Julia Winterträume Band 10

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BLIND DATE AM VALENTINSTAG von MORGAN, RAYE
Auf den ersten Blick verliebt sich Cari in Max. Es gibt nur ein Problem: Der gut aussehende Geschäftsmann ist gar nicht ihr Blind Date! Darf sie ihm einfach vormachen, sie wäre die Frau, mit der er verabredet ist - und ihn für sich erobern?

GLAUB AN DAS WUNDER DER LIEBE von MCMAHON, BARBARA
Besinnlich und ohne ihren Mann Jake will Cath Weihnachten verleben. Denn ihre Ehe steht vor dem Aus. Und auch wenn es das Fest der Liebe ist, glaubt sie nicht mehr an eine Versöhnung. Doch mit dem ersten leisen Schnee in der Stillen Nacht geschieht ein kleines Wunder …

BEI DIR FÜHLE ICH MICH GEBORGEN von BRAUN, JACKIE
Sofort bietet Mason ihr seine Hilfe an, als sie an einem Wintertag in dem Hafenstädtchen strandet. Er spürt instinktiv, dass die hübsche Roz ihn braucht. Sie weckt in ihm nicht nur den Wunsch, ihr zu helfen, sondern auch, ihr den Glauben an die Liebe zurückzugeben …


  • Erscheinungstag 03.11.2015
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702625
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Raye Morgan, Barbara McMahon, Jackie Braun

JULIA WINTERTRÄUME BAND 10

1. KAPITEL

Schlechtes Timing.

Max Angeli steckte die rote Rose, die er in der Hand hielt, in die Tasche, während er mit der anderen Hand sein Handy aufklappte und den Anruf mit einem knappen „Hallo“ entgegennahm. Er war sicher, was auch immer man ihm erzählen würde, es würde sein chaotisches Leben nur noch chaotischer machen.

Es fing schon damit an, dass es in dem Club, den er gerade betreten hatte, viel zu laut war. Scheinwerfer wirbelten ihr Licht durch den dunklen Raum, und der Beat hämmerte dumpf zu schweren Rhythmen. Darunter mischte sich das Geräusch klirrender Kristallgläser, das mit dem schrillen Gelächter der Frauen wetteiferte. Alles klang frivol und zugleich irgendwie verzweifelt. Max mochte den Club überhaupt nicht.

„Bleib dran, Tito“, rief er laut in den Apparat. „Ich muss irgendwo hingehen, wo ich dich verstehen kann.“

Er hatte zwar verstanden, dass sein Assistent am anderen Ende der Leitung war, aber alles Weitere war durch den Lärm um ihn herum nicht zu hören. Nach einem kurzen Blick durch die überfüllte Lounge entdeckte er die Waschräume und eilte in die Richtung. Der Geräuschpegel sank allerdings kaum. Aber immerhin konnte er jetzt verstehen, was Tito zu sagen hatte.

„Wir haben sie gefunden.“

Max fühlte sich, als hätte er in eine Steckdose gefasst. Der Schock durchfuhr seinen gesamten Körper. Er schloss die Augen und versuchte zu begreifen. Seit Wochen waren sie auf der Suche, hatten keine heiße Spur gehabt. Bis der letzte Tipp ihnen verraten hatte, dass Sheila Burn, die Exfreundin seines Bruders, vielleicht mit dem Bus nach Dallas gereist war.

Sein Bruder Gino war vor wenigen Monaten verstorben, doch erst Wochen später hatte Sheila sich bei Max gemeldet. Mit der für alle überraschenden Neuigkeit, dass sie ein Baby von Gino bekommen hatte. Auf seine Bitte nach einem Beweis dafür, dass das Baby tatsächlich von seinem Bruder stammte, war sie wieder untergetaucht. Beinahe hatte er die Hoffnung schon aufgegeben.

„Du hast sie gefunden?“, fragte er heiser, „bist du ganz sicher?“

„Ja und nein.“

Max umklammerte das Handy noch fester. „Verdammt noch mal, Tito …“

„Komm einfach her, Max. Du wirst schon sehen, was ich meine.“ Er ratterte eine Adresse herunter.

Max schloss wieder die Augen und prägte sich die Adresse ein. „Okay“, bestätigte er, „rühr dich nicht von der Stelle. Ich muss unbedingt dieses Blind Date loswerden, das ich mir aufgehalst habe. Bin gleich bei dir.“

„Okay, Boss. Und beeil dich.“

Max nickte. „Ganz bestimmt.“ Er klappte das Handy zu und kehrte in die lärmende Lounge zurück. Eigentlich hätte er nichts lieber getan, als sofort zu seinem Wagen zu eilen und die Frau zu vergessen, die irgendwo inmitten dieser nervtötenden Nachtschwärmer auf ihn wartete.

Aber noch nicht einmal er brachte es fertig, so unhöflich zu sein. Außerdem würde seine Mutter ihn dafür zur Rechenschaft ziehen. Auch wenn sie sich im Moment in einem Penthouse in Venedig aufhielt, hatte sie so ihre Methoden, ihren Arm über den Ozean bis nach Dallas auszustrecken und dafür zu sorgen, dass ihn ein schlechtes Gewissen quälte. Obwohl sie Amerikanerin war, war Max ihr italienischer Sohn. Das hieß, er war erzogen worden, sein Bestes zu geben, um seine Mutter glücklich zu machen.

Auf der Schwelle zögerte er, ließ den Blick durch den Raum schweifen und suchte nach einer Frau mit einer roten Rose in der Hand – die so aussah wie das zerknautschte Exemplar, das er vor wenigen Minuten aus seiner Tasche gezogen hatte. Er musste sie nur finden und ihr erklären, dass ihm etwas dazwischengekommen war. Ganz einfach. Mehr als eine Minute würde es nicht dauern.

Cari Christensen biss sich auf die Lippe und wünschte sich, die rote Rose in dem Glas Wein ertränken zu können, das unangerührt vor ihr stand.

„Noch fünf Minuten“, beschwor sie sich, „und wenn er dann immer noch nicht aufgetaucht ist, werde ich die Rose in den Abfalleimer befördern und mich unter die Leute mischen. Ohne Rose kann er mich unmöglich erkennen.“

Er hatte sich fast um eine halbe Stunde verspätet. Eine halbe Stunde. Das sollte eigentlich reichen. Cari hatte ihrer besten Freundin Mara versprochen, dass sie das Treffen durchziehen würde. Aber sie hatte nicht versprochen, sich die ganze Nacht damit herumzuschlagen.

Sorgfältig vermied sie den Blickkontakt mit den interessierten Männern, die sich an ihr vorbei zur Bar drängelten. Wie gerne würde Cari es sich jetzt mit einem schönen Buch auf der heimischen Couch gemütlich machen. Mara hatte es nur gut gemeint, aber sie begriff nicht, dass Cari nicht auf der Suche nach Mr Right war. Sie war überhaupt nicht auf der Suche nach irgendeinem Mister. Sie wollte keinen Mann, sie wollte keine Beziehung. Denn das alles hatte sie schon einmal erlebt, und es hatte ihr die Hölle auf Erden beschert.

„Gebranntes Kind scheut das Feuer“, war ihr Motto. Cari hatte nicht die Absicht, sich zum zweiten Mal das Herz brechen zu lassen.

Aber wie sollte Mara das auch verstehen können? Sie hatte ihre Sandkastenliebe geheiratet, hatte sich in einem süßen Ranchhaus niedergelassen und zwei liebenswerte Kinder geboren. In ihrem Leben gab es Klavierabende und Familienfotos am Kühlschrank, Picknicks und kleine Kätzchen. Sie waren einfach komplett unterschiedlich, obwohl sie schon ihr ganzes Leben lang beste Freundinnen waren.

„Es gibt Menschen, die finden morgens beim Frühstück einen goldenen Ring in ihrem Müsli, setzen ihn sich auf den Finger, und dort bleibt er dann für den Rest ihres Lebens“, hatte Cari versucht, ihrer Freundin zu erklären. „Und es gibt andere, die lassen ihn bei einem Spaziergang am Strand unabsichtlich fallen und verbringen den Rest ihres Lebens damit, im Sand nach ihm zu graben.“

„Das stimmt nicht“, hatte Mara erwidert, „oder glaubst du etwa, dass in meinem Leben alles perfekt läuft?“

„Doch, das glaube ich. Jedenfalls verglichen mit meinem.“

„Oh, Cari.“ Mara nahm die Hand ihrer Freundin und hielt sie fest. „Was mit Brian … und … und dem Baby passiert ist, das war wirklich schrecklich. Es hätte niemandem passieren dürfen. Und schon gar nicht dir. Denn du hast wirklich etwas Besseres verdient.“ Mara zwinkerte heftig, als ihr die Tränen in die dunklen Augen schossen. „Trotzdem musst du es noch mal versuchen. Irgendwo da draußen läuft jemand für dich herum. Ich weiß es. Und wenn du den richtigen Mann erst mal gefunden hast …“

Den richtigen Mann. Gab es so etwas überhaupt? Noch nicht einmal Mara wusste, was genau sich in Caris Ehe eigentlich abgespielt hatte. Denn wenn sie in alle Einzelheiten eingeweiht gewesen wäre, hätte sie es bestimmt nicht so eilig gehabt, ihre Freundin wieder ins kalte Wasser zu schubsen.

„Mara, wann gibst du endlich auf? Ich bin sehr zufrieden mit meinem jetzigen Leben.“

„Oh, Cari!“ Mara seufzte theatralisch. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du am Valentinstag wieder mal zu Hause sitzt, alte Filme anschaust und dir die Tränen aus den Augen wischst!“

„Jetzt hör mir mal zu! Ich gebe keinen Pfifferling auf den Valentinstag. Es ist ein künstlicher Feiertag. Wen interessiert das schon?“

„Cari Christensen, versuch nicht, mich an der Nase herumzuführen. Ich kenne dich viel zu gut.“

„Nein, Mara!“

„Du brauchst einen Mann.“

Mara funkelte sie so entschlossen an, dass Cari lachen musste. „Keine Ahnung, warum ich nichts dagegen unternehme, dass du immer noch meine Freundin bist!“

„Weil du genau weißt, dass ich nur das Beste für dich im Sinn habe.“

Cari seufzte. Sie wusste, dass sie verloren hatte. Trotzdem musste sie so tun, als würde sie noch lange nicht aufgeben. „Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert.“

„Doch, natürlich. Ich bin zu deiner guten Fee ernannt worden. Langsam solltest du dich daran gewöhnen.“

„Nein.“

Mara gab natürlich niemals auf. Aus diesem Grund saß Cari jetzt in der Longhorn Lounge, hielt eine traurige rote Rose in der Hand und wartete auf einen Mann namens Randy, von dem Mara behauptet hatte, dass er perfekt zu ihr passen würde.

„Du musst einfach auf ihn warten. Er ist anders. Ganz besonders. Du wirst überrascht sein.“

Um ihrer Freundin den Gefallen zu tun, hatte Cari sich vorgenommen, dauernd zu lächeln und so zu tun, als würde sie sich für die Geschichten interessieren, die Randy ihr über seine männlichen Eroberungszüge erzählte.

Sie würde sich ein nettes Dinner hier im Restaurant gönnen, pünktlich zum Dessert Kopfschmerzen vorschützen, sich höflich entschuldigen und schleunigst nach Hause fahren. Danach würde ihr Anrufbeantworter die Arbeit für sie erledigen. Vielleicht würde Mara dann endlich aufgeben. Immerhin hatte Cari es ja versucht.

Die Tür öffnete sich. Der Mann, der eintrat, klappte gerade sein Handy auf. Er war groß, trug einen gut geschnittenen Anzug anstatt der üblichen Jeans und zog die Aufmerksamkeit sämtlicher Gäste auf sich.

Irgendetwas an seiner Haltung nahm Cari gefangen. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er der attraktivste Mann war, der ihr außerhalb der Kinoleinwand jemals unter die Augen gekommen war. Sein dichtes, dunkles Haar war ausgezeichnet geschnitten, erweckte aber trotzdem den Eindruck, dass es ein bisschen zu lang war und ein bisschen zu sorglos frisiert. Als ob gerade eine frische Brise hineingefahren wäre. Oder die Finger einer Geliebten …

Das seidene Jackett straffte sich über seinen breiten Schultern, als er sich umdrehte. Die messerscharfe Bügelfalte seiner Hose diente offenbar nur dazu, seine muskulösen Schenkel zu betonen. Er sah aus wie eine griechische Statue, die zum Leben erweckt und in einen modernen Businessanzug gesteckt worden war.

Cari rann ein Schauer über den Rücken. Kurz darauf amüsierte sie sich über sich selbst. Eines war sicher: Dieser Mann konnte unmöglich ihr Randy sein. Und sie war froh darüber. Energische, unglaublich attraktive Männer waren ihrer Erfahrung nach die schlimmsten. Trotzdem musste sie zugeben, dass er unbestreitbar attraktiv war.

Ein Augenschmaus, würden die Leute sagen. Wie gut, dass Cari auf Diät war.

„Tut mir leid, Mara“, würde sie morgen am Telefon ihrer Freundin erklären, „er hat sich nicht blicken lassen. Nimm es als Zeichen. Und bilde dir nicht ein, dass ich mich noch mal auf so etwas einlasse.“

Ein Schatten fiel über sie. Cari schaute auf und bemerkte einen fleischig aussehenden Mann mit Stetson und engen Jeans.

„Hey, kleine Lady, soll ich dich zu einem dieser tollen Drinks mit Schirmchen und Früchtchen und so weiter einladen?“

Cari stöhnte innerlich auf, beherrschte sich aber so weit, dass er es nicht bemerkte. „Nein danke, Cowboy“, entgegnete sie und versuchte, höflich zu bleiben, als sie vom Barhocker rutschte und sich zur Tür drehte. „Ich wollte gerade gehen.“

„Kein Grund zur Eile“, widersprach er und versperrte ihr den Weg. „Du bist so hübsch wie ein blühender Kaktus, nicht wahr?“

Cari lächelte kurz, hob das Kinn und gab ihm zu verstehen, dass sie sich nichts bieten ließ. „Und genauso stachlig, Honey. Lass besser die Finger von mir. Du willst doch bestimmt nicht gestochen werden.“

Seine Miene verdunkelte sich. „Jetzt hörst du mir gefälligst mal zu …“

Aber genauso plötzlich, wie der Cowboy sich ihr in den Weg gestellt hatte, verschwand er auch wieder. Denn ein kräftigerer und viel beeindruckenderer Mann erschien auf der Bildfläche, und alles um ihn herum schien sich zu verflüchtigen. Sie spürte seine Anwesenheit, bevor sie ihn sah, und sog hastig die Luft ein. Langsam schaute sie auf.

Ja, es war der Mann, den sie vor ein paar Minuten in der Tür gesehen hatte. Der Mann, von dem sie überzeugt gewesen war, dass er nichts mit ihr oder ihrem Leben zu tun haben konnte. Jetzt stand er vor ihr, streckte ihr eine zerknautschte rote Rose entgegen und fragte sie etwas. Doch in ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Sie verstand kein Wort von dem, was er sagte.

„Was?“, stieß sie benommen hervor und schaute zu ihm auf, als würde sie in die Sonne blinzeln.

Max schwankte zwischen Interesse und Verärgerung. Er hatte es einfach nur hinter sich bringen und das Lokal so schnell wie möglich wieder verlassen wollen, aber nun war er irgendwie in dieser Situation gefangen. Es war einfach gewesen, die attraktive Frau mit den blonden Locken zu finden, deren schwarzes Kleid wohlgeformte Kurven an genau den richtigen Stellen betonte. Und die Beine waren definitiv auch einen zweiten Blick wert.

Nur hatte er das Problem, dass er sich an ihren Namen nicht erinnern konnte. Seine Mutter hatte ihn oft genug genannt, wieder und wieder. Immer wenn sie die alte Geschichte erzählte, wie man ihre Familie um die Triple M Ranch betrogen hatte. Vor ihm saß die Tochter der Frau, die seiner Mutter das Unrecht angetan hatte – aber wie hieß sie doch gleich? Irgendwas wie … Kerry?

„Miss Kerry?“, wiederholte er, als sie ihn das erste Mal nicht verstanden hatte.

„Oh!“, sagte sie zutiefst verstört. „Sie können doch unmöglich … ich meine, Sie können doch nicht … sind Sie …?“

„Genau.“ Er wedelte mit der Rose und deutete mit einem Kopfnicken auf ihre. „Ich hatte gehofft, dass wir heute Abend Zeit haben, uns ein wenig kennenzulernen“, bemerkte er sanft. „Aber leider geht es nicht. Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss, aber es ist mir etwas dazwischengekommen. Wir müssen es auf ein anderes Mal verschieben.“

„Oh.“

Max brach ab. Sie war sehr süß und schien ziemlich verlegen zu sein. Ganz und gar nicht das, was er erwartet hatte. Fasste sie seine Worte etwa als Zurückweisung auf? Nun, von ihrem Standpunkt aus gesehen ergab das sicher Sinn. Aber anstelle der arroganten Sirene, die er sich nach den Geschichten seiner Mutter immer vorgestellt hatte – eine Frau, deren Ego so dick gepanzert war, dass nichts sie so leicht verletzten konnte – fasste die Frau vor ihm seine Worte persönlich auf.

Glaubte sie etwa, dass er einen Blick riskiert und dann entschieden hatte, dass es sich nicht lohnte, Zeit auf sie zu verschwenden? Auch wenn er keine Lust auf dieses Blind Date gehabt hatte – verletzen wollte er sie auf keinen Fall.

„Meine Mutter lässt Sie herzlich grüßen“, sagte er und ließ den Blick anerkennend über ihr Gesicht schweifen. Interessanterweise passte sie gar nicht in sein übliches Beuteschema. Normalerweise bevorzugte er den Modell-Typ, große, kühle Frauen, die dekorativ waren, aber auch klug genug zu wissen, was gespielt wurde. Die jungen Unschuldslämmer wollten sich ständig nur verlieben. Doch diese Anhänglichkeit entsprach nicht seiner Natur und stand auch gar nicht zur Debatte.

Solange er zurückdenken konnte, beschäftigte er sich schon mit dem menschlichen Wesen. Seiner Meinung nach war Verliebtsein nur etwas für Dummköpfe, die die Augen vor der Realität verschlossen und auf ein Märchen hofften. Er hielt sich für viel zu klug, um auf solchen Unsinn hereinzufallen.

Aber trotzdem wirkte die junge Frau irgendwie anziehend auf ihn. Sie sah intelligent und schlagfertig aus. Ihre Augen funkelten in einem ungewöhnlichen Blau und waren umrahmt von dichten, dunklen Wimpern. Die leichten Sommersprossen auf ihrer kleinen Nase wirkten wie Zimtstaub. Und ihr Haar, das wie der Sonnenschein leuchtete, war beinahe nachlässig frisiert, sodass ihr immer wieder einige Strähnen ins Gesicht fielen, die sie dann mit der Hand energisch nach hinten schob.

Kaum das, womit Max gerechnet hatte. Nach den Geschichten seiner Mutter war er fest davon überzeugt gewesen, sie auf den ersten Blick nicht ausstehen zu können. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.

„Ich hoffe, wir können unseren Abend irgendwann nachholen“, sagte er und meinte es aufrichtig. „Darf ich Sie morgen anrufen?“

„Oh“, wiederholte sie und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. „Ich … ich denke, ja.“

Zugegeben, ihr Wortschatz war nicht besonders groß. Aber vielleicht bin ich auch ein wenig zu brüsk gewesen, überlegte er. Das hatten seine Freunde und seine Angestellten ihm jedenfalls schon öfter vorgeworfen, und er bedauerte es sehr. Denn er hatte nicht die Absicht, ruppig zu sein.

Trotzdem hatte Max keine Zeit mehr. Schulterzuckend lächelte er sie an und wandte sich dem Ausgang zu. Er war schon fast aus der Tür, als er sich an die dumme Rose in seiner Hand erinnerte. Warum sie nicht ihr in die Hand drücken? Was sollte er auch sonst damit anstellen?

Als Max sich umdrehte, stellte er fest, dass sie ihn immer noch mit aufgerissenen Augen anstarrte. Irgendetwas in dem Blick aus diesen großen blauen Augen war äußerst merkwürdig …

„Oh, zum Teufel noch mal“, fluchte er heftig. Wenn er sie in der Lounge sitzen ließe, würde er sich vorkommen, als würde er einem Welpen verbieten, ihm nach Hause zu folgen. „Warum begleiten Sie mich nicht einfach? Wir können irgendwo anhalten und uns was zu essen holen.“

Insgeheim gratulierte Max sich zu seinem Vorschlag. Das war eine gute Idee. So konnte er sich seiner ursprünglichen Verpflichtung entledigen, ohne gleich die Hoffnung auf eine zukünftige Beziehung zu zerstören. Gleichzeitig musste er kein schlechtes Gewissen haben, wenn er später seine Mutter anrief. Brillant!

„Ich … äh … vielleicht.“ Cari räusperte sich.

Sie begriff nicht, warum sie nicht in der Lage war, auch nur einen einzigen klaren Satz zu äußern. Das war so gar nicht typisch für sie. Aber die Tatsache, dass der Mann vollkommen anders aussah, als sie ihn sich vorgestellt hatte, hatte ihr schier die Sprache verschlagen, und sie brauchte ein paar Minuten, um den Schock zu überwinden. Im Augenblick schien sie Wachs in seinen Händen zu sein, und das Nächste, was sie mitbekam, war, wie er seine Hand zwischen ihre Schulterblätter legte und sie sanft durch die Menge steuerte.

Cari begleitete ihn tatsächlich. So sah es jedenfalls aus. Unsicher schaute sie zurück und wusste nicht genau, ob es klug war, mit einem Fremden in die Nacht hinauszueilen. Wobei Fremder nicht ganz stimmte, er war der Cousin von Maras Ehemann. Zumindest hatte ihre Freundin das behauptet.

Das Seltsame war: Als Cari einen Blick zurück auf den lärmenden Club warf, sah sie aus den Augenwinkeln eine rote Rose in der Hand eines großen blonden Mannes mit Brille. Aber es ging alles so schnell, dass sie den Anblick nur flüchtig registrierte, bevor ihre männliche Begleitung ihre Aufmerksamkeit gleich wieder gefangen nahm. Also ging sie mit ihm, halb auf ihren hohen Schuhen hüpfend, um mit seinem schnellen Schritt mitzuhalten, bis sie endlich bei seinem langen, niedrigen Sportwagen ankamen.

„Du lieber Himmel“, platzte sie heraus, als Max ihr die Beifahrertür aufhielt.

„Es ist ein Ferrari“, erklärte er stirnrunzelnd. „Sicher haben Sie in der Stadt schon einmal einen gesehen. Ich dachte, dass es in Dallas nur so vor ihnen wimmelt.“

Cari nickte und ließ sich in das luxuriöse Leder sinken. „Natürlich. Nur habe ich noch nie in einem gesessen“, gestand sie und zuckte kurz zusammen. Vielleicht hätte sie das lieber für sich behalten sollen.

Max setzte sich auf den Fahrersitz, beugte sich nach vorn und gab die Adresse ins Navi ein, bevor er sich zu ihr drehte. „Nach allem, was ich über Sie gehört habe, müssten schnelle Autos und ein Luxusleben doch genau Ihre Kragenweite sein.“

Verwirrt erwiderte Cari seinen Blick. Hatte er sie etwa mit einem anderen Blind Date verwechselt? „Wer hat Ihnen denn das erzählt?“

Einen Moment lang starrte er sie ebenfalls an und wandte sich dann schulterzuckend ab. Sogar in seiner grenzenlosen Verwirrung sah er noch unglaublich attraktiv aus. „Texas“, murmelte er und ließ den Motor an, „das Land überrascht mich immer wieder.“

Und seine Bemerkung überraschte sie. Cari wollte gerade anmerken, dass Mara ihr verraten hatte, er wäre in der Gegend von Galveston aufgewachsen. Aber es verschlug ihr wieder die Sprache, als sie erneut feststellte, wie unglaublich gut dieser Mann aussah. Alles an ihm strahlte Reichtum und Macht aus. Sein Anzug hatte bestimmt mehr gekostet als ihr Gebrauchtwagen. Das fantastische schwarze Haar, seine wundervoll gebräunte Haut, die Art, wie die Muskulatur seiner Oberschenkel sich unter dem Stoff seiner Hose spannte … all das war garantiert dazu geschaffen, das Herz einer Frau höher schlagen zu lassen.

Das Hemd trug er am Kragen offen, sodass man noch mehr gebräunte Haut und ein paar krause Locken auf seiner Brust erkennen konnte. Hätte sie zu den Frauen gehört, die schnell in Ohnmacht fallen, wäre es spätestens jetzt so weit gewesen.

Nein, zu denen gehörst du nicht, mahnte Cari sich streng, das passt überhaupt nicht zu dir. Und noch eins: Immer diese Aufregung um blendend aussehende, reiche Männer, die sich am Ende doch nicht lohnt. Zugegeben, Maras Ehemann war sehr nett, aber der Gedanke, dass er jemanden wie ihren Begleiter in seiner Familie hatte, verwirrte sie.

Just in diesem Moment schoss der tiefer gelegte schlanke Sportwagen los wie eine Rakete. Als ihr Körper in den weichen Ledersitz gepresst wurde, bekam sie beinahe ein bisschen Angst um ihr Leben. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Der Wagen hielt an einer Ampel. Cari schluckte schwer und drehte sich hart zu ihrem Fahrer um. Er sollte ruhig wissen, dass ihr dieser Fahrstil nicht gefallen hatte.

„Wow. Fahren Sie immer so?“, fragte sie ein wenig gereizt und schob sich das Haar zurück.

Max war über ihren strengen Tonfall überrascht, lachte aber.

„Ich probiere den Wagen noch aus. Ich habe ihn erst heute Vormittag beim Händler abgeholt und wollte mal sehen, was er so draufhat.“ Entschuldigend verzog er das Gesicht. „Aber ich kenne mich in dieser Gegend nicht besonders gut aus, also höre ich damit jetzt auch auf. Tut mir leid, ich hätte Sie warnen sollen.“

Max lächelte schief, empfand aber nicht das geringste Bedauern über das Vergnügen, das ihm der kurze Sprint bereitet hatte. Das Lächeln verschwand jedoch, als er sie anschaute.

Das wirre lockige Haar fiel ihr immer noch in die Augen. Max verspürte den Impuls, die Hand auszustrecken und ihr die Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Schon bei dem Gedanken juckte es ihn in den Fingerspitzen. Er ertappte sich dabei, wie er genau auf die Stelle starrte, wo ihr zartes muschelförmiges Ohr aus den Locken lugte, wie sein Blick anschließend zu ihrem weichen cremefarbenen Nacken wanderte, wie er sich vorstellte, dass dort seine Lippen und seine Zunge …

Der Wagen hinter ihnen hupte laut. Da erst merkte er, dass die Ampel inzwischen auf Grün gesprungen war, und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Trotzdem schweiften seine Gedanken immer wieder zu der Frau neben ihm ab. Irgendetwas an ihr kitzelte seine Fantasie, und zwar auf eine seltsame und ungewöhnliche Art.

Plötzlich erinnerte Max sich wieder an ihren Namen. Celinia Jade Kerry. Wie hatte er einen solchen Namen nur vergessen können? Celinia Jade. Ein ganz schöner Zungenbrecher.

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie C. J. nenne?“, fragte er ein wenig sarkastisch.

Cari blinzelte verwirrt. „Warum sollten Sie?“

„Weil’s kürzer ist. Leichter zu merken.“

Cari zog die Nase kraus. „Aber …“

Max bog auf die Schnellstraße und trat aufs Gaspedal. Ihre Antwort ging im Aufheulen des Motors unter, und er musste sich auf den fließenden Verkehr konzentrieren, sodass er sie nicht bitten konnte, ihre Worte zu wiederholen.

Komisch. Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass seine Mutter behauptet hatte, Celinia Jade Kerry würde genau zu dem Typ Frauen passen, mit dem er normalerweise ausging – der Typ, bei dem seine Mutter dazu neigte, missbilligend die Augen zu verdrehen.

Paula Angeli kannte C. J. zwar nicht besonders gut, dafür aber deren Mutter. Beziehungsweise hatte sie gekannt, vor vielen Jahren.

„Vor ihrer Hochzeit mit Neal Kerry, dem Mann, der meine Ranch gestohlen hat, hieß sie Betty Jean Martin“, hatte Max’ Mutter ihm erst vor ein paar Tagen bei einem Cappuccino erzählt. Sie hatten auf der Terrasse ihres italienischen Hauses gesessen und auf die venezianischen Kanäle geschaut.

„Sie war meine beste Freundin“, fuhr sie fort, „aber nachdem sie Neal hinter meinem Rücken geheiratet hat, ist sie meine schlimmste Feindin geworden.“

Max nickte. Wie oft hatte er die Geschichte schon gehört. Inzwischen beschlich ihn der Verdacht, dass seine Mutter insgeheim gehofft hatte, sie würde den Mann heiraten – bevor ihre Freundin Betty Jean ihn vor den Altar gezerrt hatte – und auf diese Art ihre Ranch zurückbekommen.

Alles in allem konnte Max jedoch recht zufrieden sein, dass es damals anders gekommen war. Kurze Zeit später hatte seine Mutter Carlo Angeli kennengelernt, und ihr Leben hatte sich zum Besseren gewendet, jedenfalls in finanzieller Hinsicht. Das passierte gelegentlich, wenn man einen Millionär heiratete.

Trotzdem war Max bewusst, dass es keine glückliche Ehe gewesen war. Sein Vater war nur selten zu Hause gewesen, und die Affären mit den Frauen seiner besten Freunde waren legendär. Das Leben seiner Mutter hatte sich nur noch um ihre beiden Söhne gedreht – und um die bittersüßen Erinnerungen an ihre Kindheit auf der Triple M Ranch in Dallas.

„Ich bin mir sicher, dass Celinia Jade genau das ist, woran du gewöhnt bist“, hatte seine Mutter behauptet und mit dem Brief gewedelt, der von der Tochter ihrer alten Freundin eingetroffen war. „Ich habe immer noch oft genug Kontakt zu den alten Texanern, um zu wissen, was dort los ist. Sie ist ein Kleiderständer, der keine tiefschürfenderen Gedanken kennt als die aktuelle Rocklänge und ob die neue Lippenstiftfarbe ihren Mund noch küssenswerter macht. Klingt das vertraut?“

„Hast du meine Telefongespräche belauscht?“, hatte er sie aufgezogen.

An dieser Stelle hatte sie die Augen verdreht.

„Wann begreifst du endlich, Mama?“, erklärte er liebevoll. „Ich treffe mich nicht mit Frauen, weil ich mich unterhalten will.“

„Dann wirst du mit der jungen Miss Kerry sicher wunderbar harmonieren.“ Paula hatte wieder auf den Brief geschaut. „Es ist seltsam, nach all den Jahren wieder von ihr zu hören. Und noch seltsamer, dass sie gleich anfragt, ob sie uns besuchen darf.“

„Was für ein Glück, dass ich in ein paar Tagen nach Dallas fliege und nachsehen kann, was es damit auf sich hat.“ Max schaute seine Mutter an und bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen. In letzter Zeit hatte sie immer gebrechlicher ausgesehen. Seit Gino gestorben war. Es tat Max in der Seele weh, dass sie so leiden musste.

„Hast du eine Ahnung, was sie von dir wollen könnte?“, fragte er beiläufig, obwohl er sich ziemlich sicher war, worum es sich handelte.

„Geld.“ Seine Mutter seufzte und schüttelte ihre grauen Locken. „Es geht das Gerücht, dass sie in argen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Ihre Eltern sind beide verstorben. Und bisher hat sie ihr Leben mit den bescheidenen Mitteln bestritten, die sie ihr hinterlassen haben. Kein Zweifel, dass sie dich als nie versiegenden Geldautomaten betrachtet.“

„Interessant“, hatte Max gebrummt. Langsam formte sich ein Plan in seinem Kopf. „Bist du dir sicher, dass die Triple M Ranch immer noch ihr gehört?“

„Oh ja. Sie wird die Ranch niemals aufgeben. Wer würde das schon tun?“ Sie zuckte zusammen. Einmal mehr wusste Max genau, was ihr durch den Kopf ging: dass ihre Familie die Ranch verkauft hatte. Und dass sie sich diesen Verkauf niemals hatte verzeihen können. „Aber sie braucht eine Geldquelle, um sie noch länger bewirtschaften zu können.“

„Ein Darlehen?“

Paula lachte. „Wohl kaum. Sie wird niemals in der Lage sein, es zurückzuzahlen. Darf ich mal raten?“ Sie lächelte ihren Sohn an. „In ihrem Brief stellt sie mir jede Menge Fragen über dich. Ich glaube, sie wird versuchen, dich zu heiraten.“

„Da ist sie nicht die Erste“, bemerkte er trocken.

„Aber noch keine Frau ist dir wirklich nahe gekommen“, stimmte seine Mutter seufzend zu.

Max hatte nachgedacht und unverbindlich genickt. „Ruf sie an“, hatte er dann vorgeschlagen, „vertröste sie mit ihrem Besuch bei dir. Aber sag ihr, dass ich in der Stadt sein werde und sie gern treffen möchte. Am besten, du vereinbarst gleich ein Rendezvous.“

Seine Mutter hatte zögernd genickt. „Was geht dir durch den Kopf?“, fragte sie.

Max lächelte. „Mama, du weißt doch, dass der Immobilienhandel zu meinen größten Stärken gehört. Ich habe vor, sie zu überreden, uns die Triple M zu verkaufen. Die Ranch, die du so sehr liebst.“

Ihre Augen glitzerten einen Moment lang. Aber dann schüttelte sie den Kopf. „Das wird sie niemals tun.“

Er zuckte die Schultern. „Wir werden sehen.“

„Oh, Max, bitte sei vorsichtig. Du darfst dich nicht um den kleinen Finger wickeln lassen. Wenn sie ihrer Mutter auch nur ein bisschen ähnlich ist …“

Max drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und eilte zur Tür. „Ich werde texanisches Süßholz raspeln. Wie du es mir beigebracht hast, schon damals, als ich noch in den Windeln lag. In null Komma nichts wird sie mich anflehen, dir die Ranch wieder übertragen zu dürfen.“

An der Tür hatte er zurückgeschaut und einen traurigen Ausdruck in ihrem Blick bemerkt, der wie abwesend in die Ferne schweifte. Max wusste, dass sie wieder an Gino dachte, an seinen älteren Bruder, der vor ein paar Monaten gestorben war. Er würde alles tun, um sie wieder glücklich zu sehen. Alles.

Und das war die Mission, die ihn nach Dallas geführt hatte.

2. KAPITEL

„Dann verraten Sie mir doch, C. J.“, fuhr Max fort und warf Cari einen Seitenblick zu, als sie die Schnellstraße verließen und in ein gespenstisches Gewerbegebiet einbogen, „wie lebt es sich denn so auf einer Ranch in diesen Zeiten?“ Am Horizont zuckte ein grelles Licht auf. Es schien, als würde die Luft vor Möglichkeiten vibrieren.

Cari schüttelte verwundert den Kopf. Seine Worte wurden ihr immer unbegreiflicher. Natürlich konnte man behaupten, dass ihr kleines Häuschen im Ranchstil gebaut worden war. Aber es war ganz sicher nicht so, dass sie im Garten Rinder züchtete.

„Welche Ranch?“

Die Ranch, die deine Familie meiner Familie gestohlen hat, schoss es ihm durch den Kopf. Oder willst du etwa so tun, als wäre es niemals geschehen?

„Ich meine natürlich die Ranch, auf der Sie leben“, entgegnete er laut.

Cari schüttelte den Kopf. Was, um alles in der Welt, hatte Mara diesem Mann erzählt, damit er einen Abend mit ihr verbrachte? Ihr war klar, dass ihre Freundin manchmal ihrer lebhaften Einbildungskraft zum Opfer fiel. Aber das war wirklich lächerlich.

„Ich lebe nicht auf einer Ranch“, erklärte Cari mit fester Stimme.

„Ah. Ich nehme an, Sie sind nur ein ganz normales texanisches Mädchen“, erwiderte er so sarkastisch, dass es seine Worte Lügen strafte.

Sie nickte heftig, obwohl ihre Verzweiflung unablässig wuchs. „Ja, das bin ich auch.“

Max lachte. „Was ist nur los mit euch Leuten in Texas? Es heißt immer, dass ihr große Redenschwinger seid. Aber die Texaner, mit denen ich bisher gesprochen habe, versuchen immer, so zu tun, als seien sie ganz normale, einfache Leute, egal wie reich sie sind oder wie viel Land sie besitzen.“

Cari fühlte sich hoffnungslos verloren. Bestimmt hatte Mara behauptet, ihre Freundin stamme aus einer wohlhabenden Familie. Aus einer reichen Rancherfamilie. Obwohl Mara es besser wusste.

„Aber wir Texaner sind doch auch ganz normale Leute“, verteidigte sie sich schwach, „meistens jedenfalls.“

„Hah. Se non è vero, è ben trovato.

Es war schon merkwürdig genug, was er sagte. Aber noch merkwürdiger war, dass sie mehr und mehr einen leichten italienischen Akzent bei ihm wahrnahm. Und seine letzte Bemerkung bestätigte den Verdacht, dass er nicht aus der Gegend stammte.

„Wissen Sie was?“, Cari klang vorwurfsvoll, „Sie klingen überhaupt nicht wie ein Texaner.“

„Grazie“, erwiderte er lässig, „ich bin nur halber Texaner. Ich hoffe, Sie können mir den Fehler verzeihen.“

„Oh.“ Ein halber Texaner! Die andere Hälfte war offenbar Italiener. Wie hatte Mara nur vergessen können, ihr dieses kleine Detail zu berichten? Sie biss sich auf die Lippe und überlegte, ob sie ihn wohl beleidigt hatte.

„Was hatte Ihre Bemerkung eben zu bedeuten?“

Max lächelte. „Ich habe gesagt, wenn’s auch nicht stimmt, so ist’s doch gut erfunden.“

Noch bevor Cari wütend herausplatzen konnte, klingelte sein Handy. Er zog es aus der Tasche und schaute auf das Display.

„Meine Mutter“, verkündete Max überrascht und lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen. „Sie ruft aus Venedig an.“ Er klappte das Handy auf. „Sì, Mama.“

Max sprach ein paar italienische Worte in das Handy. In Caris Ohren klang es jedenfalls wie Italienisch. Es sah auch aus wie Italienisch. Cari verstand zwar nicht, was er mit seiner Mutter besprach, lauschte aber trotzdem fasziniert. Es wurde sehr laut gesprochen, beinahe geschrien, und Max gestikulierte lebhaft. Plötzlich riss er das Handy vom Ohr fort und fragte: „Würden Sie gern mit meiner Mutter reden?“

Entsetzt starrte sie ihn an. Mit seiner Mutter? Warum, um alles in der Welt, sollte sie mit seiner Mutter reden wollen? Was sollte sie sagen?

„Nicht wirklich“, lehnte Cari ab und schüttelte heftig den Kopf.

Max sagte noch ein paar Worte auf Italienisch. Dann klappte er das Handy wieder zu, drehte sich zu ihr und musterte sie aufmerksam.

„Die alte Feindseligkeit spielt also immer noch eine Rolle, nicht wahr?“ Mit dem stürmischen Blick aus seinen dunklen Augen schien er sie förmlich in den weichen Sitz zu drücken.

„Wovon sprechen Sie eigentlich?“

„Davon, dass Sie sich weigern, mit meiner Mutter zu reden.“

Oh, das ging nun wirklich zu weit. Cari hatte sich einverstanden erklärt, sich für ein paar Stunden auf eine hoffentlich freundliche Plauderei mit einem fremden Mann einzulassen, eine Mahlzeit eingeschlossen. Mehr nicht. Bekanntschaften mit der Familie waren in der Abmachung nicht vorgesehen. Langsam wurde sie ärgerlich. Wirklich ärgerlich.

„Und worüber sollte ich mit Ihrer Mutter reden?“, entgegnete sie hitzig und wedelte mit der Hand durch die Luft. „Ich schätze, ich könnte ihr eine kurze Zusammenfassung darüber geben, wie ihr Sohn sich auf Blind Dates benimmt. Aber es liegt mir fern, Sie so früh am Abend schon zu beleidigen.“

Max lachte und musterte sie aufmerksam. Sie starrte zurück.

„Bitte hören Sie mir mal zu“, sein Lächeln verwandelte sich in ein nachdenkliches Stirnrunzeln. „Ich habe nämlich keine Ahnung, was meine Mutter mir gerade erzählen wollte. Sie meinte, jemand hätte angerufen und eine Nachricht hinterlassen, dass ich zu spät zu unserer Verabredung komme.“ Er verzog das Gesicht und suchte Bestätigung in ihrem Blick. „Aber ich war nicht zu spät. Ich war zu früh.“

Sie hielt seinen Blick fest. „Doch, Sie waren zu spät.“

Er wirkte noch nachdenklicher. „Dann haben Sie also schon alle möglichen Leute angerufen und sich beklagt, dass ich nicht so früh da bin wie Sie?“

„Ich habe niemanden angerufen.“ Wie hätte sie auch telefonieren sollen? Vor ihren Augen sah sie das Bild ihres Handys, dessen Akku gerade aufgeladen wurde und das immer noch auf dem Küchentisch lag, wo sie es vergessen hatte. Verdammt. Sie fühlte sich nackt und ungeschützt. Eine junge Frau brauchte ein Handy, besonders wenn sie sich auf so ein verrücktes Blind Date einließ wie mit diesem Mann.

„Trotzdem hat jemand Bescheid gewusst und meine Mutter benachrichtigt.“

„Wenn ich die Sache mal klarstellen darf … Ihre Mutter hält sich in Italien auf. Warum interessiert es sie, ob Sie pünktlich zu einer Verabredung mit mir erscheinen oder nicht?“

Max lächelte bedächtig und warf ihr einen langen Blick zu, bei dem Cari sich sofort wohlig fühlte. Seltsam, obwohl sie sich immer noch ärgerte, musste sie zugeben, dass der Mann ausgesprochen sexy war.

„Weil sie ein mitfühlender Mensch ist“, erwiderte Max sanft. „Und sie möchte gern, dass wir uns gut verstehen. Der alten Zeiten wegen.“

Noch während Cari darüber grübelte, was seine Worte zu bedeuten hatten, klingelte wieder das Handy. „Tito“, stellte Max fest und fragte nur: „Was gibt’s?“

„Wo steckst du?“

„Nur ein paar Straßen entfernt. Ich werde in ungefähr einer Minute da sein.“ Max schaute hinüber zu Cari. Der Blick aus dem Fenster schien sie vollkommen gefangen zu nehmen. „Weiß Sheila, dass ich auf dem Weg bin?“, hakte er mit sanfter Stimme nach.

„Nein.“

„Warum hast du es ihr nicht gesagt?“

„Also …“

„Hast du sie wenigstens über die Lage aufgeklärt?“

„Offen gesagt, nein.“

„Warum nicht?“

„Hör zu, Boss, ich habe dir schon erklärt, dass sie nicht richtig hier ist.“

„Aber du hast gesagt …“

„Das Baby ist hier.“

Die Ankündigung traf ihn wie der Blitz. Der ganze Sinn dieses Unternehmens hatte darin bestanden, das Baby zu finden. Ginos Baby. Erst in zweiter Linie hatten sie auch nach Sheila gesucht. Trotzdem hatte Max nicht damit gerechnet, dass Mutter und Kind getrennt waren.

„Ich bin fast bei dir“, kündigte er an, klappte das Handy zu und ließ es in die Ablage gleiten. Wieder schaute er Cari an. Warum habe ich sie noch mal mitgenommen? fragte er sich. Hm.

„Wohin fahren wir?“, fragte sie und dachte, dass sie solche Dinge besser hätte klären sollen, bevor sie zu ihm in den Wagen gestiegen war.

„Ich muss mich um … um eine persönliche Angelegenheit kümmern.“ Max legte den Gang ein. Er hatte gedacht, dass er die Exfreundin seines Bruder treffen und versuchen würde herauszufinden, ob sie ein Kind von Gino bekommen hatte oder nicht. Nun wusste er, dass sie nicht da war. Aber das Baby. Was bedeutete das? Solange keiner das Gegenteil bewies, würde er wohl davon ausgehen müssen, dass es sich um Ginos Baby handelte.

Er fädelte den Wagen wieder in den Verkehr ein.

„Es sollte gleich hier um die Ecke sein. Ah, da vorn ist es schon.“

„Hier?“ Cari starrte das heruntergekommene Gebäude an. Laute Musik dröhnte aus den oberen Fenstern. Neben dem Eingang wühlte ein Hund in einem Stapel Papier. Eine Straßenlaterne funktionierte nicht mehr und hüllte den Abschnitt der Straße ins Dunkel. Auf der anderen Straßenseite zog sich eine dunkle Gestalt schnell in den Schatten zurück. Dies war keine Gegend, in die sie gefahren wäre, wenn sie am Steuer gesessen hätte.

„Ich dachte, wir würden uns irgendwo etwas zu essen holen“, bemerkte sie hoffnungsvoll und dachte, dass ein hell erleuchtetes Restaurant an einer viel befahrenen Straße ihr besser gefallen würde als diese unheimliche Nachbarschaft.

„Das werden wir auch.“ Max beugte sich vor und schaute zu dem hässlichen Gebäude hinüber. „Ich habe hier nur kurz was zu erledigen. Ich werde mich beeilen. Bitte warten Sie hier.“

Auf keinen Fall. Cari rann ein Schauder über den Rücken, als sie den Blick über die leere Straße schweifen ließ. „Ich denke, dass ich lieber dorthin gehe, wo Sie auch hingehen.“

„Wie Sie möchten.“ Er zuckte die Schultern. „Dann kommen Sie.“

Max konnte sie bestens verstehen, als er aus dem Wagen stieg und sich umschaute. Zwar kannte er Dallas nicht besonders gut, aber er war überzeugt, dass es bessere Gegenden gab als diese hier. Er durfte sie hier nicht allein lassen, ganz gleich, wie sicher er seinen Sportwagen verriegelte.

Auf der anderen Seite störte es ihn, sie in seine Familienangelegenheit hineinzuziehen. Überhaupt spielte die Familie hier schon eine viel zu große Rolle. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sie mitzunehmen.

Grübelnd schaute er sie an, als sie ausstieg und zu ihm kam. Wieder stellte er fest, dass ihre wilden Locken einen magischen Rahmen für ihr hübsches Gesicht bildeten. Die Rüschen an ihrem Oberteil schimmerten und ließen ihre Bewegungen beinahe fließend erscheinen. Der kurze Rock flatterte flirtend um ihre Oberschenkel. Nichts an ihr wirkte geplant raffiniert, sondern sie erschien ihm wie eine Frau, die gar nicht wusste, wie sexy sie war. Eine Frau, die einen an schneeweiße Laken auf einem großen, breiten Bett denken ließ. Durfte er überhaupt so an sie denken?

Max lachte kaum hörbar. Was würde seine Mutter nur sagen?

Oh, Max, sei bloß vorsichtig. Lass dich nicht um den kleinen Finger wickeln. Wenn sie ihrer Mutter auch nur ein bisschen ähnlich ist …

Ganz bestimmt hätte sie das gesagt, dachte Max. Aber wusste er auch, dass sie überzeugt war, er würde nichts überstürzen. Natürlich war es ihr ernst damit, die Triple M Ranch zurückzubekommen. Aber was sie am meisten wollte war, dass er C. J. bezauberte und sie dazu brachte, die Ranch wieder an die Familie zu verkaufen.

Max war zuversichtlich gewesen. Von dem, was er über sie gehört hatte, war er sicher gewesen, mit einer Frau wie ihr umgehen zu können. Schön, verwöhnt und von Geburt an dazu erzogen, sich in dem glitzernden Nachtleben zurechtzufinden, in dem sich die reichen Leute ihre Zeit vertrieben.

Bis jetzt hatte er allerdings feststellen müssen, dass er sich gründlich geirrt hatte. Konnte er mit einer Frau wie ihr umgehen? Würde sein legendärer Charme hier greifen? Wenn er in ihre klaren, klugen Augen schaute, musste er sich eingestehen, dass es nicht annähernd so leicht werden würde, wie er es sich auf der anderen Seite des Atlantiks eingebildet hatte.

Und was würde passieren, wenn er ihr gestattete, ihm in das Apartment zu folgen, das er aufsuchen wollte? Um nichts in der Welt wollte er einen Zeugen bei dem Gespräch haben, das er gleich führen würde – mit wem auch immer.

Eine kühle Brise wirbelte das Laub zwischen den Häusern auf und brachte den Geruch nach baldigem Regen mit sich. Cari zitterte, Max schaute die Auffahrt entlang zu der Stelle, wo Tito seinen weißen Leihwagen geparkt hatte.

„Ich habe nachgedacht“, begann Max und schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln. „Die Lage hat sich leider nicht so entwickelt, wie ich es erwartet habe. Es sind Probleme aufgetaucht, mit denen ich nicht rechnen konnte. Ich werde dafür sorgen, dass mein Assistent Sie in den Club zurückfährt. Dort können Sie auf mich warten. Tito wird sich gut um Sie kümmern.“

Cari blitzte ihn an und hob das Kinn. „Das können Sie vergessen. So spät am Abend wechsele ich meine Partner nicht mehr.“

Max zuckte zurück, als hätte sie ihn geschlagen. Wollte sie etwa andeuten, dass …? Er war erstaunt. Es mochte sein, dass er seine Meinung manchmal um jeden Preis durchzusetzen versuchte. Aber auf keinen Fall wollte er für einen Dreckskerl gehalten werden. „Nein, halt, das haben Sie falsch verstanden.“

„Jetzt hören Sie mal zu“, platzte Cari unvermittelt heraus. „Ich will Ihnen nichts unterstellen. Aber bis jetzt ist es ein reichlich merkwürdiges Blind Date gewesen, und wenn ich mich hier umschaue, halte ich es für richtig, Sie zu begleiten, bis Sie mich nach Hause fahren.“

Max versuchte, nonchalant zu wirken, aber gleichzeitig musterte er sie etwas unbehaglich. Hatte er wirklich vorgehabt, diese Frau zu manipulieren? Offensichtlich bedurfte dieser Plan noch einiger Überarbeitung. Aber darum würde er sich später kümmern. Im Moment hatte er ganz andere Probleme.

„Es könnte unschön werden“, warnte er sie. „Ich weiß nicht genau, was uns erwartet. Wir müssen uns auf alles gefasst machen.“

Cari zuckte die Schultern und fragte sich, ob er bemerkt hatte, wie ihre Finger zitterten. Sie war nicht halb so selbstbewusst, wie sie zu klingen versuchte. Als sie sagte, dass es ein sehr seltsames Date sei, hatte sie heillos untertrieben. Anfangs war sie überwältigt gewesen von seiner Präsenz, seinem Selbstbewusstsein, seinem Auftreten. Es hatte sie eingeschüchtert. Aber das war vorhin gewesen.

Nach dem Anruf seiner Mutter und dem Ausflug in diese heruntergekommene Gegend hatte sie ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache. Er mochte zwar der Cousin von Maras Mann sein, aber ganz sicher war er kein normaler Texas-Boy. Sie musste ihn genau im Auge behalten und unbedingt wachsam bleiben.

„Falls es ein Problem gibt, kann ich vielleicht helfen“, schlug sie vor. „Ich möchte Ihren Assistenten nicht in Beschlag nehmen, wenn Sie ihn am meisten brauchen.“ Sie zwang sich zu einem steifen Lächeln. „Keine Sorge, ich werde mich nicht einmischen. Aber ich werde mich die ganze Zeit im Hintergrund halten und Ihnen zur Seite springen, falls Sie mich brauchen. Falls nicht, werden Sie gar nicht merken, dass ich da bin.“

Max blickte sie skeptisch an. „Sicher.“ Er zog eine Grimasse, aber beschloss dann, alles Weitere einfach auf sich zukommen zu lassen. Mit einer Hand strich er sich durch das dichte Haar und seufzte. „Okay. Wenn Sie so weit sind, sollten wir jetzt reingehen und uns überraschen lassen. Wer weiß, womit Tito auf uns wartet.“

Das Gebäude war schmutzig und stank nach altem Essen. Rasch fanden sie die Wohnung. Max klopfte an die Tür, die sofort geöffnet wurde. Ein kleiner, kräftig gebauter Mann begrüßte sie und nickte abwesend, als ihm Cari vorgestellt wurde. Offensichtlich war er mit seinen Gedanken gerade ganz woanders.

„Dann wollen wir mal sehen“, meinte Max, und Tito trat zurück, damit sie hineingehen konnten.

Cari folgte ihm. Sie betrat die Wohnung, ohne im Geringsten auf das vorbereitet zu sein, was sie dort erwartete. Die beiden Männer eilten schnell zum anderen Ende des Zimmers. Zuerst konnte sie gar nicht erkennen, wohin sie gingen. Doch als sie die Babykrippe entdeckte, stockte ihr der Atem.

Nein! schrie es in ihr, kein Baby. Oh, bitte kein Baby. Ihr Herz flatterte panisch. Die Erinnerung an ihre vier Monate alte Tochter Michelle durchflutete ihren gesamten Körper und traf sie vollkommen unvorbereitet. Alles in ihr krampfte sich zusammen, und beinahe hätte sie laut geschluchzt.

Es war fast zwei Jahre her, dass ihr Ehemann Brian und ihre geliebte Tochter Michelle bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Zwei Jahre, in denen sie jeder Begegnung mit Babys nach Kräften aus dem Weg gegangen war.

Blindlings drehte sie sich um, wollte dem Impuls folgen, auf den Flur zu rennen und dann immer weiter, so weit wie nur irgend möglich. Sie wollte dem Schmerz davonlaufen, den der Anblick des Babys in ihr ausgelöst hatte.

Genau in dem Moment, als sie auf der Türschwelle angekommen war, begann das Baby zu weinen. Cari hielt inne, unfähig, einen weiteren Schritt zu tun. Die leisen, gurgelnden Schluchzer steigerten sich zu lautem Schreien.

Cari drehte sich um. Ein Baby weinte. Ein Baby rief nach Trost. Sämtliche Instinkte in ihrem Innern zogen sie zurück in den Raum.

Babys, das waren zarte, hilflose Wesen mit rudernden Ärmchen und strampelnden Beinen. Sie brauchten Hilfe. Und Cari war eine Frau, von Natur aus mit den Fähigkeiten und Gefühlen ausgestattet, in so einer Situation einzugreifen. Und doch …

Sie blieb wie angewurzelt stehen, unfähig, die Schritte zu gehen, die sie zum Bett des Babys führen würden. Und genauso unfähig, die Schritte zu gehen, die sie aus dem Zimmer führen würden. Mit geschlossenen Augen versuchte Cari, gleichmäßig zu atmen und ihr wild pochendes Herz zu beruhigen.

Das Aussehen, das Gefühl und der Duft des Babys, das sie verloren hatte, fluteten durch ihr Herz. Und der Schmerz wurde beinahe unerträglich.

Max konzentrierte sich ausschließlich auf das Baby. Ein bittersüßer Schmerz erfüllte ihn, als er das dunkelhaarige Kind anschaute. Gab es in seinem kleinen Gesichtchen irgendeinen Hinweis darauf, dass es von Gino abstammte? Sahen die Hände so aus wie die seines Bruders? War dieses Kind alles, was vom Leben seines Bruders übrig geblieben war? Höchstwahrscheinlich. Max nahm sich vor, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um es herauszufinden. Und wenn er recht haben sollte, dann würde er dieses Baby nie wieder hergeben.

„Mädchen oder Junge?“, fragte Max den kräftigen Assistenten neben sich.

„Junge.“

Max vermutete, dass er es hätte wissen müssen. Der Strampler, die Decke, alles war hellblau. Anders als im heruntergekommenen Zimmer sah es im Bettchen sauber und ordentlich aus.

„Name?“

„Der Babysitter meinte, sein Name sei Jamie.“

„Babysitter?“ Zum ersten Mal, seit er die Wohnung betreten hatte, löste Max den Blick von dem Kind. „Es gibt einen Babysitter?“

Tito nickte. „Eine Frau. Ich habe ihr gesagt, dass sie im Schlafzimmer warten soll.“

Max nickte ebenfalls. „Wo steckt Sheila?“, fragte er.

Er hatte sie nur ein einziges Mal getroffen. Sie war ganz hübsch und auf ihre Art auch recht nett. Aber leider neigte sie dazu, unablässig dummes Zeug zu plappern, und sie hatte einen unbestreitbaren Hang, sich mit Luxusdingen zu umgeben. Ihre Beziehung mit Gino war schon zu Ende gewesen, als er bei dem Unfall mit dem kleinen Flugzeug ums Leben gekommen war.

Niemand schien zu wissen, was aus ihr geworden war. Ein paar Monate vergingen, bis sie plötzlich mit ihren Anrufen anfing und behauptete, ein Kind von Gino zu haben, für das sie Geld brauchte.

Tito zuckte mit den Schultern. „Der Babysitter weiß es auch nicht. Die Frau behauptet, dass sie vor drei Tagen engagiert worden ist und dass Sheila binnen vierundzwanzig Stunden wieder zurück sein wollte. Doch sie hat sich nicht gemeldet und leider auch keine Telefonnummer hinterlassen.“

„Hast du die Wohnung nach irgendwelchen Hinweisen auf ihren Aufenthaltsort abgesucht?“

„Selbstverständlich. Aber ich habe nichts Wichtiges gefunden.“

„Verdammt“, fluchte Max, „wir können doch nicht hier sitzen bleiben und warten.“

„Die Nanny meinte, dass sie es langsam auch mit der Angst zu tun bekommen hatte und kurz davor war, die Polizei zu rufen, als ich kam.“

„Aber dann hat sie es doch nicht getan?“

„Nein.“

„Gut.“ Max nickte wieder. „Wir werden einen Anwalt engagieren, bevor wir die Behörden informieren.“

Tito musterte ihn eindringlich. „Du hast also vor, das Baby zu dir zu nehmen?“

„Was sonst?“

Tito nickte. Wie auf Befehl begann das Kind wieder zu weinen.

Max starrte auf das Bett. Tito auch. Das Baby weinte noch lauter.

„Es weint“, erklärte Tito schließlich.

„Ja. Scheint so.“ Max entfernte sich ein paar Schritte. Mit schreienden Babys hatte er bisher kaum Erfahrung gemacht, und er war sich nicht sicher, dass er sie unbedingt vermisste.

Tito wackelte mit dem Finger vor der Nase des Babys herum. Aber es schrie nur noch lauter.

„Er hört nicht auf“, bemerkte er mit besorgtem Blick.

Max schien sich ebenfalls unbehaglich zu fühlen. „Nein.“ Er schaute seinen Assistenten an. „Hat es vorher auch geschrien?“

Tito schüttelte den Kopf. „Es hat geschlafen. Glaube ich jedenfalls. Auf jeden Fall hat es nicht einen solchen Lärm gemacht.“

„Aber jetzt.“ Max zuckte zusammen, als der Lärmpegel noch weiter anstieg.

„Und was macht man, wenn sie schreien?“, fragte Tito seinen Boss, der ziemlich verloren dreinschaute.

Die Sorgenfalten auf Max’ Stirn wurden tiefer. „Zum Teufel noch mal, woher soll ich das wissen?“

Die beiden Männer starrten einander an und dann wieder auf das Baby. Die Stimmung war düster.

Inzwischen hatte Cari es geschafft, das Zimmer zu durchqueren, und stand nun direkt hinter ihnen. Sie konnte das Kind kaum sehen. Es schrie, als würde ihm das Herz brechen. Ihre Angst, ihre Panik hatten sich verflüchtigt. Ihr Herz pochte aufgeregt, aber sie hatte sich unter Kontrolle. Mit einem tiefen Atemzug drängte sie sich an den Männern vorbei ans Bett.

„Rennen Sie sich auf der Suche nach dem Aus-Schalter bloß nicht über den Haufen“, stieß sie knapp hervor. „Babys haben keinen.“

Max trat zurück und schien erleichtert, als Cari die Gitterstäbe am Bett umfasste. Innerlich straffte sie sich, senkte den Blick und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Ein dichter dunkler Haarschopf, dicke, rot geweinte Wangen und fest geschlossene Augen.

Zwei Fäuste, die wild in der Luft umherfuchelten – nein, das Kind besaß keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Tochter. Erleichterung durchströmte sie, und zwei Sekunden lang schloss sie die Augen, bevor sie wieder hinunterschaute und mit dem kleinen Kerlchen sprach.

„Sie wissen, wie man mit Babys umgeht?“, fragte der Mann, mit dem sie hergekommen war.

Cari nickte, ohne ihn anzuschauen. Sie wollte nicht, dass er ihre feuchten Augen bemerkte.

Max starrte sie an. Ganz bestimmt war er Frauen und ihren Gefühlen gegenüber nicht immer so aufmerksam, wie er es eigentlich sein sollte. Aber er bemerkte sehr genau, dass in dieser Wohnung gerade irgendetwas Bedeutendes passierte. Krampfhaft grübelte er darüber nach, worum es sich handeln könnte, als Tito ihm von der Schlafzimmertür aus zuwinkte.

Er zögerte einen Moment und vergewisserte sich, dass mit ihr alles in Ordnung war, bevor er ins Schlafzimmer ging, um die Nanny zu befragen.

Cari wiegte den kleinen Jungen in ihren Armen, bis das Weinen verklungen war. Das Baby schloss die Augen, die langen, dunklen Wimpern flatterten noch einen Moment auf den rundlichen Wagen, dann war es still. Sie küsste ihn auf die Stirn und summte ihm leise ein Lied vor.

Es fühlte sich alles so natürlich an. All das, was sie bei ihrem eigenen Baby gelernt hatte, kam nun vollkommen natürlich zu ihr zurück – auch wenn sie daran jetzt nicht denken wollte. Die Vergangenheit auszublenden war immer noch ein Teil ihres Plans, um die Gegenwart akzeptieren zu können. Sie war lange genug in ihrer Trauer versunken gewesen und hatte erkannt, dass sie so nicht den Rest ihres Lebens verbringen konnte. Viel zu lange hatte sie versucht, jede Begegnung mit Babys zu vermeiden weil sie hoffte, so dem Schmerz aus dem Weg zu gehen, den die Erinnerungen mit sich brachten.

Doch jetzt, wo sie ohne Vorwarnung ins kalte Wasser geschubst worden war, hatte sie das Gefühl, in einem ganz besonderen Himmel gelandet zu sein. Cari schaute noch nicht einmal auf, als die Männer wieder das Zimmer betraten. Sie schwebte auf ihren Gefühlen und ignorierte alles andere.

Die Stimme einer Frau riss sie kurz aus ihrer Versunkenheit, aber sie schenkte der älteren Frau kaum Beachtung, als diese, von Tito begleitet, zur Tür ging. Sie war sich vage bewusst, dass das wohl die Babysitterin gewesen war und Tito sie nun heimfahren würde, doch es schien nichts mit ihr und ihren Gefühlen für dieses wundervolle Baby zu tun zu haben.

Max beobachtete sie eine Weile. Er war erstaunt, wie schnell sie sich auf eine Weise um das Baby kümmerte, die er nicht verstand.

„Was halten Sie von ihm?“, fragte er.

„Er ist ein Schatz“, murmelte Cari, zog ihn lächelnd an sich und wiegte ihn hin und her. „Ein süßer kleiner Schatz. Am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr hergeben.“

Max nickte. „Ich finde ihn auch ziemlich süß“, meinte er. „Solange er nicht schreit.“

Cari warf dem großen Mann neben sich einen erschrockenen Blick zu. Sie hatte so ihre Erfahrungen mit Männern, die von einem weinenden Baby aus dem Gleichgewicht gebracht wurden. Das war kein gutes Zeichen. Doch dann beruhigte sie sich wieder. Sicher hatte er nur eine durchaus übliche Bemerkung gemacht.

„Wer ist er?“, fragte Cari und strich über die weichen Haare auf dem kleinen Kopf. „Wie ist Ihre Beziehung zu ihm?“

Max zögerte und entschied sich dann, ihr die Wahrheit zu sagen. „Er ist der Sohn meines Bruders“, erklärte er. „Jedenfalls nehmen wir das an. Genaueres werden wir wissen, wenn wir einen DNA-Test gemacht haben.“

Cari zuckte zurück. Irgendetwas gefiel ihr nicht. Das gute Gefühl, das sich durch das Wiegen des Babys in ihr ausgebreitet hatte, schien sich in Luft aufzulösen.

„Es ist das Baby Ihres Bruders, und Sie haben es noch nie zuvor gesehen?“ Stirnrunzelnd schaute Cari ihn an.

Max zuckte die Schultern. „Ich war in Italien“, antwortete er, als ob das alles erklären würde.

„Wo ist Ihr Bruder?“, hakte sie nach. „Oder die Mutter des Babys?“

„Gute Frage.“ Max beschloss, nicht weiter auf seinen Bruder einzugehen. „Wir wissen es nicht. Es sieht so aus, als wäre sie verschwunden. Die Babysitterin hat gesagt, dass sie schon vor Tagen zurück sein wollte.“

Cari nickte nachdenklich. „Ich nehme an, dass Sie die Polizei rufen werden?“

Max antwortete, ohne zu zögern. „Nein. Noch nicht.“

„Aber …“

Er begann, unruhig auf und ab zu gehen. „Hören Sie, C. J., das hier geht Sie wirklich nichts an. Ich bin schon seit Wochen auf der Suche nach dem Baby. Und jetzt, wo ich ihn gefunden habe, werde ich tun, was ich für richtig halte.“

Cari schüttelte verzweifelt den Kopf. „Warum nennen Sie mich eigentlich ständig C. J.?“, wollte sie wissen. „Ich heiße Cari, und mir gefällt der Name.“

Max zog die dunklen Brauen hoch. „Ist das nicht ein bisschen formell? Sie wollen allen Ernstes, dass ich Sie Miss Kerry nenne?“

„Nein.“ Wie konnte er nur so begriffsstutzig sein! „Die ‚Miss‘ können Sie sich sparen.“

Max schien verwirrt. „Nur um sicherzugehen, dass ich Sie richtig verstanden habe: Sie wollen, dass ich Sie mit Ihrem Nachnamen anspreche?“

„Cari ist nicht mein Nachname“, unterbrach sie ihn rasch. „Wie kommen Sie nur darauf? Es ist mein Vorname. Einfach nur ganz schlicht Cari, ohne ein einziges ‚J‘ irgendwo.“

Max schüttelte noch verwirrter den Kopf. „Sie heißen doch Celinia Jade Kerry, oder?“

„Nein.“ Cari rümpfte die Nase über den seltsamen Namen, den er ihr andichten wollte. „Ich heiße Cari Christensen. Und zwar schon seit einer ganzen Weile. Es ist sozusagen amtlich. Ich kann es sogar beweisen. Wollen Sie meinen Führerschein sehen?“

Max schaute ihr lange in die klaren blauen Augen. Sie sah aus wie eine Frau, die die Wahrheit sagte. Langsam dämmerte es ihm. Irgendetwas war ihm schon von Anfang an komisch vorgekommen. Sie hatte nicht in das erwartete Profil gepasst. Er hätte seinen Instinkten trauen sollen. Und jetzt? Was zum Teufel hatte er getan? Das hier war die falsche Frau.

„Oh-oh“, war alles, was ihm dazu einfiel.

3. KAPITEL

Caris seufzte und drückte das Baby fester an ihre Brust. Sie spürte, wie die Ungeduld in ihr wuchs. Es war von Anfang an ein seltsames Date gewesen, aber es wurde immer seltsamer.

Erstens war der Mann vollkommen anders, als sie erwartet hatte. Zweitens waren da die italienischen Elemente – ganz zu schweigen von dem leichten Akzent. Dann die Mutter am Telefon. Ein vernachlässigtes Baby in einem verwahrlosten Apartment. Der Assistent namens Tito. Cari hatte das Gefühl, in einem drittklassigen Film gelandet zu sein. Mara hatte sie vor nichts von dem, was passiert war, gewarnt.

„Hören Sie, Randy“, begann Cari mit blitzenden Augen ihre Predigt.

Max schaute sie verwirrt an. „Wer zum Teufel ist Randy?“

Geschockt holte Cari Luft. Dieser Mann hieß nicht Randy? War er etwa nicht der Mann, auf den sie gewartet hatte? Der Mann, mit dem ihre Freundin ein Date für sie vereinbart hatte?

Nein, natürlich war er es nicht. Hatte sie das nicht schon die ganze Zeit vermutet? Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Vor ihr stand nicht der Cousin von Maras Ehemann! Und das erklärte beinahe alles.

„Sie sind nicht Randy Jeffington?“, fragte Cari, obwohl sie die Antwort längst kannte.

Max schüttelte den Kopf. „Nie von ihm gehört“, brummte er.

„Oh-oh“, wiederholte sie seine vorherigen Worte. Sie fühlte sich ein bisschen unsicher auf den Beinen.

Plötzlich erinnerte sie sich deutlich an den großen, blonden Mann mit Brille und einer roten Rose in der Hand. Cari hatte ihn genau in dem Moment gesehen, als sie mit Max den Club verlassen hatte, und nun wusste sie, wer er war: Randy. Der arme Kerl.

Aber hatte sie es nicht die ganze Zeit über geahnt? Ein Blind Date mit diesem unglaublich attraktiven Mann … es war zu schön, um wahr zu sein.

Der arme Randy Jeffington. Ob er wohl immer noch in die Longhorn Lounge durchstreifte und nach ihr suchte?

„Du lieber Himmel. Wir müssen sofort zurück.“

Max nickte grimmig. „Da könnten Sie recht haben. Wir sind das falsche Date.“

„Im Club muss es eine Frau geben, die … wie hieß sie doch gleich … sie muss dort auf Sie warten.“

„Mit einer roten Rose in der Hand.“

„Oh nein.“ Cari verzog theatralisch das Gesicht. „Zu dumm, dass wir uns alle für die gleiche Farbe entschieden haben, nicht wahr?“

Max starrte sie immer noch an. „Zu dumm, dass wir uns nicht gleich zu Anfang mit Namen vorgestellt haben“, entgegnete er knapp.

Cari setzte sich das Baby auf die andere Hüfte und versuchte, sich zu erinnern, wie es hatte passieren können. „Sie haben mich Miss Cari genannt. Ich heiße Cari. Mit einem C. Ich dachte …“

„Ich hatte Sie Miss Kerry genannt. Mit K.“

„Oh. Das konnte ich da aber nicht wissen.“

„Ich hatte mich klar und deutlich ausgedrückt. Sie hätte es ahnen können.“

Ich hätte es ahnen können? Und Sie? Sie haben sich benommen, als wüssten Sie genau, wer ich bin. Ich … ich bin Ihnen doch nur gefolgt. Wie ein Marionette.“

Cari erinnerte sich stirnrunzelnd daran, dass sie wie in Trance gewesen war. Sie hatte kaum glauben können, dass ein Mann wie er der Randy war, auf den sie wartete. Und ich habe recht behalten, seufzte sie lautlos. „Na ja. Was passiert ist, ist passiert. Wir können jetzt nur versuchen, es rückgängig zu machen.“

„Genau.“ Max schaute auf das schlafende Baby in ihrem Arm und ließ den Blick dann durch das schlichte Zimmer schweifen. „Lassen Sie uns gehen.“

Cari betrachtete das Baby. „Nehmen wir ihn mit?“

„Wir können ihn wohl kaum hier lassen.“

„Stimmt.“ Cari nahm die Decke aus dem Bettchen und wickelte das Baby ein, während Max sich die Tasche mit den Windeln schnappte. Wieder seufzte sie lautlos, als sie ihren Blick über den attraktiven Mann gleiten ließ, der sie hierher gebracht hatte. Er war wie eine Gestalt aus einer griechischen Sage, groß und schlank, und hatte dazu die klassischen Gesichtszüge eines Kinohelden. Wenn etwas zu gut wirkte, um wahr zu sein, dann war es meistens auch so. Aber es war trotzdem ein sehr interessanter Abend gewesen.

„Und wie heißen Sie nun wirklich?“, fragte Cari, während sie sich im Apartment umschauten, ob sie auch nichts vergessen hatten.

„Max“, erwiderte er grimmig, „Max Angeli.“

„Ich bin Cari Christensen.“

Er musterte sie aufmerksam und musste beinahe lächeln. Diese Frau machte auf ihn den Eindruck, als würde sie auch unter den schwierigsten Umständen den Humor nicht verlieren. Im Gegensatz zu mir, dachte er mürrisch. „Das hatten Sie bereits erwähnt.“

„Ich dachte, dass Sie es in der Hitze des Augenblicks vielleicht überhört hätten.“

Max nickte. Seine Mundwinkel zuckten. „Ich wünschte, Sie hätten es erwähnt, solange wir noch im Club waren, anstatt mit der verdammten Rose vor meiner Nase herumzuwedeln.“

„Oh!“ Cari hielt inne und starrte ihn empört an. „Sie wollen doch wohl nicht mir die Schuld an dieser Katastrophe in die Schuhe schieben, oder?“

Max mochte das Feuer in ihrem Blick. Sie war zwar nicht sein Typ, und in der großen Menge wäre sie ihm niemals aufgefallen; aber trotzdem hatte sie etwas an sich, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er schätzte ihre lebhaften Reaktionen und konnte nicht widerstehen, sie ein wenig auf den Arm zu nehmen.

„Warum nicht?“, fragte er mit einem lässigen Achselzucken. „Wenn Sie schneller geschaltet hätten, wäre das alles nicht passiert. Ihretwegen habe ich meine Verabredung sitzen lassen. Wer weiß, vielleicht haben Sie damit eine vielversprechende Beziehung zerstört.“

„Und Sie haben mein Date mit Randy verhindert“, erinnerte Cari ihn, auch wenn sie langsam merkte, dass er das alles nicht wirklich ernst meinte. „Wie können Sie sich sicher sein, dass sie damit nicht eine der größten Liebesgeschichten der Welt am Entstehen gehindert haben?“, zog sie ihn auf.

Zweifelnd hob Max die Brauen. „Sie und Randy?“

„Sicher. Warum nicht?“ Cari musterte ihn abschätzig. „Romeo und Julia. Anton und Cleopatra. Debbie Reynolds und Eddie Fisher.“ Sie warf sich in Pose. „Die Namen Cari und Randy hätten vielleicht auch in dieser Reihe stehen können.“

„Sie waren alle dem Untergang geweiht“, bemerkte Max. „Und wenn das zwischen Ihnen wirklich die große Liebe werden sollte, dann braucht es mehr als ein verhindertes Blind Date, um dem Schicksal ins Handwerk zu pfuschen.“

„Kann sein.“ Cari lächelte. „Das gilt auch für Sie.“

Max lachte kurz und humorlos. „C. J. und ich sind nicht für die große Liebe vorgesehen“, erklärte er sarkastisch. „Aber wir sind auserkoren, die Hauptrollen in einem hübschen Stück zu übernehmen.“

„Woher wollen Sie das wissen, wenn Sie sie doch überhaupt nicht kennen?“, fragte Cari verwirrt.

Er wusste genug über C. J., um zu wissen, dass sie – leider – sehr wichtig für sein Leben war. Mit einem bittersüßen Lächeln stieß Max die Tür zum Gebäude auf. „Das Schicksal ist unerbittlich.“

„Schicksal. Ein starkes Wort.“

Aber all das war vergessen, als Cari den Blick wieder nach vorn richtete.

„Es fängt an zu regnen“, meinte sie missmutig, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel.

„Ja.“ Max fragte sich, was eigentlich noch alles schiefgehen konnte. Vermutlich steckte er nur mitten in einer dicken Pechsträhne, aber langsam wurde es eintönig.

„Wo ist das Auto?“, hakte Cari nach.

„Das Auto?“

Max schaute in die Richtung, in der er den Wagen geparkt hatte. Der Platz war leer. Unwillkürlich fragte er sich, ob Tito ihn genommen hatte, aber nein. Er ließ den Blick über die Auffahrt schweifen. Titos Leihwagen war verschwunden.

Wieder betrachtete er die Stelle, wo er seinen schönen neuen Sportwagen geparkt hatte. Kein Zweifel, er war weg. Nun wusste er, was noch alles schiefgehen konnte.

Max stieß einen kalten und deftigen Fluch aus. Und obwohl er Italienisch gesprochen hatte, zog Cari das Baby unwillkürlich enger an sich und warf ihm einen missbilligenden Blick zu. Er griff in seine Tasche und stellte fest, dass er das Handy im Wagen gelassen hatte, der gestohlen worden war. Zum zweiten Mal fluchte er.

„Wo ist Ihr Telefon?“, stieß er unfreundlich hervor.

Cari schüttelte den Kopf. „Hab ich nicht dabei“, erwiderte sie.

Max starrte sie an. Er konnte es kaum fassen, dass seine Pechsträhne immer noch nicht abreißen wollte.

„Mein Wagen ist gestohlen worden. Sie haben kein Telefon. Ich auch nicht. Wir haben uns gerade aus dem Gebäude ausgeschlossen, und es fängt an zu regnen.“

Cari seufzte und ließ die Schultern sinken. Das klang gar nicht gut. „Außerdem sind wir in einer ziemlich miesen Gegend gelandet“, fügte sie hinzu und betrachtete die drohenden Schatten ringsum.

„Nicht mehr lange.“ Max schnappte sich die Tasche mit den Windeln, die er abgestellt hatte, und ließ den Blick die Straße entlangschweifen. Die Lichter der Innenstadt leuchteten in den Nachthimmel. Es war also klar, in welche Richtung sie sich bewegen mussten.

„Wir müssen wohl oder übel ein Stück laufen. Jedenfalls so lange, bis wir ein Taxi ranwinken können. Am besten, wir machen uns gleich auf den Weg. Je schneller wir uns in Bewegung setzen, desto eher sind wir da.“

Cari warf einen Blick auf ihre sechs Zentimeter hohen Absätze. „Okay“, stimmte sie mit einem Seufzen zu.

Max folgte ihrem Blick. „Die Schuhe sind wohl nicht für Spaziergänge gemacht“, bemerkte er trocken.

Diese Feststellung war durchaus richtig. Dennoch sahen ihre Füße in den Schuhen sehr süß aus, ganz zu schweigen davon, was die hohen Absätze mit ihren wundervollen Beinen machten. Max schluckte schwer, als der Gedanke sich in seinem Kopf festsetzte. Als er den Blick hob und in ihre blauen Augen schaute, packte ihn eine neue Welle der Erregung. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um seinen Hormonen die Führung zu überlassen.

„Ich könnte Sie tragen“, bot er etwas schroff an, während er ihrem Blick standhielt. „Aber mit dem Baby …“

„Oh, mein Gott, bloß nicht!“, erwiderte Cari und trat einen Schritt zurück. „Ich kann schon alleine gehen. Glauben Sie mir, das mache ich seit Jahren!“ Sie eilte ein paar Schritte die Straße entlang, als wollte sie es beweisen. „Ich trage das Baby, und Sie nehmen die Windeltasche, die ist schwerer.“

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg durch das dunkle Viertel und versuchten, den Nieselregen zu ignorieren. Die meisten Gebäude schienen gewerblich genutzt zu werden; es drang kein Laut aus den Häusern an der Straße, die sie entlangeilten. Es war beinahe gespenstisch.

Entschlossen verdrängte Max jeden Gedanken an seinen Ferrari. Es machte keinen Sinn, um den Wagen zu trauern, wenn es so viele andere Dinge gab, über die er sich den Kopf zerbrechen musste.

Ab und zu fuhr ein Auto an ihnen vorbei, zu schnell jedoch, um es anhalten zu können. Auf der Straße war weit und breit niemand zu sehen – jedenfalls niemand, der auf seine Anwesenheit aufmerksam gemacht hätte. Aber es lag eine seltsame Stimmung in der Luft, eine vage Bedrohung. Es war keine Gegend, die einer von ihnen freiwillig aufgesucht hätte.

Instinktiv drückte Cari das Baby enger an sich. Als sie es anschaute, spürte sie eine Welle der Zärtlichkeit in sich aufwallen. Babys mussten beschützt werden; das war die Aufgabe der Erwachsenen. Aber genau in dem Moment, als dieser Gedanke ihr durch den Kopf ging, durchzuckte sie der Schmerz. Wenn sie doch nur in der Lage gewesen wäre, ihr eigenes Baby zu beschützen! Wenn Brian doch nur vorsichtiger gewesen wäre. Wenn …

Nein. Entschlossen schüttelte Cari das Bedauern ab. Zu oft schon hatten ihre Gedanken diesen Weg eingeschlagen. Nach dem Unfall, der ihr den Mann und das Kind geraubt hatte, war sie monatelang förmlich in Selbstvorwürfen versunken. Die „Wenn doch nur“-Gedanken hatten ihr beinahe das Herz zerrissen.

Es hatte viel Zeit und professionellen Beistand gebraucht, um sie aus dieser Abwärtsspirale herauszureißen, und sie wollte nie wieder so tief fallen. Man konnte sich entweder in der Vergangenheit vergraben und jeden Tag ein bisschen sterben. Oder man konnte nach der Zukunft greifen und ein neues Leben beginnen. Langsam und manchmal voller Schmerz hatte sie sich für die zweite Möglichkeit entschieden.

Aber die Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit mit ihrem eigenen Kind gemacht hatte, halfen ihr jetzt mit diesem Baby. Es schien eine natürliche Verbindung zwischen ihr und dem Jungen auf ihrem Arm zu geben, und sie fühlte sich besser, als sie es je für möglich gehalten hätte.

Cari schaute sich um und wünschte sich, in einer besseren Gegend gelandet zu sein.

„Haben Sie eine Waffe dabei?“, fragte sie Max, weniger, weil sie eine positive Antwort erwartete, sondern vielmehr um ihrer eigenen Angst Ausdruck zu verleihen.

„Leider habe ich meine Glock vergessen“, witzelte Max. Aber sie merkte, dass er ebenfalls einen Blick über die Schulter warf. „Wenn ich nur geahnt hätte, dass ich ihn brauchen würde!“

„Da können Sie mal sehen“, meinte sie locker. „Ich nehme an, dass Sie nie bei den Pfadfindern waren.“

Er musterte sie aufmerksam. „Und was hätte ich davon gehabt?“

Cari zuckte mit der Schulter und schob das Baby auf ihrem Arm zurecht. „Dann würden Sie deren Motto kennen. Allzeit bereit.“

Autor

Raye Morgan
Raye Morgan wuchs in so unterschiedlichen Ländern wie Holland, Guam und Kalifornien auf und verbrachte später einige Jahre in Washington, D.C. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann, der Geologe und Informatiker ist, und zwei ihrer vier Söhne in Los Angeles. „Die beiden Jungen zu Hause halten mich immer auf dem...
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