Julia Saison Band 65

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TAUSEND ROTE ROSEN von MARIE FERRARELLA
Als Theresa am Valentinstag zauberhafte Rosen vor ihrer Tür findet, wagt sie kaum daran zu glauben: Ist Christopher, ihre große Liebe, den sie so sehr enttäuschte, wirklich zu ihr zurückgekehrt?

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PRALINEN, ROSEN, DIAMANTEN von GINA WILKINS
Teure Gaben zum Valentinstag – glaubt Richard vielleicht, dadurch sei alles wieder gut? Oh nein! Was Jessica von ihm will, ist ein Geschenk, das sie erkennen lässt, wie sehr er sie wirklich liebt ...


  • Erscheinungstag 07.01.2022
  • Bandnummer 65
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508063
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Marie Ferrarella, Stephanie Bond, Gina Wilkins

JULIA SAISON BAND 65

1. KAPITEL

„Du sollst dich für mich ausgeben.“

T. J. betrachtete verblüfft den Hörer in ihrer Hand. Also war es wieder einmal soweit! Du lieber Himmel! Einfach unglaublich! Einen Moment glaubte T. J. zu träumen, doch sie erinnerte sich noch ganz genau, was geschehen war, bis sie diesen ominösen Satz hörte …

Das Telefon auf dem Schreibtisch in dem sonnendurchfluteten Büro im siebenten Stock hatte schon dreimal geklingelt, bevor Theresa Jean Cochran es bewusst wahrnahm. Die Zahlenkolonnen auf dem Computerbildschirm nahmen T. J. so gefangen, dass sie nur blindlings nach dem Hörer tastete. Prompt verfehlte sie ihn und drückte stattdessen die Freisprechtaste am Telefon.

„Hallo“, sagte sie zerstreut.

„Hallo, T. J.!“ Das war die Stimme von Theresa Joan Cochran.

Verunsichert betrachtete T. J. das Telefon. Wieso rief Theresa an? Wieso stürmte sie nicht wie üblich ohne anzuklopfen herein? Theresa klopfte nie an. Als Präsidentin der C&C Werbeagentur fegte sie einfach in jeden Raum auf den drei Etagen, die ihre Firma im Endicott-Gebäude belegte. Es gab nur eine Ausnahme, und das war der Waschraum der Männer. Und hätte man Theresa genügend gereizt, wäre sie vermutlich sogar da hineingeplatzt – natürlich ohne anzuklopfen. Bisher hatte allerdings noch niemand ausprobiert, wie weit die Präsidentin gehen würde.

Theresa war nun einmal die Chefin der Werbefirma, die ihr Großvater gegründet und ihr Vater durch seinen Fleiß an die Spitze gebracht hatte. Doch selbst wenn sie nicht die Chefin gewesen wäre, hätte sie nichts dabei gefunden, unangemeldet im Zimmer ihrer Cousine zu erscheinen. Das hatte Theresa schon gemacht, als sie noch Kinder waren, und mittlerweile war es für sie so selbstverständlich geworden wie der nächste Atemzug.

T. J., die nach derselben Großmutter wie ihre Cousine benannt worden war, griff nach dem Hörer. Trotz des Sonnenscheins, der durch die beiden Fenster hinter ihr ins Büro hereinfiel, fröstelte sie plötzlich. Man konnte es eine Ahnung drohenden Unheils nennen, das oft mit Theresa verbunden war.

Den Ton, den ihre Cousine angeschlagen hatte, kannte T. J. nur zu gut. Theresa wollte etwas. Und zwar wollte sie einen Gefallen. Einen „klitzekleinen winzigen Gefallen“, wie sie sich ausdrückte.

Es war stets nur ein klitzekleiner winziger Gefallen gewesen, der sich unweigerlich im Schneeballsystem zu einer Lawine entwickelte, die T. J. einfach mitriss. Als sie noch Kinder und Jugendliche waren, hatte es sich um ziemlich verrückte Dinge gehandelt. In der letzten Zeit drehte es sich hauptsächlich um Arbeit. Meistens musste ein Auftrag auf diplomatische Weise gerettet werden, nachdem Tornado-Theresa einen Pfad der Verwüstung hinterlassen hatten. Diesen Namen hatten Theresa die älteren und bereits von ihr geschädigten Angestellten gegeben.

T. J. vermutete, dass Theresa ihren Spitznamen kannte und ihn sogar als Kompliment verstand, obwohl er absolut nicht so gemeint war.

Altersmäßig lagen sie nur neun Monate auseinander, wobei T. J. die Ältere war. Theresa war extrovertiert und lenkte alle Blicke auf sich. Theresa war auch diejenige, die ständig fotografiert wurde, wenn sie von einem der meistbegehrten Junggesellen des Landes umworben wurde.

T. J. dagegen arbeitete in der Agentur bis weit in die Nacht hinein. Sie war die Kreative, die ihnen neue Verträge verschaffte und half, Stammkunden durch ihre erfrischenden Ideen bei der Stange zu halten. Mit dieser Aufteilung war T. J. zufrieden. Sie blieb lieber im Hintergrund und beschäftigte sich mit wichtigen und schöpferischen Aufgaben. T. J. war das Arbeitspferd, Theresa das feurige Araberpferd. Gemeinsam gaben sie ein großartiges Gespann ab.

Angesichts des unheilverkündenden Tonfalls ihrer Cousine speicherte T. J. ihre Arbeit auf dem Computer und holte tief Atem, um sich gegen das Unvermeidliche zu wappnen. Bestimmt handelte es sich um eine langwierige Geschichte.

„Welchem Umstand verdanke ich das ungewöhnliche Vergnügen?“, fragte sie. Es ging auf neun Uhr. Vermutlich war Theresa noch daheim. Zuspätkommen war ihre Spezialität.

Theresa seufzte dramatisch. Niemand konnte so beeindruckend seufzen wie Theresa. Offenbar handelte es sich diesmal um eine große Sache.

„T. J., ich brauche deine Hilfe.“

Na klar, was denn sonst, dachte sie und lehnte sich im Sessel zurück. „Hilfe bei einer Werbekampagne, einer Werbeidee oder … wobei sonst?“

Theresa ging nicht direkt auf die Frage ein, sondern ließ gleich die Bombe platzen. „Du sollst dich für mich ausgeben.“

So war es also dazu gekommen, dass dieser Satz gefallen war.

T. J. strich sich das kaffeebraune Haar aus der Stirn. „Damit habe ich nicht gerechnet.“ Zumindest jetzt nicht mehr. Früher war das nicht unüblich gewesen.

Theresa ging auch darauf nicht ein. Sie beherrschte die Kunst, alles zu überhören, das nicht in ihr Konzept passte. „Du bist darin absolute Spitze.“

T. J. fand, dass ihre Cousine mit gutem Recht den Spitznamen Tornado-Theresa trug. Bei ihr musste alles wie ein Wirbelwind über die Bühne gehen. Sie dagegen wollte alles wohlgeordnet und genau erklärt haben.

„Irgendwie komme ich da nicht mit, Theresa. Ich habe zwar schon vier Tassen Kaffee getrunken, aber mein Verstand funktioniert noch nicht richtig.“ Ohne weiter auf den Computer zu achten, widmete sie sich nun ganz dem Telefongespräch. „Würdest du mir bitte erklären, worum es geht?“

Theresa schwieg und suchte vermutlich nach den richtigen Worten. Wenn T. J. sich nicht sehr irrte, wollte ihre Cousine zum Skilaufen fahren oder sich mit einem Mann in eine abgelegene Berghütte zurückziehen. Das bedeutete, dass jemand die Arbeit übernehmen musste, die Theresa liegenließ. Ihre Cousine verstand es, die Firma am Laufen zu halten und sich gleichzeitig prächtig zu unterhalten – natürlich nicht in der Firma.

Doch Theresa war eine sagenhafte, charmante und reiche Frau, weshalb ihr automatisch jeder verzieh. T. J. bildete da keine Ausnahme. Bei ihr kam noch hinzu, dass sie Theresa aufrichtig mochte und sich außerdem als ihre Beschützerin fühlte. Theresa hätte allerdings bei der Vorstellung gelacht, dass jemand sie beschützen wollte.

T. J. seufzte. „Warum sollte ich du sein, wenn du viel besser du sein kannst als ich?“, fragte sie, um des Rätsels Lösung zu erfahren, bevor sie alt und grau wurde.

„Das ist ja gerade das Problem. Ich kann nicht ich sein, weil ich im Krankenhaus bin.“

T. J. zuckte zusammen. „Im Krankenhaus? Lieber Himmel, Theresa, fehlt dir etwas?“ Sie tastete mit nackten Füßen unter dem Schreibtisch nach den Schuhen. „In welchem Krankenhaus bist du? Ich komme sofort zu dir.“ Bestimmt war sie zu schnell gefahren. Theresa fuhr immer zu schnell. Warum konnte sie nicht auf Warnungen hören und langsamer …

„Nein, bleib, wo du bist. Mir ist nichts passiert, nur dem Wagen“, klagte Theresa. „Totalschaden. Und dabei hat mir dieses ganz besondere Blau so gut gefallen.“

T. J. entspannte sich ein wenig. Wenn Theresa den Verlust des Wagens beklagte, war ihr selbst wahrscheinlich nichts passiert. Sie atmete erleichtert auf und beruhigte sich. Allerdings musste sie mehr erfahren. „Du hast einen Autounfall gehabt?“

„Es war nicht meine Schuld“, verteidigte sich Theresa sofort. „Der andere hat ein Rotlicht überfahren.“

Möglich oder auch nicht möglich. Das spielte jetzt keine Rolle. Nur Theresa war wichtig. „Ist dir auch wirklich nichts geschehen?“

„Nein, gar nichts, aber diese Ärzte sind ja so schwierig“, beschwerte sich Theresa, die sich von niemandem etwas vorschreiben ließ. „Sie wollen mich zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Nun ja“, fuhr sie eine Spur fröhlicher fort, „da ist dieser sagenhafte junge Arzt, von dem ich mich sehr gern bei Kerzenschein untersuchen lassen würde …“

Offenbar ging es ihr gut. „Du schweifst vom eigentlichen Thema ab“, mahnte T. J.

„Du hast ja so recht. Also, du musst bei Christopher MacFallon meine Stelle einnehmen.“

„Bei Christopher MacFallon von MacFallon Toys?“

„Genau bei dem.“

Eine Kopie der Präsentation, die T. J. für diesen Mann ausgearbeitet hatte, war in ihrem Computer gespeichert. Erst gestern Abend hatte sie die Zeichnungen eingescannt. Christopher MacFallon war der neue Präsident von MacFallon Toys, Nachfolger seines kranken Vaters. MacFallon Toys war eine Spielzeugfabrik, die seit hundertzwanzig Jahren bestand und unter der Leitung mehrerer Generationen ihren guten Ruf und ihre Profite ständig gesteigert hatte.

Eine Antwort auf die wichtigste Frage hatte T. J. allerdings noch immer nicht erhalten. „Du schweifst schon wieder ab.“

„Christopher MacFallon will sich heute Nachmittag mit mir treffen, um uns einen Auftrag zu erteilen. Er hat einige Fragen zu der Präsentation, und du hast daran gearbeitet.“

Die Bemerkung hätte Theresa sich sparen können. Diese Werbekampagne gehörte zu T. J.s besten Projekten. „Und weiter?“

„Du weißt doch, wie unbeweglich und starrsinnig dieser Mann ist.“

T. J. hatte keine Ahnung, wie er war, weil sie bisher nur mit seinem Produktionsassistenten telefoniert hatte, doch sie ging nicht weiter darauf ein.

„Er beharrt unbeugsam auf seinem Standpunkt und will nur mit dem Mann an der Spitze verhandeln – oder in unserem Fall mit der Frau an der Spitze.“ Trotz ihres unbekümmerten Wesens war Theresa sehr stolz darauf, Chefin einer großen und hoch angesehenen Werbeagentur zu sein.

T. J. wurde allmählich mulmig. „Du willst, dass ich mich an deiner Stelle mit ihm treffe? Ich soll dich nicht vertreten, sondern mich für dich ausgeben?“

„Du musst!“

„Theresa, ich muss Megan großziehen, Steuern zahlen und sterben, sonst nichts.“ Das hörte sich zwar schrecklich platt an, doch manchmal machte ihre Cousine sie wahnsinnig. T. J. dachte gar nicht daran, den Präsidenten einer großen Firma zu täuschen, weil sie von ihm einen wichtigen Auftrag bekommen wollten.

„T. J., ich weiß, wo das Problem liegt. Du besitzt kein Selbstvertrauen. Hör auf mich. Du bist standfest und zuverlässig, und wenn du ihm sagst, du wärst ich, wird er dir glauben. Du musst mit deinem Haar natürlich etwas mehr machen, als es nur mit den Fingern zu kämmen. Zieh etwas Hübsches an, und du kommst damit durch. Wir haben beide den gleichen Körperbau, auch wenn ich etwas Zierlicher bin. Du weißt, dass du es schaffen kannst.“

Es war nicht das erste Mal, dass die eine die Rolle der anderen übernahm. Das letzte Mal hatten sie es jedoch schon vor Jahren getan.

T. J. schüttelte bei der Bemerkung über den Körperbau nur den Kopf. Das war typisch Theresa, und sie meinte es gar nicht böse. Als Kinder waren sie fast identisch gewesen. Später hatte Theresa dann sorgfältig ihr natürliches Aussehen betont, wogegen T. J. sich nicht um Äußerlichkeiten gekümmert und sich stattdessen auf ihr Studium konzentriert hatte. Und darauf, die Tochter ihres Vaters zu sein.

Das bedeutete, dass es ihr nie um Eitelkeiten gegangen war. Shawn Cochran war so selbstlos, dass es schon an religiösen Wahn grenzte. Vor langer Zeit war er aus der Familienfirma ausgeschieden und hatte sie seinem jüngeren Bruder überlassen. Er selbst hatte sich ständig um irgendeine gute Sache gekümmert, bei der er benötigt wurde. T. J.s Mutter hatte die Familie erhalten, und Verantwortungsbewusstsein und harte Arbeit hatten stets zu T. J.s Leben gehört. Da war nicht viel Zeit für Unterhaltung geblieben, auch nicht dafür, vor dem Spiegel stundenlang ein ganz bestimmtes Lächeln einzuüben.

Theresa dagegen hatte sich diese Zeit stets genommen.

Genau wie ihr Vater hatte Theresa es verstanden, die richtigen Leute einzustellen, die dafür sorgten, dass sie gut abschnitt. Sie bezahlte diese Leute hervorragend und verlangte dafür auch sehr viel. Ihre Cousine bildete darin keine Ausnahme.

Philip, Theresas Vater, hatte T. J.s schöpferisches Talent schon frühzeitig erkannt und gefördert. Ohne auf Einspruch von seiner Schwägerin oder seiner Nichte selbst zu achten, hatte er T. J. nach Harvard geschickt, während ihre Eltern nicht einmal genug Geld hatten, um ihr das örtliche College zu bezahlen.

Nach dem Universitätsabschluss war T. J. aus Dankbarkeit, Treue und schöpferischem Drang in die Familienfirma eingetreten, war nun seit sieben Jahren mit dabei und liebte ihre Arbeit so sehr wie ihre Cousine. Theresas Wunsch ging jedoch weit über das normale Maß hinaus.

Außerdem hatte T. J. dabei kein gutes Gefühl. „Ich würde viel lieber nicht in deine Rolle schlüpfen. Das kann ich nicht.“

„Du traust dir nur nicht genug zu“, behauptete Theresa. „Erinnerst du dich noch an die High School?“

„Als ich für dich zur Prüfung angetreten bin?“

„Damals hast du mir das Leben gerettet.“

Zum Glück waren sie nicht aufgeflogen, was sehr leicht hätte passieren können. „Es hätte uns beide das Leben kosten können“, erwiderte T. J. und dachte nur ungern daran zurück. Aus Dummheit hatten sie ihre Zukunft riskiert. Theresa war in Tränen aufgelöst zu ihr gekommen, weil sie nicht auf die Prüfung vorbereitet war, die T. J. einen Monat zuvor abgelegt hatte. Theresa hatte gefürchtet, nicht zu bestehen und ihren Vater wütend zu machen.

T. J. hatte sich überreden lassen und war für Theresa innerlich zitternd angetreten. Sie hatte alle getäuscht und für ihre Cousine so gut abgeschnitten, dass Philip Cochran seine Tochter mit einem Brillantring belohnte.

Dieser Brillant war nur der Erste von vielen gewesen, die Theresa seither gesammelt hatte.

Diesmal gab es allerdings eine sehr einfache Lösung. T. J. verstand nicht, wieso Theresa nicht daran dachte. „Du versetzt ihn ja nicht absichtlich, um zum Skilaufen zu fahren. Sag ihm doch einfach die Wahrheit. Du hattest einen Unfall und wirst gegen deinen Willen von einem besonders muskulösen Arzt festgehalten. MacFallon akzeptiert das garantiert. Dann vereinbaren wir mit ihm einen neuen Termin und …“

„Das geht nicht“, fiel Theresa ihr ins Wort. „Das war der einzige Termin, den wir beide finden konnten. Außerdem könnte er sich bei einer Verschiebung für die andere Agentur entscheiden, die sich auch um ihn bemüht hat. Whitney and Son.“ Theresa nannte den Namen ihres Hauptkonkurrenten voll Verachtung. „Komm schon, T. J., du schaffst das. MacFallon will mich bloß einmal unter die Lupe nehmen, und du bist wahrscheinlich sogar eher sein Typ als ich. Du bist … nüchterner.“

T. J. war bewusst, dass Theresa es nicht böse meinte. Trotzdem setzte sie verärgert die Lesebrille auf und wandte sich wieder ihrem Computer zu. „Du meinst steifer.“

„Das hast du gesagt, nicht ich“, wehrte Theresa ab.

„Ich möchte es wirklich nicht machen.“

Theresa war keinen Widerspruch gewöhnt. Dass sie jetzt doch auf welchen stieß, machte sie sprachlos – für genau eine halbe Sekunde. Dann verlegte sie sich auf Betteln. „Bitte! Es ist doch nur für wenige Stunden. Zeig ihm den Teil der Werbekampagne, den er noch nicht gesehen hat. Die ersten Entwürfe, die wir ihm zuschickten, haben ihm gefallen.“

Für T. J. war es nichts Neues, dass Theresa in einem solchen Fall von „wir“ sprach. Dabei hatte sie selbst die Entwürfe ausgearbeitet und an MacFallon Toys in San Jose gefaxt.

Allmählich wurde sie schwach. Sie wollte nicht in Theresas Rolle schlüpfen, hatte in der Vergangenheit jedoch noch nie zu ihrer Cousine Nein gesagt.

„Theresa, ich …“

Prompt hörte Theresa aus T. J.s Stimme heraus, was sie wollte. „Abgemacht! Also, ich versuche, diesen Arzt dazu zu bringen, mich zu baden …“

Der Bildschirmschoner an T. J.s Computer schaltete sich ein: eine kleine Maus, die wie verrückt in einem Rädchen lief, um nicht abzurutschen und herumgewirbelt zu werden. T. J. konnte exakt nachempfinden, wie die Maus sich fühlte. Sie tippte auf eine Taste, damit das Bild wieder verschwand.

„Ärzte baden ihre Patienten nicht, Theresa. Das überlassen sie den Krankenpflegern und – pflegerinnen.“

„Für alles gibt es ein erstes Mal“, erwiderte ihre Cousine sinnlich lachend. „Ruf mich später an. Ich bin im Harris Memorial, Zimmer dreihundertzwölf. Bis dann!“

T. J. wurde schwindelig. „Warte! Wann soll er denn hier sein?“ Typisch Theresa, ihr keine Einzelheiten zu nennen und sich darauf zu verlassen, dass sie sich alle nötigen Informationen selbst verschaffte. Dazu hatte sie aber nun gar keine Lust.

„Um elf. Er kommt von San Jose und landet auf dem Los Angeles Airport, American Airways, Flug siebzehn. Emmett holt ihn mit der Limousine ab. Es wäre sehr hübsch, wenn du dann im Wagen sitzt.“

„Es wäre noch hübscher, würdest du dann im Wagen sitzen.“ T. J. hätte sich den Atem sparen können. Die Verbindung war bereits unterbrochen. Seufzend legte sie auf. Um elf Uhr. Da blieb ihr nicht mehr viel Zeit.

Heidi Wallace, Theresas Sekretärin, kam eine Minute später mit einem verständnisvollen Lächeln in T. J.s Büro und legte einen schwarzen Kleidersack über einen Stuhl. „Theresa hat Sie glatt überfahren, nicht wahr?“

T. J. blickte an sich hinunter. „Sieht man an mir die Reifenspuren?“

Heidi lachte. Ein gesunder Humor war nötig, wenn man mit Theresa Cochran zusammenarbeitete. „Ganz deutlich.“

Seufzend deutete T. J. auf die Kleidertasche. „Woher wussten Sie Bescheid?“

„Sie hat mich noch vor Ihnen angerufen.“ Heidi ging bereits wieder zur Tür. „Emmett wird Sie um halb elf mit der Limousine abholen. Theresa war offenbar überzeugt, dass Sie nicht ablehnen würden.“

Wieso sollte ich ablehnen, fragte sich T. J. Das habe ich noch nie getan. „Es kann doch nichts schaden.“ T. J. drehte sich mit dem Stuhl so, dass sie sich in der Fensterscheibe spiegelte, und hob das Haar im Nacken an. Wenn sie es vielleicht so trug …

Heidi hätte etliche Gründe aufzählen können, aus denen die Aktion schaden konnte, doch dafür wurde sie nicht bezahlt. „Wie Sie meinen. Aber wenn Sie die Stelle der großen Theresa Cochran einnehmen wollen, sollten Sie Ihr Aussehen etwas verändern.“ Auf Theresas Anweisung hin hatte sie in der Kleidertasche ein Kostüm und passende Schuhe sowie eine Handtasche mitgebracht.

T. J. trug an diesem Tag Jeans und einen weiten Pullover. Theresa war es stets gleichgültig gewesen, was ihre Cousine anzog, solange sie ihre Arbeit leistete. „Christopher MacFallon will über das Geschäft reden. Wenn die Werbekampagne erfolgreich geführt wird, interessiert es ihn bestimmt nicht, wie ich aussehe.“

Doch Heidi hatte ihre Anweisungen. „Tun Sie mir den Gefallen und richten Sie sich nach Theresa. Die Chefin der C&C Werbeagentur sollte nicht aussehen, als hätte sie gerade ihre Wohnung geputzt.“ Heidi legte die Kleidertasche auf T. J.s Schreibtisch. „Theresa hat stets einen Satz Kleidung im Büro für den Fall, dass sie … also, dass sie die ganze Nacht arbeitet.“

Oder sich mit einem Kunden beschäftigt, dachte T. J.

„Ziehen Sie die Sachen doch an“, drängte Heidi.

T. J. stand auf. „Theresa war sich meiner sehr sicher.“

„Haben Sie ihr jemals Grund gegeben, an Ihnen zu zweifeln?“

T. J. verzichtete auf eine Antwort, nahm die Kleidertasche und ging in Theresas Büro, um sich umzuziehen.

Was konnte denn schon groß passieren?

Emmett Mitchell, seit dreißig Jahren Fahrer der C&C Werbeagentur, hielt eine große Tafel mit dem Namen Christopher MacFallon den Leuten entgegen, die aus der Maschine kamen.

Neben ihm stand T. J. in Theresas unbequemen hochhackigen Schuhen und betrachtete die Menschenmenge. Sie kannte Christopher MacFallon nicht, wusste jedoch, dass er ein großer, stattlicher Mann mit dunklem Haar und einem herrischen Wesen war.

Sie warf einen kurzen Blick auf den hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann, der soeben aus der Maschine kam. Auf den hätte Theresa sich mit Vergnügen gestürzt, dachte sie und bekam selbst ein wenig Herzklopfen, als er auf sie zuging.

Natürlich ging er auf sie zu. Jeder, der das Flugzeug verließ, ging auf sie zu, weil sie mitten im Weg stand.

T. J. wandte sich an den Fahrer. Emmett war klein und dürr und trug eine hellbeigefarbene Uniform. „Sehen Sie ihn, Emmett?“

Der weißhaarige Chauffeur, der schon ihren Onkel und davor ihren Großvater gefahren hatte, schüttelte den Kopf. „Nein, Miss.“ Ungeduldig hob er die Tafel noch höher. „Allerdings habe ich nicht die geringste Ahnung, wie er aussieht.“

„Dann sind wir schon zu zweit. Es wäre einfacher, sein Vater würde noch die Firma führen. Von ihm habe ich einmal ein Foto in einer Zeitschrift gesehen – groß, hager, Mitte Sechzig.“

„Das ist aber noch sehr jung.“ Emmett hatte in den letzten fünfzehn Jahren sein Alter mehrmals offiziell verändert, weil er fürchtete, zwangsweise in den Ruhestand versetzt zu werden. Wenn man seinen Angaben glaubte, wurde er immer jünger.

„Ja, genauso jung wie Sie“, meinte T. J.

Der sagenhaft aussehende Mann in einem grauen Armani-Anzug kam unverändert auf sie zu. Und dann blieb Mr. Sagenhaft direkt vor ihr stehen und deutete auf Emmetts Tafel. „Offenbar warten Sie auf mich.“

Schon mein ganzes Leben lang, hätte T. J. beinahe gesagt. „Sie sind doch nicht Christopher MacFallon?“

„Wieso sagen Sie das?“, fragte er mit einem hinreißenden Lächeln.

„Ach, dafür gibt es keinen besonderen Grund.“

„Dann bin ich sehr erleichtert, weil ich es nämlich bin.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Christopher MacFallon.“

Sein Händedruck war fest und angenehm. „Und ich bin …“ … auf den Mund gefallen.

„Theresa Cochran“, sagte Christopher an ihrer Stelle. „Ich würde Sie überall erkennen, und ich muss schon sagen, dass Sie in Fleisch und Blut noch besser aussehen als auf den Fotos in den Gesellschaftsnachrichten.“

„Dafür gibt es schon einen besonderen Grund“, murmelte Emmett und senkte endlich die Tafel.

T. J. warf ihm einen warnenden Blick zu. Während der Fahrt zum Flughafen hatten sie über den Rollentausch gesprochen. Emmett hielt nicht viel davon, hatte jedoch eingesehen, dass sie den Auftrag an Land ziehen mussten.

T. J. versuchte, Christopher MacFallon von ihrem Fahrer abzulenken. „Danke, Mr. MacFallon“, sagte sie hastig. „Wenn Sie jetzt mitkommen würden.“

Christopher hakte sich bei ihr ein. „Sehr gern. Und nennen mich bitte Christopher.“

„Darum müssen Sie mich ganz sicher nicht bitten“, erwiderte sie. Lieber Himmel, sie flirtete schon wie Theresa! Das musste an dem Kostüm liegen.

„Es ist nicht übertrieben, was ich über Sie gehört habe“, stellte er lachend fest, zog sein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Sie sind wirklich sagenhaft.“

Prompt bekam sie Herzklopfen, obwohl sie genau wusste, dass das Kompliment Theresa galt. „Haben Sie eine Ahnung“, erwiderte sie und hoffte, dass ihr Lächeln sexy ausfiel.

2. KAPITEL

Während der Fahrt mit der Rolltreppe zum Erdgeschoß hinunter fühlte Christopher nur zu deutlich, dass seine Hand feucht war. Außerdem drehte sich alles leicht um ihn, wenn er sich nicht gut festhielt. So war es ihm schon während des Fluges gegangen, und jetzt wurde es immer schlimmer. Er hatte jedoch keine Zeit, um krank zu sein.

Also konzentrierte er sich auf den Grund, der ihn auf diesen überfüllten, stickigen Flughafen geführt hatte. Das Denken fiel ihm allerdings schwer, und er hatte bereits die automatischen Türen erreicht, bevor ihm etwas einfiel. Er blieb stehen und brauchte einen Moment, ehe er die Frau an seiner Seite klar erkennen konnte.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte T. J. Bildete sie es sich nur ein, oder war er blass?

„Ich habe meinen Koffer vergessen. Er müsste gleich auf dem Gepäckband erschienen.“ Wo immer sich das befinden mochte. Er fand sich kaum noch zurecht.

Zögernd kehrte T. J. an Christophers Arm in die Halle zurück. „Ich wusste nicht, dass Sie über Nacht bleiben wollen.“ Das sah Theresa wieder ähnlich, ihr nicht alles mitzuteilen. Wie lange sollte sie denn diese Komödie noch spielen?

Christopher blinzelte, um klar sehen zu können, doch seine Augen tränten leicht, und er bekam Kopfschmerzen. Großartiger Zustand für eine Geschäftsbesprechung.

„Ich übernachte nicht.“ Seine Beine fühlten sich wie aus Blei an, als er an das Gepäckband trat, auf dem sich das Gepäck von zwei Flügen vermischte. Die Leute hatten sich entlang des Bandes aufgestellt und warteten auf ihre Koffer.

Gestern hatte er seinen Vater besucht, der sich gerade von einer heftigen Grippe erholte, die nur vierundzwanzig Stunden gedauert hatte. Die Hälfte der Zeit hatte sein Vater nur darüber gesprochen. Christopher beschlich die düstere Ahnung, dass ihm sein Vater mehr als nur einen Tipp für die heutige Verhandlung auf den Weg mitgegeben hatte.

„Ich habe unser neuestes Spielzeug mitgebracht, damit es sich derjenige ansehen kann, der den Auftrag übernimmt … sofern ich ihn erteile.“

Sofern ich ihn erteile. Der Mann verstand es, Leute auf dem Sprung zu halten. T. J. nickte. „Das wäre dann ich.“

„Sie arbeiten persönlich an dem Auftrag?“, fragte er erstaunt.

Das war ein Versprecher gewesen. Theresa entwarf nie eine Werbekampagne, aber das wusste er vielleicht nicht. Jedenfalls merkte sie schon, dass es nicht so einfach wurde, wie sie dachte. „Manchmal übernehme ich selbst einen Auftrag, wenn er mich interessiert.“ MacFallon Toys hatte ihre Fantasie angeregt. „Für Spielzeug bin ich nie zu alt geworden. Wahrscheinlich spiele ich auch deshalb so gern mit Megan.“

Für Christopher sahen alle Gepäckstücke gleich aus. Hoffentlich war sein Koffer nicht verloren gegangen. „Megan?“

Schon bei dem Namen lächelte T. J. Ihre Ehe war von dem Moment an ein Fehler gewesen, in dem sie mit Peter die Kirche verlassen hatte, doch Megan war eine wundervolle Entschädigung. „Meine Tochter.“

Christopher vergaß augenblicklich das Transportband. „Sie haben eine Tochter?“

Vielleicht hatte er etwas mitgebracht, das Megan gefiel. „Ja“, erwiderte sie zerstreut und musterte die vorbeiziehenden Gepäckstücke. Warum hatte er seinen Koffer nicht in die Kabine mitgenommen?

Christopher wollte immer genau wissen, mit wem er es zu tun hatte. Seine Leute hatten ihm jedoch nicht berichtet, dass Theresa Cochran jemals verheiratet gewesen war oder ein Kind bekommen hatte. „Ich wusste nicht, dass Sie eine Tochter haben.“

T. J. fing von Emmett einen warnenden Blick auf und überlegte, was sie soeben gesagt hatte. Verdammt, sie durfte sich nicht davon ablenken lassen, wie unbequem die hohen Absätze waren. Sie musste Theresa sein, und Theresa hatte keine Kinder und war auch nie verheiratet gewesen.

„Tut mir leid. Ich liebe Megan so sehr, dass ich sie manchmal tatsächlich für meine Tochter halte.“ Christopher und Emmett betrachteten sie jetzt eingehend. Emmett war sichtlich neugierig, wie sie sich aus der Schlinge zog. „Dabei ist sie die Tochter meiner Cousine, zwei Jahre alt. T. J. weiß, dass ich nach der Kleinen verrückt bin, und lässt mich gerade wieder einmal Mom spielen. Ich habe Megan über das Wochenende bei mir.“ Sie bemühte sich um ein sinnliches Lächeln, wie sie es so oft bei Theresa gesehen hatte. „Meine Cousine ist zum Skilaufen weggefahren.“

„Skilaufen.“ Wie lange hatte er sich das schon nicht mehr gegönnt? Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern. „Wie schön.“

Die Vorstellung, auf zwei schmalen Brettern einen schneeglatten Hang hinunterzujagen, fand T. J. gar nicht schön. „Manchen Leuten gefällt das.“

Christopher sah sie erstaunt an. „Manchen Leuten? Seltsam. Habe ich nicht einmal gelesen, Sie wären eine begeisterte Skiläuferin?“

Wie dumm! Sie musste endlich vorsichtiger sein. „Natürlich bin ich das“, versicherte sie mit einem aufreizenden Lächeln. „Ich wollte nur einen Scherz machen. Dafür bin ich bekannt.“ Vor Jahren war sie im Schwindeln besser gewesen. „Laufen Sie ebenfalls Ski?“

„Früher ja. Vielleicht könnten wir einmal gemeinsam den Pulverschnee in Vail ausprobieren.“

„Vielleicht“, erwiderte sie und imitierte perfekt Theresas flirtenden Tonfall. In diesem Moment erschien ein großer schwarzer Koffer auf dem Transportband. „Ist das Ihrer?“

Christopher brauchte einen Moment, um ihn zu erkennen. „Ja, das ist meiner.“ Er wollte danach greifen, doch ein heftiger Stich im Unterleib raubte ihm den Atem.

Als er zögerte, packte Emmett stattdessen den Griff. „Gut gemacht“, raunte der Fahrer T. J. amüsiert zu.

Sie wusste, dass er ihren Fehler mit dem Skilaufen meinte. „Hauptsache, wenigstens einer von uns kann sich hier vergnügen“, erwiderte sie mit gedämpfter Stimme.

„So gut wie schon lange nicht mehr“, versicherte Emmett und hob den Koffer vom Band.

Christopher wollte dem alten Mann den Koffer abnehmen. Er mochte der Fahrer sein, sollte sich aber nicht mit dem Gepäck abmühen. Doch Christopher hatte einfach keine Kraft. Er schob es darauf, dass er heute nicht gefrühstückt hatte. Und das Essen im Flugzeug hatte ihn schon angewidert, als es an die anderen Passagiere verteilt wurde. Sein Magen hatte sich zusammengekrampft, genau wie jetzt. Und kalter Schweiß brach ihm aus.

T. J. stützte ihn, als er so grau wie sein Anzug wurde. Sie ergriff seinen Arm und fürchtete, dass er ihr gleich ohnmächtig zu Füßen sinken würde. „Stimmt etwas nicht?“

Er schüttelte den Kopf. Zu spät erkannte er, dass das ein Fehler war. Ihm wurde schwindelig. Gleichzeitig setzte im ganzen Körper ein schmerzhaftes Prickeln ein.

T. J. stützte ihn, als er schwankte.

Er lächelte entschuldigend und versuchte, sich auf den Beinen zu halten. „Ich weiß nicht so recht.“

Seine Stirn war schweißbedeckt. Er sah gar nicht gut aus. „Emmett!“, rief T. J.

Emmett drehte sich um, stellte den Koffer ab und kehrte besorgt zu ihnen zurück. „Was ist los?“

Christopher kam sich albern vor. So schwach hatte er sich noch nie gefühlt. „Ich weiß es nicht. Meine Knie geben nach.“ Bei jeder anderen Gelegenheit hätte er es genossen, sich auf eine so schöne Frau zu stützen, doch jetzt wurde ihm sogar bei dem feinen Duft ihres Haars übel. „Vielleicht liegt es daran, dass bei meiner Begleiterin jeder Mann weiche Knie bekommen muss.“

„Ja, so wirke ich auf Männer.“ Nur einmal hatte jemand zu T. J. gesagt, er hätte weiche Knie bekommen. Damals war sie acht gewesen und hatte dem Jungen vorher von hinten einen Schlag versetzt. „Normalerweise wirkte ich aber nicht so stark.“ Sie betastete Christophers Stirn. „Sie fühlen sich heiß an.“

„Das hat man mir schon einmal bei anderer Gelegenheit gesagt“, murmelt Christopher.

Jetzt musste T. J. ein Problem lösen, und das war wesentlich einfacher, als sich für Theresa auszugeben. „Emmett, helfen Sie mir, ihn zum Wagen zu bringen.“ Als der Fahrer Christopher von der anderen Seite stützte, winkte T. J. einen Flughafenangestellten zu sich. „Ich brauche Hilfe mit dem Gepäck dieses Mannes.“

Der Angestellte griff nach dem Koffer und trug ihn zur Ladezone hinaus. Fünf Minuten später hatte T. J. mithilfe des Mannes Christopher auf den Rücksitz der Limousine verfrachtet, gab dem Angestellten ein Trinkgeld und setzte sich zu Christopher, dem es immer schlechter ging.

Sobald der Wagen losfuhr, machte T. J. sich an die Arbeit und lockerte Christophers Krawatte. Das Hemd unter dem Jackett klebte klatschnass an seiner überraschend muskulösen Brust.

Christopher nahm kaum wahr, dass seine Begleiterin ihn geschickt versorgte. Er mochte es nicht, wenn er nicht Herr der Lage war, und er hasste es, krank zu sein. In seiner Verzweiflung versuchte er einen Scherz und hielt ihre Hand fest. „Aber, Ms. Cochran, wir kennen uns doch kaum.“

Der Mann besaß sehr viel Charme; seine Vorfahren stammten möglicherweise aus den Südstaaten. „Ich brauche Sie nicht gut zu kennen, um Ihre Krawatte zu öffnen. Sie sind krank, Mr. MacFallon.“

Als ob er das nicht wüsste. „Schön, intelligent und auch noch hellseherisch begabt – was kann man von einer Frau mehr erwarten?“

„Sehr viel“, erwiderte sie und wünschte, Theresa wäre hier und würde sich um alles kümmern.

Emmett hatte die Zufahrt zum Freeway erreicht und drehte sich kurz um. „Wohin?“

Christopher hatte wundervolle dunkle Wimpern, stellte T. J. fest, als sie sein blasses Gesicht betrachtete. Wimpern, um die ihn jede Frau beneidet hätte. Emmett räusperte sich, und sie wurde rot, weil sie sich ertappt fühlte. „Was?“, fragte sie verwirrt.

„Wohin soll ich fahren?“ Emmett warf einen Blick auf Christopher, der halb bewusstlos im Sitz lehnte. „So wollen Sie ihn doch nicht ins Büro bringen.“

„Nein.“ T. J. beugte sich zu Christopher. „Wollen Sie ins Krankenhaus?“

Jetzt sah er sie schon doppelt. Er versuchte zu entscheiden, welche die echte Theresa war, und entschied sich für die linke. „Nein, mein Vater hatte genau das Gleiche. Das geht nach exakt vierundzwanzig Stunden vorbei.“ Im Moment kam es ihm allerdings so vor, als wäre es dann auch mit ihm vorbei.

„Ein Virus mit eingebautem Uhrwerk“, stellte T. J. fest. Was sollte sie machen? Christopher ließ den Kopf an ihre Schulter sinken. „In diesem Zustand können Sie weder heimfliegen noch ins Büro fahren. Wir sollten ihm ein Hotelzimmer besorgen“, sagte sie zu Emmett.

„Viel Glück“, erwiderte der Fahrer.

„Was soll das heißen?“

„Wissen Sie nicht, dass gerade ein Kongress von Computerfachleuten in der Stadt abgehalten wird? Die Veranstaltung ist so groß, dass man sie zweigeteilt hat. Die eine Hälfte findet im Anaheim Convention Center statt, die andere in L.A. Vermutlich ist nicht einmal mehr eine Abstellkammer frei.“

„Großartig“, stellte sie seufzend fest.

Christopher wirkte jetzt nicht mehr halb, sondern ganz bewusstlos. T. J. blieb gar keine andere Wahl. Es gefiel ihr ohnedies nicht, ihn in einer Hotelsuite zurückzulassen, mochte sie auch noch so teuer sein. Der Mann war schließlich krank, und es wäre nicht richtig gewesen, ihn allein zu lassen. „Wir fahren zu mir, Emmett.“

„Zu Ihnen?“, fragte Emmett zweifelnd. „Sind Sie da ganz sicher?“

„Ja, ganz sicher“, erwiderte sie resigniert.

„Nein, ich kann selbst gehen“, widersprach Christopher, als Emmett ihn auf der einen und T. J. auf der anderen Seite stützte. Auf jeden weiteren Widerspruch verzichtete er, weil er zwischen den beiden in sich zusammensackte. Sie fingen ihn gerade noch rechtzeitig ab, bevor er auf dem Boden der Einfahrt landete.

„Morgen vielleicht“, erwiderte T. J. „Morgen können Sie wieder gehen.“

„Sie sind eine wirklich hübsche Gehhilfe.“

T. J. legte seinen Arm um ihre Schultern und hielt seine Hand fest. „Das schreibe ich in meinen Lebenslauf.“

„Braucht die Präsidentin einer familieneigenen Firma denn einen schriftlichen Lebenslauf?“

Sie dachte an ihren Vater, der jetzt Präsident wäre, hätte ihn nicht seine Auffassung von moralischer Verpflichtung davon abgehalten. „Manchmal.“

„Das werde ich mir merken“, erwiderte Christopher schleppend und versuchte, das einstöckige Haus genauer zu betrachten. Vielleicht war es genau wie die beiden Theresas in der Limousine nur eine Einbildung. „Damit habe ich nicht gerechnet.“

T. J. dachte an Theresas großes zweistöckiges Haus in Beverly Hills, das so gemütlich wie ein Museum war und sie oft an eines erinnerte. Hatte Christopher einmal ein Foto davon gesehen? Vor einem Jahr hatte Theresa ihr Haus für ein Kamerateam einer beliebten Klatschsendung geöffnet.

„Ich lebe gern bescheiden“, erwiderte sie und hoffte, dass nun keine Fragen mehr kamen.

Christopher sagte auch nichts mehr, sondern schloss die Augen, und T. J. taumelte, als Christopher MacFallon bewusstlos in sich zusammensank.

„Emmett!“, schrie sie auf.

„Ich habe ihn!“, rief der alte Mann gepresst und versuchte, sich unter dem Gewicht auf den Beinen zu halten. „Wenn das vorbei ist, verlange ich eine Gehaltserhöhung.“

T. J. biss die Zähne zusammen. Zu zweit schafften sie es, Christopher auf den Beinen zu halten. „Ich werde für Sie sprechen.“

Sie klingelte Sturm. Hoffentlich war Cecilia nicht mit Megan fortgegangen. In der Handtasche hatte sie zwar Schlüssel, aber wenn sie sich jetzt auf die Suche machte, verloren sie wahrscheinlich alle das Gleichgewicht.

„Komm, Cecilia, mach endlich auf.“ T. J. nahm den Finger nicht mehr von der Klingel.

Sekunden später riss ihre Haushälterin die Tür auf und sah sie zuerst verwirrt, dann erstaunt und zuletzt sehr zufrieden an. Endlich gab die einsneunzig große Frau die Tür frei. „Du hast einen Mann mitgebracht.“

„Freu dich nicht zu früh, Cecilia. Wir dürfen ihn nicht behalten. Er ist nur eine Leihgabe von Theresa.“ Bildete sie es sich ein, oder wurde Christopher mit jedem Schritt schwerer?

Cecilia musterte Christopher. „Gefällt mir.“ Doch dann sah sie genauer hin. Der Mann war ja bewusstlos! „Was hat er?“

„Er ist krank“, stieß T. J. hervor. „Nach rechts, Emmett. Wir bringen ihn in mein Zimmer.“

„Ich quartiere dich um“, versprach Cecilia lachend.

Plötzlich versperrte ihnen ein lebhaftes kleines Mädchen den Weg. Das braune Haar umgab den Kopf wie ein Heiligenschein und verlieh der Kleinen das Aussehen eines Engelchens. Mit einem begeisterten Aufschrei ließ Megan die Figuren fallen, mit denen sie gespielt hatte, und rannte los, um sich in die Arme ihrer Mutter zu werfen.

T. J. konnte ihre Tochter heute nicht auffangen. Und sie wollte nicht, dass Megan sich bei Christopher ansteckte.

„Cecilia, schnell, bring Megan ins Wohnzimmer. Sie soll nicht mit Christopher zusammenkommen.“

Cecilia fing Megan ab und hob sie hoch. Es war gar nicht so einfach, das strampelnde Kind festzuhalten. „Kann ich gut verstehen“, meinte sie breit lächelnd. „Hätte ich einen solchen Mann auf mich gestützt, wollte ich ihn auch nicht mit anderen teilen.“

T. J. war nicht in der Stimmung für Cecilias Humor. „Er ist krank, Cecilia, krank! Und er gehört nicht mir. Er ist ein Klient, der nur geschäftlich hier ist.“

Cecilia blieb auf dem Korridor stehen und betrachtete Christopher noch einmal eingehend. „Ich würde sagen, dieses Geschäft sieht vielversprechend aus.“

Die Frau war unmöglich. Seit sie Cecilia als Hilfe für Megan eingestellt hatte, versuchte die Haushälterin ständig, sie zu verkuppeln. T. J. wollte jedoch nicht verkuppelt werden. Sie wollte nichts weiter, als ihre Arbeit erledigen und ihre freie Zeit mit Megan verbringen. Mehr wünschte sie sich nicht.

„Er ist jedenfalls ein sehr großer Mann.“ Emmett hatte sichtlich Mühe, als sie Christopher in das Schlafzimmer brachten.

„Seien Sie froh, dass mein Schlafzimmer nicht im ersten Stock liegt.“ Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, dass das Bett so weit von der Tür entfernt war.

„Was machen Sie denn jetzt mit ihm?“ Emmett keuchte, als sie Christopher auf das Bett gleiten ließen.

Während sie wieder zu Atem kam, zog T. J. Christopher die Schuhe aus und stellte sie neben das Bett. Er wirkte hier in ihrem Zimmer und in ihrem Bett völlig fehl am Platz – wie ein wahr gewordener Traum. Allerdings hatte sie nie derartige Träume. Die Ehe mit Peter hatte sie ihr ausgetrieben.

„Was ich mit ihm machen werde?“, sagte T. J. heftig atmend. „Ich werde ihn ausziehen.“

„Bitte, lass mich das machen!“, rief Cecilia aus dem Nebenzimmer.

T. J. musste lachen. „Du darfst den nächsten kranken Mann ausziehen, den ich ins Haus schleppe. Außerdem ist es genug, wenn eine von uns mit seinem Vierundzwanzig-Stunden-Virus in Kontakt kommt.“

Sie streckte die Hände nach Christophers Jackett aus und ließ sie wieder sinken. Auch wenn er krank war, erschien es ihr plötzlich viel zu persönlich, ihn auszuziehen.

T. J. wandte sich an Emmett. „Nein, einen Moment. Sie ziehen ihn aus, und ich hole aus dem Supermarkt Orangensaft und Aspirin.“

Megan saß vor einer Burg, die Cecilia für sie gebaut hatte. Das bedeutete, dass die Kleine für ungefähr fünf Minuten abgelenkt war. Fünf Minuten, die Cecilia dazu nutzt, noch einmal auf den Korridor zu kommen und den Mann in T. J.s Bett zu betrachten. „Eine solche Gelegenheit lässt du dir entgehen?“, fragte die Haushälterin fassungslos.

„Cecilia, er ist ein Klient“, wiederholte T. J. „Ach ja, da fällt mir ein, dass du mich vor ihm nicht T. J. nennen darfst.“

„Warum? Wie soll ich dich denn nennen?“

„Theresa.“

Cecilia kniff die ohnedies kleinen Augen noch weiter zusammen. „Ich dachte, du hasst es, so genannt zu werden.“

„Stimmt.“ Sie deutete auf Christopher. „Aber er weiß nicht, dass ich ich bin.“

Cecilia sah zu, wie Emmett Christopher das Hemd auszog, und holte beim Anblick des perfekten Oberkörpers scharf Atem. „Er ist an deiner Schulter ohnmächtig geworden und weiß nicht, wer du bist?“

T. J. hatte im Moment keine Lust, etwas zu erklären. „Das ist sehr kompliziert“, wehrte sie ab, doch Cecilia gab sich ohne Erläuterung nicht zufrieden. „Theresa sollte sich mit ihm treffen, hatte jedoch einen Autounfall. Ihr ist nichts passiert“, fügte sie hastig hinzu, bevor Cecilia fragen konnte. „Aber sie muss zur Beobachtung über Nacht im Krankenhaus bleiben. Christopher leitet MacFallon Toys und will nur mit der Chefin verhandeln, also mit Theresa.“

„Die ist aber im Krankenhaus“, warf Cecilia ein.

Emmett hatte sichtlich Schwierigkeiten mit Christopher, der für ihn zu groß war. Erschöpft wandte sich der Fahrer an die beiden Frauen. „Hilft mir jemand?“

T. J. hielt Cecilia zurück. „Du solltest dich wegen Megan von ihm fernhalten.“

Amüsiert deutete die Haushälterin zum Schlafzimmer. „Ganz wie du willst. Du kannst dich bedienen.“ Lachend ging sie zu Megan zurück.

T. J. betrat entschlossen den Raum. Für diesen Ärger stand Theresa bei ihr tief in der Kreide!

3. KAPITEL

In Christopher MacFallons Leben hatte es noch keinen Tag gegeben, an dem er nicht alles unter Kontrolle gehabt hätte. Genau das hatte man auch stets von ihm erwartet. Sein Vater hatte peinlichst genau auf Disziplin und richtiges Verhalten geachtet. Seine Mutter hatte sich so früh von seinem Vater scheiden lassen, dass er sich kaum noch an sie erinnerte. Sie hätte seinen Vater mäßigend beeinflussen können, war jedoch nicht da gewesen.

In den entscheidenden Jahren seiner Kindheit hatte er etliche Kindermädchen gehabt, die alle sehr ernst waren und genau wussten, was er tun musste. Sie hatten ihn gelehrt, welches Verhalten von ihm erwartet wurde. In erster Linie musste er unter allen Umständen die Kontrolle behalten – über seine Empfindungen, sein Schicksal und so ziemlich alles andere auch.

Dazu gehörte unter anderem, stets zu wissen, wo sich seine Sachen und wo er sich selbst gerade befand.

Als Christopher erwachte, wusste er beides nicht.

Erst einmal fühlte er Satin an Körperteilen, die noch nie mit diesem Stoff in Berührung gekommen waren. Er tastete unter die Decke und stellte fest, dass er keine Hose, sondern etwas trug, das sich wie ein Kleid anfühlte.

Das machte ihn blitzartig hellwach, obwohl sein Körper sich dagegen wehrte. Das Zimmer war ihm fremd, doch das war nicht ungewöhnlich, weil er viel reiste. Allerdings deuteten duftig fallende Vorhänge und eine weiße gehäkelte Überdecke darauf hin, dass eine Frau das Zimmer eingerichtet hatte. Und das sprach gegen ein Hotelzimmer.

Kinderlachen drang aus einem anderen Raum zu ihm. Offenbar befand er sich in einer Privatwohnung, aber wem gehörte sie?

Mühsam versuchte er, seine Gedanken zu sammeln. Als Letztes erinnerte er sich daran, dass er sich auf eine sehr weiche Schulter gestützt hatte. Dann fiel ihm ein Name ein. Cochran. Befand er sich in Cochrans Haus?

Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück. Ein bescheidenes einstöckiges Haus, der schrecklich lange Weg von der Tür zum … Ja, wohin? So sehr Christopher sich auch bemühte, es fiel ihm nicht ein, wo dieser Weg geendet hatte. Höchstwahrscheinlich hier in diesem Zimmer, das ihm so fremd war.

Er stützte sich auf die Matratze und versuchte sich aufzusetzen. Alle Gelenke schmerzten so sehr, dass er laut aufstöhnte.

Verdammt, war er schwach! Aus Gewohnheit wehrte er sich gegen diese Schwäche und wollte sie nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Dafür hatte er einfach keine Zeit.

Nur Sekunden nach seinem Stöhnen öffnete sich die Tür, und die Frau, die er auf dem Flughafen getroffen hatte, steckte den Kopf herein. Theresa Cochran. Warum betrachtete sie ihn bloß so besorgt?

T. J. hatte gerade zu ihrem unverhofften Gast gehen wollen, als sie ihn stöhnen hörte. Beinahe hätte sie die Karaffe Orangensaft fallen lassen, so hastig öffnete sie die Tür. Ohne dass etwas zu Bruch ging, schaffte sie es ins Zimmer und betrachtete Christopher. Er war noch immer bleich, obwohl man das nicht mehr so deutlich sah. Seine Haut war gebräunt, sodass er gesünder wirkte, als er war. Schweiß auf der Stirn und Ringe unter den Augen gaben schon genauere Auskunft über seinen Zustand.

Vielleicht hätte sie ihn doch in ein Krankenhaus bringen sollen. Das konnte sie auch jetzt noch machen. Emmett hielt sich seit fünf Stunden für den Notfall in der Küche bereit. So lange hatte ihr Gast geschlafen.

T. J. stellte das Tablett auf das Nachttischchen. „Wie geht es Ihnen?“

Scheußlich, doch das wollte er nicht zugeben. „Wo ist meine Hose?“, fragte er schroff.

Vielleicht war er doch nicht so krank, wie sie dachte.

T. J. deutete auf eine Spiegeltür. „Im Schrank. Ohne Hose war es für Sie bequemer.“ Außerdem war das teure Stück auf einem Bügel besser aufgehoben als unter der Bettdecke.

Ob sie ihn ausgezogen hatte? „Im Moment würde ich es vorziehen, eine Hose zu tragen.“

„Wie Sie wollen“, erwiderte sie, holte die graue Hose aus dem Schrank und legte sie lächelnd auf das Fußende des Bettes. Dabei fiel es ihr schwer, ein lautes Lachen zu unterdrücken. Er war nicht der Typ für ein weites dunkelblaues Nachthemd. „So, jetzt können Sie jederzeit fliehen, obwohl ich Ihnen das nicht raten würde.“ Sie befühlte seine Stirn und fand ihre Vermutung bestätigt. „Sie haben bestimmt noch erhöhte Temperatur. Aber Sie sind ja auch erst einige Stunden hier.“

Um seine grünen Augen mochten dunkle Ringe liegen. Trotzdem war sein Blick noch immer so beeindruckend, dass T. J. ihm auswich und das Glas mit Saft füllte.

„Ich habe Ihnen Orangensaft gebracht. Sie brauchen wegen des Fiebers viel Flüssigkeit.“

Ihre Hand auf der Stirn hatte sich angenehm angefühlt. Dazu kam dieser besorgte Blick. Man konnte eben doch nicht alles glauben, was man las. In seinem Bericht war Theresa Cochran als Paradiesvogel der Gesellschaft hingestellt worden, eine Frau, die Männern lieber einheizte, als ihre Temperatur zu senken.

Offenbar konnte diese Frau beides.

„Einige Stunden?“, fragte er, als ihm plötzlich bewusst wurde, was sie vorhin gesagt hatte.

„Fünf Stunden“, bestätigte sie. „Sie haben geschlafen.“

„Ich habe ein Ticket für den Rückflug.“ Wie spät war es eigentlich?

„Darum habe ich mich schon gekümmert.“ Sie hatte in seinen Taschen das Rückflugticket gefunden. „Jetzt sind Sie auf einen Flug am Sonntag gebucht.“ Zwei Tage sollten genügen. Falls er sich schneller erholte, konnte er noch einmal umbuchen. „Und ich habe Ihren Assistenten angerufen und ihm erklärt, was geschehen ist.“

„Sehr tüchtig“, stellte er fest und brachte nur ein schwaches Nicken zustande.

„Wir sind stets für unsere Klienten da. Trinken Sie!“

Er nahm das Glas entgegen. „Ist das Ihr Haus?“

„Ja“, bestätigte T. J. und deutete energisch auf das Glas.

Christopher mochte Orangensaft nicht besonders, aber da sie sich schon die Mühe gemacht hatte, trank er. Wie er sie einschätzte, hätte sie vorher auch keine Ruhe gegeben, und er war einer Auseinandersetzung nicht gewachsen. Sein Hals war so wund, dass sogar der Saft brannte. „Warum haben Sie mich hergebracht?“

T. J. zuckte gelassen die Schultern und widerstand der Versuchung, ihm eine Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. Sie hatte diesen Mann schon viel zu oft berührt. „Sie waren krank, und es erschien mir nicht angebracht, Sie auf der Straße liegen zu lassen.“

Witzige Bemerkungen ärgerten ihn normalerweise, doch jetzt amüsierte er sich. „Warum haben Sie mich nicht in ein Hotel geschafft?“

„In der Stadt findet ein Kongress von Computerexperten statt. Mehr als eine Abstellkammer hätte ich wahrscheinlich nicht für Sie gefunden. Außerdem erschien es mir auch nicht angebracht, einen Kranken in einem Hotelzimmer sich selbst zu überlassen.“

Christopher wollte die Gründe für ihr Verhalten herausfinden, doch die rasenden Kopfschmerzen erschwerten das Denken. „Schlecht für das Geschäft“, vermutete er. Seiner Erfahrung nach tat niemand etwas für den anderen, wenn er sich nichts davon erwartete. Und er bot Theresa Cochrans Firma einen lukrativen Vertrag. Ja, das war die Antwort auf seine Frage.

T. J. seufzte. Ein Zyniker! Schade, dass ein so junger und gut aussehender Mann von der Welt bereits so enttäuscht war, doch letztlich ging sie das nichts an. Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie Theresa war, und dazu bringen, die Verträge zu unterschreiben. Danach konnte sie ihn wieder wegschicken, und die Sache war beendet. Wie hätte Theresa ihm bloß geantwortet? „Ja, es ist auch schlecht für das Geschäft.“

„Auch?“, fragte er.

Sie imitierte das Lächeln, das sie schon so oft bei Theresa gesehen hatte – sexy und doch verhalten genug, um faszinierend zu wirken. „Ich kann einfach nicht widerstehen, wenn der Puls eines Mannes jagt, und Ihr Puls raste.“

Sie nahm ihm das Glas aus der Hand, stellte es auf das Tablett und strich langsam die Bettdecke glatt. Dabei beugte sie sich zu ihm.

„Ruhen Sie sich jetzt aus“, empfahl sie sanft. „Sobald Sie dazu in der Lage sind, sprechen wir über das Geschäft.“

Trotz seines Zustandes war ihm voll bewusst, wie erotisch diese Frau war. Das passte zwar zu ihrem Ruf, aber nicht zu dem Pferdeschwanz, zu dem sie ihr Haar gebunden hatte. Es war ihm ein Rätsel, wie sie um dieses dichte Haar ein Gummiband schlingen konnte. Am liebsten hätte er das Band zerrissen und zugesehen, wie ihr das Haar offen über die Schultern fiel.

Ich bin wirklich krank, dachte er. Trotzdem wollte er aufstehen. „Ich bin jetzt schon in der richtigen Verfassung für eine geschäftliche Besprechung.“

Das stimmte auf keinen Fall. Man brauchte nur einen Blick auf ihn zu werfen, um zu erkennen, dass er sich übernahm. Energisch legte sie die Hand auf seine Brust und drückte ihn zurück. Er leistete kaum Widerstand.

„Also gut, wenn ich mich dazu in der Lage fühle“, verbesserte sie sich. „Und im Moment trifft das nicht zu. Nutzen Sie einfach die Gelegenheit und ruhen Sie sich aus.“

Christopher fühlte sich bevormundet und wollte widersprechen, wurde jedoch schlagartig müde. Vermutlich wurde der Lauf der Welt nicht verändert, wenn er noch einige Stunden mit der Besprechung wartete. Seufzend ließ er sich in die Kissen sinken.

T. J. lächelte über ihren Erfolg und wich vom Bett zurück.

Christopher war bisher nicht aufgefallen, dass Jeans so verlockend wirken konnten. Trotz seines Zustandes erregte es ihn.

„Theresa!“, rief er ihr nach.

Richtig, sie war Theresa. Daran musste sie ständig denken. An der Tür drehte sie sich mit einem strahlenden Lächeln um. „Ja?“

Er musste unbedingt wissen, woran er war, und zog das blaue Nachthemd, das für Theresa viel zu groß war, von seiner Brust weg. Es war sogar für ihn zu groß. „Wem gehört das?“

T. J. lachte. Sie hatte schon auf diese Frage gewartet. „Meiner Haushälterin Cecilia.“

Er selbst war einsfünfundachtzig. Das bedeutete, dass Theresa eine äußerst stattliche Haushälterin hatte. „Und ich dachte, es wäre vielleicht von einem früheren Liebhaber.“

Es gefiel T. J., dass er auf eine Bemerkung über Cecilias Größe verzichtete. „Ich werde Cecilia nicht verraten, was Sie gesagt haben.“

„Danke.“

Er schlief schon, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Ein Lachen weckte Christopher aus einem verschwommenen Traum und klang so wunderbar, dass er gern mitgelacht hätte. Es war das Lachen eines Kindes.

Mühsam öffnete er die Augen und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass das Zimmer nicht verschwamm, als er den Kopf hob. Es drehte sich auch nicht, als er sich aufsetzte. Lächelnd holte er tief Atem. Die Übelkeit war noch vorhanden, aber nur noch ganz leicht. Wieder hörte er ein kleines Mädchen lachen. Hatte die Cochran nicht etwas von einer Nichte gesagt, die das Wochenende bei ihr verbrachte?

Ein Kind. Christopher schüttelte den Kopf. Er hatte nichts gegen Kinder, konnte aber auch nichts mit ihnen anfangen. Das sollte er allerdings nicht zugeben. Schließlich hatte seine Familie ihr Vermögen mit einer niedlichen Puppe namens Moppsie begründet, die vor über sechzig Jahren Einzug in unzählige Kinderzimmer gehalten hatte. Trotzdem hatte er sich nie für Kinder interessiert, nicht einmal, als er selbst klein war. Mit zunehmendem Alter hatte sich daran nichts geändert.

Dieses Lachen wirkte jedoch anziehend und weckte seine Neugier.

Ihm schwindelte nur für einen Moment, als er nach der Hose am Bettende griff. Er wartete, bis er sich wieder gut fühlte, schwenkte die Beine über die Bettkante und zog sich wenigstens teilweise an. Er hatte keine Ahnung, wo sein Hemd war, und wenn er es suchte, verbrauchte er wahrscheinlich seine ganze Kraft.

Christopher murmelte eine Verwünschung vor sich hin, schob das lange Nachthemd in die Hose, was gar nicht so einfach war, und betrachtete sich. Er sah aus, als wollte er einen Schwimmreifen schmuggeln. Was für ein lächerlicher Anblick! Es hätte jedoch noch alberner ausgesehen, hätte er das Nachthemd über der Hose getragen.

Sobald er die Tür öffnete, hörte er nicht nur das Kind, sondern auch eine Erwachsene lachen, wahrscheinlich seine Gastgeberin oder die Haushälterin, die wegen ihrer Größe gut nebenbei Karriere beim Basketball machen konnte. Er ging dem Klang nach, um sich mit eigenen Augen von ihrer Statur zu überzeugen. Die Tür ließ er hinter sich offen und tappte barfuß den langen Korridor mit den spanischen Kacheln entlang. Dabei kam er sich wie eine der Ratten vor, die dem Rattenfänger von Hameln nachliefen.

Das könnte einen guten Werbespot abgeben, dachte er zufrieden und blieb an der Tür eines gemütlichen Wohnraums stehen.

Seine Gastgeberin hatte auf den Pferdeschwanz verzichtet und sah großartig aus. Theresa hatte das Haar hinter ein Ohr geschoben. Auf der anderen Seite fiel es frei herunter. Sie kniete auf dem Fußboden neben einem lebhaften kleinen Mädchen, das wie eine Miniaturausgabe von ihr aussah.

Überall lag Spielzeug herum. Theresa hielt einen lustig aussehenden Stofflöwen in der einen Hand und ließ ihn mit hoher Stimme sprechen. Der Löwe unterhielt sich mit einem kleinen Pinguin mit einer schief auf dem Kopf sitzenden Krone, den sie in der anderen Hand hielt.

Das war das Spielzeug, das er mitgebracht hatte. Zuerst ärgerte er sich, weil sie seinen Koffer geöffnet hatte, doch dann erfreute er sich an der Szene. Christopher lehnte sich an den Türrahmen und sah fasziniert zu.

T. J. hatte in der Nacht mehrmals nach Christopher gesehen. Er war nicht aufgewacht, und da er auch vorhin noch geschlafen hatte, nahm sie sich Zeit für ihre Tochter. Als sie in seinem Koffer einen Pyjama gesucht hatte, war sie auf das Spielzeug gestoßen und hatte beschlossen, es entsprechend zu nutzen.

Megan gab ein großartiges Publikum ab. T. J. drehte die Hand hin und her und ließ den Löwen von einem Bein auf das andere hüpfen. „Mann, oh Mann, hätte ich doch nur ein kleines Mädchen, das mir beim Sprechen hilft. Sprechen ist Schwerstarbeit.“ Sie drehte den Löwen zum Pinguin herum. „Weißt du, wo ich ein hilfsbereites kleines Mädchen finde, Mr. Pinguin?“

„König Pinguin“, erwiderte dieser empört und richtete sich hoch auf. Dann kratzte er sich am Kopf, als würde er vergeblich nachdenken. Beide Stofftiere wandten sich hilfesuchend an Megan. „Weißt du, wo wir ein hilfsbereites kleines Mädchen finden?“, fragte der Pinguin.

Megan deutete aufgeregt auf sich. „Ich!“, rief sie. „Ich! Ich! Ich!“

Der Pinguin nickte so heftig, dass ihm die Krone über ein Auge rutschte. „Ja, du, du, du. Weißt du, wo wir ein hilfsbereites kleines Mädchen finden?“

Autor

Gina Wilkins
Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden! Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt seitdem...
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