Julia Weekend Band 118

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  • Erscheinungstag 27.04.2024
  • Bandnummer 118
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527699
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Margaret Mayo, Cathy Williams, Helen Brooks

JULIA WEEKEND BAND 118

1. KAPITEL

Eine solche Gelegenheit darf man sich nicht entgehen lassen, dachte Kara. Jede andere Frau wäre glücklich gewesen, mit ihrem Chef zu der jährlich stattfindenden Konferenz nach Italien zu fliegen. Doch bei Kara war das traurigerweise nicht so. Und es würde niemals so sein.

Nicht, dass Blake Benedict ein Mann war, den man ohne Weiteres hätte übersehen können. Er war äußerst attraktiv, hatte herbe, aber interessante Gesichtszüge, die dafür sorgten, dass man genauer hinsah. Und das hatte sie schon oft getan. Gerüchten nach war er geschieden und hatte geschworen, nie wieder zu heiraten. Aber an Freundinnen mangelte es ihm nicht. Sie umschwirrten ihn wie Bienen einen Honigtopf.

Nicht so Kara. Sie wollte nicht, dass er sie bemerkte, und versuchte stets, sich unsichtbar zu machen, indem sie dunkle Kostüme und wenig Make-up trug und ihr Haar streng nach hinten frisierte. Eigentlich war ihr rötlich braunes Haar das Schönste an ihr, aber sie konnte es im Büro auf keinen Fall offen tragen.

Der Umstand, dass er sie nicht weiter beachtete, zeigte ihr, dass ihre Bemühungen, ihre weiblichen Reize zu verbergen, erfolgreich waren. Ihr war das Wichtigste, exzellente Arbeit abzuliefern, und selbst wenn er sie nicht mit Lob überschüttete, wusste sie, dass er mehr als zufrieden mit ihr war.

Bei dem Gedanken, ihn nach Italien zu begleiten, war ihr nicht ganz wohl. Das war unmöglich! Aber wie sollte sie ihm das sagen? Was, wenn er darauf bestand? Was, wenn er ihr sagte, dass das zu ihrem Job dazugehörte?

Sie war überglücklich gewesen, als sie den Posten als Sekretärin von Blake Benedict, dem Vorsitzenden der Benedict Corporation, einer internationalen Firma mit Hauptniederlassung in London, bekommen hatte. Als sie ihm das erste Mal begegnet war, hatte sie etwas Gefährliches gespürt, das ihren Körper wie ein Blitz durchzuckt hatte. Nie zuvor hatte sie etwas Derartiges empfunden. Blake war deutlich größer als die meisten Männer, sein markantes Kinn war mit einem Grübchen ausgestattet und sein dunkles, kurzes Haar war an den Schläfen silbrig. Er hatte tief liegende graue Augen und seine Nase sah aus, als wäre sie in Marmor gehauen – genau wie seine Lippen. Diese waren so schön geformt, dass Kara sich gelegentlich bei dem Wunsch ertappte, von ihnen geküsst werden zu wollen. Das, was sie dabei empfand, war Kara völlig fremd und verunsicherte sie sehr. Nicht nur, dass sie noch nie einen Mann geküsst hatte, sie war noch nicht einmal mit einem ausgegangen – dafür hatte ihr Vater gesorgt. Und obwohl ihr tyrannischer Vater nicht mehr lebte, war er doch noch ständig präsent.

„Das ist doch kein Problem für Sie, oder?“ Blake war überrascht, dass Kara nicht sofort begeistert zugesagt, sondern ihn nur entgeistert angestarrt hatte. Die Konferenz war eine Gelegenheit, die sich keine andere seiner Sekretärinnen hätte entgehen lassen.

Er musste sich eingestehen, dass Kara anders war, und wäre er nach Olivias Weggang nicht so verzweifelt gewesen, so hätte er sie nicht eingestellt. Er mochte es, sich mit schönen Frauen zu umgeben, und Kara war … nun, sie gab sich nicht gerade Mühe, toll auszusehen. Aber sie hatte erstklassige Referenzen und machte ihre Arbeit verdammt gut. Und er brauchte sie in Mailand. Sie hatte die Konferenz praktisch alleine organisiert. Sie wusste genau, was an der Tagesordnung stand. Darum würde er dafür sorgen, dass sie dabei wäre, egal, mit welchen Ausreden sie ihm käme.

Sie sah extrem nervös aus, und zum ersten Mal fiel ihm auf, was für zarte Fußgelenke sie hatte – sie waren alles, was er von ihren Beinen sehen konnte, denn wie immer trug sie einen dieser langen Röcke. Und ihre flachen Schuhe waren das Unvorteilhafteste, was er je gesehen hatte. Aber diese Fußgelenke … Warum hatte er die nicht schon früher bemerkt? „Haben Sie heute Abend etwas vor, Miss Redman?“ Er hatte keine Ahnung, warum er das fragte, aber es kam ihm auf einmal wichtig vor, es zu wissen.

„Gehört diese Frage hierher, Mr Benedict?“

Das war nicht die Antwort, die er erwartet hatte, und sie amüsierte ihn. Er meinte sogar, dass ihre blauen Augen aufblitzten. Sie waren fast violettblau. Noch etwas, das ihm bisher nicht aufgefallen war. Es sah toll aus, wie sie ihn mit großen Augen ansah und mit den langen, glänzenden Wimpern klimperte, während sie auf seine Antwort wartete.

Das war eine ganz neue und interessante Seite seiner Sekretärin. Eine Seite, die er gerne näher erkunden wollte.

Trotzdem gefiel es ihm nicht, dass sie seinen Wünschen nicht ohne Weiteres entsprechen wollte. „Falls ich Sie aufhalte, können wir unser Gespräch später fortsetzen.“

„Sie halten mich nicht auf.“ Kara bemühte sich, den Sarkasmus, den er in seine Stimme gelegt hatte, zu ignorieren. „Aber es gibt nichts zu besprechen. Ich kann Sie nicht nach Italien begleiten – so ist das einfach. Es tut mir leid.“

Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Antwort. Sie konnte sich vorstellen, dass noch nie jemand Nein zu ihm gesagt hatte. Was Blake Benedict sagte, wurde ohne Wenn und Aber gemacht. Warum auch nicht, wo er doch der Besitzer einer der größten Firmen für IT-Solutions war. Blakes Erfolgsgeschichte übertraf die kühnsten Vorstellungen. Im Alter von fünf Jahren konnte er mit dem Computer bereits besser umgehen als die meisten Erwachsenen, mit sechzehn war er mit selbst geschriebenen Programmen ins Geschäftsleben eingestiegen, und jetzt arbeiteten Tausende für ihn. Jedermann verehrte ihn und niemand dachte auch nur daran, Nein zu ihm zu sagen. Aber Kara konnte ihre Mutter einfach nicht alleine lassen, nicht einmal für ein paar Nächte. Es wäre viel zu gefährlich.

Ihre kühne Absage verblüffe ihn offensichtlich. Er runzelte die Stirn und kniff die grauen Augen zusammen. „Kann nicht gibt es bei mir nicht, Miss Redman. Sie arbeiten lange genug für mich, um das zu wissen.“

Natürlich tat sie das, aber ihre Gründe waren ebenso wichtig. „Ich … ja, ich weiß, aber ich habe ein Leben neben meiner Arbeit, und …“

„Und dieses Leben ist so wichtig, das Sie sich nicht ihren beruflichen Aufgaben widmen können?“

Sein harscher Ton ließ sie erschaudern, doch sie ließ sich nicht beirren. „Mr Benedict, ich glaube nicht, dass ich meine Arbeit nicht stets zu Ihrer Zufriedenheit erledige.“ Sie hatte so oft bis spät in den Abend hinein gearbeitet, dass sie manchmal das Gefühl hatte, mehr Zeit im Büro zu verbringen als zu Hause.

„Das vielleicht nicht. Sie machen ihre Sache sehr gut“, gab er zu.

Oh, ein Lob, dachte sie. Das kam diesem Mann tatsächlich nur selten über die Lippen. Aber er war ein fairer Arbeitgeber. Seine Angestellten wurden anständig behandelt und bekamen hohe Gehälter, und sie lohnten es ihm, indem sie gute Arbeit ablieferten.

„Wer ist es denn, dem Sie bei Ihrer Zeitplanung Priorität einräumen? Ein Freund vielleicht?“

Seine gehobenen Brauen verrieten Kara, dass er diese Entschuldigung nicht gelten lassen würde. Sie wusste, dass er keine Ruhe geben würde, bis sie ihm die Wahrheit sagen würde, oder zumindest das, was sie davon preiszugeben bereit war. „Wenn Sie es unbedingt wissen müssen – ich kümmere mich um meine Mutter. Sie kommt nicht ohne mich klar.“ Und Kara betete, dass er nicht nach den näheren Umständen fragen würde.

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er. Dies war offenbar etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Kara fragte sich, ob auch er eine Mutter hatte, die auf ihn angewiesen war. Blakes Lebensinhalt war die Arbeit. Während der elf Monate, die sie für ihn arbeitete, hatte er nicht einen einzigen Tag Urlaub gemacht.

„Gibt es denn niemand anderen, der sich um sie kümmern könnte? Kein anderes Familienmitglied?“

Kara war versucht, zu erwidern: Würde ich dann hier sitzen und mit Ihnen darüber reden? Können Sie sich nicht denken, wie gerne ich zusagen und mit nach Italien kommen würde? Aber sie tat es nicht. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen. „Ich bin Einzelkind, und mein Vater ist tot.“ Klopfenden Herzens wartete sie auf seine Antwort.

Langsam hob er die Brauen. „Ich verstehe. Das ist bedauerlich. Es tut mir leid. Was fehlt Ihrer Mutter?“

„Sie hat gesundheitliche Probleme. Sie braucht mich.“

„Und Sie sind sicher, dass es niemand anderen gibt, der sich ein paar Tage um sie kümmern könnte?“

Kara zögerte. Die Schwester ihrer Mutter hatte immer wieder gesagt, dass sie sehr gern einspringen würde, falls Kara eine Pause brauchte, aber sie hatte dieses Angebot nie in Anspruch genommen. Sie war sich nicht sicher, ob ihrer Tante klar war, wie zerbrechlich Lynne geworden war.

Doch sie zögerte zu lange, und Blake Benedict packte die Gelegenheit beim Schopf. „Ich sehe an Ihrem Gesichtsausdruck, dass es jemanden gibt.“

Kara presste die Lippen zusammen und nickte. „Ja … meine Tante. Vielleicht. Ich müsste sie fragen.“

„Dann tun sie das, Miss Redman. Und wenn die Antwort Nein sein sollte, werde ich persönlich eine Pflegerin engagieren.“

Was bedeutete, dass er vorhatte, sie nach Mailand mitzunehmen, ob sie wollte oder nicht. Kara wusste nicht, ob sie sich darüber ärgern oder geschmeichelt fühlen sollte. Sie hatte Blake nicht die ganze Wahrheit gesagt, als sie ihm erzählt hatte, dass die Gesundheit ihrer Mutter der Grund war, warum sie sie nicht alleine lassen konnte; das Ganze war wesentlich ernster. Aber das ging ihn nichts an, und sie hatte nicht vor, darüber zu sprechen.

„Ich werde abwarten, was meine Tante sagt. Ist das alles, Mr Benedict?“ Sie sah ihm fest in die Augen. Er musste nicht wissen, wie viel Angst sie davor hatte, ihre Mutter alleine zu lassen.

„Das ist alles.“ Und schon widmete er sich wieder seiner Arbeit.

Ihre Mutter war entschieden dafür, dass Kara nach Italien fuhr. „Ich bleibe gerne ein paar Tage bei Susan. Sie wird sich freuen, dass ich zu ihr komme. Ich kann bei ihr bleiben, solange ich will.“

„Es ist nur für ein paar Tage“, beeilte sich Kara zu versichern. „Ich würde versuchen, darum herumzukommen, aber Mr Benedict besteht darauf, dass ich mitkomme.“

„Du machst dir zu viele Sorgen um mich, mein Schatz. Die Abwechslung wird mir guttun.“

„Aber natürlich mache ich mir Sorgen“, protestierte Kara. „Ich habe allen Grund dazu. Hast du keine Angst, dass er herausfindet, wo du bist?“

Das Gesicht ihrer Mutter verdüsterte sich. „Meinst du die Ratte, die Geld von uns will? Dein Vater hat uns nicht gerade gut behandelt, oder? Es ist unfair, dass du all dein sauer verdientes Geld …“

„Das stört mich nicht, solange es dir gut geht.“

„Bei Susan bin ich sicher“, versicherte ihre Mutter. „Und es wird dir guttun, einmal rauszukommen.“

Kara schüttelte den Kopf. „Das klingt ja, als würde ich in Urlaub fahren. Aber das wird alles andere als ein Urlaub, das kann ich dir versichern. Mr Benedict wird mich ganz schön schuften lassen.“ Schon der Gedanke daran, noch mehr Zeit als sonst mit ihm zu verbringen und den ganzen Tag von ihm herumkommandiert zu werden, war alles andere als spaßig.

„Er hat begriffen, was in dir steckt. Ich wette, dass du die beste Sekretärin bist, die er je hatte.“

Lächelnd zuckte Kara die Schultern, sagte ihrer Mutter aber nicht, dass Blake Benedict genau das angedeutet hatte.

„Wo sind die anderen?“

Blake hatte einen Wagen geschickt, der Kara zu dem kleinen privaten Flugplatz gebracht hatte, wo sie verabredet waren, und sie erwartete, dass die anderen Manager bereits an Bord sein würden. Doch kein anderer kam. Die Motoren liefen, nur noch wenige Sekunden bis zum Abflug, aber sie und Blake waren allein.

„Die anderen sind schon los. Ich dachte, wir könnten die Zeit nutzen, um uns ein wenig zu unterhalten. Sie arbeiten jetzt schon fast ein Jahr lang für mich und trotzdem weiß ich fast nichts über Sie.“

Sein Lächeln verriet ihr, dass er das die ganze Zeit geplant hatte. Es war ein Lächeln, das beruhigend auf sie wirken sollte, doch stattdessen ließ es die Alarmglocken in ihrem Kopf klingeln. Mit Blake Benedict alleine sein war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Und sie verstand nicht, warum er sich plötzlich so für sie interessierte. Es sei denn, er war auf etwas anderes aus.

Es ging das Gerücht um, dass seine letzten beiden Sekretärinnen, die ihn auf Geschäftsreisen begleitet hatten, die Firma direkt nach der Rückkehr verlassen mussten. Außerdem hieß es, das er Affären mit ihnen gehabt hatte, während sie unterwegs gewesen waren. War es das, was er vorhatte? Eine Affäre? Dachte er, dass es an der Zeit sei, ihr näherzukommen?

Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Daran hatte sie nicht gedacht, und jetzt war es zu spät, aus der Sache herauszukommen. Sie würde vorsichtig sein müssen. Sie musste ein Schutzschild aufbauen und aufpassen, es auch nicht eine einzige Sekunde fallen zu lassen. Als die Maschine schließlich abhob, war ihr ganz flau im Magen. Und das lag nicht an der Höhe.

Es war ein luxuriöser Flieger mit tiefen, bequemen Sitzen, doch der Umstand, dass sie mit ihrem Chef alleine war, ließ alles ringsumher unwichtig erscheinen. Es fühlte sich an, als seien sie die einzigen Personen im Universum.

Zum Glück hatten sie eine Stewardess, die bereitstand, um ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Doch die war bald darauf verschwunden, und Blake hatte Kara gebeten, sich neben ihn zu setzen. Er wollte noch einmal in Ruhe den Ablauf der Tagung mit ihr durchgehen.

Kara hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Beim Einatmen nahm sie seinen Duft wahr. Selbst wenn sie die Augen schloss, konnte sie Blake Benedicts Gegenwart und seine Stärke spüren. Sein Duft war wie eine Droge; er durchdrang ihren ganzen Körper und gab ihr das Gefühl, von Leben erfüllt zu sein wie nie zuvor.

Und von Angst.

Was war bloß mit ihr los? Während all der Zeit, die sie für ihn arbeitete, hatte sie sich nie so gefühlt. Allerdings war sie noch nie mit ihm allein gewesen. Nicht so allein. In seinem Büro war es anders – die ganze Atmosphäre war anders. Jetzt fühlte sie sich unbeholfen und unsicher.

„Es gibt nichts, wovor Sie sich fürchten müssen, Miss Redman. Oder darf ich Sie Kara nennen? Kara ist so ein schöner Name; es wäre eine Schande, ihn nicht zu benutzen.“

Ein schöner Name! Das hatte noch nie jemand zu ihr gesagt. Wieder durchlief sie ein Schauer.

„Ich bin froh, dass Sie heute nicht so ein scheußliches Kostüm anhaben.“

Kara fühlte, wie sie errötete. Sie hatte zwei Kostüme eingepackt, aber heute Morgen hatte sie ihre eigenen Regeln gelockert und Jeans und einen knallrosa Pullover angezogen. Allerdings trug sie wie üblich kein Make-up und hatte die Haare nach hinten gebunden.

Auch Blake hatte auf seinen dunklen Anzug verzichtet und trug stattdessen einen cremefarbenen Leinenanzug, der gut zu seiner sonnengebräunten Haut passte. Jetzt hatte er das Jackett ausgezogen, und ein paar Strähnen seines Haars, das er wie üblich zurückgekämmt trug, hatten sich gelöst, was ihn jünger und beunruhigend zugleich aussehen ließ.

„Warum erzählen Sie nicht ein bisschen von sich?“, schlug er vor.

Ein erregter Schauer durchlief Kara. Es fühlte sich gefährlich an. „Was gibt es denn zu erzählen, das Sie noch nicht wissen?“

„Ich weiß überhaupt nichts“, antwortete er, „außer, dass Sie offenbar die meiste Zeit damit verbringen, sich um Ihre Mutter zu kümmern, anstatt auszugehen und sich zu amüsieren. Natürlich ist das sehr lobenswert. Aber ich bin sicher, sie wäre die Erste, die mir zustimmen würde: Sie brauchen ein eigenes Leben.“

„Ich bin mit dem, was ich tue, nicht unglücklich. Seitdem mein Vater gestorben ist, hat sie niemanden mehr – warum sollte ich meine Zeit nicht mit ihr verbringen?“

„Ich sage ja nicht, dass Sie es bleiben lassen sollen, sondern nur, dass Sie versuchen sollten, zum Ausgleich auch mal etwas anderes zu machen. Sie sind Einzelkind, genau wie ich. Wie war Ihre Kindheit? Hatten Sie viele Freunde, oder sind Sie lieber für sich geblieben?“

„Eher Letzteres“, gab sie zu.

„Hatten Sie eine glückliche Kindheit? Wie war Ihr Vater?“

„Warum wollen Sie das alles wissen?“, fragte Kara in unbeabsichtigt scharfem Ton. Blake hatte einen wunden Punkt getroffen. Auf keinen Fall würde sie ihm erzählen, was für einen scheußlichen Vater sie gehabt hatte und dass er ihnen selbst jetzt, wo er tot war, einen ganzen Haufen Probleme bereitete. „Ich dachte, wir müssten noch einmal die Unterlagen für die Tagung durchgehen“, sagte sie und rückte ein wenig von ihm ab.

Blake kniff die Augen zusammen. „Sie haben recht. Wir sollten uns um das Geschäftliche kümmern.“ Und doch fragte er sich, warum Kara solch eine Abneigung dagegen hatte, von sich zu erzählen – oder von ihrem Vater. Vielleicht hatte sie ihn so sehr geliebt, dass ihr sein Verlust noch immer Schmerzen bereitete? Wie sie sich in sich selbst zurückgezogen hatte, als er ihn erwähnt hatte! Blake hatte keine Ahnung, wie viel Zeit seit dem Tod ihres Vaters vergangen war, aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich für eine Beerdigung freigenommen hatte. Es musste also passiert sein, bevor sie angefangen hatte, für ihn zu arbeiten.

Zu schade, dass Kara nicht reden wollte. Gern hätte er mehr über sie erfahren. Sie machte ihn neugierig. Quasi über Nacht war sie von einem hässlichen Entlein zu einem Schwan geworden. In den engen Jeans und dem knallrosa Pullover sah sie umwerfend aus. Er wollte seinen Blick nicht von ihr wenden. Unglaublich, dass sie sich in ihrer Freizeit so kleidete, während sie im Büro immer diese dunklen Kostüme trug. Zu gern hätte er gewusst, was sie für die Konferenz mitgenommen hatte.

Er klappte seinen Laptop auf und starrte auf den Bildschirm, ohne ihn wirklich zu sehen. Er hatte nur Augen für Kara. Es war ihm unverständlich, dass sie ihre Schönheit verborgen gehalten hatte. Sie hatte ein hübsches Gesicht – eine Nase, deren Spitze leicht nach oben zeigte, tolle blaue Augen und wunderschön geschwungene Lippen, die zum Küssen einluden.

Kara war froh, dass Blake aufgehört hatte, ihr Fragen zu stellen. Sie hatte sich bereits eingeengt gefühlt. Oder klopfte ihr Herz wegen der unerwarteten und unangemessenen Anziehung, die er auf sie ausübte, so schnell? Ihr Vater hatte ihr verboten, mit Jungs auszugehen, und nach seinem Tod hatte sie weder Zeit noch Lust dazu gehabt. Darum war dies das erste Mal, dass sie einem Mann, der Interesse an ihr zeigte, so nahe war, und es war ihr nicht geheuer.

Als Blake sich schließlich auf seinen Bildschirm zu konzentrieren begann, lehnte sich Kara entspannt zurück und schloss die Augen. Aber es war nicht leicht, Blake zu vergessen, während der Duft seines Rasierwassers in ihre Nase drang, sein Bein nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war und sie spürte, dass er sie zwischendurch ansah.

Irgendwann schlief sie ein. Mit einer sanften Berührung an der Schulter wurde sie von Blake geweckt. Er bat sie, ihren Gurt anzulegen, weil sie gleich landen würden.

Verlegen richtete sie sich auf. Blake war völlig entspannt und lächelte. Ob er sie beim Schlafen beobachtet hatte? Ihr wurde ganz heiß bei dem Gedanken. Hatte sie wohl mit offenem Mund geschlafen? Hatte sie lächerlich ausgesehen? „Es tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin“, sagte sie zaghaft.

„Das sah sehr schön aus! Allerhand, Ihren Kopf auf der Schulter zu haben! Meine reservierte, adrette Sekretärin hat sich zum ersten Mal wie eine normale Frau benommen.“

Ein Schreck durchfuhr Kara. Ihr Kopf auf seiner Schulter! Was hatte sie getan? Ihr Herz schlug wie verrückt. „Es tut mir wirklich leid.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es war mir ein Vergnügen.“

Ein Vergnügen! Wieder stieg ihr die Glut ins Gesicht. Wie unendlich peinlich! „Es war sehr unhöflich von mir … Gestern Nacht habe ich nicht gut geschlafen …“

„Weil Sie heute mit mir verreisen?“ Als der Blick aus seinen grauen Augen den ihren traf, erbebte Kara. Außerdem war etwas in seiner Stimme, das sie beunruhigte.

Es war falsch, von ihrem Vater auf andere Männer zu schließen, aber ihre Mutter hatte ihr geraten, vorsichtig zu sein, und ihr gesagt, dass Männer nicht immer so waren, was sie zu sein schienen. Und das Einzige, was Kara über Blake wusste, war, dass er für seine Affären berühmt war. Und sie hatte nicht vor, eine weitere Nummer in der Statistik zu werden.

Doch wie sollte sie seine Frage beantworten? „Es war der Gedanke an die kommenden Tage“, sagte sie, was nicht komplett gelogen war. „Ich war noch nie in Italien.“

„Dann trage ich gern zu Ihrer Weiterbildung bei, in dem ich Ihnen Orte zeige, die Sie nur aus Büchern oder dem Fernsehen kennen.“

„Mr Benedict.“ Kara setzte einen geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck auf. „Ich glaube nicht, dass wir Zeit haben werden, Sightseeing zu machen. Ihr Terminplan ist sehr voll!“

Sein Schmunzeln sagte alles. „Für das Vergnügen ist immer Zeit, Kara.“

2. KAPITEL

Die Fahrt zum Hotel verging schnell, und weil Kara die Zimmer gebucht und Fotos davon gesehen hatte, wusste sie, was sie erwartete. Und doch erstaunte sie die tatsächliche Größe des Hotels. Das Gebäude war überwältigend. Aber was ihr die Sprache verschlug, war die Entdeckung, dass sich ihr Zimmer direkt neben dem von Blake befand.

Offenbar war es ein Teil seiner Suite, da es mit dieser durch eine Zwischentür verbunden war. Zum Glück war sie verschlossen, aber das änderte nichts an Karas Beunruhigung. Ob er veranlasst hatte, dass sie hier untergebracht wurde?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie ging die paar Meter durch den Korridor zu seiner Tür und klopfte. Als sie seine Stimme hörte, trat sie ein. „Warum habe ich das Zimmer neben Ihnen?“, fragte sie unverblümt.

„Stört es Sie?“

„Wenn ich ehrlich bin, ja.“

„Warum?“, fragte er und hielt ihren Blick mit seinen grauen Augen fest.

„Weil … also …“ Ihr wurde klar, dass sie eigentlich keinen besonderen Grund hatte. „Weil es sich nicht richtig anfühlt. Ich müsste bei den anderen sein. Es ist, als würde ich irgendwie bevorzugt.“

Er verschränkte die Arme vor seinem prächtigen Oberkörper. Sein Jackett hatte er ausgezogen, und der oberste Knopf seines Hemdes war geöffnet, sodass die gebräunte Haut darunter sichtbar wurde.

Kara kannte ihn nur in Schlips und Kragen. Nie hatte sie den Mann aus Fleisch und Blut darunter gesehen. Plötzlich sah er weniger einschüchternd und viel nahbarer aus. Und, das musste sie zugeben, sexy.

„Nur zu Ihrer Information: Ich hielt das für das Praktischste.“

Sie hörte kaum, was er sagte. Noch immer starrte sie auf seinen muskulösen Oberkörper. Ob er irgendwo trainierte? Ob er ein eigenes Fitnessstudio hatte? Jetzt erst merkte sie, dass sie überhaupt nichts über Blake wusste; sie hatte sich nicht für ihn interessiert. Doch auf einmal kamen ihr alle möglichen Fragen in den Sinn. Jetzt sah sie ihn als Mann, nicht als ihren Arbeitgeber, und sie musste sich eingestehen, dass ihr Herz ein wenig schneller schlug.

„Es ist einfach sehr sinnvoll“, fuhr er fort. „Sie sind meine rechte Hand. Sie sorgen dafür, dass die Konferenz glatt über die Bühne geht. Sicher gibt es einiges, das wir besprechen müssen. Darum brauche ich Sie in meiner Nähe.“

„Das sehe ich nicht so, Mr Benedict. Es ist nicht nötig, dass wir …“

Sie wurde abrupt unterbrochen. „Miss Redman – Kara – jetzt ist es zu spät, das zu ändern. Das Hotel ist ausgebucht.“ Sein Gesichtsausdruck gab ihr zu verstehen, dass sie aus einer Mücke einen Elefanten machte. „Aber wenn es Sie beruhigt, verspreche ich, nicht in Ihre Intimsphäre einzudringen.“

Kara fühlte, wie sie errötete. Irgendwie gelang es ihr, ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen, bevor sie kehrtmachte und in ihr Zimmer zurückging. Nach ihren anfänglichen Bedenken hatte sie sich darauf gefreut, herzukommen, und gehofft, ein wenig von Mailand zu sehen, doch jetzt keimten neue Ängste in ihr auf. Was war mit dem Schutzwall, den sie zu errichten geglaubt hatte? Ein Blick auf ein kleines Dreieck seines entblößten Oberkörpers hatte gereicht, um sie völlig durcheinanderzubringen. Wie dumm! Sie benahm sich wie ein Teenager, nicht wie eine sechsundzwanzigjährige Frau.

Unglücklicherweise würde sie Blake Benedict von nun an in einem völlig anderen Licht sehen, und das konnte die ganze Konferenz ruinieren, wenn sie sich nicht am Riemen riss. Selbst wenn sein Hemd bis oben hin zugeknöpft wäre, er eine Krawatte trüge und sein prächtiger Oberkörper von einem Jackett bedeckt wäre, würde sie sich an das erinnern, was sie gesehen hatte. Dieser Anblick würde ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen, und sie würde sich danach sehnen, ihn noch einmal zu sehen oder gar zu berühren. Es war verrückt.

Und sie musste vorsichtig sein. Denn Blakes Haltung ihr gegenüber hatte sich ebenfalls verändert. Vorher hatte er sich keine Mühe gegeben, sie näher kennenzulernen. Bislang war sie eine gesichtslose Frau gewesen, die auf besonnene und gründliche Weise dafür sorgte, dass in seinem Büro alles glattlief. Aber auf dem Flug war etwas passiert. Er hatte sie genauer betrachtet und nun sah er sie mit anderen Augen. Und wenn sie sich nicht täuschte, hatte er nun echtes Interesse an ihr.

Andererseits sah Kara vielleicht Dinge, die gar nicht da waren. Wieder errötete sie, und sie wünschte, sie wäre nicht zu ihm gegangen. Sie hatte voreilig gehandelt. Jetzt würde es die reinste Hölle werden, ihm zu begegnen.

Nachdem sie ausgepackt hatte, stellte sie sich unter die Dusche. Bald würden sie sich zum Abendessen treffen, bei dem die Teilnehmer der Konferenz Gelegenheit bekommen sollten, sich kennenzulernen. Ärgerlicherweise bereitete ihr der Umstand, dass Blake Benedict sich hinter jener Tür befand, weiter Unbehagen. Ob er auch duschte? Ob er nackt war? War seine ganze fantastische Gestalt entblößt? In ihrem Körper brach ein Höllenfeuer aus. Er ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Und das war lächerlich. Fast zwölf Monate hatte sie mit ihm zusammengearbeitet und sich nicht im Geringsten für ihn interessiert – warum also passierte das jetzt? War es, weil sie ihn zum ersten Mal als jemanden wahrnahm, der nicht nur seine Arbeit im Kopf hatte? Oder lag es daran, dass er der erste Mann war, der je Interesse an ihr gezeigt hatte? Lieber Gott, mach, dass ich mich nicht in ihn verliebe, betete sie. Lass mich nicht sein wie all die anderen.

Kara konnte sich nicht entscheiden, ob sie eines ihrer Kostüme oder das schwarze Kleid anziehen sollte, das sie einmal für eine Silvesterparty gekauft hatte, zu der sie dann doch nicht gegangen war. Ob das Kleid nicht zu elegant war? Vielleicht sollte sie es für den letzten Abend aufbewahren.

Als es plötzlich an der Tür klopfte, zauderte sie noch immer. „Kara, sind Sie fertig?“

„Fast! Ich komme gleich runter!“

„Ich warte auf Sie.“

Leichte Panik erfasste Kara. „Nicht nötig! Ich finde schon selbst runter!“

„Ich will mit Ihnen zusammen gehen.“

Kara wusste, dass er nicht verschwinden würde. Aber sie hatte nicht vor, ihn hereinzulassen. Nicht, solange sie in BH und Höschen dastand. Bei dem bloßen Gedanken daran wurde ihr ganz heiß vor Scham.

Hastig zog sie das Kleid an, weil es die schnellste und einfachste Lösung war. Geschminkt war sie bereits, aber sie hatte keine Zeit mehr für ihre Frisur, und so begnügte sie sich damit, ihre Haare noch einmal kurz durchzubürsten.

Als sie die Tür öffnete, blickte Blake sie entgeistert an. Sie musste furchtbar aussehen. „Stimmt irgendetwas nicht?“ Sie hätte noch einmal in den Spiegel sehen sollen! „Ist das Kleid übertrieben? Soll ich mich umziehen? Ich wusste nicht genau, was ich anziehen sollte …“

„Sie sehen toll aus. Einfach umwerfend.“

Blake konnte den Blick nicht von ihr wenden. Das Kleid saß wie angegossen. Und was für eine Figur sie hatte! Was für perfekte Kurven! Es war ihm nie aufgefallen, wie schön ihr rötlich braunes Haar mit den Kupferreflexen war, wie dicht und glänzend. Offen getragen sah es großartig aus.

Er konnte sich nicht erklären, warum sie sich sonst in so schmuckloser Kleidung versteckte. Wogegen er, wie er plötzlich beschloss, auch gar nichts einzuwenden hatte.

Denn anderenfalls – würde sie ihre wundervolle Figur so wie manch anderes Mädchen im Büro zur Schau stellen – wäre womöglich die gesamte männliche Belegschaft der Firma hinter ihr her. Und das wollte er auf gar keinen Fall!

Nach seiner Begrüßungsrede stellte Blake sie den Konferenzteilnehmern vor. „Meine Herren, darf ich ihnen meine Sekretärin Kara Redman vorstellen? Sie ist die kompetenteste Assistentin, die man sich vorstellen kann. Sie wird Ihnen während der nächsten Tage zur Verfügung stehen – allerdings nur in geschäftlichen Belangen. Ansonsten halten Sie sich bitte zurück.“

Seine letzten Worte riefen das zu erwartende Gelächter hervor, doch Kara schämte sich. Nicht einen Moment lang war ihr in den Sinn gekommen, dass er sie öffentlich vorstellen und obendrein etwas Derartiges sagen würde. Ihre Wangen glühten.

Als das Essen serviert wurde und jedermann abgelenkt war, sah sie ihn an und sagte leise: „Mussten Sie sich so über mich lustig machen?“

„Ich habe mich nicht über Sie lustig gemacht. Es war nur zu Ihrem Schutz. Ich habe hier schon ein oder zwei Männer entdeckt, die ein Auge auf Sie geworfen haben.“

„Und meinen Sie nicht, dass ich selbst auf mich aufpassen kann?“ Zugegebenermaßen hatte sie nie Männer abweisen müssen, aber das wusste er nicht.

„Es tut mir leid“, sagte er trocken.

Trotz ihrer anfänglichen Sorgen genoss Kara den Abend. Es machte ihr Spaß, die Leute zu treffen, mit denen sie bereits in Kontakt gestanden hatte. Alles ging gut, bis sie sich nach dem Essen unter die anderen mischte und ein Typ aus New York Andeutungen machte, dass sie mehr für Blake sei als nur seine Sekretärin.

„Wie kommen Sie dazu, so etwas zu sagen?“ Wie konnte er so etwas überhaupt nur denken? Ob die anderen ebenso dachten?

„Ich habe gesehen, wie er Sie anguckt. Ich wollte nur wissen, ob ich eine Chance bei Ihnen habe. Sie sind eine tolle Frau. Blake wäre ein Glückspilz, wenn er Sie schon gehabt hätte.“

„Niemand hat mich gehabt“, versetzte sie und funkelte ihn wütend an. „Blake Benedict ist mein Chef, und sonst nichts.“

„Wenn das so ist …“, sagte der Mann grinsend und kam so nah, dass Kara seinen Atem an ihrer Wange spürte.

Als Kara einen Schritt nach hinten machte, prallte sie gegen einen steinharten Oberkörper.

„Ist hier alles in Ordnung?“

Es war Blakes Stimme, und Kara fühlte seine Hand um ihre Taille. Im nächsten Moment schloss er beide Arme um sie und hielt sie gefangen. Zuerst wollte sie sich der Umklammerung entziehen, doch dann sagte sie sich, dass sie ihn nicht lächerlich machen durfte, wo er doch versuchte, sie vor diesem Mann zu beschützen, und entspannte sich.

Plötzlich existierte nichts mehr für sie außer seinem starken, durchtrainierten Körper, seinem Herz, das sie an ihrem Rücken pochen fühlte, und dem eigenen Pulsschlag. Diese Empfindungen waren völlig neu, und abgesehen von der Zeit im Flugzeug war sie noch nie einem Mann so nah gewesen. Nie hatte ihr Herz wegen der Berührung eines Mannes schneller geschlagen. Das hier war nicht mehr ihr Arbeitgeber. Sondern Blake – ganz einfach Blake. Für ein paar atemberaubende Sekunden waren sie die einzigen Personen im Raum. Karas Herz raste, und ihr Mund wurde trocken. Selbst wenn sie es gewollt hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, und so war sie erleichtert, als der Mann sich verzog.

Sobald er verschwunden war, entwand sie sich Blakes Umarmung. Sie schämte sich dafür, wie sie auf ihn reagiert hatte, und konnte nicht verstehen, was in sie gefahren war. Zum Glück hatte er keine Ahnung, wie sehr er sie erregt hatte. Es wäre so peinlich, wenn er es wüsste oder es auch nur ahnte. Sie setzte eine empörte Miene auf. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

„Das bezweifele ich nicht“, antwortete er lächelnd, „aber Miles kann sehr überzeugend sein. Er ist übrigens verheiratet. Ich hätte Sie warnen müssen, dass viele von den Kollegen bei Veranstaltungen wie dieser vergessen, dass sie anderweitige Verpflichtungen wie Frauen und Kinder haben.“

Kara begann zu begreifen, wie wenig sie über die Männer und das Leben wusste. Aber sie würde dazulernen, und zwar schnell.

„Ich habe gesehen, wie manche von ihnen Sie angucken“, fuhr er fort. „Verständlicherweise. Sie sind unglaublich hübsch.“

Kara errötete. Noch nie hatte jemand ihr gesagt, dass sie hübsch sei. Und jetzt sagte es ihr Chef!

„Danke für das Kompliment“, antwortete sie steif und wünschte dabei, dass sie ihren Instinkten gefolgt wäre und ein langweiliges Kostüm angezogen hätte. Dann wäre all dies nicht passiert. „Aber, wie gesagt: Ich brauche keinen Bodyguard.“

„Das kann schon sein“, gab er zu, „aber Sie werden mir doch nicht absprechen, dass ich mich eben sehr ritterlich verhalten habe.“

Kara lachte. Zum ersten Mal fühlte sie sich wohl mit ihm. „Nein, und ich danke Ihnen dafür. Aber sollten Sie sich jetzt nicht lieber unter Ihre Kollegen mischen, anstatt sich um mich zu kümmern?“ Sie versuchte, wieder so spröde wie möglich zu klingen, aber sie merkte, dass es ihr nicht gelang.

„Ich mache mir Sorgen. Immerhin ist es Ihre erste Konferenz. Ich fühle mich verpflichtet, mich um Sie zu kümmern. Und ich werde mich nur unter die Kollegen mischen, wenn Sie mich begleiten.“

Er sah sie entschlossen an, und Kara wagte es nicht, ihm seinen Wunsch abzuschlagen. Aber würde sie dadurch nicht den Eindruck verstärken, sie gehörten zusammen? Und da war auch ihre Angst davor, am Abend gemeinsam mit ihm aufbrechen zu müssen. Vielleicht würde er sogar darauf bestehen, dass sie noch auf einen Schlummertrunk mit in sein Zimmer käme …

Bei dem bloßen Gedanken daran begann ihr Herz zu rasen. Die Geschichten, die sie über seine anderen Sekretärinnen gehört hatte, gingen ihr nicht aus dem Kopf. Nicht, dass er ihr irgendeinen Grund gegeben hätte, beunruhigt zu sein, aber trotzdem …

Als er einen Moment weggerufen wurde, sah Kara ihre Gelegenheit gekommen. Sie eilte die Treppe hinauf und lehnte sich, in ihrem Zimmer angekommen, von innen an die Tür, als fürchtete sie, dass Blake Benedict sie jeden Moment öffnen und hineinkommen konnte.

Erst als sie wieder ruhig atmete, wurde Kara klar, wie töricht sie sich benahm. Blake hatte nichts gesagt oder getan, was ihr Gefühl, in Gefahr zu sein, rechtfertigte – warum also hatte sie so eine Panik? Ihr Problem war, dass sie nicht wusste, wie man mit Männern umging. Sie hatte nie einen Freund gehabt. Nicht einmal eine Verabredung. Nicht eine Einzige. Und das in ihrem Alter – wie erbärmlich!

Sie ging zu Bett, konnte aber nicht einschlafen. Ihr schwirrte der Kopf. Dieser Miles zum Beispiel und dann Blakes Eingreifen! Sie war ihm dankbar dafür, aber gleichzeitig kam sie sich furchtbar dumm vor. Blake musste sie für ein ausgemachtes Dummchen halten.

Schließlich hörte sie zunächst Blakes Tür und dann seine Stimme. Erst dachte sie, er hätte jemanden bei sich, doch dann begriff sie, dass er telefonierte. Selbst als es wieder still war, kam sie nicht zur Ruhe.

Sie stellte sich vor, wie er sich auszog, dachte an seinen starken, durchtrainierten Körper und stellte sich sogar vor, wie sie ihre Hände über seinen Oberkörper wandern ließ. Wie würde sich das anfühlen?

Sie wusste es nicht. Aber sie wusste, dass irgendetwas mit ihrem Körper passierte, sobald sie daran dachte. Und dass sie, wenn das so weiterging, heute Nacht keinen Schlaf bekommen würde.

Doch wie sollte sie die Gedanken loswerden? Diese Gefühle waren ihr völlig neu. Ihr Körper summte vor Lebendigkeit, und sie wünschte sich, dass Blake sich in ihr Zimmer schleichen und sich zu ihr ins Bett legen würde.

Was sie machen würde, falls er dies tatsächlich täte, wusste sie allerdings nicht. Wahrscheinlich würde sie ihn anschreien, dass er verschwinden solle. Doch ihr Körper und ihre Gedanken befanden sich im Widerstreit. Ihr Körper brannte vor Erregung.

Irgendwann gelang es ihr, einzuschlafen, und sie erwachte erst, als ihr Wecker klingelte. Der Gedanke an die Aufmerksamkeit, die ihr gestern zuteilgeworden war, machte sie verlegen, und so zog sie eine weiße, hochgeschlossene Bluse und ein dunkles Kostüm an. Da bis zum Frühstück noch viel Zeit war, ging sie in den Konferenzsaal und holte ihre Unterlagen hervor.

Sie hörte nicht, wie Blake hereinkam und schrie erschrocken auf, als sie gehen wollte und direkt in ihn hineinlief.

„Ruhig, Kara“, sagte er beschwichtigend und schloss die Arme um sie, obwohl es keinen Anlass dazu gab.

Der betörende Duft seines Rasierwassers brachte die verrückten Empfindungen vom vergangenen Abend wieder. „Es tut mir leid“, sagte sie heiser und versuchte, sich ihm zu entziehen. „Ich wusste nicht, dass Sie hier sind.“

„Haben Sie Angst vor mir?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Natürlich nicht“, antwortete sie nachdrücklich und sah ihm dabei in die Augen. Ob er ihr glaubte, wusste sie natürlich nicht. Wenn sie ehrlich war, hätte sie selbst sich nicht geglaubt.

„Das ist gut, denn wir werden viel Zeit miteinander verbringen. Haben Sie schon gefrühstückt?“ Als sie den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Lassen Sie uns zusammen essen. Dabei können wir den heutigen Ablauf besprechen.“

Zwar hatten sie den Ablauf schon mehrere Male besprochen, doch Kara hielt es für keine gute Idee, abzulehnen. Der Frühstücksraum war voll, und als sie gemeinsam an Blakes Tisch gingen, sahen sich alle nach ihnen um.

Das entging auch Blake nicht. Nie zuvor war er einer Frau begegnet, die ihn so sehr faszinierte wie Kara Redman. Er konnte sich nicht entscheiden, ob sie wirklich so unschuldig war, wie sie wirkte, oder ob sie nur so tat.

„Wir sind uns sehr ähnlich.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Ganz einfach. Wir haben beide unseren Vater verloren, sind beide Einzelkinder und karriereorientiert. Vielleicht haben wir eine unterschiedliche Berufslaufbahn, aber Sie machen Ihre Arbeit sehr gut, weshalb Sie in meinen Augen die perfekte Sekretärin sind. Ich möchte Sie niemals verlieren.“

„Das ist sehr nett, dass Sie das sagen.“

„Darf ich fragen, wann Ihr Vater gestorben ist? Letztens hatte ich den Eindruck, dass sein Tod Sie hart getroffen hat. Mein Vater ist gestorben, als ich elf war, also hatte ich Zeit, mich daran zu gewöhnen.“

Schlagartig änderte sich Karas Gesichtsausdruck, und als sie sprach, war ihre Stimme kühl. Sofort fühlte Blake, dass Kara sich ihm entzog. „Ich möchte nicht über ihn sprechen. Mein Vater war … nun, er war kein besonders netter Mensch. Und das ist schon mehr, als ich Ihnen darüber hätte sagen dürfen. Es tut mir leid.“

„Und mir tut es leid, dass ich gefragt habe.“ Ihr Geständnis schockierte Blake, und er wünschte, er hätte nicht gefragt. Vielleicht würde er eines Tages herausfinden, was genau für ein Mensch ihr Vater gewesen war, aber nun musste er die Unterhaltung auf ein angenehmeres Thema lenken.

„Ich habe eine Weile in dieser Gegend gelebt. Meine Mutter ist Halbitalienerin.“ Zu seiner Erleichterung leuchteten Karas Augen interessiert auf.

„Lebt sie noch hier?“

„Nein, in England. Sie sagt, sie möchte gern im meiner Nähe sein. Aber ich habe Cousins in Turin.“

„Werden Sie sie im Anschluss an die Konferenz besuchen? Soweit ich das mitbekommen habe, nehmen Sie sich nie frei.“

„Wahrscheinlich nicht“, antwortete er. „Mir bedeutet die Arbeit mehr, als Zeit mit Familienbesuchen zu verbringen. Wie ist es bei Ihnen? Was machen Sie in Ihrem Jahresurlaub?“

Kara zuckte die Schultern und sah aus, als wünschte sie, dass er ihr auch diese Frage nicht gestellt hätte. „Ich bleibe zu Hause. Meine Mutter ist zu schwach, um zu reisen.“

Natürlich. Er hatte die Krankheit ihrer Mutter vergessen. „In diesem Fall dürfen Sie mir auch keine Vorwürfe machen“, sagte er lächelnd. Manchmal sah Kara aus, als hätte sie Angst vor ihm, und er konnte sich nicht erklären, warum. Sie faszinierte ihn, und er verspürte das echte Bedürfnis, sie während des Aufenthalts in Mailand besser kennenzulernen.

Der erste Tag der Konferenz war sehr aufschlussreich für Kara. Zuzusehen, wie Blake das Kommando übernahm, wie jeder ihm Respekt zollte und sich seine Energie im Raum ausbreitete, gab auch ihr neue Kraft.

Kara hatte damit gerechnet, still an Blakes Seite zu sitzen, Notizen zu machen und ihn mit Informationen zu versorgen, doch sie fühlte sich miteinbezogen. Vielleicht lag es daran, dass sie mit den Inhalten vertraut war.

„Ein sehr erfolgreicher erster Tag“, bemerkte er, als sich die Versammlung auflöste. „Dank Ihres exzellenten Organisationstalents. Das haben Sie toll gemacht, Kara, danke.“

Kara fühlte, wie sie errötete. „Ich habe nur das getan, wofür ich bezahlt werde.“

„Nein, mehr als das“, erwiderte er und sah ihr dabei so tief in die Augen, dass es sie heiß durchlief. „Erinnern Sie mich daran, Ihnen eine Gehaltserhöhung zu geben, sobald wir zurück sind. Aber jetzt sollten wir noch ein wenig frische Luft schnappen, bevor es Abendessen gibt.“

Kara wusste nicht, ob das ein Befehl oder ein Vorschlag war. „Eigentlich hatte ich vor, mich ein wenig auf meinem Zimmer auszuruhen.“ Der Tag war anstrengender gewesen, als sie erwartet hatte.

„Unsinn!“, widersprach er. „Sie brauchen frische Luft und ein wenig Bewegung. Entweder machen wir einen Spaziergang – ich könnte Ihnen ein bisschen was von Mailand zeigen, zum Beispiel die Scala – oder wir nutzen den Umstand, dass das Hotel einen Swimmingpool hat. Schwimmen Sie, Kara?“

Allein der Gedanke daran, diesen sonnengebräunten, muskelbepackten Körper entblößt zu sehen, erschreckte sie. Nicht, dass sie ihn nicht sehen wollte – ganz im Gegenteil, ihr Herz raste bei dem Gedanken daran –, aber sie hatte Angst, dass sie sich dabei verraten könnte.

„Ja“, antwortete sie heiser. „Aber ich würde lieber spazieren gehen. Ich habe keinen Badeanzug dabei; ich wusste nicht, dass auch Schwimmen auf der Tagesordnung steht.“

Blake lächelte, wobei sich in seinen Augenwinkeln Lachfalten bildeten, die ihn … irgendwie anders aussehen ließen. Weicher, freundlicher, nicht mehr wie der knallharte Geschäftsmann, als den sie ihn kannte. Dieser neue Blake machte ihr Angst. Er ließ ihre Haut kribbeln und verursachte ihr ein Ziehen im Bauch.

„Im Hotel gibt es eine Boutique, wo man so etwas bekommt.“

„Trotzdem würde ich lieber spazieren gehen“, antwortete Kara.

Erstaunlicherweise gelang es ihr, sich zu entspannen, sobald sie losgegangen waren. Sie redete mit Blake wie mit einem alten Freund. Zwar gab sie dabei nichts Persönliches von sich preis, aber sie machte Bemerkungen über die Läden, an denen sie vorbeikamen, in denen es Schmuck und Handtaschen und alle möglichen anderen interessanten Dinge gab. Aber das Beeindruckendste war eindeutig die Scala.

„Ich habe mich schon immer gefragt, wie sie in Wirklichkeit aussieht“, rief Kara, als sie vor dem imposanten Gebäude standen.

„Gehen Sie gerne in die Oper?“

„Ich höre gerne Opernmusik, aber ich war noch nie in einer Aufführung.“

„Tatsächlich?“ Blake hob die Brauen. „Dann werden wir versuchen, das zu ändern. Eine Aufführung in der Scala anzusehen, ist sensationell.“

Kara erschrak. Mit Blake in die Oper zu gehen war jenseits dessen, was angemessen und vernünftig war. „Ich bezweifele, dass wir Zeit dafür haben.“ Und selbst wenn sie Zeit dafür hätten – wollte sie überhaupt mit ihm dorthin gehen? Und zwei oder drei Stunden neben ihm sitzen? Diese neu entdeckte Empfänglichkeit für ihn würde sie in einem solchen Maße ausfüllen, dass sie nicht in der Lage wäre, sich auf das zu konzentrieren, was auf der Bühne vor sich ginge. „Ihr Terminkalender ist ziemlich voll“, sagte Kara in geschäftsmäßigem Ton. „Und selbst wenn dem nicht so wäre, wir werden niemals so kurz vor der Aufführung noch Karten bekommen.“

„Wollen Sie sich drücken?“

„Ja.“ Lügen war sinnlos.

Blake lachte über ihre Ehrlichkeit. „Tss. Kara. Haben Sie noch nicht gemerkt, dass ich meinen Willen immer durchsetze? Und könnten wir bitte mit dem Siezen und der förmlichen Anrede aufhören? Nenn mich bitte Blake!“

Ihn in Gedanken Blake zu nennen und es in Wirklichkeit zu tun, waren zwei komplett verschiedene Dinge. Vielleicht war sie altmodisch, aber ihn zu siezen half ihr gerade ungemein. Es erhielt die Grenze zwischen ihnen aufrecht. Es verhinderte Vertraulichkeiten. Und es erinnerte sie daran, wer er war.

Nicht, dass ihr Körper auf irgendwelche Grenzen Rücksicht nahm. Je länger sie zusammen waren, desto empfänglicher wurde sie für ihn – und desto unbehaglicher war ihr zumute. Es war ein so fremdes Gefühl, dass sie am liebsten davongelaufen wäre.

Blake wusste alles über Frauen. Wenn er ihr zu tief in die Augen sähe, würde er erkennen, was für ein Gefühlschaos er in ihr ausgelöst hatte. Und womöglich würde er es ausnutzen. Und sie bearbeiten, bis sie schwach wurde.

Der Gedanke daran, schwach zu werden, zuzulassen, dass er sie neckte und mit ihr flirtete oder gar weiter ging, ließ ihr Herz vor Erregung und körperlichem Verlangen schneller klopfen. Sie wandte sich zum Gehen.

„Kara, dir ist doch klar, dass dein Weglaufen sehr verräterisch ist. Warum willst du nicht bleiben und das zu Ende besprechen?“

Blake wusste, dass es nicht leicht werden würde, Kara Redman dazu zu bringen, sich in seiner Gegenwart zu entspannen. Als sie die Schaufenster betrachtet hatten, war sie lockerer geworden, aber sobald er vorgeschlagen hatte, etwas mit ihr zu unternehmen, was sie einander näherbringen würde, war sie wieder erstarrt.

Doch warum war das so? Kara war die verschlossenste Person, die er kannte. Andere Frauen waren stets erpicht darauf, über sich selbst zu reden. Bei Kara war das anders. Und je weniger sie sich ihm öffnete, umso größer wurde sein Interesse an ihr, umso entschlossener wurde er, den Schutzwall zu durchbrechen, den sie um sich herum aufgebaut hatte. Es musste einen Grund geben, und er wollte herausfinden, was es war. Ob es tatsächlich wegen ihres Vaters war oder ob etwas anderes dahintersteckte.

„Ich laufe nicht weg.“

Er lächelte über ihren etwas trotzigen Tonfall. „Das ist gut. Denn ich möchte, dass du dich entspannst. Ich möchte, dass du die Zeit hier genießt. Neben der Konferenz bleibt uns noch ein wenig Zeit, und da du noch nie hier warst, solltest du etwas mehr von der Stadt sehen als das Hotel. Und meiner unbedeutenden Meinung nach ist die Scala der Höhepunkt eines Mailandbesuchs. Und es wäre mir eine Ehre, wenn ich derjenige sein dürfte, der dich in die Freuden der Oper einweist.“

„Das ist sehr nett von Ihnen – äh, dir, Blake, aber dein Terminkalender ist voll.“

„Wie du mir bereits mehrere Male gesagt hast“, sagte Blake lächelnd. Er spürte, wie schwer es ihr gefallen war, ihn beim Vornamen zu nennen. „Aber wir werden schon Zeit finden.“ Kara biss sich nervös auf die üppige Unterlippe.

Zu gern hätte er ihre Nervosität fortgeküsst und diese köstlichen Lippen geschmeckt. Aber er wusste, dass es jetzt noch zu früh dafür war. Kara Redman war zweifelsohne die faszinierendste Frau, die ihm je begegnet war, und er wollte ihr Herz erobern.

„Ich glaube, wir sollten langsam zurückgehen“, sagte Kara und sah demonstrativ auf die Uhr. „In einer Stunde gibt es Abendessen, und ich muss noch duschen und …“

„Stimmt“, pflichtete Blake ihr bei. Doch sie brauchte nicht zu denken, dass er sich die Oper aus dem Kopf geschlagen hatte. Der Gedanke daran, neben ihr zu sitzen und gemeinsam die Vorstellung anzuschauen, ihr schlanker Körper so nah an seinem, dass sie einander vielleicht berühren würden, an ihren zarten, betörenden Duft und daran, wie er womöglich mehr auf seine wunderschöne Sekretärin achten würde als auf das, was auf der Bühne vor sich ginge, dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los.

Kara Redman ging ihm unter die Haut wie keine Frau je zuvor. Nach seiner Scheidung war er mit vielen gut aussehenden Frauen ausgegangen, aber deren Schönheit war nur oberflächlich gewesen. Seine Sekretärin war anders. Seitdem er sie genauer betrachtet hatte, sah er eine umwerfend schöne Frau in ihr. Außerdem war sie hochintelligent. Genau genommen war sie eine Traumfrau, und er konnte kaum glauben, dass er das nicht schon vor Monaten begriffen hatte.

3. KAPITEL

Als sie schließlich wieder in ihrem Zimmer war, atmete Kara erleichtert auf. So viel Zeit mit Blake zu verbringen hatte sie ziemlich erschöpft. Verrückte Empfindungen wirbelten in ihr durcheinander – eine Mischung aus Verlangen und Unbehagen, Begierde und Angst.

Was sie nicht verstand war, wieso sie dies alles empfand, wo sie doch nie zuvor etwas Derartiges gefühlt hatte. Was war anders daran, hier für ihn zu arbeiten als in London? In London hatte er sie nie auf einen Spaziergang mitgenommen. Und sie hatten sich nie außerhalb des Büros getroffen. Genaugenommen war einfach alles anders.

Sogar Blake selbst war anders. Er war nicht mehr der Mann, der andere herumkommandierte und erwartete, dass seine Befehle genauestens befolgt wurden. Er war umgänglich, ja geradezu entspannt und freundlich geworden. Und dadurch hatte er etwas in ihr ausgelöst, was ihr nicht geheuer war. Etwas, das sie gleichzeitig erregte und ihr Angst machte.

Während sie duschte, bereute Kara, dass es ihr nicht gelungen war, sich vor dieser Konferenz zu drücken. Blake wäre schon ohne sie klargekommen. Alles war vorbereitet gewesen, der Papierkram erledigt. Sie hatte sich um alles gekümmert.

Als sie sich für das Abendessen anzog, entschied sich Kara für den schwarzen Rock ihres Kostüms und eine tief ausgeschnittene rote Bluse.

Alle Blicke richteten sich auf sie, als sie den Speisesaal betrat. Doch sie hatte nur Augen für Blake, der jeden Schritt, den sie machte, verfolgte.

„Du siehst umwerfend aus“, sagte er und bot ihr einen Platz an. „Rot steht dir. Du solltest es öfters tragen.“

Kara bedankte sich mit einem Lächeln, da sie Angst hatte, die Stimme könnte ihr versagen. In seinem dunkelblauen Maßanzug und dem hellblauen Hemd sah er ebenfalls sehr gut aus. Seine Krawatte war wie immer tadellos gebunden, und als er sich vorbeugte, um zu überprüfen, ob Kara bequem saß, nahm sie den betörenden Duft seines Rasierwassers wahr.

Er berührte ihre Schulter mit seiner Hand und ließ sie dort länger verweilen als nötig. Kara wurde von einem genussvollen Schauder erfasst. „Du riechst göttlich, Kara“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Gern hätte sie das Kompliment erwidert, doch sie wagte es nicht. Es wäre viel zu vertraulich gewesen. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob es ihr gefiel, Komplimente von ihm zu bekommen, hier, vor all den anderen.

Also war sie erleichtert, als ein Kellner ihr eine Serviette und die Karte reichte. Als sie Blake einen verstohlenen Blick aus den Augenwinkeln zuwarf, sah sie, dass er sie ansah, anstatt in seine Karte zu gucken.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie so beiläufig wie möglich. „Habe ich irgendetwas an der Nase?“

„Deine Nase ist zauberhaft. So zauberhaft, dass man sie küssen möchte.“

Erschrocken sah sie ihn an.

„Magst du keine Komplimente, Kara?“

Die Wahrheit war, dass sie Komplimente nicht gewohnt war. Sie antwortete nicht auf seine Frage.

„Für deine Lippen gilt das übrigens ebenfalls.“

Kara wandte den Blick ab und konzentrierte sie sich stattdessen auf die Karte. Dabei versuchte sie, ihren rasenden Puls und das warme Kribbeln ihrer Haut zu ignorieren. Sie betete, dass ihre Wangen sich jetzt nicht verfärbt hatten.

Nachdem der Wein eingeschenkt worden war, hob Blake sein Glas. „Auf meine überaus tüchtige Sekretärin – und darauf, dass du so lange wie möglich für mich arbeitest.“

Auch Kara hob ihr Glas und wagte wieder einen längeren Blick auf Blake. Bis jetzt war ihr nie aufgefallen, was für dichte Wimpern er hatte und dass das Grau seiner Augen stimmungsabhängig die Farbe änderte. Jetzt, wo sich seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf sie konzentrierte, hatten sie einen viel dunkleren Ton angenommen. Und es war ein Ausdruck in ihnen, der sie, obwohl sie ihn nicht einordnen konnte, zugleich erschreckte und erregte.

Irgendetwas passierte mit ihr, hier, in diesem Hotel, in diesem schönen Land. Ihre Erinnerung an ihr Leben in England verblasste, und etwas wesentlich Aufregenderes nahm ihren Platz ein. Es war nur etwas Vorübergehendes, das war ihr klar, aber es wäre ganz sicher töricht, nicht das Beste daraus zu machen. Er gab ihr das Gefühl, mit ihm allein im Raum zu sein, er forderte ihre Aufmerksamkeit in einem so hohen Maß, dass neben ihm nichts mehr existierte. Und für den Augenblick hatte sie nichts dagegen. Es war eine ganz neue Erfahrung – eine, an die sie gern zurückdenken würde, wenn sie wieder in London und alles wieder wie vorher wäre.

Sie nippte an ihrem Weinglas und lächelte ihn schüchtern an.

„Danke, das ist sehr nett.“

„Es ist nichts als die Wahrheit.“

„Ich mag meinen Job.“

„Und – macht dir die Konferenz auch Spaß?“

Kara nickte. „Es ist meine erste Konferenz, und ich muss zugeben, dass ich ein bisschen nervös war, aber – ja, es macht mir Spaß.“ Zumindest dann, wenn er ihr nicht gerade zu viel Aufmerksamkeit schenkte.

„Jeder einzelne Mann hier beneidet mich. Kein Wunder – du bist eine sehr schöne Frau.“

Dieses Mal wurde sie rot. „Das ist nett, dass du das sagst.“

Er antwortete ihr mit einem Lächeln, das ihr durch und durch ging.

Der Kellner kam mit ihrem Essen, und Kara war froh über diese Unterbrechung. So konnte sie ein paarmal tief durchatmen und sich sagen, dass sie alles unter Kontrolle hatte. Dass es eine angenehme und keine beängstigende Erfahrung war, von einem Mann umworben zu werden.

Und es funktionierte. Nach und nach wurde sie lockerer, und es gelang ihr, den Abend zu genießen.

Sie unterhielten sich angeregt, und Kara musste über Blakes Anekdoten laut lachen. Erst als er ihr nach dem Dessert einen Umschlag reichte und sie erwartungsvoll ansah, wusste sie nicht mehr, was sie sagen sollte. In dem Umschlag waren Karten für eine Faust-Aufführung am folgenden Abend. Kara blinzelte verlegen und schluckte.

„Sieh es als kleines Dankeschön von mir für die viele Arbeit, die du dir gemacht hast“, sagte er und sah sie gespannt an.

„Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hätte nicht gedacht, dass es dir gelingen würde …“

„Aber – freust du dich?“ Er sah ein wenig besorgt aus, was sonst so gar nicht seine Art war. „Und bist du nicht vielleicht ein wenig aufgeregt?“

„Ja, aber …“

„Nichts aber, Kara“, sagte er mit fester Stimme. „Das Einzige, was ich will, ist, dass es dir Freude bereitet.“

Kara bezweifelte, dass sie irgendetwas von der Oper mitbekommen würde. Hier in einem Raum voller Leute neben ihm zu sitzen und sich mit ihm zu unterhalten war eine Sache, aber in die Oper zu gehen, wo sie so dicht nebeneinandersitzen würden, ihre Körper sich dabei berührten, war etwas ganz anderes. In Gedanken würde sie viel zu sehr bei Blake und den Gefühlen, die er in ihr auszulösen vermochte, sein. Diesen völlig fremden Gefühlen, die sie glücklich machten, sie andererseits aber auch furchtbar erschreckten.

Zugegebenermaßen fing sie an, sich in seiner Gegenwart wohlzufühlen. Nie hatte er irgendetwas getan, was ihr Anlass gegeben hätte, Angst vor ihm zu haben – er war der perfekte Gentleman. Es war nur so, dass sie es nicht gewohnt war, so zuvorkommend behandelt zu werden. Blakes großzügige Geste ließ Kara die Tränen in die Augen steigen.

Blake runzelte die Stirn. „Was ist denn? Freust du dich immer noch nicht?“

„Natürlich freue ich mich. Es ist nur so, dass noch nie jemand so etwas für mich getan hat.“

Über den Tisch hinweg griff er nach ihrer Hand und umfasste sie sanft. „Das ist bedauerlich. Du bist eine so freundliche Person, und du solltest dementsprechend behandelt werden.“

Sein Mitgefühl und sein teilnahmsvoller Blick überwältigten sie, und Kara musste sich sehr anstrengen, die Tränen zurückzuhalten. Sie schluckte und lächelte. „Ich benehme mich lächerlich. Es tut mir leid.“

Blake hob ihre Hand an seine Lippen. „Ich bin derjenige, dem es leidtut. Es tut mir leid, dass dir in deinem Leben nicht das Glück zuteilgeworden ist, das einer schönen Frau wie dir gebührt. Aber ich denke, jetzt wird es langsam Zeit, dass wir uns auf unsere Zimmer zurückziehen.“

Kara lächelte schwach und erlaubte ihm, sie beim Ellenbogen zu fassen und nach oben zu begleiten.

Einen Schlummertrunk mit Blake zu nehmen, war eigentlich gegen jede von Kara selbst auferlegten Regeln. Das Problem war, dass er wusste, wie er sie dazu brachte, diese Regeln zu brechen.

„Was möchtest du trinken? Noch einen Wein? Kaffee? Oder womöglich einen Brandy?“

„Ich hätte gerne einen Kaffee, bitte“, antwortete Kara. „Ich habe schon mehr getrunken, als ich gewohnt bin.“ Nicht, dass sie betrunken war. Sie hatte nur zwei Gläser getrunken, aber das war mehr als üblich. Normalerweise trank sie fast nie Alkohol. An Weihnachten und Geburtstagen, aber das war auch schon alles.

Kara erwartete, dass er zum Telefon greifen und die Bestellung durchgeben würde, und war angenehm überrascht, als er zu der kleinen Küchenzeile am anderen Ende des riesigen Wohnzimmers hinüberging und den Kaffee selbst zubereitete.

So hatte sie Zeit, sich in der luxuriösen Suite umzusehen. Weiche, cremefarbene Ledersofas, dicke Teppiche von derselben Farbe auf dem Fußboden aus Walnussholz, echte Gemälde an den Wänden und Kronleuchter. Hier hatte man an nichts gespart. Auch ihr eigenes Zimmer war angenehm eingerichtet, aber das hier war etwas anderes. Und sie wusste, wie viel ein paar Tage darin kosteten. Fast so viel, wie sie in einem Jahr verdiente.

„Hier kommt der Kaffee.“ Schon gesellte sich Blake wieder zu ihr und stellte eine Kaffeekanne, zwei Porzellantassen, ein Kännchen Sahne und Zucker auf dem niedrigen Tisch zwischen den Sofas ab.

„Ich schenke uns ein“, sagte Kara rasch. So hätte sie etwas zu tun und könnte aufhören, ihn anzusehen, seine großen, geschickten Hände betrachten. Sie wusste nicht, was in sie gefahren war, aber sie stellte sich vor, wie diese Hände sie berührten. Und sie erregten.

In ihrem Kopf schrillten alle Alarmglocken. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihn auf sein Zimmer zu begleiten. Als sie die Kanne hochhob, zitterte ihre Hand, und Blake beugte sich vor, um ihr die Kanne abzunehmen. „Vorsicht, sie ist schwer. Nicht, dass du dich verbrühst!“

Sobald der Kaffee eingeschenkt war, lehnten sie sich zurück. Sie saßen einander gegenüber – noch ein Fehler! Blake wandte den Blick nicht von ihr. „Ich glaube, jetzt ist es langsam an der Zeit, dass du mir etwas über dich erzählst, Kara. Du weichst andauernd aus.“

Ein beklommenes Gefühl machte sich in ihr breit. „Über mich gibt es nicht viel zu erzählen, was du nicht schon weißt.“

„Ich weiß, dass du Männern gegenüber sehr misstrauisch bist. Wie kommt das?“

Die Frage war zu direkt, um ihr auszuweichen. Doch sie sagte so lange nichts, dass er wieder zu sprechen begann.

„Liegt es an einem Exfreund? Hat dich jemand schwer enttäuscht? Bist du deshalb so …“

Kara holte tief Luft, hielt sie einige Sekunden an und sprach es dann schnell aus. „Mein Vater hat mir verboten, mit Jungs auszugehen. Ich habe dir ja schon gesagt, dass er nicht besonders nett war. Um ehrlich zu sein – er hat mich geschlagen.“ So. Es war heraus. Jetzt wusste er Bescheid. Nie zuvor war ihr etwas so schwergefallen. Verlegen sah sie sah auf ihre Hände hinab. „Ich möchte nicht so gern darüber sprechen.“

Ihr Herz fing an zu rasen und sie begann zu zittern, und im nächsten Augenblick saß er neben ihr und nahm sie in die Arme. Er sagte ein paarmal „Schhhht“, sonst nichts. Erst als sich ihr Herzschlag wieder beruhigt und ihr Körper zu zittern aufgehört hatte, begann er leise zu sprechen.

„Es ist alles in Ordnung, Kara. Bei mir bist du in Sicherheit. Dir passiert nichts, ich werde dir niemals wehtun, das verspreche ich dir. Entspann dich. Mach die Augen zu und entspann dich.“

Durch den dichten Schleier, der sie umgab, hörte sie ihn die Worte immer wieder sagen. Bis schließlich das Einzige, was noch für sie existierte, Blakes Wärme war, seine starken Arme, in denen sie lag, und sein Herzschlag an ihrer Brust. Und als sie ihm wieder ins Gesicht sah, erblickte sie nicht Blake Benedict, den knallharten Geschäftsmann, sondern den warmherzigen, freundlichen Blake. Einen Blake, dessen graue Augen besorgt blickten. Ohne recht zu merken, was sie tat, kuschelte sie sich enger an ihn.

Nie zuvor hatte sie sich so geborgen gefühlt. Nie hatte ein Mann sie so in seinen Armen gehalten und ihr ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Es war, als könne sie nie wieder jemand schlecht behandeln. Das hätte sie nie für möglich gehalten. Und nun war es ausgerechnet ihr Chef, mit dem sie so etwas erlebte! Kara ...

Autor

Margaret Mayo
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