Julia Royal Band 13

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DER PRINZ UND DIE SCHÖNE KELLNERIN von MAISEY YATES
„Heirate mich.“ Wie bitte? Hat Kronprinz Raphael DeSantis ihr wirklich einen Antrag gemacht? Aber für Bailey gibt es nur eine Antwort: Nein! Denn auch wenn ihr die heiße Affäre mit ihm ein süßes Geheimnis beschert hat: Von Liebe spricht der Prinz nicht …

DIE VERBOTENE BRAUT DES KÖNIGS von CAITLIN CREWS
Als Brittany in Monaco dem atemberaubenden Thronerben Felipe in die Arme läuft, möchte sie sofort fliehen. Das Showgirl ahnt, vor diesem Verführer kann sie ihr größtes Geheimnis nicht verbergen. Aber als er sie sinnlich küsst, ist es für eine Flucht schon zu spät …

DIE LETZTE NACHT MIT DEM PRINZEN von JENNIFER HAYWARD
Goodbye, Sofia: Die königliche Pflicht ruft, Prinz Nikandros muss unerwartet den Thron von Akathinia besteigen. Da ist für seine Geliebte kein Platz mehr. Doch dann erfährt er, dass er die schöne Bürgerliche nicht allein in Manhattan zurückgelassen hat …


  • Erscheinungstag 12.08.2022
  • Bandnummer 13
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507585
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, Caitlin Crews, Jennifer Hayward

JULIA ROYAL BAND 13

1. KAPITEL

Die Nacht war wundervoll! Das winterliche Vail hatte sich weihnachtlich herausgeputzt. Helle Lichterketten beleuchteten die Schneelandschaft und funkelten mit den Sternen am Nachthimmel um die Wette – einfach märchenhaft.

Genau wie Raphael. Bailey glaubte zu träumen. Nun kannte sie ihn schon seit acht Monaten, und er war noch immer so traumhaft wie am ersten Tag ihrer Begegnung. Als wäre er einem Märchenbuch entsprungen!

Bailey hätte nie gedacht, dass sie so etwas erleben würde. Sie glaubte nicht an Geschichten mit Happy End. Doch dann war Raphael in ihr Leben getreten.

Allerdings sah sie ihn nur, wenn ihn eine Geschäftsreise nach Colorado führte, was viel zu selten geschah und nie lange genug dauerte.

Dabei war sie bisher immer so vorsichtig gewesen! Eigentlich misstraute Bailey Männern und ging auch nur selten aus. Doch bei Raphael hatte sie von Anfang an ein gutes Gefühl gehabt. Bedenkenlos hatte sie sich ihm hingegeben, überwältigt von ihrem Verlangen. Raphael hatte ihr völlig den Kopf verdreht. Sie war bis über beide Ohren in diesen wunderbaren Mann verliebt und wollte jede Minute mit ihm auskosten.

Diesmal hatten sie zusammen zu Abend gegessen und waren dann Hand in Hand durch die festlich beleuchtete Stadt spaziert. Im Hotel konnten sie es kaum erwarten, ins Bett zu kommen. Raphael war heute besonders leidenschaftlich gewesen …

Genüsslich streckte Bailey sich jetzt unter der Bettdecke aus. Was für eine Nacht!

Sie drehte sich auf die Seite und warf einen Blick Richtung Badezimmer. Licht schimmerte durch die Türritze. Was tut er da so lange? dachte Bailey ungeduldig. Sie sehnte sich danach, wieder in Raphaels Armen zu liegen. Sie liebte ihn so sehr, dass es schmerzte. Nie hätte sie es für möglich gehalten, so tiefe Gefühle für einen Menschen haben zu können. Und Raphael schien diese Gefühle zu erwidern. Bailey konnte ihr Glück kaum fassen. Ihr Herz klopfte sofort schneller, als Raphael aus dem Badezimmer kam.

Lächelnd schaute sie ihm entgegen. Fast war ihr ein wenig schwindlig vor Liebe. War das immer so? Sie hatte keine Vergleichsmöglichkeiten, denn Raphael war der erste Mann, mit dem sie geschlafen hatte. Dabei hatte sie in ihrem Beruf als Kellnerin viele Männer kennengelernt, die sich für sie interessierten. Doch bisher hatte sie alle Bitten um ein Date freundlich, aber bestimmt abgelehnt.

Ihr Männerbild war vom Zusammenleben mit ihrer alleinerziehenden Mutter geprägt worden. Mit sechzehn Jahren hatte Bailey das Weite gesucht. Sie hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Diese ewigen Auseinandersetzungen zwischen ihrer Mutter und dem jeweiligen Liebhaber, der ewige Liebeskummer hatte sie vertrieben. Bailey hatte beschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, und sich einen Job und eine kleine Wohnung gesucht. Von Männern wollte Bailey nichts wissen. Sie wollte warten, bis sie den Richtigen gefunden hatte.

Sie war einundzwanzig Jahre alt, als Raphael eines Tages in ihrem Leben aufgetaucht war. Ihre Freundinnen hielten ihn noch immer für ein Phantom, denn keine hatte ihn je zu Gesicht bekommen.

Wenn Raphael sie besuchte, war die Zeit immer schrecklich knapp! Irgendwann hatte Bailey es aufgegeben, ihn ihren Freundinnen vorstellen zu wollen. Eigentlich war sie ganz froh darüber, denn so hatte sie ihren Traummann bei seinen kurzen Stippvisiten ganz für sich allein.

„Willst du dich nicht langsam mal anziehen, Bailey?“

Verwundert schaute sie ihn an. Was sollte die Frage? Sie verbrachten doch sonst auch immer die ganze Nacht zusammen. „Aber ich dachte …“ Verführerisch strich sie sich über den nackten Körper. „Ich habe Lust auf mehr. Du nicht?“, fragte sie sehnsüchtig.

„Ich habe dir doch erzählt, dass ich die Frühmaschine erwischen muss“, antwortete Raphael kühl.

Verwirrt senkte sie den Blick. „Davon weiß ich nichts“, sagte sie schließlich und sah wieder auf. „Musst du zurück nach Italien?“

„Ja“, antwortete er einsilbig und begann, sich anzuziehen. Sehr zu Baileys Bedauern war sein unwiderstehlicher Körper im Handumdrehen wieder verhüllt.

„Bailey!“ Das klang fast schon verärgert. So gereizt hatte sie Raphael bisher noch nie erlebt!

„Okay, okay. Es war gerade so gemütlich.“ Widerstrebend stand sie auf, wackelte aufreizend mit dem Po und bückte sich nach dem Kleid. In seiner Ungeduld, sie nackt zu sehen, hatte Raphael es vorhin zerrissen. „Hoffentlich kann ich das wieder reparieren“, sagte sie leise.

„Wenn nicht, schenke ich dir ein neues Kleid“, versprach er.

„Und was soll ich auf dem Nachhauseweg anziehen?“ Vorwurfsvoll hob sie das zerrissene Kleid hoch. „Wann kommst du wieder?“

„Gar nicht.“

Schockiert musterte sie ihn, begann zu beben. Ihr war eiskalt. „Was soll das heißen?“, fragte sie schließlich mit versagender Stimme.

„Meine Arbeit hier in Vail ist beendet. Heute hat die letzte Besprechung stattgefunden.“

„Okay, aber ich bin doch hier.“

Raphael lachte harsch. „Tut mir leid, cara. Aber das reicht nicht für einen Flug nach Colorado.“

Bailey zuckte zusammen, als hätte er sie geohrfeigt. „Wieso nicht? Ich verstehe gar nichts mehr. Wir hatten doch einen so wundervollen Abend, Raphael!“

„Es war unser Abschiedsabend“, erklärte er leise. „Du warst eine ganz bezaubernde Ablenkung, Bailey. Leider kann daraus nicht mehr werden. Wie du weißt, lebe ich in Italien. Darauf muss ich mich jetzt wieder konzentrieren.“

Fassungslos wurde Bailey bewusst, dass Raphael nur mit ihr gespielt hatte. Es war ihm nie ernst mit ihr gewesen! Ein ungeheuerlicher Verdacht beschlich sie. „Bist du etwa verheiratet, Raphael?“

„Demnächst“, gestand er harsch. „Wir können uns nicht mehr treffen, Bailey.“

„Du bist also verlobt. Jetzt wird mir einiges klar. Du lebst mit deiner Verlobten zusammen. Deshalb kommst du nur so selten zu mir. Wie konnte ich nur so dumm sein?“ Entsetzt hielt Bailey eine Hand über ihren Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. „Ich war noch Jungfrau, Raphael! Für mich war es etwas ganz Besonderes, mit dir zu schlafen.“ Zornige Tränen strömten über ihre Wangen.

„Ich habe dein Geschenk zu schätzen gewusst.“ Sein Tonfall war hart wie Stahl. „Immerhin waren wir ja auch acht Monate lang zusammen. Für mich war das keine bedeutungslose Affäre.“

„Oh doch! Es ist dir nie ernst gewesen!“ Wütend bückte sich Bailey nach einem Schuh und warf ihn in Raphaels Richtung.

Der konnte gerade noch ausweichen und fluchte unterdrückt auf Italienisch. Doch der zweite Schuh, den sie nach ihm warf, prallte direkt gegen Raphaels muskulöse Brust.

Verärgert schoss Raphael auf Bailey zu, umklammerte ihre Handgelenke und zischte: „Hör sofort auf damit!“ Dann wandte er sich wieder ab. „Reiß dich zusammen, Bailey. Es wird langsam peinlich.“

„Du bist peinlich, Raphael“, entgegnete sie aufgebracht. „Schäm dich!“ Sie schlüpfte in das zerrissene Kleid, hob die High Heels ein zweites Mal auf und zog sie an. Auf die Nylonstrümpfe verzichtete sie. Wenn einem das Herz gebrochen wird, verschwendet man keine Gedanken an sexy halterlose Strümpfe.

Bailey sah auf. „Wie konntest du mich so hintergehen, Raphael?“ Mit bebenden Händen zog sie den achtlos über eine Stuhllehne geworfenen Mantel an.

„Ich habe dich nicht hintergangen, Bailey“, behauptete er schroff. „Du hast dir etwas vorgemacht!“

Außer sich vor Zorn riss Bailey die Tür auf und schlug sie krachend hinter sich zu. Sie fühlte sich wie eine Prostituierte, die mitten in der Nacht aus dem Hotelzimmer geworfen worden war.

Draußen wehte ein eisiger Wind. Bailey spürte die Kälte nicht einmal. Sie war völlig am Ende, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Mitten im Schnee ließ sie sich schluchzend auf die Knie sinken. Am liebsten wäre sie gestorben.

Drei Monate später

„Es tut mir leid, Bailey, aber mit einer Kellnerin, die während ihrer Schicht in der Küche einschläft, kann ich nichts anfangen.“

Die Worte ihres Chefs verfolgten Bailey auf dem gesamten Heimweg. Als Raphael vor drei Monaten Schluss gemacht hatte, war sie untröstlich gewesen. Sie hatte geahnt, dass es nur noch bergab gehen konnte. Am College fiel es ihr schwer, sich auf den Lernstoff zu konzentrieren. So würde sie das Examen niemals schaffen. Und nun war sie zu allem Überfluss auch noch arbeitslos. Sie war so müde, fühlte sich so elend, dass ihr das jetzt auch schon egal war. Nun musste sie Samantha gestehen, dass sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Tiefer konnte man wohl nicht sinken.

Als sie mit sechzehn Jahren von zu Hause ausgezogen war, hatte sie sich geschworen, es im Leben zu etwas zu bringen. Ihr Leben sollte sich nicht nur um Männer drehen, wie es bei ihrer Mutter der Fall war. Nie hatte Bailey sich mit einem Mann eingelassen. Doch dann hatte sie Raphael kennengelernt. Und nun war sie zweiundzwanzig, Single, arbeitslos und … schwanger.

Das war genau die Situation, vor der sie sich immer gefürchtet hatte. Tief atmete Bailey die kühle Frühlingsluft ein und sah auf. Der Süßwarenladen auf der anderen Straßenseite lockte sie. Wein durfte sie wegen der Schwangerschaft ja nicht trinken, also musste ein anderer Seelentröster her. Entschlossen steuerte Bailey auf das Regal mit Schokolade zu. Dabei fiel ihr Blick auf eine Illustrierte im Zeitungsständer. Der Mann auf der Titelseite sah Raphael zum Verwechseln ähnlich. Konsterniert las Bailey die Schlagzeile: Milliardärstochter Allegra Valenti gibt Prinz Raphael de Santis wenige Wochen vor der Hochzeit den Laufpass!

„Was zur Hölle …“

Die anderen Kunden drehten sich befremdet nach ihr um, als Bailey plötzlich laut fluchte. Doch das kümmerte sie nicht. Sie zog die Zeitschrift aus dem Ständer und begann sie mit bebenden Händen durchzublättern. Prinz Raphael? Es war nicht zu fassen! Endlich hatte Bailey den Artikel gefunden und überflog ihn hastig. Offenbar war man in Santa Firenze in heller Aufregung über diesen Skandal. Santa Firenze? Nie gehört. Bailey las weiter. Ah, da stand es ja. Es handelte sich um ein winziges Land irgendwo in Europa. Ein Land, in dem Raphael ein Prinz war. Ein blendend aussehender Prinz mit durchtrainiertem Körper. Fasziniert betrachtete sie einige Paparazzi-Fotos, die Raphael nur mit einer Badehose bekleidet zeigten. Wie gut sie diesen fantastischen Körper kannte … besser als ihren eigenen.

„Ich fasse es nicht“, sagte sie vor sich hin. Geistesabwesend fischte sie einen Zehn-Dollar-Schein aus der Tasche und warf ihn auf die Ladentheke. „Der Rest ist für Sie“, sagte sie geistesabwesend und eilte davon – bewaffnet mit der Zeitschrift und einer Tafel Schokolade.

Wie in Trance machte Bailey sich auf den Heimweg. Sie stand unter Schock. Wo war sie da hineingeraten? Was für ein Spiel hatte Raphael mit ihr gespielt?

Zu Hause wurde ihr übel, wie so oft in den vergangenen Wochen. Doch dieses Mal fühlte es sich anders an. Erschöpft schleppte sie sich ins Wohnzimmer. Samantha saß auf dem Sofa und musterte Bailey mit großen Augen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Bailey, bevor ihre Mitbewohnerin ihr eine ähnliche Frage stellen konnte.

„Du hast Besuch.“

„Aha. Wer ist es denn?“ Ein Steuerfahnder? Der hatte ihr gerade noch gefehlt. Oder ein Polizist mit einer unangenehmen Nachricht? Bailey lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Er … ist hier“, antwortete Samantha, als könnte sie es nicht glauben.

Bailey erstarrte. Es gab nur einen Mann, auf den die Frauen so reagierten, der die Frauen allein durch seine Gegenwart verzückte.

Diese Neuigkeit musste sie erst einmal verdauen. Doch dazu blieb ihr keine Zeit, denn im nächsten Moment hörte sie Schritte hinter sich. Sie wandte sich um und blickte direkt in die dunklen Augen des Prinzen de Santis, der offensichtlich in ihrem Zimmer auf sie gewartet hatte.

In der ärmlichen Wohnung wirkte er völlig deplatziert. Instinktiv versuchte Bailey, die Schwangerschaft zu verbergen. Zum Glück war sie unter dem weiten Mantel nicht auf den ersten Blick sichtbar.

„Was willst du denn hier?“ In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie die Zeitschrift mit Raphael auf der Titelseite in der Hand hielt.

„Ich bin hier, weil ich wieder an unsere Beziehung anknüpfen möchte“, erklärte er.

„Ich fasse es nicht!“, rief Samantha ungehalten. Sie hatte mit anhören müssen, wie Bailey sich jede Nacht die Augen ausweinte.

„Ich auch nicht.“ Bailey verschränkte die Arme.

„Ich würde gern unter vier Augen mit Bailey reden“, sagte Raphael zu Samantha und zog Bailey auch schon mit sich, dann schloss er die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich und schaute Bailey tief in die Augen.

Am liebsten hätte sie sich sofort an ihn geschmiegt, um die Geborgenheit zu finden, die ihr in den vergangenen Monaten so sehr gefehlt hatte. In seinen Armen würde sie die kummervolle Zeit ohne ihn schnell vergessen.

Doch so einfach war das nicht. Raphael hatte sie belogen!

„Ich bin nicht mehr verlobt“, sagte er, als rechtfertigte das alles. „Wir können also da anknüpfen, wo wir aufgehört haben, Bailey.“

„Du meinst, du tauchst hier ab und zu auf, schläfst mit mir und verschwindest wieder?“

„Bailey!“ Beleidigt verzog er das Gesicht.

Zu gern wäre sie mit den Fäusten auf ihn losgegangen.

„An mich werden gewisse Erwartungen gestellt und …“

„Das sehe ich.“ Wütend hielt sie ihm die Zeitschrift vor die Nase. „Wann wolltest du mir eigentlich die Wahrheit sagen, Raphael? Für mich warst du der Märchenprinz. Nun muss ich aus dieser Zeitschrift hier erfahren, dass du tatsächlich ein Prinz bist. Mir hast du dich als Pharmavertreter vorgestellt.“

„Nein, so war das nicht. Du hast mich dafür gehalten, Bailey. Erinnerst du dich?“

„Ich …“ Natürlich erinnerte sie sich! An jede winzige Einzelheit ihrer ersten Begegnung mit Raphael erinnerte sie sich …

Ihre Blicke waren ineinander versunken. Die Erde hatte aufgehört, sich zu drehen. In dem heruntergekommenen Lokal, in dem sie gearbeitet hatte, war er völlig fehl am Platz gewesen. Die Kellnerinnen dort trugen tief ausgeschnittene Tops und knappe Shorts, glitzernde Strumpfhosen und High Heels. Raphaels Flugzeug musste wegen des Wetters am Boden bleiben. Er hatte geschäftlich in der Stadt zu tun gehabt und war eher zufällig in dem Lokal gelandet. Bailey hatte sich sehr angeregt mit ihm unterhalten. Und war dann mit ihm in sein Hotel gegangen. Außer einigen Küssen war nichts passiert. Doch Bailey hatte sofort Feuer gefangen. Sie hatte nicht geahnt, dass sich wahre Leidenschaft so anfühlen konnte! Im einen Augenblick hatten sie noch miteinander geredet, im nächsten hatte Raphael sie schon zum Bett gedrängt.

„Ich bin noch Jungfrau, Raphael.“ Sie schaute ihn leicht erschrocken an.

„Das musst du nicht sagen. Aber wenn du mir die errötende Jungfrau vorspielen willst, werde ich dich nicht davon abhalten.“

„Ich spiele dir nichts vor. Für mich ist das alles neu. Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen, Raphael.“

Er richtete sich wieder auf. „Noch nie?“, fragte er ungläubig.

„Nein, noch nie. Aber ich mag dich. Wenn deine Maschine morgen immer noch nicht starten kann, dann können wir vielleicht …“

„Du willst warten, aber vielleicht nur bis morgen?“ Raphael versuchte Baileys Reaktion zu verstehen.

„Vielleicht.“ Unsicher senkte sie den Blick.

„Gut, dann warten wir.“ Er gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange, schenkte sich und Bailey ein Glas Wasser ein und setzte dann die Unterhaltung mit ihr fort.

Lange ließ sie ihn dann nicht mehr warten. Am zweiten gemeinsamen Abend wurde Raphael ihr erster Liebhaber. Wäre es nach ihr gegangen, wäre er auch der einzige geblieben.

Doch dann hatte sich ihr traumhafter Märchenprinz plötzlich in einen Frosch verwandelt. Und jetzt stellte sich heraus, dass der Frosch ein echter Prinz war! Es war völlig verrückt!

„Natürlich erinnere ich mich“, antwortete Bailey nun schnippisch.

„Dann weißt du auch noch, dass du mich ausgelacht hast. ‚Du bist aber kein Pharmavertreter, oder?‘, hast du gefragt. Ich habe darauf keine Antwort gegeben. Du hast dir vieles zusammengedichtet, was mich betrifft, Bailey.“

„Ach, und nun bildest du dir ein, ich wäre noch so hin und weg von dir, dass ich dich mit offenen Armen wieder empfange, sozusagen als deine Flamme in Colorado? Verrätst du mir, wo deine anderen Gespielinnen wohnen?“

„Du bist keine Gespielin für mich, Bailey.“ Energisch stritt Raphael diesen Vorwurf ab.

„Du hast mich aber so behandelt. Und du tust es noch immer. Hinaus mit Ihnen, Majestät. Aber ein bisschen plötzlich!“ Wütend zeigte sie auf die Tür.

„Ich lasse mich nicht herumkommandieren. Okay, ich habe dich nicht über alles aufgeklärt, aber jetzt weißt du ja Bescheid über mich. Ich bin ein Prinz und nehme mir, was mir gefällt.“

„Mich nicht!“ Unnachgiebig musterte sie ihn.

Raphael zog sie an sich. „Das ist nicht dein Ernst.“

„Doch.“ Sie versuchte, ihn zurückzustoßen. Aber es fühlte sich so gut an in seinen Armen. Fast hätte sie vergessen, dass er ihr Leben zerstört hatte.

Raphael umschlang ihre Taille und drängte Bailey fest an sich. Im nächsten Moment malte sich Verblüffung auf seinem Gesicht.

Entsetzt machte Bailey sich los und zog den Mantel schützend um sich. „Fass mich nicht an!“ Raphael sollte nicht wissen, dass sie schwanger war. Sie hatte sich schon mit der Rolle als alleinerziehende Mutter abgefunden, denn Raphael hatte ja gestanden, dass er eine andere Frau heiraten würde. Die SMS, die Bailey ihm geschickt hatte, als sie die Schwangerschaft festgestellt hatte, war nie beantwortet worden. Sie hatte um Hilfe gebeten, doch Raphael hatte nicht reagiert. Aber nun stand er vor ihr.

Ihre eigene Mutter hatte nie genug Geld für sich und Bailey gehabt. Es war immer ein harter Kampf gewesen, sie beide zu ernähren, denn Baileys Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als er von der Schwangerschaft erfahren hatte. Raphael war aber hier. Außerdem war er ein Prinz und hatte sicher genug Geld, Unterhalt für sein Kind zu bezahlen.

Entschlossen hielt Bailey seinen Blick fest. „Ich denke nicht daran, wieder deine Geliebte zu sein, Raphael.“ Langsam ließ sie den Mantel von den Schultern gleiten und strich sich über den leicht gewölbten Bauch. „Aber du bist der Vater meines Kindes, ob dir das passt oder nicht.“

2. KAPITEL

Prinz Raphael de Santis verschlug es nur selten die Sprache. In seinem bisherigen Leben war er im Grunde nie zurückgewiesen worden. Doch in dieser Woche hatte er nun schon die zweite Abfuhr erhalten.

Ein weniger selbstbewusster Mann wäre zutiefst verletzt gewesen. Ein Herrscher, dem ein ganzes – wenn auch kleines – Land zu Füßen lag, steckte das leichter weg.

Von klein auf war Raphael von anderen Menschen verehrt worden. Er war es gewohnt, dass ihm jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Diese kleine Kellnerin dachte jedoch gar nicht daran. Stattdessen hatte sie eine Überraschung für ihn, mit der er ganz und gar nicht gerechnet hatte.

„Bist du sicher, dass ich der Vater bin?“, erkundigte er sich schließlich. Die Frage würde Bailey noch wütender machen, trotzdem musste er sie stellen. Immerhin ging es hier um einen potenziellen Thronfolger, da wollte Raphael lieber ganz sicher sein, ob das Kind tatsächlich von ihm war.

„Wie kannst du es wagen, daran zu zweifeln?“ Zornig funkelte sie ihn an.

„Tut mir leid, aber ich muss dich das fragen.“ Raphaels Gedanken überschlugen sich. Sollte Bailey tatsächlich ein Kind von ihm erwarten, dann änderte das alles.

Sie war eine Abwechslung gewesen. Eine Zufallsbekanntschaft, aus der aber schon bald mehr geworden war. Er hatte Spaß an der Geschichte gehabt, die Bailey sich über ihn zusammenfantasiert hatte. Dass sie ihn für einen Geschäftsmann hielt, der alle paar Monate in Vail zu tun hatte und seine Freizeit dort mit ihr verbrachte.

Sie hatte keine Ahnung von seiner wahren Identität gehabt. Allerdings hatte Raphael auch immer großen Wert darauf gelegt, seine Privatsphäre zu schützen und nicht ständig in den Klatschspalten aufzutauchen. Das schuldete er seinem Land. Ausgerechnet jetzt hatte Allegra die Verlobung mit ihm gelöst und damit für einen Skandal gesorgt, der natürlich Schlagzeilen machte.

Vor drei Monaten hatte er die Beziehung zu Bailey beendet, weil der Hochzeitstermin mit seiner langjährigen Verlobten immer näher rückte. Raphael hatte Allegra nie berührt – und er war auch nicht verliebt in sie. Außer einem gelegentlichen Begrüßungskuss auf die Wange hatte es keine Zärtlichkeiten zwischen ihnen gegeben. Doch Raphael hatte stets vorgehabt, ein guter Ehemann zu sein. Treu. Oder zumindest diskret, je nachdem, zu welchem Arrangement sie sich entschließen würden.

Als Allegra dann vor einer Woche die Verlobung gelöst hatte, war für Raphael sofort klar gewesen, dass er die Beziehung zu Bailey wieder aufnehmen würde. Nun stand er jedoch vor einem Scherbenhaufen. Eine Hochzeit in Kreisen des Hochadels abzusagen war nicht ohne. Natürlich stürzte die Presse sich auf so einen Skandal.

Sein verstorbener Vater hatte die Medien verabscheut. Undenkbar, dass sein Name in einem Boulevardblatt erwähnt wurde! Die Familie de Santis war unantastbar. Das war auch Raphael von Kindesbeinen an eingeimpft worden. Auch auf eiserne Haltung hatte sein Vater größten Wert gelegt. Raphael hatte eine sehr strenge Erziehung genossen. Rückblickend erkannte er, wie wichtig diese Tugenden für einen Herrscher waren. Seit dem Tod seiner Eltern lag das Schicksal von Santa Firenze ganz allein in seinen Händen. Auf die Verbindung mit Allegra war er aus Staatsräson eingegangen, denn die Valentis zählten zu den angesehensten Familien Italiens. Eine Liebesheirat wäre es nicht gewesen. Doch Raphael war bereit gewesen, zum Wohl seines Volkes auf seine eigenen Bedürfnisse zu verzichten.

Die Verbindung mit Bailey hingegen brachte dem Land keine politischen Vorteile. Doch diese Frau brachte sein Blut zum Kochen! Wenn er mit ihr zusammen war, wurde er zu einem anderen Menschen. Dann war er nicht mehr der Herrscher über Santa Firenze, sondern nur Raphael. Diese beiden Leben ließen sich nicht miteinander vereinbaren. Bailey war nicht standesgemäß, und sie lenkte ihn ab. Vor solch einer Situation hatte sein Vater ihn schon früh eindringlich gewarnt.

Bailey trug aber offensichtlich auch den Thronfolger der Familie de Santis unter ihrem Herzen. Diese Tatsache durfte nicht ignoriert werden.

„Natürlich ist das Baby von dir, du hochwohlgeborener Hornochse“, zischte Bailey. „Du warst mein erster Mann. Schon vergessen?“

„Es ist fast ein Jahr her, dass wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben. Da kann viel passieren. Ich war ja nicht immer bei dir und habe vor drei Monaten Schluss gemacht. Es ist doch durchaus möglich, dass du dich inzwischen mit einem anderen Mann getröstet hast.“

„Klar, es war die reinste Orgie, seit du mich verlassen hast. Nachdem ich keinen hochadligen Bettgenossen mehr zur Verfügung hatte, hab ich mich eben auf die Normalsterblichen gestürzt. Je mehr, desto besser“, stieß sie sarkastisch hervor.

„Hör auf, Bailey! Das ist ordinär und passt nicht zu dir.“

„Klar passt es zu mir. Ich bin ja nur eine kleine Kellnerin, die du in einem anrüchigen Lokal aufgegabelt hast. In deinem vorbildlichen Land wäre ich völlig fehl am Platz.“ Bailey bebte vor Wut.

Es war genau wie vor drei Monaten. Damals hatte Raphael diese Wut allerdings absichtlich provoziert, damit Bailey ihm nicht zu sehr nachtrauerte oder ihm womöglich nachreiste. Inzwischen lagen die Dinge allerdings vollkommen anders.

„Du trägst mein Kind unterm Herzen“, sagte er und ließ den Blick auf ihrem Bauch ruhen. Viel war dort noch nicht zu sehen. Aber Baileys hinreißende Kurven waren eindeutig weiblicher geworden. „In der wievielten Woche bist du?“

„Ende des dritten Monats. Es muss schon vor unserer letzten Nacht passiert sein. Aber ich habe es nicht bemerkt.“

„Hast du versucht, mich zu erreichen?“

„Allerdings“, antwortete sie wütend. „Es war ganz schön schwierig, weil ich ja nicht wusste, wer du wirklich bist. Ich habe dir eine SMS geschickt.“

An das Handy, das er ausschließlich benutzt hatte, wenn er Kontakt zu Bailey aufnehmen wollte. Sie hatte seine wahre Identität nicht erfahren sollen. Es hatte ihm gefallen, den Pharmavertreter zu spielen, dessen Einkommen eher bescheiden war. Das Handy hatte er entsorgt, sowie er die Beziehung zu Bailey beendet hatte. Die Versuchung, die Affäre mit Bailey wieder aufleben zu lassen, wäre sonst einfach zu groß gewesen.

„Das Handy habe ich nicht mehr.“

„Aha. Wenn du mit einer Freundin Schluss machst, dann richtig“, höhnte sie.

„Freundin? Als Freundin hätte ich dich nicht bezeichnet!“ Er merkte selbst, wie unfair diese Worte waren. Mit allen anderen Frauen hatte er die Spielregeln vorab geklärt. Doch Bailey war eine Zufallsbekanntschaft gewesen …

Ursprünglich war er nach Vail gekommen, um die Hotelanlage eines Freundes zu besichtigen, da er mit dem Gedanken spielte, in den Ausbau der Anlage zu investieren. Ein Schneesturm hatte den Rückflug verzögert. Also hatte Raphael nach einem Restaurant gesucht, um eine Kleinigkeit zu Abend zu essen. Fast hätte er bereits auf der Schwelle wieder kehrtgemacht. Solche Etablissements waren nicht sein Ding. Dann hatte er jedoch Baileys Blick aufgefangen und war wie hypnotisiert gewesen. Er wollte diese Frau. Sie musste ihm gehören.

Und was Raphael wollte, das bekam er auch …

Sein erster Besuch in Vail war geschäftlich gewesen, die folgenden rein privat, nur um Bailey zu sehen. Die Medien hatten nie etwas geahnt, schließlich hatte der Prinz keine Verbindung zu Colorado. Außerdem hatte er sein Privatleben immer perfekt vor der Öffentlichkeit abgeschirmt. Es war eine Premiere gewesen, hier mit Bailey ganz normal ausgehen zu können.

„Entschuldige, Bailey, das klang jetzt unfair. Ich wollte damit nur sagen, dass ich keine offiziellen Freundinnen habe, nur diskrete Affären. So ist das eben, wenn man ein Prinz ist. Wenn man mich in der Öffentlichkeit mit einer Frau an meiner Seite sieht, ist die Gerüchteküche sofort am Brodeln. Wie ein Mönch kann ich aber auch nicht leben.“

„Du warst verlobt, Raphael“, gab Bailey zu bedenken.

„Stimmt, aber ich hatte nichts mit Allegra. Wir hätten eine Vernunftehe geschlossen.“

„Aha. Gut, dann sollten wir jetzt über deine Unterstützung für unser Kind reden. Selbstverständlich kannst du einen Vaterschaftstest machen lassen, wenn du darauf bestehst.“

Raphael musterte sie ungehalten. „Was denn für Unterhaltszahlungen?“

„Wie ich jetzt erfahren habe, lebst du in einem Schloss. Daher erwarte ich für unser Kind auch eine angemessene Unterkunft.“

„Du willst also Geld“, stellte er verblüfft fest. Diese Frau war wirklich faszinierend! Sie drohte nicht damit, die Presse zu informieren. Sie forderte kein Haus auf jedem Kontinent oder Zugang zu den Kronjuwelen. Sie schien nur an ganz normale Unterhaltszahlungen für ihr Kind zu denken. Offensichtlich hatte Bailey keine Vorstellung, was es bedeutete, das Kind des Prinzen von Santa Firenze zu erwarten.

„Warum zögerst du? Mein Vorschlag ist doch in Ordnung, oder?“, fragte sie schließlich. „Meine Mutter war auch alleinerziehend. Von meinem Vater haben wir nie einen Cent gesehen. Meinem Kind möchte ich ein Leben in bitterer Armut gern ersparen. Wir sind beide verantwortlich für das Baby, Raphael.“

„Das bestreite ich auch gar nicht. Aber du scheinst dir keine Vorstellung davon zu machen, worauf du dich einlässt, Bailey.“

„Ich lasse mich auf gar nichts ein. Ich bin schwanger und will das Beste für mein Kind“, entgegnete sie schroff. „Du führst ein Luxusleben, und dein Sohn oder deine Tochter muss jeden Cent zwei Mal umdrehen? Nein, Raphael, das kommt nicht infrage.“

„Meinem Kind wird es an nichts fehlen. Darauf kannst du dich verlassen, Bailey. Aber wenn du dir einbildest, das Kind könnte hier bei dir in Colorado aufwachsen, dann hast du wirklich keine Ahnung, mit wem du dich eingelassen hast.“

Zornig funkelte sie ihn an.

„Auf Alimente wirst du vergeblich warten, cara. Ende der Diskussion.“

„Was soll das heißen? Wer gibt dir das Recht, mich daran zu hindern, unser Kind hier in Colorado aufzuziehen? Du bist ja nicht einmal Staatsbürger der USA.“

„Schon mal was von diplomatischer Immunität gehört? Zieh dich warm an, wenn du gerichtlich gegen mich vorgehen willst. Das Gericht wird zu meinen Gunsten entscheiden, allein um diplomatische Verstimmungen zwischen den USA und Santa Firenze zu vermeiden. Außerdem kann ich mir kein Gericht der Welt vorstellen, das einer kleinen Kellnerin, die in einem anrüchigen Lokal hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten muss, das Sorgerecht zuspricht, wenn ein Mitglied des europäischen Hochadels der Kindsvater ist.“

„Du willst mir also mein Baby wegnehmen?“ Baileys Stimme bebte verdächtig.

„So weit sollte es nicht kommen.“

Bailey atmete tief durch. „Dann erklärst du mir jetzt bitte mal ganz in Ruhe, wie du dir das alles vorstellst! Ich verstehe nämlich kein Wort.“

„Gern. Unser Kind wird nicht in Colorado aufwachsen, sondern in Santa Firenze.“

„Aber in deinen Augen bin ich doch gar nicht standesgemäß!“

Leider stimmte das ja auch. Aber was sollte er tun? Er musste sie an sich binden, das war die einzige Möglichkeit. Die Vorstellung von Bailey mit einem anderen Mann brachte ihn fast um den Verstand. Zudem ging es nun auch noch um sein eigen Fleisch und Blut!

Raphael versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken. Ein Herrscher musste kühl und gefasst bleiben und wohldurchdachte Entscheidungen treffen. Begehren, heiße Lust waren fehl am Platz. Was hätte sein Vater in dieser Lage entschieden? Müßig, darüber zu grübeln. Sein Vater wäre niemals in eine so missliche Lage geraten.

Ganz in Ruhe wog Raphael nun die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ab. Eigentlich war es unmöglich, Bailey mit nach Santa Firenze zu nehmen. Sie war alles andere als standesgemäß. Aber er war ein Ehrenmann mit ausgeprägtem Pflichtgefühl. Er trug Verantwortung für sein Kind.

Entschlossen hielt er Baileys Blick fest. „Ob standesgemäß oder nicht, du trägst mein Kind unter dem Herzen!“

Er kam näher. Diese Frau gehörte zu ihm!

„Du wirst mich jetzt nach Hause begleiten“, sagte er dann mit fester Stimme. „Und zwar als meine zukünftige Ehefrau, Bailey Harper.“

3. KAPITEL

„Du besitzt einen Privatjet!“ Bailey war fassungslos.

„Selbstverständlich.“ Gelassen lief Raphael die Gangway hoch.

„Bist du auch mit dieser Maschine eingeflogen, als wir uns kennengelernt haben?“, erkundigte sie sich neugierig.

„Was dachtest du denn, wie ich fliege? Economyclass?“ Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

„Na ja, ich …“ Sie wusste selbst nicht, was sie gedacht hatte. Der Raphael, den sie damals kennengelernt hatte, existierte ja nicht mehr. Er hatte ihr das Herz gebrochen. Er war mit einer anderen Frau verlobt gewesen. Nun hatte er sich als waschechter Prinz entpuppt. Eigentlich hätte sie glücklich über diese Entwicklung sein müssen, denn ihr Kind würde niemals Not leiden. Aber Bailey war nicht glücklich. Sie fühlte sich klein und völlig verunsichert. Die Vorstellung, in eine Adelsfamilie einzuheiraten, überforderte sie. Doch was blieb ihr anderes übrig, wenn sie ihr Kind aufwachsen sehen wollte?

Also folgte sie Raphael widerstrebend ins Flugzeug. Die unbedeutende kleine Kellnerin aus Nebraska, die sich in Colorado ein neues Leben aufgebaut hatte, verließ ihre Heimat.

Staunend schaute sie sich im luxuriös ausgestatteten Privatjet um. So reisten also die oberen Zehntausend.

„Im Heck befinden sich die Schlafzimmer“, erklärte Raphael. „Du findest dort auch einen Wasch- und Duschraum.“

„Du kannst hier sogar duschen?“ Überrascht musterte sie ihn.

„Selbstverständlich.“

Für Raphael schien es das Normalste der Welt zu sein, eine Dusche im Flugzeug zur Verfügung zu haben.

„Okay, vielleicht brauche ich später eine Dusche, um mich aufzumuntern.“ Baileys Herz begann aufgeregt zu klopfen, als die Türen geschlossen wurden. „Raphael?“

„Ja?“

„Müssen wir wirklich jetzt schon fliegen? Ich stehe kurz vorm Examen.“

„Das sagtest du bereits, als du deine Sachen zusammengepackt hast.“

„Es ist mir wirklich wichtig, den Abschluss zu machen. Was meinst du, wie hart ich dafür schuften musste? Und nun soll alles für die Katz gewesen sein?“

Raphael setzte sich auf eins der beigefarbenen Sofas, sein Blick lakonisch.

Er tut, als gehöre ihm die Welt, dachte Bailey, wütend, dass sie nicht früher gemerkt hatte, wen sie da vor sich hatte. Sein Auftreten, seine Haltung, seine Selbstsicherheit hätten sie misstrauisch machen müssen. So verhielt sich nur jemand, der aus den höchsten Kreisen der Gesellschaft stammte. Aber ich war ja so verknallt in ihn. Durch die rosarote Brille habe ich nur gesehen, was ich wollte, dachte sie selbstkritisch.

„Weißt du, Bailey, Collegegebühren dürften deine geringste Sorge sein“, sagte Raphael lässig. „Du kannst den Abschluss auch von Santa Firenze aus machen oder dich dort an einer Hochschule einschreiben. Allerdings müsstest du im Palast lernen. Schließlich kannst du nicht einfach über den Campus spazieren.“

„Warum nicht?“

„Das wäre unangemessen. Die Paparazzi würden dich auf Schritt und Tritt verfolgen. So etwas geziemt sich nicht. In meiner Familie wird größter Wert auf Diskretion gelegt. Die de Santis sind eine sehr angesehene Familie. Nach Möglichkeit meiden wir den Rummel der Öffentlichkeit, und so soll es auch bleiben. Wir sind schließlich keine Neureichen, die ihre Termine ständig in den sozialen Netzwerken veröffentlichen. Ich entstamme einem uralten Adelsgeschlecht und bin stolz auf meinen Titel. Ich brauche keine Publicity. Die Berichterstattung über meine geplatzte Verlobung ärgert mich fürchterlich. Wahrscheinlich werde ich jetzt überall erkannt. Schrecklich! Ich hasse es, in der Öffentlichkeit zu stehen. Warum sollten die Leute sich für mich interessieren? Ich bin doch kein berühmter Schauspieler, sondern diene meinem Land.“ Er stöhnte ungehalten. „Jetzt habe ich ein neues Problem. Dich.“

„Wirklich? Das ist ja super. Ich hoffe, dieses Problem überfordert dich so sehr, dass du mich bald aufgibst.“

„Da machst du dir falsche Hoffnungen, cara. Immerhin erwartest du ein Baby von mir. Das Geburtsrecht dieses Kindes ist wichtiger als alles andere. Du musst mich heiraten, um dem Kind zu seinem Recht zu verhelfen.“

Bailey blinzelte ungläubig. „Lebst du im Mittelalter?“

„Nein, in Santa Firenze. Das ist der Preis für die Herrscherwürde.“

„Das hört sich ganz schön kostspielig an! Zum Glück bist du reich!“

„So ist es. Die Finanzierung deiner Schulbildung ist also gesichert. Auch sonst wirst du keine finanziellen Sorgen mehr haben, Bailey.“

Wie seltsam das klang! Es fiel ihr schwer zu begreifen, dass sie nun tatsächlich nicht mehr jeden Cent zwei Mal umdrehen musste. Ihr ganzes Leben hatte Bailey sich um Geld gesorgt! Und nun kam dieser Mann, schnippte mit den Fingern und behauptete, dass Geld kein Problem war. Es war geradezu surreal …

„Ich … ich kann das alles nicht so schnell verarbeiten, Raphael“, sagte sie schließlich.

„Dabei ist es doch ganz einfach“, antwortete er, als der Jet sich in die Lüfte erhob. „Ich trage einen Adelstitel, mein Kind darf nicht unehelich zur Welt kommen. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn meine Frau auch aus altem Adelsgeschlecht stammen würde oder wenigstens aus gutem Haus. Aber das lässt sich jetzt nicht ändern, denn du bist die Mutter meines Kindes. Damit muss ich mich abfinden.“

„An dir ist ein Schmeichler verloren gegangen“, zischte sie ironisch.

„Ich sage nur, wie es ist, cara.“

Sie schwieg eine Weile, dann richtete sie sich kerzengerade auf. „Wir müssen sofort umkehren, Raphael. Ich habe gar keinen Reisepass.“

Er lachte. „Kein Problem, ich lasse dir einen ausstellen.“

„Wie willst du das denn von hier aus erledigen, bevor wir in deinem Land landen?“

„Ich herrsche über mein Land. Einen Reisepass auszustellen ist eine Kleinigkeit. Du brauchst sowieso einen, wenn du irgendwann wieder in die USA reisen willst. Mach dir also keine Sorgen. Wenn wir gemeinsam reisen, fragt dich sowieso niemand nach deinen Papieren.“

Den bringt aber auch nichts aus der Ruhe, dachte Bailey ärgerlich, aber insgeheim auch ein wenig bewundernd. Jeden Einwand hatte er bisher auf unnachahmliche Weise gekontert.

„Deine Gelassenheit ist unglaublich“, sagte sie schließlich. „Ich selbst komme mir vor, als wäre ich in einer drittklassigen Reality Show gelandet.“

„Willst du mich beleidigen? Wir befinden uns in der ersten Klasse“, konterte er trocken.

Sie fand das gar nicht witzig. „Für dich scheint das alles ein riesiger Spaß zu sein, Raphael.“ Ungehalten sah sie ihn an. „Dir wurde alles in den Schoß gelegt. Ich musste mir alles hart erarbeiten. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Du gibst in einer Woche wahrscheinlich mehr Geld für Mineralwasser aus als ich in einem Monat für Grundnahrungsmittel.“

„Schon möglich, aber die Zeiten liegen jetzt hinter dir. Übrigens habe ich deiner Mitbewohnerin die Miete für die kommenden Monate überwiesen, um ihr den Abschied von dir etwas zu versüßen.“

„Das war aber sehr nett von dir.“ Bailey freute sich für Samantha. Dann überkam sie eine seltsame Schwäche. Fröstelnd kuschelte sie sich ins Sofa. „Ich glaube, ich stehe unter Schock“, sagte sie mit versagender Stimme.

Raphael merkte besorgt auf. „Atme tief ein und aus, Bailey!“

„Geht nicht.“ Ihr war schwindlig.

Im nächsten Moment war Raphael an ihrer Seite, umfasste ihr kaltes Gesicht. Sofort wurde ihr wärmer. „Atme, Bailey!“, forderte er sie energisch auf. Doch ihr wurde plötzlich schwarz vor Augen.

Als sie wieder zu sich kam, war ihr übel und noch kälter. „Was ist passiert?“, erkundigte sie sich heiser.

„Du bist ohnmächtig geworden.“ Raphael musterte sie besorgt.

Aber sorgte er sich um sie oder um das Baby? „Fass mich nicht an!“

Er zog sofort die Hände zurück.

Sie hasste es. Hasste, dass eine Berührung von ihm noch immer so viel in ihr auslösen konnte. Hasste es, dass er sie nicht mehr berührte …

„Passiert dir das öfter, Bailey?“

„Nein.“

Raphael stand auf und ging zur Bar. Bailey versuchte, den Blick abzuwenden.

„Ich hatte einen ziemlich aufregenden Tag“, bemerkte sie schließlich. „Erst erfahre ich aus der Zeitung, dass mein Ex ein Prinz ist, dann wird mir bewusst, dass ich das Baby eines Mitglieds des Hochadels erwarte, und dann erwartet mich der adlige Kindesvater auch noch in meinem Schlafzimmer und entführt mich in seinem Privatjet, wobei er mir die ganze Zeit in den Ohren liegt, mich zu heiraten, andererseits würde er mir das Kind wegnehmen. Wahrscheinlich war das alles zu viel für mich.“

Raphael öffnete eine Flasche Mineralwasser und schenkte ein Glas ein, das er Bailey in die Hand drückte. „Mich hat die Neuigkeit, Vater zu werden, doch auch nicht umgehauen“, gab er zu bedenken.

„Du bist ja auch eher ein Roboter als ein Mensch aus Fleisch und Blut“, behauptete sie und trank einen Schluck Wasser.

„Bist du sicher, Bailey? Du musst doch selbst am besten wissen, dass ich ein sehr leidenschaftlicher Mann bin und keine Maschine.“

„Okay, ich nehme das zurück.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Aber ein Herz hast du nicht.“

„Ich liebe mein Land von ganzem Herzen“, widersprach er. „Ich würde alles zum Wohl meines Volkes tun. Dazu gehört auch, einen Thronfolger zu produzieren. Der ist ja nun unterwegs. Worüber sollte ich mich also aufregen? Für mich steht fest, dass ich die Mutter meines Kindes heiraten werde. Wir werden etwas an dir arbeiten müssen, Bailey. Aber das bekommen wir schon hin. Meine Heirat war ja sowieso für den nächsten Monat geplant. Zweifellos hätte auch Allegra mir ein Kind geboren. So war es jedenfalls vorgesehen. Wenn man die Situation mal ganz nüchtern betrachtet, ist nur die Braut ausgetauscht worden.“

„Ach? Frauen sind für dich also einfach austauschbar?“ Empört funkelte sie ihn an.

„Natürlich nicht! Aber ich brauche nun mal eine Ehefrau und einen Erben, um die Dynastie fortbestehen zu lassen“, antwortete er harsch.

„Dann ist es dir völlig gleichgültig, wen du heiratest?“ Ungläubig sah sie ihn an. Als er nicht reagierte, senkte sie frustriert den Blick. „Wie konnte ich mir acht Monate lang einreden, du wärst mein Märchenprinz? Ich muss verrückt gewesen sein.“

„Wir sehen nur, was wir sehen wollen, Bailey. Du hast einer Fantasiegestalt nachgehangen. Ich war da, wir haben uns gut verstanden. Es hat dir ganz gut ins Konzept gepasst, dass ich nur alle zwei Monate eingeflogen bin.“

„Ich muss verrückt gewesen sein, dir meine Unschuld zu opfern. Und später müssen die Orgasmen mir den Verstand geraubt haben.“

Die verletzenden Worte taten ihr sofort leid. Was hatte sie bewogen, die Liebesspiele mit Raphael in den Schmutz zu ziehen? Die Nächte mit ihm waren wunderschön gewesen. Doch dann hatte er ihr das Herz gebrochen und alles zerstört.

„Tut mir leid, dass du das so siehst, Bailey“, sagte er schroff. „Ich wollte dich nicht verletzen. Aber ich musste unsere Beziehung beenden, weil ich Allegra die Ehe versprochen hatte und die Hochzeit bevorstand. Seit unserer Jugend waren Allegra und ich einander versprochen.“

„Aber jetzt musst du mich heiraten.“

Er nickte und fuhr sich durchs Haar. „Zum Wohl meines Heimatlandes. Eines Tages wird mein Kind ebenso handeln. Dafür werde ich sorgen. Meine Eltern haben es mir seit frühester Kindheit eingeimpft. Meine Mutter ist in dem Bewusstsein aufgewachsen, einen Prinzen zu heiraten. Sie hat ihre Rolle an der Seite meines Vaters perfekt ausgefüllt. Ihr Job war es, den Thronfolger auf seine Rolle als Herrscher vorzubereiten, Bailey. Ob jemand standesgemäß ist oder nicht, hat auch damit zu tun, Bailey!“

„Ich … ich kann nicht viel mit dem anfangen, was du gerade gesagt hast, Raphael.“

„Du solltest dich etwas hinlegen, Bailey. Versuch zu schlafen. Dann fühlst du dich bestimmt besser, wenn wir landen. Der Flugplatz ist nicht weit entfernt vom Palast. Dort kannst du dich dann in aller Ruhe erholen.“

Seine Besorgnis rührte sie, was sie sofort wieder wütend machte. „Du hast mir gar nichts zu sagen“, murrte sie, musste jedoch zugeben, dass sie tatsächlich sehr erschöpft war. „Okay“, fügte sie daher in versöhnlicherem Tonfall hinzu. „Dann gehe ich jetzt schlafen.“

Auf leicht unsicheren Beinen machte sie sich auf den Weg zum Heck des Jets, fand das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Neugierig sah sie sich um. Der Raum war größer als ihr Schlafzimmer in Vail und wurde von einem prunkvollen Bett in der Mitte dominiert. Es wirkte sehr einladend – nicht nur zum Schlafen.

Noch immer konnte Bailey es kaum fassen, wie grundlegend ihr Leben sich praktisch von einer Minute auf die nächste verändert hatte. Sie schlüpfte aus den Schuhen, legte sich auf das Bett und vergrub ihr Gesicht in ein Kissen. Verzweifelt kniff sie die Augen zu. Nein, sie wollte jetzt nicht weinen! Wieso denn auch? Sie träumte ja nur. Wenn sie wieder aufwachte, würde sie klarer sehen und sich mit der Realität abfinden: Sie war allein und schwanger. Ihr Ex war ein gemeiner Pharmavertreter aus Italien. Er war ganz bestimmt kein Prinz! Und sie würde niemals eine Prinzessin sein.

Es war absolut unrealistisch!

Die Limousine erwartete sie bereits, als sie in Santa Firenze aus dem Privatjet stiegen. Raphael machte sich Sorgen um Bailey und das ungeborene Kind. So bleich hatte er Bailey noch nie gesehen. Sie verhielt sich auch merkwürdig. Jede andere Frau wäre über den Heiratsantrag eines Prinzen völlig aus dem Häuschen gewesen. Aber Bailey wollte gar nicht heiraten, wollte keine Prinzessin werden. Dabei war es eine große Ehre, die Frau an seiner Seite zu sein. Erst verzichtete Allegra auf diese Ehre, nun Bailey. Doch das konnte er nicht zulassen.

Als er kurz nach der Landung leise das Schlafzimmer betreten hatte, um das angrenzende Badezimmer zu benutzen, musste er warten, denn Bailey hatte es mit Beschlag belegt. „Bitte beeil dich, Bailey, der Wagen ist schon vorgefahren.“

Eine Minute später kam sie heraus – in Jeans und Sweatshirt, die Haare nass.

„Wie ich sehe, hast du geduscht.“

„Klar, die Gelegenheit, während des Fluges zu duschen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.“

„Du wirst noch oft Gelegenheit dazu haben“, antwortete er.

„Vorausgesetzt, ich fliege wieder mit deinem Privatjet.“

„Davon gehe ich aus. Schließlich heiratest du mich und wirst mich auf vielen Reisen begleiten.“ Er verschwand kurz im Badezimmer und verließ dann mit Bailey am Arm das Flugzeug. Umsichtig half er ihr die Gangway hinunter und führte sie zur wartenden Limousine.

Widerstrebend stieg sie ein.

Raphael setzte sich zu ihr. „Du scheinst nichts begriffen zu haben“, sagte er missgestimmt. Machte Bailey sich einen Spaß daraus, ihn falsch zu verstehen? Er atmete tief durch und versuchte noch einmal, ihr die Lage zu erklären. „Ich bin der Herrscher über Santa Firenze. In meiner Familie gab es noch nie ein uneheliches Kind. Eine Scheidung hat es auch noch nie gegeben. Meine Familie genießt seit Generationen einen untadeligen Ruf. Du erhältst von mir die Gelegenheit, Teil meiner Familie zu werden. Meinen Heiratsantrag abzulehnen ist ein Affront, Bailey. Ich kann dir gar nicht erklären, wie groß der ist.“

„Du könntest es versuchen“, entgegnete sie schnippisch.

„Dafür ist die Fahrt zur Burg zu kurz.“

„Zur Burg?“ Bailey musterte ihn verwundert.

„Genau. Du tust, als wäre mein Englisch grottenschlecht. Italienisch ist zwar meine Muttersprache, aber Englisch beherrsche ich fast ebenso gut. Allerdings scheinst du mich nicht zu verstehen.“

„Das hat aber nichts mit deiner Aussprache zu tun“, antwortete sie beruhigend. Worüber regte er sich denn so auf?

„Woran liegt es dann?“ Ach, er wollte es gar nicht wissen. Bailey würde ihn schon verstehen, sobald sie den ersten Blick auf den Familiensitz erhascht hatte. Die Burg war der ganze Stolz seiner Familie und ein Juwel in Santa Firenze. Das Anwesen lag inmitten der Alpen, hoch über einem der tiefsten und blausten Seen Europas, umgeben von zerklüfteten Berggipfeln. Wenn Bailey diese Pracht sah, würde ihr wohl bewusst werden, was er ihr da präsentierte. So ein Geschenk würde sie ja wohl kaum ablehnen, oder?

Immer höher ging es die Serpentinen hinauf. Bailey wirkte unbeeindruckt und ließ ihn das auch spüren. „Ich bin über diese Situation alles andere als glücklich, Raphael“, sagte sie schließlich.

„Das verstehe ich nicht. Ich biete dir die Lösung all deiner Probleme an. Heirate mich, unser Kind kommt ehelich zur Welt, und du wirst nie wieder finanzielle Sorgen haben.“

„Deine finanzielle Unterstützung hätte ich gut gebrauchen können, als ich Doppelschichten in diesem grässlichen Restaurant arbeiten musste“, zischte sie. „Ich habe mir jeden Cent vom Mund abgespart, um meine Collegeausbildung zu bezahlen, während du dich als Geschäftsmann ausgegeben hast, der mit den Spesen der Firma auskommen muss.“

„Hättest du denn Geld von mir angenommen?“

Bailey presste die Lippen zusammen. „Ja“, stieß sie hervor.

„Du lügst. Niemals hättest du auch nur einen Cent von mir angenommen“, widersprach er. „Jedenfalls nicht von dem Geschäftsmann Raphael. Und der Prinz Raphael scheint dir alles andere als sympathisch zu sein.“

„Wundert dich das? Immerhin hat Prinz Raphael damals um Mitternacht mit mir Schluss gemacht. Ausgerechnet nach einem besonders romantischen Abend – so habe ich ihn jedenfalls empfunden. Aber dann hast du mich vor die Tür gesetzt. Ich musste mich durch einen Schneesturm kämpfen.“

„Ich dachte, ein klarer Schlussstrich wäre besser für uns beide.“

„Ach, wirklich? Gleich wirst du wohl auch noch behaupten, die Entscheidung hätte dir schlaflose Nächte bereitet.“ Bailey lachte sarkastisch.

Genau so war es aber gewesen. Jede Nacht hatte Raphael sich nach ihr gesehnt. Bailey hatte ihn auf den ersten Blick verzaubert. Bis heute konnte er sich das nicht erklären. Sie hatte etwas an sich, was er bei keiner anderen Frau je gefunden hatte. Mit Talent hatte das nichts zu tun. Er würde nie vergessen, wie sie zum ersten Mal vor ihm gekniet und ihn befriedigt hatte. Es war überwältigend gewesen, wahrscheinlich weil sie so unsicher gewesen war, aber instinktiv alles richtig gemacht hatte. Sie hatte sich vollkommen auf ihn und seine Bedürfnisse konzentriert, als wäre er der wichtigste Mensch in ihrem Leben.

Ja, er hatte schlaflose Nächte verbracht, sich nach Bailey gesehnt. Andere Frauen interessierten ihn einfach nicht mehr. Das erwies sich jetzt als Vorteil. Vergeblich hatte er versucht, seiner Verlobten Gefühle entgegenzubringen. Allegra war eine wunderschöne, glutäugige Italienerin, doch sie ließ ihn kalt. Er sehnte sich nach der blonden Bailey, nach Prinzessin Bailey …

Die Limousine nahm die letzte Kurve. Im nächsten Augenblick kam die Burg in Sicht. Wie von Zauberhand öffnete sich das schmiedeeiserne Tor, um den Wagen durchzulassen. Die letzten Meter führten zwischen hohen Hecken hindurch, direkt zum Rondell vor dem erhabenen Gebäude. Ein hübscher Springbrunnen mit einer goldfarbenen Statue zierte die Mitte der Auffahrt. Überall auf dem weitläufigen Grundstück befanden sich Marmorstatuen, die Raphaels Ahnen darstellten.

Mit einem schellen Seitenblick stellte Raphael fest, dass Bailey nun doch beeindruckt zu sein schien. Wie gebannt betrachtete sie die Türme der Burg, den Efeu, der sich am Mauerwerk emporrankte. Die blau-weiße Nationalflagge seines Landes wehte vom Dach des Palastes in der leichten Brise.

„Hier bin ich zu Hause“, erklärte Raphael stolz. „Wenn du meine Frau wirst, ist es auch dein Zuhause, und das unseres Kindes. Es sei denn, du bestehst darauf, unser Kind in einer WG in Colorado großzuziehen.“

„Ich … ich hatte ja keine Ahnung“, stammelte Bailey überwältigt.

„Ich versuche, das Land so weit wie möglich aus den Schlagzeilen herauszuhalten. Die Einwohner sind zufrieden, wir haben einen hohen Lebensstandard, Keine Skandale, keine Katastrophen. Wer soll sich schon für uns interessieren?“

„Sind wir in Narnia?“

Raphael lachte. „Nein, unseren Marmorstatuen kann man kein Leben einhauchen. Vielleicht kommst du dir vor wie im Märchen, Bailey, aber dies hier ist die Realität.“

„Schade, ich hätte dich zu gern in einem Märchenreich zurückgelassen und mich wieder in die wirkliche Welt abgesetzt!“

Sie ist wirklich widerspenstig, dachte Raphael. So etwas hatte er bisher noch nicht erlebt. Er war der Prinz von Santa Firenze!

„Du willst mich doch nicht wirklich loswerden, oder? Es ist nur alles anders, als du es dir ausgemalt hast. Außerdem schlägst du um dich, weil du insgeheim erwartest, für deine Sünden bestraft zu werden.“

„Für meine Sünden?“ Verständnislos musterte sie ihn.

„Ja. Du bist ungewollt schwanger geworden. Eine arme Kellnerin, die von ihrem Geliebten sitzen gelassen wurde und ihr Kind nun allein durchbringen muss. Aber so ist es nicht, Bailey. Du hast einen Mann, der bereit ist, die Verantwortung für sein Kind zu übernehmen. Darüber hinaus ist der Mann auch noch ein Prinz. Ihn abzuweisen wäre die reinste Energieverschwendung.“

Mit großen Augen betrachtete Bailey den Palast.

Wie schön sie ist, dachte Raphael bewundernd. Baileys Schönheit zog ihn in ihren Bann, genau wie bei ihrer ersten Begegnung. Jetzt erwartete sie sein Kind.

Sie musste ihn heiraten! Sie gehörte ihm! Er wollte sie, begehrte sie so sehr.

Doch für einen Prinzen konnte es nicht darum gehen, was er wollte oder was er begehrte. Begehren war Schwäche. Nein, für einen Prinzen konnte es immer nur eines geben: seine Pflicht.

„Komm!“ Raphael war ausgestiegen und bot Bailey seine Hand. „Du musst dich jetzt ausruhen. Ich zeige dir dein Zimmer.“

4. KAPITEL

Bailey versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie diese neue Umgebung überwältigte. In all dieser eleganten Pracht kam sie sich in ihrem Sweatshirt und den fadenscheinigen Jeans völlig deplatziert vor.

Geschäftig wirkende Bedienstete eilten durch die Korridore des Palasts, wobei sie sorgfältig darauf bedacht waren, jeden Blickkontakt mit Raphael zu meiden. So schrieb es das Hofprotokoll vor.

Bailey konnte das natürlich nicht wissen und wunderte sich über das merkwürdige Verhalten des Personals, das seinen Herrscher und dessen Begleitung vollkommen zu ignorieren schienen.

„Es ist sehr still hier“, bemerkte Bailey schließlich leise und erschrak, als ihre Worte durch die große Empfangshalle hallten.

„Ja. Stell dir vor, wie laut es hier wäre, wenn alle Bewohner und Bediensteten sich miteinander unterhalten würden.“

„Dann sind hier also alle zum Schweigen verdammt?“, fragte sie verwundert.

„Nein, so würde ich das nicht bezeichnen. Als mein Vater hier das Sagen hatte, wurde das Personal angewiesen, sich möglichst unsichtbar zu verhalten. Mir ist das recht so, deshalb habe ich die Anweisung nicht aufgehoben.“

Raphael schien es nicht zu stören, dass auch seine Worte durch den großen Raum hallten.

„Du bist wirklich eine erhabene Persönlichkeit!“, spottete Bailey.

„Du hast es erfasst.“ Er wandte sich nach Bailey um, die ihm folgte – in gebührendem Abstand, wie es schien.

„Ich dachte, auch der Adel wäre inzwischen im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen. Prinz Harry unterhält sich doch auch mit seinen Kameraden vom Heer.“ Bailey wunderte sich.

Raphael lachte abfällig. „Stimmt. Und er lässt sich splitterfasernackt von Kameras erwischen.“

„Das hätte dir auch passieren können, Raphael. Du hast einfach nur Glück gehabt, dass niemand mit einer Kamera zur Stelle war.“ Sie dachte einen Moment lang nach. „Wie dumm von mir, dass ich nicht eher daran gedacht habe. Von mir hast du ja einige anzügliche Fotos aufs Handy erhalten. Leider kam von dir nie etwas zurück. Schade eigentlich, dann hätte ich etwas in der Hand gehabt.“

Raphael musterte sie verwirrt. „Willst du jetzt etwa doch an die Presse gehen?“

„Nein, das habe ich eigentlich nicht vor. Wozu? Ich würde uns keinen Gefallen damit tun. Unserem Kind übrigens auch nicht. Was meinst du, wie es reagiert, wenn es einen skandalösen Artikel über unsere Beziehung im Internet findet? Nein, Raphael, das darf nicht geschehen.“

Er atmete erleichtert auf. „Ich bin froh, dass du das auch so siehst.“ Raphael begann, die breite Marmortreppe zu erklimmen.

Bailey folgte ihm. „Sag mal, was ist eigentlich mit meinen Sachen?“, fragte sie dann unvermittelt.

„Meine Leute kümmern sich darum. Ich weiß allerdings nicht, ob deine Sachen in deinem neuen Leben noch einen Platz finden werden.“

Das sah Bailey anders. Natürlich war sie immer auf Angebote angewiesen gewesen, aber es hatte auch Spaß gemacht, ab und zu ein echtes Schnäppchen zu ergattern! „Mir gefällt meine Kleidung.“

„Trotzdem wirst du neu eingekleidet werden. Du wirst über mehr Kleidung verfügen, als du je tragen kannst“, versprach er großzügig.

„Wozu?“

„Wozu?“ Raphael blieb stehen und musterte Bailey. „Als Frau an meiner Seite musst du stets perfekt gekleidet sein. Wenn wir unsere bevorstehende Heirat verkünden, wirst du aussehen wie eine Prinzessin. Ich will dich ja nicht blamieren. Das würde nur auf mich zurückfallen.“

„Genau.“ Bailey lächelte zufrieden, wurde aber gleich wieder ernst. „Sag mal, Raphael, was genau bedeutet das eigentlich für mich, Prinzessin zu sein?“

„Du hast bestimmt schon im Fernsehen Berichte über die Königshäuser Europas gesehen, oder? Familien versammeln sich auf dem Palastbalkon und winken der jubelnden Menschenmenge zu.“

„Klar, das Klischee kenne ich.“

Raphael zuckte nicht mit der Wimper. „Es ist kein Klischee, sondern Realität.“

Bailey versuchte, mit ihm Schritt zu halten. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Soll das heißen, dass du mich deinem gesamten Volk präsentieren wirst?“

„Unsinn!“

Bailey atmete erleichtert auf – zu früh, denn Raphaels nächste Worte schockierten sie.

„Ich werde dich der ganzen Welt präsentieren, Bailey.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. Als sie sich etwas von dem Schock erholt hatte, bemerkte sie: „Wieso sollte sich die ganze Welt für mich interessieren? Ich bin doch nur die kleine Bailey Harper aus Nebraska. Vor zwei Tagen habe ich mir noch als Kellnerin meinen Lebensunterhalt verdient.“

„Genau deshalb interessiert sich die ganze Welt für dich“, antwortete Raphael ernst. „Sie werden dich genauestens unter die Lupe nehmen, dein bisheriges Leben auf Skandale abklopfen. Die Medien werden sich darauf stürzen, dass du in einem anrüchigen Lokal gearbeitet hast, dass du schwanger bist, dass ich dich genau aus diesem Grund heiraten muss. Sie werden in deiner Vergangenheit schnüffeln, deine Eltern aufspüren und versuchen, dir einen Strick daraus zu drehen. Du weißt ja, wie die Medien sind. Mit Skandalen lässt sich Umsatz machen.“

„Klingt aufregend“, meinte Bailey sarkastisch. Insgeheim war sie entsetzt. Als Prinzessin gab es für sie wohl kein Privatleben mehr.

„Ich sage nur, wie es ist, Bailey. Deshalb habe ich mich immer bemüht, ein skandalloses Leben zu führen. Aber in diesem Fall ist ein Skandal wohl kaum zu vermeiden.“

„Es sei denn, ich würde nach Colorado zurückkehren. Wir vergessen einfach, was passiert ist“, schlug sie vor.

„Ich könnte es aber niemals vergessen“, stieß er harsch hervor.

„Du könntest dann aber eine standesgemäße Frau heiraten, Raphael. Früher hat man das auch so gemacht. Wenn ein Adeliger ein uneheliches Kind gezeugt hat, wurde die werdende Mutter mit Geld abgefunden, und die Angelegenheit war erledigt.“

„Das war früher, Bailey. Ich denke nicht daran, mein Kind zu verleugnen. Ich stehe zu meinem Fehler.“

„Ich bin also ein Fehler? Vielen Dank, Raphael. Da kann ich mich ja glücklich schätzen.“ Wütend ging sie weiter.

„Natürlich kannst du dich glücklich schätzen, Bailey. Schließlich heirate ich dich und mache dich zur Prinzessin.“

„Schön und gut. Aber du tust es nur, weil du dich dazu gezwungen siehst. Freiwillig hättest du niemals die kleine Kellnerin geheiratet, der du ja nicht einmal deine wahre Identität verraten hast. Ich war deine heimliche Affäre, sonst nichts. Als Ehefrau ungeeignet, da nicht standesgemäß. Du heiratest mich nur, weil ich ein Baby von dir erwarte, nicht um meinetwillen. Wieso also sollte ich mich glücklich schätzen?“ Wütend funkelte sie ihn an.

Bailey wusste selbst nicht, woher dieser unbändige Zorn kam. Warum konnte sie sich nicht einfach mit den Tatsachen abfinden und sich auf ihr neues Leben freuen? Sie hatte großes Glück gehabt, denn sie musste sich um die Zukunft ihres Kindes keine Sorgen machen. Sie brauchte auch nicht mehr als Kellnerin zu arbeiten, um sich und das Kind durchzubringen. Raphael ersparte ihr und dem Kind ein Leben in Armut. Das allein zählte.

Doch so konnte und wollte Bailey das nicht sehen, denn realistisch betrachtet, war sie in die gleiche Falle getappt wie damals ihre Mutter. Ihre unverheiratete Mutter war von einem Kfz-Mechaniker schwanger geworden, der von dem Kind nichts wissen wollte und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Sie selbst war auch unverheiratet und erwartete ein Baby. Mit dem einzigen Unterschied, dass Raphael zu ihr stand. Sie hatte einfach mehr Glück gehabt als ihre Mutter. Aber das Glücksgefühl wollte sich nicht einstellen.

„Diese Diskussion führt zu nichts“, befand Raphael schließlich und setzte den Weg in die erste Etage fort.

Widerstrebend folgte sie ihm.

Endlich hatten sie den breiten Korridor erreicht. An den Wänden hingen Gemälde von unschätzbarem Wert, wie Bailey sofort vermutete. In regelmäßigen Abständen befanden sich dazwischen Ritterrüstungen. Sehr museal, befand sie.

„Dies ist deine Suite.“ Raphael blieb schließlich stehen und öffnete die blau gestrichenen Flügeltüren zu einem eleganten Wohnzimmer, das in ein Schlafzimmer überging. Staunend betrachtete Bailey das dunkelblaue Himmelbett, auf dem unzählige Kissen lagen und das genug Platz für einen ganzen Harem geboten hätte.

„Für wie viele Leute ist das Bett gedacht?“, erkundigte Bailey sich auch sofort.

Raphael schaute sie nur wortlos an.

Ihr wurde heiß. Verlegen senkte sie den Blick.

„Du hast auch ein eigenes Badezimmer“, sagte er schließlich und deutete auf eine Tür, bevor er den Weg fortsetzte. „Hinter dieser Verbindungstür liegt meine Suite. Praktisch, oder?“

„Wie meinst du das?“

„Wir werden bald verheiratet sein, cara. Damit gehen gewisse Erwartungen einher.“

Seine Arroganz ist unerträglich, dachte sie wütend. „Glaubst du wirklich, ich werde mit dir schlafen, Raphael?“

„Das hast du ja bereits getan.“ Vielsagend ließ er den Blick auf ihrem Bauch ruhen.

„Stimmt, aber da habe ich dich ja auch noch für einen Normalsterblichen gehalten. Für einen Mann mit dem Herzen am rechten Platz, für einen Mann, mit dem ich mir eine Zukunft hätte vorstellen können.“

„Der Mann steht vor dir, Bailey. Wir werden heiraten.“

„Aber nur, weil deine Verlobte dir im letzten Moment den Laufpass gegeben hat.“ Außer sich vor Wut machte sie einen Schritt auf ihn zu. „Und nur, weil ich ein Kind von dir erwarte. Hätte deine Verlobte dich nicht im Stich gelassen, wärst du niemals bei mir aufgetaucht und wüsstest gar nicht, dass ich schwanger bin“, fauchte sie. „Meine SMS hast du ja ignoriert.“

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich das Handy entsorgt habe, mit dem ich Kontakt zu dir gehalten hatte.“

„Ein Handy für gewisse Stunden.“ Bailey lachte verächtlich. „Was wäre passiert, wenn jemand von deiner Verbindung zu mir erfahren hätte? Wäre dir das peinlich gewesen?“ Wieder lachte Bailey. Besser lachen, als in Tränen auszubrechen, dachte sie. Die Blöße wollte sie sich nicht geben. „Pech gehabt, Raphael. Bald wird die ganze Welt über uns Bescheid wissen.“

„Ich werde versuchen, alles so positiv wie möglich darzustellen“, versprach er.

„Sehr zuvorkommend, Raphael.“ Erneut lachte sie harsch. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich dich wieder in mein Bett lasse.“

„Ich verstehe nicht, was du plötzlich dagegen hast.“ Raphael musterte sie forschend. „Wir fühlen uns beide zueinander hingezogen. Oder willst du das leugnen?“

„Ich habe dir vertraut, Raphael. Ich habe dir meinen Körper anvertraut. Du siehst ja selbst, wohin das geführt hat.“ Sie strich sich über den Bauch. „Ausgerechnet mir musste das passieren. Ich weiß bis heute nicht, wer mein Vater ist. Du kannst mir glauben, dass ich ganz bestimmt nicht in die Fußstapfen meiner Mutter treten wollte. Trotzdem habe ich den gleichen Fehler gemacht wie sie – mit dir. Wie kann ich dir noch vertrauen, Raphael?“, fügte sie mit bebender Stimme hinzu. „Ich werde dich heiraten, weil es für unser Kind am besten ist und ich keinen anderen Ausweg sehe. Ich will das Kind, ich will, dass es abgesichert ist. Ich will nicht mehr als Kellnerin arbeiten müssen, um zu versuchen, mein Kind durchzubringen. Also werde ich dich heiraten, aber ich werde nicht deine Ehefrau sein, wenn du verstehst, was ich meine.“

Raphael verstand nur zu gut. „Erwartest du von mir, bis ans Ende meiner Tage wie ein Mönch zu leben?“, fragte er in eisigem Tonfall.

„Du kannst von mir aus tun und lassen, was du willst, solange du mir nicht zu nahe kommst.“

„Das werden wir ja sehen.“

„Tut mir leid, mein Entschluss steht fest. Damit musst du dich abfinden, Raphael.“

„Du dich aber auch. Wie gesagt, wir werden sehen.“ Er lachte schroff. „Ich weiß ja aus Erfahrung, wie heißblütig du bist, cara.“

Bailey unterdrückte die heiße Lust, die sie bei seinen Worten sofort empfand. Sie sehnte sich so sehr nach Zärtlichkeit, fühlte sich schrecklich einsam. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie Raphael begehrte. Doch natürlich ließ sie sich nichts anmerken. „Träum weiter, Raphael!“ Herausfordernd schaute sie ihn an.

Wortlos hielt er ihren Blick fest, kam näher und schlang einen Arm um Baileys Taille.

Das war der Prinz, nicht der Pharmavertreter, der sie jetzt so fordernd anschaute und wilde Lust in ihr entfesselte. Sie war nahe dran, schwach zu werden. Aber sie wollte doch stark bleiben. Zu spät!

Im nächsten Moment begann Raphael, sie stürmisch zu küssen. So stürmisch, wie er vor wenigen Stunden wieder in ihr Leben getost war. Bailey gab jeden Widerstand auf. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, erwiderte den Kuss voller Sehnsucht, meinte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Drei lange Monate hatte sie auf Raphaels Leidenschaft verzichten müssen. Viel zu lange! Gerade wollte sie sich sehnsüchtig an ihn schmiegen, da beendete Raphael den Kuss und lächelte triumphierend. „Wie gesagt, wir werden sehen.“

Im nächsten Moment stand Bailey allein in ihrer prachtvollen Suite – frustriert und zutiefst beschämt.

Als Bailey am nächsten Morgen nicht zum Frühstück auftauchte, begab Raphael sich auf die Suche nach ihr. In ihrer Suite hielt sie sich nicht auf, was ihn überraschte. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie noch schlief. Bailey war morgens nur schwer wach zu bekommen.

Etwas ratlos suchte er den Palast nach ihr ab. Nichts. Ob sie sich klammheimlich aus dem Staub gemacht hatte? Aber wo wollte sie hin? Ohne seine Erlaubnis konnte sie das Land nicht verlassen. Schon gar nicht ohne Reispass. Wo steckte sie nur?

In den Zeitungen wurde bereits spekuliert, ob Bailey seine Geliebte war – und ob sie schuld sein könnte an der Trennung von Allegra. Nein, Bailey war keine anonyme Person mehr. Sie konnte sich nirgends verstecken. Er würde sie überall aufspüren. Entschlossen sah Raphael auf, als eine Dienstbotin an ihm vorbeiging – den Blick gesenkt.

„Wo ist Bailey?“, fragte er brüsk.

Die Frau sah auf. „Ms. Harper nimmt das Frühstück in der Bibliothek ein“, antwortete sie scheu.

Raphael nickte zufrieden. Die Angestellte wusste nicht nur, von wem er sprach, sondern auch, wo die Gesuchte sich befand. „Danke.“ Erleichtert eilte er den langen Korridor entlang, stieß die Flügeltüren zur Bibliothek auf und trat ein.

Erschrocken sah Bailey auf. Sie war vollkommen vertieft in ihre Lektüre gewesen. „Woher weißt du, wo ich bin?“

„Ich habe Personal“, antwortete er lapidar.

„Ich weiß. Schließlich haben mir deine Angestellten das Frühstück gebracht. Sie sind alle sehr nett. Vielleicht solltest du dir auch mal die Mühe machen, mit ihnen zu sprechen, statt sie zu ignorieren und nur Anweisungen zu geben.“

„Ich ignoriere sie nicht. Es ist ein Zeichen von Respekt, dass sie sich so unauffällig verhalten. Stell dir mal vor, ich würde mich mit allen Bediensteten unterhalten. Die Arbeit würde liegen bleiben, und ich selbst würde auch zu nichts kommen. Mein Personal wird anständig bezahlt und behandelt. Mein Zuspruch ist nicht erforderlich. Die Bediensteten zollen mir hohen Respekt, auch ohne dass ich mich ständig eingehend nach ihrem Befinden erkundige.“

„Du bist wirklich ganz schön eingebildet.“

Raphael ging kommentarlos darüber hinweg. „Wie zuvorkommend von ihnen, dich in meinem eigenen Haus zu verstecken.“

„Ich habe mich überhaupt nicht versteckt. Dieser Palast hat die Ausmaße einer Kleinstadt. Ich brauche ein Taxi, um von A nach B zu kommen.“

„Du übertreibst mal wieder maßlos.“ Raphael verdrehte die Augen himmelwärts. Dann kam er auf sein eigentliches Anliegen. „Ich habe dir eine neue Garderobe beschafft.“

Langsam stellte Bailey die Teetasse ab. „Du persönlich?“

„Mach dich nicht lächerlich!“

„Ist es nicht lächerlich, dass du jemanden damit beauftragst, mir neue Klamotten zu besorgen?“

„Nein! Ich habe absolut nichts Lächerliches an mir.“

Bailey lachte. „Jetzt nimmst du mich aber auf den Arm.“ Sie stand auf und strich über das dünne T-Shirt, das ihre festen Brüste und den leicht gewölbten Bauch betonte. „Du hattest eine heimliche Affäre mit einer Studentin in Colorado, der du verheimlicht hast, dass du ein Prinz bist – mit Palast und allem, was dazugehört! Das ist schon ein wenig lächerlich, oder? Und dann dieses übertrieben erhabene Getue, als müsstest du überspielen, dass es im Bett nicht so gut läuft!“

Raphael zog eine Augenbraue hoch. „Letzteres wissen wir beide besser.“

Sie winkte ab. „Ich habe ja keine Vergleichsmöglichkeit.“

„Wie auch immer, du kennst meinen Körper in- und auswendig, und lächerlich bin ich nun wirklich nicht, Bailey.“

Ihr wurde heiß, doch sie ließ sich nichts anmerken. „Das ist Ansichtssache.“

„In diesem Land zählt aber nur meine Meinung“, belehrte er sie von oben herab.

„Lächerlich“, wisperte Bailey vor sich hin.

„Die Pressekonferenz findet übrigens heute statt.“ Raphael wurde dieses sinnlose Geplänkel zu dumm.

„Wie bitte? Ich bin noch gar nicht richtig da.“ Bailey war entsetzt.

„Es geht aber nicht anders. Die Hochzeit muss so bald wie möglich stattfinden. Das ist dir doch wohl klar, oder?“

„Wie willst du denn so schnell eine Hochzeit vorbereiten, Raphael?“

„Das ist kein Problem, wenn man genug Einfluss und Personal hat“, beschied er sie.

Autor

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