlende Pfarrer. Die ganze Atmosphäre und ihre historische Bedeutung. Und schließlich auch die Frau, die neben ihm stand.

Sie handelte aus Gewinnsucht. Sie wusste, was sie wollte und wie sie es erreichen konnte. Sie war Alans Witwe. Zu dessen Lebzeiten hatten die beiden Eileen schwer zu schaffen gemacht. Er wollte nichts mit ihr zu tun haben.

Doch er hatte auch ihre Angst gespürt, hatte miterlebt, welche Überwindung es sie kostete, vor dem Pfarrer das Ehegelöbnis abzulegen.

Und jetzt lachte sie.

Sie trug ein schlichtes dunkelblaues Kleid mit weißem Spitzenkragen und weißen Spitzenmanschetten. Der weite Rock betonte ihre schmale Taille. Ein Glockenheidesträußchen am Kragen war ihr einziger Schmuck.

Und sie lachte.

Wie bezaubernd, dachte er. Mit dieser Frau bist du nun verheiratet. Und während er das noch dachte, berührten sich ihre Lippen.

Jeanie hatte etwas erwartet – aber was? Eine flüchtige Berührung ihrer Lippen oder noch weniger? Alasdair konnte den Kuss vortäuschen und nur leicht mit den Lippen ihre Wange berühren. Niemand erwartete etwas anderes.

Doch das tat er nicht. Er ließ ihre Hände los, umfasste ihre Taille und hob Jeanie hoch, bis ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren.

Dann küsste er sie. Der Lord of Duncairn besiegelte die Eheschließung mit seiner Braut. Er küsste sie feurig und so leidenschaftlich, dass ihr ohnehin schwacher Widerstand vollends zusammenbrach.

Sie hätte den Kuss nicht erwidern müssen – nicht erwidern dürfen! Schließlich standen sie in der Kirche vor dem Altar. Es schickte sich nicht, und außerdem gingen sie nur eine Vernunftehe ein, erfüllten einen Vertrag …

Weiter kam sie nicht in ihren Überlegungen. Ihr Verstand setzte einfach aus. Noch nie war sie so geküsst, noch nie von solchen Empfindungen überwältigt worden. Es kam wie ein Blitz vom Himmel. Plötzlich gehörte sie zu Alasdair und verspürte nicht einmal mehr den Wunsch, sich von ihm zu lösen.

Sie war zu Hause. Ihr Herz hatte Ruhe gefunden.

In der kleinen Gästeschar regte sich Applaus. Man jubelte ihnen zu, und Jeanie hatte große Mühe, sich wieder auf die Situation zu besinnen. Sie rang um ihre Fassung, und am Ende schien Alasdair das zu bemerken, denn er stellte sie wieder sanft auf die Füße. Nur der Glanz in seinen dunklen Augen erlosch nicht, als wollte er ihr etwas versprechen.

Dieser Mann war jetzt ihr Ehemann. Ein erschreckender, aber auch ein faszinierender Gedanke! Ein Fläschchen Riechsalz wäre jetzt nicht verkehrt gewesen. Jeanie wandte sich wieder dem Pfarrer zu. Er musste die Zeremonie beenden – und zwar möglichst schnell, damit sie hinauskam. Hinaus ins Freie.

Doch Reverend Angus McConachie ließ sich Zeit. Seine Miene verriet väterliches Wohlwollen. Er hatte Jeanie bereits getauft, er hatte ihre Mutter begraben, Jeanie und ihre Freundinnen beim Erdbeerklauen erwischt und war einfach immer da gewesen. Jeanie hatte vor der Trauung versucht, ihm die Hintergründe zu erklären, war aber auf wenig Interesse gestoßen. Reverend Angus sah und hörte, was er sehen und hören wollte, und seine nächsten Worte bestätigten das.

„Bevor ich euch entlasse, möchte ich euch noch etwas mit auf den Weg geben. Ich kenne Jeanie, seit sie geboren wurde, und war Zeuge, wie sie zu einem hübschen Mädchen und später zu der netten jungen Frau heranwuchs, die sie heute ist. Ich weiß, welche Freude Lady Eileen an ihr hatte, und wie stolz sie auf sie war. Ohne Zweifel sieht Lady Eileen jetzt von ihrem himmlischen Sitz aus zu und erteilt diesen beiden Menschen ihren Segen.

Ich habe auch die Schicksalsschläge miterlebt, von denen unsere Jeanie getroffen wurde.“ Für einen Moment verschwand das Lächeln vom Gesicht des Pfarrers. „Schon als Kind verehrte sie ihren Rory. Sie wurde ihm eine gute Gefährtin, und als die Ehe tragisch endete, litten wir alle mit ihr. Dass sie mit Alan einen Neuanfang wagte, war ein Beweis ihres Lebensmuts und – wenn ich so sagen darf – auch ein Beweis für Lady Eileens Wohlwollen. Niemanden auf der Insel Duncairn konnte es kaltlassen, als sie nach so vielen Geschehnissen nach Hause zurückkehrte.“

„Angus“, flüsterte Jeanie dem Pfarrer entsetzt zu, aber er lächelte bereits wieder und war nicht mehr aufzuhalten.

„Jetzt tritt sie zum dritten Mal in den Stand der Ehe. Aller guten Dinge sind drei, und diesmal wird sie glücklich werden. Ich habe gehört, dass Lady Eileen auch diesmal ihre Hand im Spiel hat. Sie wollte, dass die beiden glücklich werden, das hat sie mir selbst noch gesagt, und ich bin überzeugt, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht.“

„Sie hat mit Ihnen darüber gesprochen?“, fragte Alasdair verblüfft.

Der Pfarrer nickte. „Lady Eileen spielte gern Schicksal, und wie wir heute erleben, konnte sie in die Zukunft blicken. Die ganze Inselgemeinde freut sich mit euch. Jeanie, mein liebes Kind, möge dieser dritte Versuch der letzte sein und dir alles Glück der Welt bringen.“

Irgendwie schafften sie es bis zum Ausgang. Die Kirche lag auf einer Anhöhe oberhalb von Duncairn Bay. Die Sonne strahlte vom Himmel. Die Fischerflotte war ausgefahren, nur wenige kleine Boote lagen noch an den Stegen. Möwen schossen kreischend hin und her. Zwischen den Gräbern blühten wildes Geißblatt und späte Rosen, und die Fotografin der monatlich erscheinenden Inselzeitung bat die Brautleute, in ihre Richtung zu sehen.

„Bitte lächeln!“, rief sie. „So ein hübsches Paar …“

Natürlich würde das Foto auf der Titelseite des Duncairn Chronicle erscheinen, mit der Überschrift: Mädchen vom Lande heiratet Duncairn-Erben. Und Jeanies Vater, der jetzt wahrscheinlich schon im Pub saß und auf die kommenden guten Zeiten trank, würde überlegen, wie viel Geld er ihr abschwatzen konnte.

„Du heiratest heute zum dritten Mal?“ Alasdair hatte ihr den Arm um die Taille gelegt, wie man es von einem Bräutigam erwartete, aber es fühlte sich an wie eine Eisenklammer. „Ich hielt Alan immer für deinen ersten Mann …“

„Du hast mich nie gefragt und außerdem … Was macht es schon aus?“

„Eine ganze Menge. Hast du an deiner ersten Ehe auch gut verdient?“

Das genügte ihr. Sie machte sich gewaltsam frei, bemühte sich aber, ihr aufgesetztes Lächeln beizubehalten. „Danke, Susan!“, rief sie der Fotografin zu. „Das war’s. Euch allen, die ihr gekommen seid, vielen Dank. Wir müssen jetzt zurück ins Schloss. Wir erwarten neue Gäste.“

„Ihr macht keine Flitterwochen?“, fragte Susan. „Sucht euch doch etwas Schönes aus.“

„Duncairn ist schön genug.“

„Sie würde die Pension nicht mal für einen Tag schließen“, bemerkte Maggie zu Susan.

„Geschäft bleibt Geschäft“, verteidigte Jeanie sich. „Abgesehen davon, heirate ich heute zum dritten Mal. Da ist von Romantik nicht mehr viel übrig.“

Alasdair fuhr sie zurück zum Schloss. Jeanie saß still neben ihm, die gefalteten Hände im Schoß. Den Blick hatte sie starr geradeaus gerichtet.

„Das dritte Mal.“ Alasdair hatte nichts mehr gesagt, solange andere es hören konnten. „Das dritte Mal.“ Er schien nicht davon loszukommen. Er hielt das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Außerdem fuhr er zu schnell.

„Denk an die Rinder und Schafe“, ermahnte Jeanie ihn. „Sie benutzen die Straße ebenfalls. Bei diesem Tempo hast du in der nächsten Kurve ein Horn in der Windschutzscheibe.“

„Wir reden nicht über Rinder und Schafe.“

„Nein“, gab sie nach. Es waren schließlich Alasdairs Tiere, sein Auto – und sein Problem.

„Dreimal.“ Die Zahl verfolgte ihn. Er machte ein so grimmiges Gesicht, als hätte Jeanie ihn betrogen.

„Ganz recht … mit diesem Tag.“

Er beherrschte sich, aber es fiel ihm schwer, das merkte sie ihm an. „Wusste Gran das?“

„Natürlich. Als ob ich sie je hätte betrügen können! Ich liebte sie.“

Er warf ihr einen wütenden Seitenblick zu, danach herrschte eisiges Schweigen.

Vielleicht ist das ein Vorgeschmack unserer Ehe, dachte Jeanie. Fremde unter einem Dach, die sich anschweigen, aber unter diesem Schweigen brodelt es.

„War er auch reich?“

„Stopp!“ Zu viel war zu viel. „Halt augenblicklich an.“

„Warum?“

Sie näherten sich einer besonders scharfen Kurve, die sogar Alasdair zwang, langsamer zu fahren. Jeanie löste ihren Sicherheitsgurt und öffnete die Tür. „Halt sofort an … ich steige aus. Eins, zwei …“

Er trat scharf auf die Bremse, und Jeanie stand im Nu draußen. Alasdair stieg ebenfalls aus. „Was, zum Teufel …“

„Ich gehe zu Fuß weiter“, erklärte sie. „Ich muss für die Gäste nichts kochen, sodass du die Küche für dich hast. Mach dir, was du willst, und genieße es, ein verheirateter Mann zu sein, Alasdair McBride. Dein Widerwille gegen mich zwingt uns, möglichst großen Abstand zu halten. Am besten fangen wir gleich damit an.“

Damit ließ sie ihn stehen und stapfte los, aber sie kam nicht weit.

„Jeanie …“

„Für dich Mrs. McBride.“

„Meinetwegen auch Lady Jean“, konstatierte er, woraufhin sie stehen blieb und für einen Moment die Augen schloss.

Lady Jean.

Ihr Dad würde inzwischen betrunken und völlig aus dem Häuschen sein. Seine Tochter – die Frau des Lord of Duncairn und damit Schlossherrin! Er würde es überall ausposaunen.

„Lass mich in Ruhe!“, stieß sie atemlos hervor. „Verschwinde mit deinem Titel und deinen dummen, grausamen Verdächtigungen.“

Sie machte sich wieder auf den Weg, aber zu ihrem Ärger blieb Alasdair an ihrer Seite.

„Du sollst mich allein lassen!“

„Wir müssen miteinander reden, Jeanie. Das ist wichtiger. Wie viel von Alans Geld ist noch übrig?“

Er mutete ihr wirklich viel zu. Ihre Schritte wurden langsamer, das Atmen fiel ihr schwer. War dies etwa die Stunde der Wahrheit? Schon möglich, aber sie wollte kein Mitleid.

„Es wundert mich, dass du dich nicht besser über deine Braut informiert hast“, sagte sie. „Als guter Geschäftsmann hättest du das vor Vertragsabschluss tun sollen.“

„Es sieht so aus.“

Seine ruhige, spöttische Art gab ihr den Rest. Sie blieb stehen, ballte die rechte Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Zähl bis zehn, befahl sie sich, aber diesmal half es nichts. Sie sah Alasdair an, erkannte an seiner Miene, wie sehr er sie verachtete – und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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