Julia Royal Band 35

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WIE VERFÜHRT MAN EINE PRINZESSIN? von LEANNE BANKS

„Wie fühlen Sie sich, Prinzessin?“ Coco kann die Frage des Reporters nicht beantworten. Zu neu ist für sie, dass sie zur Königsfamilie von Chantaine gehört. Zum Glück ist ein starker Mann an ihrer Seite: Benjamin Garner, der ihr mehr bedeutet als ihr royaler Titel …

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Keine Eskapaden mehr – Prinzessin Alice will sich künftig untadelig benehmen. Doch beim Anblick des neuen Pferdepflegers schmilzt ihr Vorsatz dahin. Alice ahnt nicht, dass der vermeintliche Habenichts ein Tycoon ist, der zwei Trophäen begehrt: ihren Lieblingshengst – und ihre Hand!

KÖNIGIN FÜR EINE NACHT? von CHANTELLE SHAW

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  • Erscheinungstag 11.01.2025
  • Bandnummer 35
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534000
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Leanne Banks

1. KAPITEL

Seine Tochter hasste ihn.

Behutsam öffnete Benjamin Garner die Eingangstür zu seinem geräumigen Haus, das sich über zwei Stockwerke erstreckte, und hielt einen Moment inne. Auf seiner fast viertausend Hektar großen Rinderfarm hatte er das Sagen, aber in seinem eigenen Haus fühlte er sich als Fremder.

Der Grund dafür war seine fünf Monate alte Tochter, die ihn offenbar nicht ausstehen konnte.

Jedes Mal, wenn er sich ihr näherte, stieß sie einen Schrei aus, der ganz Neuseeland hätte wecken können. Dabei lag Neuseeland ganze fünfzehn Flugstunden von Silver City in Texas entfernt.

Er bemühte sich, in seinen schweren Stiefeln so wenig Lärm wie möglich zu machen. Zwar hatte Coco Jordan, die junge Nanny, die vom ersten Moment an wahre Wunder bei der kleinen Emma bewirkt hatte, ihm versichert, dass die Kleine durchschlafen würde, aber so ganz wollte er ihr nicht glauben.

Manchmal kam es Benjamin vor, als besäße seine Tochter einen sechsten Sinn und könnte es von ihrem Kinderzimmer aus spüren, wenn er vor der Haustür stand. Bei diesem Gedanken musste er den Kopf über sich selbst schütteln. Er wurde wirklich langsam verrückt.

Auf dem Weg zu seinem Büro im hinteren Teil des Hauses kam er an der Küche vorbei.

„Ah!“

Sein Magen zog sich zusammen. Er wusste genau, wessen Stimme das war, und versuchte, so schnell wie möglich weiterzugehen.

„Benjamin“, hörte er die sanfte Stimme der Nanny aus der Küche, „Sie können ihr nicht immer aus dem Weg gehen.“

„Ah“, machte Emma.

Er atmete tief durch und drehte sich dann zu Coco um, die mit seiner Tochter im Türrahmen stand. Die Kleine betrachtete ihn misstrauisch aus großen blauen Augen, während Coco ihn zu ermutigen schien, sich der Situation zu stellen. Noch hatte Emma nicht angefangen zu schreien. Vielleicht sammelte sie noch ihre Kräfte für den nächsten Ausbruch.

„Sie hat gerade gegessen und ist dann normalerweise gut gelaunt. Möchten Sie sie vielleicht mal nehmen?“

Auf gar keinen Fall, dachte er. Eine Klapperschlange war leichter zu händeln als dieses Kind. Er schob seinen Hut zurück und machte eine abwehrende Geste. „Ich habe mir noch nicht die Hände gewaschen.“

„Das macht doch nichts. Ein bisschen Dreck wird sie nicht umbringen.“

„Na gut.“ Er öffnete die Arme und bereitete sich innerlich bereits auf die Zurückweisung der Kleinen vor. „Ich versuch’s mal.“

Coco ging langsam auf ihn zu. Benjamin sah, dass sich Emmas Augen mit jedem Schritt, den sie ihm näherkam, angstvoll weiteten. „So, meine Süße“, flüsterte Coco dem Mädchen zu, „das hier ist dein großer starker Daddy, der immer auf dich aufpassen wird. Du brauchst überhaupt keine Angst zu haben.“

Sanft legte Coco ihm Emma in die Arme. Den Atem anhaltend, zog er die Kleine näher an seine Brust heran. Mit großen Augen sah sie zu ihm auf. Er fing leise an zu zählen. Eins, zwei drei, vier, fünf.

Emma presste die Lippen aufeinander und blickte zu Coco hinüber. Als Benjamin sah, dass die Unterlippe seiner Tochter zu zittern begann, wusste er, was kommen würde. Sie gab einen schrillen Laut von sich, der sich zu einem immer lauter werdenden Heulen steigerte. Er fing Cocos entmutigten Blick auf und schüttelte den Kopf.

„Hier“, sagte er und gab der Nanny das schreiende Kind zurück. „Wir sollten das arme Ding nicht unnötig quälen. Deshalb habe ich Sie schließlich eingestellt.“

Coco strich Emma tröstend über den Rücken. „Aber wir müssen sie doch langsam an Sie gewöhnen. Wir müssen einen Weg finden.“

„Vielleicht schaffen wir es ja bis zu ihrem ersten Geburtstag“, erwiderte er und wandte sich ab.

„Warten Sie.“ Er fühlte Cocos Hand auf seinem Arm und drehte sich um.

„Vielleicht hat sie Angst vor Ihrem Hut“, erklärte sie. „Wenn Sie ihn absetzen, wird sie vielleicht …“

„Das versuche ich beim nächsten Mal. Jetzt habe ich noch etwas am Computer zu tun“, antwortete er und ging weiter in sein Büro.

Er konnte es nicht begreifen. Seine Ranch hätte er mit verbundenen Augen führen können, aber es gelang ihm nicht, seine Tochter für eine Minute in den Armen zu halten, ohne dass sie vor Angst panisch zu weinen anfing. Eines Tages würde er das ändern müssen, aber er wusste einfach nicht wie.

Was hatte Brooke getan? Hatte seine ehemalige Geliebte ihrem Kind erzählt, dass er ein schrecklicher Mann wäre, bevor sie auf dem Rücksitz des Motorrads ihres letzten Liebhabers tödlich verunglückt war?

Brooke und er hatten eine kurze Affäre gehabt, die nur ein Wochenende gedauert hatte. Danach waren beide wieder zur Vernunft gekommen. Bis sie ihm wenige Wochen nach ihrer Begegnung eröffnet hatte, dass sie schwanger war. Benjamin hatte sie sofort gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, obwohl beiden klar war, dass sie nicht zueinander passten. Seinen Antrag hatte zwar Brooke abgelehnt, aber seine Unterstützung hatte sie angenommen. Widerstrebend begriff er, dass er nur ein Teilzeitvater sein würde – an zwei Tagen im Monat. Vor dem Tod ihrer Mutter hatte er Emma nur dreimal gesehen.

Dann war er ganz plötzlich zum alleinerziehenden Vater geworden. Zu einem Vater, dessen Tochter jedes Mal in Tränen ausbrach, wenn sie ihn sah.

Wieder spürte er diesen Knoten im Bauch. Ob er sein Kind jemals in den Armen halten würde, ohne dass es vor Angst schrie?

Zum Glück hatte er Coco. Bei ihr fühlte Emma sich sicher und manchmal schien es ihm, als verfüge sie über übernatürliche Kräfte im Umgang mit Babys. Sie war genau das, was Benjamin gebraucht hatte. Und in letzter Zeit war ihm immer wieder der Gedanke gekommen, ob sie vielleicht … mehr … sein könnte.

Benjamin schüttelte den Kopf. Verrückte Gedanken. Er schob sie von sich und konzentrierte sich stattdessen wieder auf den Computerbildschirm.

Er hatte mehr als genug zu tun, ohne sich auch noch den Kopf über das Kindermädchen zerbrechen zu müssen.

Coco sah ihrem großen, breitschultrigen Boss nach, als er in sein Büro verschwand. Vorsichtig löste sie sich von Emma, die sich wie ein kleines Äffchen an sie klammerte. Coco war überzeugt davon, dass Emma ihre Mutter noch immer vermisste, auch wenn Brooke anscheinend mehr an Partys als an ihrer Tochter interessiert gewesen war.

Wahrscheinlich hatte Benjamin versucht, Emmas erste Nanny auch weiterhin zu engagieren. Aber es war nicht jedermanns Sache, auf einer Ranch am Ende der Welt zu leben. Coco hingegen kam das gerade gelegen nach der Zeit, die sie bei ihrer Mutter im Hospiz verbracht hatte. Es war schön, nicht mehr allein in einem winzigen Apartment leben zu müssen. Nach dem Tod ihrer Mutter war sie ganz allein gewesen.

Sich um das Baby zu kümmern, half ihr dabei, über ihren Verlust hinwegzukommen. Aber nach dem seltsamen Besuch der beiden fremden Männer, die gestern plötzlich auf Benjamins Veranda aufgetaucht waren, hatte sie Angst bekommen. Was wollten sie von ihr? Hatte ihre Mutter ihr Schulden hinterlassen, die sie nun bezahlen musste?

Der Gedanke ließ Coco panisch werden. Sie hatte bereits einen Kredit aufgenommen, um die Beerdigung ihrer Mutter zu bezahlen, und den anderen Kredit für ihr Studium würde sie noch für eine lange Zeit abzahlen müssen. Kurz vor dem Abschluss musste sie das Studium abbrechen, aber sie hatte sich fest vorgenommen, es später fortzusetzen. Doch damit würde sie noch warten müssen. Jetzt musste sie erst einmal ihr inneres Gleichgewicht wiederfinden. Schon als sie die Ranch zum ersten Mal betreten hatte, spürte sie, dass dies der richtige Ort dafür war.

Sarah Stevens, Benjamins langjährige Haushälterin, schnalzte mit der Zunge, als sie die Diele betrat. „Wie lange wird dieser Mann noch brauchen, bis er sich endlich traut, das Kind so lange im Arm zu halten, bis es aufhört zu schreien?“

„Es ist nicht allein seine Schuld“, sagte Coco. „Emma will einfach nichts von ihm wissen.“

Sarahs faltiges Gesicht wurde weich. „Stimmt schon, das Baby hat viel mitmachen müssen. Wer weiß, in was für einer Umgebung sie mit dieser Brooke Hastings leben musste.“ Sie schnaubte verächtlich. „Dieses Partygirl! Ich werde nie verstehen, wie er sich jemals auf sie einlassen konnte.“

Coco hatte sich selbst schon gefragt, wie es dazu gekommen war, dass sich der durch und durch verlässliche Rancher Benjamin Garner mit einem der berüchtigtsten Partygirls von Dallas eingelassen hatte. „Irgendetwas müssen sie ja im anderen gesehen haben.“

Sarah schnaubte erneut. „Für ein Abenteuer hat es wohl gereicht. Natürlich hat Benjamin sofort versucht, das Richtige zu tun, als er herausfand, dass die reizende Miss Brooke schwanger war. Aber sie wollte sich nicht binden, sie wollte mehr vom Leben.“ Sarah schüttelte den Kopf. „Zum Glück bist du genau zum richtigen Zeitpunkt hier aufgetaucht. Das Würmchen hat zwar auch mit mir vorliebgenommen, solange ich sie auf dem Arm hatte, aber die Hälfte meiner Arbeit ist liegen geblieben. Ich bin immer noch dabei, alles wieder aufzuholen.“

„Ja, für mich war der Zeitpunkt genau richtig“, stimmte Coco ihr zu.

Die ältere Frau strich Emma zärtlich über die Wange und lächelte. „Sie ist zauberhaft, wenn sie nicht schreit.“

In dieser Nacht lag Coco lange wach. Ihr Schlafzimmer lag direkt neben dem Kinderzimmer. Sie schlief dort, weil das Baby nachts häufig aufwachte. Der Besuch der beiden Männer ließ ihr keine Ruhe und sie fragte sich, was sie tun sollte. Waren sie Geldeintreiber? Sollte sie einen Anwalt aufsuchen? Erst nach Stunden konnte sie endlich einschlafen.

Plötzlich wurde sie von einem markerschütternden Schrei geweckt. Sie saß aufrecht im Bett und es dauerte einen Moment, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigte.

Sie hörte einen weiteren Schrei. Das war Emma. Wieder ein Albtraum, dachte sie. Wer hätte gedacht, dass auch Babys Albträume haben? Coco sprang aus dem Bett und eilte nach nebenan. Sie machte kein Licht, weil sie den Weg im Schlaf kannte.

Nur dass sie diesmal gegen eine lebendige Wand lief.

Bei dem reflexartigen Versuch, sich abzustützen, landeten ihre Hände auf Benjamins Schultern, auf warmer Haut über starken Muskeln. Das Herz schlug hart in ihrer Brust und sie fühlte, wie er seine Arme um sie legte, um sie vorm Fallen zu bewahren.

Endlich begannen ihre Augen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.

„Entschuldigung“, stieß sie hervor und spürte, wie eine seltsame Mischung aus Verlangen und Panik von ihr Besitz ergriff.

„Ich habe Emma gehört. Sie hat nicht mehr aufgehört zu schreien“, sagte Benjamin mit rauer Stimme.

Coco trat einen Schritt zurück. „Es tut mir leid“, wiederholte sie. „Ich habe so fest geschlafen.“

„Sie brauchen eine Pause“, erwiderte er und strich sich mit der Hand durchs Haar.

„Es wird schon gehen“, erwiderte sie und öffnete die angelehnte Tür zu Emmas Kinderzimmer. Emma schrie pausenlos weiter. Coco eilte zur Wiege und nahm das Baby in die Arme.

„Alles ist gut, meine Süße, du bist in Sicherheit.“

Emma hörte auf zu schreien und stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Sie scheint wieder in Ordnung zu sein“, sagte Benjamin, der ihr gefolgt war.

Coco wandte sich zu ihm um und stellte fest, dass er nur mit einer Pyjamahose bekleidet war. „Ja, es sieht so aus.“

Sie fühlte, wie sich die Anspannung in Emmas Körper langsam löste.

„Vielleicht hat sie im Dunkeln nicht so viel Angst vor Ihnen. Kommen Sie, wir probieren es mal.“

„Das habe ich schon versucht“, erwiderte er abweisend.

„Aber heute ist es anders, es ist dunkel und Sie tragen Ihren Hut nicht. Vielleicht …“

„Nicht heute“, sagte er fest. „Ich will sie nicht noch mehr aufregen. Bis morgen.“ Eilig verließ er das Zimmer.

Seufzend setzte Coco sich in den Schaukelstuhl. Sie fand es schrecklich, dass die Situation zwischen Emma und Benjamin so angespannt war. Sie hatte gehofft, dass sich die Beziehung der beiden mit der Zeit verbessern würde, aber im Moment schien sie sich eher zu verschlechtern. Sie fühlte, wie sich das Baby entspannte. Es rührte sie jedes Mal, wenn sie spürte, wie sehr es ihr vertraute. Sie stand auf, legte Emma wieder in ihre Wiege und ging zurück in ihr eigenes Bett. Diesmal schlief sie ein, sobald sie ihren Kopf auf das Kissen gelegt hatte.

Am nächsten Vormittag machte Coco sich gleich nach dem Frühstück bereit, in die Stadt zu gehen, weil sie einen Arzttermin hatte. Emma schlief gerade. Sarah würde nach ihr sehen, falls sie aufwachen sollte. Doch genau in dem Moment, als sie die Stufen der Vordertreppe hinunterlief, sah sie einen schwarzen Mercedes auf das Haus zufahren. Ihr wurde ganz flau. Mit diesem Auto waren auch die beiden seltsamen Männer gekommen, die sie vor zwei Tagen aufgesucht hatten.

Sie sah nervös zum Haus, betete, dass niemand die Besucher bemerken würde. Mit klopfendem Herzen ging sie auf das Fahrzeug zu. Der Mann auf dem Beifahrersitz öffnete die Tür und stieg aus. Er war klein, hatte graues Haar und kniff die Augen zusammen. „Miss Jordan, ich bin Paul Forno. Ich vertrete das Haus Devereaux. Mein Partner und ich müssen Sie in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.“

Das Haus Devereaux? Coco war sich nicht sicher, ob es sich um ein Modelabel oder ein Inkassobüro handelte. Als der Fahrer die Tür öffnete, wurde sie panisch. „Hören Sie, Sie befinden sich auf Privatbesitz. Ich arbeite hier.“

„Natürlich, Madam. Wir bitten um Entschuldigung, aber wir müssen Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Wenn Sie einen Moment Zeit für uns hätten …“

„Jetzt nicht“, erwiderte sie. „Ich wollte gerade los.“

Der Mann seufzte. „Wie Sie wünschen, Miss, aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Hier ist meine Karte. Bitte rufen Sie mich an, sobald Sie Zeit haben“, sagte er und gab ihr seine Visitenkarte.

In dem Versuch, ihre Verwirrung zu verbergen, nickte Coco brüsk, nahm die Karte und stopfte sie in ihre kleine Handtasche. Dann ging sie schnell zu ihrem Auto. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Was konnte das bedeuten? Und wer waren wir? Ihre Hände zitterten, als sie den Zündschlüssel im Schloss drehte. Erleichtert sah sie im Rückspiegel, wie der schwarze Mercedes kehrtmachte und losfuhr.

Sie kurbelte das Fenster herunter und atmete ein paarmal tief durch. Die Männer sahen aus wie die Geldeintreiber, die ihrer Mutter in den letzten zwei Monaten vor ihrem Tod das Leben schwergemacht hatten. Ihre Mutter war hoch verschuldet und die Gläubiger machten Druck, weil sie ihr Geld zurückhaben wollten. Coco versuchte zu helfen, wo es ging, aber in der letzten Zeit vor dem Tod ihrer Mutter konnte sie nur noch in Teilzeit arbeiten. Die Pflege ihrer Mutter nahm den Rest ihrer Zeit und Energie vollkommen in Anspruch.

Manchmal fragte sie sich, ob sie vielleicht für einen Teil der Schulden würde aufkommen müssen.

Auf dem Weg in die Stadt kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um diese Fragen. Was soll ich nur tun? dachte sie. Plötzlich fiel ihr eine Freundin ein, die bei einem Anwalt gearbeitet hatte. Vielleicht könnte sie sie anrufen.

Gleich nachdem sie aus der Stadt auf die Ranch zurückgekommen war, rief sie ihre Freundin Kim an.

„Was gibt es denn, Coco? Du hörst dich so ernst an.“

„Vielleicht brauche ich Rechtsbeistand“, antwortete Coco zögernd.

„Wieso? Was ist los?“, fragte Kim besorgt.

„Ich muss in Erfahrung bringen, ob ich für die Schulden meiner Mutter haftbar gemacht werden kann. Zwei komische Männer sind hier auf der Ranch gewesen. Sie erinnern mich an die Geldeintreiber, die immer bei meiner Mutter aufgetaucht sind.“

„Solange du nichts unterschrieben hast, musst du auch nichts bezahlen. Als die Eltern von meinem Mann gestorben sind, musste keins der Kinder die Schulden übernehmen, solange sie das Erbe nicht antraten.“ Kim hielt kurz inne. „Du solltest mit Benjamin sprechen. Er wird schon dafür sorgen, dass sie dich in Ruhe lassen.“

„Aber er ist mein Boss! Nein! Das geht nicht. Es ist mir peinlich, ihm davon zu erzählen.“

„Wenn sie wiederkommen, kriegt er das sowieso mit. Da kannst du es ihm auch gleich sagen. Glaub mir, Benjamin würde niemals zulassen, dass irgendjemand versucht, dich in windige Geldgeschichten zu verwickeln.“ Im Hintergrund begann ein Kind zu weinen. „Tut mir leid, Coco, ich muss auflegen. Aber sprich mit Benjamin, okay?“

„Ja, mache ich“, stimmte Coco widerwillig zu. Sie spürte, wie sich ihr Magen bei dem Gedanken, mit Benjamin über die Schulden ihrer Mutter zu sprechen, schmerzhaft zusammenzog.

Nach dem Mittagessen fing sie Benjamin ab, der gerade wieder nach draußen gehen wollte. „Hey, alles in Ordnung?“, fragte er sie erstaunt, weil er nicht erwartet hatte, sie in der Diele zu treffen.

„Ja, äh … Aber ich … ich würde gerne mit Ihnen sprechen.“

„Kein Problem. Sagen Sie mir einfach, wann. Später am Nachmittag bin ich im Büro und heute Abend gehe ich zu einem Rinderzüchtertreffen.“

Coco sah ihn einen Moment lang unverwandt an. „Wann passt es Ihnen also?“

Als er ihren Gesichtsausdruck sah, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Er hoffte, dass alles in Ordnung war. Schließlich hatte er schon genug eigene Probleme.

„Wir können uns entweder vor sechs oder nach neun Uhr heute Abend treffen.“

Sie atmete tief durch. „Gut, nach neun. Emma wird dann bestimmt schon schlafen.“

Er nickte und setzte seinen Hut wieder auf. „Um neun Uhr dann. Kommen Sie in mein Büro.“

„Es wäre mir lieber, wenn wir uns im Wohnzimmer treffen könnten.“

Ihre Bitte überraschte ihn, doch er zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen.“

Am Abend war Emma völlig entspannt und schlief problemlos kurz vor neun Uhr ein. Coco legte das Baby in die Wiege. Sie war zuversichtlich, dass es diese Nacht durchschlafen würde. Leise verließ sie das Zimmer, ließ die Tür jedoch einen Spalt breit offen. Das Babyfon war zwar angestellt, aber sie wollte auf Nummer sicher gehen.

Inzwischen waren ihr Zweifel gekommen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, Benjamin um ein Gespräch zu bitten. Sie hatte fast darauf gehofft, dass Emma nicht einschlafen und ihr so einen Vorwand liefern würde, das Treffen abzusagen. Vor lauter Anspannung zog sich ihr Magen zusammen. Benjamin hatte seine Prinzipien. Sie konnte nur hoffen, dass er auf ihrer Seite sein würde.

2. KAPITEL

Coco zögerte kurz vor der Wohnzimmertür. Aber bevor sie es sich noch anders überlegen konnte, stand Benjamin bereits vor ihr. Ihr Herz schien einen Moment stillzustehen.

„Kommen Sie rein.“

Sie folgte ihm in den gemütlich eingerichteten Raum. Mit einer Geste forderte er sie auf, sich ihm gegenüber auf das Sofa zu setzen. Erwartungsvoll sah er sie an und sie spürte, dass ihr Hals ganz trocken wurde. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen.

„Ich brauche Ihre Hilfe.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Worum geht’s?“

„Zwei Männer haben versucht, mit mir zu sprechen.“

„Was für Männer?“

„Sie sind schon zweimal hier gewesen und …“

„Hier? Auf meinem Grund und Boden?“ Aufgebracht richtete er sich in seinem Sessel auf.

„Ja.“

„Warum hat mir niemand Bescheid gesagt?“

„Sie wollten mit mir sprechen.“ Coco nahm die Visitenkarte aus ihrer Handtasche und reichte sie ihm. „Ich habe keine Ahnung, wer oder was das Haus Devereaux ist.“ Nervös schob sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Sie wissen ja, meine Mutter ist vor einigen Monaten gestorben.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Die Männer erinnern mich an die Geldeintreiber, die damals bei mir aufgetaucht sind.“

Benjamin runzelte die Stirn und sah sich die Karte genau an. „Haben Sie einen der Kreditverträge Ihrer Mutter mit unterzeichnet?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Mein Bruder ist Anwalt. Ich werde mich bei ihm erkundigen, ob er dieses Haus Devereaux kennt. Bis dahin möchte ich, dass Sie mich sofort benachrichtigen, wenn diese Männer wieder auftauchen.“

Sie zögerte.

„Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Eigentlich wollte ich Sie da gar nicht mit hineinziehen.“

„Diese Männer sind unaufgefordert auf meiner Ranch erschienen. Sie sind meine Angestellte und machen einen wichtigen Job. Also geht es mich etwas an.“

Auch wenn er es nie zugegeben hätte, ihre Verwundbarkeit berührte ihn. Coco wirkte wesentlich jünger, als sie in Wirklichkeit war. Bestimmt wartete sie noch auf den Prinzen, der vorbeigeritten kommen würde, um sie zu erobern. Aber sie war überhaupt nicht sein Typ. Die Frauen, mit denen sich Benjamin traf, stellten keine großen Ansprüche und wussten, was Männern gefiel. Nur mit Brooke hatte er einen Fehler gemacht.

„Versprechen Sie mir, dass Sie mich anrufen, wenn sie wieder vorbeikommen“, sagte er eindringlich.

Coco nickte widerstrebend. „Einverstanden, ich rufe Sie an. Hoffentlich wird es nicht nötig sein.“

Benjamin erhob sich. „Gut, wir sehen uns morgen.“ Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich ihre Hoffnung nicht erfüllen würde.

Als Coco das Baby am nächsten Morgen anzog, bemerkte sie erfreut, dass es sich weniger an sie klammerte als gewöhnlich. Vielleicht würde sich die Beziehung zwischen Benjamin und seiner Tochter ja endlich verbessern.

Sie saß in der Küche und war gerade dabei, Emma zu füttern, als es an der Tür klingelte.

Sarah kam in die Küche. „Da sind zwei Männer, die mit dir sprechen wollen. Dever… irgendwas?“

Cocos Magen zog sich zusammen. Ob sie sie einfach wegschicken sollte? Aber dann fiel ihr das Versprechen, das sie Benjamin gegeben hatte, wieder ein. „Bitte sag ihnen, dass sie im Wohnzimmer warten sollen“, erwiderte sie und wählte die Nummer von Benjamins Handy.

„Benjamin hier“, meldete er sich kurz angebunden.

„Ich bin es, Coco“, sagte sie. „Die Männer sind wieder da. Sie warten im Wohnzimmer.“

„Haben Sie sie gefragt, was sie wollen?“

„Nein. Ich war gerade dabei, Emma zu füttern.“

„Ich komme so schnell ich kann“, antwortete er und legte auf.

Coco reichte Sarah den Teller mit Emmas Mittagessen und ging ins Wohnzimmer. Die beiden Männer standen sofort auf. „Miss Jordan, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Wie gesagt, ich bin Paul Forno, und das ist mein Kollege Gerald Shaw.“

„Wenn es um die Schulden meiner Mutter geht, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen“, erwiderte Coco angespannt.

Verwirrt sah Mr. Forno sie an. „Mir war nicht bekannt, dass Miss London Schulden hatte. Meines Wissens war dank der Abmachung mit Ihrem Vater gut für sie gesorgt.“

„Miss London?“, wiederholte sie und war sich nicht sicher, wer verwirrter war – sie oder er. „Das ist nicht der Name meiner Mutter“.

Mr. Forno sah sie an. „Sie wissen doch, dass Sie adoptiert sind, oder?“

„Ja natürlich, aber …“ Sie brach ab und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. „Geht es um meine leibliche Mutter? Ich habe vor Jahren versucht, sie ausfindig zu machen, aber man hat mir gesagt, dass sie mich nicht sehen will. Hat sie ihre Meinung etwa geändert?“

Mr. Forno sah kurz zu seinem Partner hinüber.

„Leider …“

Die Tür öffnete sich und Benjamin trat ins Zimmer. „Gibt es ein Problem?“

Coco atmete erleichtert auf.

Mr. Forno räusperte sich. „Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit. Wir würden es vorziehen, unter vier Augen mit Miss Jordan zu sprechen.“

„Das soll Miss Jordan selbst entscheiden“, erwiderte Benjamin.

„Ich will, dass Mr. Garner dabei ist“, sagte Coco.

Mr. Shaw seufzte. „Unter diesen Umständen müssen wir Sie bitten, alles, was hier gesagt wird, streng vertraulich zu behandeln.“

Benjamin neigte leicht den Kopf, um zu zeigen, dass er einverstanden war. „Legen Sie los!“

„Wie schon gesagt, wir vertreten das Haus Devereaux“, begann Mr. Forno.

„Was ist das?“, fragte Benjamin.

Mr. Shaw blinzelte ungläubig. „Das königliche Haus Devereaux. Die Herrscherfamilie von Chantaine.“

„Noch nie davon gehört“, erwiderte Benjamin.

Mr. Forno sah zu Coco herüber, die mit den Schultern zuckte. „Tut mir leid, ich auch nicht.“

„Nun denn“, setzte Mr. Forno wieder zu sprechen an, „Chantaine ist ein kleines, sehr schönes Inselkönigreich vor der Küste Italiens. Die Familie Devereaux herrscht dort seit vielen Jahrhunderten.“

„Was hat das mit Coco zu tun?“

Mr. Forno seufzte und wandte sich an Coco. „Ihre leibliche Mutter war Ava London. Sie war die Geliebte von Prinz Edward von Chantaine und Sie sind …“, er räusperte sich, „… das Ergebnis dieser Liaison.“

Ungläubig lauschte Coco seinen Worten. Ihre leibliche Mutter? Ihr leiblicher Vater? Nach so vielen Jahren erfuhr sie endlich, wer ihre Eltern gewesen waren! Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Wollen Sie damit behaupten, dass Ava London und Prinz Edward meine leiblichen Eltern sind?“

„Allerdings.“

„Mein Vater ist ein Prinz?“ Sie konnte es nicht fassen.

„Ja, das war er“, antwortete Mr. Forno.

„War?“, wiederholte sie und ihr Herz schlug schneller. „Lebt er denn nicht mehr?“

„Leider nicht. Seine königliche Hoheit ist bereits vor einigen Jahren verschieden, und Ihre Mutter ist letzte Woche gestorben.“

„Oh.“ Sie spürte, wie ihre Aufregung einer großen Traurigkeit wich.

„Was bedeutet das für Miss Jordan?“, wollte Benjamin wissen.

„Nun ja, das Haus Devereaux möchte Sie einladen, Chantaine zu besuchen und die Familie Devereaux kennenzulernen“, erwiderte Mr. Forno an Coco gewandt.

Coco war vollkommen durcheinander. Sie sah Benjamin an und ihr war sofort klar, dass sie nicht gehen konnte. Sie konnte ihn und Emma nicht im Stich lassen. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ich habe gerade erst angefangen, hier zu arbeiten, und Emma braucht mich. Aber vielen Dank für die Einladung.“

Die Männer sahen sie erstaunt an. „Sie schlagen die Einladung der Devereaux aus?“

„Im Moment geht es wirklich nicht“, erwiderte sie und blickte wieder zu Benjamin, der völlig geschockt aussah.

„Sind Sie sicher?“, fragte er.

„Vollkommen. Ich bin eine Verpflichtung eingegangen und werde Sie auf gar keinen Fall im Stich lassen“, antwortete sie und erhob sich. Die drei Männer starrten sie sprachlos an. Cocos Gedanken rasten. „Gibt es noch weitere Devereaux? Hat Prinz Edward noch andere Kinder?“

„Ja“, antwortete Mr. Shaw. „Da sind Prinz Stefan, die Prinzessinnen Fredericka, Bridget, Phillipa und Prinz Jacques.“

Mr. Forno und Mr. Shaw wechselten einen Blick. „Außerdem hatte Prinz Edward noch ein weiteres Kind mit Ihrer Mutter. Einen Sohn.“

„Ein weiteres Kind“, wiederholte sie ungläubig und fuhr geschockt fort: „Damit ich das richtig verstehe … mein leiblicher Vater hat fünf – nein, warten Sie –, sechs weitere Kinder. Und ich habe einen richtigen Bruder? Wo ist er? Wer ist er?“

„Er lebt in Australien und ist Ingenieur. Im Moment dürfen wir Ihnen nicht mehr sagen. Aber die Nachricht wird jeden Moment publik gemacht werden.“

„Nachricht?“, wiederholte Benjamin. „Sagten Sie nicht, die Angelegenheit sei vertraulich?“

„Doch, das ist sie. Aber wir befürchten, dass die Presse trotzdem davon Wind bekommen wird“, entgegnete Mr. Shaw.

„Jetzt verstehe ich“, sagte Benjamin. „Deshalb wollen Sie Coco nach Chantaine einladen. Damit Sie kontrollieren können, was sie der Presse sagt.“

„Ich denke, es ist leicht nachvollziehbar, dass die Familie Devereaux Miss Jordan kennenzulernen wünscht“, erwiderte Mr. Shaw kurz angebunden. „Wenn ich Sie jetzt bitten dürfte, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, Miss Jordan …“

„Ohne einen Anwalt wird sie gar nichts unterschreiben“, unterbrach Benjamin ihn. „Und jetzt möchte ich Sie bitten, zu gehen. Miss Jordan hat Ihre Karte und wird sich bei Ihnen melden, wenn sie es will. Für heute reicht es.“

Die beiden Männer wirkten enttäuscht. „Rufen Sie uns an, wenn Sie es sich wegen der Verschwiegenheitserklärung oder des Besuchs von Chantaine anders überlegen“, wandte Mr. Forno sich an Coco.

Sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Benjamin hatte recht, für heute hatte sie genug gehört. „Ich glaube nicht, dass ich meine Meinung ändern werde, aber ich habe ja Ihre Telefonnummer“, sagte sie zum Abschied und sah den Männern nach, wie sie das Haus verließen.

Sie fühlte Benjamins Blick auf sich ruhen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

Coco versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr der Besuch sie durcheinander gebracht hatte. „Natürlich ist alles in Ordnung. Das waren zwar unerwartete Neuigkeiten, aber ich wusste immer, dass ich adoptiert bin. Und ich wusste auch, dass meine leiblichen Eltern mich nicht treffen wollten. Jetzt weiß ich auch, warum.“

Sarah trat mit Emma in den Armen ins Zimmer. „Sind sie weg? Kannst du das Baby wieder nehmen? Ich habe noch zu tun.“

„Ja, natürlich“, antwortete Coco und streckte sofort die Hände nach Emma aus. „Oh, ich glaube hier muss jemand frisch gewindelt werden“, sagte sie zu Benjamin. „Bitte entschuldigen Sie uns, die Pflicht ruft.“ Schnell versuchte sie, an ihm vorbei in Richtung Kinderzimmer zu verschwinden, um weiteren Gesprächen über den Besuch zu entgehen.

„Warten Sie.“ Er stellte sich ihr in den Weg. „Ist Ihnen eigentlich klar, was das bedeutet? Ihr Vater war ein Prinz. Vielleicht haben Sie sogar Anrecht auf eine Erbschaft. Verdammt, Sie sind wahrscheinlich selbst eine Prinzessin.“ Es sah nicht so aus, als ob ihm der Gedanke gefiel.

„Das ist doch lächerlich. Ich bin ganz bestimmt keine Prinzessin. Wenn es ein Erbe gäbe, hätten sie das sofort erwähnt, meinen Sie nicht? Immerhin bin ich unehelich. Und anscheinend nicht das einzige uneheliche Kind. Bestimmt hat die Familie Devereaux für Fälle wie diesen vorgesorgt. Mein Vater wird nicht der erste in der Familie gewesen sein, der seine Hände nicht von fremden Frauen lassen konnte und …“

Sie unterbrach sich, als ihr klar wurde, dass Benjamin ihre Worte als Kritik auffassen könnte. „Ich meine, er hat sieben Kinder gezeugt. Das ist nicht das Gleiche wie ein oder zwei …“

„Ist schon in Ordnung. Lassen Sie mich einfach wissen, wenn Sie mit den Devereaux Kontakt aufnehmen möchten.“

„Das wird nicht passieren. Sie wollen mich nicht in ihrer Familie. So wie ihr Vater mich nie gewollt hat.“

„Sie werden Ihre Meinung ändern“, antwortete Benjamin.

Coco sah ihn finster an. „Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil Sie irgendwann Ihre Geschwister treffen wollen. Jeder würde seine Verwandten kennenlernen wollen, besonders wenn er denkt, er hätte keine. Mir geht es jedenfalls so“, erwiderte er.

„Wirklich?“

„Ja“, sagte er. „Ich habe drei Brüder und selbst wenn ich sie nicht dauernd sehe, weiß ich, dass sie da sind. Besonders nachdem mein Vater gestorben und meine Mutter nach Costa Rica gegangen ist, waren sie wichtig für mich.“

„Costa Rica?“, widerholte sie verblüfft.

„Ja, das war ihre Weise, mit dem Tod meines Vaters umzugehen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, seine Trauer zu verarbeiten.“

„Und Sie haben sich zum Trost mit Brooke eingelassen?“, konnte Coco sich nicht verkneifen, neugierig zu fragen.

Er ließ einen Moment verstreichen, bevor er antwortete. „Vielleicht. Damals musste ich stark sein. Meine Brüder wollten die Ranch nicht übernehmen und mir war klar, dass ich hier ganz auf mich allein gestellt sein würde.“

„Ich weiß ja nicht viel über Rinderzucht, aber es scheint mir, dass Sie eine sehr gute Arbeit machen.“

Er grinste. „Danke. Ich bin auch ganz zufrieden mit mir.“

Emma quäkte unzufrieden. „Wenn ich es jetzt noch schaffe, dass meine Tochter bei meinem Anblick nicht jedes Mal weint, kann ich mich nicht beklagen.“

„Versuchen Sie es doch noch mal und nehmen Sie Ihren Hut ab.“

Seufzend nahm er den Stetson ab.

Emma sah ihn ruhig an und streckte dann die Hand nach seinem Gesicht aus.

„Gehen Sie näher ran“, sagte Coco.

Er sah sie zweifelnd an, neigte dann aber sein Gesicht dem Baby entgegen. Emma machte ein missbilligendes Geräusch, aber sie streckte die Hand noch weiter aus und strich ihm übers Kinn.

„Sehen Sie? Es funktioniert!“ Coco konnte den Triumph in ihrer Stimme nicht verbergen.

„Wie geht es dir, mein Schatz?“, fragte er Emma. „Du bist mein kleines Mädchen, vergiss das nie.“ Er küsste ihre Hand. „Niemals.“

Emma zappelte zwar ein bisschen unruhig, aber zum ersten Mal fing sie nicht an zu weinen. Vielleicht hatte Coco recht. Vielleicht hatte er seiner Tochter Angst gemacht. Und vielleicht hatte Coco auch damit recht, dass er sich einfach nur entspannen und versuchen musste, sein Kind zu lieben. Doch diese Aufgabe schien schwieriger zu sein, als er zunächst angenommen hatte.

In den folgenden Tagen versuchte Coco erfolglos zu verdrängen, was sie über ihre leiblichen Eltern erfahren hatte. Offenbar hatten sie sie nie gewollt. Auch ihre Halbgeschwister hatten bis jetzt nicht versucht, sie zu kontaktieren. Und was war mit ihrem leiblichen Bruder? Sie musste ihm vollkommen gleichgültig sein, sonst hätte er sie doch längst aufgesucht.

Ihr Adoptivvater war schon einige Jahre zuvor gestorben und nach dem Tod ihrer Adoptivmutter hatte Coco versucht, sich damit abzufinden, dass sie keine Verwandten mehr hatte. Das neu gewonnene Wissen über ihre leibliche Familie brachte ihr mühsam erkämpftes Gleichgewicht jedoch ins Wanken und sie fühlte sich, als ob sie ihre Familie noch einmal verlor.

Die Arbeit bei Benjamin Garner bewahrte sie jetzt davor, vollkommen den Boden unter den Füßen zu verlieren. In der kurzen Zeit, die sie auf der Ranch war, hatte sie Emma sehr liebgewonnen und sie wollte Benjamin und seiner Tochter unbedingt dabei helfen, wieder miteinander ins Reine zu kommen.

Das war im Moment das Allerwichtigste für sie.

Trotzdem konnte Coco nichts dagegen tun, dass sie immer neugieriger wurde und mehr über die königliche Familie erfahren wollte. Sie las im Internet alles, was sie über die Familie Devereaux und Chantaine finden konnte, und fand, dass sie sich richtig entschieden hatte, als sie die Fotos ihrer Geschwister sah. Nur ihre Schwester Phillipa machte einen netten Eindruck.

Sie konnte nicht aufhören, an ihre Halbgeschwister zu denken, weil sie sich tief in ihrem Inneren nach einer eigenen Familie sehnte. Sie hatte gedacht, ganz allein zu sein, aber war sie das wirklich? Oder war es verrückt anzunehmen, sie wäre nicht allein?

Am folgenden Tag setzte Coco Emma in die Babytrage vor ihrer Brust, packte Angelrute und Köder ein und machte sich zu einem der Flüsse auf den Weg, die die Ranch durchquerten. Als sie die Leine auswarf, dachte sie daran, wie ihr Vater sie als kleines Mädchen häufig zum Angeln mitgenommen hatte. Dann setzte sie sich ans Ufer und wartete. Damals hatte sie gelernt zu warten. Ihr Vater hatte ihr Geschichten erzählt, um ihr die Zeit zu vertreiben. Sie hatte diese Stunden mit ihm geliebt. Eine dieser Geschichten, die er für sie erfunden hatte, erzählte sie nun Emma, die prompt einschlief.

Coco saß in der Sonne und wartete darauf, dass ein Fisch anbiss. Wenn das geschah, befreite sie ihn gleich wieder und warf ihn zurück in den Fluss. Einmal kam der zweite Vormann Jace kurz zu ihr herüber, um mit ihr zu plaudern. Bis zum späten Nachmittag blieb sie am Fluss und als sie zurück zum Haus ging, hatte sie ihre Sorgen vergessen.

Benjamin schritt in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Sarah hatte ihm gesagt, dass Coco mit dem Baby zum Angeln gegangen war. Ich habe ihr die guten Angelplätze doch noch gar nicht gezeigt, dachte er. Woher weiß sie, wohin sie gehen soll? Die Sonne stand bereits tief am Himmel, aber die beiden waren noch nicht zurückgekommen. Benjamin musste an die beiden Männer denken und fing an, sich Sorgen zu machen. Steckte vielleicht noch etwas anderes hinter ihrem Besuch?

Er wollte sie gerade suchen gehen, als Coco ihm lächelnd auf der Treppe entgegenkam.

Ihr Lächeln war ansteckend. „Sie sehen glücklich aus.“

„Das bin ich auch“, antwortete sie. „Ich habe vier Fische gefangen und sie alle wieder in den Fluss geworfen.“

„Lügen Sie mich auch nicht an?“, fragte er neckend.

Sie sah ihn streng an. „Ihre Tochter ist Zeugin.“

Benjamin blickte zu seiner schlafenden Tochter und lachte laut auf. „Eine schlechte Zeugin haben Sie da.“

„Sie glauben mir nicht, dass ich etwas gefangen habe?“, fragte sie und reckte ihr Kinn in die Höhe.

„Warum sollte ich?“

„Weil ich es Ihnen gesagt habe und ich keine Lügnerin bin. Ich erzähle höchstens Geschichten, um mir die Zeit beim Angeln zu vertreiben. So wie mein Vater es getan hat, als ich noch klein war und er mich zum Angeln mitgenommen hat.“

Sie sah ihm direkt in die Augen. Er spürte ein seltsames Ziehen in der Brust. Obwohl er wusste, dass Coco auf dem Land aufgewachsen war, hätte er nicht gedacht, dass sie allein angeln gehen würde. Sie hatte ihn überrascht.

3. KAPITEL

Am folgenden Abend traf Benjamin sich mit seinen Bruder Jackson auf ein Bier in einer Bar in der Stadt. Als er wieder zur Ranch zurückkam, war es bereits dunkel. Er wunderte sich, dass die Außenbeleuchtung auf der Veranda noch an war, und betätigte den Lichtschalter neben der Eingangstür.

„Warten Sie!“

Benjamin erkannte Cocos atemlose Stimme sofort. Er schaltete das Licht wieder ein und drehte sich um. Rasch kam sie hinter ihm die Stufen der Verandatreppe hinaufgelaufen. Ihre Wangen waren gerötet von der einsetzenden Kühle des Abends, und ihre Hände steckten in den Taschen des Kapuzenpullovers.

„Ich brauchte noch ein bisschen frische Luft. Falls Emma aufwacht, habe ich das Babyfon dabei.“

Sie machte einen unruhigen Eindruck auf Benjamin. „Geht es Ihnen gut?“, fragte er.

„Ja“, antwortete sie, sah ihn dabei aber nicht an. „Bevor meine Mutter gestorben ist, bin ich auch oft abends rausgegangen. Meist fühle ich mich nach einem Spaziergang besser.“

„Das kann ich gut verstehen. Ich werde auch ganz kribbelig, wenn ich mich lange nicht bewege“, erwiderte er.

Endlich sah sie ihn an. „Wirklich?“

„Ja, wirklich. Kommen Sie mit rein? Sie sehen so aus, als könnten Sie etwas zum Aufwärmen vertragen. Wir finden bestimmt noch was Heißes zu trinken in der Küche.“

Sie gingen hinein. Tatsächlich stand auf der Anrichte eine Thermoskanne mit heißem Apfelpunsch, den Sarah vorsorglich vorbereitet hatte. Coco füllte zwei Becher und Benjamin bedeutete ihr, am Küchentisch Platz zu nehmen.

Lächelnd setzte sie sich ihm gegenüber. „Es duftet so gut. Ich kann es kaum abwarten, bis der Punsch abkühlt.“

Sie sah so jung und unschuldig aus wie ein Teenager.

Coco fing seinen Blick auf. „Sie sehen mich so an. Was denken Sie?“

„Ich musste daran denken, dass ich das Geburtsdatum auf Ihrem Führerschein zweimal lesen musste, bevor ich glauben konnte, dass Sie schon vierundzwanzig sind.“

Sie lachte. „Ich habe schon immer jünger ausgesehen. Meine Mutter meinte, dass ich eines Tages froh darüber sein würde, aber in der Schule habe ich es gehasst.“

Benjamin nahm einen Schluck von seinem Apfelpunsch. „Was hat Sie heute zu Ihrem Spaziergang getrieben? Mussten Sie über Ihre neugewonnene Familie nachdenken?“

Ihr Lächeln erstarb, und sie seufzte. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich glaube nicht, dass sie mich wirklich kennenlernen wollen. Sie haben sich nicht gerade überschlagen, um mich zu finden. Wenn ich rausgefunden hätte, dass ich einen Bruder oder eine Schwester habe, würde ich alles tun, um sie kennenzulernen.“

„Warum machen Sie das dann nicht?“

Sie sah ihn finster an. „Weil ich nicht gern das Gefühl habe, dass ich unerwünscht bin.“

„Sie wissen doch gar nicht, ob Sie unerwünscht sind“, sagte er und lehnte sich zu ihr herüber. „Hören Sie, wenn Sie wirklich nach Chantaine fliegen und Ihre Geschwister kennenlernen wollen, finden wir eine Lösung.“

„Ich weiß nicht“, antwortete sie und starrte in ihren Becher. „Emma ist noch nicht so weit.“

Er blickte sie an. Sie sah sehr jung aus, aber er wusste, dass sie in ihrem Leben schon viel Verantwortung übernommen hatte.

„Wovor haben Sie Angst?“

Sofort verteidigte sie sich aufgebracht. „Ich habe keine Angst.“

„Für mich sieht es aber danach aus.“

„Sie müssen zugeben, dass diese Leute in einer anderen Liga spielen.“

Er legte die Hand auf ihre Hand. „Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Entscheidung. Es hat keine Eile.“

Ihre Blicke trafen sich, und sie nahm einen tiefen Atemzug. „Sie haben recht. Ich sollte mich nicht verrückt machen.“

„Genau“, antwortete er. Für einen Moment schien die Zeit zwischen ihnen stillzustehen. Die Wärme in ihrem Blick ließ ein seltsames Gefühl in seinem Bauch aufsteigen. Als Benjamin merkte, dass seine Hand immer noch auf ihrer Hand lag, zog er sie schnell weg.

Er räusperte sich. „Es ist spät, wir sollten ins Bett gehen“, sagte er und stand auf.

„Ja“, erwiderte Coco und erhob sich ebenfalls. „Ich räume noch schnell die Becher weg.“

„Danke“. Er wunderte sich, warum seine Stimme so heiser klang. „Gute Nacht“, sagte er und ging zur Tür.

„Gute Nacht“, antwortete Coco. Wieder verspürte er einen Stich im Bauch, als er ihre sanfte Stimme hörte.

Als Coco zwei Tage später gerade dabei war, Emma zu füttern, sah sie, wie Benjamin das Haus betrat. Sie hatte den Eindruck, dass er es in den letzten Tagen wieder vermieden hatte, seiner Tochter zu begegnen, und wollte ihn damit nicht davonkommen lassen.

„Benjamin“, rief Coco und hörte auf, das Baby zu füttern. Unzufrieden verzog Emma ihren Mund.

Er streckte den Kopf durch die geöffnete Tür. „Was gibt es?“

„Könnten Sie eben übernehmen? Ich muss mal kurz verschwinden.“

„Ich soll auf sie aufpassen?“, fragte er verblüfft.

„Sie sollen sie füttern“, entgegnete Coco.

„Füttern?“, erwiderte Benjamin ungläubig.

„Ja, das ist nicht schwer“, sagte sie und griff nach seinem Stetson, aber er war schneller. „Sie hasst Ihren Hut.“

„Ich mag meinen Hut!“

„Sie müssen ihn aber nicht im Haus tragen, während Sie ein Baby füttern.“

„Ich lege ihn auf den Tisch in der Diele“, entgegnete er und nahm den Hut ab.

„Ah“, rief Emma.

„Oh, Sie sollten sich beeilen. Sie wird schon ungeduldig. Ich muss jetzt …“ Coco wartete nicht auf ihn, sondern lief schnell die Treppe zum Badezimmer hinauf und hielt sich dabei die Ohren zu. Sie fürchtete, dass sie schwach werden würde, wenn sie Emma schreien hörte.

Rasch ging sie ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie schaltete die Lüftung an und sang laut vor sich hin, um Emmas Geschrei nicht zu hören. „La-la-la-la-la.“ Nach einer kurzen Weile hörte sie zu singen auf und bemerkte, dass von unten nichts zu hören war.

Behutsam öffnete sie die Badezimmertür und lauschte. Kein Laut drang zu ihr. Hoffnungsvoll lief Coco auf Zehenspitzen die Treppe hinab.

„So ist es gut“, sagte Benjamin. „Und noch ein Löffelchen, damit du groß und stark wirst. Du bist schließlich eine Garner und musst auf alles vorbereitet sein.“

Als Emma gluckste, musste Coco sich die Hand vor den Mund halten, um nicht loszukichern. Es bedeutete, dass die Kleine satt war.

Heimlich beobachtete sie, wie Emma den letzten Löffel Brei prustend über Benjamins Hemd verteilte.

„Oh“, rief er überrascht und sah an sich herunter. „Was soll das denn?“

Emma spuckte eine weitere Ladung Essen, aber diesmal wich er schnell genug zurück. „Nicht schlecht“, sagte er lachend und wischte sein Hemd mit einer Serviette ab. „Machst du das jedes Mal beim Essen? Ein Wunder, dass Coco noch nicht gekündigt hat. Vermutlich willst du mir damit sagen, dass du satt bist.“

Unbeirrt von ihrem Protest, säuberte er Emmas Gesicht. „Sich erst schmutzig machen und dann nicht waschen lassen wollen.“ Er schnalzte mit der Zunge, und das Baby quengelte immer lauter.

Coco entschied sich, einzuschreiten. „Normalerweise singe ich dabei ein Lied.“

Er sah sie flüchtig an. „Schön, dass Sie auch wieder da sind.“

Sie biss sich auf die Lippen, musste aber trotzdem lächeln. „Sie beide scheinen doch ganz gut miteinander klarzukommen.“

„Na ja“, antwortete er. „Spucken kann das Kind jedenfalls.“

„Ich versuche, rechtzeitig aufzuhören. Wenn sie anfängt zu glucksen, ist das ein sicheres Zeichen“, sagte sie. „Würden Sie Emma jetzt aus ihrem Stuhl nehmen?“

„Warum sollte ich das tun?“

„Weil sie fertig gegessen hat und Sie sich aneinander gewöhnen sollen.“

Benjamin seufzte. Coco sah, dass er sich überwinden musste, aber er tat, worum sie ihn gebeten hatte. Als er das Baby in den Armen hielt, starrte es ihn einen Moment an. Dann sah es weg und begann zu brabbeln.

Er blickte Coco fragend an. „Was bedeutet das?“

„Sie erlaubt Ihnen, sie zu tragen“, antwortete Coco und konnte ein Kichern nicht länger unterdrücken. Benjamin benahm sich, als ob er eine entsicherte Handgranate in den Händen hielt, die jeden Moment losgehen konnte.

„Was soll ich jetzt tun?“

„Sie müsste gewickelt werden“, sagte Coco, um ihn aufzuziehen.

Er warf ihr einen bösen Blick zu. „Ich denke, die Ladung Babybrei ist genug für heute.“

„Wenn das so ist, bringen Sie sie nach oben. Ich bin in einer Minute bei Ihnen.“

„Und was mache ich inzwischen?“

„Sie kommen Ihrer Tochter näher.“

Benjamin stöhnte und ging mit dem Baby in den Armen hinaus.

Coco räumte die Küche auf und ging dann leise hoch ins Kinderzimmer. Sie konnte hören, wie Benjamin mit dem Baby sprach. Als sie vorsichtig um die Ecke blickte, sah sie, dass er und Emma mit einem Stoffhasen spielten. Er hielt ihr den Hasen hin, sie nahm ihn in die Hand, ließ ihn fallen und Benjamin hob ihn auf. Dann ging das Spiel wieder von vorn los.

Benjamin bemerkte Coco und nickte ihr zu.

„Wie ich sehe, haben Sie Frieden geschlossen.“

„Im Moment, ja“, antwortete er und gab Coco das Baby.

„Sie müssen einfach ein bisschen Zeit mit ihr verbringen. Früher als Sie denken, werden Sie ihr Reiten und Fahrradfahren beibringen und Fahrstunden geben.“

„Fahrstunden?“ Sie bemerkte seinen entsetzten Blick.

„Eins nach dem anderen. Jetzt muss ich mich erst mal umziehen.“ Er sah von Coco zu Emma und wieder zurück zu Coco. „Bis später.“

Sobald er gegangen war, wandte sich Coco Emma zu. „Gut gemacht!“, lobte sie das Baby. „Du wirst noch einen richtigen Daddy aus Benjamin Garner machen.“

Am nächsten Tag ritt Benjamin mit seinem zweiten Vormann das Gelände ab, um die Zäune zu kontrollieren.

„Hal sagte, dass wir aufpassen sollen, dass sich keine Fremden Zugang zum Gelände verschaffen“, sagte Jace zu ihm.

„Ist dir jemand aufgefallen?“

„Nein. Hal meinte, es hätte irgendwie mit der neuen Nanny zu tun. Sie ist doch nicht in Gefahr, oder?“

„Nein“, erwiderte Benjamin. „Coco geht es gut.“

„Sie ist wirklich nett“, sagte Jace.

Benjamin warf ihm einen Blick zu. „Und woher willst du das wissen?“

„Ich habe sie neulich beim Angeln getroffen. Sie hat ihre Sache ziemlich gut gemacht“, antwortete der Vormann und lachte. „Ich habe mich gefragt, ob Sie einverstanden wären, wenn ich mit ihr ausgehe.“

„Mit Coco?“

„Ja, sie ist hübsch und scheint nett zu sein.“

„Nein“, entgegnete Benjamin sofort ohne nachzudenken.

„Nein?“, wiederholte Jace überrascht.

„Nein“, sagte Benjamin noch einmal bestimmt und hatte wieder das seltsame Gefühl im Bauch, das ihn in letzter Zeit beschlich, wenn er an Coco dachte oder von ihr sprach. „Coco ist für das Baby hier. Ich erlaube nicht, dass jemand sie von ihrer Aufgabe ablenkt.“

„Ich würde sie doch nicht ablenken“, murrte Jace leise.

„Und das kannst du auch gleich den anderen ausrichten. Coco ist tabu.“ Es reichte schon vollkommen, dass die Presse sie wahrscheinlich bald belagern würde. Er konnte jetzt keine weiteren Schwierigkeiten gebrauchen. Schließlich ging es hier nur um das, was das Beste für Emma war. Und das war Coco.

Coco zog Emma eine dünne Jacke über, setzte sie in den Buggy und machte sich zu einem Spaziergang auf. Es war zwar kühl, aber die Sonne schien und die frische Luft würde ihr gut tun. Hinter dem Haus zog sich ein Weg durch die Felder. Coco zeigte Emma die verschiedenen Bäume und die Kühe und rannte mit dem Buggy los, was die Kleine mit freudigem Kichern quittierte.

„Wenn du später genauso viel Spaß am Autofahren hast, wird dein Daddy aber nicht glücklich sein“, sagte Coco lachend.

Nachdem sie eine Weile durch die Felder gegangen waren, kehrte sie um. Als sie die Rückseite des Hauses erreicht hatte, bemerkte sie, dass Emma eingeschlafen war. Ihr Köpfchen war zur Seite gefallen, die Lippen waren leicht geöffnet. Cocos Herz zog sich zusammen, als sie sah, wie entspannt und vertrauensvoll das Baby schlief.

Sie ging ums Haus herum und überlegte gerade, ob sie es noch ein bisschen schlafen lassen sollte, als plötzlich drei Männer und eine Frau auf sie zustürzten. Zwischen ihren Fragen konnte sie das Klicken der Kameras hören.

„Miss Jordan, stimmt es, dass Sie die uneheliche Tochter des ehemaligen Prinzen von Chantaine sind?“

„Wer sind Sie?“, fragte Coco geschockt. Der plötzliche Überfall traf sie völlig unerwartet. Schützend stellte sie sich vor Emmas Buggy. „Wie haben Sie mich gefunden …“

„Eure Hoheit“, begann die Frau, „wie ist es, auf einmal Prinzessin zu sein? Sie müssen so aufgeregt sein!“

Verwirrt von den Fragen und den Fotografen, schüttelte Coco den Kopf. „Ich bin keine Prinzessin.“

„Stimmt es, dass die Devereaux Ihnen Ihre Position in der königlichen Familie verweigern wollen?“, fragte einer der Männer.

„Welche Position?“ Sie drehte sich zum Buggy, um Emma herauszuheben. Was für eine alberne Frage!

„Ihre rechtmäßige Position als Mitglied der Herrscherfamilie“, antwortete der Mann. „Sie wissen bestimmt, dass Ihnen als Prinzessin bestimmte Rechte und Privilegien zustehen.“

Emma fing an zu weinen.

„Hören Sie auf! Ich bin keine Prinzessin“, entgegnete Coco aufgebracht. „Außerdem haben Sie das Baby geweckt. Sind Sie stolz darauf?“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief mit Emma in den Armen die Stufen zur Haustür hinauf.

4. KAPITEL

„Ich begreife nicht, wie vier Reporter es schaffen konnten, unbemerkt an euch vorbeizukommen“, sagte Benjamin zu seinem Vorarbeiter Hal Dunn.

„Wir haben die Ranch einfach nicht rund um die Uhr bewacht“, antwortete Hal.

„Dann will ich, dass sich das ab jetzt ändert! Ich will niemanden mehr sehen, der hier nichts zu suchen hat.“

„Verstanden“, erwiderte Hal. „Ich hoffe, die Reporter haben das Baby und die Nanny nicht zu sehr durcheinandergebracht.“

„Emma hat angefangen zu weinen, aber wieder aufgehört, sobald sie im Haus waren. Und Coco war wütend, aber ich glaube, dass der Besuch sie mehr erschüttert hat, als sie zugeben will. Wir sind zwar gewarnt worden, doch sie hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass so etwas wirklich passieren würde.“

„Na ja, immerhin gehört sie zu einer königlichen Familie. Das hört man hier nicht alle Tage.“

„Als ob es den Lauf der Welt ändern würde, dass Coco eine Prinzessin ist“, erwiderte Benjamin sarkastisch.

„Da hast du wahrscheinlich recht“, antwortete Hal und zuckte mit den Schultern.

Am nächsten Tag waren die Zeitungen von Dallas und Houston voll mit Cocos Geschichte und das Telefon hörte nicht auf, zu klingeln. Jeder, vom DJ der lokalen Radioshow bis hin zu bekannten Fernsehmoderatoren nationaler Nachrichtensendungen, wollte Coco über ihre Verbindung zur Familie Devereaux interviewen.

Sarah beantwortete die Anrufe, während Coco sich um Emma kümmerte, aber am späten Nachmittag hatte die Haushälterin genug davon. „Das halte ich keinen Tag länger aus. Wie soll ich denn dabei den Haushalt erledigen?“

„Es tut mir leid“, sagte Coco, als das Telefon erneut klingelte. „Vielleicht sollten wir den Anrufbeantworter einschalten.“

Sarah schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. „Der ist doch in einer Stunde voll.“ Sie nahm den Hörer ab. „Garner Ranch.“ Sie hörte einen Moment lang zu. „Miss Jordan hat der Presse nichts zu sagen. Das können Sie auch gern Ihren Kollegen ausrichten, damit sie aufhören, uns zu belästigen. Auf Wiederhören“, sagte sie und legte auf.

„Sie werden schon aufhören, wenn ihnen klar wird, dass ich nichts über die Devereaux weiß“, versuchte Coco sie zu beruhigen.

Sarah verdrehte die Augen. „Wie naiv kann man nur sein! Eine bessere Story gibt es doch gar nicht. Ein hübsches Mädchen, eine Waise, findet heraus, dass sie eine Prinzessin ist …“

„Ich bin keine Prinzessin“, entgegnete Coco. „Ich bin eine Nanny.“

„Pah! Versuch mal, das den Reportern klarzumachen.“

„Hab ich doch!“

Wieder klingelte das Telefon, und diesmal ging Coco ran. Sie wollte nicht, dass Sarahs Laune noch schlechter wurde. „Garner-Ranch.“

„Hier ist Annie Howell. Ich würde gern mit Coco Jordan sprechen“, erwiderte die Frau am anderen Ende der Leitung.

Coco seufzte. „Am Apparat.“

„Oh, Eure Hoheit. Ich bin so froh, dass ich Sie erreiche“, sprudelte die Reporterin los. „Ich bin die Vorsitzende des Damenvereins von Silver City und wollte Sie einladen, nächsten Monat bei uns zu sprechen.“

„Vielen Dank für die Einladung“, antwortete Coco. „Aber ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ich keine Hoheit, sondern Angestellte von Benjamin Garner bin und außerdem sehr viel zu tun habe.“

„Aber Sie sind doch von königlichem Blut“, erwiderte die Frau. „Es ist so aufregend, dass jemand von königlichem Blut hier unter uns lebt.“

„Glauben Sie mir, ich habe nichts Königliches in mir. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann, aber ich muss jetzt auflegen. Einen schönen Tag und auf Wiederhören“, erwiderte sie und legte auf, bevor die Frau noch etwas sagen konnte.

„Diese Leute haben wirklich keine Ahnung“, sagte sie verärgert, als sie zurück in die Küche kam.

Sarah warf Coco einen mitleidigen Blick zu. „Ach, Herzchen! Es hat gerade erst angefangen.“

„Ich hasse es, unfreundlich zu sein.“

Wieder klingelte es. „Ich gehe ran“, rief Coco und lief zum Telefon.

„Bitte, ich werde mich nicht mit dir streiten“, antwortete Sarah und rührte das Essen im Topf um.

Coco eilte mit Emma in den Armen um die Ecke, um das Telefon im Wohnzimmer abzunehmen und stieß fast mit Benjamin zusammen. „Oh, ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind“, sagte sie.

Emma starrte auf Benjamins Hut und hörte sofort auf, vor sich hin zu plappern.

Er rollte die Augen zum Himmel und nahm sofort den Hut ab. „Ich gehe ran“, entgegnete er nur und nahm den Hörer ab.

„Garner Ranch“, meldete er sich und lauschte. Er runzelte die Stirn und sah immer ungläubiger aus, je länger er zuhörte.

„Einen Moment … einen Moment bitte. Habe ich das richtig verstanden? Sie wollen in Ihrer Radiosendung einen Wettbewerb um die Hand von Prinzessin Coco Jordan abhalten? Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe …“ Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Fünfzig Teilnehmer haben Sie bereits? Und wenn Sie eine Million hätten, dieser Wettbewerb wird nicht stattfinden. Verstanden? Wiederhören!“

Er legte auf und drehte sich zu ihr um. „So geht es nicht weiter. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.“

Nachdem sie Emma am Abend ins Bett gebracht hatte, zog Coco sich einen Pullover über und ging durch die Hintertür nach draußen. Sie brauchte dringend einen Moment an der frischen Luft. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum. Mit schnellen Schritten begann sie, ihre Runden um das Haus zu laufen. Was war ihr leiblicher Bruder für ein Mensch? Sollte sie ihre königlichen Verwandten doch kennenlernen? Wollten sie das überhaupt?

Coco hatte sich immer Geschwister gewünscht. Aber als sie begriffen hatte, dass ihr Wunsch ihre E...

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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Chantelle Shaw
<p>Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs. Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills &amp; Boon,...
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