Julia Weihnachtsband Band 32

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BRING DIE LIEBE IN MEIN HERZ von SARAH MORGAN
Louisa ist fassungslos: Wie kann man Weihnachten hassen? Doch für ihren Boss Dr. Mac Sullivan ist es die dunkelste Zeit des Jahres. Vorsichtig bringt Louisa den warmen Glanz der Weihnacht in sein Leben … Kann sie so sein eisiges Herz zum Schmelzen bringen?

CINDERELLAS WEIHNACHTSWUNDER von CAROL MARINELLI
Wütend stürmt Naomi aus dem festlich geschmückten Saal. Sie wollte eine zauberhafte Ballnacht mit Milliardär Abe Devereux verbringen, mit ihm übers Parkett schweben wie eine Märchenprinzessin … Stattdessen taucht seine Ex auf! Hat Abe sie all die Zeit belogen?

DIESE EINE MAGISCHE NACHT von KATRINA CUDMORE
Als Schlosserbe Tom Benson verkündet, dass er das Familienanwesen verkaufen wird, bricht für Gärtnerin Ciara eine Welt zusammen! Sie muss ihren Jugendfreund überzeugen, den Entschluss zu ändern. Da kommt ihr der Schneesturm recht, der die beiden in einer magischen Winternacht auf Loughmore Castle festhält …

EINE MAMA ZUM FEST DER LIEBE von CARA COLTER
"Wird Noelle meine neue Mami?" Die Frage seiner Tochter trifft Witwer Aidan Phillips mitten ins Herz. Doch der süßen Noelle gelingt es, auch ihn tief zu berühren. Und plötzlich wünscht Aidan sich, dass dieser bezaubernde Weihnachtsengel die Liebe zurück in sein Leben bringt …


  • Erscheinungstag 04.10.2019
  • Bandnummer 32
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713102
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah Morgan, Carol Marinelli, Katrina Cudmore, Cara Colter

JULIA WEIHNACHTEN BAND 32

SARAH MORGAN

Bring die Liebe in mein Herz

Weihnachten? Dr. Mac Sullivan hat Wichtigeres zu tun! Doch seine neue Kollegin Louisa scheint es darauf abgesehen zu haben, den Festtagsmuffel vom Gegenteil zu überzeugen. Sie schmückt sein Haus, lädt die Nachbarn ein und versucht alles, um Macs eiskaltes Herz aufzutauen … Wird er mit ihrer Hilfe seine schmerzhaften Erinnerungen hinter sich lassen?

CAROL MARINELLI

Cinderellas Weihnachtswunder

Alles könnte so perfekt sein: Vor dem Fenster rieselt leise der Schnee herab, und im Ballsaal führt Abe Devereux die schöne Naomi elegant übers Parkett. Der Milliardär genießt es, sie in seinen Armen zu halten … Doch als seine Ex auftaucht, reißt Naomi sich los und stürmt davon! Kann Abe seine Cinderella überzeugen, zu ihm zurückzukehren?

KATRINA CUDMORE

Diese eine magische Nacht

Tom Benson, Herzog von Bainsworth, will mit der Vergangenheit abschließen! Entschlossen reist er nach Irland, um den Familiensitz zu verkaufen. Doch nach einem Schneesturm sitzt er in dem alten Anwesen fest – mit seiner Jugendliebe Ciara! Vielleicht braucht es die Magie einer Winternacht, damit alte Wunden heilen und zwei Herzen wieder zueinander finden …

CARA COLTER

Eine Mama zum Fest der Liebe

Noelle ist entsetzt! Ihr Großvater hat einen Fremden auf seine Ranch einge-laden! Zu Weihnachten! Kurz darauf reist der reiche Witwer Aidan mit seiner Tochter an. Einmal im Leben will er ihr zeigen, wie das Fest der Liebe im Kreis einer Familie sein kann. Plötzlich weiß Noelle: Sie wird alles tun, damit auch Aidan wieder an eine glückliche Zukunft glaubt …

PROLOG

„Bruderherz, ich habe die Lösung für all deine Probleme.“

„Ich habe keine Probleme.“ Mac Sullivan klemmte den Telefonhörer mit der Schulter ein und ging die Post durch. Er hatte doch nur eine Doppelschicht im Krankenhaus übernommen und war zwei Tage nicht hier gewesen. Woher zum Teufel kamen all die Briefe? „Wenn du mich wieder mit einer Frau verkuppeln willst, verlasse ich das Land. Wärst du nicht mein Bruder, hätte ich dir schon längst die Zähne eingeschlagen.“

„Wäre nicht das erste Mal“, erwiderte Josh amüsiert. „Aber ich will dich gar nicht verkuppeln. Ich habe ein tolles Weihnachtsgeschenk für dich.“

Mac warf die Post ungeöffnet in den Papierkorb und ging in die Küche, das Telefon immer noch mit der Schulter eingeklemmt. Überall stand schmutziges Geschirr. Beim Anblick der angetrockneten Überreste zuckte er zusammen.

„Ich brauche kein Weihnachtsgeschenk, sondern eine Haushälterin“, sagte er und betrachtete den überquellenden Mülleimer.

„Alle bisherigen Haushälterinnen haben sich in dich verliebt und dann gekündigt“, erwiderte Josh. „Ich persönlich halte dich ja für einen launischen Bastard, aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund scheinen Frauen das unwiderstehlich zu finden. Du solltest mehr lächeln und weniger grübeln. Vielleicht kümmern sie sich dann mehr um das Haus als um dich.“

Mac ignorierte die Bemerkung seines Bruders, setzte Teewasser auf und suchte vergeblich nach einer sauberen Tasse. „Ich setze eine neue Annonce auf.“

„In knapp zwei Wochen ist Weihnachten“, erinnerte Josh ihn. „Alle sind mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Niemand will hinter uns her räumen. Kurzfristig gesehen haben wir ein Problem. Langfristig musst du wieder heiraten. Das wäre die Lösung aller Probleme.“

Heiraten? Mac schloss die Augen. „Oh, nein.“ Allein war er besser dran.

„Du kannst dich nicht für immer einigeln“, sagte Josh sanft. „Es ist Zeit, nach vorne zu schauen.“

„Mache ich doch.“

„Warum lebst du dann ganz allein in diesem riesigen Haus?“

Mac öffnete wieder die Augen und betrachtete die Unordnung. „Du wohnst doch bei mir. Nur weil du nicht aufräumen kannst, sieht es hier aus wie in einem Saustall.“

„Du wirst mich noch vermissen, wenn mein Bootshaus fertig ist“, meinte Josh.

„Tatsächlich?“ Mac verließ die Küche und schloss die Tür hinter sich. Die Unordnung deprimierte ihn, und er war zu müde, um aufzuräumen. „Wie läuft es bei euch? Habt ihr den Aorta-Patienten in den OP gebracht?“

„Kein Themawechsel. Wir sprachen darüber, dass du wieder heiraten solltest.“

„Du hast davon gesprochen, ich nicht“, erwiderte Mac verärgert. „Habt ihr ihn in den OP gebracht, bevor die Aorta geplatzt ist?“

Josh seufzte. „Ja, aber hör auf, ständig an die Arbeit zu denken. Du solltest dich mal um ein paar andere Bereiche deines Lebens kümmern. Bessere Work-Life-Balance.“

Mac runzelte die Stirn. „Hast du wieder Frauenzeitschriften gelesen? Du hast doch letzte Nacht zusammen mit mir in der Notaufnahme gearbeitet. Du weißt, was da los war. Ich bin erledigt und will nur noch ins Bett. Ich habe keine Zeit für Work-Life-Balance und auch nicht für dein Psychogeschwätz.“

„Ich sage dir nur, was in deinem Leben falsch läuft.“

„Rufst du deshalb an?“ Mac betrachtete den Matsch auf dem Fußboden in der Diele. Wieso war es so schmutzig? Er war doch kaum da. „Um mir zu sagen, was in meinem Leben falsch läuft? Vielen Dank.“

„Eigentlich wollte ich die Lieferung deines Weihnachtsgeschenks besprechen. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben. Es ist wichtig, dass du zu Hause bist.“

Mac betrachte sich im Spiegel im Flur und zog eine Grimasse. Er musste sich dringend rasieren und schlafen, nicht unbedingt in der Reihenfolge. „Wir haben uns nie etwas zu Weihnachten geschenkt.“

„Dieses Jahr schon. Zumindest schenke ich dir etwas.“

Mac seufzte und nahm sich vor, ein nutzloses Geschenk für seinen Bruder zu besorgen. „Na gut, wenn du unbedingt den Weihnachtsmann spielen willst, dann bitte. Ich hoffe, mein Geschenk enthält viele Flaschen.“

„Alkohol ist nicht die Lösung.“

„Das kommt ganz auf das Problem an.“

Josh lachte leise. „Und du willst ein angesehener Arzt sein?“

„Ich bin ein angesehener Arzt“, protestierte Mac.

„Sei auf jeden Fall zu Hause, wenn es geliefert wird. Es kann nicht vor der Tür bleiben.“ Josh gähnte. „Ich habe hier noch alle Hände voll zu tun mit Knochenbrüchen und Hustenanfällen. Ich hätte Hausarzt werden sollen.“

„Dann müsstest du jeden Tag Hunderte von Patienten behandeln, denen eigentlich nichts fehlt. Ist das dein Ernst?“ Mac schüttelte den Kopf. „Du hast mir wirklich ein Geschenk besorgt?“

„Ja“, antwortete sein Bruder leicht spottend. „Es ist Weihnachten, falls du es noch nicht bemerkt hast. Aber für dich ist Weihnachten ja ein Tag wie jeder andere.“

„Zum Glück für meine Patienten.“ Mac ging durch das riesige Wohnzimmer, in dem rein gar nichts auf Weihnachten hinwies. Die bodentiefen Fenster boten einen wundervollen Blick auf das Meer, das jetzt von den heftigen Winterstürmen aufgepeitscht wurde. Die meisten Menschen kamen lieber im Sommer an die Küste von Cornwall, doch er bevorzugte den Winter. Er liebte die Wildnis. Nur weil in zwei Wochen Weihnachten war, würde er nicht überall Lametta aufhängen. Das müsste er bloß wieder wegräumen.

„Du weißt doch, dass ich Weihnachten nicht besonders mag.“ Er schaute auf das Meer hinaus. Seit Wochen war er nicht zum Windsurfen gekommen. Vermutlich hatte sein Bruder recht. Er arbeitete wirklich zu viel.

„Das ist mir bewusst, Mac.“ Die Stimme seines Bruders klang auf einmal sanft. „Seit Melissas Tod sind zwei Jahre vergangen. Stürz dich wieder ins Leben, Bruder. Es ist Zeit.“

Zeit wofür? fragte sich Mac. „Ich weiß, deine Fürsorge zu schätzen. Aber ich mag mein Leben so, wie es ist.“ Voller Arbeit.

„Du arbeitest nur immerzu. Aber mein Geschenk wird das ändern. Ich muss los.“ Josh klang plötzlich in Eile. Mac hörte die Sirene eines Krankenwagens und Stimmen im Hintergrund. „Was ist bloß los? Die Touristen sind weg, aber die Notaufnahme ist immer noch voll. Wir sollten uns um Unfallverhütung kümmern, damit die Leute auf den engen Straßen in Cornwall bei Eisglätte nicht mehr so schnell fahren.“

„So haben wir wenigstens etwas zu tun.“ Mac mochte es, wenn viel los war. Arbeit war sein Leben, seine Rettung. „Was ist mit der zusätzlichen Krankenschwester?“

„Alles geregelt. Die neue Kollegin fängt Montag an. Du wirst sie mögen. Jetzt muss ich gehen und Leben retten. Wir reden später. Frohe Weihnachten.“ Er legte auf. Mac seufzte und brachte das Telefon zur Ladestation.

Er konnte sich vorstellen, was seinem Bruder bevorstand. Sie hatten viel zu wenig Leute. Als Leiter der Notaufnahme hatte er die Verwaltung schon mehrfach darauf hingewiesen, aber immer dieselbe Antwort erhalten. Nicht genug Geld. Außerdem wolle niemand nach Cornwall kommen, um hier zu arbeiten, schon gar nicht im Winter.

Also würde er Weihnachten wieder viel zu tun haben. Das gefiel ihm.

1. KAPITEL

Das Haus ist perfekt, dachte Louisa. Sie klingelte und zog den langen Wollmantel enger, um sich gegen den eisigen Wind zu schützen. Es schneite wieder. Die weichen Flocken setzten sich in ihren dunklen welligen Haaren fest. Erst vor wenigen Minuten war sie aus dem Wagen gestiegen, und schon hatte sie eiskalte Finger und konnte ihre Zehen kaum noch spüren. Wenn sie Weihnachten hier verbringen sollte, brauchte sie mehr warme Sachen. Zitternd klingelte sie erneut. Josh hatte ihr versichert, dass sein Bruder zu Hause sein und sie erwarten würde.

Louisa trat einen Schritt zurück und betrachtete sehnsuchtsvoll das riesige, weiße Haus. Es war wunderschön. Von so einem Haus hatte sie schon als Kind geträumt, voller Kinder und Hunde und Lachen. Im Erdgeschoss waren bodentiefe Fenster, die auf eine große schneebedeckte Terrasse mit Blick auf das Meer führten. Ein großer, etwas vernachlässigter Garten reichte bis hinunter zu den Dünen.

Nirgendwo ein Lebenszeichen. Louisa dachte daran, was Josh ihr über seinen Bruder erzählt hatte. Warum er Weihnachten hasste. Besorgt sah sie zum Haus. Weihnachten war für viele Menschen eine schwierige Zeit, auch für jene ohne Tragödien. Hasste Mac Sullivan Weihnachten genug, um …? Wenn er nun da drinnen lag? Neben ihm eine leere Schachtel Tabletten? Vielleicht hatte er einen Abschiedsbrief hinterlassen?

Nein! Ihre Fantasie ging mal wieder mit ihr durch. Wahrscheinlich sah er nur fern und hörte die Türklingel nicht.

Louisa trat an eines der Fenster und schaute hindurch. Das Wohnzimmer war elegant eingerichtet. Große weiße Sofas auf einem wunderschönen Parkettboden. Die Kissen waren kunstvoll arrangiert, wie für ein Foto in einer Zeitschrift. Es sah unbewohnt aus. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. So ein Haus sollte ein Zuhause sein. Da sollte ein riesiger Weihnachtsbaum im Wohnzimmer stehen, mit Geschenken darunter. Alles sollte festlich geschmückt sein. Hatte Mac Sullivan niemanden, für den er Geschenke kaufte? Hatte er seit dem Tod seiner Frau alle ausgeschlossen?

Louisa blickte zu den Fenstern im ersten Stock, die alle fest verschlossen waren. Besorgt überlegte sie, was sie tun sollte. Sie konnte warten, bis jemand auftauchte. Aber das könnte ewig dauern und wäre nicht hilfreich, wenn er wirklich in Schwierigkeiten war. Oder sie könnte nach London zurückfahren, aber dann wäre sie arbeitslos. Und ganz allein an Weihnachten. Außerdem würde sie Josh enttäuschen. Sie hatte ihm versprochen, dass sie einspringen und helfen würde.

Sie konnte nicht abfahren, solange sie nicht wusste, ob es Mac gut ging. Um sicherzugehen, dass er nicht irgendwo hilflos in einer Ecke lag, musste sie einen anderen Weg ins Haus finden. Entschlossen stapfte sie durch den Schnee zur Rückseite des Hauses und entdeckte ein offenes Fenster. Es war gerade groß genug, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Eigentlich war das nicht legal, aber in diesem Fall schien es die einzige Möglichkeit. Außerdem wurde sie erwartet, also konnte man das kaum als Einbruch bezeichnen.

Mac drehte gerade die Dusche ab, als er einen gedämpften Aufprall hörte. Jemand war im Haus. Da er dem Einbrecher nicht nackt gegenübertreten wollte, nahm er ein Handtuch und schlang es sich um die Hüften, bevor er barfuß in den Flur trat und lauschte. Wieder rumste es. Wer immer das war, hatte keine Zukunft als Einbrecher.

Schnell strich Mac sich sein dunkles, von der Dusche noch ganz nasses Haar aus dem Gesicht und griff dann nach dem Hammer, den er vor ein paar Tagen benutzt hatte, um ein Regal aufzuhängen. Leise ging er die Treppe hinunter. Seine Füße hinterließen Spuren auf dem Teppich. Er war knapp einen Meter neunzig groß und hatte den schwarzen Gürtel im Judo. Auch wenn er nur mit einem Handtuch bekleidet war, könnte er die meisten sicher besiegen.

Das Geräusch kam aus der Gästetoilette. Mac kniff die Lippen zusammen. Das Fenster ließ sich schon seit Monaten nicht mehr verriegeln. Das Haus war in einem schlechten Zustand. Er arbeitete zu viel und konnte nur die notwendigsten Reparaturen durchführen. Er schlich zur Gästetoilette, stieß die Tür auf und warf sich mit seinem vollen Gewicht auf den Eindringling. „Keine Bewegung!“

Unter ihm holte jemand erschrocken Luft. „Wie soll ich mich denn bewegen? Sie wiegen mindestens eine Tonne! Und Sie sind klatschnass!“

Das war eine weibliche Stimme. Mac verlagerte leicht das Gewicht, hielt der Frau die Hände über dem Kopf fest und schaute sie an. Sie hatte die größten und braunsten Augen, die er je gesehen hatte. Ihr Körper fühlte sich weich und nachgiebig unter ihm an, und sie roch wunderbar. Dichtes dunkles Haar mit Schneeflocken darin umrahmte ein perfekt herzförmiges Gesicht. Ihre Wangen waren gerötet von der Kälte. Und sie lachte!

„Okay, Muskelmann! Wollen Sie den ganzen Tag auf mir liegen?“ Sie klang etwas atemlos, während sie zu ihm aufschaute. „Ich kann nämlich kaum noch atmen.“

Er gab sie frei. Sie sah nicht aus wie ein Einbrecher. Eher wie ein wahrgewordener Traum, dachte er, riss sich aber sofort zusammen. Er hatte nicht die Absicht, sich mit einer Frau einzulassen, schon gar nicht mit einer, die durch das Toilettenfenster bei ihm eingestiegen war. Verärgert sah er sie an.

„Was, zum Teufel, tun Sie hier? Wieso kommen Sie einfach durchs Fenster? Brauchen Sie einen Arzt?“

„Irgendwie schon.“ Sie versuchte sich aufzusetzen. „Aber ich bin kein Patient. Zumindest war ich keiner, bevor Sie auf mir gelandet sind. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Könnte sein, dass ich mich ernsthaft verletzt habe. Wollten Sie mich wirklich mit dem Hammer erschlagen?“

„Nur wenn Sie gewalttätig geworden wären“, erwiderte Mac trocken, legte den Hammer beiseite und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Ihr Rock war fast bis zu ihrem Po hinaufgeschoben. Unwillkürlich betrachtete Mac ihre Beine. Sie hatte tolle Beine. „Klettern Sie immer durchs Fenster, wenn Sie nach einem Arzt suchen?“

„Nein. Ich hatte Angst, dass Sie bewusstlos am Ende der Treppe liegen und nicht nach Hilfe rufen können. Ich wollte Sie retten.“ Sie nahm seine Hand, und er zog sie auf die Beine. Sie war kleiner, als er gedacht hatte. Dafür waren ihre Beine sehr lang.

Er wandte den Blick ab. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Weil ich geklingelt habe, und niemand öffnete.“

Er hob eine Augenbraue. „Darum dachten Sie, ich läge bewusstlos irgendwo herum? Ist Ihnen nicht der Gedanke gekommen, dass ich einkaufen sein könnte?“

„Ich habe eine lebhafte Fantasie“, gestand sie heiter. Ihr Lächeln ließ ihr ganzes Gesicht erstrahlen. Ihre Augen waren kaffeebraun. „Es scheint im Dorf keinen Laden zu geben, also konnten Sie nicht einkaufen sein.“

„Und da brechen Sie einfach ein?“ Fassungslos sah er sie an. „Tun Sie das öfter?“

„Nur wenn unbedingt erforderlich. Ist eine Charakterschwäche. Ich mische mich gern ein.“ Sie strich ihren Mantel glatt und schüttelte den Schnee aus den Haaren. „Ich bin froh, dass es Ihnen gut geht. Warum haben Sie denn nicht geöffnet?“

Er kniff die Augen zusammen und musterte sie. „Ich habe geduscht.“

„Zur Mittagszeit?“

Mac seufzte. Warum rechtfertigte er sich eigentlich vor dieser Frau? „Ich hatte Nachtdienst und war die ganze Nacht auf. Motorradunfall. Die Straßen sind derzeit sehr gefährlich. Als ich nach Hause kam, habe ich mich zehn Minuten am Telefon gestritten und dann Papierkram erledigt. Danach bin ich unter die Dusche gegangen. Wollen Sie noch mehr persönliche Dinge aus meinem Leben wissen?“

Nachdenklich zog sie die Nase kraus. „Wahrscheinlich, aber das kann warten. Jetzt muss ich erstmal etwas Trockenes anziehen und mich häuslich einrichten. Wo kann ich meine Sachen verstauen?“

Verständnislos schaute Mac sie an. „Ihre Sachen verstauen? Was soll das heißen?“

„Ich habe meine Taschen im Auto gelassen, aber der Kofferraum ist undicht. Deshalb sollte ich sie hereinbringen, bevor alles nass wird. Es schneit wieder. Aber das wissen Sie ja bereits, denn an mir klebt überall Schnee.“ Wie zum Beweis schüttelte sie sich, und mehr Schnee fiel auf den Fußboden. „Sehen wir es positiv. Wenigstens bin ich nicht mit dem Kopf in der Toilette gelandet. Das wäre keine schöne Erfahrung gewesen.“

Mac musterte sie schweigend. Er hatte einen unangenehmen Verdacht. „Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie hier eigentlich machen.“

„Stimmt.“ Sie reichte ihm die Hand. „Ihr Bruder meinte, Sie könnten Hilfe gebrauchen. Also, hier bin ich. Ich bin Ihr Weihnachtsgeschenk. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Dr. Sullivan.“

Ihr neuer Boss hatte einen fantastischen Körper, und im Moment war fast jeder wunderbare Zentimeter zu sehen. Louisa stand in der Ecke des kleinen Raums und versucht, nicht auf seine breite Brust oder seinen muskulösen Bauch zu starren. Sein Körper war durchtrainiert. Offensichtlich trieb er viel Sport. Und auch der Rest … Es kostete sie viel Kraft, ihm ins Gesicht zu sehen und normal zu atmen.

Josh hatte ihr erzählt, dass das Haus riesig war. Er hatte auch gesagt, dass das Fischerdorf an der Küste von Cornwall so winzig sei, dass man nur einmal niesen musste, und die ganze Bevölkerung würde einen am nächsten Morgen fragen, wie schlimm die Erkältung sei. Allerdings hatte er nicht erwähnt, wie umwerfend attraktiv sein Bruder war.

Und wütend. Seine Augen glitzerten gefährlich. In seinem Gesicht war keine Spur von Humor zu erkennen. „Soll das ein Witz sein?“ Seine Stimme klang plötzlich eiskalt. „Wie können Sie mein Weihnachtsgeschenk sein?“

Sie legte den Kopf schief. „Weil Ihr Bruder das organisiert hat. Ich bin Louisa.“

Er schloss die Augen und murmelte etwas. Es klang wie: „Ich bringe ihn um.“

Louisa wartete geduldig, bis er die Augen wieder öffnete und sie ansah.

„Okay. Wir retten Ihre Sachen aus dem Auto, bevor sie völlig durchnässt sind. Dann ziehen Sie sich trockene Sachen an, und wir setzen uns hin und sprechen über alles. Egal was mein Bruder und Sie sich ausgedacht haben, ich mache da nicht mit.“

Louisa sah ihn an. „Josh hat Ihnen nicht gesagt, dass ich komme?“

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Nein. Also irgendwie schon. Er sagte, er hätte ein Weihnachtsgeschenk für mich. Aber er hat nicht gesagt, was es ist.“

Louisa legte eine Hand auf den Mund, um ihr Lachen zu unterdrücken. „Typisch Josh. Wahrscheinlich hat er gedacht, wenn er es ihnen vorab sagt, lassen Sie mich gar nicht erst herein.“

Seine dunklen Augen blickten eiskalt. „Er hätte recht gehabt.“

Sie lächelte gelassen. Auf keinen Fall würde sie sich von ihm einschüchtern lassen. „Na, dann ist es ja gut, dass ich durch das Fenster gekommen bin.“ Nie zuvor hatte sie einen Mann getroffen, der so voller Abwehr war. Josh hatte sie vorgewarnt, dass sein älterer Bruder sie auf Abstand halten würde. Aber davon würde sie sich nicht abschrecken lassen. „Okay.“ Sie sah an sich herunter und lächelte entschuldigend. „Ich mache den ganzen Fußboden nass. Wenn Sie nicht wollen, dass ich mich erkälte, sollten Sie mir besser zeigen, wo ich mich umziehen kann.“

Er musterte sie einen Moment und seufzte dann verärgert. „Oben, erste Tür rechts. Da ist ein Gästezimmer mit angrenzendem Bad. Benutzen Sie es, und dann ziehen Sie weiter. Ich hole derweil Ihre Sachen. Schlüssel?“ Er streckte ihr die Hand entgegen.

Verständnislos sah sie ihn an, dann begriff sie. „Oh. Ich schließe den Wagen nie ab. Er ist so alt und kaputt, den würde sowieso niemand stehlen.“

Sie folgte ihm in den Flur und blieb überrascht stehen. Ihr Blick hing an der geschwungenen Treppe. „Eine Treppe wie in einem Märchen. So etwas habe ich bisher nur in Filmen gesehen. Wunderbar“, flüsterte sie träumerisch. „Wie in ‚Vom Winde verweht‘. Sie könnten eine Frau auf Ihre Arme nehmen und die Treppe hinauftragen …“

„Sie könnte auch laufen“, erwiderte er knapp und ließ ihren Traum mit einem spöttischen Blick zerplatzen. „Ich dachte, Sie laufen Gefahr, sich zu erkälten?“

Offenbar ist er kein Romantiker.

„Stimmt.“ Langsam ging sie die Treppe hinauf und ließ die Hand genießerisch über den hölzernen Handlauf gleiten. „Das Holz ist wunderschön.“

„Ich habe es restauriert“, erklärte Mac gereizt, während er ihr langsam folgte.

Sie drehte sich zu ihm um. „Ich denke, Sie sollten schlafen gehen.“

„Warum?“

„Weil Sie müde aussehen. Außerdem sind Sie echt mies gelaunt, auch ein Zeichen für Müdigkeit.“

Mit seinen dunklen Augen musterte er sie. „Das liegt eher daran, dass mein Bruder mir eine fremde Frau ins Haus geschickt hat, obwohl ich keine brauche.“

„Männer wissen meistens nicht, was sie brauchen“, erklärte Louisa. „Aber glücklicherweise gibt es Frauen, die ihnen helfen, es herauszufinden. Könnten Sie bitte meine Taschen aus dem Kofferraum retten, bevor alles klatschnass ist?“

Ungläubig sah er sie an. Seine Stimme war sehr leise, dann schüttelte er sich. „Ich hole sie. Sobald Sie trocken sind, gehen Sie. Es ist nichts Persönliches. Mir ist klar, dass Sie keine Schuld tragen. Aber mit meinem Bruder werde ich ein Wörtchen reden müssen. Erste Tür rechts.“

Louisa ignorierte die Kälte in seinem Ton und seinem Blick, folgte den Anweisungen und öffnete die Tür zum Gästezimmer. Das Zimmer war wie ein Strandhaus dekoriert. Raumhohe Fenster, gescheuerter Dielenfußboden und ein riesiges Bett mit weißer Bettwäsche und cremefarbenen Decken. Einige blaue Farbakzente, interessantes Treibholz und Muscheln in Glasvasen rundeten den Eindruck ab. Auch mitten im Winter fühlte sich der Raum sommerlich an. Es gefiel ihr sehr. Sie sah gerade aus dem Fenster, als Mac mit ihren Taschen hereinkam.

„Sie hatten recht. Alles durchnässt. Am besten, sie hängen ihre Sachen über die Heizung.“ Er stellte die Taschen ab und sah Louisa stirnrunzelnd an. „Stimmt etwas nicht?“

Sie schaute immer noch auf das Meer hinaus. „Oh, nein. Alles okay.“ Sie räusperte sich. „Es ist wunderschön. Ich liebe es.“ Davon hatte sie geträumt. Ein Haus am Meer. Ein Dorf, in dem jeder jeden kennt. An so einem Ort konnte man sich zu Hause fühlen.

„Gewöhnen Sie sich nicht daran. Sie werden nicht bleiben.“ Er schwieg einen Moment, als würde er seine unhöfliche Bemerkung bereuen. „Die meisten Menschen hassen den Strand im Winter“, bemerkte er. „Sie finden, er sei zu wild und zu einsam.“

Louisa dachte an ihre frühe Kindheit, die sie in einem schäbigen Hochhaus inmitten einer seelenlosen Stadt verbracht hatte, bis die Jugendfürsorge sie abgeholt hatte. „Ich denke, Menschen haben unterschiedliche Auffassungen von Einsamkeit.“ Sie riss sich zusammen, drehte sich um und sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an. „Ich werde jetzt duschen und mich umziehen. Dann treffen wir uns unten, und Sie erklären mir, warum das alles ein Fehler ist und ich nicht bleiben kann.“

Einen Moment sah er sie misstrauisch an. Dann schmunzelte er. „Warum habe ich das Gefühl, dass es nicht leicht sein wird, Sie loszuwerden?“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er den Raum. Nachdenklich schaute Louisa ihm nach. „Oh, Dr. Mac Sullivan“, sagte sie leise. „Es wird geradezu unmöglich sein, mich loszuwerden.“

Louisa konnte Menschen schon immer gut einschätzen. Sie spürte, dass Mac Sullivan Probleme hatte, spürte die Anspannung in ihm. Er stieß die Menschen weg und verschloss sich. Er brauchte ihre Hilfe. In einem hat Josh recht, dachte sie, als sie einen warmen Pullover aus ihrer Tasche nahm. Mac wird alles tun, um mich loszuwerden.

Sie blickte wieder auf das Meer hinaus. Der Winterwind peitschte die Wellen auf. Der Himmel war grau, und es sah nach mehr Schnee aus. Es wirkte grausam und kalt und abweisend. Warum hatte sie dann das Gefühl, endlich zu Hause zu sein?

2. KAPITEL

Mac stellte den Teekessel auf den Herd und rief seinen Bruder an. „Ich schulde dir ein blaues Auge. Dein Weihnachtsgeschenk ist gerade angekommen.“

Josh lachte leise. „Ist sie nicht wunderbar? Gute Idee von mir, oder?“

Mac wurde wütend. „Wenn ich einen Zuhälter brauche“, sagte er böse, „suche ich mir selbst einen.“

„He! Sprich nicht so über Louisa“, rief Josh aufgebracht. „Ob du es glaubst oder nicht, ich versuche nicht, dich zu verkuppeln. Hier geht es nicht um Sex!“

Mac verdrehte die Augen. „Bei dir geht es immer um Sex. Außerdem willst du mich verkuppeln, seit Melissa gestorben ist. Aber ich will keine Frau mehr in meinem Leben.“

Er war nicht gut in Beziehungen. Es war besser, wenn er allein blieb. Plötzlich sah er Louisa vor sich mit Schneeflocken in ihren dunklen Haaren. Josh hatte das alles fein geplant, doch er würde nicht darauf hereinfallen. Er war völlig zufrieden mit seinem Leben.

„Hier geht es nicht nur um dich, Mac.“ Josh seufzte. „Wir ersaufen in Arbeit. Wir brauchen jemanden, der uns im Haus hilft, und wir brauchen eine weitere Krankenschwester in der Notaufnahme. Louisa kann beides. Sie wird unser Leben viel einfacher machen. Wenn du sie vertreibst, bringe ich dich mit bloßen Händen um. Das schwöre ich.“

„Sie ist die Krankenschwester, von der du gesprochen hast?“ Plötzlich spürte Mac, wie heißer Wasserdampf sein Handgelenk verbrühte. Leise fluchend nahm er den Kessel von der Platte und ließ dann kaltes Wasser über seine Hand laufen. „Ich weiß den Gedanken zu schätzen, Josh, wirklich.“ Grimmig betrachtete er den roten Streifen auf seiner Haut. „Aber du musst dich nicht um mein Liebesleben kümmern.“

„Irrtum, du musst aufhören, die Menschen auszusperren“, entgegnete Josh. „Deshalb habe ich dir Louisa gekauft.“

„Du hast mir Louisa gekauft?“

„Ich zahle für einen Monat ihr Gehalt, danach ist das deine Sache. Louisa ist der netteste Mensch, den ich kenne, und sehr hilfsbereit. Außerdem ist sie eine exzellente Krankenschwester. Sie ist die Antwort auf unsere Gebete, Bruderherz. Also hör auf zu jammern. Ist ja nur über Weihnachten.“

„Wenn sie so wunderbar ist, warum schläfst du dann nicht mit ihr?“

„Ehrlich?“ Josh lachte. „Weil sie mich nicht will. Sie ist zu klug. Aber sie ist einer meiner Lieblingsmenschen. Lass sie bleiben, dann siehst du, warum.“

Mac drehte das kalte Wasser ab. „Ich habe nicht die Absicht, sie bleiben zu lassen. Wenn sie in der Notaufnahme arbeiten will, ist das großartig. Wir brauchen, weiß Gott, Unterstützung. Aber sie wird nicht bei uns wohnen.“

Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als über die Weihnachtszeit hier mit jemandem eingepfercht zu sein. Wenn er nicht gerade arbeitete, wollte er einfach nur allein sein. Auf Lametta und erzwungene Fröhlichkeit konnte er gern verzichten.

„Schön“, meinte Josh kühl. „Dann ist sie obdachlos, aber sie könnte ja unter der Hecke schlafen. Wäre nicht das erste Mal. Ich muss los. Wir haben Patienten.“

Mac legte auf und fluchte leise. Dass er nach Melissas Tod sein Leben wieder unter Kontrolle bekommen hatte, hatte er Josh zu verdanken. Aber das gab seinem Bruder nicht das Recht, sich ständig einzumischen. Er brauchte keine Hilfe. Schon gar nicht musste man ihm eine Frau zu Weihnachten schenken. Selbst wenn sie wunderschön war, tolle lange Beine hatte und unglaublich gut duftete.

Er schloss einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, stand Louisa in der Tür und sah ihn mit ihren kaffeebraunen Augen fragend an. Ihre Wangen waren von der warmen Dusche gerötet, und ihr dunkles Haar fiel in feuchten Locken über ihre Schultern. Unwillkürlich ließ er den Blick zu ihrem weichen Mund wandern. Ihre Unterlippe war etwas voller als die Oberlippe. Er bemerkte eine Menge Dinge an ihr, die er gar nicht bemerken wollte.

Mac fuhr sich mit der Hand über den Nacken und biss die Zähne zusammen. „Ich war die halbe Nacht wach und bin völlig erledigt. Ich kann das jetzt nicht brauchen …“

Louisa schaute sich in der Küche um und betrachtete die Stapel schmutzigen Geschirrs, die Berge von kalten, nicht gegessenen Mahlzeiten und die vielen leeren Flaschen. „Sieht ganz so aus, als ob Sie genau das jetzt brauchen“, erwiderte sie sanft. „Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten. Die Menschen sollten sich umeinander kümmern. Besonders an Weihnachten.“

Er schloss die Augen. „Ich brauche keine Hilfe.“

Sie deutete auf die Unordnung. „Nun, Sie brauchen irgendetwas, Dr. Sullivan. Zuerst einmal einen Verband für die Verbrennung. Wo ist der Verbandskasten?“

Er betrachtete die leuchtend rote Wunde auf seinem Arm. „Nicht so schlimm.“

„Es bilden sich schon Blasen.“ Sie kam zu ihm und nahm seinen Arm, um die Wunde genauer zu inspizieren. „Wenn Sie die Wunde nicht verbinden, wird sie sich entzünden, und dann ist es schlimm. Verbandskasten?“

Er atmete tief ein und deutete mit dem Kinn. „In dem Schrank dort.“ Wenn er ihr erlaubte, ihn zu verarzten, würde sie vielleicht zufrieden sein und gehen.

Mac beobachtete, wie sie durch den Raum ging, bemerkte den Schwung ihrer Hüften und die Anmut ihrer Bewegungen. Als sie sich streckte, um den Verbandskasten aus dem Schrank zu holen, fiel sein Blick auf ihren perfekt gerundeten Po, der in engen Jeans steckte. Das erweckte etwas in ihm zum Leben. Etwas, das lange geschlafen hatte.

„Okay.“ Sie zog den Verbandskasten aus dem Schrank. „Hoffen wir mal, das hier etwas Brauchbares drin ist. Die meisten Ärzte sind nicht gut darin, einen Verbandskasten ordnungsgemäß zu bestücken.“ Sie stellte den Verbandskasten auf den Tisch und nahm ein Paar Sachen heraus. „Setzen Sie sich.“

Er verspannte sich. „Mir geht es gut. Ich muss mich nicht hinsetzen.“

„Aber Sie sind sehr viel größer als ich“, erklärte sie geduldig. „Wenn Sie stehen, ist es schwieriger für mich. Setzen Sie sich.“

Er setzte sich und dachte: So kann ich wenigstens beurteilen, wie gut sie in der Wundversorgung ist.

Ihre Berührungen waren leicht und sanft, ihre Bewegungen geübt und schnell, als sie die Verbrennung versorgte. Aus einem unerklärlichen Grund ärgerte ihn ihr offensichtliches Können. Wäre sie unbeholfen gewesen, hätte er wenigstens eine Entschuldigung gehabt, sie anzufahren.

Was an ihr roch nur so gut? Innerlich verfluchte er seinen Bruder. „Ich werde jetzt ganz offen sein. Die Notaufnahme braucht dringend eine Krankenschwester über Weihnachten, aber das ist auch alles. Ich weiß nicht, was mein Bruder Ihnen erzählt hat. Ich persönlich brauche niemanden.“

Sie sah ihn an. Ihre Augen funkelten amüsiert, während sie den Verband fixierte. „Sie glauben, er will uns verkuppeln? Denken Sie, das habe ich nötig, Dr. Sullivan? Sehe ich so verzweifelt aus?“

Verzaubert betrachtete Mac ihre langen dichten Wimpern und verspürte auf einmal ein heftiges Verlangen. Die Männerwelt lag dieser Frau sicher zu Füßen. Früher einmal wäre auch er versucht gewesen. Aber Frauen wollten immer etwas, das er nicht geben konnte. „Ich sage nur, dass ich kein Blind Date brauche“, sagte er knapp.

Sie lachte. „Das weiß ich. Aber Sie brauchen mich trotzdem. Sehen Sie sich bloß mal Ihre Küche an.“

Er hielt ihrem Bick stand. „Ich arbeite zwanzig Stunden am Tag im Krankenhaus.“

Mitfühlend sah sie ihn an. „Ich weiß, und das ist nicht gut für Sie. Aber jetzt, da ich hier bin, wird sich vieles ändern, angefangen mit dem Zustand Ihres Hauses“, erklärte sie beruhigend, klappte den Verbandskasten zu und stellte ihn wieder in den Schrank. „Wenn ich nicht in der Notaufnahme Dienst habe, kann ich Ihr Leben angenehmer machen. Sie haben mich für einen Monat. Machen Sie das Beste daraus, Dr. Sullivan.“

„Sie sind ernsthaft bereit, meine Küche aufzuräumen?“ Mac stand auf und schwankte etwas. Verdammt. Er war müder, als er gedacht hatte.

Louisa wusch sich die Hände und trocknete sie ab. „Ich schaffe einfach gern ein gemütliches Zuhause. Das ist mein Hobby. Wenn ich Ihre Küche nicht saubermache, werden wir alle an etwas Schrecklichem sterben. Es liegt also in meinem eigenen Interesse. Keine Sorge, Sie werden auch Ihren Teil beitragen. Sie werden den Truthahn tranchieren. Ich kann das nicht.“ Sie runzelte die Stirn. „Sie sehen erschlagen aus. Wann haben Sie zuletzt geschlafen?“

Mac schloss die Augen und dachte nach. Ohne Erfolg. „Ist lange her.“

„Dann gehen Sie“, erwiderte sie ruhig und gab ihm einen kleinen Schubs. „Wir reden, wenn Sie wieder wach sind.“

Ihre rauchige sanfte Stimme beruhigte seine aufgewühlten Gefühle. Ausdruckslos starrte er sie an. „Sie erwarten, dass ich schlafen gehe, und Sie hier allein lasse?“

„Dr. Sullivan.“ Ihre Augen funkelten wie die Lichter an einem Weihnachtsbaum. „Ich habe mich noch nie einem Mann aufgedrängt und werde jetzt nicht damit anfangen. Ich habe auch nicht die Absicht, Ihr Silber zu stehlen. Gehen Sie ins Bett. Sie brauchen nicht mal die Tür abzuschließen. Sie sind absolut sicher.“

Er sah in ihre sanften kaffeebraunen Augen und spürte, wie etwas mit ihm geschah. Und eins wusste er ganz genau. Nein, er war ganz und gar nicht sicher!

Louisa fing in der Küche an. Während sie den Müll in drei große Tüten füllte und nach draußen brachte, summte sie leise vor sich hin. Dann ließ sie den Geschirrspüler zweimal durchlaufen, warf stapelweise Papier weg und schrubbte den Küchentisch.

Zwei Stunden später glänzten der Fußboden und alle Oberflächen. Das Geschirr war sauber und ordentlich in die Schränke eingeräumt. Wie erwartet, gab der Inhalt des Kühlschranks nicht viel her. Louisa war froh, dass sie auf dem Weg bei einem Supermarkt gehalten und Vorräte eingekauft hatte. Sie holte die Tüten aus ihrem kleinen Auto, räumte den Inhalt ein und begann, das Abendessen vorzubereiten.

Nach den Essensresten auf dem Küchentisch zu urteilen, hatte sie beim Einkaufen richtig entschieden. Sie schnitt die Zutaten zurecht, briet und rührte. Bald duftete es in der Küche sehr lecker. Nun konnte das Essen garen. Zufrieden sah sie sich in der nun glänzenden Küche um und nickte.

„Viel besser. Jetzt zum Rest des Hauses.“ Zunächst wollte sie sich alles genau ansehen. Für einen alleinlebenden Mann hatte Mac Sullivan ein sehr großes Haus.

Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Es schien, als wäre dieser Raum nie benutzt worden. „Wie aus einer Zeitschrift“, sagte sie leise, schloss die Tür und ging in den Flur zurück. Im Erdgeschoss gab es noch zwei riesige Empfangszimmer, einen eleganten Wintergarten mit Blick auf das Meer und die Gästetoilette, durch die sie ins Haus gekommen war. Alle Räume waren sauber und wirkten unbewohnt. Da hat mir die Küche besser gefallen, dachte sie. Wenigstens gab es dort Lebenszeichen. Der Rest des Hauses fühlte sich kalt und leblos an, als hätte jemand die Hoffnung aufgegeben.

Hatte Mac Sullivan nach dem Tod seiner Frau die Hoffnung aufgegeben? Josh hatte nur erzählt, dass die Frau seines Bruders vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und Mac seitdem nur noch arbeitete.

Louisa bemerkte die Fußspuren auf dem Boden in der Halle, seufzte und ging in die Küche, um den Wischmopp zu holen. Mac Sullivan mochte ein hervorragender Arzt sein, aber in seinem restlichen Leben brauchte er dringend Hilfe.

Mac schlief drei Stunden lang tief und fest. Als er aufwachte, war es schon dunkel. Er lag einen Moment da, hörte dem Heulen des Windes zu und fragte sich, was anders war. Dann erinnerte er sich an Louisa.

Er verfluchte seinen Bruder, zog sich an und ging nach unten. Sie konnte auf keinen Fall bleiben. Noch heute Abend würde er im Dorf ein Zimmer für sie besorgen. Bevor sie sein Leben durcheinanderbringen konnte. Er wappnete sich für ein unangenehmes Gespräch, öffnete die Tür zur Küche und blieb verblüfft stehen.

Josh hatte die Füße auf den nun sauberen und glänzenden Küchentisch gelegt und krümmte sich vor Lachen. Louisa stand am Herd, erzählte pausenlos und rührte in etwas, das absolut köstlich roch. Ihr dunkles Haar fiel in Wellen über ihren Rücken, ihre Wangen waren von der Hitze des Ofens gerötet. Sie sah äußerst glücklich aus und schien sich zu Hause zu fühlen.

„Hi.“ Sie brach mitten im Satz ab, schenkte Mac ein Lächeln und rührte weiter. „Haben Sie gut geschlafen? Das Essen ist in fünf Minuten fertig, falls Sie etwas möchten. Wenn nicht, kann ich es auch später aufwärmen.“

Mac wollte sagen, dass sie gehen müsse, doch da war dieser köstliche Geruch. Er zögerte, während sein Verstand und sein Magen miteinander rangen. Sein Magen gewann. Erst würde er essen und dann mit ihr sprechen.

„Gut.“ Er setzte sich mit an den Tisch. Der Fußboden glänzte, und der Mülleimer war leer. Wäre es nicht sein Haus gewesen, hätte er seine eigene Küche nicht wiedererkannt. „Hier sieht es toll aus. Vielen Dank“, sagte er steif.

„Gern geschehen.“ Sie nahm die Pfanne von der Herdplatte und griff nach einem Holzbrett. Sie arbeitete schnell. Bald schon stellte sie die Schüsseln auf den Tisch.

Mac beobachtete sie fasziniert. Er hatte noch nie eine Frau kochen sehen. Melissa war eine Karrierefrau gewesen. Wenn sie einmal Zeit gefunden hatten, gemeinsam zu essen, dann hatten sie sich Fertiggerichte warm gemacht oder irgendetwas von einem Schnellimbiss mitgebracht. Seine Mutter hatte immer eine Haushaltshilfe gehabt. Louisa zu beobachten war, wie einem Künstler bei der Arbeit zuzusehen.

Josh stöhnte genussvoll, als Louisa eine Schüssel mit duftendem Reis vor ihn stellte. „Ich bin zwar nicht so sehr fürs Heiraten, aber ich schwöre, Louisa, dich würde ich heiraten, wenn du mich willst.“

„Keine Sorge, Josh“, erwiderte Louisa beruhigend und wandte sich wieder dem Herd zu. „Ich würde dich nie heiraten. Nach den Essensresten in den Kartons zu urteilen, mögt ihr beide indisches Essen. Deshalb habe ich ein Curry zubereitet. Aber meins ist gesünder und schmackhafter.“

Beim Anblick der vielen Schüsseln lief Mac das Wasser im Mund zusammen. „Sie haben Curry gemacht?“ Er war am Verhungern.

„Genau.“ Sie holte noch mehr Schüsseln aus dem Ofen. „Das ist Lammcurry und dies Hühnchen-Curry, sehr cremig mit Mandeln. Dazu Reis, Naan-Brot, Spinat mit Knoblauch und grüne Bohnen. Guten Appetit.“

Das unangenehme Gespräch kann warten, beschloss Mac, füllte seinen Teller und wandte sich seinem Bruder zu. „Und? Was war heute los?“

Ohne von seinem Teller aufzusehen, griff Josh nach seinem Bier. „Das Übliche. Zu viele Patienten, zu wenig Mitarbeiter. Gibt es auch Chutney?“

Louisa schob ihm eine Schüssel hin. „Das ist frisches Chutney. Tomaten, rote Zwiebeln, Koriander. Viel besser als das überzuckerte Zeug, das ihr im Kühlschrank hattet und das bereits vor einem Jahr abgelaufen war. Ich habe es weggeworfen.“

Josh lächelte betreten. „Oh.“

„Die Wettervorhersage sieht schlecht aus. Das wird ein schlimmes Weihnachten“, sagte Mac und schob sich eine Gabel voll Lammcurry in den Mund. Einen Moment saß er nur da und genoss den Geschmack der wunderbaren Gewürzmischung. Beinahe hätte er laut gestöhnt. „Das schmeckt hervorragend.“

„Freut mich.“ Louisa nahm sich etwas von dem Hühnchen. „Warum ist denn so viel zu tun? Zu dieser Jahreszeit sind doch sicher kaum Touristen hier?“

„Es ist schwer, Mitarbeiter zu finden, die im tiefsten Cornwall arbeiten wollen“, sagte Mac und sah Louisa an. „Darum frage ich mich, warum Sie hier sind.“ Warum sollte sie Weihnachten zusammen mit völlig Fremden verbringen wollen?

Josh verschluckte sich an seinem Bier. „Um Himmels willen, Mac. Lass uns erst einmal essen, bevor du Louisa beleidigst. Wenn sie uns keinen Nachschlag mehr gibt, bringe ich dich um.“

Mac lächelte nicht, sondern musterte immer noch Louisas Gesicht. Was genau erwartete sie von ihm?

Sie sah ihn an. „Ich mache Ihr Leben leichter, Dr. Sullivan. Deshalb bin ich hier.“

Er sah sich in der Küche um. „Haushälterinnen bleiben nicht lange.“

„Weil sie Hochzeitsglocken läuten hören“, sagte Louisa amüsiert. „Josh hat es mir erzählt. Aber keine Sorge, Mac. Sie sehen zwar sehr gut aus, sind aber nicht mein Typ.“

„Was ist denn Ihr Typ?“ Die Frage war ihm herausgerutscht, doch Louisa lachte nur.

„Wenn ich ihn kennenlerne, lasse ich es Sie wissen und lade Sie zur Hochzeit ein. Noch mehr Curry?“

Mac beobachtete, wie sie seinen Teller erneut füllte. „Schmeckt alles, was Sie kochen, so gut?“

„Wenn Sie mir erlauben zu bleiben, finden Sie es heraus“, entgegnete sie. Ihr Lächeln zauberte Grübchen auf ihre Wangen. „Aber wenn Sie mich hinauswerfen, erfahren Sie es nie.“

Mac fiel auf, dass sie viel mehr lächelte als alle anderen Frauen, die er kannte. Dennoch würde er sie bitten, zu gehen. Sobald er mit dem Essen fertig war.

„Sie sind ausgebildete Notfallschwester?“

„Stimmt.“ Sie schenkte sich ein Glas Wasser ein. „Ich habe meinen Job vor einigen Wochen gekündigt.“

„Warum?“

Josh seufzte entnervt. „Meine Güte, Mac. Du klingst wie die spanische Inquisition.“

„Sind Sie immer so misstrauisch?“ Louisa trank einen Schluck Wasser. „Ich bin eine sehr fähige Krankenschwester, falls Sie das wissen wollen. Sie können gern nach Referenzen fragen. Ich habe gekündigt, weil ich Weihnachten nicht allein in London verbringen wollte.“ Sie stand auf und sortierte die Teller in den Geschirrspüler. „Zu dieser Jahreszeit werde ich immer ruhelos.“

Mac lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Sie mögen Weihnachten nicht?“

„Oh, ich liebe Weihnachten“, sagte sie leise und stellte einen Spülgang an. „Für mich ist es die schönste Zeit des Jahres.“

Er spürte, dass sie noch mehr hatte sagen wollen. Doch sie schwieg und räumte weiter auf. Was hatte sie zu verbergen? Er wollte sie gerade weiter ausfragen, als er den warnenden Blick seines Bruders bemerkte. „Na schön, Sie können bleiben.“ Was, zum Teufel, sagte er da? „Aber nur für kurze Zeit. Sobald Sie mit der Arbeit in der Notaufnahme beginnen, werden Sie keine Zeit mehr haben, hinter uns herzuräumen.“

Es würde ihr zu viel werden, und sie würde von allein gehen. Dann musste er sie wenigstens nicht wegschicken.

Sie entspannte sich sichtlich. „Ich darf bleiben? Wirklich?“ Ihre Stimme klang belegt, und das rührte ihn. „Vielen Dank.“

Josh grinste. „Dem Himmel sei Dank. Es wäre mir schwergefallen, dieses Weihnachtsgeschenk zurückzuschicken.“ Er erhob sein Glas und zwinkerte Louisa zu. „Auf ein leckeres Weihnachtsessen. Das hatten wir schon lange nicht mehr.“

3. KAPITEL

„Bisher hat mein Weihnachtsgeschenk dein Haus saubergemacht und ein hervorragendes Abendessen für uns gekocht. Und ihr Kaffee heute Morgen war der beste, den ich je getrunken habe. Wenn du dich bedanken möchtest, dann keine Scheu.“ Josh lächelte seinem Bruder zu und nahm einer Krankenschwester, die in der Nähe mit ein paar Röntgenbilder wartete, die Unterlagen ab. „Sind die für uns?“ Er schob die Bilder in den Leuchtkasten und pfiff durch die Zähne. „Sieh dir das an.“

„Ein übler Bruch“, meinte Mac. „Hast du die Orthopädie benachrichtigt?“

„Nein, ich dachte, das kriege ich in der Mittagspause selbst hin“, meinte Josh spöttisch und sah seinen Bruder an. „Natürlich habe ich dort angerufen. Wofür hältst du mich? Für einen Medizinstudenten im ersten Jahr, den du ständig beobachten musst?“

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Mac. „Du magst ein guter Arzt sein, aber für mich bist du immer noch mein kleiner Bruder.“

„Der wie ein Hund schuftet, damit du nachts etwas schlafen kannst“, erinnerte Josh ihn, nahm die Bilder und steckte sie wieder in den Umschlag. „Ich spreche besser mit den Angehörigen. Hast du Louisa heute Morgen gesehen? Wie kommt sie hier zurecht?“

„Auf den ersten Blick scheint alles gut“, gab Mac zu, während er mit Josh zur Notaufnahme ging. „Sie arbeitet routiniert.“

„In der Küche auch, und das ist gut. Ich kann Fast Food nicht mehr sehen.“ Josh schüttelte sich und blieb vor einem der Behandlungsräume stehen. „Verjag sie bloß nicht mit deinen scharfen Bemerkungen. Ich freue mich endlich einmal wieder auf ein richtiges Weihnachtsmenü.“

Mac seufzte. „Ich will nur nicht, dass sie auf dumme Gedanken kommt. Heute Morgen hat sie mich angesehen, als wollte sie sagen: Ich rette dich.“

„Hat sie sich dir aufgedrängt?“

„Nein, aber …“

„Vertrau mir“, meinte Josh. „Auch du wirst kein Glück haben. Louisa ist an lockeren Beziehungen nicht interessiert.“

Mac sah seinen Bruder argwöhnisch an. „Hast du es versucht?“

„Natürlich habe ich es versucht!“ Josh lächelte verschlagen. „Mehrmals sogar. Aber sie hat kein Interesse an mir.“

Mac verbarg seine Überraschung. Den meisten Frauen fiel es schwer, seinem Bruder zu widerstehen. „In dem Fall steigt sie in meiner Wertschätzung.“

„Vielen Dank auch.“

Mac hob die Schultern. „Ich verstehe immer noch nicht, warum sie mitten im Winter nach Cornwall gekommen ist, um sich um zwei völlig Fremde zu kümmern.“

„Ich bin für sie kein Fremder.“ Josh unterdrückte ein Gähnen. „Du wirst es verstehen, wenn du Louisa besser kennengelernt hast.“

„Soll heißen?“

Josh holte tief Luft, seine blauen Augen blickten auf einmal ernst. „Louisa mag Weihnachten nicht allein verbringen. Außerdem ist sie ein sehr netter und großzügiger Mensch, der immer versucht zu helfen, wenn jemand Probleme hat. Beobachte sie, und du wirst sehen, was ich meine. Sie ist ein Kümmerer.“

„Und um was soll sie sich bei mir kümmern?“

„Um dein Leben.“ Josh schlug ihm hart auf die Schulter. „Das ist dringend nötig.“

„Ich weiß, es ist gebrochen, Schwester.“

Louisa betrachtete das stark geschwollene Handgelenk und dann das faltige Gesicht der alten Frau, die sie ängstlich ansah. „Ich denke, Sie haben recht, Alice“, sagte sie sanft. „Ich hole einen Arzt. Dann machen wir ein paar Röntgenbilder. Machen Sie sich keine Sorgen. Das kriegen wir wieder hin.“

„Dass mir das passieren musste.“ Alice hatte Tränen in den Augen. „Ich weiß, ich hätte bei dem Wetter nicht hinausgehen sollen. Aber ich wollte Weihnachtseinkäufe erledigen, damit ich alles rechtzeitig wegschicken kann. Vera kann das nicht.“

„Wer ist Vera?“ Louisa füllte ein Röntgenformular aus.

„Meine Schwester. Ich kümmere mich um sie“, sagte Alice besorgt. „Ich bin viel organisierter. Vera ist nicht sehr stark.“

Louisa warf einen Blick auf das Geburtsdatum in den Notizen. Alice war sechsundachtzig Jahre alt. „Sie kümmern sich um sie?“ Sie bemühte sich, ihre Überraschung und Sorge nicht zu zeigen.

„Ja, seit dem Tod ihres Mannes vor zwanzig Jahren. Wir streiten natürlich.“ Alice lächelte schwach. „Aber meistens kommen wir gut miteinander aus. Ich bin die Aktivere.“

Louisa merkte sich das. „Haben Sie Hilfe im Haushalt?“

„Haben wir nie gebraucht“, sagte Alice stolz. Mit der gesunden Hand hielt sie ihre Handtasche fest. „Ich gehe einkaufen und koche, und Vera macht ein wenig Hausarbeit. Wir sind ein gutes Team. Wenn wir Probleme haben, hilft jemand aus dem Dorf. Das ist der Vorteil, wenn man in einer kleinen Gemeinde lebt. Hier hilft jeder jedem.“

Louisa lächelte. „Solange Sie die Hand nicht benutzen können, werden Sie Hilfe brauchen.“ Sie steckte den Stift wieder in die Tasche. „Ich hole jetzt einen Arzt, um ihr Handgelenk untersuchen zu lassen. Dann regeln wir alles.“

„Hier wird ein Arzt gebraucht?“, hörte sie Macs tiefe Stimme hinter sich sagen, und ihr Herz machte einen Sprung. Schnell drehte sie sich um und spürte, wie sie unter seinem kühlen Blick errötete. Immer wenn sie ihn sah, konnte sie kaum atmen.

Das war lächerlich. Mac Sullivan war zwar äußerst attraktiv, wollte aber keine Frau. Er grübelt zu viel und ist unnahbar, dachte sie. Warum hält er die Menschen derart auf Abstand? Louisa beschloss, seinen Schutzpanzer zu durchbrechen und den Mann darunter kennenzulernen. Sie wandte sich wieder der Patientin zu.

„Die arme Alice ist gestürzt“, sagte sie und lächelte der alten Dame beruhigend zu. „Ich habe das Röntgenformular schon ausgefüllt, aber sie wurde noch nicht untersucht.“

Mac zog einen Stuhl heran und setzte sich, damit er seiner Patientin in die Augen sehen konnte. „Ist ziemlich glatt da draußen. Nicht wahr, Mrs. Ford?“

„Ja. Sie denken sicher, dass es dumm von mir war, das Haus zu verlassen.“ Hilflos sah Alice Louisa an. „Ich brauchte noch ein paar Geschenke. Das Dumme ist, dass ich die nicht einmal mehr kaufen konnte.“

„Machen Sie sich keine Sorgen deswegen“, beruhigte Mac sie und untersuchte mit sanften Händen das Handgelenk. „Tut es hier weh?“ Er bewegte die Finger. „Oder hier?“

„Nein, nicht besonders.“ Alice beobachtete ihn, während er ihren Puls überprüfte und die Untersuchung abschloss.

„Das ist erst einmal alles.“ Er unterschrieb das Röntgenformular. „Nach dem Röntgen besprechen wir, wie es weitergeht.“

„Ich kann nicht im Krankenhaus bleiben“, erklärte Alice bestimmt. „Ich muss mich um meine Schwester kümmern. Sie kommt ohne mich nicht zurecht.“

Mac stand auf. „Sehen wir uns erst mal die Röntgenbilder an. Dann kümmern wir uns um alles.“ Er sah Louisa an. „Rufen Sie mich, wenn die Bilder fertig sind.“

Sie nickte und beobachtete, wie er davonging. Die hellen Lichter der Notaufnahme ließen sein dunkles Haar glänzen. Er ist nicht dein Typ, ermahnte sie sich. Er sah zwar umwerfend gut aus, aber er war verschlossen und unnahbar.

Wenn sie sich endlich einmal verliebte, sollte es ein Mann sein, der sich ein lautes Heim mit vielen Kindern und Hunden wünschte. Genau wie sie. Nicht jemand wie Mac, der andere ausschloss und sich selbst genug schien. Ob er Kinder überhaupt mochte?

„Wir alle machen uns Sorgen um ihn seit dem Tod seiner Frau“, sagte Alice wehmütig. „Welch eine Tragödie. Wir haben uns so gewünscht, dass er jemand Neues findet. Aber er hat nur Zeit für seine Arbeit. Nach ihrem Tod haben wir uns alle bemüht, ihm Essen gekocht, ihn eingeladen, aber er wollte das alles nicht. Er verbringt die Zeit nur mit seinem Surfbrett und seinem kleinen Bruder, diesem Playboy.“ Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Was für eine Verschwendung. Er ist so ein gutaussehender Junge.“

Louisa lachte leise. „Er ist der leitende Arzt und Mitte Dreißig, soweit ich weiß. Also sicher kein Junge, Alice.“ In ihren Augen war er ganz und gar ein Mann. Jeder köstliche, einschüchternde Zentimeter von ihm.

„Wenn Sie fast neunzig sind, ist er ein Junge“, erwiderte Alice trocken. „Wollen wir uns jetzt auf den Weg zum Röntgen machen?“

Louisa lächelte. „Gute Idee. Sehen wir uns Ihre Knochen mal genauer an.“

„Es ist ein glatter Bruch. Wir können den Arm einfach eingipsen“, sagte Mac, als er die Röntgenbilder betrachtete. Louisa stand ganz dicht neben ihm. Er konnte ihr Parfüm riechen, und das brachte ihn völlig durcheinander. Oder war es gar nicht ihr Parfüm, sondern ihr Shampoo oder einfach Louisa selbst? Was es auch war, es roch wunderbar.

Er schloss einen Moment die Augen und ermahnte sich, dass er nicht an Frauen interessiert war. Nach Melissas Tod hatte er es ein- oder zweimal versucht, doch die Frauen wollten immer mehr, als er geben konnte oder wollte.

„Wir sollten ihren Hausarzt informieren. Diese Art Bruch kommt oft bei Frauen mit Osteoporose vor.“ Louisa schaute konzentriert auf den Leuchtkasten und bemerkte nicht, dass Mac sie beobachtete. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre Nase leicht nach oben deutete und mit Sommersprossen übersät war. Sie schien immer zu lächeln. In dem Moment sah sie ihn an. „Was denken Sie?“

Wovon? Mac überlegte, was Sie gerade gesagt hatte. „Gute Idee. Ich werden ihren Arzt informieren.“

„Ich glaube, sie lebt nicht weit von Ihnen entfernt.“ Louisa reichte ihm die Notizen. „Zusammen mit ihrer Schwester.“

„Stimmt.“ Worauf wollte sie hinaus?

„Sie hat mir erzählt, sie hätte ein paarmal für Sie gekocht.“

Mac sah sie an. „Die beiden haben nach dem Tod meiner Frau nach mir gesehen. Wenn ich nach Hause kam, wartete eine der beiden immer schon vor dem Haus mit einem Kuchen oder einem warmen Essen.“

Sie lächelte. „Wie nett.“

Mac holte tief Luft. „Ich bevorzuge meine Privatsphäre.“

„Habe ich schon gehört.“ Tadel schwang in ihrer Stimme mit.

„Das Leben in einem Dorf hat auch Nachteile, Louisa“, erklärte er grimmig, als sie zum Untersuchungszimmer zurückgingen. „Man hat keine Privatsphäre. Nicht jeder mag es, wenn sich andere ständig einmischen. Ich jedenfalls nicht. Ich bin lieber allein.“

„Warum?“ Offen sah sie ihn an. „Was ist schlimm daran, seine Nachbarn zu kennen, Dr. Sullivan? Oder ihnen zu erlauben, einen selbst kennenzulernen?“

Er seufzte. Irgendwie gelang es ihr, dass er sich im Unrecht fühlte. Dabei gab er alles für seine Patienten. Er hatte ein Recht auf ein Privatleben. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, ich habe einen anstrengenden Job. Ich gebe mein Bestes für das Krankenhaus und habe keine Zeit für andere Dinge.“

Sie nickte langsam. „Das dachte ich mir. Aber was ist mit Ihnen, Mac? Wer gibt Ihnen etwas?“

Er runzelte die Stirn. „Ich habe alles, was ich brauche.“

„Vielleicht wissen Sie nicht, was Sie brauchen.“ Sie nahm ihm die Röntgenbilder ab. „Das wird ein Problem für Alice. Sie kümmert sich um ihre ältere Schwester. Sie macht alles, Bochen, Einkaufen. Mit einem gebrochenen Handgelenk kann sie das nicht.“

Mac nickte, beeindruckt, dass sie das alles so schnell herausgefunden hatte. „Gut mitgedacht. Wir informieren den Sozialdienst. Die helfen den beiden.“

„Ich bin nicht sicher, dass sie diese Art Hilfe so leicht akzeptieren werden. Sie sind offensichtlich stolz auf ihre Unabhängigkeit.“

„Wenn es keine Familienmitglieder gibt, die einspringen können, gibt es keine Alternative, oder?“, fragte Mac geduldig. Louisa kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe.

„Ich weiß nicht, aber ich denke darüber nach.“

„Sie wollen sich doch nicht wieder einmischen?“, bemerkte er trocken.

„Vielleicht.“

Mac seufzte. „Sie ist eine goldige alte Dame, ja. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, uns um sie zu kümmern, bis ihre Knochen verheilt sind.“

Sie hob eine Augenbraue. „Das ist eine Ausrede.“

„Was erwarten Sie von mir? Soll ich all meine Patienten bei mir aufnehmen?“, fragte er gereizt. Schon wieder war es ihr gelungen, dass er sich schuldig fühlte. „Unsere Aufgabe ist es, sie zu verarzten. Um alles andere, muss sich jemand anders kümmern.“

„Ich glaube nicht, dass man das so fein säuberlich trennen kann“, widersprach Louisa ruhig. „Ein Patient ist viel mehr als nur ein gebrochenes Handgelenk.“

Mac verengte die Augen zu Schlitzen. „Sie sind zu idealistisch. Die reale Welt sieht anders aus, Louisa. Zu viele Patienten, zu wenig Mitarbeiter. Wenn wir die gebrochenen Knochen heilen können, dann ist das schon sehr gut. Wir haben einfach nicht die Zeit, uns um das restliche Leben der Leute zu kümmern.“

Sie schenkte ihm ein Lächeln, dass das Herz des härtesten Zynikers zum Schmelzen bringen könnte. „Sie arbeiten zu hart, Dr. Sullivan. Sie haben schon einen Tunnelblick. Ihre Patienten sind menschliche Wesen, nicht nur Knochen. Und Alice ist Ihre Nachbarin.“

„Den ‚Dr. Sullivan‘ kannst du dir schenken. Wenn du schon mit mir schimpfen willst, kannst du mich auch duzen“, meinte er trocken, und sie lachte.

„Na gut, aber ich denke trotzdem, dass du zu hart arbeitest. Jemand sollte dich wieder mit der Außenwelt bekanntmachen.“

„Und du glaubst, dieser jemand bist du?“

Sie ließ sich von seinem kühlen Ton nicht beirren. „Vielleicht.“

Gemeinsam gingen sie zurück zu Alice, die sie besorgt ansah. „Nun?“

„Wir müssen das Handgelenk eingipsen“, sagte Mac.

Alice stöhnte entsetzt auf. „Aber es ist Weihnachten! Wie soll ich denn kochen?“

Wie soll ich das denn wissen? Mac wusste nicht, was er sagen sollte. Louisa legte der alten Dame einen Arm um die Schulter und drückte sie.

„Kein Sorge, Alice“, sagte sie bestimmt. „Wir regeln das. Sie wohnen ja nicht weit von uns entfernt. Wir haben einen riesigen Truthahn für Weihnachten. Da wird genug übrig sein. Ich bereite den Braten zu, und Dr. Sullivan bringt Ihnen beiden etwas vorbei. Als Dankeschön für die Zeit, in der Sie für ihn gekocht haben.“

Mac fiel die Kinnlade herunter.

Alices Miene hellte sich auf. „Sie beide leben zusammen? Oh, das ist wunderbar.“

Mac unterdrückte ein ärgerliches Stöhnen. „Mrs. Ford …“

„Bitte, nennen Sie mich Alice, mein Lieber.“

Mac blinzelte. Niemand hatte je ‚mein Lieber‘ zu ihm gesagt. „Alice“, sagte er, „wir leben nicht zusammen.“

„Jedenfalls nicht im biblischen Sinn.“ Louisa zwinkerte Alice zu. „Ich kümmere mich nur um den Einkauf, das Kochen und das Saubermachen. Also alles, was eine Ehefrau tun würde, ohne sonstige Vergünstigungen.“

„Das sind gute Neuigkeiten.“ Alice lachte. „Das muss ich unbedingt Vera erzählen.“

Mac schloss die Augen. Großartig. Jetzt würden wieder alle im Dorf über ihn reden.

„Ich habe in zehn Minuten Dienstschluss“, hörte er jetzt Louisa sagen. „Sobald Ihre Hand fertig eingegipst ist, bringe ich Sie nach Hause. Vorher fahren wir noch bei den Läden vorbei, und ich besorge die Geschenke für Sie. Sie können im Wagen warten. Haben Sie eine Liste?“

Mac öffnete die Augen und sah seine Kollegin fassungslos an. „Es war eine Sache, sich Gedanken zu machen, wie es mit einer Patientin nach der Entlassung weiterging. Aber anzubieten, für sie zu kochen und ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen, war etwas ganz Anderes.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Louisa …“

Sie lächelte ihn an, ihre braunen Augen funkelten. „Beruhigen Sie sich, Dr. Sullivan, sonst platzt Ihnen noch eine Ader. Ich bringe Alice nur zum Eingipsen und dann nach Hause. Das ist der Vorteil, wenn man in einem Dorf wohnt.“

Alice schniefte. „Sie sind ein nettes Mädchen“, sagte sie gerührt.

Louisa schüttelte den Kopf. „Nein, ich mische mich bloß gern ein.“ Sie sammelte die Sachen der alten Dame ein und reichte sie ihr. „Passen Sie gut darauf auf, und vergessen Sie die Liste nicht. Vielleicht schreibe ich noch ein paar Sachen dazu. Ich habe mit meinen Weihnachtseinkäufen noch gar nicht angefangen. Sie könnten mir beim Aussuchen helfen. Und wenn wir dabei sind, bestelle ich gleich den Truthahn.“

Als Louisa zwei Stunden später nach Hause kam, war niemand da. Offensichtlich war Mac noch im Krankenhaus. Hatte der Mann denn nie Feierabend? Sie stellte die sechs überquellenden Einkaufstüten im Flur auf den Fußboden und machte sich an die Arbeit.

Als erstes ging sie den Stapel Post durch, den sie am Tag zuvor aus dem Papierkorb gefischt hatte. Dann suchte sie in ihren Tüten nach dem Geschenkband, das sie in einem Laden gefunden hatte. Eine Stunde später hatte sie gleich lange Stücke des roten Satinbands an der Wand des Flurs befestigt und alle Weihnachtskarten, die sie in der Post gefunden hatte, sorgfältig daran aufgehängt.

Sie ging in den Garten und machte sich über den Stechpalmenbusch her. Wenn man schon so ein Haus hat, sollte man das Beste daraus machen. Sie schnitt Unmengen der Zweige mit den hübschen roten Beeren ab und schmückte damit den Flur. Ab und zu trat sie einen Schritt zurück, um ihre Arbeit zu begutachten. Endlich war sie zufrieden. Und ihr knurrte der Magen.

Als Mac Stunden später das Haus betrat, begrüßte ihn ein köstlicher Duft aus der Küche. Sein Magen knurrte. Er biss die Zähne zusammen. Das tut sie alles nur, damit ich sie bleiben lasse, und sie sich weiter in mein Leben einmischen kann, dachte er. Doch da mache ich nicht mit. Er hatte ihr bereits ein Zimmer im Schwesternwohnheim besorgt.

Er schloss die Haustür, zog den Mantel aus und blieb abrupt stehen. Der Flur war völlig verändert. Heute Morgen hatte alles noch ganz normal ausgesehen. Und jetzt? Um den großen Spiegel herum waren kunstvoll Stechpalmenzweige arrangiert, in zwei großen Glasvasen steckten mit Lichterketten geschmückte Weidenzweige. Weihnachtskarten hingen an roten Geschenkbändern an der Wand, und auf dem Fensterbrett brannten Kerzen, die nach Lavendel und Gewürznelken dufteten.

Die Türen zum Wohnzimmer standen offen, und im Kamin brannte ein Feuer. Alles sah warm und gemütlich aus. Und sehr weihnachtlich. Auf einmal war seine Kehle wie zugeschnürt. Gefühle, die er lange unter Verschluss gehalten hatte, machten sich breit. Ein unerträglicher Schmerz durchfuhr ihn. Das war das Weihnachten von jemand anderem, nicht seins. Er biss die Zähne zusammen und hängte den Mantel an die Garderobe. In dem Moment kam Louisa aus der Küche.

„Du bist aber spät dran. Du musst völlig erschlagen sein.“ Louisa hatte ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, ihre Wangen waren gerötet. Wahrscheinlich hatte sie am Herd gestanden.

Er sah auf das Glas, das sie ihm reichte. „Was ist das?“

Sie lächelte. „Alkohol. Der soll dich besänftigen, damit du mich nicht anschreist, weil ich den Flur geschmückt und die Türen zum Wohnzimmer geöffnet habe. Der Blick auf den Strand ist so wunderbar. Der Baum sollte im Wohnzimmer stehen. Wir könnten …“

„Louisa! Ich will keinen Baum“, unterbrach er sie scharf. Er deutete mit der Hand auf den geschmückten Flur. „Oder so etwas. Und ich will keinen Drink.“

„Nimm schon, das entspannt.“ Sie drückte ihm das Glas in die Hand. „Ich selbst esse nach einem harten Tag Schokolode, aber ich dachte, du magst lieber Wein.“

Da sie ihm keine Wahl ließ, nahm er das Glas und betrachtete die Weihnachtskarten, die im Flur hingen. „Wo hast du die her?“

„Aus deinem Papierkorb. Da waren ganz viele ungeöffnete Weihnachtsbriefe. Machst du deine Post denn nie auf?“

„Nur die Rechnungen.“ Jetzt brauche ich doch einen Drink, dachte er und trank einen Schluck. „Ich hänge nie Karten auf. Die muss man nach Weihnachten nur wieder wegräumen.“

„Verschickst du selbst Karten?“

Er lächelte müde. „Was denkst du?“

„Ich denke, du lebst nur für deinen Job“, sagte sie sanft. „Das ist nicht gut für dich. Viele dieser Karten enthalten liebevolle Zeilen. Die Menschen sorgen sich um dich.“

Er verspannte sich. „Mir geht es gut. Es wäre mir lieber, die Menschen würden sich meinetwegen nicht sorgen.“ Er bemerkte ihren Blick. „Warum siehst du mich so an?“

„Weil ich nicht glaube, dass es dir gut geht. Ich denke, dass du dich in Arbeit vergräbst, damit du nichts mehr spüren und keine Zeit hier verbringen musst. Und wenn du irgendwann nach Hause kommst, bist du so erschöpft, dass du nur noch ins Bett fällst.“

„Was ist daran verkehrt?“

„Du schließt das Leben aus, statt ein neues aufzubauen.“

„Das ist mein Leben, Louisa“, sagte er kalt. „Ich lebe es so, wie ich es will. Ich brauche niemanden, der sich einmischt.“

Sie nickte, der Blick ihrer Augen war warm und sanft. „Ich verstehe, warum du so fühlst. Josh hat mir von deiner Frau erzählt. Es muss schwer sein, nach einem derartigen Verlust weiterzumachen. Es ist schon schwer genug, einmal den richtigen Menschen zu finden. Wie soll es da ein zweites Mal gelingen?“

Sie hat ja keine Ahnung. Jeder Muskel in seinem Körper verspannte sich. Über dieses Thema wollte er nicht sprechen. „Bist du immer so direkt?“

„Ja.“ Sie entschuldigte sich nicht. Ihr Blick war klar und mitfühlend. „Ich finde es besser, über Gefühle zu reden. Aber du sprichst nicht gern über deine Gefühle“, sagte sie ruhig. „Wie die meisten Männer. Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen.“

Mac biss die Zähne zusammen. „Tue ich auch nicht. Ich regele die Dinge nur gern auf meine Weise.“

„Indem du dich in deine Arbeit vergräbst.“

Verärgert sah er sie an. „Louisa, das funktioniert nicht. Ich habe ein Zimmer im Schwesternwohnheim für dich besorgt. Du bist eine großartige Krankenschwester. Ich will dich nicht verlieren, aber ich will dich nicht in meinem Haus.“

Sie wurde blass. „Das Schwesternwohnheim?“, fragte sie schockiert.

„Die Zimmer im Schwesternwohnheim sind sehr schön“, erklärte er gereizt. „Du siehst aus, als wollte ich dich in einer Absteige unterbringen.“

Ein entsetzter Ausdruck lag auf ihrem hübschen Gesicht. „Es ist nur. Ich fühle mich in Wohnheimen nicht wohl, besonders nicht an Weihnachten.“

Er holte tief Luft. Nein, er würde sich nicht schuldig fühlen. „Es wäre für alle besser.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht für mich.“ Ein Schatten lag über ihren Augen. Diesmal lächelte sie nicht. „Ich hatte gehofft, Weihnachten in einem Haus zu verbringen, mit anderen Menschen.“

Mac ballte die Hände zu Fäusten. Warum war das so schwer? „Was ist mit deiner Familie?“, fragte er. „Erwarten sie nicht, dass du Weihnachten zu Hause verbringst?“ Er würde ihr den Tag freigeben, wenn er sie damit aus seinem Leben verbannen konnte.

Es folgte ein langes Schweigen. Dann räusperte sie sich und sagte: „Ich habe keine Familie, Mac.“ Auf einmal klang sie müde und verloren. „Es gibt nur mich. Ganz allein.“

Er sah die Einsamkeit in ihren Augen, und etwas in ihm regte sich. Verdammt. Nun fühlte er sich doch schuldig. „Jeder hat doch jemanden.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Ich versuche verzweifelt, die Leute loszuwerden. Ständig schaut jemand, ob es mir gut geht.“

„Weil du in einem Dorf wohnst, wo man sich um seine Nachbarn kümmert. Ich denke, du hast Glück, Mac Sullivan. Glück, dass du von Menschen umgeben bist, denen es wichtig ist, wie du dich fühlst.“ Sie lächelte traurig. „Merkwürdig, nicht? Du weißt nicht einmal, wie gut du es hast.“

Mac seufzte. „Ich mag das Dorf. Das habe ich nie bestritten. Aber ich mag auch meine Privatsphäre.“ Er betrachtete den weihnachtlichen Schmuck. „Und ich mag Weihnachten nicht. Ist für mich keine gute Zeit.“

„Ich weiß. Josh hat es mir erzählt. Es tut mir leid.“ Sie klang bedrückt. „Vielleicht habe ich es übertrieben. Das passiert mir Weihnachten immer. Jeder macht etwas mit der Familie, und ich habe keine. Als Josh mir erzählte, dass ihr beide ganz allein in diesem riesigen Haus wohnt, dachte ich, ich könnte einziehen und es für ein paar Wochen zu meinem Heim machen. Ich wollte euch ein märchenhaftes Weihnachten bescheren. Ich dachte, es würde euch gefallen. Aber ich habe mich wohl geirrt.“

Mac hatte schreckliche Schuldgefühle. „Rettest du dich oder mich?“

Mutig lächelte sie ihn an. „Ein wenig von beidem.“

Hätte sie geweint oder ihn angefleht, hätte er sie weggeschickt. Aber das tat sie nicht. Irgendwie gelang es ihr, stark und gleichzeitig verletzlich auszusehen. Und diese Kombination ließ ihn weich werden. „Na gut. Du kannst bleiben.“

Ihre Miene hellte sich etwas auf. „Wirklich?“

Er musste verrückt sein. „Wirklich.“

„Danke“, sagte sie würdevoll. „Ich weiß, ich kann dein Leben leichter machen. Du wirst nicht einmal merken, dass ich hier bin.“

Oh, doch. Genau deswegen wollte er sie ja fortschicken. Er bemerkte alles. Die Wärme in ihren Augen, ihre geschwungenen Hüften, die endlos langen Beine … Er sah in ihre sanften braunen Augen und spürte, wie etwas in ihm zum Leben erwachte. Einen Moment schloss er die Augen. „Glaub ja nicht, dass du mich mit deinem märchenhaften Weihnachten umgarnen kannst.“

„In Ordnung.“ Sie kaute auf ihrer Lippe und sah sich im Flur um. „Aber kann der Schmuck bleiben? Und können wir bitte einen Baum aufstellen?“

„Du kannst es nicht lassen, oder?“

Sie deutete vage in Richtung Wohnzimmer. „Nun ja, dein Haus ist einfach perfekt dafür.“ Sie lächelte. „Nur ein kleiner Baum? Und ein paar Sachen aus dem Garten?“

Er blickte zu den grünen Zweigen, die überall verteilt waren. „Du hast doch schon den halben Garten in den Flur gebracht. Ich feiere Weihnachten nicht, Louisa. Aber wenn du es möchtest, dann bitte.“

„Falsch“, sagte sie fröhlich. „Du hast Weihnachten bisher nicht gefeiert. Aber dieses Jahr schon, Mac. Und zwar richtig.“

Er ist stacheliger als ein Kaktus, dachte sie, als sie die Soße abschmeckte und etwas Salz und Pfeffer hinzufügte.

Nach ihrem Zusammenstoß im Flur war er nach oben verschwunden. Vielleicht musste sie allein essen. Aber wenigstens ließ er sie bleiben. Zufrieden probierte sie, ob das Fleisch gar war und hätte beinahe den Löffel fallenlassen, als sie aufsah.

Mac stand in der Tür und beobachtete sie. Er trug einen schwarzen Pullover und schwarze Jeans, die seine muskulösen Oberschenkel perfekt umspannten. Sein Haar war von der Dusche noch feucht, und seine Augen schienen pechschwarz. Er sah unheimlich männlich aus. So sexy durfte eigentlich kein Mann sein. Er ist nicht der richtige Mann für dich, wies sie sich zurecht und legte den Löffel in die Spüle.

Langsam schlenderte er in die Küche. „Woher kennst du Josh?“

Sie stellte die Kasserolle mit dem Braten auf den Tisch. „Wir haben uns vor ein paar Jahren bei einem Kurs für Notfallmedizin kennengelernt.“

„Und?“

„Er wollte mit mir ins Bett.“

Mac lachte auf und setzte sich. „Klingt ganz nach meinem kleinen Bruder.“

„Aber ohne Erfolg.“

„Dann lässt er wohl nach.“

„Nein, aber er ist nicht mein Typ.“ Sie nahm Kartoffeln vom Herd, gab Butter und Milch hinzu, um Kartoffelpüree daraus zu machen. „Er hat Angst, sich zu binden. Und das wird so bleiben, bis er die richtige Frau trifft. Nur die bin nicht ich.“

„Aber er hat dich hierher eingeladen.“

Sie füllte das Püree in eine Schüssel. „Josh hat ein Herz aus Gold. Er macht sich Sorgen um dich und um mich auch.“ Sie überlegte, wie viel sie ihm erzählen sollte. „Er weiß, dass ich es hasse, Weihnachten allein zu sein.“ Sie spürte seinen Blick.

„Weihnachten“, schnaubte er verächtlich, als sie ihm etwas von dem Fleisch auf den Teller tat. „Die Medien zeigen einem immer diese Bilder von glücklichen Familien, die sich um den Weihnachtsbaum herum versammelt haben und Geschenke auspacken. Mit diesen Bildern im Kopf können die Menschen nur enttäuscht werden. Kein Wunder, dass die Selbstmordrate zu dieser Zeit so hoch ist.“

„Ja, das Glück anderer Menschen kann einen schon deprimieren.“

Er nahm ihr den Teller ab und schaute sie prüfend an. „Wie scharfsinnig.“

„Ich weiß wie es ist, nicht dazuzugehören.“ Sie schob ihm die Schüssel mit dem Kartoffelbrei hin. „Nimm dir, bitte. Wie war Weihnachten für dich als Kind? Ich liebe es, von anderen darüber zu hören. Habt ihr groß gefeiert, Mac?“

Irgendwie konnte sie ihn sich nicht als Kind vorstellen. Sorgenfrei. Lachend. Wie er eilig das Geschenkpapier zerriss, um an den Inhalt heranzukommen. Mac schien dafür einfach zu ernsthaft. Zu erwachsen.

Er hob die Schultern und fing an zu essen. „Truthahn. Baum. Geschenke.“

Sehnsüchtig sah sie ihn an. „Habt ihr Spiele gespielt?“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Eltern haben immer tolle Partys veranstaltet. Meistens waren um die dreißig Leute zum Mittagessen da. Josh und ich wollten nur unsere Geschenke öffnen und spielen. Aber wir mussten uns immer gut benehmen und stundenlang am Esstisch sitzen und das mehrgängige Menü meiner Mutter essen.“

Sie zog eine Grimasse. „Klingt nicht nach Spaß.“

„Wahrscheinlich war es besser als bei dir“, sagte er sanft und sah sie an. „War dein Weihnachten sehr einsam?“

Oh, ja. Sie spielte mit dem Essen auf ihrem Teller. „Es war jedes Jahr anders.“ Sie versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Manchmal war ich in der Weihnachtszeit gerade bei Pflegeeltern. Das war dann okay. Nur habe ich mich nie als Teil der Familie gefühlt. Ich war immer ein Außenseiter.“

„Und wenn du nicht bei Pflegeeltern warst?“

„Dann war ich an verschiedenen Orten.“ Sie spürte seinen Blick auf ihrem Gesicht und wurde nervös. Sie hatte das Gefühl, dass Mac Sullivan nicht viel entging.

„Was ist mit deinen Eltern passiert?“

„Meine Mutter war bei meiner Geburt erst sechszehn und kam nicht mit mir zurecht. Ich hatte als Kind Asthma und war ständig im Krankenhaus. Ich kam von einer Pflegefamilie zur nächsten. Wegen meiner Krankheit fand man keine Adoptiveltern für mich.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich war eben nicht das perfekte Baby, dass die Menschen sich wünschen. Ich bin deswegen nicht traurig. So war es nun einmal. Ich habe überlebt.“

„Aber du träumst immer noch von einer perfekten Weihnacht in der Familie.“

Ihm entgeht wirklich nichts. „Wer ist jetzt scharfsinnig?“ Sie lächelte. „Ich bin kein Opfer, Mac. Ich habe als Kind zwar vieles vermissen müssen, aber ich habe die Absicht, das in der Zukunft nachzuholen.“

Er nahm sein Glas. „Was zum Beispiel?“

„Ein richtiges Zuhause. Einen Mann, der mich liebt. Einen Hund und fünf Kinder.“ Als sie lächelte, bildeten sich Grübchen auf ihren Wangen.

„Fünf?“ Er klang erschrocken, und sie musste lachen.

„Ja. Ich wünsche mir ein lautes, verrücktes Heim, in dem man nicht einen Moment lang seine Ruhe hat, wo aber jeder für jeden da ist.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ich möchte, dass jedes Weihnachten wie das ist, das ich nie hatte. Märchenhaft.“

„Für den einen ist es ein Märchen, für den anderen ein Albtraum.“ Er nahm sich noch von dem Braten. „Das ist köstlich. Du bist eine ausgezeichnete Köchin.“

„Ich koche sehr gerne.“

Er sah sie an. „Und du machst ein Haus gern zu einem Heim“, sagte er sanft. Sie widersprach nicht, denn es war die Wahrheit.

„Jetzt weißt du, wie ich ticke. Was ist mit dir? Hat deine Frau gekocht, Mac?“ Hat sie das Haus zu einem Heim gemacht?

„Gehört das zu deinem Rehabilitationsprogramm?“, fragte er barsch. „Ich soll über Melissa sprechen?“

Er konnte ganz schön respekteinflößend sein. Kein Wunder, dass er die Menschen auf Abstand halten konnte.

„Schöner Name“, sagte sie ruhig. „Und nein, es gehört nicht zu irgendeinem Programm. Es ist eine ganz normale Frage als Teil einer Unterhaltung.“

Er atmete tief ein. „Ich will nicht über sie reden, Louisa.“

„Und hilft es? Nicht über sie zu sprechen?“ Louisa konnte es nicht lassen.

Er sah ihr in die Augen. „Nichts hilft.“ Er legte die Gabel auf den leeren Teller und stand auf. „Danke für das Abendessen.“ Dann verließ er einfach den Raum.

4. KAPITEL

„Verkehrsunfall, Mac.“ Josh hatte gerade mit den Kollegen vor Ort gesprochen. „Ein Wagen ist von der Küstenstraße abgekommen und über die Klippe gestürzt. Der Fahrer war zwei Stunden eingeklemmt. Sie haben ihn gerade erst befreien können und bringen ihn her.“

Louisa sah ihn an. „Er ist über die Klippe gestürzt und noch am Leben?“

Josh hob die Schultern. „Ist die richtige Jahreszeit für Wunder.“

Mac verdrehte die Augen. „Hoffen wir’s. Okay, alle in den Schockraum.“

Im Schockraum wies Mac als leitender Arzt allen Teammitgliedern ihre Aufgaben zu. „Louisa, du kümmerst dich mit Josh um die Atemwege. Jegliche Kommunikation mit dem Patienten geht über Louisa.“ Er zog sterile Handschuhe an. „Da der Wagen über die Klippe gegangen ist, befinden sich wahrscheinlich Glassplitter in der Kleidung des Patienten. Zieht feste Handschuhe an, um ihn zu entkleiden.“

Die Röntgenassistentin kam herein, und Mac sagte: „Sue, ich brauche Aufnahmen von Thorax, Becken und Halswirbelsäule.“

Sue nickte und bereitete das Röntgengerät vor. In dem Moment brachten die Rettungssanitäter den Patienten auf der Bahre herein.

„Tim Norton, fünfundfünfzig Jahre alt, aus Plymouth. Hat auf glatter Fahrbahn die Kontrolle über den Wagen verloren.“

Gemeinsam hoben sie den Patienten von der Bahre auf den Untersuchungstisch und achteten darauf, die Zugänge und Zuleitungen nicht zu beschädigen.

Josh kontrollierte die Atmung. „Er atmet nicht. Wir müssen intubieren. Louisa?“ Er streckte die Hand aus.

Sofort reichte Louisa ihm ein Intubationsset. „Tim, wir schieben jetzt eine Röhre in Ihren Rachen, damit Sie atmen können“, sagte sie deutlich, falls der Patient sie hören konnte. Es war wichtig, dem Patienten alles zu erklären, was geschah. „Sie sind jetzt im Krankenhaus. Wir kümmern uns darum, dass es Ihnen bald besser geht.“

Sobald die Atmung gesichert war, kümmerten sie sich um Tims Halswirbelsäule, während die anderen Teammitglieder ihn entkleideten.

Mac untersuchte den Brustkorb auf blaue Flecke, Abschürfungen und andere Verletzungen. „Schnelle, flache Atmung“, sagte er leise. „Instabiler Thorax. Wir müssen eine Drainage in den Brustkorb legen. Hannah, der Patient braucht eine Bluttransfusion.“

Er war geschickt, ruhig und hatte die Situation völlig unter Kontrolle. Sorgfältig achtete er darauf, was jeder Einzelne tat. Ein hervorragender Arzt, dachte Louisa. Sie hatte in den letzten zwei Jahren in verschiedenen Notaufnahmen gearbeitet und viele Ärzte kennengelernt. Manche waren ungeschickt, andere gerieten in Panik. Mac nicht.

Die Drainage wurde ohne viel Aufhebens in den Brustkorb gelegt, das Blut für die Transfusion traf ein und wurde ordnungsgemäß erwärmt, bevor es an den Zugang angeschlossen wurde.

„Seine Vitalzeichen werden nicht besser“, sagte Josh leise.

Mac nickte nachdenklich. „Scheint, als verliert der Patient sein Blut schneller, als wir es ersetzen können. Sind die Chirurgen unterwegs?“

„Schon da.“ Phil Douglas kam herein und sah sich den Patienten an. „Was haben wir hier?“

„Er hat sich mehrere Rippen gebrochen und zeigt Anzeichen einer abdominalen Blutung“, erklärte Mac. Gemeinsam untersuchten sie den Patienten. Schließlich nickte Phil. „Okay, wenn er stabil genug ist, dann ab mit ihm in den OP.“

„Dein Patient, Phil“, sagte Mac.

Phil verdrehte die Augen. „Dir auch frohe Weihnachten.“

„Ich bin erledigt.“ Louisa betrachtete das Durcheinander im Schockraum und seufzte.

„Geh nach Hause.“ Hannah, die andere Krankenschwester, die sich auch um den Patienten gekümmert hatte, lächelte sie an. „Du bist schon seit Tagesanbruch hier.“

„Erst helfe ich dir. Wir müssen alles wieder bereit haben, bevor der nächste Unfall reinkommt.“ Wie alle Schwestern in der Notaufnahme wusste Louisa, wie wichtig es war, den Schockraum für den nächsten Notfall vorzubereiten. Außerdem mochte sie Hannah. Die hübsche Blondine arbeitete hart und lächelte oft. „Zusammen geht es schneller.“

„Na gut, danke. Armer Mann. Und das so kurz vor Weihnachten.“ Hannah warf die Überreste des Intubationssets in den Müll und hängte vorsorglich einen Beutel Kochsalzlösung und einen Beutel Glukose an den Infusionsständer. „Ich selbst muss Heiligabend und an beiden Feiertagen arbeiten“, fügte sie hinzu. „Ist aber nicht so schlimm. Ich hoffe bloß, der Weihnachtsmann bringt mir den richtigen Mann, um mich abzulenken.“

Louisa sah auf. „Denkst du an jemanden bestimmten?“

„Ich hätte nichts dagegen, Mac Sullivan unter dem Baum vorzufinden“, meinte Hannah. „Aber ich mache mir keine großen Hoffnungen.“

„Was ist mit Josh?“

Hannah lächelte wissend. „Josh ist ein Playboy. Ich will mir nicht das Herz brechen lassen.“ Sie hob die Schultern. „Mac ist anders. Solide. Sollte er den Mut haben, sich wieder in eine Frau zu verlieben, dann ist das etwas Ernstes.“

Würde er sich wieder verlieben? Louisa überprüfte, ob die Lampe im Laryngoskop funktionierte. Oder wird er sich für immer verschließen? Er ist nicht dein Typ, wies sie sich zurecht und arbeitete weiter.

„Fertig.“ Zufrieden sah Hannah sich um. „Geh nach Hause. Du siehst erschöpft aus.“

In dem Moment kam Mac herein. „Kind mit schwerem Asthma. Ist hier alles fertig?“

Louisa erstarrte. Asthmafälle waren in der Notaufnahme am schwersten für sie.

„Louisa?“, fragte Mac scharf, und sie zuckte zusammen.

„Alles bereit“, sagte sie schnell und ging zum Intubationstablett. Ich kann das, sagte sie sich. Schnell öffnete sie das Kinderlaryngoskop. „Wie alt?“

„Sechs Jahre, ein Mädchen. Hannah, kannst du den Krankenwagen in Empfang nehmen?“ Er wartete, bis Hannah den Raum verlassen hatte, und ging dann zu Louisa. „Alles in Ordnung, Louisa? Du zitterst.“

Ihm konnte man wirklich nichts vormachen. „Ich habe Probleme mit Asthmaanfällen. Erinnert mich an meine Kindheit. Ich weiß noch gut, wie beängstigend das ist.“

Er nickte verständnisvoll. Hatte er Mitgefühl? „Hannah kann sich darum kümmern. Du hast sowieso schon Dienstschluss. Geh nach Hause.“

„Nein.“ Sie lächelte tapfer. „Ist in Ordnung. Ehrlich.“

Er erwiderte ihren Blick. Die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar.

Louisa spürte, wie ihr Mund trocken wurde und ihr Herz hämmerte. Er ist nicht dein Typ, ermahnte sie sich schwach. Schnell wandte sie den Blick ab und versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ihr war bewusst, dass Mac sie beobachtete. Sie überlegte, was sie wohl brauchen würden, und ordnete Medikamente und Geräte in der logischen Reihenfolge an. Schon gingen die Türen auf, und die Rettungssanitäter brachten das kleine Mädchen herein.

„Das ist Martha, sechs Jahre alt.“ Der Sanitäter erklärte was geschehen war, und welche Medikamente das Mädchen bekommen hatte. „Sie war mit ihrer Großmutter bei einer Pantomimenvorstellung.“

„Wo ist die Großmutter jetzt?“, fragte Mac.

„An der Aufnahme und füllt die Anmeldung aus.“

Louisa hatte Mitleid mit der Kleinen. Sie sah erschöpft aus, ihre Haut war blass, die Augen ganz groß. „Atmung 52, Puls 150“, sagte Louisa. „Martha, Liebes“, fuhr sie mit sanfter Stimme fort. „Du bist jetzt im Krankenhaus. Alles wird gut.“

„Wir geben ihr Sauerstoff“, ordnete Mac an, während er das Mädchen untersuchte, und wandte sich an Josh, der gerade hereinkam. „Sie ist erschöpft und bekommt zu wenig Luft. Kannst du einen Kinderarzt und einen Anästhesisten rufen?“

In dem Moment griff Martha voller Panik nach seinem Ärmel. Mac rückte die Sauerstoffmaske zurecht und widmete dem Kind seine ganze Aufmerksamkeit. „Ganz ruhig, mein Engel“, sagte er leise. „Vertrau mir. Wir helfen dir, besser zu atmen. Versprochen. Du bist im Krankenhaus und in Sicherheit. War die Pantomimenshow gut?“

Louisa entspannte sich. Mac zeigte kein Anzeichen von Panik, obwohl das Kind sehr krank war. Er hatte die Situation völlig unter Kontrolle. Wenn jemand dem Mädchen helfen konnte, dann Mac. Er erklärte der Kleinen, was er tat. Louisa reichte ihm ein Tablett mit einem Infusionsbesteck und beobachtete, wie er den Arm des Mädchens nach einer Vene absuchte.

„Kinder- und Narkosearzt sind unterwegs“, verkündete Josh, der wieder hereinkam, als Mac gerade einen Zugang in die Vene legte. „Und die Großmutter kommt gleich.“

Mac sicherte den Zugang und sah Louisa an. „Geben wir ihr 100 Milligramm Hydrokortison. Wie ist die Sauerstoffsättigung?“

Louisa überprüfte die Messungen. „Besser. Vierundneunzig Prozent.“ Sie gab ihm eine Spritze mit der entsprechenden Ampulle zur Prüfung.

„Okay, die Sättigung darf nicht unter zweiundneunzig Prozent fallen.“

Hannah kam zusammen mit einer älteren Dame herein, die ängstlich ihre Handtasche umklammerte. Besorgt schaute sie das kleine Mädchen an. „Martha?“

Das Mädchen bewegte sich, und Mac legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm. „Alles in Ordnung, Kleines“, sagte er. „Deine Großmutter darf dich gleich in den Arm nehmen. Du bist ein sehr tapferes Mädchen. Geht das Atmen jetzt leichter?“

Martha nickte. Mac schenkte ihr ein Lächeln, das Louisa den Atem nahm. Wie hatte sie nur denken können, er wäre kein guter Vater? Ein warmes Gefühl ergriff sie, während sie ihn beobachtete. Er war so stark, so verlässlich. Er wäre ein perfekter Vater.

Sie war noch dabei, diese plötzliche Erkenntnis zu verarbeiten, als sie seinen fragenden Blick bemerkte und errötete. Oh, Hilfe. Sie hatte ihm gesagt, er sei nicht ihr Typ. Was würde er sagen, wenn sie ihm gestand, dass er doch ihr Typ war?

Der Narkose- und der Kinderarzt trafen gleichzeitig ein. Mac weihte beide ein.

„Sie scheint stabil“, sagte er ruhig und beobachtete, wie der Brustkorb des Kindes sich hob und senkte. „Aber sie muss erst einmal im Krankenhaus bleiben.“

„Wir bringen sie auf die Kinderstation“, sagte der Kinderarzt, und sie trafen die entsprechenden Maßnahmen für die Verlegung des Mädchens.

Hannah begleitete die kleine Patientin. Zehn Minuten später war Louisa allein mit Mac.

„Du hast dich gut gehalten,“ sagte er. „Leidest du immer noch an Asthma?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin dem entwachsen. Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, wie beängstigend es ist, nicht atmen zu können. Du warst sehr gut zu ihr. Du hast sie beruhigt. Du warst einfach wunderbar.“

Mit seinen dunklen Augen sah er sie an. Die Spannung zwischen ihnen wuchs. Louisa musterte verträumt seine breiten Schultern, die muskulösen Beine und seinen Mund. Wie würde es sich anfühlen, von Mac geküsst zu werden? Unbewusst neigte sie sich ihm entgegen und hörte, wie er scharf Luft holte.

„Louisa!“ Seine Stimme klang plötzlich barsch. Louisa erschrak und sah ihn an.

„Ich …“

„Geh nach Hause. Du hast keinen Dienst mehr.“ Sein Gesichtsausdruck sagte nichts über seine Gedanken aus. Wieder einmal wirkte er kalt und verschlossen.

Verwirrt wich Louisa zurück. Normalerweise reagierte sie nicht derart auf einen Mann. Aber Mac war anders als alle Männer, die sie je kennengelernt hatte. Plötzlich erkannte sie, wie erschöpft sie war. „Dienstschluss klingt gut. Bis später.“

Sie nahm Mantel und Schlüssel und ging zu ihrem Wagen. Warum taten ihr nur die Beine so weh? Mit einem Seufzer der Erleichterung setzte sie sich ans Steuer und wollte den Motor starten. Aber nichts geschah.

„Nein!“ Frustriert schlug sie mit der Hand auf das Lenkrad. „Tu mir das nicht an.“ Wieder drehte sie den Zündschlüssel. Aber das kleine Auto rührte sich nicht. Sie ließ den Kopf gegen die Kopfstütze sinken und schloss die Augen.

Plötzlich wurde die Fahrertür geöffnet. „Was ist los?“

Sie erkannte Mac an seiner Stimme. „Mein Auto mag das kalte Wetter nicht.“

„Dein Auto mag jedes Wetter nicht. Wolltest du die Nacht hier verbringen?“, fragte er trocken. Sie lächelte, ohne die Augen zu öffnen.

„Dr. Sullivan, ich bin so müde, dass es mir egal ist, wo ich die Nacht verbringe.“

„So schlimm?“ Seine Stimme klang sanfter. Er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. „Ich bringe dich nach Hause. Um dieses Wrack hier kümmern wir uns morgen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht bewegen.“

„Das kommt davon, wenn du kochst, putzt und auch noch voll arbeitest“, meinte Mac leise, nahm ihren Mantel und ihre Tasche und warf sie auf den Rücksitz seines Wagens. „Nun weißt du, warum Josh und ich auf Fast Food zurückgreifen. Alles auf einmal geht eben nicht.“

„Ja, das merke ich“, stöhnte sie. Sie öffnete die Augen und sah direkt in seine. Ihr Herz geriet ins Stolpern. Er sah müde aus, und da war ein Bartschatten an seinem Kinn. Dennoch war er der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.

Fragend hob er eine Augenbraue. „Es schneit, und mir ist kalt. Steigst du jetzt in meinen Wagen, oder muss ich dich tragen?“

Sie stieg aus dem Auto und schrie erschrocken auf, als ihre Füße wegrutschten. „Es ist spiegelglatt!“ Mac fluchte leise und drückte sie fest an sich.

Kichernd klammerte sie sich an ihn. „Ich dachte nicht, dass es so rutschig ist.“ Sie konnte nicht aufhören, zu lachen. Als sie ihn ansah, funkelten auch seine Augen amüsiert.

„Mein Wagen steht nur ein paar Meter entfernt“, sagte er. „Man muss nur zielstrebig gehen. Meinst du, das schaffen wir?“

„Ja, okay. Zielstrebig gehen. Das kann ich.“ Sie ließ seine Arme los, machte einen Schritt und landete unsanft auf ihrem Hinterteil. „Autsch!“

„Louisa!“ Erschrocken hob Mac sie hoch, setzte sie auf den Beifahrersitz seines Autos und nahm dann auf dem Fahrersitz Platz. „Hast du dich verletzt?“

Sie lachte. „Ich glaube, ich habe mir den Hintern gebrochen.“

Er lächelte ebenfalls, startete den Wagen und warf ihr einen Blick zu. „Warum starrst du mich so an?“

„Weil ich dich zum ersten Mal lachen sehe“, antwortete sie. „Steht dir gut. Das solltest du öfter tun.“

„Wenn du weiter aufs Eis plumpst, werde ich das auch“, bemerkte er trocken und fuhr rückwärts aus der Parklücke. „Ich bin kein Trauerkloß, Louisa. Ich bin mit meinem Leben zufrieden.“

„Nur, weil du nicht weißt, was du verpasst.“ Sie verzog das Gesicht, als sie die Position veränderte. „Ich glaube, ich habe mir wirklich etwas gebrochen.“

„Soll ich dich untersuchen?“

Autor

Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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<p>Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel. Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...
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Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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