Julia Valentinsband Band 21

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

BLIND DATE AM VALENTINSTAG von MORGAN, RAYE
Als die hübsche Cari entdeckt, dass Max gar nicht ihr Blind Date für den Valentinstag ist, ist es bereits zu spät: Sie hat sich auf den ersten Blick in den gut aussehenden Geschäftsmann verliebt. Doch auch er hält sie für jemand anderes - seine zukünftige Frau!

GESTÄNDNIS AM VALENTINSTAG von GRADY, ROBYN
Celeste verbringt sinnliche Stunden in den Armen des faszinierenden Millionärs Benton Scott. Dennoch trennt sie sich schweren Herzens von ihm, denn er will sich nicht binden. Doch warum taucht er sechs Wochen später wieder bei ihr auf - und ausgerechnet am Valentinstag?

HAPPY END AM VALENTINSTAG von LOVELACE, MERLINE
Rorys Herz schlägt schneller, als er in Spanien seine Jugendliebe wiedertrifft. Aber Caroline empfängt ihn kühl. Denn nach einem Sommer der Liebe hatte er sie ohne ein Wort verlassen. Um sie zurückzuerobern, plant er eine ganz besondere Überraschung zum Valentinstag …


  • Erscheinungstag 08.12.2009
  • Bandnummer 21
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956487
  • Seitenanzahl 378
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

ROBYN GRADY

Geständnis am Valentinstag

Heiße Liebesspiele an Bord einer Luxusyacht, leidenschaftlicher Sex in der Silvesternacht: die erotische Anziehungskraft ist groß zwischen Celeste und Benton. Doch während sie dabei ist, ihr Herz unrettbar an den gut aussehenden Millionär zu verlieren, scheint er nicht mehr als eine ebenso lustvolle wie unverbindliche Affäre zu wollen …

RAYE MORGAN

Blind Date am Valentinstag

Quer über die Tanzfläche erblickt Cari am Valentinstag ihren Traummann: groß, schlank, dunkelhaarig … Ihre Knie werden weich, als der attraktive Fremde ihr ein faszinierendes Lächeln schenkt. Ist er tatsächlich ihr Blind Date? Noch bevor sie ihn fragen kann, führt er sie auch schon aus dem überfüllten Club hinaus und küsst sie heiß …

MERLINE LOVELACE

Happy End am Valentinstag

Nichtsahnend verabredet sich die Unternehmerin Caroline in Spanien mit einem neuen Kunden – und steht plötzlich mit klopfendem Herzen ihrer Jugendliebe Rory Burke gegenüber, der einst spurlos aus ihrem Leben verschwand. Auch wenn sie es nicht will, fühlt sie sich zu diesem aufregenden Mann hingezogen wie am ersten Tag …

1. KAPITEL

„Lass dir nichts anmerken, aber dieser Wahnsinnstyp in dem weißen Smoking zieht dich die ganze Zeit schon mit Blicken aus.“

Celeste Prince fasste ihre Freundin Brooke am Arm. „Tu mir den Gefallen und starr ihn nicht dauernd an“, zischte sie. „Sonst bildet er sich noch weiß Gott was ein.“

Sie gab ja zu, dass der Mann mit seinen dunklen Haaren, dem markanten Kinn und den eindrucksvoll breiten Schultern wirklich gut aussah. Solche Männer begegneten einem nicht jeden Tag, und natürlich ließ er auch sie nicht kalt. Aber im Moment gab es Wichtigeres, da konnte sie keine Ablenkung brauchen.

Gut hundert Gäste in festlicher Abendkleidung hatten sich auf Einladung von Rodney Prince, einem der erfolgreichsten australischen Unternehmer, hier in der Villa eingefunden, um das zwanzigjährige Bestehen seiner Firma PLM zu feiern. Aber für Celeste war es weit mehr als irgendein Firmenjubiläum. Denn heute Abend wollte ihr Vater die Leitung von Prince Landscape Maintenance, seinem auf Gartenbau spezialisierten Unternehmen, das landesweit Lizenzen vergab, an sie übergeben. Nachdem ihre Mutter vor fünfzehn Jahren gestorben war, hatte Rodney nur noch für seine Arbeit gelebt, sodass sie sich immer weiter voneinander entfernt hatten. So lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, in dem sie endlich wieder eine Rolle für ihn spielen würde. Und es würde ein Augenblick werden, in dem ihre Mutter stolz auf sie gewesen wäre. Der Gedanken daran hatte sie über Jahre aufrechterhalten.

Da mussten Männer, und mochten sie auch so gut aussehen wie dieser Fremde, zurückstehen.

Celeste senkte den Kopf und warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Er lehnte in lässiger Haltung an der Terrassentür, eine Hand in der Hosentasche. Im klassischen Sinne war er vielleicht nicht schön, er sah eher auf eine archaische, sehr männliche Art gut aus. Aber das war es nicht, was seine Ausstrahlung so magisch machte. Es waren diese unglaublich blauen Augen, die sie förmlich zu hypnotisieren schienen.

Und natürlich zweifelte er keinen Moment daran, dass er Eindruck auf sie machte. Das drückte sein Lächeln mehr als deutlich aus.

Eine Gänsehaut breitete sich auf Celestes Armen aus, und sie sah schnell zur Seite. Aber sie spürte seinen Blick noch immer auf sich. Er schien sie zu liebkosen, schien ihr das Kleid abzustreifen …

Brooke neigte sich zu ihr. „Kennst du ihn?“

Celeste trank einen Schluck Champagner. Sonst hätte sie kein Wort herausgebracht. „Nein. Keine Ahnung, wer das ist“, gab sie zurück. „Und es interessiert mich auch nicht.“

Sie musste sich darauf konzentrieren, ihre Antrittsrede ohne Stammeln und Stottern über die Bühne zu bringen. Als Kind hatte sie sehr darunter gelitten, dass man sie wegen ihres kleinen Sprachfehlers ausgelacht hatte. Inzwischen hatte sie ihr Problem erfolgreich bekämpft und überstand die meisten Situationen „unfallfrei“.

Brooke hob eine Augenbraue. „Ach, nein?“ Sie hielt ihr Champagnerglas mit beiden Händen. „Wir waren zusammen auf der Highschool und sind mit dem Rucksack durch Europa gereist, ich kenne dich ziemlich gut. Also erzähl mir nichts. So hast du noch auf keinen Mann reagiert.“

Celeste musste lächeln. „Es war ja auch noch keiner dabei, der auch nur annähernd einem Vergleich standgehalten hätte.“

Wie unter Zwang warf sie einen Blick über die Schulter. Inzwischen bewegte der Mann sich durch den Raum, als ginge er sein Territorium ab und schätzte die zu erwartende Beute. Dabei wirkte er fast gleichgültig, und doch hatte sie das Gefühl, dass niemand der hier Anwesenden sich seiner fast magnetischen Ausstrahlung entziehen konnte. Vor allem sie selbst nicht …

„Celeste, kann ich dich unter vier Augen sprechen?“

Celeste fuhr herum und entdeckte ihren Vater hinter sich. Er wirkte angespannt. Ganz automatisch registrierte sie gleichzeitig, dass der gutaussehende Fremde verschwunden war. Sie entschuldigte sich bei Brooke und folgte ihrem Vater durch die Eingangshalle der eleganten Villa. Das Porträt ihrer Mutter nahm darin einen zentralen Platz ein.

Heute Nachmittag hatte sie mit ihrem Vater über die Zukunft der Firma gesprochen. Er hatte sich in Andeutungen über seinen geplanten Rückzug ergangen und gleichzeitig herauszufinden versucht, welche Vorstellungen sie im Hinblick auf ihre Zukunft hatte. War sie mit ihrem Geschäft für Handtaschen und modische Accessoires, das sie dieses Jahr in Sydney eröffnet hatte, zufrieden? Wollte sie vielleicht mehr erreichen?

Ja, sie war zufrieden, und ja, sie wollte mehr erreichen und sehnte sich nach einer neuen Aufgabe. Ihr Vater hatte sich nicht sehr klar ausgedrückt. Aber Celeste hatte keinen Moment daran gezweifelt, dass er einfach nur ganz sichergehen wollte, bevor er die Umstellung in seinem Unternehmen bekannt gab, die schon seit Monaten erwartet wurde. Heute war es endlich so weit. Noch wenige Minuten, dann würde man auf die neue Unternehmensleitung und Geschäftsführung anstoßen: auf Celeste Ann Prince.

Kurze Zeit hatte sie erwogen, heute Abend einen eleganten schwarzen Abendanzug zu tragen, sich dann aber doch für ein mit glitzernden Steinchen besetztes Abendkleid entschieden, das den Beifall ihrer Mutter gefunden hätte. Das Kleid war pfirsichfarben und unterstrich ihr langes tizianrotes Haar, das ihr in großzügigen Wellen auf die Schulter fiel. Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass die winzigen Sommersprossen im Gesicht ihrer Tochter kleine Sonnenküsse seien. Dass Celeste auf diese Art Küsse gern verzichtet hätte, hatte Anita Prince nie verstanden.

Rodney Prince zog die Tür zum Arbeitszimmer zu und ging zu seinem Schreibtisch. Dort drehte er sich um und sah Celeste offen an. „In zehn Minuten werde ich dort draußen eine Entscheidung bekannt geben, über die ich sehr lange und gründlich nachgedacht habe.“

„Davon bin ich überzeugt.“ Celeste gab sich so ruhig wie er.

„Prince Landscape Maintenance hat sich zu einem sehr großen Unternehmen mit vielen Angestellten entwickelt. Wer dieses Unternehmen führt, muss sich in allen Bereichen auskennen und darf sich für keine Aufgabe zu schade sein. Das heißt, notfalls muss er auch selbst einen Baum beschneiden oder mit einem kleinen Bagger umgehen können.“

Auch wenn Celeste nickte, hatte sie eigentlich nicht vor, sich mit solchen Arbeiten abzugeben. Das konnte auch jemand in geringerer Stellung übernehmen. Sie hatte eher daran gedacht, neue Unternehmenszweige zu gründen, zum Beispiel eine Floristen-Kette, die nur für wirklich große und glamouröse Ereignisse wie Prominenten-Hochzeiten tätig werden würde. Unter ihrer Leitung würde die Kette sicher bald florieren.

Ihr Vater verschränkte die Arme vor der Brust. „In den nächsten Tagen ist noch ziemlich viel Papierarbeit zu erledigen. Deshalb habe ich Mr. Scott eingeladen, ein paar Tage bei uns zu bleiben, um sich leichter einzuarbeiten.

Celestes Lächeln wurde etwas angestrengt. „Und wer ist dieser Mr. Scott?“

Ob es sich vielleicht um einen neuen Buchhalter handelte? In letzter Zeit hatte sie ihren Vater oft über seinen Büchern brütend angetroffen, wenn sie zu ihm ins Büro gekommen war. Er war jetzt fünfundsechzig Jahre alt und hatte sich seinen Ruhestand verdient.

„Mr. Scott ist ein erfolgreicher Unternehmer und hat uns ein sehr gutes Angebot gemacht. Ich möchte, dass du ihn kennenlernst, bevor ich ihn unseren Gästen vorstelle.“

Celeste hatte die Befürchtung, dass im nächsten Moment die Knie unter ihr nachgeben würden. Als könnte sie so Halt finden, schlang sie die Arme um den Oberkörper. „Heißt das, dass du PLM verkaufen willst? An einen wildfremden Mann?“

Das durfte er nicht! Am liebsten hätte sie ihren Vater am Revers gepackt und so lange geschüttelt, bis er wieder zur Vernunft käme. Aber sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass Gefühlsausbrüche nicht zum Erfolg führten. Als sie das letzte Mal gegen ihren Vater rebelliert hatte, hatte er sie ins Internat gesteckt. Zum Glück hatte sie dort Brooke kennengelernt und eine Freundin in ihr gefunden.

Wie durch eine Wand hindurch drang seine Stimme an ihr Ohr. „… großzügiges Angebot, für alle das Beste …“ Aber sie hörte ihm nicht mehr zu. Immer hatte sie alle Erwartungen erfüllt, die er an sie gestellt hatte: Sie war gut in der Schule gewesen, selbst im verhassten Fach Mathematik, und war nie negativ aufgefallen. Und die ganze Zeit über hatte sie nur auf diesen einen Moment gewartet.

Wie konnte er ihr das antun? Oder, schlimmer noch: Wie konnte er das ihrer Mutter antun?

„Du weißt genau, dass ich deine Nachfolge antreten wollte“, platzte es aus ihr heraus. „Wir haben erst heute darüber gesprochen!“

„Liebes, wir haben über deinen Handtaschenladen gesprochen. Ich wollte wissen, ob du expandieren willst.“

Aber hatte er damit nicht eigentlich etwas anderes gemeint? Celeste mochte ihren Laden, aber eigentlich war er nur als Übergang gedacht gewesen, als Möglichkeit, ihr Wissen und ihre praktischen Fähigkeiten zu erweitern, bis zu eben diesem Zeitpunkt! Hatte sie nicht ständig Interesse an den firmeninternen Vorgängen, an der Entwicklung von PLM gezeigt? Es hatte sich doch immer von selbst verstanden, dass sie eines Tages in die Fußstapfen ihres Vaters treten würde! Da bedurfte es doch keiner Worte mehr.

Sie griff nach dem einzigen Rettungsanker. „Du hast gesagt, dass noch nichts unterschrieben ist. Sag diesem Mr. Scott, dass du es dir anders überlegt hast. Dass du mir die Firma anv-v-vertraust.“ Seit Jahren hatte sie nicht mehr gestottert.

Ihre Wangen hatten sich hochrot gefärbt, während ihr Vater mit leichter Missbilligung die Augenbrauen hochzog.

Jetzt schüttelte er den Kopf. „Es ist am besten so, glaub mir. Das Unternehmen braucht einen Mann an der Spitze, und ich habe den richtigen Mann gefunden.“

Celeste straffte die Schultern. Der richtige Mann war sie! Oder vielmehr die richtige Frau. Aber nicht darum ging es eigentlich, sondern darum, dass der Verkauf der Firma ein riesiger Betrug an ihrer Mutter war. Sie war so stark gewesen, hatte so viel Kraft und Arbeit in die Firma investiert, und das nicht nur ihrem Mann zuliebe, sondern in der festen Überzeugung, dass es eines Tages ihrer Tochter zugute kommen würde. Ohne ihre Mutter gäbe es Prince Landscape Maintenance überhaupt nicht!

Es klopfte, und Rodney Prince sah zur Tür hinüber. „Kommen Sie herein, Benton.“

Benton? Ja, natürlich, Benton Scott. Den Namen hatte Celeste schon gehört. Er war angeblich sehr reich, ansonsten wusste man wenig über ihn, außer dass er offenbar viel Geld für wohltätige Zwecke ausgab.

Celeste ballte die Hände zu Fäusten. Ihretwegen konnte Scott ein Heiliger sein, es interessierte sie nicht. Die Firma gehörte ihr und basta. Wer sich ihr in den Weg stellte, war besser auf der Hut!

Aber als der „Feind“, ein Whiskeyglas in der Hand, jetzt eintrat, verschlug es ihr die Sprache, und sie bekam für einen Augenblick keine Luft mehr.

Auch das noch! Diese Augen, diese Schultern …

Ihre Blicke trafen sich, und der Neuankömmling blieb stehen. Er schien genauso überrascht wie sie. Draußen hatte er unverhohlen Interesse an ihr gezeigt, und so ging es ihr jetzt auch – wenn ihr Interesse auch vorwiegend darin bestand, ihn so schnell wie möglich loszuwerden.

Sie machte sich den kurzen Moment der allgemeinen Überraschung zunutze. „Ich möchte nicht unhöflich erscheinen“, beschied sie ihn kühl, „aber mein Vater und ich stecken mitten in einer wichtigen Besprechung. Wir unterhalten uns später.“

Ihr Vater wollte widersprechen, aber Benton Scott hatte die Situation begriffen und hob die Hand. „Kein Problem, Rodney. Das ist vielleicht wirklich nicht der beste Zeitpunkt, uns miteinander bekannt zu machen. Und vielleicht sollten wir auch mit unserer Neuigkeit nicht unbedingt heute Abend an die Öffentlichkeit gehen.“

Ein kleiner Schauer lief Celeste über den Rücken. Diese tiefe, verführerische Stimme konnte ihr gefährlich werden, das fühlte sie.

„Nein, nein.“ Rodney Prince ging auf Benton Scott zu, neben dem er fast klein wirkte. „Kommen Sie ruhig herein.“ Er warf seiner Tochter einen Blick zu. „Wir sind ohnehin fertig.“

Sie schluckte. Hatte er denn alles vergessen? Waren ihm ihre Gefühle so wenig wert?

Sein Gast mischte sich ein. „Ach, Rodney, eine Mrs. Simmons war gerade auf der Suche nach Ihnen, um sich zu verabschieden. Sie lässt bereits ihren Wagen vorfahren.“

Celestes Vater räusperte sich. „Dann sollte ich mich wohl beeilen. Mrs. Simmons ist eine meiner wichtigsten Kundinnen.“

Damit schlug er dem jüngeren Mann leicht auf die Schulter und ging, ohne seine Tochter auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Aber für Selbstmitleid war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Erfolgreiche Geschäftsfrauen schmollten nicht, sondern nutzten ihre Chancen, wann immer sie sich ihnen boten. Und wenn es Celeste auch gegen den Strich ging, so konnte dieser Benton Scott sich vielleicht doch noch als ihr wichtigster Trumpf entpuppen.

Und so blieb sie nach außen hin kühl und wies auf einen Ledersessel. „Setzen Sie sich doch.“

Benton schüttelte den Kopf und griff mit einem Lächeln nach der Türklinke. „Wie ich vorhin schon gesagt habe – wir sollten unser Kennenlernen vielleicht noch etwas verschieben. Gute Nacht, Miss Prince.“

O nein! So leicht kam er ihr nicht davon. Sie hatte einen Plan, und dafür brauchte sie ihn. „Ertragen Sie es nicht, mit einer Frau allein zu sein, Mr. Scott?“, erkundigte sie sich herausfordernd.

Er blieb stehen und drehte sich langsam um. Sein Lächeln war ein wenig schief und geradezu schamlos sexy. „Unter dem Problem habe ich noch nie gelitten.“

Celeste hob nachlässig die Schultern und ging zur Bar. „Für alles gibt es ein erstes Mal.“

„Sie sehen eigentlich wie eine nette junge Dame aus.“

„Mir ist nicht entgangen, dass Sie das offenbar auch vorher schon ausgiebig festgestellt haben.“

„Ich wusste nicht, dass Sie Rodneys Tochter sind.“

„Hätte das etwas daran geändert?“

In seiner Wange zuckte ein winziger Muskel. „Möglich.“

Ihre Hand zitterte unmerklich, als sie die offene Flasche aus dem mit Eis gefüllten Sektkühler nahm und ihr Champagnerglas nachfüllte. „Abgesehen von meiner Eigenschaft als Tochter habe ich auch zwei Studienabschlüsse in Wirtschaft und besitze eine eigene Firma – Celestial Bags and Accessoires.“ Der Stolz in ihrer Stimme war unverkennbar.

„Himmlische Taschen und Modeaccessoires?“ Benton kam näher. „Ich bin beeindruckt.“

„Weil ich eine Frau bin?“

Seine Augen wurden schmaler. Machte er sich über sie lustig? Oder versuchte er, sie einzuschätzen? „Weil Sie so jung sind.“

Wie originell. Sie war es leid, immer wieder auf ihr Alter angesprochen zu werden. Mit fünfundzwanzig war sie schließlich kein Kleinkind mehr.

„Ich bin ziemlich zielstrebig“, sagte sie und lehnte sich an die Bar. „Wenn ich etwas will, dann setze ich alles daran, es zu bekommen.“

Eine Augenbraue bewegte sich nach oben. „Und was wollen Sie, Miss Prince?“

Sie holte tief Luft. Jetzt kam es. „Ich möchte das Familienunternehmen nicht aus der Hand geben.“

Eine kleine Pause entstand. „Können wir offen miteinander reden?“, wollte er dann wissen.

„Ja, natürlich.“

„Selbst wenn Ihr Vater tatsächlich mit dem Gedanken gespielt hätte, letzten Endes hätte er Ihnen die Geschäftsleitung doch nicht übertragen. Das hat nichts mit mir zu tun.“

Das versetzte ihr einen kleinen Schock. Wie konnte er sich anmaßen, so genau zu wissen, was ihr Vater tun würde und was nicht?

Celeste stellte ihr Champagnerglas ab. „Ein Vertrag ist erst dann geschlossen, wenn er unterschrieben ist, Mr. Scott.“

Sein Blick wurde hart. „Die Firma ist in finanziellen Schwierigkeiten.“

Das konnte nicht sein. PLM war eines der führenden Unternehmen im Land, lange Jahre schon. Der Kopf schwirrte ihr.

„Ihr Vater wollte Sie nicht beunruhigen.“

Ja, klar. Celeste machte ein paar Schritte, während sie versuchte, sich von dem Schock zu erholen. Aber selbst wenn es schlecht um die Finanzen stand, änderte das nichts an ihrer Absicht. Eine kleine wirtschaftliche Krise bedeutete nur, dass ihre innovativen Ideen erst recht gefragt waren.

Sie drehte sich mit einem Ruck zu ihrem Gegner um. „Sie sind ein erfolgreicher Investor. Was wollen Sie denn dann mit einem angeblich maroden Unternehmen?“ Ihr Magen zog sich zusammen, als ein Verdacht in ihr keimte. „Es sei denn, Sie wollen es zerschlagen und die profitablen Teile verkaufen.“

„Ich bin kein Profithai. Für mich bietet Ihr Unternehmen die ideale Gelegenheit, Geschäft und Vergnügen zu verbinden. Ich habe viel Geld an der Börse gemacht, aber jetzt will ich eine Firma, mit der ich mich identifizieren kann.“

Celeste betrachtete ihn eine Weile. Hatte sie ihn richtig verstanden? „Sie wollen Rasen mähen und Bagger fahren?“

„Wenn es meine Zeit erlaubt, ja. Warum nicht? Die Firma braucht einen Besitzer, dem sie am Herzen liegt.“

„Und für Herzensangelegenheiten sind Sie natürlich Fachmann“, stellte Celeste trocken fest.

„Absolut“, gab Benton mit einem Blick auf ihren Mund zurück. „Vorausgesetzt, die Umstände stimmen.“

Zu ihrem Entsetzen spürte sie, wie ihre Brustspitzen sich aufstellten, als hätte er mit dem Finger darüber gestrichen. Was würde er nur alles mit seinem Mund anrichten?

Celeste schluckte. Das gehörte nicht zu ihrem Plan. Sie trat auf die Terrasse hinaus. In der Ferne glitzerten die Lichter der Stadt, und vor dem Nachthimmel zeichnete sich der majestätische Bogen der Hafenbrücke von Sydney ab. Wie sollte es jetzt weitergehen?

Benton war ihr gefolgt, und der Duft der noch regenfeuchten Eukalyptusblätter und exotischen Blüten wurde überdeckt von einem anderen, einem teuren, würzigen und sehr männlichen Duft.

Aus den Augenwinkeln sah Celeste, dass er sein Glas an die Lippen hob. „Wir werden uns nicht einig werden“, prophezeite er.

„Ich denke doch.“

Er lachte. „Sie scheinen eine sehr eigensinnige Frau zu sein.“

„Ich würde mich eher als beharrlich bezeichnen.“

Sie warf einen schnellen Blick auf seine Hand. Er trug keinen Ring. Ob er eine Freundin hatte? Sicher, und vermutlich nicht nur eine. Aber es war ihr ohnehin gleichgültig. Völlig gleichgültig.

Der Mond spiegelte sich in seinen Augen, als er jetzt langsam den Blick über ihr Gesicht wandern ließ. „Schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben. Es hätte für uns …“

„Für uns beide von Vorteil sein können?“, schlug Celeste leichthin vor.

Er ließ den Whiskey in seinem Glas kreisen. „So könnte man es natürlich auch ausdrücken.“

„Wie wäre es mit ‚denkwürdig‘? Oder ‚vielversprechend‘?“

Seine Mundwinkel bogen sich leicht nach oben. „Was haben Sie eigentlich gegen mich, Miss Prince? Warum greifen Sie mich ständig an?“

Seine Augen funkelten, und ihre Brustspitzen richteten sich wieder auf. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie er sie zwischen die Lippen nahm und …

Sie musste sich zwingen, in die Wirklichkeit zurückzukehren und dieses Ziehen in ihrem Bauch zu ignorieren. Vorsichtshalber räusperte sie sich. „Ich finde, Sie sollten sich wie ein Ehrenmann verhalten und von dem Kauf zurücktreten.“

„Sie mögen anderer Ansicht sein, aber glauben Sie mir, es ist nur zu Ihrem Besten, wenn Ihr Vater sich scheinbar grausam verhält. Eine einzige Fehlentscheidung oder ungünstige Marktentwicklung, und Sie verlieren alles.“

Was sollte das denn jetzt? Hatte sie vielleicht einen Stempel auf der Stirn: „Achtung, mit mir geht jedes Geschäft den Bach hinunter“?

Celeste kreuzte die Arme vor der Brust. „Danke für Ihre ermutigenden Worte“, gab sie sarkastisch zurück. „Ich hoffe nur, dass ich genauso bescheiden bleibe wie Sie, wenn sich bei mir der große Erfolg einstellt.“

Seine Züge verhärteten sich. „Sarkasmus steht Ihnen nicht, er ist langweilig. Mir ist es lieber, wenn Sie mit mir flirten.“

Sie gab einen unfreundlichen Laut von sich. „Ja, natürlich. Schließlich sind Sie ein Mann.“

„Und Sie sind eine Frau“, gab er zurück. „Und zwar eine sehr schöne Frau, die gern hübsche Kleider trägt.“ Während sie noch an dem Wort „schön“ hing, wurden seine Züge weicher. „Warum nehmen Sie nicht einfach Ihren Anteil von dem Erlös und kaufen sich zu Ihrem Handtaschenladen noch ein oder zwei Boutiquen dazu?“

Für einen Moment war Celeste sprachlos. „Ich weiß nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll – über diesen frauenfeindlichen Vorschlag oder darüber, dass Sie das allen Ernstes für einen guten Rat zu halten scheinen!“

Vielleicht war er ja wichtiger und reicher als sie – gut, vielleicht sogar intelligenter. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie nicht kämpfen konnte. Ihre Mutter wäre stolz auf sie, wenn sie das noch erleben könnte.

Benton sah sie eine Weile nur an, dann gab er mit einem kleinen Aufstöhnen nach. „Also, was schlagen Sie vor?“

Celeste sah ihm voll ins Gesicht. „Mitgefühl. Kaufen Sie, was Sie wollen, aber nicht PLM. Ich hänge sehr an der Firma. Meine Eltern haben hart gearbeitet und auf vieles verzichtet, um sie zum Laufen zu bringen.“ Sie konnte sich an die geschäftlichen Höhen und Tiefen noch so lebhaft erinnern, als wäre das alles erst gestern gewesen: an die knallenden Champagnerkorken ebenso wie an die endlosen Auseinandersetzungen und Streitereien. „Sie behaupten, dass der Verkauf angeblich zu meinem Besten ist. Dann beweisen Sie es. Ich weiß, dass die Geschäfte im Moment rückläufig sind. Geben Sie mir drei Monate, in denen ich meinem Vater zeigen kann, dass ich die Firma wieder auf die Beine bekomme.“

Sie sah ihm an, dass er tatsächlich darüber nachdachte. Dann stieß er den Atem aus. „Ich gebe Ihnen einen Monat.“

Sie musste ihr triumphierendes Lächeln verbergen.

„Zwei Monate.“

„Sechs Wochen, und auch nur unter einer Bedingung: Ich werde die ganze Zeit über an Ihrer Seite sein.“

„Ich brauche niemanden, der mir die Hand hält.“

„In sechs Wochen kann man viel Unheil anrichten. Ich habe nicht die Absicht, mir mehr Arbeit aufzuhalsen, als unbedingt sein muss.“

Celestes Lächeln geriet etwas angestrengt. „Sie haben Glück, dass ich so eine dicke Haut habe. Sonst hätte ich das als Beleidigung aufgefasst.“

Jetzt musste sie sich schnell etwas einfallen lassen. Allein die Vorstellung, sechs Wochen lang diesen Mann immer in ihrer Nähe zu haben, war schon mehr, als sie ertragen konnte. Wichtig war nur eines: dass sie ihr Ziel erreichte. Dabei brauchte sie keinen Aufpasser. Vielleicht sollte sie ihre Taktik ändern und ihn bei seinem männlichen Stolz packen.

Sie stieß einen Seufzer aus. „Eigentlich hatte ich Sie als jemanden eingeschätzt, der Herausforderungen liebt. Als Mann, der keine Risiken scheut. Offenbar habe ich mich in Ihnen getäuscht.“

Damit wollte sie sich von ihm abwenden, aber er packte sie am Handgelenk. Ihr wurde am ganzen Körper heiß.Wie stellte er das an? Was war es, das ihn so sexy machte?

Sie konnte nur hoffen, dass die Wirkung, die er auf sie hatte, sich nicht in ihrem Gesicht spiegelte. Stumm zählte sie bis zehn, dann sah sie zu ihm auf.

Seine Augen blitzten, und er lockerte seinen Griff. „Das ist die Abmachung. Entweder Sie sind einverstanden, oder Sie lassen es. Aber da gibt es noch etwas …“ Er sah auf ihren Mund. „Sechs Wochen sind eine lange Zeit, und ich bin mir nicht sicher, ob wir so lange so eng zusammenarbeiten können ohne – Folgen.“

Seine Nähe, die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, berührten Celeste auf eine ganz unerklärliche Weise. Auf einmal entdeckte sie Reaktionen in ihrem Körper, von denen sie bis zu diesem Augenblick nicht einmal etwas geahnt hatte. Davon durfte er nie etwas erfahren.

Ihre Stimme klang ruhig. „Es ist doch bemerkenswert, wie schnell Sie Ihre Absicht, unser Kennenlernen zu verschieben, geändert haben.“

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Prince.“ Er tat so, als hätte er sie nicht gehört. „Ich habe nicht das Geringste gegen solche Folgen, solange Sie sich darüber im Klaren sind, dass ich nicht auf der Suche nach einer Mrs. Scott bin. Das hat nichts damit zu tun, mit wessen Tochter ich mich gerade treffe oder was diese Tochter sich möglicherweise wünscht.“

Celeste verschlug es für einen Moment die Sprache. Er beschuldigte sie mehr oder weniger unverblümt, dass sie ihn in ihre Fänge locken wollte, damit PLM in der Familie blieb! Diese Unverschämtheit schlug ja wohl dem Fass den Boden aus!

„Ich enttäusche Sie nur ungern, aber danke, nein, ich bin nicht interessiert.“

„Nein?“

Sie lachte verächtlich. „Nein!“

Benton legte den Kopf ein wenig schief. „Das nehme ich Ihnen nicht ab. Als alter Zyniker würde ich mich aber gern selbst davon überzeugen.“

Und bevor sie auch nur über eine Antwort nachdenken konnte, war es schon geschehen. Er zog sie mit einem Ruck an sich und küsste sie.

Die ersten Sekunden erlebte Celeste wie in Trance, als wären alle ihre Lebensfunktionen zum Stillstand gekommen. Dann erwachten von einem Moment auf den anderen alle ihre erogenen Zonen zum Leben, und ihr wurde am ganzen Körper heiß. Und als er seinen Druck verstärkte, wurde die Hitze so stark, dass sie fürchtete zu verbrennen.

Das war kein Kuss. Das war eine Hinrichtung.

Endlich löste er sich von ihr, aber nur so weit, dass ihre Nasenspitzen sich noch berührten. Seine Augen waren halb geschlossen, und Celeste war in seinem Blick gefangen. Ihre Brust hob und senkte sich in schnellem Wechsel, und sie war unfähig, sich zu bewegen. Von ihrer Umgebung nahm sie kaum etwas wahr. Alles, was zählte, war dieses wilde, drängende körperliche Begehren.

Als er den Kopf neigte, als wollte er sie noch einmal küssen, hielt sie den Atem an. Aber dann verzog er nur den Mund ein wenig und gab sie frei. Es grenzte an ein Wunder, dass ihre Knie nicht unter ihr nachgaben und sie ins Taumeln geriet.

„Ich bleibe die ganze nächste Woche hier“, teilte er ihr mit. „Wenn Sie immer noch interessiert sind – oder war es nicht interessiert? –, können wir uns ja morgen bei einem Drink weiter unterhalten.“

Irgendwie schaffte Celeste es, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen und zu lächeln. „Klingt gut. Ich möchte meinen Drink übrigens mit viel Eis.“ Sie nahm sein Glas und kippte es über die Brüstung. „Genau wie Sie, Mr. Scott.“

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen wachte Benton früh auf. Er lag auf dem Bauch und registrierte, dass er eindeutig erregt war. Neben ihm war das Bett leer. Merkwürdig. Dann, als er sich auf den Rücken drehte, fiel ihm wieder seine Begegnung mit der störrischen Miss Prince ein. Sonnenstrahlen fielen durch die Vorhänge, und er schloss die Augen und erinnerte sich mit Genuss an den mehr als eindrucksvollen Kuss, den er mit der jungen Dame getauscht hatte.

Als er an ihre letzte Bemerkung dachte, lächelte er. Sie wollte also angeblich Eis? Bildete sie sich allen Ernstes ein, dass sie ihm etwas vormachen konnte? Aber so gern er ihr bewiesen hätte, was sie sich wirklich wünschte, so sehr warnte ihn sein gesunder Menschenverstand davor. Wer mit dem Feuer spielte, verbrannte sich nur zu leicht die Finger. Er war angetreten, um mithilfe einer Finanzspritze PLM vor dem Absturz zu retten. Das erforderte seine volle Konzentration. Rodney Prince sah in ihm den Retter seines Unternehmens, und er selbst empfand sich auch so. Schon aus diesem Grund konnte er es kaum erwarten, bis er endlich mit der Arbeit anfangen konnte.

Aus dem Garten drang Lachen in sein Zimmer, und er stand auf und trat auf den Balkon hinaus. Celeste kraulte unter einem mächtigen, ausladenden Feigenbaum zwei mittelgroße Pudel, die nur darauf warteten, dass sie ihnen einen Ball warf. Mit den goldenen Haarsträhnen erinnerte sie ihn an eine Elfe. Aber dann richtete sie sich auf, und ihre langen, wohlgeformten Beine, zusammen mit ihrem ansprechend gerundeten Busen, vertrieben dieses unschuldige Bild von einem auf den anderen Moment.

Ben strich sich das Haar aus der Stirn und streckte sich ausgiebig. Das mit dem Kuss gestern Abend war falsch gewesen. Er hatte Celeste einfach überrumpelt. Trotzdem bereute er nichts. Wenn er ehrlich war, würde er diesen Kuss am liebsten wiederholen. Aber dafür waren seine moralischen Skrupel zu groß.

Er stellte seine Dehn- und Streckübungen ein und legte die Hände um den Mund. „Hallo, da unten!“

Celeste sah zu ihm hinauf, aber ihr Blick erreichte seine Augen nicht, sondern blieb auf seiner nackten Brust hängen. Wie war das mit seiner Anwandlung von Moral gewesen? Er lächelte ein wenig schief und beugte sich vor, um ihr einen besseren Blick zu ermöglichen. Celeste war seine Absicht nicht entgangen, und sie wandte sich ab – nur um sich kurz darauf wieder zu ihm umzudrehen. „Sie sind früh auf, Mr. Scott“, stellte sie mit dem höflichen Lächeln der Gastgeberin fest.

„Immer“, gab er zurück. „Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“

„Das hatte ich sogar gehofft.“

Seine Augenbrauen gingen in die Höhe. „Sie möchten vermutlich gleich zum Geschäft kommen.“

„Unbedingt.“ Celeste verschränkte die Arme unter ihren bemerkenswerten Brüsten. „Lassen Sie uns so bald wie möglich anfangen.“

Keine halbe Minute später stand Ben unter der kalten Dusche. Er hatte schon mit einigen Frauen oberflächliche Affären gehabt, und es war immer schön gewesen. Aber diese Celeste Prince war anders. Das hatte er vom ersten Augenblick an gespürt. Natürlich hätte er gleich darauf kommen müssen, dass sie Rodneys Tochter war. Genauso wie er danach in der Bibliothek hätte ahnen müssen, dass sie ihn in eine Falle locken würde.

Er trat aus der Dusche und griff nach dem Handtuch. Sein sonst so klarer Verstand war vorübergehend getrübt gewesen. Aber jetzt hatte er wieder zu seinem alten Selbst zurückgefunden. Im Grunde war es ganz einfach: Sie hatte ein Ziel, und er stand ihr dabei im Weg. Und ihr war jedes Mittel recht, den Zweikampf mit ihm zu gewinnen.

Ben lächelte. Schön. Sollte sie es versuchen, er würde ihr mit Vergnügen dabei zusehen.

Auf dem Weg in den Garten hinunter fing ihn die Haushälterin ab und übergab ihm eine Nachricht seines Gastgebers. Wegen einer dringenden persönlichen Angelegenheit musste ich kurzfristig weg. Aber Celeste wird mich bestimmt würdig vertreten. Tut mir leid. Rodney P.

Das verschafft ihr Zeit, sich eine plausible Erklärung für ihren Vater auszudenken, dachte Ben, als er den Zettel in die Hosentasche schob und auf die Veranda hinaustrat. Celeste war offenbar der Meinung, dass es ihn stolz machte, wenn sie die Nachfolge ihres Vaters in der Firma antrat. Irgendwie konnte er das verstehen, und er beneidete sie sogar darum. Er würde viel dafür geben, wenn er sich überhaupt an einen Vater erinnern könnte – oder an eine Mutter.

Aber etwas Gutes hatte sein Leben im Heim und in den diversen Pflegefamilien doch gehabt: Er hatte gelernt zu überleben, weil er die Fähigkeit besaß, Menschen und Situationen sehr schnell und genau einzuschätzen. Und in diesem Fall war er davon überzeugt, dass Rodney Prince niemals auch nur im Traum daran gedacht hatte, sein angeschlagenes Unternehmen seiner hübschen Tochter zu übergeben.

Und Celeste selbst? Sie mochte selbst noch nicht einsehen oder gar akzeptieren, dass sie sich besser auf ihre weiblicheren Stärken verlassen und auf ihre Handtaschen konzentrieren sollte. Aber damit war sie eindeutig besser bedient. Er irrte sich selten, und ganz sicher nicht, was sie betraf.

Celeste wartete im Garten auf ihn, und ihr frisches Gesicht mit diesen niedlichen Sommersprossen auf der Nase verfehlte seine Wirkung auf ihn nicht. Ben beugte sich über die Hunde, um sie am Ohr zu kraulen. Celeste kam zu ihm und betrachtete seinen Khakianzug mitsamt dem breitkrempigen Hut und den knöchelhohen Stiefeln lange und ausgiebig.

„Sie nehmen Ihre Aufgabe offenbar sehr ernst“, stellte sie dann mit leisem Spott fest.

„Absolut. Und Ihr Kleid ist zwar sehr hübsch, aber nach Arbeit sieht es nicht unbedingt aus.“

„Ich dachte, wir nehmen uns zuerst die Bücher vor. Aber wenn Sie wollen, kann ich mir dazu auch ein seriöses Kostüm anziehen.“

Unwillkürlich sah er sie in einer strengen Weste und sonst gar nichts hinter dem Schreibtisch stehen. Er räusperte sich. Ganz ruhig, Scottie.

„Und ich dachte, wir sollten gleich mit der Praxis anfangen. Wo also ist der Rasenmäher?“

Celeste lächelte, und er konnte den Blick nicht von ihren vollen Lippen wenden. Wie Kirschen hatten sie geschmeckt, wie süße, reife Kirschen.

„Wollen Sie vielleicht eine Art Quiz mit mir veranstalten?“, erkundigte sie sich. „Ob ich alle Einzelteile richtig aufzählen kann?“

Ben lachte. „Nicht ganz. Sie behaupten, Sie seien kompetent genug, die Firma zu retten. Wie wäre es also damit, wenn wir, um mit etwas Einfachem anzufangen, zum Beispiel diesen Rasen um zwei Zentimeter kürzen würden?“ Er sah sich um und atmete tief durch. „Ich wittere den Diesel schon förmlich.“

Celeste schlüpfte in ihre Sandalen. „Wenn Sie mich abschrecken wollen, können Sie sich die Mühe sparen. Ich bin mit dem Geruch nach Dünger und dem Geklapper von Gartenscheren aufgewachsen.“

„Schön. Dann können Sie mir ja sicher das eine oder andere zeigen.“

„Ich wollte es nicht so deutlich sagen, aber darum geht es, ja.“

Sie setzte sich in Bewegung, und dabei geriet ihr Hüftschwung ein wenig zu ausgeprägt, um ganz unbewusst zu sein. Von wegen Eis. Mit dem Verstand mochte sie sich ja aufs Geschäft konzentrieren, aber in ihrem Körper war die Botschaft offenbar noch nicht angekommen.

Celeste sah ihn über die Schulter an. „Und Sie wollen das wirklich durchziehen? Sie könnten meinem Vater doch auch einfach sagen, dass Sie noch mehr Zeit brauchen, um Ihre Entscheidung zu überdenken. Ich werde ihn in der Zwischenzeit ein bisschen bearbeiten, und wenn Sie dann in zwei Monaten zurückkommen …“

„In sechs Wochen.“ Er ging jetzt neben ihr.

„Ja, gut, in sechs Wochen“, berichtigte sie sich. „Dann werden Sie feststellen, dass alles ganz wunderbar läuft und Sie guten Gewissens von dem Kauf zurücktreten können.“

„Und mich wie ein Ehrenmann verhalten, wie Sie sich so hübsch ausgedrückt haben.“

Celeste schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Genau.“

Er hatte seine eigenen Vorstellungen davon, wie er mit der Situation umgehen wollte, und davon ließ er auch nicht ab. Aber mit einem hatte Celeste recht gehabt: Sie gab nicht so leicht auf. Er fühlte mit ihr, trotzdem gab er keinen Zentimeter nach. So leicht ließ er sich nicht abservieren.

„Wenn ich Sie daran erinnern darf, war Teil unseres Plans, dass ich Ihnen in diesen sechs Wochen nicht von der Seite weiche. Wir standen da in der Bibliothek gemütlich zusammen und …“

Natürlich wusste sie genau, worauf er anspielte. Sie wandte den Blick ab und ging schneller.

Ben steckte die Hände in die Hosentaschen. Interessant. Auf einmal hatte er den Verdacht, dass sie sich vielleicht nur so herb und abweisend gab und in Wirklichkeit viel weicher war. Das würde es für ihn zwar einfacher machen, aber trotzdem hätte er eine harte Auseinandersetzung vorgezogen. Denn Celeste hatte mit ihrer Behauptung, dass er Herausforderungen liebte, richtig gelegen – vor allem dann, wenn sie mit Küssen verbunden waren.

Vor einer großen Wellblechscheune blieb sie stehen und zog mit einiger Anstrengung die Schiebetür auf. Eine Sammlung von Rasenmähern kam dahinter zum Vorschein. „Suchen Sie sich einen aus.“

Ben stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Eine beeindruckende Auswahl.“

„Bevor mein Vater mit der Gartenbaufirma anfing, hat er sein Geld mit der Reparatur von Rasenmähern verdient. Und jetzt sammelt er sie.“

„Sie meinen, wie eine Art Riesenbriefmarken?“

Celeste lachte. „Ja, so ähnlich.“

In der Scheune roch es nach getrocknetem Gras und Maschinenöl.

Ben schlenderte zwischen den unterschiedlich großen Modellen umher. „Ich denke, wir nehmen den.“

Es war ein rotes, dem Anschein nach sehr gepflegtes Exemplar, das ihn an seine Kindheit erinnerte. Damit hatte er sich mit Rasenmähen regelmäßig einen Dollar verdient. Aber als größte Belohnung hatte er das Lächeln seines damaligen Pflegevaters empfunden, der im Gegensatz zu den vielen anderen Ersatzvätern nie laut geworden war. Er war genau sechs Monate in seiner neuen Pflegefamilie gewesen, als sein „Vater“ an einem Herzinfarkt gestorben war. Und danach hieß es wieder neues Heim, neue Familie. Eigentlich hätte er daran gewöhnt sein müssen.

Celeste strich mit der Hand über das glänzende Metall. „Der muss über zwanzig Jahre alt sein. Wollen Sie sich nicht lieber einen moderneren Mäher aussuchen?“

Ben schob ihn nach draußen. „Nein, nein, der ist wunderbar.“

Er beugte sich hinunter und zog am Anlasserseil. Der Motor drehte sich und begann zu stottern, wollte aber nicht anspringen. Also versuchte er es noch einmal, diesmal mit mehr Krafteinsatz – und mit demselben Ergebnis. Ohne Celeste anzusehen, unternahm er einen dritten Versuch, bei dem er fast das Seil aus seiner Führung gerissen hätte. Mit größter Beherrschung konnte er noch einen Schmerzenslaut unterdrücken, dann trat er einen Schritt zurück. Auf keinen Fall würde er verraten, dass seine Schulter wehtat!

„Er scheint nicht zu funktionieren.“

Celeste kam näher und betätigte mit ihren perfekt manikürten Fingern einen kleinen Hebel. Ben beugte sich hinunter, die Stirn gerunzelt. „Treibstoff“ stand auf dem Hebel. Wie hatte er das übersehen können?

„Versuchen Sie es doch jetzt noch einmal“, empfahl sie ihm mit einer gewissen Süffisanz in der Stimme.

Er presste die Kiefer zusammen und gehorchte. „Sehr gut“, lobte er mit feierlichem Gesichtsausdruck, als der Motor tatsächlich zum Leben erwachte.

In Celestes Augen tanzten Lachpünktchen. „Heißt das, ich habe den ersten Test bestanden?“

Er schob eine Augenbraue in die Höhe. „Das war schon der zweite.“

Ihre Augen wurden dunkel, aber dieses Mal wandte sie den Blick nicht ab.

Ben legte die Hände auf den Metallgriff. Das Vibrieren des Motors setzte sich bis in seinen Körper fort und weckte alte Erinnerungen. „Wie lange braucht man Ihrer Erfahrung nach für den Rasen?“

„Damit? Vermutlich den größten Teil des Vormittags.“

Er trat einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste. „Dann darf ich bitten.“ Celeste verzog das Gesicht und machte keine Anstalten, sich in Bewegung zu setzen. „Was ist? Ich dachte Sie sind mit Dünger und Heckenscheren aufgewachsen. Da haben Sie doch sicher auch gelegentlich mal den Rasen gemäht.“

Wenn er sie nur hart genug traktierte, dauerte es vermutlich nicht einmal eine Woche, bevor sie bei ihren Handtaschen Zuflucht suchte. Und vielleicht bedankte sie sich eines Tages sogar bei ihm dafür.

Celeste drehte den Benzinhahn wieder zu. „Wenn Sie darauf bestehen, nehme ich lieber einen Aufsitzmäher. Der hier ist mir zu schwer.“

„Einverstanden.“ Kurze Zeit später fuhr er die schwere Maschine, die mehr Ähnlichkeit mit einem Traktor als mit einem Rasenmäher hatte, aus dem Schuppen. Celeste hatte ein Paar Gartenhandschuhe gefunden, die sie sich jetzt über die zarten Hände zog, und Ben stülpte ihr seinen Hut auf den Kopf. „Den werden Sie bei der Hitze brauchen.“

Sie schob das Kinn vor und sah ihn über ihre ausladende Sonnenbrille hinweg kühl an. „Sehr aufmerksam.“ Aber große Dankbarkeit klang nicht aus ihrer Stimme. Sie kletterte auf den Sitz, und Ben schwang sich hinter sie.

Mit einem Ruck fuhr sie herum. „Was soll das?“

Er quetschte sich hinter sie. Angenehmes Parfüm, stellte er fest, leicht und blumig, aber nicht süßlich. Genau das Passende für Miss Prince.

„Ich habe Ihnen doch gestern Abend gesagt, dass ich praktisch an Ihnen kleben werde. Das war die Bedingung.“

Sie versuchte, von ihm wegzurücken, als hätte er eine ansteckende Krankheit. „Vielleicht sollten Sie vorher noch ein Glas Eistee trinken.“

„Ich ziehe morgens etwas Heißes vor.“

„Damit können Sie mir keine Angst machen, falls das Ihre Absicht war.“ Die Warnung war deutlich.

„Dann schlage ich vor, dass Sie anfangen.“

Entschlossen löste Celeste die Handbremse und gab Gas. Der Rasenmäher machte einen abrupten Satz nach vorne, und ihr Hut flog Ben ins Gesicht. Dann riss sie so heftig das Steuer herum, dass er auf die Seite geschleudert wurde und fast vom Sitz gefallen wäre.

Er richtete sich wieder auf, drückte ihr den Hut auf den Kopf zurück und schlang die Arme um ihre Hüften. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als sich an ihr festzuhalten. Dass sich dabei ihr Po gegen die Innenseite seiner Schenkel presste, war nur eine natürliche und unabwendbare Folge.

Celeste trat auf die Bremse und sprang auf den Boden. Ihr Gesicht hatte eine hochrote Färbung angenommen. „So fahre ich keinen Meter weiter.“

Ben hob nur die Schultern. „Die Tagesordnung haben Sie bestimmt.“

So ging es nicht. Erst überredete sie ihn zu diesem verrückten Vorhaben, suchte sich dann diesen Rasenmäher aus und versuchte jetzt, ihn mit allerlei Tricks loszuwerden.

„Sie … Sie …!“ Sie nagte an ihrer Unterlippe. Dann zählte sie stumm bis drei, atmete tief durch und sah ihn wieder an. „Das ist nicht fair.“

„Es geht nicht um fair oder nicht fair. Ich will einzig und allein sichergehen, dass ich keinen Fehler mache.“

Sie sah ihn eine Weile an, als müsse sie sich über irgendetwas klar werden, dann presste sie die Lippen zusammen und stieg wieder auf.

Während der nächsten Stunde fuhren sie in diagonalen Bahnen den Rasen ab. Das Vibrieren des Motors übertrug sich über die Beine auf Bens Körper. Eigentlich hatte er Rasenmähen immer für alles andere als erotisch gehalten, aber andererseits – dieser wohlgerundete Po, der sich an ihm bewegte und an seinen Schenkeln rieb … Irgendwann konnte er nur noch hoffen, dass die Qual bald ein Ende hatte. Als sie endlich zur Scheune zurückfuhren, war seine Erregung nicht mehr zu leugnen.

Celeste stieg ab, zog den Hut vom Kopf und schleuderte ihn von sich. „Na, befriedigt?“

So hätte er es nicht ausgedrückt, wenn er an seine körperliche Verfassung dachte. Er stieg vorsichtshalber auf der anderen Seite des Mähers ab, um keinen Anstoß zu erregen. „Gut gemacht“, bestätigte er.

„Und? Wie geht es jetzt weiter?“

„Wie wäre es mit einer kleinen Erfrischung?“

„Ich vermute, mit Eis?“, erkundigte sie sich anzüglich.

Ben runzelte die Stirn. „Ein Mann ist kein Kamel, Miss Prince.“ Und er war nicht aus Holz. In diesem Augenblick war er einfach nur ein männliches Wesen im Zustand der Erregung, das diesen Zustand jedoch nicht öffentlich machen wollte.

Mit einiger Mühe zwang er sich, sich eine schneebedeckte Landschaft vorzustellen, ohne Berge, ohne Täler, einfach nur eine öde, trostlose Ebene. Dann machte er sich auf den Weg zum Haus zurück. Celeste hatte ihn bald eingeholt, gefolgt von den Hunden, und er suchte sich ein sicheres Thema.

„Haben Sie die Hunde schon lange?“

„Seit ungefähr fünfzehn Jahren. Sie heißen Matilda und Clancy und sind Geschwister.“

Ben rechnete schnell nach. „Damals waren Sie …“

„Zehn. Im selben Jahr ist meine Mutter gestorben.“

Er sparte sich Beileidsbekundungen. In seinen Ohren klangen sie immer hohl und selten aufrichtig. Wäre er an ihrer Stelle, würde er sie jedenfalls nicht hören wollen. Sie kannten sich noch nicht gut genug, als dass er nach den näheren Umständen hätte fragen können. Stattdessen schnippte er mit den Fingern, und sofort kamen beide Hunde angaloppiert. Mit einem Lächeln tätschelte er ihnen den Kopf. „Sie wirken noch ziemlich fit. Offenbar haben sie sich gut gehalten.“

Celeste strich sich die Haare aus der Stirn. „Für ihr Alter sind sie gut in Form, stimmt. Sie schlafen aber auch ziemlich viel.“

„Ich vermute, sie haben schon gefrühstückt.“

Celeste musste lächeln. „Ich bin sicher, dass Denise inzwischen auch für uns den Tisch gedeckt hat. Sie sehen aus, als hätte Sie Appetit auf Eier mit Schinken.“

Er hob die Augenbrauen. „Gut getippt.“

Sie schüttelte ihre Mähne aus. „Das hat mir meine Kristallkugel verraten.“

„Und haben Sie Ihre Kugel auch befragt, wie unser sechswöchiger Versuch ausgehen wird?“

Eine warme Brise ließ Celestes Haare wehen. „Welche Antwort erwarten Sie denn?“

Er brauchte keine Kristallkugel, um den Ausgang ihres Experiments vorherzusagen. Aber auf einmal war er gar nicht mehr so erpicht auf dieses Spiel, das doch nur mit einem Ergebnis enden konnte. Selbst wenn er sich aus dem Geschäft zurückzog, würde Rodney nur einen anderen Käufer präsentieren – falls er jemanden fand, der ihm ein annehmbares Angebot für seine angeschlagene Firma machte. Celeste konnte gar nicht gewinnen. Sollte er ihren Vater vielleicht überreden, ihren Plan zu unterstützen, bis sie von selbst aufgab? Oder wäre es humaner, dem Ganzen sofort ein Ende zu setzen? Er wusste aus Erfahrung, dass es schmerzlicher sein konnte, sich an eine Vorstellung zu klammern, als sich der Wahrheit zu stellen. Je früher man die Realität akzeptierte, desto früher konnte man sich daranmachen, eine Lösung zu suchen.

Der Geruch nach frischem Toast und Muffins vertrieb alle anderen Gedanken, sobald sie das Haus betraten. Erst jetzt fiel Ben richtig auf, dass er Hunger hatte. Er wollte gerade gehen, um sich die Hände zu waschen, als Stimmen zu ihnen drangen.

Celeste drehte sich zu ihm um. „Mein Vater ist wieder da.“

„Und offenbar hat er weibliche Gesellschaft dabei.“

Rodney und sein Gast standen im Wohnzimmer unter dem Kronleuchter. Ben erkannte die Frau. Sie war am Abend zuvor auch hier gewesen. Dass Rodney sie gerade küsste, überraschte ihn nicht im Geringsten. Er hatte gestern schon so einen Verdacht gehabt.

Celeste schlug die Hände vor den Mund, und ein kleiner Laut entfuhr ihr.

Ihr Vater löste sich von der Frau – Suzanne Simmons. Er rieb sich den Nacken und räusperte sich verlegen. „Celeste, Benton, Mrs. Simmons ist euch ja schon bekannt.“

Ben machte einen Schritt näher zu Celeste hin, um ihr beizustehen. Dann nickte er grüßend. Celeste konnte sich zu keiner Willkommensgeste durchringen, und er verstand sie. Das musste ein Schock für sie sein.

„Was soll das?“, fragte sie jetzt mit brüchiger Stimme.

Suzanne berührte Rodney am Arm, sah aber zu Celeste hinüber. Rodney tätschelte ihr beruhigend die Hand und ging dann zu seiner erstarrten Tochter. „Suzanne und ich werden heiraten, Celeste. Ich möchte wieder eine Familie haben.“

Celeste schluckte. „Dad, du bist fünfundsechzig!“

Seine Wangen färbten sich rosa. „Suzanne ist schwanger. Du kannst dich also auf einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester einstellen. Gestern gab es eine kleine Komplikation, aber inzwischen ist alles wieder in Ordnung.“ Er drehte sich mit einem Lächeln zu seiner zukünftigen Frau um. „Es ist einfach wunderbar.“

Ben spürte, dass Celeste sich versteift hatte, aber er selbst streckte die Hand aus. „Ich gratuliere Ihnen, Rodney.“ Dann nickte er Suzanne zu. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie sehr glücklich miteinander werden.“

Wieder so eine hohle Phrase, dachte er, aber sie wurde wohlwollend aufgenommen. Er selbst glaubte nicht an die Liebe, denn man konnte nicht darauf zählen, was nach diesem „und wenn sie nicht gestorben sind“ kam.

Suzanne kam näher und nahm Celestes Hände. „Es tut mir leid. Das muss ein Schock für Sie sein. Wir wollten es Ihnen eigentlich heute Abend in Ruhe erzählen.“ Sie sah auf ihren wohlgerundeten Bauch hinunter. „Ich hoffe, wir können eines Tages Freundinnen werden.“

Celeste zwang sich zu einem Lächeln. „Ich wünsche Ihnen – euch beiden – viel Glück.“

Jetzt sprach Suzanne Ben an. „Ihr Angebot kommt genau zur richtigen Zeit. Wir möchten unser Leben mit dem Baby einfach nur in Ruhe genießen, ohne uns immer Sorgen ums Geschäft machen zu müssen.“ Sie wandte sich wieder Celeste zu. „Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie Ihr Geschäft gern erweitern möchten. Wie aufregend. Wahrscheinlich können Sie es kaum erwarten, mit der Suche nach dem richtigen Laden anzufangen.“

Celestes Züge waren wie versteinert, als sie jetzt zu ihrem Vater hinübersah. Aber er konnte ihr nicht in die Augen schauen und wandte den Blick ab.

Ben fühlte mit ihr. Natürlich war sie in einer anderen Situation als er damals, er war schließlich noch ein winziger Säugling gewesen. Aber der Schock musste tief sitzen. Vermutlich ging es ihr so ähnlich wie ihm damals, als er mit zehn Jahren den ersten richtigen „Vater“ gefunden und dann von einem auf den anderen Tag auf einmal kein Heim mehr gehabt hatte. Wahrscheinlich spielte das Alter, wenn man plötzlich ins Abseits gestellt wurde, keine Rolle. Der Schmerz war immer groß. Aber ihr konnte er heute wenigstens helfen.

Ben ging auf Rodney zu. „Wir hatten Sie noch gar nicht so bald zurückerwartet. Deshalb habe ich Ihre Tochter zu einem Ausflug eingeladen. Wir wollten uns nur gerade etwas zu essen holen.“

„Lassen Sie sich von Denise etwas einpacken.“

Suzanne und nahm ihren zukünftigen Mann am Arm. „Ich bin auch halb verhungert.“

Fünf Minuten später saßen Ben und Celeste in seinem Mercedes und fuhren in Richtung Stadt. Celeste befand sich immer noch in einem tranceähnlichen Zustand. Kein Wunder, dachte Ben.

Schließlich hatte sie innerhalb von zwölf Stunden zwei ziemlich harte Schläge zu verdauen gehabt.

Er war alles andere als ein Experte für heile Familien und wollte sich da auch nicht hineinziehen lassen. Mit diesen Leuten hatte er im Grunde nichts zu tun, und deshalb überraschte es ihn, dass er sich in gewisser Weise verantwortlich fühlte. Was konnte er dafür? Und doch würde er Celeste gern wieder lächeln sehen und alles dafür tun.

Entschlossen drückte er das Gaspedal hinunter. Er wusste auch schon, wie er es am besten anfing.

3. KAPITEL

Celeste starrte blicklos auf die nicht enden wollende Reihe von Akazien, während sie sich in Benton Scotts offenem Sportwagen immer weiter vom Haus ihres Vaters, von ihrem Elternhaus entfernten. Sie wusste nicht, ob sie es jemals wiedersehen wollte.

Benton ließ sie in Ruhe, und sie war ihm dankbar dafür. Ihr stand jetzt nicht der Sinn nach einer Unterhaltung.

Dann kam sie zu einem Entschluss. Alles im Leben hatte einen Sinn, und dieser Schock heute hatte sie aufgerüttelt. Die ganzen Jahre über hatte sie an einem Traum festgehalten, der sich nie erfüllen würde. Und wenn sie ehrlich war, dann war es eigentlich auch nie ihr eigener Traum gewesen, selbst wenn sie sich das immer eingeredet hatte. Jetzt musste sie sich entscheiden: Entweder sie suhlte sich in dem Bewusstsein, betrogen und getäuscht worden zu sein, und verbitterte darüber, oder sie gab diesen Traum mit all seinen unrealistischen Hoffnungen ein für allemal auf. Dazwischen gab es nichts, und das ließ ihr im Grunde nur eine Wahl.

Vor ihnen schaltete die Ampel auf Rot, und Benton hielt an. Celeste atmete tief durch, nahm ihre Sonnenbrille ab und betrachtete ihren Begleiter. Im Augenblick hatte sie das Gefühl, dass ihr nichts Besseres hätte passieren können. Er war der erotischste Mann, der ihr je begegnet war, und sensibel und verständnisvoll schien er auch zu sein.

Sie lächelte ein wenig angestrengt. „Danke, dass Sie mich da weggebracht haben.“

Benton schob die Sonnenbrille ein bisschen tiefer und sah zu ihr hinüber. „Keine Ursache.“

Er war auf eine gefährliche, fast südländische Weise attraktiv. Seine Haut war olivfarben, die Haare pechschwarz und nicht zu kurz geschnitten. Seine Augen konnte sie hinter der Brille nicht sehen, und so widmete sie sich seinem Profil. Für einen Mann hatte er einen wunderschön sinnlichen und trotzdem nicht zu weichlichen Mund. Sie erinnerte sich nur zu deutlich daran, wie zart seine Lippen sich angefühlt hatten. Wie sie geschmeckt hatten …

Sie hatten den Stadtrand erreicht, und der elegante, weltberühmte Bogen der Hafenbrücke tauchte vor ihnen auf. „Ich würde gern Ihren Laden sehen.“

Celeste schüttelte mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf. Jetzt übertrieb er es mit seinem Mitgefühl. „Geben Sie zu, dass Sie sich nicht im Mindesten für Handtaschen und Gürtel interessieren.“

„Mag sein. Aber das heißt nicht, dass es mich nicht interessiert, was Sie normalerweise den Tag über treiben.“

Brooke hatte die Wochenendschicht im Geschäft übernommen. Seit zehn Jahren war sie ihre beste Freundin, aber heute konnte Celeste ihr einfach nicht gegenübertreten. Natürlich kannte Brooke ihre Familiengeschichte und würde sie zu trösten versuchen, aber sie wollte diesen Tag am liebsten so schnell wie möglich aus ihrem Gedächtnis streichen. Und am besten fing sie damit an, dass sie sich ein langes heißes Bad gönnte und es sich mit einem dicken Buch auf dem Sofa gemütlich machte.

„Ehrlich gesagt, wäre es mir am liebsten, Sie würden mich nach Hause bringen“, sagte sie jetzt.

„Das kommt überhaupt nicht infrage.“

Sie runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

„Es wäre die reinste Verschwendung, sich an einem so schönen Tag schmollend in eine Ecke zu verziehen.“

„Ich habe nicht vor zu schmollen.“ Celestes Falten vertieften sich. „Das ist vorbei.“

Benton nahm seine Brille ab, und sie sah ihm an, dass er ihr nicht glaubte. „Schließen wir eine Abmachung.“

Celeste sah aus dem Fenster. Nur das nicht! „Dazu bin ich nicht in der Stimmung.“

„Nicht dass ich etwas aufrechnen will, aber Sie schulden mir noch einen Gefallen – oder zwei, genau genommen.“

Es war wohl so. Immerhin hatte er sich auf dieses verrückte Sechs-Wochen-Arrangement eingelassen und sie aus der peinlichen Situation mit ihrem Vater und Suzanne befreit. Das verdiente eine Belohnung.

Celeste unterdrückte einen Seufzer und drehte sich zu ihm. „Und wie sähe dieser Gefallen aus?“

„Ich fahre Sie nach Hause, aber nur, damit Sie dort Ihre Badesachen holen können.“

Ihr Puls ging etwas schneller. „Und dann?“

„Das wird nicht verraten.“

Unwillkürlich stellte Celeste sich ein Sprudelbad auf der Dachterrasse eines luxuriösen Penthauses vor. Aber andererseits hätte das nicht zu ihm gepasst, das spürte sie. Er nützte Situationen nicht aus.

Aber worüber machte sie sich überhaupt Gedanken? Sie hatte sich erst letzte Woche einen neuen Bikini gekauft. Und auch wenn sie ein paar Kilos über ihrem Idealgewicht lag – die sich auf ihre Oberschenkeln konzentriert hatten –, was kümmerte es sie? Sie neigte zwar nicht zu spontanen Aktionen, aber es würde sie auch nicht umbringen, wenn sie etwas ausnahmsweise einmal nicht im Voraus plante.

Sie dirigierte ihn zu ihrer Wohnung, und zehn Minuten, nachdem er sie dort abgesetzt hatte, tauchte sie schon wieder auf. Ben hatte neben dem Auto gewartet und brach sofort sein Telefongespräch ab, bevor er ihr die Tür öffnete und dann selbst einstieg.

„Geht es Ihnen besser?“, erkundigte er sich, nachdem er den Motor angelassen hatte.

Celeste hob die Schultern. „Schwer zu sagen. Im Moment fühle ich gar nichts.“ Das musste eine Art Abwehrmechanismus sein, mit dem sie sich vor einem der schwärzesten Tage ihres Lebens schützte.

Ben stellte den Rückspiegel neu ein. „Dagegen müssen wir unbedingt etwas unternehmen.“

Kurze Zeit später bogen sie in den Privatparkplatz eines kleinen Jachthafens ein. Aus einem Bootshaus kam eine weißblonde Frau mittleren Alters und hängte Benton einen großen Picknickkorb an den Arm. Er bedankte sich und geleitete Celeste zu einem Anlegesteg, an dem eine imposante weiße Jacht festgemacht war. Fortune stand in roten Buchstaben darauf.

„Ich nehme an, die gehört Ihnen?“

Er nahm seine Sonnenbrille ab, und der Stolz in seinem Blick war unverkennbar. „Ja. Sie ist einfach ein Prachtstück.“

„Ja, sehr nett“, meinte Celeste. „Ich hätte mir allerdings eine etwas größere Ausgabe erwartet“, gab sie mit einem Augenzwinkern zurück.

Benton fasste sie am Ellbogen, um ihr an Bord zu helfen. „Keine Angst, es ist genug Platz für zwei da.“

Celeste zog ihren Bikini und ein weißes Strandhemd an, und Benton schlüpfte in Khakihosen und ein T-Shirt, das seine Muskeln und die breiten Schultern noch zusätzlich betonte. Sie standen nebeneinander, als er die Jacht aus dem Hafen hinaus auf das gleißend blaue offene Meer steuerte.

Die frische Salzluft und die warme Sonne hatten eine befreiende Wirkung, und Celeste holte tief Luft. Es war eine merkwürdige Situation. Gestern Abend hatte sie diesen Mann noch als Feind betrachtet, und jetzt … Jetzt war sie plötzlich eine Frau, für die sich eine Vielzahl von Möglichkeiten auftat. Und dazu gehörte auch Benton Scott.

Seine Haare wehten im Wind, und wenn er lachte, bildeten sich Grübchen an seinen Mundwinkeln. Ob er eine Freundin hatte? Wenn ja, konnte es keine sehr ernsthafte Beziehung sein, schließlich hatte er selbst gesagt, dass er nicht auf der Suche nach einer Mrs. Scott war.

Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete ihn aus schmalen Augen. Warum wollte er nicht heiraten? Weil er sich nicht festlegen wollte und lieber seine Freiheit genoss? Hatte ihm je eine Frau das Herz gebrochen? Nein, wahrscheinlich nicht. Irgendwie wirkte er nicht so.

Er steuerte eine ruhige Bucht an und warf den Anker. Vor ihnen lag ein schmaler Sandstrand, umgeben von grün bewachsenen Hügeln. So musste es im Paradies gewesen sein.

Benton verschwand in der Kajüte und kam mit einer Decke und dem Picknickkorb wieder zum Vorschein. Aus einem Kühler zauberte er eine Champagnerflasche. „Wie wäre es damit?“

Aber sie hatte gestern genug Champagner getrunken. „Lieber nicht.“

Er kletterte die Badeleiter hinunter und streckte den Arm aus, um ihr zu helfen. „Es ist vermutlich nicht der richtige Tag zum Feiern“, meinte er, als sie durch das knietiefe Wasser zum Strand wateten.

„Irgendwie doch“, erwiderte Celeste nach einer Weile. „Jetzt kann ich mich endlich bewegen.“

An einer schattigen Stelle breiteten sie ihre Picknickdecke aus.

„Muss ich das jetzt verstehen?“, erkundigte Benton sich.

Celeste verzog das Gesicht. „Das ist eine lange Geschichte.“

Er durchsuchte den Picknickkorb und zog schließlich eine Flasche Cola heraus. „Wir haben den ganzen Tag Zeit.“ Er setzte sich auf den Boden und stützte sich mit einer Hand hinter dem Rücken ab.

Bis jetzt hatte sie außer Brooke noch niemandem Einzelzeiten aus ihrer Kindheit und Jugend erzählt. Vielleicht sollte sie sich wirklich einmal alles von der Seele reden. Die Frage war nur, ob Benton Scott die richtige Adresse dafür war. Immerhin würde er bald die Firma ihrer Eltern übernehmen.

Celeste kräuselte die Nase. „Sind Sie sicher, dass Sie das alles hören wollen?“

Benton inspizierte den Picknickkorb. „Wir haben belegte Brote, Käse, Obst und Schokoladenherzen. Damit überleben wir mindestens bis Mittwoch.“

Sie lächelte, aber dann wurde sie wieder ernst, als sie sich neben ihn setzte. Also gut.

„Mein Vater war Mechaniker, genau wie schon mein Großvater, während meine Mutter aus einer ziemlich wohlhabenden Familie kam. Das Haus war ein Hochzeitsgeschenk ihres Vaters. Dad war ihm nie gut genug für seine kostbare Tochter, und das setzte ihn natürlich gewaltig unter Druck. Nachdem sein Reparaturdienst für Rasenmäher ziemlich gut lief, schlug meine Mutter ihm vor zu expandieren.“ Celeste lehnte sich zurück. Die Vergangenheit lief wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. „Damals waren wir eine glückliche Familie. Dad hat viel und erfolgreich gearbeitet, aber er hatte trotzdem immer Zeit für uns.“ Sie bohrte ihre Colaflasche in den Sand. „Leider war er kein besonders gewiefter Geschäftsmann und wurde von seinem Partner betrogen. Er war völlig am Boden zerstört. Meine Mutter stellte dann einen Geschäftsplan auf und bat meinen Großvater um einen Kredit. Der war natürlich nicht besonders begeistert über die ganze Sache, wie Sie sich denken können.“ Sie umschlang ihre Knie mit beiden Armen. „Danach wurde mein Vater ein anderer Mensch.“

„Kein Wunder“, meinte Benton. „Er war natürlich in seinem Stolz getroffen. Woher wissen Sie das eigentlich alles?“

„Als Kind bekommt man mehr mit, als die Erwachsenen sich immer einreden. Meine Eltern haben ziemlich viel gestritten, wenn ich im Bett war. Ganz gleich, was mein Vater vorschlug, meine Mutter hatte immer die bessere Idee. Und meistens setzte sie sich durch.“ Celeste sah aufs Meer hinaus. „Nicht ein Mal habe ich mitbekommen, dass Dad anerkannte, was sie für ihn leistete. Im Grunde, glaube ich, hasste er diese Abhängigkeit von ihr und ihrer Familie. Letztlich zerbrach die Liebe meiner Eltern dann auch an ihrer unterschiedlichen Herkunft und am mangelnden gegenseitigen Respekt. Ich war zehn Jahre alt, als mir klar wurde, dass meine Mutter meinen Vater nicht mehr liebte.“ Celeste sah Benton an. „Eltern glauben immer, dass sie ihren Kindern Spannungen verheimlichen können, aber ich konnte es in ihren Augen sehen.“

„Ich glaube auch, dass Kinder sehr viel mehr verstehen, als man ihnen zutraut.“

Das Verständnis in seiner Stimme, seine Ernsthaftigkeit gaben ihr den Mut weiterzusprechen.

„Es war an meinem Geburtstag, und ich hatte meine Freundinnen eingeladen. Wie immer hatte meine Mutter ein wunderbares Fest vorbereitet, obwohl ihr Vater die Woche davor gestorben war. Aber als sie mir abends einen Gutenachtkuss gab, brach alles aus ihr heraus. Sie war so verletzt und voller Scham und Schuldbewusstsein. Mein Großvater hatte sein ganzes Geld ihrem älteren Bruder hinterlassen. Offenbar hatten meine Eltern ihm den Kredit nie zurückzahlen können. Meine Mutter tröstete sich immer mit dem Gedanken, dass PLM eines Tages mir gehören würde. Damals interessierte mich das natürlich nicht. Ich wollte nur, dass meine Eltern sich wieder liebhatten.“

„Aber dann starb Ihre Mutter und hatte keinen Einfluss mehr darauf, was Ihr Vater mit seiner Firma machte.“

Oder was passieren würde, wenn er wieder heiratete und noch mehr Kinder bekam. Celeste dachte an Suzanne. Bald würde sie eine Schwester oder einen Bruder bekommen, und eigentlich hatte sie sich das immer gewünscht. Aber im Augenblick konnte sie sich noch nicht darüber freuen.

Sie seufzte und streckte die Beine aus. „Meine Mutter starb an einer Gehirnblutung. Es war schrecklich für mich. Und je länger sie tot war, desto mehr klammerte ich mich daran, dass mir eines Tages die Firma gehören würde. Es gab ja auch keinen Grund, warum es nicht so kommen sollte. Aber seit heute Morgen ist es damit endgültig vorbei.“ Sie presste für einen Moment die Lippen zusammen. „Ich gebe es nur ungern zu, aber, ehrlich gesagt, bin ich irgendwie auch erleichtert.“

Celeste schenkte Benton einen unsicheren Blick. „Meinen Sie, meine Mutter wäre sehr enttäuscht von mir, weil ich so einfach aufgebe?“

Ob er auch irgendwelche Familienskelette im Schrank hatte? Er sah so – glatt aus. So unberührt.

„Bestimmt nicht“, sagte er fest. „Sie wollten den Wunsch Ihrer Mutter erfüllen, aber wichtiger ist, was Sie selbst wollen.“

Celeste ließ sich rückwärts in den Sand sinken und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Der Himmel über ihr war wolkenlos blau. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, wer ich eigentlich bin.“

Ben legte sich neben sie, stützte sich auf einen Ellbogen und sah auf sie hinunter. „Sie sind eine junge, schöne und intelligente Frau, die im Badeanzug eine ebenso fantastische Figur macht wie im Abendkleid.“

Celestes Wangen röteten sich, aber sie lachte. „Sie sehen in diesen Khakihosen auch nicht schlecht aus.“

„Das hat Sie nicht davon abgehalten, mich auf diesem Rasenmäher gehörig durchzuschütteln.“ Jetzt lächelte er auch.

Ihr Blick wanderte über seinen Hals bis zum Ausschnitt seines T-Shirts, und sie erinnerte sich daran, wie er heute Morgen mit nackten Oberkörper auf dem Balkon gestanden hatte.

Ihr wurde heiß, und sie setzte sich mit einem Ruck auf, als könnte sie sich so vor irgendeiner unbekannten Gefahr schützen. Der Schatten war weitergewandert, und die Sonne schien auf ihre Beine. Sie stand auf. „Ich brauche unbedingt etwas Abkühlung.“

Schnell zog sie ihr T-Shirt über den Kopf und watete ins Meer hinaus. Das kühle, weiche Salzwasser fühlte sich wunderbar auf ihrer Haut an. Wovor lief sie davon? Benton Scott war nicht mehr ihr Feind. Im Gegenteil. Sie wünschte sich, dass er sie berührte. Sehr sogar. Und in seinen Augen hatte sie gelesen, dass er es auch wollte.

Als das Wasser ihr bis zur Taille stand, drehte sie sich zu ihm um. Gerade zog er sich das T-Shirt aus, die Hose lag schon auf der Decke. Celeste hielt unwillkürlich den Atem an. In seiner knappen schwarzen Badehose und so braun gebrannt und muskulös erinnerte er sie an einen griechischen Gott. Sein Anblick verschlug ihr den Atem.

Jetzt stieß er sich ab, tauchte unter und kam kurz vor ihr wieder hoch. Er strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht, und das Sonnenlicht spielte auf seinen Armmuskeln. Eine unbestimmte Vorahnung ergriff Celeste, und ihr Magen zog sich zusammen. Dieser Mann konnte ihr gefährlich werden.

Sollte sie so tun, als ließe er sie völlig unbeeindruckt – oder sollte sie ihrer Lust nachgeben? Sie hatte heute Morgen einen Schock erlitten. War sie überhaupt in der Lage, irgendwelche Konsequenzen zu bedenken?

Mit einem tiefen Atemzug schwamm sie von ihm weg.

Benton war direkt hinter ihr und packte sie an den Knöcheln, um dann mit einem kräftigen Stoß zu beschleunigen. Jetzt war er vorn. Celeste tauchte ihm nach und drückte ihn unter Wasser. Lachend und prustend kamen sie beide wieder hoch. Benton hatte die Hände auf ihre Taille gelegt. Unter seiner nassen Haut traten seine Sehnen besonders deutlich hervor.

Sie sahen sich an, und ihr Lachen ebbte abrupt ab. Die Luft zwischen ihnen schien vor erotisch aufgeladener Spannung zu knistern. Etwas Verheißungsvolles lag darin, ein Versprechen auf die Erfüllung einer Sehnsucht.

Dieses Mal floh Celeste nicht.

„Dachten Sie wirklich, ich wollte Sie verführen, um so die Firma meines Vaters für mich zu retten?“

Er ließ die Hände über ihre Hüften gleiten. „Ich wusste nicht, was ich denken soll. Das an sich ist schon merkwürdig, denn normalerweise durchschaue ich andere Menschen sehr schnell.“

Celeste legte die Hände an seine Brust. „Haben Sie vielleicht auch noch andere Begabungen?“

Seine Augen wurden dunkel, als er die Hände über ihren Po wandern ließ. Celeste spürte, wie seine Muskeln unter ihren Händen spielten.

„Ja, mehrere.“

Ihr Puls ging schneller. „Ich gebe zu, Sie küssen gut.“

Benton lachte. „Ja, ich hatte den Eindruck, dass es Ihnen gefallen hat.“ Er hob ihre Hand an die Lippen und strich damit über die zarte Innenseite. „Vielleicht interessiert es Sie, dass diese Begabung nicht auf den Mund beschränkt ist.“

Ihr Puls raste, und ihre Stimme klang merkwürdig belegt. „Sondern?“

Er hob ihre Hand. „Zum Beispiel darauf.“

Aber Celeste zuckte nur die Achseln, zog ihre Hand jedoch nicht zurück. „Das sagt noch nicht viel.“

Er presste den Daumen in ihre Handfläche und öffnete ihre Finger. „Dann lassen Sie es uns noch einmal anders versuchen.“

Er nahm sich jeden Finger einzeln vor, schob die Spitze zwischen die Lippen und saugte daran.

Die Hitze wurde fast unerträglich, aber Celeste gab sich ungerührt, auch wenn ihr Atem schneller ging. „Hm, nicht schlecht.“

Natürlich hatte er sie durchschaut, sie sah es ihm an. „Dann kommen wir zu meinem persönlichen Favoriten, dem Hals.“

Celeste bog den Kopf zurück, als er die Lippen über ihre zarte Haut wandern ließ. Ohne dass sie es verhindern konnte, fingen ihre Brustspitzen an zu kribbeln und richteten sich auf.

Langsam zog Benton sich wieder zurück, und sie musste einen Protestlaut unterdrücken. Sie bot ihre ganze Selbstbeherrschung auf und nickte. „Ganz nett, Mr. Scott, aber nicht sehr originell.“

Seine Augen wurden schmal, und er sah sie herausfordernd an. „Sie wünschen sich etwas Neues, Aufregenderes?“

„Finden Sie meine Erwartungen zu hoch?“

„Das müssen Sie selbst beurteilen.“

Sie wusste, was er wollte. Kompromisse waren nicht seine Sache. Und nach diesem Schock heute Morgen auch nicht mehr ihre.

Sie schlang die Arme um seinen Hals. „Die letzten fünfzehn Jahre meines Lebens habe ich alles einem einzigen Ziel untergeordnet. Dieser Vorfall heute hat mir wehgetan, das stimmt. Aber Sie haben recht. Ich muss das alles hinter mir lassen und nur noch daran denken, was für mich gut ist.“ Sie fuhr mit den Fingern durch die nassen Haarsträhnen in seinem Nacken. „Die Frage ist dabei: Sind Sie gut für mich?“

Er schob die Hüften vor. „Sicher ist jedenfalls, dass Sie mir guttun.“ Trotz des kühlen Wasser spürte sie sehr deutlich, wie gut.

Sie gab ihrer Lust und ihrer Sehnsucht nach und hob das Gesicht an. „Vielleicht sollten wir es mal wieder von Mund zu Mund versuchen.“

In seinen Augen stand ein Lächeln. „Ich werde sehen, was ich tun kann, um Ihren Ansprüchen zu genügen.“

4. KAPITEL

Celeste warf alle Hemmungen über Bord und erwiderte Bentons Kuss vorbehaltlos. Ihre Hormone spielten verrückt, nicht anders als gestern Abend, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Nur war das Verlangen heute stärker – und es ging tiefer. Ein Zittern durchlief sie, als sie daran dachte, was noch kommen würde.

Sie standen noch immer im Wasser, und Benton bewegte die Lenden aufreizend an ihren Hüften. Dann zog er sie ohne Vorwarnung mit sich hinunter, bis das Wasser über ihnen zusammenschlug. Irgendwo ganz oben, wie aus einer anderen Welt, flackerte das Sonnenlicht durch die silbrige Oberfläche. Als ihnen die Luft auszugehen drohte, tauchten sie keuchend wieder auf – Ben mit Celestes Bikinioberteil in der Hand.

Verblüfft sah sie an sich hinunter. Ihr Oberkörper war nackt.

Er lachte nur und ließ das Oberteil vor ihrem Gesicht baumeln. „Keine Ahnung, wie das passiert ist. Aber du bist ja nicht prüde.“

Das Du kam ganz selbstverständlich über seine Lippen.

Eigentlich war Celeste von Natur aus eher zurückhaltend und neigte nicht so sehr dazu, sich zu produzieren. Und sie war schon so lange nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen, dass sie unsicher war. Aber andererseits hatte auch noch kein Mann sie so angezogen wie Ben. Sie hätte ihn bis in alle Ewigkeit küssen können. Aber das war natürlich Unsinn, und so beschied sie sich mit dem Augenblick.

Sie atmete tief durch, und der Rest an Verlegenheit schwand. „Im Moment fühle ich mich eher verwegen“, gestand sie mit einem Lächeln.

Seine blauen Augen funkelten. „Das ist auf jeden Fall besser, als gar nichts zu fühlen.“

Er wollte sie wieder küssen, als sie zurückwich und sich etwas nervös umsah. „Außer uns ist doch niemand hier, oder?“

Mit der Fingerspitze fuhr er an ihrem Arm hoch und umkreiste eine Brustspitze. „Hast du nicht gerade gesagt, du fühltest dich verwegen?“ Sanft umspielte er die Spitze.

Celeste wurden die Knie weich, und sie brachte kein Wort mehr heraus, als er sich wieder unter Wasser sinken ließ. Sie fühlte sich sehr nackt, aber sie widerstand der Versuchung, ihre Brüste zu bedecken, und stieß nur einen erstaunten Laut aus, als sie fühlte, wie ihr Bikinihöschen über die Beine rutschte. Dann durchlief sie ein Schauer, als sie plötzlich seinen Mund zwischen den Beinen spürte.

Langsam tauchte Benton wieder auf. Ein boshaftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihr den Slip präsentierte. „Na, immer noch verwegen?“

Ja. Oder nein. „Ich habe das noch nie gemacht.“

Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. „Du bist noch Jungfrau?“

„Nein. Ich meine, ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen, den ich noch nicht einmal einen Tag kenne.“

Er umfasste ihren Kopf und bog ihn sanft zurück. Dann küsste er sie so aufreizend, dass sie es kaum ertrug. Ihre Knospen hatten sich steil aufgerichtet und rieben sich an seinen rauen Brusthärchen. Alles in ihr drängte zu ihm.

Langsam löste er sich von ihr. „Dann bin ich offenbar ein Glückspilz.“ Er nahm ihre Hand und legte sie über seinen männlichsten Körperteil.

Celeste schluckte. „Willst du jetzt hören, dass das auch für mich gilt?“

„Im Augenblick will ich gar nichts hören.“

Und dann küsste er sie wieder. Mit seinen Händen umfasst er ihren Po und zog sie an sich. Dann schob er eine Hand zwischen ihre Schenkel, fand ihre empfindlichste Stelle und strich darüber, bis er schließlich den Finger auf einen Punkt konzentrierte.

Celeste stöhnte auf. „Darf ich trotzdem sagen, dass sich das einfach himmlisch anfühlt?“

„Unter einer Bedingung.“ Ben rieb seine Hüften aufreizend an ihrem flachen Bauch. „Wenn ich das auch zu dir sagen darf.“

Er ging ein wenig in die Knie, sodass er mit seiner Spitze ihre empfindsame Perle berührte.

Sein Atem strich warm über ihr Ohr. Celeste hatte längst keinen eigenen Willen mehr. „Verhütest du?“

Ob sie verhütete? Nicht jetzt!

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Nein, tut mir leid.“

Ben richtete sich wieder auf und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. „Ich habe Kondome an Bord.“

Autor

Merline Lovelace
Als Tochter eines Luftwaffenoffiziers wuchs Merline auf verschiedenen Militärbasen in aller Welt auf. Unter anderem lebte sie in Neufundland, in Frankreich und in der Hälfte der fünfzig US-Bundesstaaten. So wurde schon als Kind die Lust zu reisen in ihr geweckt und hält bis heute noch an.
Während ihrer eigenen Militärkarriere diente...
Mehr erfahren
Raye Morgan
Raye Morgan wuchs in so unterschiedlichen Ländern wie Holland, Guam und Kalifornien auf und verbrachte später einige Jahre in Washington, D.C. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann, der Geologe und Informatiker ist, und zwei ihrer vier Söhne in Los Angeles. „Die beiden Jungen zu Hause halten mich immer auf dem...
Mehr erfahren
Robyn Grady
Es ist schon lange her, doch Robyn Grady erinnert sich noch ganz genau an jenes Weihnachten, an dem sie ein Buch von ihrer großen Schwester geschenkt bekam. Sofort verliebte sie sich in die Geschichte von Aschenputtel, die von märchenhaftem Zauber und Erfüllung tiefster Wünsche erzählte. Je älter sie wurde, desto...
Mehr erfahren