Komm endlich her und küss mich!

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"Sie sind gefeuert!" - Sasha ist fassungslos, als der attraktive Milliardär Marco de Cervantes ihr kündigt. Nur weil er fälschlicherweise glaubt, sie hätte seinen Bruder ins Verderben getrieben. Wütend vergisst Sasha jede Vorsicht - und folgt Marco bis in seine luxuriöse Suite. Plötzlich ist sie ihm so nah, zu nah …


  • Erscheinungstag 27.10.2017
  • Bandnummer 0005
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709891
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Augenblicke vor dem Unfall spielten sich wie in Zeitlupe ab. Die Zeit blieb förmlich stehen, räkelte sich lethargisch in der Sonntagssonne. Und obwohl die Autos über zweihundert Stundenkilometer schnell fuhren, lag eine hypnotische, ballettartige Symmetrie in ihrer Bewegung.

Sasha Fleming erstarrte, und ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, als sie tatenlos mit ansehen musste, wie Rafaels Frontflügel den Hinterreifen eines langsameren Nachzüglers abtrennte. Carbon im Wert von mehreren Hunderttausend Pfund wurde zusammengequetscht. Zerfetztes Metall durchschnitt den linken Reifen, und der Wagen wurde neunzig Grad herumgerissen.

Der weltberühmte Rennwagen flog durch die Luft, und für ein paar kurze Sekunden sah er aus wie ein futuristisches Flugzeug.

Schließlich siegte die Schwerkraft. Die Explosion war ohrenbetäubend, und das Kreischen des Metalls wurde durch die übergroßen Lautsprecher noch verstärkt. Im nächsten Moment war die weiße Betonwand hinter der Haarnadelkurve mit dem Grün von Rafaels Wagen bedeckt.

„Er hatte einen Unfall! Er hatte einen Unfall! Nach einem Start aus der Pole-Position hat der amtierende Weltmeister Rafael de Cervantes seinen Espiritu DSII gecrasht. Noch heute Morgen hieß es, sein Wagen sei unzerstörbar. Wie man sich täuschen kann.“

Sasha riss sich den Kopfhörer vom Kopf. Die hektische Schadenfreude in der Stimme des Kommentators und das ohrenbetäubende Getöse der übrigen Rennwagen auf dem Hungaroring waren zu viel für sie. Doch ihr Blick blieb auf die Bildschirme an der Wand geheftet, wo sie und die Boxencrew den schrecklichen Unfall verfolgten.

„Stellt den Ton lauter“, rief jemand.

Sie presste die Lippen zusammen und verschränkte die Arme. Erinnerungen an ein anderes Ereignis, einen anderen Unfall untermalten das Gemetzel auf dem Bildschirm, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte – ein Ereignis, das ihr Leben für immer verändert hatte.

„Manchmal muss man den Schmerz zulassen, um darüber hinwegzukommen. Du musst in ihn hineintauchen, bis er dich irgendwann wieder ausspuckt.“

Wie oft hatte ihr Vater das zu ihr gesagt? Als sie sich bei den ersten Radfahrversuchen den Knöchel verstaucht hatte. Als sie vom Baum gefallen war und sich den Arm gebrochen hatte. Als sie mit zehn ihre Mum verlor. Als sie sich in den falschen Mann verliebt und die bitteren Konsequenzen hatte tragen müssen.

Die Stimme des Kommentators durchschnitt ihre Gedanken. „Im Wagen bewegt sich nichts. Das Rennen wurde unterbrochen, das Sicherheitsauto ist unterwegs. Ebenso der Krankenwagen. Ich muss sagen, es sieht nicht gut aus …“

Sasha bekam kaum noch Luft. Mit hektischen Fingern versuchte sie, die Klettverschlüsse ihres engen Rennanzugs aufzureißen. Ein Schauer durchlief ihren Körper, dann noch einer. Sie versuchte zu schlucken, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Durch all die Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen, blitzte ihre letzte Unterhaltung mit Rafael.

Er war so sauer auf sie gewesen. Was er ihr alles an den Kopf geworfen hatte … Dabei hatte sie nur helfen wollen.

Sie fröstelte. War das alles ihre Schuld? War sie für dieses Unglück verantwortlich?

„Der Krankenwagen ist jetzt da. Und da ist Rafaels Bruder, Marco, der Besitzer des Teams Espiritu. Er ist auf dem Weg zur Unfallstelle …“

Marco. Der Schock traf sie wie ein Faustschlag. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass er inzwischen in Ungarn angekommen war. In ihren zwei Jahren als Reservefahrerin für das Team Espiritu hatte Marco de Cervantes kein einziges Rennen verpasst – bis zu diesem Wochenende.

Das ganze Fahrerlager war in heller Aufregung über sein Fehlen und der aus aller Welt angereiste Jetset sichtlich enttäuscht. Aus Rafaels verhaltener Reaktion hatte Sasha geschlossen, dass die Brüder sich überworfen hatten.

Ein mutiger Kameramann drängte sich zwischen den Bodyguards hindurch. Die Zähne zusammengebissen, den Blick geradeaus gerichtet, verriet nichts in Marcos Gesicht seine wahren Gefühle. Dann wandte er den Kopf und blickte direkt in die Kamera.

Sasha verschlug es den Atem. Eiskalte Angst durchströmte ihre Adern, als sie die aufgestaute Wut in den Tiefen seiner haselnussbraunen Augen sah. Sein Gesicht wirkte hart, sein Mund verkniffen. Alles deutete darauf hin, dass unter der Oberfläche starke Gefühle brodelten.

Irgendwie ahnte Sasha, dass er nicht allein wegen des Unfalls so aufgebracht war. Wieder durchlief sie ein Schauer. Sie wandte sich vom Bildschirm ab, suchte blind eine Fluchtmöglichkeit, als sie Tom Brooks, ihren Pressesprecher, auf sich zueilen sah.

„Wir müssen uns auf Interviews vorbereiten“, meinte er, während seine Finger über sein iPad flogen.

Übelkeit stieg in ihr auf und durchdrang all die anderen aufgewühlten Gefühle in ihrem Inneren. „Jetzt schon? Wir wissen doch noch nicht einmal, wie es Rafael geht.“ Oder ob er überhaupt noch lebt.

„Genau. Die Augen der ganzen Welt richten sich auf sein Team. Kaum der richtige Zeitpunkt für einen weiteren peinlichen O-Ton“, sagte er grausam.

Sasha biss sich auf die Lippe. Ihr hitziges Dementi einer Beziehung mit Rafael vor erst einer Woche hatte das Interesse der Medien ungewollt angeheizt.

Seine Miene verfinsterte sich. „Oder willst du ewig Reservefahrerin bleiben?“

Sasha runzelte die Stirn. „Natürlich nicht …“

„Gut, denn ich habe auch keine Lust, für den Rest meiner Karriere Pressesprecher einer Reservefahrerin zu sein. Du willst einer von den Jungs sein? Hier ist deine Chance, es zu beweisen.“

„Ich muss nicht herzlos sein, um mich zu beweisen, Tom“, bemerkte sie schnippisch.

„Oh, doch. Glaubst du, irgendeiner der anderen Fahrer würde sich diese Chance entgehen lassen?“

„Welche Chance? Wir wissen nicht einmal, wie es Rafael geht!“

„Nun, du hast die Wahl. Entweder du sitzt da und drehst Däumchen, bis der Moment vorüber ist. Oder du übernimmst wortwörtlich das Steuer und machst den Gerüchten ein Ende.“

Sie brauchte nicht zu fragen, was er damit meinte. „Die Gerüchte sind mir egal. Ich bin eine gute Fahrerin …“

„Und du bist außerdem Jack Flemings Tochter und Derek Mahoneys Exfreundin. Wenn du ernst genommen werden willst, musst du aus ihrem Schatten treten.“

Während seine Finger weiter geschäftig über das iPad glitten, verspürte Sasha Unbehagen. Zwar verabscheute sie Toms Zynismus, doch sie wusste auch, dass er recht hatte.

„Der Reporter wartet schon auf uns …“

„Nein.“ Ein Blick zum Bildschirm bestärkte sie in ihrem Entschluss. „Ich gebe erst Interviews, wenn ich weiß, was mit Rafael ist.“

Zwei Krankenwagen und drei Feuerwehrautos standen jetzt um das zerstörte Fahrzeug herum. Funken sprühten, als die Feuerwehr das Fahrgestell wegschnitt.

Marco de Cervantes stand daneben, die Hände zu Fäusten geballt, den Blick unverwandt auf die reglose Gestalt seines Bruders gerichtet. Sasha zog sich das Herz zusammen.

Bitte stirb nicht, Rafael.

Toms strenge Miene wurde etwas milder, als er ihrem Blick folgte. Dann beugte er sich vor und flüsterte verschwörerisch: „Das ist die Chance, auf die du gewartet hast, Sasha. Vermassle es nicht.

Als Marco de Cervantes das Krankenzimmer der Privatklinik in Budapest betrat, drehte sich ihm vor Angst der Magen um. Er ballte die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken, und zwang sich, ans Bett seines Bruders zu treten. Bei jedem Schritt lief der Unfall erneut vor seinem inneren Auge ab, ein lebhafter, grauenvoller Alptraum, der nicht aufhören wollte. Das ganze Blut an der Unfallstelle … so viel Blut …

Beim Anblick des weißen Lakens über der Brust seines Bruders schnürte sich ihm die Kehle zu.

Er nahm sich vor, die Krankenschwester zu bitten, es durch eine andere Farbe zu ersetzen – Grün vielleicht, Rafaels Lieblingsfarbe. Weiße Krankenhauslaken sahen zu sehr nach Tod aus.

Rafael war nicht tot. Und wenn es nach Marco ging, war es auch das letzte Mal, dass er dem Tod knapp von der Schippe gesprungen war. Genug war genug.

Er starrte in das blasse, reglose Gesicht seines Bruders. Ein Beatmungsschlauch steckte in seinem Mund.

Genug war genug.

Marco hatte einen Kloß im Hals. Im Gegensatz zu ihm war sein Bruder nicht in der Lage, sich abzugrenzen, und ließ sich von Gefühlen leiten. Bei Rafael verbanden sich Glück, Trauer, Triumph und Verlust zu einem klebrigen Brei. Fügte man ein siebenhundertfünfzig PS starkes Rennauto hinzu, entstand eine gefährliche Mischung, und er musste am Ende die Scherben aufsammeln.

Fröstelnd ergriff er Rafaels reglose Hand und beugte sich vor, bis sein Mund nur noch wenige Zentimeter vom Ohr seines Bruders entfernt war.

„Du wirst leben – hörst du mich? Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, wenn du stirbst, folge ich dir bis in die Hölle und trete dir persönlich in den Hintern“, presste er heiser hervor.

Seine Stimme stockte, und er kämpfte mit den Tränen.

Rafaels Hand bewegte sich nicht. Verzweifelt drückte Marco sie fester, als wollte er seinem Bruder irgendwie Leben eingeben. Dabei versuchte er, die Worte des Arztes zu verdrängen … Hirnschwellung … innere Blutungen … können nichts tun als warten …

Einen Fluch unterdrückend, richtete er sich wieder auf und wandte sich dem Fenster zu, das den Blick auf den ruhigen Hof der exklusiven Privatklinik freigab. Dezente Brunnen und sauber gestutzte Blumen sollten beruhigend auf die Patienten wirken. Hinter dem Gelände erstreckten sich Wälder, so weit das Auge reichte.

Die malerische Aussicht spendete Marco keinen Trost. Schon gar nicht, als er die Paparazzi entdeckte, die vor der Klinik warteten, Kameras im Anschlag.

Zorn stieg in ihm auf. Blind griff er nach der Fernbedienung und richtete sie auf den Fernseher. Als er sich fünf Minuten später auf Rafaels Bettkante setzte, dankte er dem Himmel, dass sein Bruder das Interview nicht gehört hatte, das gerade im Fernsehen gelaufen war. Marco wusste aus eigener Erfahrung, wozu Menschen fähig waren, wenn es um Ruhm und Macht ging, und beim unverhüllten Ehrgeiz in Sasha Flemings Augen lief es ihm kalt den Rücken hinunter.

Nun, sollte sie Ruhm und Macht kosten. Und wenn sie auf den Geschmack gekommen war, würde er ihr alles nehmen, wovon sie geträumt hatte – so wie sie Rafael alles genommen hatte.

„Verzeihung, können Sie mir sagen, in welchem Zimmer Rafael de Cervantes liegt?“ Sasha versuchte, Autorität in ihre Stimme zu legen.

Die Krankenschwester in makellos weißer Tracht blickte auf. Ihr Stirnrunzeln ließ Sashas Mut sinken.

„Gehören Sie zur Familie?“

„Nein, aber ich möchte sehen, wie es ihm geht. Er war … ist mein Teamkollege.“ Kaum waren die Worte heraus, wollte Sasha sie zurücknehmen.

Wie nicht anders zu erwarten, verschwand das Stirnrunzeln, als die Krankenschwester begriff, wen sie vor sich hatte. „Teamkollege …? Sie sind Sasha Fleming!“

Sasha setzte ihr einstudiertes Kameralächeln auf und schob die übergroße Sonnenbrille zurück. „Ja“, murmelte sie.

„Mein Neffe liebt sie!“ Die Krankenschwester plapperte munter drauflos. „Er würde es nie zugeben, aber ich weiß, dass er Sie toll findet. Jedes Mal, wenn er Sie beim Freitagstraining sieht, leuchten seine Augen. Er wird begeistert sein, wenn er hört, dass ich Sie getroffen habe.“

„Vielen Dank. Also, kann ich Rafael sehen?“, fragte sie erneut, und als das Stirnrunzeln zurückzukehren drohte, fügte sie schnell hinzu: „Nur ganz kurz, ich versprech’s.“

„Tut mir leid, Miss Fleming. Sie stehen nicht auf der Besucherliste.“

Krampfhaft bemüht, nicht die Nerven zu verlieren, räusperte sich Sasha. „Ist Marco de Cervantes hier?“ Sie versuchte, nicht an Marcos kalte, unversöhnliche Miene zu denken.

„Nein, er ist vor einer halbe Stunde weggefahren.“

Sie rang um Fassung. „Er ist weggefahren?“

Die Schwester nickte. „Er wirkte nicht sehr glücklich, aber angesichts der Umstände kann man wohl kaum etwas anderes erwarten.“

Einen Moment lang erwog Sasha, die Schwester zu bitten, eine Ausnahme zu machen. Für sie gegen die Regeln zu verstoßen. Doch sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Dass sie gegen ihre eigenen Regeln verstoßen und sich mit Rafael angefreundet hatte, war wahrscheinlich der Grund dafür, dass es so gekommen war. Sie wollte es nicht noch schlimmer machen.

Um den Ausdruck ihrer Augen zu verbergen, setzte sie die Sonnenbrille wieder auf. Mit Jeans, langärmeligem Baumwolltop und bunter Umhängetasche sah sie aus wie eine ganz normale Touristin. In dieser Verkleidung hatte sie es auch an den Paparazzi draußen vorbeigeschafft.

Schweren Herzens wandte sie sich zum Fahrstuhl, dessen Tür offen stand.

„Warten Sie.“ Die Schwester winkte sie mit einer kurzen Handbewegung heran und beugte sich vor, als Sasha zur Rezeption zurückkam. „Vielleicht kann ich Sie für ein paar Minuten hineinschmuggeln“, flüsterte sie.

Eine Welle der Erleichterung erfasste Sasha. „Oh, haben Sie vielen Dank!“

„Wenn Sie mir ein Autogramm für meinen Neffen geben würden?“

Kurz meldete sich ihr schlechtes Gewissen, doch der Wunsch, Rafael zu sehen, war stärker. Dankbar lächelnd nahm Sasha den Stift, den die Schwester ihr entgegenhielt.

„Was, zum Teufel, tun Sie hier?“

Die schroffe Stimme ließ Sasha herumfahren, und beim Anblick der dunklen Gestalt im Türrahmen erschrak sie. Ein paar Minuten, hatte die Krankenschwester gesagt. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr bestätigte ihren schrecklichen Verdacht: Es war fast eine Stunde vergangen!

„Ich habe Sie etwas gefragt.“

„Ich wollte Rafael besuchen. Es war niemand hier …“

„Und da haben Sie sich einfach reingeschlichen?“

„Aber nein! Die Schwester hat …“ Sie schluckte die Worte hinunter, als ihr einfiel, dass die Schwester für sie ihren Job riskiert hatte.

„Die Schwester hat was?“

Marco betrat das Zimmer, das durch seine beeindruckende Gestalt plötzlich viel kleiner wirkte.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur wissen, wie es ihm geht.“ Sein Blick ließ sie verstummen.

„Wie lange sind Sie schon hier?“

Sasha riskierte einen weiteren Blick auf die Uhr und schauderte innerlich. „Spielt das eine Rolle?“

„Wie lange?“, wiederholte er mit einem prüfenden Blick auf seinen Bruder.

„Was ist? Glauben Sie, ich habe Ihrem Bruder etwas angetan?“, platzte sie heraus.

Seine haselnussbraunen Augen schienen sie zu durchbohren. In seinem Blick lag Verachtung. „Ich glaube es nicht, ich weiß, dass Sie meinem Bruder etwas angetan haben.“

Sein Ton war so schneidend, dass Sasha zusammenzuckte.

„Rafael hat Ihnen von unserem Streit erzählt?“

„Ja, allerdings. Ich nehme an, Ihre Anwesenheit hier ist nur eine weitere Inszenierung für die Presse?“

„Natürlich nicht!“

„Und warum hat sich die Anzahl der Fotografen vor dem Krankenhaus dann innerhalb der letzten Stunde verdoppelt?“

Ihr Blick wanderte zum Fenster. Die Jalousien waren zum Schutz vor der Nachmittagssonne heruntergelassen, aber nicht ganz geschlossen. Sie machte einen Schritt, um sich selbst zu überzeugen, als sich stahlharte Finger um ihr Handgelenk schlossen. Hitze schoss in ihren Arm, und sie erstarrte.

„Wenn Sie glauben, ich lasse zu, dass Sie meinen Bruder benutzen, haben Sie sich getäuscht.“

Erschrocken starrte sie ihn an. „Wie kommen Sie darauf, dass ich das tue?“

Ein freudloses Lächeln glitt über sein Gesicht.

„Die Pressekonferenz, die Sie gegeben haben? Auf der Sie erzählt haben, wie viel er Ihnen bedeutet? Dass Ihre Gedanken bei ihm und seiner Familie sind? Dass Sie jederzeit bereit sind, für ihn einzuspringen, um das Team nicht zu enttäuschen? Wie haben Sie es doch gleich ausgedrückt? ‚Ich habe bewiesen, dass ich das Zeug dazu habe.‘

Sasha schluckte, sie war wie hypnotisiert von seinem kalten Blick. „Ich … ich hätte nicht …“ Das Unbehagen, das sie vor und während des Interviews verspürt hatte, kehrte zurück. „So habe ich es nicht gemeint …“

„Was haben Sie dann gemeint?“

„Nur, dass ich eine Chance verdiene.“ Sie wollte ihren Arm befreien, doch sein Griff verstärkte sich, und erneut schoss Hitze durch ihren Körper.

Seine faszinierenden Gesichtszüge, die geraden schwarzen Brauen lähmten ihre Gedanken. Obwohl er vor Wut förmlich kochte, strahlte er noch so viel Sex-Appeal aus, dass sie endlich verstand, warum seine Bodyguards ständig damit beschäftigt waren, aufdringliche Boxenluder abzuwimmeln. Es ging das Gerücht, dass ein besonders hartnäckiges Groupie durch die Dachluke in sein Schlafzimmer geklettert war.

Eine Chance? Wieso?“, fragte er und kam so nah, dass es ihr den Atem verschlug. „Was ist so besonders an Ihnen, Sasha Fleming?“

„Ich habe nie behauptet, besonders zu sein.“ Endlich gelang es ihr, den Arm zu befreien, und sie wich einen Schritt zurück. „Mr. de Cervantes, dies ist weder die Zeit noch der Ort für so eine Diskussion.“

Ihr Blick glitt zu Rafael, und die Schläuche und das grässliche Piepen der Maschinen, die ihn am Leben hielten, schnürten ihr die Kehle zu.

Als ihre Blicke sich erneut trafen, entdeckte Sasha einen solchen Schmerz in den Tiefen seiner haselnussbraunen Augen, dass sie spürte, wie etwas in ihr nachgab.

„Rafael ist stark. Er ist eine Kämpfernatur. Er wird es schaffen“, murmelte sie leise.

Ganz langsam atmete er ein, danach war jedes Zeichen von Schmerz aus seinem Gesicht verschwunden. Seine Oberlippe verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Ihre Anteilnahme ist rührend, Miss Fleming. Aber Sie brauchen sich keine Mühe geben. Es sind keine Kameras hier. Keine Mikrofone, die Ihre verlogenen Plattitüden aufzeichnen. Es sei denn, Sie tragen irgendein Gerät bei sich?“ Suchend glitt sein Blick an ihrem Körper hinab. „Werde ich morgen Aufnahmen von meinem schwer verletzten Bruder im Internet bewundern können?“

„Das ist geschmacklos und gemein!“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und griff nach ihrer Tasche auf dem Ledersofa. Es war Zeit zu gehen.

Eilig drängte sie sich an Marco de Cervantes vorbei zur Tür.

„So geschmacklos, wie auf seinen Platz zu spekulieren, bevor Sie überhaupt wussten, ob er noch lebt?“, fragte er bissig.

Sasha schauderte. „Sie haben recht. Es war nicht der ideale Zeitpunkt für ein Interview.“

Überraschung blitzte in seinen Augen auf, doch seine Miene verfinsterte sich sofort wieder. „Aber Sie haben es trotzdem getan.“

„Ich dachte, ich handle im Interesse des Teams. Und ja, ich habe mich als Nachfolger vorgeschlagen. Aber das Timing war ungeschickt. Dafür entschuldige ich mich.“

Wieder lächelte er grimmig, und ihre Nackenhaare richteten sich auf. Noch bevor er sprach, ahnte Sasha, dass ihr nicht gefallen würde, was er sagte.

„Sie hätten besser nachdenken sollen, Miss Fleming. Denn als Besitzer des Teams, entscheide ich, was in unserem Interesse ist. Nicht Sie.“

Er stellte sich ans Bett seines Bruders und blickte auf ihn herab.

Sasha blickte zwischen den beiden Männern hin und her. Aus dieser Nähe war die Ähnlichkeit der beiden frappierend. Und doch hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Während Rafael temperamentvoll und gerne unter Menschen war, brodelte es in seinem Bruder wie in den tiefsten Tiefen eines schlafenden Vulkans. Der jeden Moment auszubrechen drohte. Angesichts dieser realen Gefahr wurde ihre Kehle trocken, und ihr Puls raste.

Endlich wandte er sich wieder zu ihr um, und sie spürte die eigene Beklommenheit bis in die Zehenspitzen.

„Meine Entscheidung – und nur die zählt. Ihr Timing war nicht nur ungeschickt. Es war grausam.“ Seine Stimme hätte Wasser in der Sahara gefrieren lassen können. „Und das macht mir meine Entscheidung unglaublich leicht.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. „W…welche Entscheidung?“

„Sie von ihrem Job zu befreien, natürlich.“ Das Lächeln wurde breiter. „Herzlichen Glückwunsch. Sie sind gefeuert.“

2. KAPITEL

„Was?“

„Verschwinden Sie.“

Sasha war wie gelähmt, unfähig, dem Befehl von Marco de Cervantes Folge zu leisten. Endlich fand sie ihren Atem wieder.

„Nein. Das … das können Sie nicht machen. Sie können mich nicht feuern.“ Irgendwo in ihrem Hinterkopf wusste sie das, doch nach diesem Schlag konnte ihr Gehirn nicht mehr klar denken.

„Ich kann tun, was ich will. Das Team gehört mir.“

„Ja, aber …“ Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu konzentrieren. „Ja, das Team mag Ihnen gehören. Aber Sie können mich trotzdem nicht feuern. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Klar, das Interview war ungeschickt. Aber das ist kein Kündigungsgrund.“

„Vielleicht ist es nicht der einzige Grund.“

Ein kalter Angstschauer lief ihr über den Rücken. „Wovon reden Sie?“

Marco betrachtete sie mehrere Sekunden schweigend. Dann wanderte sein Blick zu seinem Bruder. Zärtlich strich er Rafael eine Strähne aus dem Gesicht. Obwohl sie zornig war, traf diese liebevolle Geste Sasha mitten ins Herz. Niemand verdiente es, einen geliebten Menschen so leiden zu sehen. Nicht einmal Marco de Cervantes.

Als ihre Blicke sich erneut trafen, war Sasha nicht auf den plötzlichen Wechsel von brüderlicher Besorgnis zu blankem Zorn in seinen Augen vorbereitet.

„Sie haben recht. Hier ist nicht der richtige Ort dafür.“ Mit entschlossenen Schritten kam er auf sie zu, und Sasha war unfähig, den Blick von seinen breiten Schultern, seinem perfekten, durchtrainierten Körper abzuwenden.

Erst in letzter Sekunde wich sie ihm aus. „Schon gut. Ich gehe.“

„Sie laufen davon? Haben Sie Angst, dass Ihre Vergangenheit Sie einholt, Miss Fleming?“

Sie schluckte vorsichtig, bemüht, ihre nüchterne Miene zu bewahren. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Meine Vergangenheit hat nichts mit meinem Vertrag zu tun.“

Er starrte ihr so lange ins Gesicht, dass Sasha schon die Sonnenbrille aufsetzen wollte, die nutzlos von ihren Fingern baumelte.

„Erstaunlich“, murmelte er schließlich.

„Was?“, brachte sie heiser hervor.

„Sie sind die perfekte Lügnerin. Nicht einmal ein Wimpernzucken verrät Sie. Kein Wunder, dass Rafael von Ihnen angetan war. Ich verstehe nur nicht, warum Sie nicht zugeschlagen haben. Er hat Ihnen alles geboten, was Sie wollten – Geld, Prestige, Luxus … Ist es nicht das, was Frauen wie Sie letztlich wollen? Wie eine Prinzessin in einem Castillo zu leben?“

„Äh, ich weiß ja nicht, mit welcher Sorte Frauen Sie verkehren, aber mich kennen Sie kein bisschen.“

Wenn überhaupt möglich, wurde seine Miene noch frostiger. „Ich weiß alles, was ich wissen muss. Also, warum haben Sie nicht einfach zugegriffen? Was ist Ihre Strategie?“

Sie musste all ihre erlernten Techniken der Selbstbeherrschung anwenden, um nicht zurückzuweichen.

„Ich habe keine Strategie …

„Genug der Lügen. Verschwinden Sie.“ Er riss die Tür auf.

Ihr Blick schnellte zu Rafaels lebloser Gestalt. Wahrscheinlich würde sie ihn vor der vierwöchigen August-Pause des Teams nicht wiedersehen. „Würden Sie ihm bitte sagen, dass ich hier war, wenn er aufwacht?“

Ungläubig stieß Marco die Luft aus. „Mit etwas Glück hat mein Bruder jede Erinnerung an Sie aus seinem Gehirn gelöscht, wenn er aufwacht.“

Die Kälte in seiner Stimme verschlug ihr den Atem. „Ich weiß nicht genau, was Rafael Ihnen erzählt hat, aber es muss sich um ein Missverständnis handeln.“

Marco zuckte die Schultern. „Sie sind trotzdem gefeuert. Auf Nimmerwiedersehen, Miss Fleming.“

„Mit welcher Begründung?“, wollte sie wissen.

„Ich bin sicher, meine Anwälte werden etwas finden. Übereifer?“

„Das wäre wohl eher ein Grund, mich im Team zu behalten, statt mich zu feuern.“

„Dieses Gespräch ist beendet.“ Er warf einen vielsagenden Blick zur Tür.

Getroffen von seinen Worten, schwankte sie in den Flur. Der Gedanke, dass sie alles verlieren konnte, was sie erreicht hatte, versetzte sie in Panik. Irgendwie musste sie Marco de Cervantes davon überzeugen, sie im Team zu behalten.

Entschlossen machte sie kehrt, um ihm die Stirn zu bieten – nur um einen kleinen Mann im Anzug in kriecherischer Haltung herbeieilen zu sehen. Er überreichte Marco ein kleines Holzkästchen und setzte zu einem Wortschwall auf Französisch an. Was auch immer der Mann – dessen diskretes Namensschild ihn als Verwalter auswies – sagte, Marcos Antwort war schnippisch. Der Verwalter erschrak, und als er Hilfe suchend zur Rezeption sah, folgte Sasha seinem Blick. Die Schwester, die sie hineingelassen hatte, stand hinter dem Tresen.

Unterwürfig setzte der Verwalter zu einem weiteren Wortschwall an. Marco unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung und eilte zu den Aufzügen.

Sasha folgte ihm. Als sie an der Rezeption vorbeikam, bemerkte sie den betrübten Blick der Schwester. Kalte Angst machte sich in ihr breit und trieb sie zur Eile an.

„Warten Sie!“

Er drückte gerade den Fahrstuhlknopf, als sie neben ihm zum Stehen kam.

Nach dem gedämpften Licht im Krankenzimmer sah Sasha ihn in der Beleuchtung des Korridors zum ersten Mal richtig. Aus nächster Nähe sah Marco de Cervantes atemberaubend aus – wenn man große, imposante, vor Männlichkeit strotzende Männer mochte. Durch den aufgeknöpften Kragen seines grauen Baumwollhemds erhaschte sie einen Blick auf dunkles Brusthaar und eine starke, gebräunte Brust.

Konzentrier dich!

„Können wir reden – bitte?“, unterbrach sie das Schweigen.

Er ignorierte sie und blockte mit seinem strengen, abweisenden Blick jedes Gespräch ab. Der Fahrstuhl kam, und Marco de Cervantes stieg ein. Sasha folgte ihm eilig. Als die Türen sich schlossen, sah sie die Schwester in Tränen ausbrechen.

Aufgebracht drehte sie sich zu ihm um. „Mein Gott. Sie haben dafür gesorgt, dass die Schwester gefeuert wird, stimmt’s?“

Vor Wut vergaß sie jede Vorsicht – und die unwiderstehliche Anziehungskraft, die er auf sie ausübte.

„Ich habe nur eine Beschwerde eingereicht.“

„Was aufs Gleiche hinausläuft!“

Ihr schlechtes Gewissen wog schwer.

„Sie muss mit den Folgen ihres Handelns leben.“

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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