Komm auf mein Schloss mit mir

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Lord Cal Lorrimers überraschender Kuss ist Versuchung pur - fast verfällt Samantha dem sinnlichen Charme des attraktiven Adligen. Doch das darf nicht sein! Schließlich ist sie mit dem Mann verlobt, der sie eigentlich auf Lorrimer Castle gebeten hat - Cals Bruder!


  • Erscheinungstag 11.01.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787714
  • Seitenanzahl 149
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Zug von London nach Dutton Weald war nicht gerade der schnellste. Er hielt an fast jeder Station. Der Gegensatz zwischen der hektischen Geschäftigkeit Manhattans und der beschaulichen Ruhe dieser Landschaft hätte krasser nicht sein können. Samantha Sumner jedoch hatte kein Auge dafür.

Sie blickte aus dem Fenster, ohne etwas wahrzunehmen. Was wollte sie eigentlich in Lorrimer Castle? Selbst wenn ihr Großvater damals wirklich um sein rechtmäßiges Erbe betrogen worden war, hatte sie nach all den Jahren wohl kaum eine Chance, die Wahrheit herauszufinden. Ihr Plan schien plötzlich so unrealistisch. War es die Sache wirklich wert, dass sie dafür intrigiert und gelogen hatte? War sie es wert, dass sie ihre Prinzipien dafür verraten hatte?

Obwohl ursprünglich nicht beabsichtigt, hatte Samantha letzte Nacht in London verbracht, um sich alles noch einmal zu überlegen. Sie hatte sich jedoch entschieden, ihre Reise fortzusetzen. Sie hatte schon zu viel riskiert, um jetzt noch aufzugeben.

Samantha dachte an ihren Großvater. Jahrzehntelang hatte er sein Schicksal schweigend erduldet. Mit keiner Silbe hatte er erwähnt, welche Ungerechtigkeit ihm zugefügt worden war, und hatte sich seine Verbitterung nicht anmerken lassen. Gedankenverloren ließ sie den Brillantring an ihrem linken Ringfinger im Licht blitzen und sagte sich, dass der Zweck die Mittel heilige.

Falls das, was ihr Großvater auf seinem Sterbebett erzählt hatte, wirklich der Wahrheit entsprach, sollten die Lorrimers ihre gerechte Strafe erhalten. Deshalb hatte sie ihre Reise fortgesetzt. Am Morgen hatte sie in Lorrimer Castle angerufen und dem Butler ihre neue Ankunftszeit mitgeteilt.

Wieder stoppte der Zug, und ein Mann stieg ein, der sich Samantha gegenübersetzte. Wohlgefällig musterte er ihre schlanke Figur, ihr apartes Gesicht mit den ausdrucksvollen grünen Augen, das von langen schwarzen Haaren umrahmt wurde. Er hielt die Beine so, dass sich ihre Knie berührten. Samantha blickte ihn eisig an und sah dann wieder aus dem Fenster. Ihre Gedanken schweiften erneut in die Vergangenheit.

Nachdem ihr Großvater bettlägerig geworden war und rund um die Uhr eine Pflegerin gebraucht hatte, waren seine Ersparnisse schnell aufgebraucht gewesen. Für Samantha hatte das dann bedeutet, dass sie ihr Medizinstudium abbrechen und sich nach einer Arbeit umsehen musste. Sie hatte einfach keine andere Wahl. Als ihr eine Agentur einen Vertrag als Model anbot, griff sie kurz entschlossen zu und tat so, als hätte sie das große Los gezogen.

Doch ihr Großvater ließ sich nicht täuschen. Er war traurig und deprimiert, dass sie aus Geldmangel ihre Karriere abbrechen musste. Dann jedoch fand er in einer bekannten New Yorker Abendzeitung den Artikel über C. Lorrimer, und seine Stimmung schlug in regelrechte Verbitterung um.

Auf dem Totenbett vertraute er Samantha an, dass man ihn um sein rechtmäßiges Erbe betrogen habe.

„Ich bin der älteste Sohn. Laut Testament hätte alles mir gehören müssen, Lorrimer Castle und auch der Titel … Ich hätte für meine Rechte kämpfen sollen.“

„Warum hast du das nicht getan?“, fragte Samantha.

„Ich war schwer verwundet und nervlich völlig zerrüttet. Als ich nach dem Krieg endlich wieder nach Hause kam, erfuhr ich, dass meine Eltern bei einem Luftangriff auf London ums Leben gekommen waren und mein jüngerer Bruder Albert Herr auf Lorrimer geworden sei. Der Anwalt erklärte mir, dass während des Krieges ein neues Testament gemacht worden sei, das man nicht anfechten könne … Ich hatte das Gefühl, dass er mir etwas verschwieg … Alle verschwiegen sie mir etwas … Es war wie eine stille Verschwörung … Mit meinem Bruder habe ich mich nie gut verstanden … Lorrimer Castle gehörte mir, aber er hat mich noch nicht einmal hineingelassen … Er hat mich vernichtet … Margaret hatte auf mich gewartet, und ich konnte ihr nichts bieten … Sie hasste den Namen Lorrimer … Wir heirateten, und ich nahm ihren Namen an.“

Ihr Großvater ließ sich nicht beruhigen. Stundenlang erzählte er unzusammenhängend und wirr von der Vergangenheit. Samantha erfuhr von einer silbernen Schnupftabakdose mit dem Familienwappen der Lorrimers. Darin sollte der Schlüssel sein, der zu der chinesischen Lackschatulle passte, in der die Testamente aufbewahrt wurden. Sie hörte von dem Familienstammbaum, der in der Bibliothek hing, und von der alten Familienbibel, die in der Kapelle lag.

Henry Sumner war ein alter Mann, der unter Sprachstörungen litt und der geistig nicht mehr klar war. Samantha vermutete, dass ihr Großvater nicht mehr zwischen der Realität und seinen Fantasien unterscheiden konnte. Als er jedoch einige Tage später starb und sie in seinem Nachlass die Schnupftabakdose mit dem Schlüssel fand, suchte sie sich die Zeitung aus dem Altpapier hervor und las den Artikel noch einmal.

Lord C. Lorrimer, der englische Großunternehmer, der sein Imperium von seinem einsamen Castle in Kent aus lenkt, kommt Ende nächsten Monats nach New York.

Er ist nicht nur Inhaber einer weltweiten Hotelkette, sondern besitzt auch Banken und Versicherungen. Auch eines der größten Elektronikunternehmen in den Staaten gehört ihm. Anlass seines Besuches ist die Übernahme eines bekannten Verlages in Manhattan.

Der blaublütige Industrieboss, einer der begehrtesten Junggesellen der High Society, wird in einem seiner Luxus­hotels hier in New York wohnen und mit einer Riesenparty empfangen.

Lorrimer, wie er sich unter Verzicht auf seinen Titel schlicht zu nennen pflegt, ist ein Mann, dem nichts an Öffentlichkeit liegt und der ein zurückgezogenes Leben führt. Er gibt keine Interviews und lässt sich nicht fotografieren.

Dass er die Einöde Kents dem kulturellen Leben Londons vorzieht, bedeutet jedoch nicht, dass er ein Asket ist. Er bevorzugt rassige Frauen, die nicht nur klug, sondern auch bildhübsch sind.

Lorrimer erbte das Vermögen 1990, als er seine Eltern durch einen Segelunfall verlor. Wenn man den Gerüchten glauben darf, waren seitdem etliche bekannte Schönheiten seine Gespielinnen auf Lorrimer Castle.

Ohne eitel zu sein, wusste Samantha, dass sie das war, was in den Medien als „bekannte Schönheit“ bezeichnet wurde. Hätte sie die Möglichkeit, diesem Lorrimer vorgestellt zu werden, würde es ihr bestimmt gelingen, seine Aufmerksamkeit zu fesseln und eine Einladung auf sein Schloss zu erhalten.

Nein! Das war nicht ihre Art. Nichts verabscheute sie so sehr wie Lügen. Für eine solche Intrige war sie sich zu schade.

Dennoch wurde in den nächsten Wochen, als sie über den Tod ihres Großvaters hinwegzukommen versuchte, die Vorstellung, die Wahrheit herauszufinden, zu einer fixen Idee. Aber selbst wenn es stimmte, was in der Zeitung über Lord C. Lorrimer berichtet worden war, sah sie keinerlei Chance, ein Treffen zu arrangieren.

Doch das Schicksal wollte es anders. Die Modezeitschrift, für die Samantha gerade als Model in einer Parfümwerbung arbeitete, gehörte genau zu der Verlagsgruppe, die von Lorrimer übernommen wurde. Samantha erhielt eine Einladung zur Begrüßungsparty.

Sie machte sich mit allergrößter Sorgfalt zurecht und mischte sich unter die glanzvolle Gesellschaft, die zum Empfang des berühmten C. Lorrimer erschienen war.

Er war ganz anders, als Samantha sich ihn vorgestellt hatte. C. Lorrimer war blond und wirkte trotz seines Designeranzugs unauffällig. Außerdem war er viel jünger, als sie gedacht hatte. In ihren Augen war er ein netter Durchschnittsmann. Er war höflich und lächelte viel, trotzdem hatte sie den Eindruck, dass ihm die Party keinen Spaß machte und er das Ende des Festes herbeiwünschte.

Bedingt durch die Krankheit ihres Großvaters, war Samantha in ihrer Freizeit kaum aus dem Haus gekommen. Deshalb hatte sie sich keinen Freundes- und Bekanntenkreis aufbauen können und kannte hier fast niemanden, was ihr aber nur recht war. Sie konnte unbelästigt, ein Glas Champagner in der Hand, durch die Menge schlendern, alles beobachten und sich einen Schlachtplan zurechtlegen.

Sie passte einen Moment ab, in dem der gefeierte Gast einmal nicht von einer dichten Traube Bewunderer umringt war, stieß mit der Hand, in der sie ihr Glas hielt, absichtlich gegen seinen Ellenbogen und schüttete sich den Champagner über das Kleid. Ganz Kavalier, entschuldigte sich Lorrimer sofort für seine Ungeschicklichkeit.

Samantha strahlte ihn an. „Es ist allein meine Schuld“, beteuerte sie.

„Sie sind doch Samantha Sumner“, rief er überrascht aus. „Ich habe Ihr Bild auf der Titelseite der letzten Ausgabe unserer Modeillustrierten gesehen!“

Er zog ein blütenweißes Taschentuch hervor und versuchte erfolglos, die Flecken auf ihrem Kleid zu trocknen. „Ich bin Christopher Richard Peregrine Lorrimer“, sagte er dabei. „Meine Familie und meine Freunde nennen mich Richard.“ Er stöhnte und betrachtete ihr Satinkleid. „Es tut mir leid, aber ich scheine alles nur noch schlimmer zu machen.“

„Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich wollte sowieso gerade gehen.“

„Das kommt gar nicht infrage.“ Er schluckte, und Samantha bemerkte, dass er einen ausgeprägten Adamsapfel hatte. „Oder sind Sie in Begleitung?“, setzte er mit unsicher klingender Stimme hinzu.

„Nein, ich bin allein hier.“

Seine Erleichterung war ihm anzusehen. „Gut, dürfte ich Sie dann nach Hause bringen?“

Sein Feingefühl überraschte Samantha. Entweder hatte sich die Klatschkolumnistin geirrt, oder dieser Lorrimer war der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz. „Ich kann Ihnen doch nicht diese tolle Party verderben“, antwortete sie scheinheilig.

„Ganz im Gegenteil, ich bin froh, von hier wegzukommen. Ich hasse diese lauten Festlichkeiten. Haben Sie einen Mantel dabei?“

„Nein.“

„Also gehen wir.“ Er ignorierte den missbilligenden Blick eines stämmigen Mannes, der neben ihm stand, und nahm Samanthas Arm.

Sie zögerte. „Eigentlich wollte ich erst etwas essen. Von diesen Häppchen hier bin ich nicht satt geworden.“

„Dürfte ich Sie zum Essen einladen?“

„Das wäre wunderbar, Mr Lorrimer.“

„Richard, bitte.“

„Richard.“ Sie lächelte ihn betörend an.

Fasziniert sah er sie an. „Ich kenne mich in New York nicht aus. Aber ich weiß, dass es in der Nähe des Hotels mehre ausgezeichnete Restaurants gibt.“

Samantha blickte auf ihr Kleid und tat so, als würden ihr erst jetzt die Flecken wieder einfallen. „Ich glaube, ich gehe doch lieber nach Hause. In diesem Aufzug kann ich mich nirgends blicken lassen.“

„Dürfte ich Sie zum Dinner in meine Suite einladen?“

Jetzt, da sie ihren Plan so spielend leicht verwirklicht hatte, wurde Samantha doch nervös. War ihr Spiel nicht zu gewagt? Aber wenn sie ihr Ziel erreichen wollte, musste sie schon ein gewisses Risiko eingehen. Außerdem war Richard kaum größer als sie und nicht gerade athletisch gebaut. Wenn es hart auf hart käme, würde sie ohne Weiteres mit ihm fertig werden.

Kurz entschlossen neigte sie den Kopf zur Seite und sah Richard tief in die Augen. „Das wäre wundervoll“, hauchte sie.

Richard schien sein Glück nicht fassen zu können. Hastig verabschiedete er sich von dem stämmigen Mann, den er Ryan nannte, und führte Samantha aus dem Saal.

Sie atmete tief durch. Richard Lorrimers Interesse zu erregen war leichter gewesen, als sie gedacht hatte. Jetzt kam es nur noch darauf an, ihn bei Laune zu halten.

Was dann geschah, übertraf Samanthas kühnste Träume. Richard verbrachte jede Minute, über die er bei seinem vollen Terminkalender frei verfügen konnte, in ihrer Gesellschaft. Trotzdem waren sie selten allein, und Richard stellte nicht die Frage, die sie eigentlich erwartet hatte. Irgendwie war Samantha darüber erleichtert. Es ersparte ihr weitere Lügen.

Dann jedoch, als sie kurz vor seinem Abflug noch einen Kaffee zusammen tranken, zauberte er plötzlich den Brillantring aus der Tasche und bat sie, seine Frau zu werden.

Samanthas Überraschung war nicht gespielt. „Richard, das kommt mir zu schnell“, sagte sie mit unsicherer Stimme. „Wir kennen uns doch kaum, und unser bisheriges Leben ist so unter­schiedlich verlaufen.“

„Samantha, sag bitte nicht gleich Nein“, bat er. „Komm und sieh dir Lorrimer Castle an. Bleib mindestens einen Monat, sieh dir an, wie ich lebe, und lerne mich richtig kennen. Wenn dir Lorrimer zu einsam ist, können wir nach der Heirat auch in London wohnen. Du brauchst deine Karriere meinetwegen nicht aufzugeben. Ich besorge dir ein Ticket nach London. Du kannst mich dann jederzeit besuchen.“

„Nein!“, erwiderte sie scharf. „Ich würde mir Lorrimer gern ansehen, aber meinen Flug bezahle ich selbst“, setzte sie dann mit weicherer Stimme hinzu.

„Dann folge mir so schnell wie möglich. Bis dahin denk an mich.“ Er steckte ihr den Ring an den Finger. „Ich rufe dich jeden Tag an.“

„Bitte nicht. Ich … Ich brauche Abstand, um in Ruhe nachdenken zu können.“

„Wenn du es unbedingt willst“, antwortete er zögernd. „Ruf mich an, wenn du zu einer Entscheidung gekommen bist. Ich verspreche dir, ich werde dich jederzeit abholen.“ Er küsste sie ungeschickt und stieg in das Taxi, das ihn zum Flughafen brachte.

Ruckartig fuhr der Zug an. Nach Samanthas Berechnung musste sie an der nächsten Station aussteigen. Richard würde jetzt wohl schon am Bahnsteig auf sie warten. Sie seufzte und versuchte, sich zu sammeln. Alles wäre viel einfacher, wenn Richard nicht so nett und sympathisch wäre, dachte sie. Sie konnte es sich nicht leisten, ihn zu mögen, denn er gehörte zur feindlichen Partei.

Nur wenige Fahrgäste verließen den Zug in Dutton Weald. Auf dem Bahnsteig wartete niemand. Samantha ging zum Parkplatz vor dem Bahnhofsgebäude. Keine Spur von Richard oder seinem Rolls-Royce. Nur ein großer dunkelhaariger Mann lehnte gelangweilt an einem weißen Cabrio. Unschlüssig blieb sie stehen und stellte ihren Koffer ab.

Vielleicht hatte sich Richard verspätet oder ihre Nachricht nicht erhalten. Sollte sie warten oder sich lieber ein Taxi nehmen? Sie seufzte. Es wäre wohl das Beste, auf Lorrimer Castle anzurufen.

„Miss Sumner?“

Sie drehte sich um und blickte in graue Augen. Dazu musste sie allerdings den Kopf heben, was ihr bei ihrer Größe selten passierte. Aber dieser Mann überragte sie um gut einen Kopf. Er war schlank, breitschultrig, und sein markantes Gesicht war sonnengebräunt. Samantha stockte der Atem. Vor ihr stand der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war.

„Richard ist leider verhindert, deshalb bin ich hier.“ Er betrachtete sie abschätzend und ausgesprochen kritisch.

Samantha wich seinem Blick nicht aus. Die Farbe seiner Augen war faszinierend. Noch nie hatte sie solche Augen gesehen. Wer mochte dieser Mann sein? Sein Auftreten und die Tatsache, dass er Richard beim Vornamen genannt hatte, deuteten darauf hin, dass es sich nicht um einen Angestellten handelte.

Als hätte er erraten, was in ihr vorging, neigte er leicht den Kopf. „Cal Lorrimer“, sagte er kurz angebunden.

Samantha hielt vor Überraschung die Luft an und wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Sie scheinen überrascht. Oder ist Ihnen nicht gut?“

„Dann sind Sie also Lord Lorrimer! In der Zeitung stand … Ich dachte, Richard …“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

Er schnalzte leicht mit der Zunge und sah sie voller Genugtuung an. „Sie Ärmste! Da ist Ihnen ja ein grässlicher Fehler unterlaufen! Die Zeitungen hatten recht, ich wollte ursprünglich selbst kommen, schickte dann aber meinen jüngeren Bruder, weil ich Wichtigeres zu tun hatte, als diesen Zirkus mitzumachen. Die Verträge waren schließlich schon alle unter Dach und Fach. Welch verhängnisvoller Irrtum Ihrerseits! Aber wie konnten Sie uns nur verwechseln? Keine zwei Brüder könnten verschiedener sein als Richard und ich.“

Samantha war so perplex, dass sie die Wahrheit sagte. „Er sagte mir, dass er mit erstem Namen Christopher heißt, daher nahm ich an … Ich wusste gar nicht, dass er einen Bruder hat.“

Cal Lorrimer lächelte ausgesprochen zynisch. „Sie scheinen überhaupt nicht viel über ihn zu wissen, meine Dame. Sie hätten sich wirklich gründlicher vorbereiten sollen.“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Oh, ich glaube doch.“ Unvermittelt griff er nach ihrer linken Hand und hob sie hoch. Eingehend betrachtete er ihren Ring.

„Angesichts der Tatsache, dass Sie Richard mit mir verwechselt haben, waren Sie wirklich ungewöhnlich bescheiden.“

Samantha entzog ihm hastig ihre Hand.

Cal Lorrimer zog die Brauen hoch. „Wenn ich Richard richtig verstanden habe, wollen Sie einen ganzen Monat auf Lorrimer Castle bleiben?“

„Richard hat mich eingeladen.“ Samantha war ärgerlich, weil sie klang, als müsste sie sich entschuldigen. Sie war Cal schließlich keine Rechenschaft schuldig!

Er ließ sich nicht beeindrucken. „Ich nehme an, Sie haben ihm dabei etwas auf die Sprünge helfen müssen. Normalerweise lädt Richard keine Frauen zu sich ein, selbst wenn sie so schön sind wie Sie.“

„Das ist wohl Ihr Vorrecht, oder?“ Samanthas Augen funkelten vor Empörung.

Für einen Moment sah es aus, als wollte er wütend werden, doch dann sagte er nur: „Sie lesen zu viel Regenbogenpresse.“

„Kein Rauch ohne Feuer“, erwiderte Samantha. Sie war fest entschlossen, sich von diesem arroganten Typen nicht einschüchtern zu lassen.

„Wenn Sie auf Lorrimer Castle bleiben, müssen Sie sich vorsehen. Sie könnten sich schnell verbrennen. Oder wollen Sie wieder umkehren? Schließlich ist Ihnen der falsche Bruder in die Falle gegangen.“

Samantha zwang sich, ruhig zu bleiben. „Ich würde Richard nie enttäuschen“, antwortete sie beherrscht.

Wortlos drehte sich Cal Lorrimer um und nahm ihren Koffer. „Ist das alles? Sehr wenig für ein Supermodel, würde ich sagen.“

„Leider bin ich keines.“

Er sah sie lange an. „Wirklich nicht? Sie haben aber die Figur und das Gesicht dazu.“ Sein Tonfall machte deutlich, dass es keineswegs als Kompliment gedacht war. „Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie auch schon auf etlichen Titel­seiten zu sehen.“

„Meine ersten Erfolge.“

„Und das alles wollen Sie aus Liebe aufgeben?“ Samantha schwieg. „Oder sind Ihre Beweggründe eher finanzieller Natur?“

„Ich bin nicht hinter Richards Geld her“, rief sie empört.

„Umso besser. Er hat nämlich gar keins. Um es ganz unmissverständlich und brutal zu sagen, Miss Sumner, ich bin es, der die Knete verteilt.“ Er stellte den Koffer auf die Rückbank des Cabrios und öffnete Samantha die Tür.

Ganz England litt unter einer Hitzewelle, und auch an diesem Tag strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Samantha zog sich die Nadeln aus dem Haar und ließ es im Fahrtwind flattern. Sie gab sich alle Mühe, diesen Cal Lorrimer nicht merken zu lassen, wie sehr er sie verwirrte.

Er blickte sie von der Seite an. „Überlegen Sie es sich in Ruhe. Wenn Sie unter den gegebenen Umständen Ihren Besuch hier absagen möchten, kann ich Sie direkt zum Flughafen bringen. Ich kaufe Ihnen ein Ticket für den Rückflug, und den Ring dürfen Sie auch behalten.“

Samantha biss sich in ohnmächtiger Wut auf die Lippe. Sie konnte es Cal Lorrimer nicht verdenken, dass er sie derart verächtlich behandelte. Ihr Verhalten verdiente nichts Besseres. Sie blickte in das Blätterwerk der Bäume, die die Landstraße säumten, und versuchte, sich über ihre wahren Wünsche klar zu werden. Ihre Position als unwillkommener Gast auf Lorrimer Castle war schwierig, und Richards Bruder war gefährlich wegen der Faszination, die er auf sie ausübte. Alles in ihr sträubte sich dagegen, ihrem Vorhaben treu zu bleiben.

Andererseits wollte sie ihren Großvater rächen für das Unrecht, das ihm von dieser Familie angetan worden war. Wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würde sich dieser Cal unfehlbar vorkommen und triumphieren. Ohne dass sie es merkte, setzte sie sich gerade hin und hob das Kinn.

„Ich frage mich, was Richard wohl sagen würde, wenn er von Ihrem Vorschlag wüsste“, begann sie vorsichtig.

Zu ihrem Erstaunen lachte er und sah sie mit einem leichten Augenzwinkern an. „Ich muss zugeben, dass Sie eine nicht zu unterschätzende Gegnerin sind, Miss Sumner. Oder darf ich Sie Samantha nennen?“

„Oh, bitte“, sagte sie mit honigsüßer Stimme.

„Samantha Sumner. Ein wohlklingender Name. Hat sich den ein findiger Werbefachmann Ihrer Agentur ausgedacht?“

„Nein. Zufällig heiße ich wirklich so.“

„Wie alt sind Sie?“

„Dreiundzwanzig.“

„Und wie lange arbeiten Sie schon als Model?“

„Knapp ein Jahr.“

Er sah sie erstaunt an. „Ich dachte, Models fangen viel früher an. Auf alle Fälle scheint mir der Ruhm in dieser Branche sehr kurzlebig zu sein.“

„Das kann man wohl sagen.“

„Da wäre ein reicher Ehemann mit einem wohlklingenden Adelstitel eine gute Rückversicherung gewesen. Leider erfüllt mein Bruder keine der beiden Bedingungen.“

„Woher wissen Sie denn, dass ich einen solchen Ehemann suche?“

„Warum hätten Sie sich Richard sonst an den Hals geworfen? Er entspricht wirklich nicht dem Typ, auf den Frauen fliegen.“

Sie hätte gern gewusst, ob er sich denn für einen solchen hielte, verkniff sich die aufsässige Frage aber im letzten Moment und sagte nur: „Wer hat Ihnen denn gesagt, dass ich mich Richard an den Hals geworfen habe?“

„Ryan. Es ist sein Job, Richard vor allzu aufdringlichen Menschen zu schützen.“

Samantha erinnerte sich nur zu gut an den stämmigen Mann, der sich stets in Richards Nähe aufgehalten hatte. „Sie lassen Ihren Bruder bespitzeln!“, rief sie empört.

„Nein, beschützen. Normalerweise kann ich mich voll und ganz auf Ryan verlassen. Sie müssen ungeheuer raffiniert sein, das muss Ihnen der Neid lassen. Es war Ryans erste Niederlage. Und auch bei Richard haben Sie in kürzester Zeit erstaunlich viel erreicht. Er ist kein Dummkopf, wenn auch noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, und Sie sind nicht die erste Frau, die Ihre Netze nach ihm auswirft.“

„Ich habe meine Netze nicht nach ihm ausgeworfen!“

„So? Wollen Sie mir vielleicht erzählen, dass Sie ihn lieben?“

Samantha brachte es nicht fertig, zu lügen. Lieber schwieg sie.

Sie näherten sich einem großen schmiedeeisernem Tor in einer hohen Mauer. Rechts und links des Eingangs thronten zwei riesige Steinfiguren.

„Die Leoparden der Lorrimers“, erklärte ihr Cal. „Es sind unsere Wappentiere.“

Ja, dachte sie aufgeregt, das weiß ich.

Als sich das Cabrio dem Tor bis auf ungefähr einen Meter genähert hatte, glitten die beiden Flügel schnell und lautlos zurück. Samantha blickte Cal erstaunt an.

„Ein Sensor“, erklärte er ihr. „Alle Tore in der Mauer sind so programmiert, dass sie sich bei herannahenden Autos öffnen, allerdings nur bei unseren eigenen.“

„Wie schön für Ihre Besucher! Ein wirklich herzliches Willkommen.“

Er lächelte amüsiert. „Jeder, der ein berechtigtes Anliegen hat, kann durch den Haupteingang kommen, denn dort sitzt ein Pförtner.“

„Und jemand, der kein berechtigtes Anliegen hat? Könnte der nicht einfach über die Mauer klettern?“

„Unser Anwesen ist rund um die Uhr bewacht, nicht nur durch Kameras. Außerdem würde jeder, der die Mauer erklimmt, sofort einen Alarm auslösen. Es wäre nicht das erste Mal. Vom Paparazzo bis zum Erpresser haben wir alles schon gehabt.“

Irgendwie hatte sich Samantha ein Castle in Kent ganz anders vorgestellt. Die Landschaft, durch die die Privatstraße jetzt führte, passte schon besser dazu. Sanfte Hügel, weite Grasflächen mit Buschgruppen und einzelnen Bäumen. Hier und dort weideten Schafe, es gab Hopfenfelder und Obstgärten, durch die ein eng gewundener kleiner Bach floss. Als sie um die nächste Kurve fuhren, hielt Samantha staunend den Atem an. Eine Illustration in einem Märchenbuch hätte nicht schöner sein können.

Am Ende des Tals stand Lorrimer Castle mit Wehrtürmen und Zinnen, umgeben von einem breiten Wassergraben, der im hellen Sonnenlicht glitzerte. Sogar eine Zugbrücke war vorhanden.

„Wird sie nachts hochgezogen?“, fragte Samantha.

„Nur wenn wir unsere Gäste an der Flucht hindern wollen“, antwortete Cal spöttisch.

Autor

Lee Wilkinson
<p>Lee Wilkinson wuchs im englischen Nottingham als einziges Kind sehr liebevoller Eltern auf. Nach dem Abschluss auf einer reinen Mädchenschule versuchte sie sich in verschiedenen Berufen, u.a. war sie Model für Schwimmbekleidung. Mit 22 traf sie Denis. Sie heirateten ganz traditionell in Weiß, verbrachten ihre Flitterwochen in Italien und führen...
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