Komm mit in mein Schloss aus Glas

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Ein Schloss aus Glas - Connor Langley muss lächeln, als ihm Lacey begeistert von ihrem Traum erzählt. Dieser märchenhafte Plan passt zu der ungewöhnlichen Frau, die ihn seit seiner Ankunft in Kane's Crossing völlig in ihren Bann gezogen hat! Während bei der romantischen Locksley-Burg das gläserne Kunstwerk entsteht, keimt zwischen Connor und Lacey zart die Liebe auf. Doch dann wird Connor vor die schwerste Entscheidung seines Lebens gestellt: Er bekommt das dringend benötigte Geld für seine kranke Mutter - wenn er Lacey dazu bringt, auf ihren Traum zu verzichten …


  • Erscheinungstag 03.11.2008
  • Bandnummer 1653
  • ISBN / Artikelnummer 9783863498863
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Irgendjemand hatte in ihrem Bett geschlafen.

Lacey Vedae trat über die Schwelle ihrer einsam gelegenen Hütte im frosterstarrten, verschneiten Wald und schloss die Tür. Sie schauderte. Eine böse Vorahnung beschlich sie.

Im Kamin knackte ein Feuer, die züngelnden Flammen warfen ihr rötliches Licht auf die schlichte Einrichtung aus Eichenholz: zwei harte Stühle, ein quadratischer Tisch, ein zerwühltes Bett …

Was um alles in der Welt war hier los?

Sie nahm ihre pinkfarbenen Ohrwärmer ab. Nichts schien gestohlen oder mutwillig zerstört worden zu sein. Allerdings gab es auch nicht viel, was die Mühe gelohnt hätte.

Lacey schnappte sich den Feuerhaken. Mit einer Waffe in der Hand fühlte sie sich sicherer. Wenn die Teenager aus der Stadt wieder hergekommen waren, um ihre Hütte als Liebesnest zu missbrauchen, dann würde sie ihnen Beine …

Hinter ihr sprang die Tür auf. Zusammen mit einem Schwall eiskalter Luft wirbelten Schneeflocken herein.

„Wer zum Teufel sind Sie?“ Die tiefe, schleppende Stimme erschreckte Lacey fast zu Tode.

Sie wirbelte herum und schwenkte drohend den Feuerhaken. „Ich bin die Frau, die gleich den Sheriff ruft, wenn Sie nicht bleiben, wo Sie sind.“

Der Mann warf die Tür zu. Er war groß und kräftig. Schnee lag wie eine weiße Puderschicht auf seiner dicken Jacke, der Hose und den Stiefeln. Respektvoll zog der Unbekannte den Stetson vom Kopf.

Schulterlanges blondes Haar und ein halb grimmiges, halb verlegenes Lächeln kamen zum Vorschein.

„Verdammt“, sagte er und klatschte den Hut gegen die Schenkel. Eisbröckchen flogen durch die Luft.

„Warum verdammt?“ Lacey hielt immer noch den Feuerhaken hoch, damit der Mann nicht auf dumme Gedanken kam. „Verdammt – weil ich Sie in meiner Hütte erwischt habe?“

Er kam näher, und sie wich ein paar Schritte zurück. Halt, stopp, sagte sie sich. Lauf jetzt nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn davon!

Schon als junges Mädchen hatte sie sich in Kane’s Crossing behaupten müssen. Man hatte ihr oft genug das Leben schwer gemacht. Nein, sie würde nicht den Mut verlieren. Hatte sie nicht jahrelang daran gearbeitet, standhaft zu bleiben und sich eben nicht einschüchtern zu lassen?

Schließlich hatte sie gelernt, dass Mut belohnt wurde. Jedes Mal, wenn sie sich behauptete, verlor die Vergangenheit ein bisschen mehr von ihrem Schrecken.

Zornig funkelte sie den Mann an.

„Also?“, fragte sie herausfordernd. Sie erwartete eine klare Antwort.

In seinen blauen Augen blitzte etwas auf. Neugier? Vielleicht sogar Interesse? Lacey fantasierte sich seine möglichen Antworten zurecht: Verdammt, wie schön, dass ausgerechnet Sie mich hier ertappt haben. Oder: Verdammt, Sie sind ja eine ganz heiße Nummer.

Toll, Lacey, dachte sie selbstironisch. Kein Wunder, dass die meisten in der Stadt immer noch meinen, du gehörst in die Klapsmühle.

Entschlossen vertrieb sie die negativen Gedanken. Denk positiv, denk an Sonnenschein, denk daran …

Dass du die Lage unter Kontrolle haben musst.

Der Fremde räusperte sich. Sie fuhr zusammen.

„Ich wollte Ihnen keinen Ärger machen, Ma’am.“

Ma’am? Mit siebenundzwanzig war sie für diese Anrede doch entschieden zu jung! Musste sie sich etwa Sorgen machen, weil er sie wie eine ältere Frau behandelte?

„Nennen Sie mich nicht Ma’am.“ Sie sah ihn scharf an und umklammerte den Feuerhaken fester.

Er grinste. „Wäre Ihnen Missy lieber?“

„Für einen, der mit einem Bein im Gefängnis steht, riskieren Sie eine ziemlich freche Lippe. Sheriff Reno greift hart durch, wenn jemand sich unbefugt auf fremden Grundstücken herumtreibt. Oder in Häuser einbricht.“

Der Fremde zuckte mit den Schultern und warf seinen Hut auf den Tisch. Offenbar fühlte er sich wie zu Hause. „Freche Sprüche haben mir noch nie geschadet.“

Was für eine Stimme! Tief, rau und sehr männlich. Wäre Lacey nicht so misstrauisch gewesen, sie hätte sich von dieser Stimme zu vielem verlocken lassen …

„Was auch immer Sie hier wollten, Sie sollten auf jeden Fall schnellstens wieder verschwinden.“ Sie schaute sich um. Neben dem Kamin stapelten sich Konservendosen, und auf dem Bett lag eine große Lederreisetasche. „Sieht ganz so aus, als hätten Sie sich schon häuslich niedergelassen.“

Lässig schlenderte er zum Kamin und streckte die Hände aus, um sie zu wärmen. Lacey nutzte die Gelegenheit, ihn eingehend zu mustern.

Ein sehr attraktiver Mann, das musste sie zugeben. Kantige Gesichtszüge mit ausgeprägten Wangenknochen, blaue Augen, ein sinnlicher Mund. Ihr Herz machte einen Satz.

Immer mit der Ruhe, ermahnte sie sich.

„Also“, begann sie, „wie lange hausen Sie hier schon?“

Keine Antwort.

Aber er zog die Jacke aus. Unter dem hellen Hemd zeichneten sich breite, muskulöse Schultern ab. Als er die Jacke über einen Stuhl hängte, fiel Laceys Blick auf seine langen Beine. Er trug braune Jeans und Stiefel.

Wie hatte es diesen Mann in ihre Hütte verschlagen?

Lacey raffte ihren gesunden Menschenverstand zusammen. Auch wenn viele im Ort sie für flatterhaft hielten, so führte sie immerhin sehr erfolgreich das Futtermittelgeschäft der Familie. Sie plante sogar ein ziemlich riskantes Projekt, aus dem schon bald Geld für das Reno Center – ein Heim für elternlose Kinder – fließen sollte. Sie war eine starke Frau. Es machte ihr nichts aus, in aller Öffentlichkeit eine Komiteesitzung zu leiten. Nein, sie war nicht mehr der verstörte Teenager, den man eine Zeit lang in einer Einrichtung für verhaltensauffällige Mädchen untergebracht hatte.

Sie hatte alles im Griff. Wie den Feuerhaken, den sie fest umklammert hielt.

„Hören Sie mal, ich will eine Antwort“, setzte sie wieder an. „Ich meine, ich mache einen schönen langen Spaziergang durch den Wald und sehe plötzlich Licht in dieser alten Hütte. Meiner Hütte. Seit Jahren ist niemand mehr hier gewesen, abgesehen von diesen Teenagern, die …“

Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu, dann drehte er sich wieder zum Feuer, als langweile sie ihn mit ihren Geschichten.

„Hallo?“ Sein Schweigen ärgerte sie maßlos.

Er betrachtete die tanzenden Flammen. „Ja?“

Aha, ein Lebenszeichen. „Können Sie sich vorstellen, wie überrascht ich war, dass jemand in dieser Bruchbude untergekrochen ist?“

„Hoffentlich haben Sie mich nicht für Schneewittchen gehalten.“

„Sehr witzig“, fuhr sie fort. „Macht Spaß, einer Frau mit einem gefährlichen Ding in der Hand den Rücken zuzukehren, wie?“

Er ließ die Hände sinken und drehte sich endlich um. Der Feuerschein ließ sein blondes Haar golden aufleuchten.

„Das Ding nennt sich Feuerhaken, und es tut mir leid.“

„Wenn Sie das wirklich ernst meinen, warum gehen Sie dann nicht einfach?“

Er presste die Lippen zusammen. Schaute zu Boden.

Sie seufzte. „Wenn Sie eine Unterkunft brauchen, empfehle ich Ihnen das Edgewater Motel draußen am Highway. Dort müssen Sie nicht befürchten, dass Ihnen das Dach auf den Kopf fällt. Diese Hütte ist nämlich ziemlich baufällig. Andererseits haben Sie hier natürlich eine fantastische Aussicht.“ Sie deutete aus dem halb zugefrorenen Fenster. „Auf das Anwesen der Spencers in all seiner Pracht.“

War er etwa eben zusammengezuckt? Lacey hätte nicht dafür garantieren können.

„Vielleicht können wir einen Deal machen, Miss. Wie wär’s, wenn ich die Hütte hier wieder auf Vordermann brächte?“

Der sachliche Vorschlag gefiel ihr. „Wirklich?“ Das hatte sie sich schon seit Jahren vorgenommen, es aber immer wieder verschoben. Es gab so viele andere, wichtigere Dinge.

Zum Beispiel Beziehungen. Liebe. Einsamkeit.

Er lächelte selbstsicher. „Unter einer Bedingung.“

„Sie stellen Bedingungen?“ Lacey fing an zu lachen.

„Ja. Und zwar folgende: Wenn ich die Hütte repariere, lassen Sie mich zufrieden. Und stellen keine Fragen.“

Ihr zog sich das Herz zusammen. Er wollte nichts von ihr wissen. Natürlich nicht.

Lacey bemühte sich zu verbergen, wie sehr er sie getroffen hatte.

Connor Langley bedauerte seine Worte, sobald er sie ausgesprochen hatte. Nicht, weil er nicht allein sein wollte – sein Aufenthalt in dieser Stadt hing davon ab –, sondern weil er sah, wie das Licht in ihren Augen erlosch.

In ihrem Schneehasenoutfit sah sie richtig süß aus. Die Ohrschützer baumelten von ihrer pink behandschuhten rechten Hand, während sie mit der linken immer noch den Feuerhaken wie ein Schwert hielt. Sie trug eine eng anliegende Skihose, die in dicken Winterstiefeln steckte.

Ihre lebhafte Erscheinung wurde durch die großen blaugrauen Augen mit den dunklen, geschwungenen Wimpern, die leichte Stupsnase und den kleinen, aber vollen Mund noch betont.

Eigentlich gehörte es verboten, dass eine Frau so niedlich aussah.

Immer, wenn er sie genauer ansah, wurde ihm ganz heiß … aber darauf konnte Connor sich unmöglich einlassen! Dafür lagen ihm zu viele Dinge auf der Seele.

Zum Beispiel, dass er unbedingt in dieser Hütte bleiben musste, weil er von hier aus das Anwesen der Spencers am besten im Blick hatte.

Und diese Frau durfte nicht merken, wie wichtig ihm das war.

„Also abgemacht?“

Sie strich sich eine dunkelbraune Strähne hinters Ohr zurück. „Das ist doch völlig verrückt“, erwiderte sie und runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.“

„Kein Problem.“ Betont lässig streckte er die Hand aus. „Connor Langley.“

Sie senkte leicht den Kopf, als versuchte sie sich daran zu erinnern, ob ihr der Name etwas sagen sollte. Dann hielt sie ihm die Hand hin. „Lacey Vedae.“

Als sich ihre Finger berührten, durchzuckte es Connor wie ein Stromschlag – trotz des wollenen Handschuhs. Ein Prickeln jagte über seinen Arm. Er spürte ein Verlangen, das er im Moment überhaupt nicht gebrauchen konnte.

Abrupt ließ er ihre Hand los und trat einen Schritt zurück.

„Was tun Sie hier, Mr. Langley?“ Das klang knallhart.

Er zuckte lässig mit den Schultern. „Ich brauche eine Auszeit. Musste einfach mal raus, weg von allem und jedem. Deshalb soll niemand wissen, dass ich mich hier aufhalte.“

„Und da kommen Sie ausgerechnet nach Kane’s Crossing? Sie müssen sich ja förmlich nach Langeweile sehnen!“

Connor würde viel dafür geben, dass alles wieder so war wie vorher … in der kleinen Stadt in Montana, wo er all die Jahre gelebt hatte. Dort, wo er sich mit Emily Webster verlobt hatte, weil alle es erwarteten. Dort, wo seine Mutter so schwer an Krebs erkrankt war. Dort, wo er einfach Connor Langley war, und mehr nicht.

„Mir gefällt es hier“, erwiderte er und meinte es auch so.

Sie kniff leicht die Augen zusammen, Misstrauen im Blick. „Sie lügen. Warum sollte ich Sie hier dulden, wenn Sie sich nicht einmal zur Wahrheit durchringen wollen?“

Verdammt. „Weil ich ein richtig guter Handwerker bin. Das war mein Job in Raintree in Montana.“

Sie verschränkte die Arme über ihrer Daunenjacke. Seine Story schien sie nicht zu überzeugen.

„Glauben Sie mir, Miss Vedae.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich will einfach nur allein sein.“

„Hm.“ Sie schob die Unterlippe vor und musterte ihn. „Ich traue Ihnen immer noch nicht.“

„Vertrauen ist auch nicht die Voraussetzung für unseren Deal.“ Fast hätte er wieder Ma’am hinzugefügt, verkniff es sich aber gerade noch rechtzeitig.

Alte Gewohnheiten waren schwer abzulegen. Schließlich hatte seine Mom ihm dreiunddreißig Jahre lang eingebläut, Frauen höflich anzusprechen.

Mom. Der Gedanke an sie tat weh. Sie wartete in Montana auf seine Hilfe.

Auf jeden Fall kam er nicht weiter, wenn er mit seiner potenziellen Vermieterin hier herumstand und plauderte. Es wurde höchste Zeit, dass er sich wieder an die Arbeit machte.

„Also, wie sieht’s aus?“, fragte er und machte unbewusst einen Schritt auf sie zu. Es juckte ihm in den Fingern, ihr über die Wange zu streichen, sie zu überzeugen, dass er doch kein so schlechter Kerl war.

Bis vor einem Monat hatte er das auch gedacht. Bevor er die Wahrheit über sich erfahren hatte.

Lacey Vedae seufzte und schob beide Hände in die Taschen. „Was soll’s – schließlich wohnen Sie ja nicht bei mir im Haus …“

„Richtig.“

„Und Sie bringen diese Bruchbude für mich in Schuss.“

„Diese Bruchbude, an der offensichtlich Ihr Herz hängt.“

Sie seufzte. „Ich muss noch einmal darüber nachdenken.“

„Wenn Sie meine Bedingungen einhalten, können Sie sogar vergessen, dass es mich überhaupt gibt. Und umgekehrt.“

Schweigend schaute sie ihn an. Ihr plötzlich sanfter Blick erinnerte ihn an die graublauen Wolken, die vor einem Unwetter am Himmel aufzogen. Flüchtig glaubte er so etwas wie Einsamkeit in ihren Augen schimmern zu sehen, dann war es schon wieder fort.

Sie ging zur Tür, zögerte aber, bevor sie sie öffnete. „In meinem Schuppen neben dem Haus habe ich eine Menge Werkzeug. Holen Sie sich, was Sie brauchen.“

„Heißt das, dass Sie einverstanden sind? Und Sie behalten für sich, dass ich hier bin?“

Ihre Hand ruhte auf dem Türknauf. „Vorerst ja.“

Ohne ihm einen weiteren Blick zu gönnen, öffnete sie die Tür und ging hinaus. Die Sonne war durch die Wolken gebrochen und glitzerte auf der weißen Schneedecke.

Was bedeuteten ihre letzten Worte? Sollte er hierbleiben? Oder lieber gehen?

Fragen über Fragen. Er war es leid, immer wieder Antworten suchen zu müssen.

Eins jedoch war klar – er musste Miss Vedae dazu bringen, den Mund zu halten, damit er sich unbemerkt hier aufhalten konnte.

Bis zum Abend hatte Lacey sich neunundneunzig verschiedene Möglichkeiten überlegt, Connor Langleys Bedingung zu umgehen.

Sie entschied sich für ein aufwendiges Essen.

Auf dem Weg zur Hütte versuchte sie sich einzureden, dass sie gerade das Richtige machte. Es konnte natürlich sein, dass es der größte Fehler ihres Lebens war, ihn dort wohnen zu lassen, aber als Geschäftsfrau hatte sie eine ziemlich gute Menschenkenntnis entwickelt. Connor Langley schien kein schlechter Typ zu sein – so, wie er höflich den Hut vor ihr gezogen hatte oder wie er ihr den Rücken zugekehrt hatte, während sie noch drauf und dran gewesen war, ihn mit dem Feuerhaken zu attackieren.

Vielleicht freute er sich sogar, sie zu sehen, wenn sie ihm gleich mitteilte, dass er in der Hütte bleiben durfte.

Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen, als sie Siggy Woods erreichte, den dunklen Wald, um den sich manche Legende rankte.

„Er hat zwar gesagt, dass er allein sein will“, murmelte sie vor sich hin. „Aber eine gute Nachbarin darf doch wohl ein kleines Willkommensessen vorbeibringen, oder?“ Sie nahm den schweren Korb in die andere Hand. „Andererseits sollte ich ihn als gute Nachbarin wirklich in Ruhe lassen. Darum hat er mich ja ausdrücklich gebeten …“

Sie presste die Lippen zusammen. Damals, mit vierzehn, hatte der Arzt im Hazy-Lawn-Heim sie davor gewarnt, Selbstgespräche zu führen. Doch wie bei den meisten Ratschlägen, die man ihr während des kurzen Aufenthalts dort gab, hatte sie zwar so getan, als wäre sie dankbar dafür, letztendlich aber auch diesen in den Wind geschlagen.

Außerdem hatte ihr Problem wenig mit Selbstgesprächen zu tun. Im Gegenteil, sie halfen ihr, nicht in düstere Grübeleien zu versinken. Früher hatte sie es nicht einmal geschafft, morgens aus dem Bett zu kommen. Zum Glück war das schon lange her.

Trotzdem griffen die dunklen Gedanken von damals manchmal noch nach ihr, aber sie wehrte sich mit aller Kraft dagegen. Die wöchentlichen Therapiestunden in Louisville halfen ihr dabei. Ebenso wie das Medikament, das sie morgens einnahm.

Meistens war sie ein fröhlicher Mensch, tatkräftig und erfolgreich, und niemand in Kane’s Crossing würde vermuten, dass sie dafür all ihre Energie brauchte …

Durch die weiß gepuderten Kiefern konnte sie die Hütte ausmachen. Warmes Licht fiel durch die Fenster nach draußen. Gleich darauf stand sie vor der Tür und atmete einmal tief durch. Dann, innerlich gewappnet, klopfte sie an.

Eine ganze Weile kam keine Antwort. Doch schließlich wurde die Tür einen Spalt weit geöffnet. Die rostigen Angeln quietschten.

Connor Langley stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, das Haar im Nacken zusammengebunden. „Hatten Sie mich nicht verstanden? Sie sollten mich in Frieden lassen.“

Lacey blickte ihm in die leuchtend blauen Augen und verlor für einen Moment den Faden. Der Mann stand so dicht vor ihr, dass sie die hellen Flecken in der Iris sehen konnte.

„Ich …“ Sie lächelte und hielt ihm den Picknickkorb hin. „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie hierbleiben dürfen. Und als Entschuldigung dafür, dass ich Sie mit dem Eisending bedroht habe, habe ich Ihnen etwas gekocht.“

„Mit dem Feuerhaken, meinen Sie.“ Er zog die Augenbrauen hoch, und Lacey fragte sich noch einmal, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, herzukommen.

Bevor er weitersprechen konnte, sagte sie rasch: „Ich kann übrigens wirklich gut kochen. Es gibt Spinatsalat mit Shrimps und Sherry-Vinaigrette, dazu Lachsröllchen, Seezunge mit Champagnersauce und als Nachtisch Birnenkuchen. Damit haben Sie bestimmt nicht gerechnet, oder? Dass Sie an diesem gottverlassenen Ort so ein Menü serviert bekommen?“

Lacey lächelte hoffnungsvoll.

„Ich bin sauer“, antwortete er knapp.

„Ich war bloß gerade dabei, mir etwas zu kochen, und da dachte ich …“

Er unterbrach den Blickkontakt und schüttelte den Kopf.

Deutlicher hätte er ihr nicht zu verstehen geben können, dass sie unerwünscht war. Lacey stellte ihm den Korb direkt ihm vor die Füße und wandte sich abrupt um.

„Warten Sie, Miss Vedae.“

Sie blickte über die Schulter. Er nahm den Korb und zog die Tür weiter auf. „Mein Privatleben ist mir sehr wichtig, verstehen Sie das?“, brummte er.

Sollte das nun eine Einladung sein oder eine Erklärung, warum er sie nicht hier haben wollte?

Vielleicht war sie wirklich zu aufdringlich. „Guten Appetit, Mr. Langley. Ich überlasse Sie Ihrer eigenen Gesellschaft.“

Die Angeln quietschten laut, als er die Tür noch weiter aufzog. „Kommen Sie bitte herein.“

Das war eindeutig ein Befehl. Hätten Matt und Rick, ihre Stiefbrüder, oder einer ihrer Mitarbeiter sie in einem solchen Ton angesprochen, sie hätte ihnen die Meinung gegeigt. Aber bei diesem Mann …

Lacey sagte nichts, sondern nickte nur, als hätte sie von vornherein mit seiner Einladung gerechnet, und ging langsam in die Hütte.

Lacey Vedae konnte wirklich gut kochen, das musste man ihr lassen.

Connor biss in das letzte Stück Kuchen und unterdrückte ein wohliges Aufstöhnen. Er war eher an Beefsteak und Kartoffeln gewöhnt: ein deftiges, schlichtes Essen, zu dem ihn seine Exverlobte jeden Sonntagabend nach dem Gottesdienst einlud. Hinterher saßen sie im Haus ihrer Eltern vor dem Fernseher und hatten sich kaum etwas zu sagen. Es reichte gerade für die Werbepausen.

Und jetzt aß er etwas, dessen Namen er nicht einmal aussprechen konnte.

Dabei war er nicht gerade vor Freude in die Luft gesprungen, als Lacey zum zweiten Mal an diesem Tag ungebeten vor der Tür gestanden hatte.

Nachdem sie am Nachmittag endlich wieder verschwunden war, hatte er die Gelegenheit genutzt, einen Blick auf das Anwesen der Spencers zu werfen. Und geflucht, als sich dort niemand regte. Vielleicht wohnten sie gar nicht mehr in der pompösen Villa? Aber er war entschlossen, das Haus weiterhin zu beobachten und Informationen zu sammeln, ehe er den nächsten Schritt unternahm.

Sich ihnen vorzustellen.

Je früher, desto besser. Seine Mutter war todkrank, und er hatte versprochen, ihr zu helfen.

Ein leises Gluckern riss ihn aus seinen Gedanken und in die Gegenwart zurück. Lacey schenkte gerade Riesling nach.

„Ich dachte, etwas Alkohol löst vielleicht Ihre Zunge. Wollen Sie mir nicht erzählen, warum Sie hier sind?“ Sie lächelte. Ihre Augen erinnerten ihn an den Abendhimmel. Der lavendelblaue Rollkragenpulli betonte das tiefgründige Blaugrau.

„Und ich dachte, wir hätten das längst geklärt.“

„Fragen schadet nie.“

„Das glauben Sie!“

Sie schob die Weinflasche von sich und neigte sichtlich interessiert den Kopf. Offenbar war ihre Neugier längst noch nicht gestillt.

Die Lady war nicht auf den Kopf gefallen. Aber er durfte auf keinen Fall durchblicken lassen, weswegen er wirklich hier war.

„Ist es denn so schrecklich, etwas über sich zu erzählen? Ich meine, warum Sie sich hier mitten im Wald verkriechen?“ Lacey stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. Im Feuerschein leuchtete ihr Gesicht golden. „Wenn ich nicht solche Angst hätte, dass Sie mich mit einem Ihrer finsteren Blicke strafen, würde ich Sie fragen, was für ein Mensch Sie sind.“

„Dann sehe ich Sie jetzt sicherheitshalber noch mal ganz finster an.“

Sie lachte leise und sah dabei entzückend aus. Am liebsten hätte er ihre Wange gestreichelt, aber er beherrschte sich. Erstens kannten sie sich kaum, und zweitens konnte er es sich nicht leisten, irgendetwas mit ihr anzufangen. Sobald die Spencers ihm gegeben hatten, was er wollte, würde er die Stadt wieder verlassen.

„Ich kann mir schon denken, was für Typ Mann Sie sind“, sagte Lacey. „Sie sind so ein rastloser Naturbursche, der auf der Suche nach einem warmen Plätzchen meine Hütte gefunden hat. Stimmt’s?“

Er berichtigte sie nicht. Eine bessere Tarnung konnte er sich kaum wünschen. „Und was ist mit Ihnen? Gehören Sie zu den Frauen, die gern für die Familie kochen?“

Sie wirkte überrascht. „Ich habe eine große Familie und viele Freunde. Fast immer ist jemand bei mir zu Besuch.“

„Ich verstehe schon, was Sie damit sagen wollen, Miss Vedae. Sie sind gut geschützt gegen Bösewichte, die durch die Wälder schleichen und sich in Ihrer Hütte einnisten. Aber keine Bange, ich bin kein Verbrecher.“

Sie lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn ich Sie für einen gehalten hätte, würden Sie gar nicht mehr hier sein, und ich hätte Sie nicht bekocht. Und Leute, die mit mir am Tisch sitzen, sagen normalerweise Lacey zu mir. Okay?“

„Verstanden.“ Connor kam sich vor, als hätte er gerade einen Berg erklommen und durfte jetzt die Aussicht auf die andere Seite genießen. „Es hat wunderbar geschmeckt.“ Er klopfte sich auf den Bauch, um ihr zu signalisieren, dass die gemütliche Mahlzeit zu Ende war. Aber Lacey blieb einfach sitzen und musterte ihn in aller Ruhe.

„An mir gibt es nichts zu entdecken“, erklärte er. „Ich bin nur ein Naturliebhaber. Schon vergessen?“

„Darum geht’s mir gar nicht. Ich überlege nur gerade … na ja, meine Stiefbrüder werden ausflippen, wenn sie hören, dass ich Sie hier wohnen lasse. Und dann stellen die beiden bestimmt Nachforschungen über Sie an.“

„Dann erzählen Sie ihnen doch einfach nichts von mir.“

Lacey hob einen Zeigefinger. „Ich glaube, dass Sie nicht nur ein einfacher Wanderer sind. Sie wollen sich verstecken.“

„Ich will nur meine Ruhe haben, das ist alles.“

Lacey stand auf. „Gut, dann lasse ich Sie jetzt in Ruhe.“

Er stellte sich vor, wie sie quer durch den verschneiten Wald zurück in das große Haus marschierte. Und sein Gefühl sagte ihm, dass dort niemand auf sie wartete. Würde sie sonst mit jemandem wie ihm hier draußen essen? Und als sie durch die gardinenlosen Fenster hinaus in die schweigende weiße Welt starrte, wurde ihm auf einmal seine eigene Einsamkeit bewusst.

„Bleiben Sie“, bat er spontan.

Sie zögerte kurz und setzte sich wieder.

Weil sie so verunsichert wirkte und er sich wünschte, dass sie wieder lächelte, fragte er: „Und was tun Sie sonst noch, wenn Sie nicht gerade in der Küche stehen und leckere Köstlichkeiten zaubern?“

Ihr Gesicht erhellte sich. „Ich leite die Futtermittelhandlung unserer Familie in Louisville. Aber wie mein Bruder Matt immer sagt, bin ich Weltmeisterin darin, andere für mich arbeiten zu lassen. Mein Bruder Rick fliegt mich mit seiner Cessna ein paarmal die Woche hin, damit ich mich ums Geschäft kümmere. Aber die meiste Arbeit erledige ich von hier aus per PC und Internet.“

„Aha, dann sind Sie also der Managertyp. Das hätte ich mir denken können, so, wie Sie mich heute Nachmittag in meine Schranken verwiesen haben.“

„War ich schrecklich überheblich?“

Connor zuckte mit den Schultern. Er musste ihr ja nicht erzählen, wie sie auf ihn gewirkt hatte, als sie mit dem Feuerhaken in der Hand vor ihm gestanden hatte: wie ein süßes Häschen mit Raubtierzähnen.

„Nein, überheblich nicht. Aber mir war sofort klar, dass Sie die Oberhand haben.“

Das schien ihr zu gefallen. „Vielen Dank.“

„War mir ein Vergnügen.“

Lacey setzte sich ein wenig aufrechter hin. Connor war froh, dass sie nicht mehr so misstrauisch war. Ihm war zwar nicht ganz klar, wie er das geschafft hatte, aber auf einmal leuchteten ihre Augen wieder. Das flackernde Kaminfeuer und die bizarren Eisblumen an den Fenstern ließen die Hütte noch gemütlicher erscheinen.

„Soll ich Ihnen mal etwas Verrücktes erzählen?“, fragte Lacey.

„Warum nicht?“ Erlag etwa auch Lacey der romantischen Atmosphäre?

Sie beugte sich wieder vor, ihr Gesicht war gerötet. „Wissen Sie …“ Sie zögerte, biss sich auf die Lippen. Dann lächelte sie. „Ich baue ein gläsernes Schloss“, verkündete sie stolz.

Autor

Crystal Green
<p>Crystal Green – oder bürgerlich Chris Marie Green – wurde in Milwaukee, Wisconsin, geboren. Doch sie blieb nicht lange: Sie zog zunächst nach Südkalifornien, von dort nach Kentucky und wieder zurück nach Kalifornien. Die Reisezeit vertrieb sie sich, indem sie Gedichte und Kurzgeschichten über die ultimativen Superhelden Supermann und Indiana...
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